Einleitung 1 Einleitung AllelebensnotwendigenProzesseeinesjedenLebewesensbasierenaufInteraktionen vonMakromolekülen,diedurchihrechemischeBeschaffenheitundStrukturdieProͲ zesse steuern und möglich machen. Nukleinsäuren und Proteine sind zwei der wichͲ tigstenMakromoleküle, dieeinezentraleRollealsBausteinedesLebensspielen.[1]Die StrukturaufklärungdieserOligomereindenfrühen50erJahrenführtezuvielenrevoluͲ tionärenErkenntnissen,diebiszumheutigenTagefürdieForschungundEntwicklung indenFeldernderPhysik,BiologieundChemiegrundlegendundbestimmendsind.[2–5] DerengeZusammenhangzwischenFunktion,StrukturundchemischemAufbauermögͲ lichtdurchModifikationenaufmolekularerEbeneeingezieltesDesignvonfunktionaͲ len Oligomeren, die nicht nur ein unerschöpfliches Repertoire an Anwendungen bieͲ ten,sondernauchinterdisziplinäreinsetzbarsind.DiedarausresultierendeunaufhaltͲ same Entwicklung dringt dabei in Felder vor, die weitab von der natürlichen biologiͲ schen Bestimmung der Makromoleküle liegen und schafft neue Disziplinen und AnͲ wendungen. DieDNA(deoxyribonucleicacid),diealsTrägerundSpeicherderErbinformationenbeͲ kanntistundderenEigenschaftenfürdieGenexpressionunerlässlichsind,kannabseits ihrer biologischen Funktion als ein supramolekulares Gerüst in der Nanotechnologie und den Materialwissenschaften verwendet werden.[6–8] Ihre klar definierte starre DuplexͲStruktur,mitderFähigkeitdermolekularenErkennungundSelbstaggregation bietetzudemeingroßesPotenzialfürbottomͲupͲVerfahrenzurGenerierungvonhoch strukturierte Materialien mit spezifischen Eigenschaften im Nanobereich.[6] Die AnͲ wendungsbereichederDNAsindjedochnichtnuraufihrenatürlicheDuplexͲStruktur beschränkt,sondernsinddurchgezielteModifikationderOligonukleotideumeinVielͲ facheserweiterbar.[9,10]MitderrasantenEntwicklungderOligonukleotidͲSynthesean fester Phase ist es heutzutage möglich, aufbauend auf modifizierten NukleosidͲ Bausteinen und artifiziellen Nukleobasen, funktionale Oligonukleotide mit beliebiger 1 Dieses Werk ist copyrightgeschützt und darf in keiner Form vervielfältigt werden noch an Dritte weitergegeben werden. Es gilt nur für den persönlichen Gebrauch. Einleitung Sequenz, Funktion und Eigenschaften zu synthetisieren. Auf diese Weise können Aptamere entwickelt werden, die eine komplexe dreidimensionale Struktur einnehͲ menundselektivanZielverbindungen binden.DieseEigenschaftensindnichtnurbei der Entwicklung von neuen Arzneimitteln und Therapeutika von großer Bedeutung, sondernermöglichenauchdieVerwendungvonAptamerenalsKatalysatorenfüreine Vielzahl chemischer Reaktionen.[11–13] Unter Erhalt ihrer Integrität wird die DNA aufͲ grund der wachsenden Vielfalt an Modifikationen und Anwendungen zu einem der vielseitigstenMakromoleküle,diegezieltmodelliertwerdenkönnen. JedederbeschriebenenAnwendungenderOligonukleotidebasiertaufderMöglichkeit mitHilfekleinermodifizierterBausteinekomplexeoligomereStrukturenmiteinerdeͲ finierten Funktion zu designen. Der Ansatz der hier präsentierten Untersuchungen baut auf der Synthese eines neuen azyklischen Bausteins auf, der als ThiolͲtragende Rückgratmodifikation von Oligonukleotiden verwendet werden soll. Mit Hilfe dieser ModifikationsollunterVerwendungderdynamischenkombinatorischenChemieeine TemplatͲgesteuertereversibleFunktionalisierungdesOligonukleotidsuntersuchtwerͲ den. Im Vordergrund der Untersuchungen stehen die Synthese und Anpassung des BausteinsandieOligonukleotidͲSyntheseanfesterPhasesowiedieEntwicklungeines aufdemThiolͲThioesterͲAustauschbasierendendynamischenAssays.DiedarausresulͲ tierenden Erkenntnisse sollen unter anderem zur Generierung neuer funktionaler selbstorganisierenderOligonukleotidegenutztwerden. Die Anwendungen und Funktionen der natürlichen DNA sind auf die Variation in der AbfolgedervierkanonischenNukleobasenlimitiertundsindindergeringenAnzahlan möglichen Sekundärstrukturen begründet. Proteine dagegen können aufgrund der zwanzig proteinogenen Aminosäuren eine wesentlich größere Vielfalt an SekundärͲ strukturelementen ausbilden, die zu komplexen TertiärͲ und Quartärstrukturen fühͲ ren.[1]DiesichdarausergebendeVariationanStrukturenermöglichtesdenProteinen, sehr spezielle und vielfältige Funktionen im Organismus auszuführen (Enzyme, AntiͲ körper, Toxine, Kollagene etc.).[14] Doch nicht nur die Funktion der Proteine ist stark vonihrerStrukturabhängig,auchvieleErkrankungenwieAlzheimersindauffehlerhaft gefalteteProteinezurückzuführen.[15]DieVeränderungder dreidimensionalenStrukͲ tur eines Proteins ist ein essentieller Vorgang, der auch bei der Proteinerkennung durchkleineMolekülesowiebeiProteinͲProteinͲundProteinͲDNAͲWechselwirkungen 2 Dieses Werk ist copyrightgeschützt und darf in keiner Form vervielfältigt werden noch an Dritte weitergegeben werden. Es gilt nur für den persönlichen Gebrauch. Einleitung einewichtigeRollespielt.EinekontrollierbareÄnderungderKonformationwürdeein wichtigesWerkzeugzurSteuerungderProteinfunktionundderenEigenschaftdarstelͲ len.EinweiteresZieldieserArbeitistes,modifiziertekleinePeptidͲHexameremitErͲ kennungseinheitendarzustellen,welchemitkomplementärenMoleküleninWechselͲ wirkungtretenundsomiteineKonformationsänderunginnerhalbeinesProteinsinduͲ zieren können. Im gepaarten Zustand liegt das Rückgrat des Hexamers in einer ɴͲFaltblattͲKonformationvor,währendderEinzelstrangeinezufälligausgebildeteAnͲ ordnungaufweist.DurchPaarenbzw.EntpaarenkannaufdieseWeiseein„Schalten“ zwischen den Konformationen ermöglicht werden. Als molekulare Schalter für ɴͲFaltblattͲSekundärstrukturen sollen AlanylͲPeptidnukleinsäuren (AlanylͲPNAs) dieͲ nen.DazuwerdenaufderAminosäureSerinaufbauendeNͲmethylierteͲBausteinesynͲ thetisiert,dieNukleobasenalsErkennungseinheitentragenundabwechselndmitnicht methyliertenBausteinenzumAlanylͲPNAͲHexamerverknüpftwerden.Dabeiliegtder FokusaufderSynthesevonDipeptiden,welcheüberdieNͲmethylierteAminverknüpft sind und in der PeptidͲSynthese an feste Phase über das nicht methylierte Amin geͲ kuppeltwerdenkönnen.DerEinsatzvonNͲmethyliertenBausteinendientderVermeiͲ dungvoneventuellauftretendenRückgrataggregationen.Desweiterensollenaufdiese WeiseNMRͲspektroskopischeUntersuchungeneinessolchenAlanylͲPNADoppelstranͲ gesundseinesPaarungsverhaltensermöglichtwerden.[16] Die in dieser Arbeit durchgeführten Untersuchungen sollen deutlich machen, dass komplexe Makromoleküle wie die Oligonukleotide und Peptide in ihrer Struktur und FunktiondurchkleinereUntereinheiten(Nukleoside,Aminosäuren)bestimmtwerden. DurchgezieltessynthetischesDesigndieserBausteinekönnengrößereübergeordnete Strukturen modifiziert, funktionalisiert und gesteuert werden. Unter Ausnutzung der Synthese an fester Phase und Anpassung der Synthesebedingungen ist das Potential kleinerBausteinegrößeralsjezuvor. 3 Dieses Werk ist copyrightgeschützt und darf in keiner Form vervielfältigt werden noch an Dritte weitergegeben werden. Es gilt nur für den persönlichen Gebrauch. Dieses Werk ist copyrightgeschützt und darf in keiner Form vervielfältigt werden noch an Dritte weitergegeben werden. Es gilt nur für den persönlichen Gebrauch. DynamischeModifikationvonOligomeren 2 DynamischeModifikationvonOligomeren AufderSuchenachneuenbioaktivenundfunktionalenMoleküleneröffnetdiedynaͲ mischekombinatorischeChemienochniedageweseneMöglichkeitenzurGenerierung vonInhibitorenunddynamischenWerkstoffen.[17,18]DiedynamischeChemienutztdaͲ beireversibleWechselwirkungen,dieeinenkontinuierlichenAustauschunddiedaraus resultierendeselektionsgesteuerteReorganisationderKomponentenermöglichen.Die selektive,reversibleFunktionalisierungvonOligomerenistsomitfundamentalfürein adaptivesundreaktivesDesignvonMakromolekülenundMaterialienmithohemAnͲ spruchsverhalten.[19] Auf diese Weise wird eine Änderung der klassischen Ansätze möglich, die weg von riesigen vorgefertigten Substanzbibliotheken hin zu kleineren selbstorganisierten dynamischen Bibliotheken führt. Somit wird ein Umschalten von FabrikationzurSelbstͲFabrikationvollzogen.[20,21] 2.1 KombinatorischeChemie Der Grundgedanke der kombinatorischen Chemie basiert auf der gleichzeitigen DarͲ stellungeinerVielzahlvonchemischähnlichenVerbindungen,dieeineSubstanzbiblioͲ thek bilden.[22] Die Substanzbibliotheken können dabei aus Verbindungsgemischen oder einer Ansammlung von Einzelverbindungen bestehen. Durch die Fähigkeit der Generierung einer Vielzahl chemischer Komponenten innerhalb kürzester Zeit beͲ schreibtdiekombinatorischeChemieeineneueHerangehensweiseandietraditionelle Chemie,beiderzweiKomponentenAundBzueinemklardefiniertenProduktABreaͲ gieren(Abb.1).[23] Abb.1:DarstellungderUnterschiedezwischentraditionellerSynthesechemie(links)undkombiͲ natorischerChemie(rechts). Dieses Werk ist copyrightgeschützt und darf in keiner Form vervielfältigt werden noch an Dritte weitergegeben werden. Es gilt nur für den persönlichen Gebrauch. 5 DynamischeModifikationvonOligomeren ImKontrastdazuistdieKombinatorischeChemiedurchdieReaktionmehrererSyntheͲ sebausteineA1bisAnmitmehrerenBausteinendesTypsB1bisBn gekennzeichnet und erfasst alle Produktmöglichkeiten.[24] Die Reichweite an kombinatorischen Techniken ist sehr divers und die Produkte können parallel in getrennten Gefäßen, simultan in einerMischunganfesterPhaseoderinLösunghergestelltwerden.DerwichtigsteFakͲ tor dabei ist die Produktivitätssteigerung, die durch Anwendung kombinatorischer ChemieerzieltwirdunddiebisherbekanntenRoutinemethodenbeiweitemübertrifft. SpätestensseitdervonR.B.Merrifield1963vorgestelltenPeptidͲFestphasensynthese verbreitetensichdiedaraufaufbauendenMethodenrasantinfastjedemFeldderorͲ ganischen Synthesechemie.[25] Auch wenn die Automatisierung und die Verwendung von Hochdurchsatzmethoden die Synthese und Charakterisierung großer Mengen an Komponenten stark beschleunigt haben, stellen die NachweisͲ und Trennmethoden immernochdenlimitierendenFaktorderkombinatorischenChemiedar.BeiderkomͲ binatorischenSynthesevonSubstanzbibliothekenistnichtdieüberausgroßeAnzahlan Verbindungen wichtig, sondern vielmehr die Qualität der Bibliothek. Dabei steht die Diversität im Vordergrund, die sich in der Heterogenität der Verbindungen niederͲ schlägtund diedurchdieräumlicheAnordnungderfunktionellenGruppenbestimmt wird.DieseVoraussetzungenermöglicheneineVielfaltanDesignansätzen,dieriesige Substanzbibliothekengenerierenkönnen.SomithatsichdiekombinatorischeChemie inVerbindungmitdemHochdurchsatzͲScreeningalseinunverzichtbaresWerkzeugbei derWirkstoffentwicklungetabliert.[26]DergrößtelimitierendeFaktorbleibtjedochdie Tatsache, dass jede Komponente der Bibliothek in jeglicher Diversität synthetisiert werden muss und eine zielgesteuerte Reorganisation der Bibliothek sehr aufwendig wird. 2.2 DynamischekombinatorischeChemie(DCC) Die dynamische kombinatorische Chemie (dynamic combinatorial chemistry, DCC) ist als kombinatorische Chemie unter thermodynamischer Kontrolle definiert.[27] Sie beͲ ruht auf der Selektion des thermodynamisch stabilsten Produktes aus einer sich im Gleichgewicht befindlichen Mischung von potenziellen Produkten. Die Mischung beͲ schreibt ein dynamisches System mit hoher Diversität und Komplexität, die aus den 6 Dieses Werk ist copyrightgeschützt und darf in keiner Form vervielfältigt werden noch an Dritte weitergegeben werden. Es gilt nur für den persönlichen Gebrauch. DynamischeModifikationvonOligomeren einzelnen strategisch designten Reaktanden (Bausteine) besteht. Im Gleichgewicht bilden diese eine dynamische Bibliothek von reversiblen Verbindungen (dynamic combinatoriallibrary,DCL).DerGrundsatzderDCCbeschreibteineselektiveAdaption der DCL, wenn ein Selektionsdruck auf das sich im Gleichgewicht befindliche System ausgeübtwird.DieswirddurcheineUmwandlungdereinzelnenBibliotheksbestandteiͲ leineinanderermöglicht.DieUmwandlungwirddurcheinenchemischreversiblenProͲ zess beschrieben, der auf nichtkovalenten und kovalenten Bindungen sowie auf MeͲ tallͲLigandͲInteraktionenaufgebautseinkann. Abb.2:GenerierungeinerdynamischenkombinatorischenBibliothek(DCL).ImGleichgewichtbesteht die dynamische Bibliothek aus eine bestimmten Anzahl an diversen Molekülen, die sich durch einen reversiblenReaktionsprozessaneinenSelektionsdruckanpassenkönnen. Da sich das System unter thermodynamischer Kontrolle befindet, bedeutet jedoch auch,dassjeglicheVeränderungderReaktionsbedingungen(Temperatur,pH,KonzentͲ ration)eineVeränderunginnerhalbderBibliothekhervorrufenkann.DiesensibleReͲ aktionderDCLaufexterneEinflüsseisteinewichtigeBesonderheitderdynamischen kombinatorischen Chemie, denn die Komposition der Bibliothek wird durch die therͲ modynamische Stabilität jeder einzelnen Komponente der Bibliothek unter den entͲ sprechenden Reaktionsbedingungen bestimmt. Diese selbstͲadaptiven Eigenschaften machendiedynamischekombinatorischeBibliothekzueinemeffektivenWerkzeugzur BestimmungthermodynamischerMinima.[28,29] 2.2.1 GrundlagenderDCC DasGrundprinzipderDynamikinderkombinatorischenChemiebasiert,wiezuvorerͲ wähnt,aufdergeeignetenreversiblenReaktion,diedenAustauschderBausteinezwiͲ schendeneinzelnenBestandteilenderBibliothekmöglichmachtunddieAdaptionder 7 Dieses Werk ist copyrightgeschützt und darf in keiner Form vervielfältigt werden noch an Dritte weitergegeben werden. Es gilt nur für den persönlichen Gebrauch. DynamischeModifikationvonOligomeren BibliothekandenSelektionsdruckermöglicht.[30,31]DabeimüssenfolgendeBedingunͲ generfülltwerden,umeinegeeigneteReaktionzubestimmen:[32] 1. DasGleichgewichtsolltesichineinerfürdieReaktionsbedingungenannehmbaͲ renZeiteinstellenundbestmöglichschnellerablaufenalsdieauftretendenNeͲ benreaktionen,diedieSubstratedemGleichgewichtentziehen. 2. DieReaktionsollteuntermildenReaktionsbedingungenablaufen,umnichtmit denempfindlichen,nichtkovalentenWechselwirkungenzuinterferieren,diefür diemolekulareErkennungnotwendigsind. 3. DieReaktionsolltegegenübermöglichstvielenfunktionellenGruppentolerant sein und chemoselektiv ablaufen. So kann gezielt eine dynamische Bibliothek designtunddieKomplexitäteingeschränktwerden. 4. DieGleichgewichtsreaktionsolltekontrolliertbeendetwerdenkönnen,umsoͲ mitdieKinetikeinzufrierenunddieselektiertenBibliotheksbestandteileisolieͲ renundnachweisenzukönnen. 5. Im Idealfallsollten alleBestandteile der Bibliothek isoenergetisch sein, um eiͲ nerseits den Energieaufwand für die kontinuierliche Adaption zu minimieren und um andererseits Einflüsse auf das Gleichgewicht möglichst gering zu halͲ ten. BisheutewurdeeineVielzahlvonreversiblenReaktionen,dieeinegroßeBandbreite anReaktionstypenabdecken,untersuchtundpubliziert(Abb.3).[30,32]DabeiisteswichͲ tig, dass die zuvor beschriebenen Bedingungen bestmöglich erfüllt werden. Gerade wennbiologischrelevanteSystemeuntersuchtwerdensollen,mussgewährleistetsein, dassdieseReaktionenimwässrigenMediumablaufenkönnen. Abbildung3zeigtdieBandbreitederReaktionen,dievielederAnforderungenerfüllen und eine Vielfalt an Reaktionstypen abdecken. Die drei häufigsten Bindungsarten (nichtkovalente, kovalenteundkoordinativeBindungen),diefürreversibleReaktionen in dynamischer kombinatorischer Chemie verwendet werden, haben ihre VorͲ und NachteileundmüssenselektivandenAnwendungsbereichangepasstwerden.Beiden meistschwachenundlabilennichtkovalentenBindungenstelltsichdasGleichgewicht zwarsehrschnellein,jedochsinddiegebildetenthermodynamischenProduktenicht sehrstabil.[32] 8 Dieses Werk ist copyrightgeschützt und darf in keiner Form vervielfältigt werden noch an Dritte weitergegeben werden. Es gilt nur für den persönlichen Gebrauch. DynamischeModifikationvonOligomeren Abb.3:Beispielefürreversible,kovalenteundnichtkovalenteReaktionen,diebereitsuntersuchtworͲ densindundVerwendunginderDCCfinden.AlleaufgeführtenReaktionenlaufenuntermildenBedinͲ gungenab.(EWG=elektronenziehendeGruppe) Dadurchwirdessehrschwerdiesezuisolierenundzucharakterisieren.ImGegensatz dazu sind die Kinetikenfür das Ausbilden undLösen der kovalenten Bindungen langͲ samundhabenlangeReaktionszeitenzufolge.AndererseitssinddieseBindungensehr stabilundkönnenohneweiteresisoliert,charakterisiertundfürweitereAnwendungen verwendet werden. Die resultierenden selbstͲadaptiven Eigenschaften der dynamiͲ 9 Dieses Werk ist copyrightgeschützt und darf in keiner Form vervielfältigt werden noch an Dritte weitergegeben werden. Es gilt nur für den persönlichen Gebrauch. DynamischeModifikationvonOligomeren schenkombinatorischenChemie,dieunteranderemdurchdieVerwendungreversibler undkovalenterBindungenerzieltwerden,unterstreichendieVorzügedieserMethode gegenüberderkonventionellenkombinatorischenChemie.MitHilfedergezieltenSeͲ lektion kann sich somit die Zusammensetzung der gesamten Bibliothek selbstorganiͲ siertandieerforderlichenGegebenheitenanpassen. 2.2.2 Selektion Das adaptive Verhalten der dynamischen Bibliotheken ist das Resultat eines SelektiͲ onsprozesses.DieserwirddurchdiePräsenzeinesartifiziellenodernatürlichenRezepͲ tors (Templat), der die Selektion steuert, bestimmt. Das sogenannte templating beͲ schreibt einen weiteren Eckpfeiler der dynamischen kombinatorischen Chemie. Die ZugabeeinesTemplats(Enzym,RezeptoroderSubstrat),welchesmiteinemBestandͲ teil der Bibliothek wechselwirkt, verschiebt gemäß dem Prinzip von LeChatelier die ZusammensetzungderBibliothekimIdealfallzugunstenderVerbindungmitderbesten Wechselwirkung(Abb.4). Abb.4:SchematischeDarstellungdesdynamischenkombinatorischenProzesses.DasdynamischeSystem bildet durch die gewählten Bausteine und die reversible Reaktion eine dynamische Bibliothek, die sich durchdieVorgabedesTemplatesdemSelektionsdruckanpasstunddurchthermodynamischeSelektion verstärktdaspräferierteProduktbildet. DurchdasTemplatwirdalsoeinSelektionsdruckaufdasdynamischeSystemausgeübt, dersichineinerverstärktenGenerierungdesbevorzugtenProduktesäußert.[24]IndieͲ sem Fall wird durch thermodynamische Selektion das dynamische System reorganiͲ siert, um bevorzugt das Substrat mit der stärksten Wechselwirkung zum Templat zu bilden. Somit wird nicht nur eine molekulare Erkennung des besten Substrates mögͲ lich,sonderauchdieverstärkteAnreicherungdessen.DieSelektionunddieKoordinaͲ 10 Dieses Werk ist copyrightgeschützt und darf in keiner Form vervielfältigt werden noch an Dritte weitergegeben werden. Es gilt nur für den persönlichen Gebrauch. DynamischeModifikationvonOligomeren tionderdynamischenkombinatorischenChemiekannaberauchdazugenutztwerden, einTemplatfüreinenRezeptorzugenerieren.NachJ.ͲM.LehnwirddieStrategiezur Identifizierung eines Substrates mit Hilfe der dynamischen kombinatorischen Chemie alscasting(Gießen) und die komplementäre Identifizierung eines Rezeptors als moulding(Formen)bezeichnet.[26,30,33]Auf dieseWeisekanndiedynamischekombinaͲ torischeChemiedurchTemplatgesteuerteSelektiondirigiertundkontrolliertwerden. DieseEigenschaftenermöglicheneineVielzahlanbiologischundchemischrelevanten Anwendungsbereichen, in denen durch ein gezieltes TemplatͲDesign das gewünschte ProduktdurchSelbstorganisationerhaltenwerdenkann. 2.2.3 AnsätzederdynamischenkombinatorischenChemie AufbauendaufdenverschiedenenReaktionstypen,dieinderdynamischenkombinatoͲ rischen Chemie Verwendung finden und den Arten diese selektiv zu kontrollieren, wurden unterschiedliche Konzepteder DCCentwickelt. Diese beinhalten eine Vielfalt anAnsätzen,dieeserlauben,andasSystemangepasstvorzugehen.DasVorgehenwird durchdenadaptivenAnsatz,denAnsatzdesvoreingestellten Gleichgewichts,denwieͲ derholendenunddenpseudodynamischenAnsatzbestimmt.AlledieseAnsätzehaben die reversible Generierung der dynamischen Bibliothek gemein, unterscheiden sich jedochinihremSelektionsschritt. DeradaptiveAnsatzistderamweitestenverbreiteteAnsatzunterdenzuvorgenannͲ ten. Die Generierung der Bestandteile der Bibliothek wird in Gegenwart des Target (Rezeptor)ͲMolekülsdurchgeführt.[34,35]DasführtzueinerverstärktenBildungderam besten gebundenen Spezies, so dass das Screening im selben Kompartiment stattfinͲ den kann. Hierbei werden alle Charakteristika der dynamischen adaptiven Bibliothek genutzt. Durch die dynamische Adaption kommt es zu einer verstärkten gerichteten SelektiondesbestenBinders. DerAnsatzdesvoreingestelltenGleichgewichtesbeziehtsichaufReaktionen,dienicht imwässrigenMediumablaufenkönnen.[36,37]DieGenerierungderdynamischenBiblioͲ thekfindetunterreversiblenBedingungenanalogzumadaptivenAnsatzimgeeigneten Lösungsmittel statt und erst wenn sich das Gleichgewicht eingestellt hat, wird das Screening separat in einem wässrigen Puffersystem durchgeführt. Aufgrund des 11 Dieses Werk ist copyrightgeschützt und darf in keiner Form vervielfältigt werden noch an Dritte weitergegeben werden. Es gilt nur für den persönlichen Gebrauch. DynamischeModifikationvonOligomeren Mediumwechsels kann keine adaptive Reorganisation stattfinden, die eine VerschieͲ bungdesGleichgewichteszurFolgehätteundsomitistauchkeineverstärkteBildung desbestenBindersmöglich.DieserAnsatzwirdmeistbeiempfindlichenbiologischen Proben oder bei nicht kompatiblen Reaktionsbedingungen mit dem TargetͲMolekül verwendet. Auch wenn das Screening traditionell kombinatorisch verläuft, wird die BibliothekimmernochnachdemschnellablaufendendynamischenProzessgeneriert. DerwiederholendeͲAnsatzbasiertaufeinermehrfachenAnwendungdesAnsatzesmit dem voreingestellten Gleichgewicht.[38] Die Bibliothek wird in einem separaten KomͲ partimentunterdefiniertenBedingungengeneriertunderstimAnschlusswirddieInͲ teraktion mit dem TargetͲMolekül im selben oder in einem anderen Kompartiment herbeigeführt.IndiesemFallwirddieungebundeneSpeziesderKammerentnommen undreorganisiert.NacheinigenWiederholungenstelltsicheineAkkumulationdesbesͲ tenBindersein,deranalysiertwerdenkann. Der pseudo dynamische Ansatz macht Gebrauch von zwei Reaktionskammern, die durch eine semipermeable Membran getrennt sind.[39] Die eine Kammer enthält das TargetͲMolekül,dieandereeinEnzym.DieambestenbindendeSpezieszeigteinegeͲ ringere Hydrolyse und macht den besten Binder zum letzten verbleibenden Reaktanden innerhalb der Bibliothek, da der Rest der Bibliothek vom Enzym zerstört wird. Mit den Erkenntnissen und dem Wissen über die erforderlichen ReaktionsbedingunͲ gen,diebenötigtereversibleReaktion,dieselektiveSteuerungdurchdasTemplatund die möglichen Ansätze kann eine Vielzahl an dynamischen Systemen entwickelt und angepasstwerden.DasgezielteDesigndynamischerSystemeermöglichteineffizientes selfscreeningvongroßenBibliothekenunddasgezielteSelektierenvonKomponenten mithohemDurchsatz. 2.2.4 Analysemethoden DieTrennungundderNachweisvonBibliothekenundderenBestandteilenstellendie limitierenden Schritte der konventionellen kombinatorischen Chemie dar. Eine effiziͲ ente Analyse ist aufgrund der schieren Größe der Bibliotheken sehr schwierig. DenͲ nochsindfürdieAnalyseunddasScreeningvondynamischenBibliothekeneinigeanaͲ 12 Dieses Werk ist copyrightgeschützt und darf in keiner Form vervielfältigt werden noch an Dritte weitergegeben werden. Es gilt nur für den persönlichen Gebrauch. DynamischeModifikationvonOligomeren lytische Methoden denkbar und anwendbar. Für kleine Bibliotheken können MethoͲ den wie die eindimensionale Kernspinresonanzspektroskopie (NMRͲSpektroskopie, nuclear magnetic resonance), die Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC, highͲperformance liquid chromatographie), die Hochleistungskapillarelektrophorese (HPCE, highͲperformance capillary electrophoresis) und die Gaschromatographie (GC) zurquantitativenBestimmungderBibliotheksbestandteileherangezogenwerden.Bei Bestandteilen mit einer konkreten Masse kann zum Screening auch die MassenͲ spektrometrie(MS)effektivgenutztwerden.BeigroßenBibliothekenistzwardieDifͲ ferenzierungundIdentifizierungzunehmenderschwert,dieselektiveVerstärkungund Anreicherung des besten Binders innerhalb der dynamischen Bibliothek führt jedoch zueinemAnstiegderKonzentrationdessenundhilftsomitdieseSpezieszuidentifizieͲ ren.UmeineeffizienteAnalysedesdynamischenProzesseszugewährleisten,hatsich dieKombinationausHPLCundMassenspektrometriebewährt.AufdieseWeiseistes möglich,durchgezielteProbeentnahmezueinembeliebigenZeitpunktdieZusammenͲ setzungderdynamischenBibliothekaufzulösenundnachzuweisen. 2.3 DynamischeSchwefelchemie Nebenden zuvorinKapitel2.2.1(Abb.3)aufgeführtenreversiblenReaktionensindvor allemSchwefelverbindungenaufgrundihrerReaktivitätundderVielfaltanmöglichen reversiblenReaktionenvongroßemInteresseundgrundlegendfürdashiervorgestellͲ te Design eines dynamischen Systems. Die dynamische Schwefelchemie stellt eine wichtige Unterkategorie der dynamischen kombinatorischen Chemie dar. Der große Vorteil an Verbindungen, die Schwefelatome beinhalten, ist ihre Kompatibilität und Stabilität gegenüber anderen funktionellen Gruppen sowie vielen biologischen SysteͲ men.[40]SeitdenAnfängenderdynamischenkombinatorischenChemieMitteder90er JahrewurdediedynamischeSchwefelchemieimmerbedeutenderfürdieGenerierung dynamischerSystemeuntermildenbiologischenBedingungen.[41]DerGrundhierfürist nebendemVorkommendesSchwefelsinProteinenundderBeteiligunganwichtigen biochemischenProzessenimMetabolismusdiegroßeBandbreiteanreversiblenReakͲ tionen, die Schwefel zur Ausbildung von dynamischen Systemen zur Verfügung stellt (Abb. 5). Die Vielfalt der Reaktionen reicht von dem ThiolͲDisulfidͲAustausch, der 13 Dieses Werk ist copyrightgeschützt und darf in keiner Form vervielfältigt werden noch an Dritte weitergegeben werden. Es gilt nur für den persönlichen Gebrauch. DynamischeModifikationvonOligomeren Disulfidmetathese, dem ThiolͲThioesterͲAustausch, dem ThioacetalͲAustausch bis hin zu dem HemithioacetalͲAustausch und den konjugierten Additionsreaktionen.[42–44] DieseReaktionenwurdenbiszumheutigen TageerfolgreichanunterschiedlichenSysͲ temengetestetunddeckeneinegroßeBandbreiteanAnwendungenab.[45] Abb. 5: Darstellung der auf Schwefel basierenden, reversiblen Reaktionen, die bis heute untersucht wordensind. 2.3.1 ThiolͲThioesterͲAustausch DieAllgegenwärtigkeitdesThiolsinbiologischenSystemenunterstreichtdieWichtigͲ keitundBedeutungdieserSpeziesfürdenUrsprungallenLebens.EswirddavonausͲ gegangen, dass diese Verbindungsklasse eine wichtige Rolle im frühen Metabolismus alschemischesEnergiereservoirgespielthat.[46]EinBeispielfürdensynthetischenNutͲ zen des ThiolͲThioesterͲAustausches ist ihre Rolle in dem ersten Schritt der Native ChemicalLigation(NCL).[47]BeiderNCLwirdeinPeptidauseinemkleinerenFragment mit einem CͲterminalen Thioester und einem weiteren Fragment mit einem NͲ terminalenCysteinͲRestgeknüpftunddurchdiedarauffolgendeSͲNAcylͲUmLagerung dasnatürlichePeptidrückgratgeneriert.DankdesThiolͲThioesterͲAustauscheskönnen 14 Dieses Werk ist copyrightgeschützt und darf in keiner Form vervielfältigt werden noch an Dritte weitergegeben werden. Es gilt nur für den persönlichen Gebrauch. DynamischeModifikationvonOligomeren aufdieseWeiseunterschiedlichePeptidfragmenteeffektivligiertwerden.AlseineReͲ aktion,diereversibelinWasserunterbiologischrelevantenpHͲBedingungenablaufen kann, hat der ThiolͲThioesterͲAustausch außerdem das große Potenzial unter BeteiliͲ gungvonBioͲOligomereninselbstorganisierendenProzesseneingesetztzuwerden.[48– 51] DerThiolͲThioesterͲAustauschbeziehtsichaufdieReaktionderUmesterungundweist gute reversible Eigenschaften auf, die es zulassen, schnelle und ausreichend stabile DCLs zu generieren. Im Kontrast zu der StandardͲUmesterung, die meist unter sehr harschenBedingungenimorganischenMediumabläuft,verlaufendieReaktionendes SchwefelͲAnalogons unter milden, leicht basischen Bedingungen in wässrigem MediͲ um. Dieser Reaktionstyp ist auch relativ kompatibel mit vielen üblichen TargetͲ Proteinen,daauftretendeNebenreaktionenwesentlichlangsamerverlaufenundsomit dieThioesterDCLsmiteinfachenMittelnrapidezugrößerenBibliothekenausgeweitet werdenkönnen.[52]SomitistderThiolͲThioesterͲAustauschgeradefürbiologischeSysͲ temesehrgutgeeignetundwurdebereitseffizientunderfolgreichinvielendynamiͲ schenSystemenintegriert.[53]DesWeiterenbietetdiesereineguteAlternativezuder weitverbreiteten dynamischen Disulfidchemie, deren Umsetzung für die OligonukleotidͲSynthese an fester Phase wesentlich umständlicher ist. Mechanistisch beschreibtderThiolͲThioesterͲAustauscheinebasenkatalysierteReaktioneinesThiolͲ NukleophilsmiteinemThioesterͲDerivat.[54]VerläuftderreversibleAustauschimwässͲ rigenMedium,istdieHydrolysedesThioesterseinestörendeNebenreaktion,dieunͲ vermeidbar ist und eine Weiterreaktion des Thioesters verhindert (Abb. 6). Dabei ist das Maß des ThiolͲThioesterͲAustausches undder Hydrolyse von ReaktionsbedingunͲ genwieTemperatur,pHͲWertunddempKaͲWertdesThiolsabhängig.[49,54]BeiangeͲ passten und gut gewählten Bedingungen kann die ThiolͲThioesterͲAustauschrate die der Hydrolyse um mehrere Größenordnungen übertreffen und dadurch kontrolliert minimiertwerden. 15 Dieses Werk ist copyrightgeschützt und darf in keiner Form vervielfältigt werden noch an Dritte weitergegeben werden. Es gilt nur für den persönlichen Gebrauch.