11SOi MEDIZINISCHE WOCTSdHW Aus dem Manen-Hospital in Gelsenkirchen. Ueber Pueumococceuperitonitis. Von Dr. Robbers. Obwohl iii den letzten Jahren auch in deutschen medizinischen Zeitschriften eine Reihe von Abhandlungen erschienen sind, die sich mit der Pneumococcenperitonitis als einer gut umschriebenen und klinisch diagnostizierbaren Erkrankung beschäftigen, ist sie doch in den weiteren ärztlichen Kreisen nicht so bekannt, wie sie sein sollte; und zwar hat sie nicht etwa deswegen Anspruch auf unser Interesse, weil sie eine besondere Lokalisation des Pneumococcus darstellt, sondern weil ihr Erkennen einen wesentlichen Einf1ut auf unser Eingreifen ausüben muß und somit von großer Bedeutung für die Prognose ist. Daß die Pneumococcenperitonitis nicht schon dngst allgemein bekannt ist, hängt teils von ihrer Seltenheit und der Schwierigkeit ab, die einer genauen bakteriologischen Diagnose mangels zweckentsprechender Einrichtungen, wenigstens in früherer Zeit, im Wege standen, teils darin, daß die ersten Beschreibungen der Krankheit seitens französischer Forscher in wenig zugänglichen Zeitschriften niedergelegt waren. Die ersten Erfahrungen fiber die Lokalisation des Pneumococcus in der Bauchhhle wurden auf dem Obduktionstisch gesammelt, und zwar war es Bozzolo, der im Jahre 1885 zuerst einen Fall von multipler Serositis beschrieb; im Jahre 1886 folgte Cornil mit der Beschreibung einer postpneumonischen Pneumococcenperitonitis, Pericarditis und Pleuritis. 1888 und 1889 veröffentlíchte Weichselbaum in der Wiener klinischen Wochenschrift und im Zentralbiatt für Bakteriologie und Parasitenkunde drei neue Fälle. Die erste Operation wegen Pneumocoocenperitonitis wurde im Jahre 1890 von Nelaton an einer 32jährigen Frau vorgenommen, aber mit tödlichem Ausgang. Den ersten operativen Erfolg hatte 1890 Sevestre bei einem Kinde. Weitere wesentliche Aufklärungen verdanken wir neben G alijar d, Mor is se, Barbacci und vielen andern Cassaet, der im Archiv. clin, de Bordeaux 1896 im ganzen 20 Fälle zusammensteilte. Nach dieser Zusammenstellung genasen fünf, also 25%, dank einer frühzeitig vorgenommenen Laparotomie; eine Spontanheilung war nie vorgekommen, und in vier Fällen trat trotz Operation der Tod ein. Im Gegensatz zu Cassaöt stellte Brun (1896 und 1897) dio Prognose günstiger, indem er angab, daß von 14 Fällen nur einer starb und einer sogar spontan ausheilte. Weitere Berichte liegen vor von Comby und G rancher (1897), Bouilly (1897), Walther (1897), Dieulafoy (1898 und 1899), Michaut (1901) und andern. Von amerikanischen Aerzten sind zu nennen Pearce (1892), Flexner (1895), von englischen Fisher (1899) und Bryant (1901). Von deutschen Forschern beschäftigten sich mit der experimentellen Frage zuerst H. Bruns, der Leiter unseres Bakteriologischen Instituts, im Jahre 1897 und 13 Eines Nachmittags, vor etwa vier Wochen, kam sie mit Kopfschmerzen aus der Schule ; noch in derselben Nacht klagte sie über Leibsehmerzen und hatte Erbrechen, Stuhl war verhalten. Leib war aufgetrieben und hart. Am dritten Tage soll die Lunge angegriffen gewesen sein, doch hat kein Husten und Auswurf bestanden. Nach etwa acht Tagen, während welcher Zeit stets hohes Fieber bestanden haben soll, ließen die Schmerzen und die heftigen Erscheinungen nach ; die Angehörigen fanden, daß der Leib stärker wurde. In der letzten Zeit vor der Aufnahme wölbte sich der Nabel vor und entleerte schließlich Eiter. Befund bei der Aufnahme: Elend aussehendes Kind. Augen eingefallen. Leib im ganzen stark aufgetrieben, zeigt überall Dämpfung und deutliche Fluktuation. Am Nabel eine kleine Fistel, aus der sich Eiter entleert. Empfindlichkeit des Leibes nicht besonders stark. Die Lungen sind normal. Temperatur 38,7. D i ag n o s e : Pn eumococcenperitonitis. Operation am 19. August: Laparotomie unterhalb des Nabels. Man kommt in eine grolle Absceßhöhle, die die ganze Bauchhöhle einnimmt. Darmschlingen sind von einer Absceílmernbran bedeckt und kommen nicht zu Gesicht; sie liegen zu einem Paket verklebt an der Wirbelsäule. Drainage der Bauchhöhle beiderseits am tiefsten Punkt. Der Eiter ist gelbgrün, zäh flüssig, von zahlreichen Fibrinfetzen durchsetzt. Bakteriologische Diagnose : l'neumococcus Frank el. Alimähliches Nachlassen der Sekretion. Keine weiteren Kornplikationen. Am 27. August in die Ambulanz entlassen. Voll- ständig geheilt. Fall 2. Frau B., Kray, 24 Jahre alt, II-Para, einmal Abort. Aufgenommen 6. September 1905, entlassen 28. November 1905. Mutter lebt und ist gesund. Vater mit 63 Jahren an Asthma gestorben. Sie selbst war immer etwas schwächlich. Am 26. Juli Geburt ohne Arzt. Normales Wochenbett. Nach 12 Tagen, nachdem sie schon einige Tage aufgestanden war, wird herr Dr. lIessemann gerufen. Es bestanden aufgetriebener Leib und starke Durchfülle. Temperaturen stets hoch. Kein Erbrechen. Lungen waren stets gesund; erst nach etwa drei Wochen, von der ersten irztlichen Behandlung an gerechnet, lokale Dämpfung rechte unten und überall Rasselgeräusche nachgewiesen. Befund: Zarte, elend aussehende, magere Frau. Starker husten. Auf beiden Lungen Rasselgeräusche, namentlich rechts oben; hinten unten Dämpfung. Reichlicher Auswurf. Leib sehr stark aufgetrieben, überall Dämpfung und Fluktuation. Temperatur 38,5, abends 37,5. Diagnose: Tnberculöser Ascites (). Operation am 7. September: Laparotomie unterhalb des Nabels. Beim Schnitt durch die Bauchdecken Oedem. Peritoneuin stark verffickt. Entleerung einer leicht getriibten Fliissigkeit, der sich allmählich eiterige und fibrinhaltige Bestandteile zugesellen. schweizer Aerzten seien erwähnt Quervain (1902), Stoos (1902) und von dänischen hauptsächlich Jensen (1903). Man unterscheidet zwei Formen von Pneumococcenperitonitis, und zwar die abgekapselte eitrige Peritonitis (Peritonite l pneumocoques enkystée der Franzosen) oder das Bauchempyem (Lennander) und die diffuse eitrige Peritonitis. Diese Unterscheidung ist etwas willkürlich; denn nach meiner Ansicht ist die erstere die Ausgangsform der diffus eitrigen, wie wir weiter unten noch sehen werden; doch wollen wir zum bessern Verst'ändnis diese Einteilung beibehalten. Nach der bis jetzt vor- Schließlich reiner, gelb-grün gefärbter Eiter und ungeheuer große Mengen Fibringerinnsel, die nach Möglichkeit entieert werden. Die ganze Bauchhöhle ist mit Eiter gefüllt. Darnischlingen werden nicht sichtbar, weil sie überall von Gerinnseln bedeckt sind, liegen der Wirbelsäule an. Beiderseits dicke Drains. Bakteriologische Untersuchung: Pneumococcen in Reinkultur. In den ersten Tagen starke Sekretion; täglicher Verbandwechsel. Entleerung reichlicher Fibringerinnsel, die zum Teil durch Spülung entfernt werden. 10. September abends 38,9. Vorhaltung. 15. September abends 38,9. Wieder Verhaltung. 15. September. Funktion des Pleuraraums ergibt ein klares, seröses Exsudat, das sich steril erweist. 20. September abends 38,5. 21. September abends 39,2, Punktion der Pleura; trübes Exsudat, das Pneumococcen enthält. Deshalb Resektion einer ilippe am 22. September. Serös eiteriges Exsudat mit Fibrinflocken. 29. September. Sekretion der Bauehdrains gering, stärker ist sie aus dem Pleuraraum. Allgemeinbefinden besser, Puls immer noch klein und suchungen lehren. Wir haben zwei Fälle beobachtet, einen bei einem sechs- Die Pneumococcenperitonitis kommt drei- bis viermal so häufig bei Kindern vor als bei Erwachsenen, und zwar erkrankt fast ausschließlich das weibliche Geschlecht, während in den mit der klinischen Burckhardt (1901), Wieting (1901), Ernst Meyer (1903), y. Brunn (1903), W. Ghon (Wien) (1904). Von liegenden Erfahrung ist die abgekapselte Form bei weitem häufiger; ob wir aber in Zukunft, wenn alle Fälle von sogenannter primärer idiopathiseher Peritonitis im Kindesalter bakteriologisch genauer untersucht werden, die diffus eitrige nicht doch häufiger antreffen werden, müssen weitere Unterjährigen Mädchen und einen bei einer 24jithrigen Frau. Bei beiden ist der Eiter im hiesigen bakteriologischen Institut untersucht und mikroskopisch, durch Kulturverfahren und Impfung der Pneumocoecus F r ii, n k el als Ursache festgestellt worden. Ich lasse die Krankengeschichten der beiden von uns beobachteten Fälle folgen: Fall 1. Elisabeth B., sechs Jahre alt, aufgenommen 18. August, entlassen 27. August 1903. Bis zu der jetzigen Erkrankung war sie gesund und besuchte in der letzten Zeit regelmäßig die Schule. frequent. Allmähliche Besserung sämtlicher Erscheinungen. Bei der Entlassung sezernierte die Brusthöhle noch etwas, die Wunden am Abdomen geschlossen. späteren Jahren beide Geschlechter annähernd gleich häufig beteiligt sind. Der Beginn erfolgt bei Kindern ganz plötzlich unter Fieber, Ei'brechen und Kopfschmerzen; oft genug geben die Angehö- rigen an ,,nachmittags um 6 Uhr", bei der Rückkehr von der Schule" sei das Kind erkrankt. Bald gesellen sich hinzu Leibschmerzen, vielfach Durchfall; das Aussehen ist leicht cyanotisch, die Augenhöhlen sinken ein, der Puls ist beschleunigt, der Leib in den ersten Tagen gespannt. Nach zwei bis drei 115 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 7. Juni. DEUTSCHE 4EDÏZ1NISC}tE Tagen wird der Leib meteoristisch aufgetrieben, daneben bestehen unverändert Fieber und Durchfall fort. Diese akuten Erscheinungen dauern vier bis sechs Tage, dann allmählich lassen sie nach, das Erbrechen wird seltener, über Schmerzen wird nur noch bei der Defiication oder beim Stuhldrang geklagt. Der Durchfall aber hört nicht auf, und auch bei den anfänglich mit Obstipation einhergehenden Flillen pflegt er einzutreten und lange anzuhalten. Nach acht bis vierzehn Tagen wird der Leib stärker und stärker, und deutliche Fluktuation läßt auf eine Flüssigkeitsansammlung schließen. Diese kann umschriebener Natur sein oder die ganze BauchhiThle einnehmen; im ersteren Falle entwickelt sie sich in der Nähe des Nabels; beiden Formen gemeinsam Ist die allmähliche Vorbuchtung und der schließliche Durchbruch des Nabels. Auch während dieser Zeit pflegt die Temperatur in den Abendstunden erhöht zu sein. die Nahrungsaufnahme ist gering und der Kräfteverfall hochgradig. Meistens ist auch in den späteren Stadien eine leichte Spur von Facies hypogastrica vorhanden. 'Tir können also mit den französischen Forschern drei Stadien unterscheiden, das der akuten Erscheinungen, der Flüssigkeitsansammlung und des Durchbruchs am Nabel. Für das erste Stadium betrachten sie neben dem plötzlichen Beginn den Durchfall als charakteristisch; Dieulafoy hält ihn geradezu für pathognomonisch im Gegensatz zu der bei Appendicitis vorherrschenden Verstopfung. Doch hat die Erfahrung Dieu- lafoy nicht recht gegeben: bei genauer Durchsicht der ein- OO11INSCHBI o. 2 peritonitis, Typhus und in späteren Stadien mit der tuberculösen Peritonitis. Die Pneumococcenperitonitis ist zuweilen einer akut ein- setzenden Appendicitis so ähnlich, daß eine Unterscheidung ganz unmöglich werden kann, und das nicht allein in den Fällen, wo eine Pneumococcenappendicitis den Ausgangspunkt der ganzen Erkrankung bildet. Man hat als Unterscheidungsmerkmale angeffihrt: 1. Bei Appendicitis ist vor allem der Mc Bur- neypunkt schmerzhaft, und man kann in vielen Fällen nach einigen Tagen eine Infiltration oder zum mindesten einen besonderen Druekschmerz an dieser Stelle beobachten. Dieser Druckschmerz und auch das Exsudat bleibt meistens in dieser (legend bestehen, während die Empfindlichkeit bei Pneumococcenperitonitis nicht so eng begrenzt bleibt und bei anfänglich rechtseitiger Lokalisation sich bald auf das ganze Abdomen oder einen größeren Teil davon erstreckt. 2. Bei Appendicitis herrscht Obstipation vor, bei der Pneumococcenperitonitis Durchfall. 3. Bei Appendicitis besteht eine einseitige Spannung der Bauchdecken. Diese Spannung ist bekanntlich ein nie fehiendes Zeichen der Appendicitis und der durch sie bedingten perito- nealen Reizung. Nordmann (Archiv für klinische Chirurgie 19O, Bd. 78, H. 1) sagt: In fast allen Fällen von zirkumskripter Perityphiitis hat man nur hier eine reflektorische Bauchdeckenspannung zu erwarten, welche man in FLllen von frischer Entzilndung regelmäßig antrifft und welche wir für das wichtigste Symptom zur Diagnosenstellung halten. schlägigen Krankengeschichten wird dieses Symptom in einer Reihe von Fällen vermißt, und auch in unserem ersten Falle fehlte es. Erbrechen ist wohl stets vorhanden und wird durch den akuten Reiz auf das Bauchfell erklärt, ebenso verständlich ist die auf den ersten Reiz erfolgte Darmlähmung und der da- Diese Spannung (défense musculaire der Franzosen) soll bei der Pneumococcenperitonitis ausbleiben ; ob sie schon im Beginn der Erkrankung fehlt, kann ich nicht sagen ; in unseren, heit der Initialsymptome der Pneumococcenperitonitis, Bauchschmerz. Erbrechen, Durchfall und Fieber, findet sich bei keiner abdoininoperitonealen Erkrankung wieder. Ich halte diese An- meistens sind den Eltern schon leichtere Prodromalerscheinungen, Müdigkeit, Abgespanntheit, Unlust zum Spielen, aufge- durch bedingte Meteorismus. Dieulafoy sagt: Die Gesamt- freilich in einem späteren Stadium befindlichen Fällen war sie nicht vorhanden. Bei Typhus finden wir seltener den akuten Beginn; fallen; Erbrechen fehlt, der Leib ist meistens nicht so auf- gabe nicht immer für zutreffend und glaube auch nicht, daß aus den ersten Erscheinungen allein die Diagnose mit einiger Wahrscheinlichkeit gestellt werden kann. Wohl aber halte getrieben und schmerzhaft, die Milz ist geschwollen. Die Tempe- rahmig, grüngeiblich gefärbt, geruchlos, enthält vor allem Fibrin- Die Streptococcenperitonitis ohne nachweisbaren Ausgangspunkt, die in allen Altersstufen vorkommen kann, ist der Prieumococcenperitonitis sehr ähnlich; sie beginnt meist nicht so plötzlich, die Allgemeinerscheinungen sind schwerer, sie hat keine Neigung zur Abkapselung und endet gewöhnlich zwischen dem vierten und siebenten Tage tödlich. ratur fällt morgens ab, Roseolen treten nach einiger Zeit auf. Doch kommen auch Abweichungen vor. Völlige Sicherheit ich den weiteren Verlauf für charakteristisch, denn während er gewährt nur der positive Ausfall der Widalschen Reaktion und der Stuhluntersuchung. sonst bei der Peritonitis aus einer andern Ursache immer trostDie tuberculöse Peritonitis läßt sieh bei genauer loser wird, lassen bei der Pneumococcenperitonitis die ersten stürmischen Erscheinungen nach, und in den Vordergrund Kenntnis der vorausgegangenen Erscheinungen dann wohl mit tritt die Flüssigkeitsansammlung mit der Neigung zum Durch- Sicherheit ausschließen, wenn das erste Stadium akut eingesetzt hat; wenn dagegen die Erkrankung subakut beginnt, bruch am Nabel. Pathologisch-anatomisch sehenwirbeiderumschriebe- Lungen- und Pleuraerscheinungan vorausgegangen sind oder nen Form eine von der übrigen Bauchhöhle durch entzündliche wie in unserem zweiten Falle noch bestehen, dann kann die Membranen und Netzverwachsungen getrennte Höhle, die im Differentialdiagnose schwer, wenn nicht unmöglich werden. Gegensatz zu den abgekapselten perityphlitischen Abscessen Bei der tuberciilösen Peritonitis finden wir ausschließlich das sich in der Nähe des Nabels auszubilden pflegt. Zwar werden Exsudat in der ganzen Bauchhöhle, es wechseln gedämpfte mît auch an anderen Stellen, an der Leber, MiIz etc., unabhängig tympanitischen Stellen, sehr oft finden wir harte, indurierte voneinander, abgekapselte Abscesse beobachtet, doch ist das Stellen, von tuherculösen Netzknoten oder Darmknäueln herselten. Bei der allgemeinen Form ist die ganze Baachhöhle rührend, - bei der die ganze Bauchhöhle einnehmenden Pneumomit Eiter angefüllt, die Darmschlingen liegen, zu einem Klumpen coccenperitonitis dagegen besteht Dämpfung im Bereiche des zusammengebacken, der Wirbelsäule eng an. Der Eiter ist ganzen Exsudates. niederschläge und ist bei reichlicher Ansammlung, die bis zu sieben Litern betragen kann, manchmal in zwei Schichten geteilt, wie in unserm zweiten Falle. Es rührt dies daher, daß die spezifisch schwereren Flocken zu Boden sinken und bei der Eröffnung der Bauchhöhle in horizontaler Lage, die die Kranken meistens lange Zeit vorher eingenommen haben, die klarere Schicht zuerst abfließt. Das dem Krankheitsbild Eigentümliche Ist die Farbe des Eiters und der Reichtum an Fibrinniederschlägen, die wir ja auch von den Pneumococcenempyemen der Brusthöhle her kennen. Meistens bekommen wir Krankenhausärzte die Pneumococcenperitonitis in einem Stadium zur Behandlung überwiesen, wo die Fliissigkeitsansammlung recht beträchtlich oder, wie es in unserm ersten Falle war, schon eine Fistelbildung am Nabel eingetreten Ist; hier ist das Bild ein so eigenartiges, daß die Diagnose kaum verfehlt werden kann; dagegen bietet der erste Beginn nichts der Krankheit Eigentümliches, und hier kann sie verwechselt werden vornehmlich mit Appendicitis, Perforations- Bei der allgemeinen eiterigen Pneumococcenperitonitis unterscheiden Michaut und Brun wiederum zwei Formen: die akut septische mit Fibrinauflagerungen und wenig Eiter und die eiterige mît Bildung reieblichen Exsudats. Einen praktischen Wert für das Verständnis hat diese Ein- teilung nicht, da beide Formen ineinander übergehen und nur der verschiedene Ausdruck für die Schwere der Infektion sind. Hier komme ich auf meine eingangs geäußerte Mutmaßung zurück, daß in ihrer Entstehung ursprünglich beide Formen, die diffuse und die umschriebene, gleich sind und daß die erstere, sei es wegen Bösartigkeit der Pneumococcen oder besonderer Empfänglichkeit des Befallenen, sei es wegen lIeber- schwemmung des Peritoneums durch die Coccen in großer Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 914 DEUTSCHE MEDIZINISCHE WOCHENSCHRIFT. 915 Zahl, schnell letal endet, die Jetzere dagegen mangels derarUger Unterlagen mehr die Neiging zur Abkapselung entwickelt, we wir das ja auch bei anderen Infektionen sehen. Als Ausgan gspunkt kommen in Betracht die Nachbar- scheinlich machen. Schon bei der Besprechung der Differentialdiagnose mit der Appendicitis erwähnte ich, daß die Pneumo- organe, Pleura, Darmkanal, Genitalorgane, oder auch entferntere Herde, die auf dem Wege der Lymph- und Blutbahnen das Peritoncum infizieren. Die französischen Forscher halten an der letzteren Annahme fest, und zwar behaupten sie, daß die Pneumococcenperitonitis fast immer postpneumonisch entstände, bei 40 Appendicitiden 21 mal Pneumococcen antraf, einmal sogar und es scheinen die neueren Untersuchungen, die in jedem Falle von Pneumonie Pneumococcen im Blute nachgewiesen haben, dieser Annahme eine Stutze zu verleihen; allein die Durchsicht der in der neueren Zeit veröffentlichten Krankengesohichtn zeigt, daß sich in der Mehrzahl der Fälle eine vorausgegangene Pneumonie mit Sicherheit ausschließen läßt. In unserem ersten Falle sollen Lungenerseheinungen bestanden coccenperitonitis von einer Appendicitis ausgehen kann, und es dürfte nicht uninteressautsein, anzuführen, daß Krogius in Reinkultur, und Jensen hat sie 20mal bei Appendicitis nachgewiesen, allerdings nie in Reinkultur, sondern stets mit einer Menge anderer Mikroben. Jensen rechnet sie zu den hier am häufigsten vorkommenden Pyococcen und nimmt daher an, daß in weitaus der Mehrzahl der Fälle die Infektion vom Darm aus zustande gekommen ist. ist schon das Beobachtungsmaterial bei Kindern nicht sehr groß, so läßt es uns für das Studium des Krankheitsverlaufes bei Erwachsenen noch mehr im Stich. Nach Jensen sind 48 Fälle bekannt, bei denen nur von zehn Obduktionsberichte vorlagen. Jedenfalls ist der Verlauf im großen und ganzen ähnlich haben, aber erst nach Beginn der peritonealen Reizung, da wie bei den Peritonitiden auf anderer Grundlage, aber doch aber Husten und Auswurf gefehlt haben sollen, so dürfte man beztiglich jener Angabe einen berechtigten Zweifel hegen ; in wieder in den einzelnen Fällen so verschieden, daß eine richtige Diagnose vor der Operation oder Obduktion noch nicht gestellt worden ist. In unserem Falle bot der Verlauf nicht sehr viel Abweichendes von dem bei Kindern; auch hier Beginn mil Leibschmerzen und Durchfall. also mit Vorwiegen der Peritonealerscheinungen, Erbrechen fehlte aber vollständig; später traten unserem zweiten Falle hat der behandelnde Arzt mit der größten Bestimmtheit bestritten, daß vorher eine Lungenaffektion bestanden habe. Daß von entfernteren Organen, z. B. nach Mittelohreiterungen, Anginen, auch nach Bronchitiden, auf dem Lymphwege die Infektionserreger bis zur Bauchhöhle verschleppt werden können , kann nicht geleugnet werden, aber unter welchen Bedingungen sie hier eine lokale Ent- zündung verursachen, darüber wissen wir nichts Genaues. Daß eine direkte Ueberwanderung von dem Pleuraraum nach der Bauchhöhle stattfinden kann, dafiir will Burckhardt bei Tierexperimenten Beweise gefunden haben; dafür spricht auch das Vorkommen zahlreicher direkter Lymphbahnen zwischen Peritoneal- und Pleuraraum. Bekanntlich ist aber der Lymphstrom von der Bauch- nach der Brusthöhle gerichtet, und es ist deshalb wohl anzunehmen, dali eine Infektion auf diesem Wege nicht die Regel ist. Von den bis jetzt bekannten 58 sicheren Fällen von Pneumococcenperitonitis bei Kindern waren 51 mal Mädchen erkrankt, und aus diesem Vorwiegen des weiblichen Geschlechts glaubte Brun den Schluß ziehen zu dürfen, daß die weiblichen Genitalien als Eingangspforte in besonderem Maße in Betracht kämen; ferner hat Frommel in einem exstirpierten Pyosalpinx typische Pneumococcen gefunden, obwohl die Frau niemals an Pneumonie gelitten hatte. Die Suche nach Pneumococcen in den Genitalien hat aber niemals positive Befunde zu verzeichnen gehabt, und deshalb ist wohl auch diese Annahme recht zweifelhaft. Wir haben in beiden Fällen das Vaginalsekret nicht daraufhin untersucht, weil wir annahmen, daß nach so langem Bestehen der Erkrankung auch ein positiver Befund keineswegs eindeutig gewesen wäre. Ich glaube nicht, daß in unserem zweiten Falle das Puerperium ursächlich mit der Peritonitis in Zusammenhang zu bringen ist, da es ohne Fieber verlaufen ¡st und schon mehrere Tage des besten Wohlbefinden ver- strichen waren; ich neige mehr der Ansicht zu, daß Peritonitis und Wochenbett rein zeitlich zusammengefallen sind. Das akute Auftreten mit Magendarmstörungen weist auf eine andere Ursprungsstätte hin, nämlich den Magendarmkanal. Da das Vorkommen von Pneumococcen in der Mund- höhle des gesunden Menschen sicher festgestellt ist, so hat die Annahme, daß sie von hier aus in den Magen und weiter in den Darm verschleppt werden, viel für sich. Unter welchen Umständen sie den Durchgang durch den Magen überstehen, darüber sind meines Wissens noch keine Untersuchungen angestellt, aber sie können im Magendarmkanal vorkommen, wie Ghon in der Wiener klinischen Wochenschreift (1904, Heft 10) berichtet. Er stellt vier Fälle von Perforationsperitonitis, vom Magendarm ausgehend, zusammen, in denen Pneumococcen rein oder fast ausschließlich nachgewiesen wurden. Wenn aueh - und das ist durch zahlreiche experimentelle Untersuchungen ein normaler Darm für Bakterien undurchlässig festgestellt ist, so ist das gewiß nicht der Fall, wenn durch uleeröse Prozesse, bei venöser Stauung und seröser Durchtränkung eine Ernährungsstörung der Darmwand gesetzt wird. Es liegen sedenfalls eine Reihe von Untersuchungen vor, die ein Durchwandem der Darmwand seitens der Pneumococcen durchaus wahr- die Lungenerscheinungen so in den Vordergrund, daß eine tuberculöse Infektion die größte Wahrscheinlichkeit für sich hatte. Zudem wurde die Anamnese von der Patientin nur sehr ungenau angegeben, erst später konnten wir durch den behandelnden Arzt Genaueres erfahren. Bei Durchsicht der ver- öffentlichten Krankengeschiehten sehen wir, daß die Bauchfellerscheinungen nicht immer im Vordergrunde des Krankheits- bildes standen; vielmehr treten in einer Reihe von Fällen die Allgemeinerscheinungen mit septicopyaemischem Charakter am ausgesprochensten hervor. Im weiteren Verlaufe können typhöse Erscheinungen die Annahme einer peritonealeri Infektion zweifelhaft machen, zumal bei geringem Erguti und starkem Meteorismus. In keinem Falle scheint das zweite Stadium auch nur entfernt so ausgesprochen gewesen zu sein wie in dem unserigen, und das dritte, die Fistelbildung am Nabel. scheint beim Erwachsenen überhaupt noch nicht beobachtet zu sein. Wo die Eingangspforte zu suchen ist, ist schwer zu sagen, die Diarrhöen weisen auf die Infektion vom Darm aus hin; die Pleuraerkrankung ist sicher sekundär, wie wir durch die Untersuchung der Punktionsflüssigkeit festgestellt haben, und höchstwahrscheinlich von der Peritonitis hervorgerufen. Wenn wir das typische Bild der Pneumococccnperitonitis, wie es sieh uns nach einiger Zeit des Bestehens darbietet, als Ausgangsform einer allgemeinen Peritonitis ansehen, so können wir annehmen, daß die Prognose im allgemeinen günstig zu stellen ist, da die bösartigen Infektionen das Leben hinwegraffen. bevor es zu der charakteristischen Eiteransammlung gekommen ist. Aber auch nur dann wird die Prognose günstig sein, wenn wir mit der Eröffnung der Bauchhöhle nicht so lange warten, bis durch Eiterfieber und mangelhafte Nahrungsaufnahme ein das Leben bedrohender Kräfteverfall aufgetreten ist. Y. Brunn (1903) führt an, daß von 7 hindern 50 laparotomiert wurden, von diesen starben zehn, bei einem war der Ausgang unbekannt; dagegen starben von den nichtoperierten alle bis auf zwei. Wir sehen also, obgleich die Pneumococcenperitonitis eine ausgesprochene Neigung zur Spontanheilung hat, daß Verkennen der Krankheit oder absichtliches Zuwarten die Kinder in hohe Lebensgefahr bringt. Ein aktives Vorgehen ist um so mehr anzuraten, als dei' Eingriff schnell und gründlich, sogar im Aetherrausch ausgeführt werden kann. Bei Erwachsenen ist die Prognose nicht so giinstig. Nach y. Brunn starben von 17 Fällen elf, nur vier wurden durch Operation geheilt, nur bei zweien fehlen die Angaben über den Ausgang. Eine Neigung zur Spontanheilung ist bei Erwachsenen nicht beobachtet worden. Die Behandlung besteht in Eröffnung und Drainage des Abscesses. Ich habe bei beiden Fällen von einer ausgedehnten Eröffnung der Bauchhöhle abgesehen und vornehmlich f fir gründlichen Abfluß des Eiters durch Drainage gesorgt; diese ist um so wichtiger, als bei der ausgesprochen fibrinösen Be11 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 7 Jj DEUTSCHE MEDIZINISCHE WOCKENSCIIRIFT. 916 No. 23 schaffenheit des Eiters sehr leicht Verhaltungen und dadurch bedingte Temperatursteigerungen eintreten. Von Ausspülungen der Höhle mit steriler Kochsalziösung habe ich einen Nachteil nicht gesehen. Wenn wir die Diagnose frühzeitig stellen können, sei es auf Grund der klinischen Erscheinungen, sei es durch den Nachweis von Pneumococcen im Blut oder in dem operativ gewonnenen Eiter, so käme für die Behandlung in den ersten Stadien auch die Anwendung des Römerschen Serums in Betracht; jedenfalls berechtigen die Erfolge beim Ulcus serpens corneae und bei der Pneumonie zu einem Versuche. Kurz nach Einsendung der Korrektur habe ich einen dritten Fall von Pneumococcenperitonitis operiert, dessen Krankengeschichte kurz folgende ist. Frau L., 31 Jahre alt, erkrankt am 31. Januar, morgens 1 Uhr mit starken Schmerzen in der Blinddarmgegend und mehrmaligem Erbrechen. Am selben Morgen normaler Stuhlgang. Hausarzt stellt die Diagnose auf Appendicitis und verordnet Ruhe und Opium. Temperathr 400. Am 1. Februar Schmerzen im ganzen Leib. Reflektorische Bauchdeckenspannung. Puls 110. Temperatur noch 40e. Einigemale Erbrechen. Kein Stuhlgang. Diagnose: Appendicitis und beginnende Peritonitis, deshalb sofortige Aufnahme ins Schnitt in der Blinddarmgegend, es entleert sich ein trübes, braurilich gefärbtes Eisudat. Appendix wie der ganze Darm stark injiziert, ohne Besonderheiten, wird entfernt. Annahme, daß der Ausgangspunkt am Magen, Duodenum oder Gallenblase zu suchen ist, deshalb noch ein Schnitt oberhalb des Nabels ii der Mittellinie. Hier nichts Besonderes. Drainage an beiden Seiten. Durchspülung mit reichlichen Mengen Kochsalziösung. Tamponade. Infusion von 1500 g NaCl-Lösung unter dio Haut. Verlauf von da ab fieberlos, Untersuchung des Exsudates ergibt Pneumococcen in Reinkultur. Entlassung am 3. März, geheilt. Ausgangspunkt der Erkrankung unklar. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Krankenhaus.