2. Nachhaltigkeit und Energie

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2. Nachhaltigkeit und Energieeffizienz von Gebäuden
2. Nachhaltigkeit und Energie­effizienz von Gebäuden
In diesem Abschnitt wird zunächst der Begriff Nachhaltigkeit unter
besonderer Berücksichtigung der Energieeffizienz erläutert. Anschließend wird ein kurzer Überblick über die historische Entwicklung und die
heutigen Anforderungen an Gebäude gegeben. Abschließend werden
grund­legende Bausteine von Energiekonzepten erläutert, die in den
weiteren Kapiteln näher dargestellt werden.
Nachhaltigkeit
Allgemein bedeutet der Begriff
Nachhaltigkeit, dass ökologische
Aspekte gleichberechtigt mit sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu berücksichtigen sind.
Hierbei kommt die Definition des
Drei-Säulen-­Modells zum Einsatz,
welche von der Enquete-Kommission
des Deutschen Bundestags „Schutz
des Menschen und der Umwelt“ eingeführt wurde. Danach ist die Nachhaltigkeit die Konzeption einer dauerhaft zukunftsfähigen Entwicklung
der ökologischen, ökonomischen
und sozialen Dimension menschlicher Existenz. Die drei Säulen der
Nachhaltigkeit stehen miteinander
in Wechselwirkung und bedürfen
langfristig einer ausgewogenen Koordination. Im Einzelnen gliedert sich
die Nachhaltigkeit in die folgenden
drei Säulen:
1. ökologische Nachhaltigkeit
2. ökonomische Nachhaltigkeit
3.soziale Nachhaltigkeit
Ökologische Nachhaltigkeit
Die ökologische Nachhaltigkeit orientiert sich am stärksten am ursprünglichen Gedanken, keinen Raubbau an
der Natur zu betreiben. Ökologisch
nachhaltig ist eine Lebensweise, die
die natürlichen Lebensgrundlagen
nur in dem Maße beansprucht, wie
diese sich regenerieren können.
Übertragen auf den Gebäudebereich
bedeutet ökologische Nachhaltigkeit,
dass beispielsweise für die Beheizung
und Bereitstellung von Warmwasser
möglichst ausschließlich erneuerbare
Energieträger eingesetzt werden
sollten. Fossile Brennstoffe wie Gas
und Öl scheiden aus, da sie nur in
begrenzter Menge zur Verfügung
stehen und in absehbarer Zeit zur
Neige gehen werden.
Ökologische Nachhaltigkeit bei Gebäuden bedeutet aber auch, vorwiegend solche Baustoffe einzusetzen,
die natürlich und nachwachsend
sind und außerdem einen geringen
Energieaufwand für die Herstellung
benötigen. An dieser Stelle gibt es
bereits Konfliktpotenzial. Natürliche
und nachwachsende Dämmstoffe
existieren zwar auf dem Markt, wie
beispielsweise Flachs oder Schafwolle, sind aber in vielen Fällen teurer
als konventionelle Dämmstoffe oder
weisen andere Nachteile auf (wie z.B.
mangelnder Brandschutz).
Konventionelle Dämmstoffe dagegen
wie beispielsweise Mineralwolle oder
Polystyrol weisen diese Nachteile teilweise nicht auf, benötigen für die
Herstellung aber sehr viel Energie.
An dieser Stelle setzt der Gedanke
der Nachhaltigkeit an. Die Aufgabe
besteht darin, unter ganzheitlicher
Betrachtung ein Optimum herauszu-
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2. Nachhaltigkeit und Energieeffizienz von Gebäuden
arbeiten. Konkret würde das für die
Wahl des geeigneten Dämmstoffs
bedeuten, dass alle Faktoren, die
die Nachhaltigkeit beeinflussen, mit
berücksichtigt werden. Hierzu zählen
neben dem reinen Energieaufwand
für die Herstellung und dem durch
den Dämmstoff bewirkten Energieeinsparpotenzial (Verringerung der
Transmissionswärmeverluste) auch
Parameter wie Dauerhaftigkeit, Kos­
ten, Wertbeständigkeit und Akzeptanz. Die optimale Lösung ergibt sich
nicht durch Auflösen eines einfachen
Gleichungssystems, sondern gestaltet sich als komplexer Prozess, der
durch eine Vielzahl von Parametern
beeinflusst wird.
Ökonomische Nachhaltigkeit
Bei der ökonomischen Nachhaltigkeit
sollte eine Gesellschaft wirtschaftlich
nicht über ihre Verhältnisse leben,
da dies zwangsläufig zu Einbußen
der nachkommenden Generationen
führen würde. Allgemein gilt eine
Wirtschaftsweise dann als nachhaltig, wenn sie dauerhaft betrieben
werden kann.
Übertragen auf den Gebäudebereich
bedeutet ökonomische Nachhaltigkeit beispielsweise, dass Wohnraum
auch in Zukunft bezahlbar bleiben
muss. Dies gilt gleichermaßen für
Mieten wie für Eigentum, z.B. in
Form von Eigentumswohnungen
oder Häusern. In vielen Großstädten
in Deutschland ist hier bereits die
Schmerzgrenze erreicht. Exemplarisch
werden an dieser Stelle die teils utopischen Grundstücks­preise im Raum
München mit über 700 € pro Quadratmeter genannt. Diese Preisentwicklung ist nicht nachhaltig, weil die
Mehrheit der Bevölkerung sich solche
Preise nicht leisten kann. Nachhaltiges
Bauen bedeutet in diesem Fall, solche
Bedingungen zu schaffen, die bezahlbares Wohnen ermöglichen.
Soziale Nachhaltigkeit
Bei der sozialen Nachhaltigkeit sollte
ein Staat oder eine Gesellschaft so
organisiert sein, dass sich soziale
Spannungen in Grenzen halten sowie
Konflikte nicht eskalieren, sondern
auf friedlichem und zivilem Wege
ausgetragen werden können.
Gebäude und ihre Architektur sowie
ihre Gestaltung haben einen wesentlichen Einfluss auf das Wohlbefinden
der Bewohner. Gleichzeitig sind Gebäude auch ein Indikator für den
Wohlstand einer Gesellschaft oder
Gruppe.
Soziale Nachhaltigkeit in Bezug auf
Gebäude bedeutet, Lebensräume für
die Menschen zu schaffen, die soziale Konflikte vermeiden. Hochhaus­
siedlungen und Trabantenstädte, wie
sie beispielsweise in den 1970er-Jahren errichtet wurden, sind schlechte
Beispiele. Soziale Konflikte sind hier
vorprogrammiert. Moderne Gebäude
gehen dagegen auf die individuellen
Bedürfnisse des Menschen ein.
Energieeffizienz
Unter dem Begriff Energieeffizienz
wird verstanden, dass ein gewünschter Nutzen mit möglichst wenig
Ener­gieeinsatz erreicht wird. Mit Einführung der EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden
wurde der Begriff Energie­effizienz
(Energy Performance) auch im deutschen Sprachraum populär und wird
heute für die energetische Bewertung
von Gebäuden verwendet.
Die Energieeffizienz kann für Gebäude wie folgt definiert werden:
Die Gesamtenergieeffizienz eines
Gebäudes ist die berechnete oder
gemessene gesamte Energiemenge
ausgedrückt in kWh/(m²a).
Die Herstellung, Errichtung und
Nutzung von Gebäuden trägt in
11
12
2. Nachhaltigkeit und Energieeffizienz von Gebäuden
einem erheblichen Maße zur Ressourceninanspruchnahme und zu
den Wirkungen auf die Umwelt bei.
Die gesetzlichen Regelungen zur
Verringerung des Energieverbrauchs
von Gebäuden und somit zur Reduzierung der CO2-Emissionen werden
immer umfassender, womit auch die
Energieeffizienz von Gebäuden an
Bedeutung gewinnt.
Die Energieeffizienz ist ein Teil der
Nachhaltigkeit und damit ein wichtiger Aspekt, der bei der Gebäude­
bewertung betrachtet werden muss.
Grundsätzlich heißt Nachhaltigkeit,
dass die heutige Gesellschaft ihre
Ansprüche erfüllen kann, ohne die
Ansprüche künftiger Generationen
zu schmälern. Das bedeutet auch,
mit endlichen Ressourcen wie Energieträgern, Baustoffen und anderen
Materialien verantwortungsvoll umzugehen.
Entwicklung des ener­ge­
tischen Standards bei
Gebäuden
275 Altbau
220 WSchV 1984
160 WSchV 1995
140Heizenergiebedarf
EnEV 2001
Bild 2.1: Entwicklung
60 KfW-60 Haus
in kWh/(m2a)
30 3 Liter-Haus
25 Passivhaus
Bis in die 1970er-Jahre gab es in
Deutschland für Gebäude keine
energetischen Anforderungen. Es
musste lediglich der sogenannte Mindestwärmeschutz nach DIN 4108-2
eingehalten werden. Erst durch die
Ölkrise Anfang der 1970er-Jahre,
300
225
150
75
0
Altbau
WSchV 1984
WSchV 1995
EnEV 2001
KfW-60 Haus
3 Liter-Haus
Passivhaus
die zu einem deutlichen Anstieg der
Rohölpreise führte, wurde das Thema Energieeinsparung bei Gebäuden aktuell. Als Folge wurde 1977
die erste Wärmeschutzverordnung
(WSchV) eingeführt.
Weitere, zum Teil drastische Energiepreissteigerungen in den 1980erund 1990er-Jahren veranlassten die
Bundesregierung, die Wärmeschutzverordnung in den Jahren 1984 und
1995 zu novellieren, wobei die energetischen Anforderungen an Gebäude deutlich verschärft wurden. Im
Jahr 2002 wurde erstmalig die Energieeinsparverordnung (EnEV) eingeführt, die neben Anforderungen an
die Gebäudehülle auch die Anlagentechnik mit einbezieht. Zusammenfassend ist festzustellen, dass von
den 50er-Jahren bis heute (2010) der
Wärmebedarf von Gebäuden durch
die verschiedenen Verordnungen
deutlich gesenkt werden konnte.
Eine Übersicht über die Entwicklung
der energetischen Anforderungen
zeigt Bild 2.1.
Aktuelle gesetzliche
­Regelungen
Für Neubauten sowie für bestehende Gebäude gelten energetische
Mindestanforderungen, die gesetzlich geregelt sind. Auf europäischer
Ebene ist die Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates
über die Gesamtenergieeffizienz von
Gebäuden vom 19. Mai 2010 (EUGebäuderichtlinie) zu beachten. Die
EU-Gebäuderichtlinie unterstützt in
Artikel 1 Abs. 1 „die Verbesserung
der Gesamten­ergieeffizienz von Gebäuden in der Union unter Berücksichtigung der jeweiligen äußeren
klimatischen und lokalen Bedingungen, sowie der Anforderungen
an das Innenraumklima und der Kosteneffizienz“. Weiterhin fordert die
2. Nachhaltigkeit und Energieeffizienz von Gebäuden
EU-Gebäuderichtlinie, dass die Mitgliedstaaten der europäischen Union
erforderliche Maßnahmen ergreifen,
um Mindestanforderungen an die
Gesamtenergieeffizienz zu erreichen.
Die Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie erfolgt in Deutschland durch die
Energieeinsparverordnung (EnEV)
in der zurzeit gültigen Fassung vom
1. Oktober 2009. Die EnEV regelt konkrete energetische Anforderungen
an zu errichtende und bestehende
Gebäude. Diese Anforderungen
werden in diesem Kapitel nachfolgend näher beschrieben. Zusätzlich
zur EnEV ist auch das ErneuerbareEnergien-Wärmegesetz (EEWärmeG)
zu beachten. Das EEWärmeG fordert,
dass bei Neubauten ein bestimmter
Anteil des Wärmebedarfs durch erneuerbare Energien (Geothermie,
Umweltwärme, solare Strahlungsenergie und Biomasse) gedeckt wird.
13
Anforderungen nach EnEV 2009
Nachfolgend werden die energetischen Anforderungen der Energieeinsparverordnung (EnEV 2009) kurz
dargestellt. Grundsätzlich werden in
der EnEV unterschieden:
qqAnforderungen an zu errichtende
Gebäude (Neubau) und
qqAnforderungen an bestehende
Gebäude (Bestand).
Anforderungen an zu
errichtende Wohngebäude
An zu errichtende ­Wohngebäude
werden Anforderungen an den
Jahres-­Primärenergiebedarf (Gesamt­
energieeffizienz) sowie an die energetische Qualität der Bauteile der
Gebäudehülle (Transmissionswärme­
verluste) gestellt. Darüber hinaus
müssen bei Neubauten auch Anforderungen an den sommerlichen Wärmeschutz, den Mindestwärmeschutz,
die Dichtheit und an Wärmebrücken
erfüllt werden.
Bild 2.2: Anforderungen an zu
­errichtende Wohngebäude
Anforderungen >
an zu errichtende
Wohngebäude
Begrenzung JahresPrimärenergiebedarf
Sommerlicher >
Wärmeschutz
Begrenzung Transmissionswärmeverluste
Dichtheit und Mindest­
luftwechsel
Mindestwärmeschutz>
und Wärmebrücken
14
2. Nachhaltigkeit und Energieeffizienz von Gebäuden
Hinweis
>> Der Jahres-Primärenergiebedarf ist die
jährliche rechnerische Energiemenge,
die erforderlich ist, um neben dem >
eigentlichen Energiebedarf (Enden­
ergie), der an der Gebäudegrenze
übergeben wird, auch sämtliche Energiemengen abzudecken, die durch vorgelagerte Prozessketten außerhalb der
Systemgrenze „Gebäude“ bei der Gewinnung, Umwandlung und Verteilung
der jeweils eingesetzten Brennstoffe
entstehen. Der Transmissionswärmeverlust umfasst alle Wärmeverluste,
die durch die Gebäudehülle nach >
außen strömen.
Bild 2.3: Ausführung Referenzgebäude
Der einzuhaltende Höchstwert des
die Begrenzung des TransmissionsJahres-Primärenergiebedarfs für zu
wärmeverlusts vorgeschrieben.
errichtende Wohngebäude, der die
Einhaltung des sommerlichen
Gesamtenergieeffizienz eines GebäuWärmeschutzes
des wiedergibt, wird anhand eines
Referenzgebäudes (Ausführung:
Neben den vorgenannten AnforAnlage 1 Tabelle 1 EnEV) bestimmt.
derungen fordert die EnEV für zu
Demnach weist das Referenzgebäuerrichtende Gebäude auch die Einde festgesetzte Wärmedurchgangshaltung des Nachweises des sommerkoeffizienten (U-Werte) für die wärlichen Wärmeschutzes (§ 3 und § 4
meübertragende Umfassungsfläche
EnEV 2009). Ziel des sommerlichen
auf. Weiter werden Festlegungen zur
Wärmeschutzes ist es, eine zu starke
Bild 6.5:
Höchstwerte
Heizungsanlage,
zurTransmissionswärmeverlust
Anlage für die
Aufheizung von Räumen und ganzen
Trinkwarmwasserbereitung, Kühlung
Gebäudetyp
Max. HT
Gebäuden im Sommer durch geeigund Lüftung getroffen.
freistehend <= 350 m²
0,4
nete Maßnahmen zu verhindern. Der
freistehend > 350 m²
0,5
Neben der Begrenzung des JahresNachweis des sommerlichen Wärmeeinseitig angebaut
0,45
schutzes ist in der DIN 4108-2:2003Primärenergiebedarfs ist die energeAlle anderen
0,65
tische Qualität
des Gebäudes über
Erweiterungen
und Ausbauten
0,65 07, Abschnitt 8 geregelt. Eine beson-
Höchstwert des spezifischen
Transmissionswärmeverlustes
Alle anderen
Wohngebäude
0,7
HT´ in W/(m²K)
0,6
Bild 2.4: Höchstwerte des Transmissions­
wärmeverlusts
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
0
Freistehendes
Wohngebäude
AN ≤ 350 m²
Freistehendes
Wohngebäude
AN > 350 m²
Einseitig
angebautes
Wohngebäude
Erweiterungen und
Ausbauten von
Wohngebäuden
2. Nachhaltigkeit und Energieeffizienz von Gebäuden
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Bild 2.5: Sommerlicher Wärmeschutz
Kuppel: EP 16
dere Bedeutung hat der energiesparende sommerliche
Wärmeschutz, bei dem nur durch bauliche Maßnahmen (z.B. Sonnenschutzvorrichtungen) allein, d.h. ohne
zusätzlichen Einsatz von Anlagentechnik (Klima- und
Kühlanlagen), unzumutbar hohe Innentemperaturen
in Gebäuden vermieden werden.
Sonstige Anforderungen
Die Energieeinsparverordnung regelt auch Anforderungen an die Dichtheit und den Mindestluftwechsel
für zu errichtende Gebäude. Mindestanforderungen
an die Dichtheit der Gebäudehülle werden gestellt, um
die Lüftungswärmeverluste zu minimieren. Gleichzeitig
fordert die EnEV jedoch einen Mindestluftwechsel, um
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2. Nachhaltigkeit und Energieeffizienz von Gebäuden
ein hygienisches, behagliches Raumklima sowie die Vermeidung von
Schimmelpilzen zu gewährleisten.
qqAnbringung einer Bekleidung in
Form von Platten oder Verschalungen an die Außenwand
Außerdem ist nach EnEV der Einfluss konstruktiver Wärmebrücken
bei zu errichtenden Gebäuden so
gering wie möglich zu halten. Der
verbleibende Einfluss der Wärmebrücken ist bei der Berechnung des
Jahres-­Primärenergiebedarfs nach
den jeweiligen Maßgaben des Berechnungsverfahrens zu berücksichtigen, z.B. durch Einführung eines sog.
pauschalen Wärmebrückenzuschlags
(ΔUWB) für alle Bauteile der wärme­
übertragenden Umfassungsfläche.
qqAustausch der Verglasung oder
des gesamten Fensters
Anforderungen an bestehende Wohngebäude
Werden an bestehende Wohngebäude Änderungen im Sinne der EnEV an
Bauteilen der wärmeübertragenden
Umfassungsfläche vorgenommen,
so sind für die geänderten Bauteile
Mindestanforderungen an den Wärmedurchgangskoeffizienten der betroffenen Bauteile einzuhalten (Bauteilverfahren).
Bild 2.7: Berechnungsverfahren für den
Jahres-Primärenergiebedarf
Änderungen im Sinne der EnEV liegen beispielsweise vor bei:
Bilanzierungsverfahren
Wohngebäude
Monatsbilanzverfahren nach
DIN EN 832 in Verbindung >
mit DIN V 4108-6 >
und DIN V4701-10
(wie bisher)
Monatsbilanzverfahren
nach DIN V 18599
(neu)
qqEinbau einer Dämmschicht bei einer Decke oder Dachschrägen
Des Weiteren gilt der Nachweis auch
als erfüllt, wenn der Jahres-Primär­
energiebedarf des bestehenden Gebäudes den Jahres-Primärenergiebedarf des Referenzgebäudes um nicht
mehr als 40 Prozent überschreitet
und der spezifische auf die wärme­
übertragende Umfassungsfläche bezogene Transmissions­wärmeverlust
den Höchstwert des Neubauwerts
um nicht mehr als 40 Prozent überschreitet.
Ein Nachweis ist nur dann erforderlich, wenn die geänderte Fläche bei
Außenbauteilen mindestens zehn
Prozent der betrachteten Fläche ausmacht (Bagatellregelung).
Der Nachweis kann auf zwei unterschiedliche Arten erbracht werden:
Bilanzierungsverfahren
Für die Berechnung der Kenngrößen
Jahres-Primärenergiebedarf sowie
Transmissionswärmeverlust existieren Rechenverfahren (Bilanzierungsverfahren). Diese sind in der DIN V
18599 geregelt. Für Wohngebäude
kann alternativ das Verfahren nach
DIN EN 832 in Verbindung mit DIN
V 4108-6 und DIN V 4701-10 verwendet werden. Eine schematische
Übersicht 2.7/2.8.
Zusätzlich geltende
Energie­standards bei
Gebäuden
Die Anforderungen der EnEV sind nur
als Mindestwerte zu verstehen. Dar­
über hinaus haben sich zusätzliche
2. Nachhaltigkeit und Energieeffizienz von Gebäuden
Energiestandards bei Gebäuden etabliert, die nachfolgend kurz beschrieben werden. Je nach Energiebedarf
gibt es folgende Energiestandards:
Als Niedrigenergiehaus bezeichnet
man Gebäude, die das jeweilige
gesetzlich geforderte energetische
Anforderungsniveau (EnEV) unterschreiten. Bei einem Niedrigenergiehaus liegt der jährliche Heizwärmebedarf eines frei stehenden
Einfamilienhauses bei weniger als
70 kWh/(m²a).
mit passiven Maßnahmen gewährleistet wird. Bei einem Passivhaus ist
keine aktive Heizungsanlage erforderlich. Die benötigte Wärme wird
zum größten Teil durch passive Solar­
energie gedeckt. ­Passivhäuser weisen
einen Heizwärmebedarf von 15 kWh/
(m²a) und einen Primär­energiebedarf
von maximal 40 kWh/(m²a) auf. Die
Standards sind nicht in Vorschriften
geregelt. Es existiert aber eine Liste
mit Kriterien, die vom PassivhausInstitut Darmstadt herausgegeben
wurde. Diese Kriterienliste wird inoffiziell anerkannt.
3-Liter-Häuser
Nullenergiehaus
Als 3-Liter-Häuser werden Niedrig­
energiehäuser bezeichnet, die für
die Beheizung (einschließlich Hilfs­
energie) einen jährlichen Primärenergiebedarf von weniger als 34 kWh/
(m²a) aufweisen, was einem Primärenergiegehalt von drei Litern Heizöl je
Quadratmeter und Jahr entspricht.
Das Nullenergiehaus beschreibt einen Energiestandard für Gebäude,
die rechnerisch in der jährlichen Bilanz keine externe Energie beziehen.
Die nötige Energie für Heizung und
Warmwasser wird im Haus selbst erzeugt, meist mithilfe von Solar­energie
(Solarthermie und Foto­voltaik).
Passivhaus
Plusenergiehaus
Das Passivhaus ist eine Weiterentwicklung des Niedrigenergiehauses,
wobei die thermische Behaglichkeit
Beim Plusenergiehaus wird mehr Primärenergiebedarf erzeugt, als selbst
verbraucht wird. Die Energiegewin-
Niedrigenergiehaus
Bild 2.8: Energiebilanzierung
17
18
2. Nachhaltigkeit und Energieeffizienz von Gebäuden
nung erfolgt hauptsächlich mithilfe
der Sonne.
Niedrigstenergiehaus
Ein Niedrigstenergiehaus ist ein Gebäude das eine sehr hohe Energie­
effizienz aufweist. Der fast bei null
liegende oder sehr geringe Energiebedarf sollte zu einem wesentlichen
Anteil aus erneuerbaren Energien gedeckt werden. Gemäß EU-Richtlinie
müssen alle Neubauten ab dem Jahr
2020 Niedrigstenergiehäuser sein.
KfW-Effizienzhaus
Bild 2.9: Energiestandards von Gebäuden
KfW-Effizienzhäuser bezeichnen Gebäude die einen bestimmten energetischen Standard erfüllen müssen,
wobei die Kriterien von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) vorgegeben werden. Zurzeit werden im
Programm „Energieeffizient Bauen“
der KfW drei unterschiedliche Niveaus gefordert: KfW-Effizienzhaus
40, 55 und 70. Beispielsweise bedeutet dies, dass bei einem „KfWEffizienzhaus 40“ der Jahres-Primärenergiebedarf von 40 Prozent der
errechneten Werte für das Referenzgebäude der EnEV 2009 nicht überschritten werden darf (vorhandener
Jahres-Primärenergiebedarf ≤ 0,40
x maxi­maler Jahres-Primärenergie­
bedarf Referenzgebäude).
DGNB-Siegel (Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen)
Entwickelt wurde dieses Siegel von
der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) und vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung (BMVBS). So wie
das LEED-Zertifikat basiert es auf den
Gedanken einer integralen Planung,
die frühzeitig die Ziele des nachhaltigen Bauens definiert und fixiert.
Dieses Zertifikat umfasst die fünf
nachfolgend aufgeführten Nachhaltigkeitskriterien:
qqSchutz von Ressourcen
qqSchutz der globalen Umwelt
qq menschengerechtes Umfeld
qqGesundheit der Gebäudenutzer,
Behaglichkeit
qqErhalt von Werten
Das DGNB-Siegel soll besonders
umweltfreundliche, gesunde und
ressourcensparende Gebäude auszeichnen. Es bewertet die Nachhal-
Energiestandards in kWh/m2a
200
150
100
50
0
Solarhäuser
Niedrigenergiehäuser
3-Liter-Haus
Nullenergiehäuser
Plusenergiehäuser
2. Nachhaltigkeit und Energieeffizienz von Gebäuden
tigkeit mit einer Gesamtnote und den
Kategorien Gold, Silber oder Bronze
(siehe Seite 64).
BNB-Siegel (Bewertungssystem
Bund Nachhaltiges Bauen)
Mit dem Bewertungssystem „Nachhaltiges Bauen“ des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung steht ein den Leitfaden
„Nachhaltiges Bauen“ des BMVBS
ergänzendes ganzheitliches quantitatives Bewertungsverfahren für
Büro- und Verwaltungsbauten zur
Verfügung. Es zeichnet sich durch
die umfassende Betrachtung des gesamten Lebenszyklus von Gebäuden
unter Berücksichtigung der ökologischen, ökonomischen, soziokulturellen Qualität sowie der technischen
und prozessualen Aspekte und durch
ein transparentes, objektiv nachvollziehbares Bewertungssystem aus
und spiegelt damit auch die internationalen Entwicklungen im Bereich
Normung zum nachhaltigen Bauen
wider. Das BNB-Siegel ist nahezu
identisch mit dem DGNB-Siegel.
Energiekonzept
Das Ziel einer energieeffizienten
Bauweise ist es, den Energiebedarf
zu minimieren und die Energieversorgung zu optimieren. Um einen
reibungslosen und optimalen Ablauf
zu vollbringen, sollte vorerst ein Energiekonzept erstellt werden. Energiekonzepte sind dann sinnvoll, wenn
sie wirkliche Alternativen aufzeigen
wollen, um die Kosten nachhaltig
zu senken. Ein Konzept benötigt als
Erstes Daten eine Gebäudebeschreibung. Ebenso wichtig für ein Energiekonzept sind abgestimmte Daten
zur Gebäudenutzung. Der nächste
Schritt eines Energiekonzepts ist
die Ermittlung des Energiebedarfs
und der Maximalleistungen. Man
verwendet hier entsprechende detaillierte Berechnungsvorschriften
oder auch die thermische Gebäudesimulation. Ein wichtiger, zentraler
Schritt im Energiekonzept ist die
detaillierte Optimierung von Energiebedarf und Leistungsanforderungen. Ebenso wichtig für ein Energiekonzept sind die Analyse und die
Bewertung der vorhandenen Versor-
19
20
2. Nachhaltigkeit und Energieeffizienz von Gebäuden
gungsbedingungen. Die möglichen
Anlagen­konzepte sollten im Rahmen
des Ener­giekonzepts mit den spezifischen Kosten und Wirkungsgraden
berücksichtigt werden. Die Versorgungsbedingungen und Anlagenparameter führen über die Betriebsund Kapitalkosten zur Bewertung der
Wirtschaftlichkeit der betrachteten
Anlagenkonzepte – dem zentralen
Aspekt eines Energiekonzepts. Ein
weiterer Aspekt im Rahmen eines
Energiekonzepts ist die Darstellung
der ökologischen Konsequenzen.
Bausteine eines Energiekonzepts
Die Bausteine eines Energiekonzepts
lassen sich wie folgt darstellen.
Energiebedarf minimieren:
qqWärme erhalten (kompakte Baukörper, gedämmte Hülle)
qqÜberhitzung vermeiden (sommerlicher Wärmeschutz)
qq natürlich lüften (Nacht-Querlüftung)
qqTageslicht nutzen (transluzente
Fotovoltaik im Süden)
qqStrom effizient nutzen (effiziente
Hausgeräte)
Energieversorgung optimieren:
qqWärme effizient gewinnen (Wärmepumpen, passive Gewinne)
Praxistipp
>> Je kompakter ein Gebäude gebaut
ist, desto weniger Energie geht durch
die Gebäudehülle verloren. Vor- und
Rücksprünge, Erker oder Dachgauben
verschlechtern das A/V-Verhältnis. Ein
Reihenhaus z.B. weist weniger wärmeabgebende Außenflächen auf als ein
frei stehendes Gebäude.
Energiebedarf minimieren
durch Wärme erhalten und
gewinnen
Eine sehr gut gedämmte Gebäudehülle verbessert den Wohnkomfort,
da diese im Winter die Wärme nicht
nach draußen lässt und im Sommer
nicht hinein. Der Wärmedurchgangskoeffizient ist der Maßstab für den
Wärmeverlust eines Bauteils durch
die Wärmeleitung. Durch Wärmeleitung aus dem Innenraum eines
Gebäudes geht die Wärme über Außenwände, Fenster, Dach und Boden
verloren (Transmissionswärmeverluste). Auch innerhalb des Gebäudes können zwischen beheizten und
unbeheizten Räumen Wärmeverluste
entstehen, durch oberste Geschossdecken zum unbeheizten Dachraum
oder durch Kellerdecken zum unbeheizten Keller. Des Weiteren lässt
ein ungewollter Luftaustausch über
Risse und undichte Fugen oder durch
Fensterlüftung Wärme entweichen
(Lüftungswärmeverluste).
Um Wärme zu erhalten und ­Wärme
zu gewinnen sind die nachfolgend
aufgeführten Aspekte ­wichtig:
Optimierte Gebäudegeometrie
1. Kompaktheit über das A/V-Verhältnis
Je geringer das Verhältnis Außenflächen A zu dem umbauten Volu­
men V, desto weniger Wärmeverluste liegen vor.
qqWärme effizient abführen (passives Kühlsystem, Latentwärmespeicher)
2.thermische Gebäudezonierung
qqeffizient maschinell lüften (Kompaktlüftungsgerät)
qq Bereiche unterschiedlicher
Temperaturanforderungen
qqKunstlicht optimieren (effiziente
Leuchtmittel – LED)
qqOrientierung der Fassaden­
flächen
qqStrom dezentral gewinnen (Foto­
voltaikmodule)
qqSchaffung von Pufferzonen
Nachfolgend werden einige der Bausteine näher dargestellt.
2. Nachhaltigkeit und Energieeffizienz von Gebäuden
Energetische Optimierung
opaker Bauteile
Wärmebrücken (siehe Seite 44)
Eine energetische Optimierung von
opaken Bauteilen liegt in der Reduzierung der Wärmesenken durch
Transmission.
Passive Nutzung der Solar­
strahlung
Wichtige Kenngrößen sind hier:
1. Wärmeleitfähigkeit
2. Wärmeleitfähigkeitsgruppen
3. Wärmedurchlasswiderstand
4. Wärmeübergangswiderstand
5. Wärmedurchgangskoeffizient
Energetische Optimierung transparenter Bauteile
Eine energetische Optimierung von
transparenten Bauteilen liegt in der
Durchsicht, Belichtung, im Wärmeschutz, Sonnenschutz, in der Blendfreiheit und im Schallschutz.
21
Die Nutzbarkeit ist abhängig von den
internen Lasten (Nutzung). Die Glas­
flächen sollten zum Süden orientiert
sein und die geschlossenen Fassaden
zum Norden. Der Sonnenschutz spielt
eine wichtige Rolle, gerade für den
sommerlichen Wärmeschutz. ­
Minimierung der
Lüftungswärme­verluste
Wichtige Aspekte sind hier die Fens­ter­
lüftung und die maschinelle Lüftung
(ggf. mit Wärmerückgewinnung).
ENDE DER EISZEIT!
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ISOCELL ist eine Wärmedämmung aus Zellulosefasern, die aus Tageszeitungspapier hergestellt wird.
Direkt vom LKW, wird der Zellulosedämmstoff in Decke, Dach, Wand und Boden bis hinein in die
kleinsten Fugen und Ritzen eingeblasen. Das ISOCELL-Einblassystem ermöglicht eine fugenlose und
verschnittfreie Dämmung und sorgt für ein optimales Raumklima.
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22
2. Nachhaltigkeit und Energieeffizienz von Gebäuden
Solarthermische Energie­
gewinnung
Solarthermische Anlagen stellen
eine effektive Form der Energie­
gewinnung dar.
Energiebedarf minimieren
durch optimale Tageslichtnutzung
Eine optimale Nutzung der Tageslichtversorgung sieht die nachfolgenden Punkte vor:
Energiebedarf minimieren
durch Vermeidung von
Überhitzungen
qqgeometrische Optimierung
Um eine Überhitzung zu vermeiden
sollten die nachfolgenden Aspekte
im Vordergrund stehen:
qqTageslichtsysteme
qqReduktion der solaren Einstrahlung:
Wichtige Punkte sind hier: Orientierung der transparenten Flächen,
Flächenreduzierung der transparenten Flächen, Qualität der Verglasung (g-Wert), Sonnenschutzsysteme (von der Fassade entfernt
anbringen, damit eine Hinterlüftung gewährleistet ist und eine Erwärmung der Scheiben verhindert
wird).
qq Reduktion der Wärmetransmission:
Schutz vor sommerlicher Überhitzung durch eine Optimierung der
Gebäudehülle hinsichtlich Minimierung von Energieeinträgen, besonders bei transparenten Bauteilen.
qqSpeichermasse:
Ein wichtiger Aspekt ist die Wärmespeicherfähigkeit raumumschließender Bauteile. Bei einer hohen
Speichermasse wird die Wärmeenergie im Bauteil zwischengespeichert und zeitversetzt abgeführt.
Um eine große Speichermasse zu
erreichen, sollten keine Teppiche
auf den Böden ausgelegt werden,
die Steinböden sollten nicht gegen
die Massivdecke isloliert und Decken nicht abgehängt werden.
qqKenngrößen transparenter Bauteile
Ziele der optimalen Tageslichtversorgung sind eine Sichtverbindung nach
außen, angemessener Tageslichtbedarf, gleichmäßige Raumausleuchtung, Vermeidung von Blendung.
Wichtige Instrumente dabei sind:
qq hoher Anteil an verglaster Außenwand, Deckenfläche
qq hohe Transmissionsgrade
qq Lichtlenksysteme
Energiebedarf minimieren
durch Stromgewinnung
Der Energiebedarf bei Gebäuden kann
zusätzlich durch die Gewinnung von
Strom durch folgende Maßnahmen
minimiert werden:
qqGebäudehülle mit Fotovoltaik
qq konstruktive Integration
Fazit
Nachhaltiges Planen, Bauen und Betreiben von Einzelbauwerken orientiert sich an den Grundsätzen einer
nachhaltigen Entwicklung. Vorausgesetzt wird die jeweilige Beachtung
und Berücksichtigung von ökonomischen, ökologischen und sozialen
bzw. soziokulturellen Aspekten
zusätzlich zu den technischen, gestalterischen und organisatorischen
Fragen. Bewertet wird die Qualität
der Planungs-, Bau- und Bewirtschaftungsprozesse.
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