Danone-Symposium 2008

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Editorial Board
Schriftleitung
G. Wolfram, Freising-Weihenstephan
Herausgeber
W. Druml, Wien
G. Kreymann, Hamburg
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Herausgeber für die Deutsche
Akademie für Ernährungsmedizin
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Chirurgie: K. W. Jauch, München
M. Kemen, Herne
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A. Weimann, Leipzig
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Gastroenterologie: S. C. Bischoff, Stuttgart
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Lebensmittelwissenschaft: H. Brückner,
Gieûen
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Nephrologie: W. Druml, Wien
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Neurotraumatologie: J. Piek, Rostock
Onkologie: J. Arends, Freiburg
Organ der Deutschen Gesellschaft
für Ernährungsmedizin e. V. (DGEM)
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B. Koletzko, München
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K. Widhalm, Wien
Präventivmedizin: M. J. Müller, Kiel
Stoffwechsel: U. Fauth, Kassel
U. Keller, Basel
E. Roth, Wien
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Arbeitsgemeinschaft
für klinische Ernährung (AKE)
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H. K. Biesalski, Hohenheim
J. Eckart, Augsburg
M. Halmµgyi, Mainz
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E. Holm, Heidelberg
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St. Mühlebach, Bern
C. Puchstein, Herne
V. Pudel, Göttingen
U. Rabast, Hattingen
E. Ritz, Heidelberg
H. Rottka, Berlin
D. Sailer, Bad Neustadt
J. Schrezenmeir, Kiel
H. B. Stähelin, Basel
D. Steinkamp, Krefeld
J. Wechsler, München
Organ der Gesellschaft für klinische
Ernährung der Schweiz (GESKES)
Organ der Deutschen Akademie
für Ernährungsmedizin e. V. (DAEM)
Verlag
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www.thieme.de/fz/akternmed
online: www.thieme-connect.de/ejournals
Aktuelle Ernährungsmedizin
S1 ´ 2008
Juni 2008 ´ Seite S1 ± S56 ´ 33. Jahrgang
S1
S2
S3
S7
Editorial
Chronische Entzündungen ± Wegbereiter vieler
Krankheiten
Einführung
Ursachen und Verlauf chronischer Entzündungen
Übersichten
Vom Glimmen zur Glut ± Pathogenese und Mechanismen entzündlicher Prozesse
M. Trendelenburg
Mehr als nur ein Bollwerk ± Das Darmepithel als
integraler Bestandteil der Barriere und Abwehrfunktion im Darm
D. Haller
S1
S2
S3
S7
Editorial
Chronic Inflammations ± Precursor for Various
Diseases
Introduction
Causes and Progress of Chronic Diseases
Reviews
From Smolder to Blaze ± Pathogenesis and Mechanisms of Inflammation
More than a Fortress ± The Intestinal Mucosa is an
Integral Part of the Gut Acting as Barrier and Defence
S11
Die Frage nach dem Risiko ± Genetik, oxidativer Stress,
Entzündungen ± gibt es Zusammenhänge?
G. Rimbach, P. Hübbe
S11
The Question for Risk ± Genetics, Oxidative Stress,
Inflammation ± Are There Associations?
S14
Wie Stress den Zellen ¹einheiztª ± Interaktionen
zwischen Psyche und Immunabwehr
P. Arck
S14
How Stress Puts the Heat on Cells ± Interaction
Between Psyche and Immune Defence
S18
Fitness ist Trumpf! ± Zusammenhänge zwischen körperlicher Bewegung und dem Risiko für das Entstehen
sowie den Verlauf chronischer Erkrankungen
D. König
S18
Fitness is the Key ± Association of Physical Activity and
the Risk for Onset and Progression of Chronic Diseases
S23
Gesunde Vielfalt der Natur ± Antiinflammatorische
und immunmodulatorische Wirkungen von Mikronährstoffen und sekundären Pflanzenstoffen (SPS)
B. Watzl
S23
Healthy Variety of Nature ± Anti-Inflammatory and
Immunomodulatory Activity of Micronutrients and
Secondary Phytochemicals
S28
Den Krebs bremsen? ± Einfluss sekundärer Pflanzenstoffe auf die adipozytenstimulierte Proliferation von
HT29-Zellen
T. Skurk
S28
How to Slow Down Cancer? ± Influence of Secondary
Plant Metabolites on the Adipocyte-Stimulated Proliferation of HT29 Cells
S31
Vorbeugen, lindern oder gar heilen? ± Die gesicherten
Effekte von Pro- und Präbiotika auf entzündliche Prozesse
R. Meier
S31
Preventing, Alleviating, or even Curing? ± The Proven
Effects of Pre- and Probiotics on Inflammation
online: www.thieme-connect.de
Aktuelle Ernährungsmedizin
Juni 2008 ´ Seite S1 ± S56 ´ 33. Jahrgang
S35
Wenn Getreide krank macht ± Zöliakie ± Pathogenese
und Möglichkeiten der Ernährungstherapie
K.-P. Zimmer
S35
When Cereals Cause Disease ± Celiac Disease ±
Pathogenesis and Potential for Dietary Treatment
S39
Alarm im Darm ± Chronisch entzündliche Darmerkrankungen ± Pathogenese und Möglichkeiten der
Ernährungstherapie
R. Meier
S39
Alarm in the Gut ± Chronic Inflammatory GastroIntestinal Disease ± Pathogenesis and Prospects
for a Dietary Treatment
S44
Gelenke im Dauerschmerz ± Erkrankungen des
rheumatischen Formenkreises und Möglichkeiten
der Ernährungstherapie
O. Adam
S44
Joints in Constant Pain ± Rheumatoid Diseases and
Possibilities for a Dietary Treatment
S49
Das ¹dicke Endeª zu üppiger Kost ± Adipositas als
Wegbereiter für Krankheiten mit entzündlichen Komponenten wie Diabetes und Arteriosklerose
H. Hauner
S49
The Worse of an Opulent Diet ± Obesity as a Precursor
for Inflammatory Diseases Like Diabetes and Atherosclerosis
S54
Richtlinien für Autoren
S55
Instructions für Authors
S56
Impressum
Editorial
Chronische Entzündungen ± Wegbereiter vieler
Krankheiten
Bibliografie
DOI 10.1055/s-2007-986413
Aktuel Ernaehr Med 2008;
33, Supplement 1: S1
Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart ´ New York ´
ISSN 1862-0736
Seit einigen Jahrzehnten schon zeichnet sich in
den Industrienationen eine besorgniserregende
Entwicklung ab. Statistiken belegen eindeutig:
Die Häufigkeit chronisch entzündlicher Erkrankungen steigt kontinuierlich an und wird zunehmend zu einem zentralen gesundheitlichen Problem in der Bevölkerung ± mit weitreichenden sozialen wie ökonomischen Folgen.
Im Grundsatz sind Entzündungen durchaus ¹normaleª Reaktionen des Körpers auf den Angriff
von Bakterien, Viren oder anderen schädlichen
Einflüssen auf Zellen und Gewebe. Es gelingt
ihm auf diese Weise, Infektionen abzuwehren
und die physiologische Homöostase wiederherzustellen. Bei immer mehr Menschen aber gerät
dieses fein austarierte biologische System aus
der Balance. Prozesse, die von der Natur eigentlich als unmittelbarer Schutz gedacht waren,
nehmen dann einen chronischen Verlauf, bei denen die verschiedensten Organe in Mitleidenschaft gezogen und teilweise sogar irreversibel
geschädigt werden können. Es kommt zu Krankheitsbildern wie Morbus Crohn, Colitis ulcerosa,
Neurodermitis oder chronische Polyarthritis.
Ebenso werden Leiden wie zum Beispiel Atherosklerose und Diabetes mellitus heute mit Entzündungsreaktionen in Verbindung gebracht. Auch
Zöliakie ist ± anders als vielfach angenommen ±
keine Stoffwechselerkrankung, sondern eine Entzündung des Darms.
Wie und vor allem warum die körpereigene Abwehr in eine Krankheit umschlägt, ist schon seit
Langem Gegenstand intensiver wissenschaftlicher Forschung. Gesichert ist mittlerweile, dass
eine gewisse genetische Disposition von Bedeutung ist. Mit ihr allein sind die pathologischen
Phänomene aber nicht zu erklären. Vieles weist
darüber hinaus auf einen erheblichen Einfluss
von Umweltfaktoren hin, wobei vor allem Ernährung und Lebensstil eine entscheidende Rolle
spielen. Insbesondere diese Bereiche rücken
auch in den Mittelpunkt des Interesses, wenn es
um Fragen wirksamer Strategien zur Prävention
und zur Therapie chronisch entzündlicher Krankheiten geht.
Der neunte Journalisten-Workshop des Instituts
Danone Ernährung für Gesundheit e. V. ± veranstaltet in Kooperation mit der Medizinischen
Universitätsklinik Liestal (Schweiz) ± hat diesen
Forschungsbereich zum Generalthema gewählt.
Die vorliegende Dokumentation präsentiert Arbeiten zu den wichtigsten Fragestellungen und
macht damit neue wissenschaftliche Erkenntnisse auch der breiten Öffentlichkeit zugänglich.
Die Herausgeber
Institut Danone Ernährung für Gesundheit e. V.
Danone Dokumentation 2008 ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S1
S1
S2
Einführung
Ursachen und Verlauf chronischer Entzündungen
Bibliografie
DOI 10.1055/s-2007-986414
Aktuel Ernaehr Med 2008;
33, Supplement 1: S2
Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart ´ New York ´
ISSN 1862-0736
Eine Entzündung ist die Antwort des Immunsystems auf Infektionen oder Irritationen und geht
mit Rötung, Erwärmung, Schwellung und
Schmerz einher. Der Begriff Entzündung wurde
bereits vor über 2000 Jahren von Celsus definiert.
Virchow fügte im Jahr 1858 ein weiteres Merkmal hinzu: die Dysfunktion, also eine Funktionseinschränkung des betroffenen Körperteils. Bei
einem erfolgreichen Verlauf klingt die Entzündung mehr oder minder rasch ab und es kommt
zu einer Heilung mit Narbenbildung. Anderenfalls entwickelt sich eine chronische Entzündung,
die sich als chronische Krankheit etablieren kann.
Bei entzündlichen Prozessen spielen verschiedene Elemente des Immunsystems eine Rolle. Zu
den zentralen Akteuren des angeborenen Immunsystems gehören die Makrophagen. Sie haben ein sehr breites Reaktionsspektrum: Dringt
ein infektiöses Pathogen in den Körper ein, können sie sowohl akut entzündliche als auch antientzündliche Mediatoren freisetzen. Die Zellen
des angeborenen Immunsystems interagieren
mit den Zellen des erworbenen Immunsystems.
Weitere wichtige Vertreter sind die Lymphozyten; auch sie können sowohl entzündlich als
Danone Dokumentation 2008 ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S2
auch antientzündlich reagieren. Bei chronischen
Entzündungen spielen auûerdem die Fibroblasten eine Schlüsselrolle. Diese mesenchymalen
Zellen sind immer am Ort der Entzündung und
können im Rahmen einer chronischen Entzündung proliferieren.
Eine chronische Entzündung kann auch die Reaktion des Körpers auf charakteristische Signale infektiöser oder exogener Natur sein. Entsprechend
unterschiedlich kann das Endergebnis bei chronischen Entzündungen sein: Es reicht von der
länger bestehenden ¹akutenª Entzündung bis
zur Fibrose, die wenige oder gar keine klassischen Entzündungsmerkmale zeigt. Die zugrunde liegenden Mechanismen auf molekularer Ebene sind nur teilweise bekannt.
Die Ernährung kann auf einige Krankheiten mit
Zeichen einer chronischer Entzündung indirekt
durch die Entlastung von Stoffwechselwegen,
z. B. bei Diabetes und Atherosklerose oder direkt,
z. B. durch Prä- und Probiotika bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen oder durch
w-3-Fettsäuren bei Rheumatoider Arthritis Einfluss nehmen.
Übersicht
Vom Glimmen zur Glut
Pathogenese und Mechanismen entzündlicher Prozesse
From Smolder to Blaze
Pathogenesis and Mechanisms of Inflammation
Autor
M. Trendelenburg
Institut
Klinik für Innere Medizin, Universitätsspital Basel
Schlüsselwörter
" Immunsystem
l
" Zytokine
l
" Komplementsystem
l
" Immundefizienzen
l
" MBL-Defizienz
l
Zusammenfassung
Abstract
Das Immunsystem besteht aus einer Vielzahl von
Komponenten, die auf unterschiedlichen Ebenen
agieren und interagieren. Die einzelnen Komponenten koordinieren ihre Funktion über direkten
Kontakt oder über Kommunikationsnetzwerke,
z. B. Zyto- und Chemokine. Immundefizienzen erlauben am besten, die Bedeutung einzelner Komponenten des Immunsystems zu erkennen. Sie
können sowohl die erworbene als auch die angeborene Immunität betreffen und führen oft zu
vermehrten, teilweise schwersten Infekten. Die
häufigste Immundefizienz ist die bei ca. 25 % der
Bevölkerung auftretende funktionelle Defizienz
von
Komplement-Mannose-bindendes-Lektin
(MBL). Diese Defizienz führt in bestimmten Situationen einerseits zu einem erhöhten Infektionsrisiko, könnte aber andererseits auch bei bestimmten Krankheiten einen günstigeren Verlauf
verursachen.
The immune system consists of various components which act and interact on different levels.
The individual components coordinate their
functioning via direct contact or via communication networks, e. g. cytokines and chemokines.
Immunodeficiencies are most suitable to elucidate the significance of individual components
of the immune system. Immunodeficiencies can
affect the innate as well as the acquired immunity and often lead to more and sometimes very severe infections. The most abundant immunodeficiency is the functional deficiency of mannosebinding lectin (MBL), affecting 25 percent of the
general population. Under certain conditions
this deficiency can lead to both an increased risk
for infection as well as a favorable course in certain diseases.
Das Immunsystem besteht aus mehreren Komponenten und kann generell in die unspezifische,
angeborene Abwehr und die spezifische, erworbene Abwehr unterteilt werden. Daneben kann
das Immunsystem in zelluläre Bestandteile sowie in Bestandteile der Flüssigphase (humorale
Immunität) unterteilt werden.
können sich also nicht spezifisch auf ein erneutes
Eintreten einer Entzündung einstellen. Zu den
zellulären Bestandteilen gehören Granulozyten
(unterteilt in Neutrophile, Eosinophile, Basophile
und Mastzellen), Killerzellen und Zellen der Monozyten-/Makrophagenreihe (inkl. dendritischer
" Abb. 1).
Zellen), aber auch Epithelzellen (l
Neutrophile stellen das gröûte Reservoir an so
genannten Fresszellen dar, können aber wie andere Granulozyten auch aggressive Substanzen
freisetzen, mit denen einwandernde Bakterien
bekämpft werden können. Weniger häufig, aber
effizienter in ihrer Fressfunktion, sind die Zellen
des Monozyten-/Makrophagensystems, die eine
Schlüsselrolle in der Aktivierung und Steuerung
des meist erst sekundär einsetzenden spezifischen Immunsystems einnehmen. Solche Zellen
finden sich im Blut, jedoch häufiger in den verschiedenen Geweben selbst, wo sie je nach Ort
Key words
" immune system
l
" cytokine
l
" complement system
l
" immunodeficiencies
l
" MBL-immunodeficiency
l
Bibliografie
DOI 10.1055/s-2007-986416
Aktuel Ernaehr Med 2008;
33, Supplement 1: S3 ± S6
Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart ´ New York ´
ISSN 1862-0736
Korrespondenzadresse
PD Dr. Marten Trendelenburg
Klinik für Innere Medizin,
Universitätsspital Basel
Petersgraben 4
4301 Basel, Schweiz
Tel.: 061/2652525
marten.trendelenburg@
unibas.ch
!
!
Immunologisch aktive Akteure
auf allen Ebenen
!
Die Zellen der angeborenen Immunabwehr sind
von vornherein vorhanden und funktionieren,
ohne einen Lernprozess durchgemacht zu haben.
Sie können körperfremde Bestandteile wie Bakterien einerseits fressen oder durch die Freisetzung toxischer Substanzen zerstören. Allerdings
haben diese Zellen keine Gedächtnisfunktion,
Trendelenburg M. Vom Glimmen zur Glut ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S3 ± S6
S3
S4
Übersicht
B-Zellen
Neutrophile
Plasmazellen
Eosinophile
Komplementsystem
Basophile
T-Zellen
Mastzellen
Zytokine/Chemokine
Abb. 1 Das Immunsystem besteht aus zahlreichen Komponenten.
NK-Zellen
Monozyten, Makrophagen,
dendritische Zellen
Epithelzellen
Antikörper
CP MBL AP
MAC
unterschiedliche Namen erhalten haben (z. B. Kupffer-Zellen in
der Leber). Epithelzellen kleiden nicht nur die Hautoberfläche,
sondern auch sämtliche Schleimhäute aus. Sie bilden nicht nur
eine einfache mechanische Barriere, sondern sind auch immunologisch aktiv, indem sie antibiotikaähnliche Substanzen freisetzen können.
Daneben gibt es angeborene Bestandteile der flüssigen Phase, zu
denen vor allem das Komplementsystem gehört und eine Reihe
von Botenstoffen (z. B. Chemokine, die vor allem die Aufgabe haben, Entzündungszellen den Ort eines Entzündungsherdes zu
signalisieren oder Zytokine, die die Reaktion der einwandernden
Zellen steuern). Die Anzahl verschiedener Botenstoffe und die
Komplexität des daraus gebildeten Netzwerks sind beinahe unüberschaubar geworden. Dabei können einzelne Zytokine die
Funktion anderer Zytokine komplett übernehmen (in deren Abwesenheit) oder zum Beispiel auch leicht modifizieren. Zentral
in diesem Netzwerk sind dabei die Zellen des bereits erwähnten
Monozyten-/Makrophagensystems sowie die unten genannten
T-Lymphozyten.
Im Gegensatz zur angeborenen Immunabwehr können die Zellen der spezifischen Immunabwehr eine Gedächtnisfunktion
entwickeln und sich spezifisch auf einen Erreger einstellen. Da
sie ihn beim ersten Kontakt erst kennenlernen müssen, reagieren sie nicht sofort, sondern können erst im Verlauf bzw. bei
wiederholtem Kontakt eine spezifische Immunreaktion auslösen. Dabei können die sogenannten B-Lymphozyten spezifische
Eiweiûe gegen Fremdproteine produzieren (sogenannte Antikörper), die den entscheidenden Bestandteil der spezifischen Immunabwehr des Serums darstellen.
Diese B-Lymphozyten stammen von knochenmarkständigen
Stammzellen ab und durchlaufen im Knochenmark mehrere Reifestadien, bevor eine noch unreife B-Zelle dieses verlässt und in
periphere Kompartimente des Immunsystems wandert, vor allem in die Milz, wo sie sich zu einer naiven, d. h. reifen, aber
nicht aktivierten B-Zelle umwandelt. Kommt es zum Kontakt
mit als fremd erkannten Eiweiûen, kann sie weiter ausreifen
und zu einer spezifischen antikörperproduzierenden Zelle ausdifferenzieren (sogenannte Plasmazelle). Sie kann darüber hinaus im weiteren Verlauf Gedächtniszellen bilden, die bei erneutem Kontakt mit dem gleichen Fremdeiweiû zu einer dann
schnelleren Immunantwort beisteuern. Dies ist der typische,
durch klassische Impfungen angestrebte Zustand. B-Lymphozyten sind jedoch nur zum Teil alleine zu einer Immunreaktion
fähig. Sie sind häufiger auf die Interaktion mit anderen Zellen
des Immunsystems angewiesen, zum Beispiel auf die Hilfe von
viele andere...
T-Zellen, die ebenfalls wie die B-Lymphozyten einen Reifungsprozess durchlaufen müssen und wiederum auf die Unterstützung durch B-Zellen angewiesen sind. Stark vereinfacht kann
man sagen, dass beide Lymphozytenpopulationen (B- und T-Zellen) nur ¹im Duettª ideal funktionieren. Das kann beispielsweise
so aussehen, dass eine B-Zelle ein Antigen (Fremdeiweiû) erkennt, etwa ein Bakterium, dieses internalisiert und in prozessierter Form auf einem antigenpräsentierenden Molekül einer
passenden T-Zelle präsentiert. Wenn diese das prozessierte Antigen mit ihrem eigenen Rezeptor erkennen kann, kann sie in
einer Art Rückantwort an die B-Zellen diese in ihrer Funktion stimulieren und zur Antikörperantwort anregen. Aus dieser interzellulären Kommunikation kann in der Folge ein Kreislauf entstehen, weil umgekehrt auch die B-Zelle Substanzen freisetzen
kann, die wiederum die T-Zelle aktiviert. Diese Art des Kreislaufes ist entscheidend, um der Immunantwort die nötige Wirkung
zu geben, umgekehrt birgt es jedoch auch das Risiko einer überschieûenden Immunantwort. Ein solches Überschieûen gilt es
insbesondere zur Vermeidung von Kollateralschäden zu kontrollieren, aber auch zur schlichten Beendigung einer Immunreaktion nach erfolgreicher Beseitigung des Auslösers, weshalb das
Immunsystem seine Aktivierung nicht nur erschwert, sondern
auch zahlreiche Kontrollmechanismen eingebaut hat.
An eben genanntem Beispiel wird ersichtlich, dass trotz der formal relativ eindeutigen Einteilungsmöglichkeiten des Immunsystems in angeboren und erworben, bzw. zellulär und humoral,
bei einer Entzündung durch Ineinandergreifen der Systeme
meist mehrere, wenn nicht gar alle Bestandteile des Immunsystems involviert sind. Je nach Entstehungsmechanismus gibt es
jedoch unterschiedliche kritische Startpunkte und eine unterschiedliche Ausprägung, in der die Bestandteile des Immunsystems aktiviert werden.
Das Immunsystem ist kein starres Gebilde
!
Das ganze System der Immunantwort ist kein lebenslang starres
Gebilde, sondern unterliegt einem Alterungsprozess. Dieser betrifft nicht nur die Fähigkeit, Gedächtnisfunktionen zu entwickeln, sondern das ganze Immunsystem unterliegt einem Alterungsprozess. Die Konzentration von Serumimmunglobulinen
steigt im Alter an, während es im Gegenzug zu einem Abfall
von T- und B-Zellen mit gleichzeitiger Anhäufung von Gedächtniszellen kommt. Das Immunsystem ändert sich jedoch nicht
nur quantitativ, sondern auch in seiner Funktionsfähigkeit. So
Trendelenburg M. Vom Glimmen zur Glut ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S3 ± S6
Übersicht
weiû man, dass die zellulären Fressfunktionen mit zunehmendem Alter nicht mehr so gut funktionieren und zum Beispiel
Impfantworten im höheren Alter insgesamt schlechter ausfallen
[1 ± 4].
Diese Alterungsprozesse sind nicht zu verwechseln mit angeborenen oder erworbenen Immundefizienzen, bei denen einzelne
Bestandteile des Immunsystems wegen genetischer Fehler oder
äuûeren Einflussfaktoren fehlen beziehungsweise nicht angemessen funktionieren [5].
Immundefizienzen der erworbenen Immunität I
£ Severe combined immunodeficiency (SCID)
– X-linked (II-2 u.a. Rezeptordefekt) oder autosomal rezessiv
(JAK3-Defizienz)
– Defekt von T- und (sekundär?) B-Zellen
– schwere Infekte in der frühen Kindheit mit eher ungewöhnlichen
Erregern (Candida, Pneumozystis, etc.)
– evtl. Bild ähnlich der graft-versus-host disease (Omenn‘s Syndrom)
£ Primärer CD4 +-Mangel (< 300/mm3)
– opportunistische Infekte (wie bei AIDS), v.a. extrapulmonale
Kryptokkosen
– evtl. reversibel
Immundefizienzen der spezifischen Abwehr
!
Abb. 2 Patienten mit defekten T-Zellen leiden schon in der Kindheit an
schwersten Infekten.
Die Bedeutung bestimmter Komponenten des Immunsystems
lässt sich am besten anhand von Immundefizienzen erkennen.
Ein Defekt der T-Lymphozyten-Linie wird zum Beispiel X-chromosomal (Rezeptordefekte für Interleukin-2 und andere) oder
" Abb. 2).
autosomal rezessiv (JAK3-Defizienz) vererbt (l
Durch diese Defizienzen kommt es vor allem zu einem Defekt
der T-Zellen und möglicherweise sekundär auch der B-Zellen.
Die Patienten erkranken typischerweise schon in der frühesten
Kindheit an schwersten Infekten mit ungewöhnlichen Keimen,
wie etwa Pilzinfektionen, Toxoplasmose oder bestimmten Viren.
Ist sowohl die B- als auch die T-Zell-Linie defekt, kann sich ein
Krankheitsbild namens Omenn's Syndrom entwickeln, das Reaktionen ähnlich wie nach einer hämatopoietischen Stammzelltransplantation auslösen kann.
Bei einem primären Mangel einer Subpopulation der T-Lymphozyten, zum Beispiel dem selektiven CD4-Mangel, kommt es
ebenfalls zu opportunistischen Infekten, so wie dies auch bei
HIV-Patienten beobachtet wird. Diese opportunistischen Infekte
sind sonst eher ungewöhnliche Erreger, die sich nur ausbreiten
können, wenn eine Immunstörung vorliegt.
Auf der Seite der B-Lymphozyten ist das Common variable immunodeficiency syndrome (CVID) vermutlich am häufigsten.
Unter diesen Begriff fallen verschiedene Immundefekte, die alle
mit einer erniedrigten Konzentration an Immunglobulinen (Antikörper) einhergehen. Die Patienten entwickeln vor allem bakterielle Infekte der oberen Luftwege inklusive der Nasennebenhöhlen und können eine Vergröûerung von Milz und Lymphknoten aufweisen. Interessanterweise erkranken sie auch häufiger
an bösartigen Tumoren, was möglicherweise bedeutet, dass Immunglobuline tumorprotektiv wirken könnten. Zudem leiden
die Patienten an gastrointestinalen Problemen, was wahrscheinlich mit einer verminderten Konzentration an Immunglobulin
IgA zusammenhängt. Keine Erklärung gibt es bislang für die Tatsache, dass die Störung ebenfalls gehäuft mit Autoimmunerkrankungen einhergeht.
Neutrophile sind zahlenmäûig die häufigsten Immunzellen und
spielen für die Bekämpfung von Infekten aller Art eine wichtige
Rolle. Mangelt es an diesen Zellen, spricht man von Neutropenie.
Fehlen sie ganz, liegt das Krankheitsbild der Agranulozytose vor.
Solche Zustände können durch bestimmte Medikamente ausgelöst werden (wie Antibiotika oder Schilddrüsenmedikamente)
oder auch im Rahmen von Infekten auftreten oder durch Autoimmunkrankheiten ausgelöst werden. Des Weiteren kommen
sie im Kontext von Krankheiten vor, die das Knochenmark schädigen, etwa bei Leukämien, und auch bei bestimmten Vitaminmangelkrankheiten. Patienten mit einem Mangel an Neutrophilen leiden an schwersten Infekten von sonst eher harmlosen Erregern, etwa Bakterien der Haut oder der natürlichen Darmflora.
Immundefizienzen der angeborenen Abwehr
Das Komplementsystem
Zu den Komponenten der angeborenen Immunität zählen:
" Epithelzellen
" Toll-Like und NOD
" Zytokine
" Chemokine
" natürliche Killerzellen
" Phagozyten/Fresszellen: Monozyten, Makrophagen,
Neutrophile
" Komplement.
Die Komplementkaskade ist eine Kaskade von Proteinen mit
zahlreichen Funktionen, die auf zumindest drei Wegen aktiviert
" Abb. 3).
werden kann (l
Der klassische Weg wird über das C1-Molekül aktiviert und basiert auf der vorangegangenen Bindung von Antikörpern. Er
stellt somit eine Verbindungsstelle zwischen erworbener und
angeborener Immunität dar. Binden sich Antikörper an eine Zellmembran, kann das relativ groûe C1-Molekül andocken und die
Komplementkaskade aktivieren. Fehlen bestimmte Proteine der
Komplementkaskade auf dem klassischen Weg, häufen sich vor
!
MBL-Weg
klassischer Weg
- Zuckerendigungen
(Mannose)
- Immunkomplexe
C1
MASP
C4
C2
C4
C2
alternativer Weg
- aktivierende
Oberflächen
C3b
Faktor B
Faktor D
C3-Konvertase
C3a
C5-Konvertase
C5a
C5b–9
membranattackierender Komplex (MAK)
Abb. 3 Das menschliche Komplementsystem besteht aus über 30 Proteinen.
!
Trendelenburg M. Vom Glimmen zur Glut ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S3 ± S6
S5
S6
Übersicht
allem bakterielle Infektionen und Autoimmunerkrankungen wie
der systemische Lupus erythematodes (SLE).
Beim Mannose-bindenden Lektin (MBL)-Weg kann ein dem C1
ähnliches Protein der Komplementkaskade die Oberflächenzucker auf Bakterien oder fremden Zellen direkt erkennen. Im Gegensatz dazu wird der alternative Weg durch aktivierende bzw.
ungeschützte Oberflächen aktiviert. Alle Wege münden in der
Aktivierung des Komplementproteins C3, in dessen Folge es zur
Produktion eines membranattackierenden Komplexes kommt,
der ein Loch in eine Zellmembran bohrt und dadurch zum Untergang der attackierten Zelle führt. Durch den membranattackierenden Komplex können Bakterien und Zellverbände effektiv
zerstört werden, indem sie regelrecht gelöchert werden. Viren
können auf diese Weise jedoch nur dann entsorgt werden,
wenn sie ähnlich einer Zelle eine Hülle aufweisen. Vor allem bei
Meningokokkeninfekten spielen diese ¹Löcherª in der Zellmembran eine wichtige Rolle, denn Patienten mit Defizienzen des
membranattackierenden Komplexes sind dafür besonders gefährdet.
Bei der Aktivierung der Kaskade entstehen jedoch auch Botenstoffe bzw. Spaltprodukte, die ähnlich wie Chemokine einwandernden Entzündungszellen eine Orientierung bieten (C3a, C4a
und vor allem C5a). Auûerdem markiert die Komplementkaskade körperfremde Substanzen, damit Fresszellen diese besser erkennen können. Das Binden der Komplementfaktoren an Zellen,
Bakterien und Viren kann auûerdem zu deren Inaktivierung oder
Neutralisierung führen sowie zu deren Aggregation, was nicht
nur funktionsstörend ist, sondern auch eine erleichterte Elimination durch Makrophagen ermöglicht. Im bereits diskutierten
Zusammenspiel der einzelnen Komponenten des Immunsystems spielt das Komplementsystem darüber hinaus eine wichtige Rolle bei der Bildung spezifischer Antikörper [6, 7].
Der häufigste Immundefekt
!
Das Mannose-bindende Lektin (MBL), das vor allem Mannosestrukturen auf der Oberfläche von Erregern erkennt und bindet,
ist ein weniger bekannter Bestandteil der Komplementkaskade.
MBL spielt bei zahlreichen Infekten eine eher untergeordnete
Rolle, jedoch entwickeln Kinder ohne bzw. mit zu wenig MBL
häufiger Infekte und eine ähnliche Neigung ist auch bei schwerer Immunsuppression (zum Beispiel infolge schwerer hämatologischer Erkrankungen oder infolge einer Organtransplantation) zu beobachten. In diesen Situationen, bei denen die erworbene Immunität nicht mehr ausreichend funktioniert, scheint
die Rolle von MBL weiter in den Vordergrund zu treten. Interessanterweise besteht bei ca. einem Viertel der hiesigen Bevölkerung ein funktioneller Defekt dieses Proteins, womit er vermutlich der häufigste Immundefekt des Menschen ist [8 ± 12].
Haben Immundefizienzen auch Vorteile?
!
Mit verschiedenen Mechanismen versuchen Krankheitserreger
die Komplementkaskade zu umgehen oder gar auszunutzen. Viren können Proteine aus dem menschlichen Körper ausnutzen,
um sich direkt zu schützen und auch dafür sorgen, dass sich
von ihnen infizierte Zellen gegen einen Immunangriff schützen.
Zudem gibt es Viren, die das Komplementsystem für ihre Zwecke direkt ausnutzen. Das Epstein-Barr-Virus (EBV) zum Beispiel
verwendet einen Komplementrezeptor auf der Zelle, um in diese
einzudringen. Auch das HI-Virus kann sich mithilfe der Komplementfaktoren und deren Rezeptoren im Organismus ausbreiten.
Man kann daher vermuten, dass Komplementdefizienzen in bestimmten Situationen einen vorteilhaften Effekt haben, zum Beispiel indem sie vor der Ausbreitung von bestimmten Erregern
schützen.
Die ungewöhnlich hohe Frequenz der funktionellen MBL-Defizienz lässt speziell vermuten, dass es Situationen gibt, in denen
diese Abwesenheit von MBL einen gewissen Überlebensvorteil
bietet, über den sich der Defekt genetisch ausbreiten konnte.
Obwohl dieser Vorteil noch durch laufende Studien geklärt werden muss, lassen erste Ergebnisse vermuten, dass die Abwesenheit von MBL zu günstigeren Verläufen bei Patienten mit Tuberkulose und Lepra führt, indem es entweder ein Ausbreiten der
Erreger im Körper einschränkt oder eine überschieûende Immunantwort mit unerwünschtem Kollateralschaden verhindert
[13].
Literatur
1 Hirokawa K. Immunity and Ageing. In: Pathy MSJ (eds): Principles and
Practice of Geriatric Medicine, 3rd Edition, Volume 1. Chichester: John
Wiley & Sons, 1998: 35 ± 47
2 Franceschi C, Monti D, Sansoni P, Cossarizza A. The immunology of exceptional individuals: the lesson of centenarians. Immunology Today
1995; 16: 12 ± 16
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Trendelenburg M. Vom Glimmen zur Glut ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S3 ± S6
Übersicht
Mehr als nur ein Bollwerk ± Das Darmepithel
als integraler Bestandteil der Barriere und
Abwehrfunktion im Darm
More than a Fortress ± The Intestinal Mucosa is an Integral Part of the Gut Acting
as Barrier and Defence
Autor
D. Haller
Institut
Zentralinstitut für Ernährungs- und Lebensmittelforschung, Lehrstuhl für Biofunktionalität der Lebensmittel, TU München
Schlüsselwörter
" metabolischer Stress
l
" Entzündung
l
" chronisch entzündliche
l
Darmerkrankungen
" Darmflora
l
" Darmepithel
l
" endoplasmatisches
l
Retikulum
Zusammenfassung
Abstract
Die Häufigkeit entzündlicher, atopischer oder
metabolischer Erkrankungen nimmt in industrialisierten Ländern dramatisch zu. Die Interaktion
von Stoffwechsel und Immunsystem sind wichtige Faktoren bei der Entstehung dieser chronisch
degenerativen Krankheiten. Morbus Crohn und
Colitis ulcerosa gehören zu den chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED). Obwohl
deren ¾tiologie noch weitestgehend unbekannt
ist, sind Umweltfaktoren in Kombination mit
einer genetischen Prädisposition der Patienten
entscheidend für die Entstehung dieser Krankheitsbilder. Darmepithelzellen, die als Einzelzellschicht die gesamte Oberfläche der Darmschleimhaut überziehen, werden nicht mehr nur
als ¹inerte und mechanischeª Barriere zwischen
Darmbakterien und Körperinnerem angesehen,
sondern sind vielmehr ein integraler Bestandteil
der Immunantwort im Darm. Zelluläre Stressmechanismen sind Teil der Pathogenese chronischer
Entzündungsprozesse und die unkontrollierte
Aktivierung von Zelltod (Apoptose) führt zum
Funktionsverlust von Geweben bzw. Organen.
Das endoplasmatische Retikulum (ER) ist an der
Regulation dieser zellulären Stressmechanismen
beteiligt. ER Stress spielt nicht nur bei chronischentzündlichen Darmerkrankungen eine Rolle,
sondern auch bei anderen Zivilisationskrankheiten, wie Dickdarmkrebs oder Diabetes.
In developed countries there is a dramatic increase in the prevalence of inflammatory, atopic,
and metabolic disorders. In the development of
these chronic degenerative diseases the interaction of metabolism and the immune system are
important factors. Crohn's disease and colitis ulcerosa are inflammatory bowel diseases (IBD).
Although the etiology is essentially unknown environment factors along with a genetic predisposition are crucial for the development of IBD. Epithelial cells of the gut, a monolayer which covers
the entire surface of the intestinal mucosa, is not
only understood as an inert and mechanical barrier between intestinal bacteria and the body but
also an integral part of the intestinal immune response. Cellular stress plays an important role in
the pathogenesis of chronic inflammation. The
uncontrolled activation of cell death (apoptosis)
leads to the loss of function of tissues and organs.
The endoplasmic reticulum (ER) is involved in
the regulation of stress on the cellular level. ERrelated cellular stress plays a role not only in IBD
but also in disease of civilization e. g. colorectal
cancer and diabetes.
Der Darm als zentrales Kommunikationsorgan
zwischen Faktoren der Umwelt und dem Immunsystem übernimmt eine wichtige Steuerungsfunktion in der Regulation der lokalen darmassoziierten als auch der zentralen Immunfunktion
[1]. Von der Nahrung bis zu den Bakterien durchlaufen viele Umweltfaktoren den Darm. Er bietet
mit rund 300 m2 eine enorme Kontaktfläche. Bei
genauer Betrachtung des Darmes zeigt sich, dass
den Organismus lediglich die einzellige Darmepithelschicht von der enormen Zahl an Mikroorganismen im Darm trennt. Unter dieser Schicht
liegt das darmassoziierte Immunsystem mit seinen Zellen. Immunzellen stehen in enger Verbindung zum Darmepithel. Spezialisierte Zellen, sogenannte M-Zellen in Peyer'schen Plaques, sind
in der Lage, bestimmte Stoffe aufzunehmen, zu
prozessieren und zu entscheiden, ob das Immun-
Key words
" metabolic stress
l
" inflammation
l
" inflammatory bowel disease
l
" intestinal flora
l
" intestinal epithelium
l
" endoplasmic reticulum
l
Bibliografie
DOI 10.1055/s-2007-986417
Aktuel Ernaehr Med 2008;
33, Supplement 1: S7 ± S10
Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart ´ New York ´
ISSN 1862-0736
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. Dirk Haller
Zentralinstitut für Ernährungsund Lebensmittelforschung
Am Forum 5
85350 Freising-Weihenstephan
Tel.: 08161/712026
Fax: 08161/712824
[email protected]
!
!
Haller D. Mehr als nur ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S7 ± S10
S7
S8
Übersicht
Abb. 1 Der Darm als immunkompetente Barriere
ist ein essenzielles Organ für die Steuerung von Immunität und Toleranz.
Muzin
sIgA
DC
Epithel
M-Zellen
MØ
Peyer‘sche
Plaques
Immunbotenstoffe
T-Zellen
B-Zellen
B-Zellfollikel
T-Zellen
Lymphe
Krypte
Mesenteriallymphknoten
Zirkulation im
Blut
chronisch entzündliche Darmerkrankungen
Dickdarmkrebs
Darm
Entzündung
neurodegenerative
Krankheiten
Mikroorganismen
Mikroorganismen
Autoimmunität
und Allergien
metabolischer
Stress
Autoimmunität
naive T-Zellen
Allergie
EffektorTh1/17-Zellen
regulatorische
T-Zellen
EffektorTh2-Zellen
Adipositas und Insulinresistenz
Typ-2-Diabetes
Abb. 2 Chronische Entzündung und metabolischer Stress als integraler
Bestandteil der Pathogenese chronisch degenerativer Krankheiten.
Typ-1-Diabetes
Morbus Crohn
system angeschaltet (Immunität) oder abgeschaltet (Toleranz)
" Abb. 1).
werden soll (l
Die Häufigkeit entzündlicher, atopischer oder metabolischer Erkrankungen nimmt in industrialisierten Ländern dramatisch zu.
Die Interaktion von Stoffwechsel und Immunsystem ist ein
wichtiges Element bei der Entstehung dieser chronisch degenerativen Krankheiten. Umweltfaktoren in Kombination mit einer
genetischen Prädisposition der Patienten sind entscheidend für
" Abb. 2).
die Entstehung dieser Krankheitsbilder (l
Im Gegensatz zu den chronischen Krankheiten sinkt die Häufigkeit von Infektionskrankheiten wie Hepatitis A, Tuberkulose
oder Mumps in den zivilisierten Ländern deutlich. Der Hygienetheorie zufolge, die schon mehrfach revidiert und angepasst
wurde, spielt ein unzureichend trainiertes Immunsystem eine
groûe Rolle bei der Entwicklung chronisch degenerativer Pathologien. Aus naiven T-Zellen entstehen unterschiedliche Arten
von Effektor-T-Zellen, die Infektionen effizient bekämpfen ± auf
der einen Seite virale, auf der anderen Seite parasitäre Infektionen. Sind die Infektionsherde eliminiert, sollte sich eine Regulation bzw. Terminierung der Immunreaktion einstellen. Zu diesem Zweck senden regulatorische T-Zellen-Botenstoffe wie Interleukin-10 (IL-10) aus, die ihre Nachbarzellen beruhigen. Stellt
sich die Regulation nicht ein, richtet sich die T-Zell-vermittelte
Immunantwort in Form von chronischen Entzündungsprozessen
Haller D. Mehr als nur ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S7 ± S10
Asthma
Dermatitis
Abb. 3 Fehlende Regulation des adaptiven Immunsystems führt zu
chronischer Entzündung und den Immunpathologien chronisch degenerativer Krankheiten.
gegen körpereigenes Gewebe [2]. Die Entwicklung von Autoim" Abb. 3).
munität oder Allergie kann die Folge sein (l
Mikroorganismen als Ursache chronischer
Darmentzündung
!
Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) mit Morbus
Crohn und Colitis ulcerosa als den beiden wichtigsten Verlaufsformen gehören zu den immunvermittelten, chronisch wieder
auftretenden Erkrankungen des Verdauungstrakts. Die klinisch
manifeste Entzündung beider Krankheitsbilder ist das Ergebnis
eines komplexen Prozesses, dessen Entwicklung durch Umweltfaktoren (Ernährung, Rauchen und Zusammensetzung der
Darmflora) und eine genetische Vorbelastung (Prädisposition)
der Patienten stark beeinflusst wird. Die Ergebnisse vieler klinischer als auch experimenteller Untersuchungen der letzten Jahre verdeutlichen, dass ein unkontrolliertes Miteinander zwi-
Übersicht
schen Bakterien und dem Immunsystem entscheidend zur Entstehung der chronischen Entzündungsprozesse im Darm beiträgt. Eine fehlerhafte Abstimmung der Ein- und Abschaltmechanismen von Immunzellen führt dabei zu einer dauerhaft unkontrollierten Aktivierung von Entzündungsprozessen und zur
Überproduktion von Entzündungsmediatoren im Darm. Die
Konsequenz der wechselseitigen Aktivierungsprozesse zwischen Darmepithel- und Immunzellen sind Gewebezerstörungen, die bei Morbus Crohn über alle Schichten der Darmwand
(transmural) verlaufen und bei der Colitis ulcerosa vor allem
die oberflächliche Epithelzellschicht im Dickdarm betreffen [3].
Untersuchungen in Tiermodellen für chronisch entzündliche
Darmerkrankungen konnten einen eindeutigen Zusammenhang
zwischen der Zusammensetzung der Darmflora, der genetischen
Prädisposition des Wirtes und der Entwicklung chronischer Entzündungsprozesse herstellen. Beispielsweise führt die Behandlung von keimfreien (sterilen) Mäusen, denen der Botenstoff Interleukin-10 fehlt (IL-10KO), mit dem Bakterium Enterococcus
faecalis, nicht aber Bacteroides vulgatus, zu Entzündungen im
Dickdarm (Kolitis). Im Gegensatz dazu wirkt B. vulgatus, nicht
aber E. faecalis entzündungsfördernd in genveränderten Ratten
(HLA-B27tg). Genetisch intakte Kontrolltiere, deren Darm mit B.
vulgatus und E. faecalis besiedelt wurde, entwickeln keine krankhaften Veränderungen im Darm. Das unterstreicht die nicht pathogene Natur dieser ¹normalenª im Darm vorkommenden Bakterien (Darmkommensalen). Diese einfachen Experimente bestätigen eindrucksvoll, welche Bedeutung das spezifische Zusammenspiel zwischen dem Wirt mit seinem gegebenen Bauplan (Gene) und den Darmbakterien für die Entstehung chronischer Entzündungsprozesse im Darm hat [4].
Darüber hinaus verdeutlicht der klinische und experimentelle
Einsatz therapeutisch wirksamer Mikroorganismen (auch Probiotika genannt) die Tatsache, dass im Darm lebende, ¹freundlicheª Bakterien sowohl an der Entstehung als auch an der Hemmung chronischer Entzündungsprozesse beteiligt sein können.
Hierbei haben sich vor allem der Escherichia-coli-Stamm Nissle
und VSL#3 als wirksam erwiesen. Der Verzehr von E. coli Nissle
verringert signifikant die Rückfallrate bei Patienten mit Colitis
ulcerosa und hat dabei die gleiche Wirksamkeit wie Mesalamin,
ein Standardmedikament bei der Behandlung von CED-Patienten. Darüber hinaus war VSL#3, ebenfalls ein probiotisches Präparat mit acht unterschiedlichen Milchsäurebakterien, wirksam
in der Remissionserhaltung und Behandlung akuter Pouchitis.
Rege Unterhaltung zwischen Wirt und
Mikroorganismen
!
Immunkompetente Zellen besitzen genetisch festgelegte ¹Empfängerª (Rezeptortypen), die Oberflächenstrukturen von Bakterien, Viren und Parasiten erkennen. Geeignete Zielstrukturen
auf diesen Mikroorganismen sind spezifische Baubestandteile,
für die der Wirt die passenden Mustererkennungsrezeptoren besitzt. Die Familie der Toll-like-Rezeptoren (TLR) und der Nucleotide-binding Oligomerization Domain(NOD)-Mustererkennungsrezeptoren sind ein wichtiger Bestandteil der unspezifischen Immunabwehr. Deren Aktivierung durch intra- und/oder extrazelluläre Mikroorganismen bzw. deren Zellstrukturen signalisiert
Gefahr und führt im Gewebe zur Freisetzung von Entzündungsmediatoren, die den Wirt in erhöhte Alarm- und Abwehrbereitschaft versetzen. Der Nachweis von Variationen (Polymorphismen) in TLR2-, TLR4- und dem NOD2-Gen bei Patienten mit chro-
nisch entzündlichen Darmerkrankungen unterstreicht die Bedeutung der Mustererkennungsrezeptoren bei der Entstehung
dieser degenerativen Entzündungsprozesse im Darm.
Aus diesem Grund wurde in den letzten Jahren die Frage nach
dem Nutzen oder Schaden der Aktivierung des unspezifischen
Immunsystems über Mustererkennungsrezeptoren experimentell in Mausmodellen untersucht. Es wurde festgestellt, dass der
Schweregrad einer experimentell induzierten Entzündung im
Dickdarm von TLR-defizienten Mäusen im Vergleich zu den
Wildtyp-Kontrolltieren dramatisch verschlimmert war. Diese
Ergebnisse unterstützen die Hypothese, dass Mustererkennungsrezeptoren im Darm einen wichtigen Beitrag zur Kontrolle
von chronischen Entzündungsprozessen leisten. Eine unvollständige Aktivierung der unspezifischen Immunabwehr über
Mustererkennungsrezeptoren zu Beginn einer Entzündung ist
möglicherweise beteiligt an einer Fehlprogrammierung der
adaptiven Immunantwort und dem chronischen Entzündungsverlauf von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa [5].
Das dynamische Zusammenspiel mikrobieller und wirtseigener
Signale an der epithelialen Grenzfläche reguliert das Gleichgewicht zwischen Hervorrufen und Hemmen der Darmepithelzellaktivität (Zellvermehrung und -teilung, Produktion von Entzündungsmediatoren und Botenstoffen des Immunsystems) und ist
möglicherweise beteiligt an der Fähigkeit des darmassoziierten
Immunsystems zwischen harmlosen Bakterien und Infektionserregern in der Darmflora zu unterscheiden. Diese Fähigkeit des
Immunsystems, zwischen ¹Gut und Böseª zu unterscheiden,
geht bei Patienten mit Morbus Crohn und Colitis ulcerosa verloren. Die Konsequenz davon sind chronisch immunvermittelte
Entzündungsprozesse in der Darmschleimhaut, die durch Darmbakterien angetrieben werden. Die Suche nach Infektionserregern im Darm als primäre Ursache für die Entstehung chronischer Entzündungsprozesse war bisher erfolglos. Vielmehr geht
man davon aus, dass Vertreter der ¹normalenª Darmflora nicht
mehr durch das Immunsystem toleriert werden. Es besteht also
ein komplexes Wechselspiel zwischen mikrobiellen Signalen
und Wirtssignalen, die am Epithel zusammenkommen.
Als kontinuierlich erneuerbare Einzelzellschicht sind Darmepithelzellen möglicherweise auf körpereigene Signale angewiesen,
um ihre Barriere- und Immunfunktionen zu erfüllen. Um diese
Signale zu entschlüsseln, werden zum Beispiel Proteomanalysen
durchgeführt [6]. Die identifizierten Proteine lassen sich in einem komplexen Netzwerk darstellen ± und es ist möglich, Daten
aus Zellkulturen, Mausmodellen und Patienten zusammenzufassen und bestimmte Mechanismen herauszulesen. Die Zellfunktion wird kontrolliert durch rezeptorvermittelte Signalprozesse, aber auch durch die Funktion von Zellorganellen wie Mi" Abb. 4).
tochondrium und endoplasmatisches Retikulum (l
Die Summe aller Signalprozesse, die unter Entzündungssituationen angeschaltet werden, entscheidet dann über den Zustand
der Zellen im Gewebe.
Endoplasmatischer Retikulumstress an der
Schnittstelle zwischen Stoffwechsel und
Immunfunktion
!
Das endoplasmatische Retikulum (ER) ist eine membranumschlossene Zellorganelle und an der Lipid- und Proteinsynthese
beteiligt. Infektionen, Sauerstoffmangel (Hypoxie) und Glukosedefizite hemmen die Funktion dieser Zellorganelle, was letztendlich zu einer Anhäufung fehlgefalteter Proteine und zur InitiHaller D. Mehr als nur ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S7 ± S10
S9
S10
Übersicht
Bakterien
TLR
Abb. 4 Die Summe der bakteriellen und wirtseigenen Entzündungssignale in Verbindung mit der
Organellenfunktion von Mitochondrium und endoplasmatischem Retikulum entscheiden über den
Zustand der Zelle während chronischer Entzündungsprozesse.
TNF
IKKa/b/g
TNFR
endoplasmatisches
Retikulum (ER)
ROS
ROS
ReIA
NF-kB
Mitochondrium
ReIA
Entzündungs- und
Abwehrgene (>190)
Nukleus
ierung einer ER-Stressantwort führt. Eine dauerhaft aktivierte
ER-Stressantwort führt zum Zelltod (Apoptose), was oft mit der
Fehlfunktion von Geweben bzw. Organen einhergeht. ER-assoziierter Stress ist mitbeteiligt an der Entwicklung von Insulinresistenz (Typ-2-Diabetes) und Inselzelldepletion im endokrinen
Pankreas (Typ-1-Diabetes), neuroendokrinen Erkrankungen
und Dickdarmkrebs.
Darmepithelzellen durchlaufen einen streng kontrollierten Proliferations- und Differenzierungszyklus, der eng gekoppelt ist an
die absorptive, integrative und immunologische Funktion dieser
Grenzflächenzellen. Mit der Hilfe der Proteomanalyse wurden
das ER-Stress-assoziierte glukoseregulierte Protein 78 (grp-78)
und weitere mitochondriale Proteine in Darmepithelzellen identifiziert, die unter den Bedingungen chronisch entzündlicher
Prozesse beim Mensch und Tiermodell differenziell exprimiert
waren [7]. Mit Hinblick auf die Mechanismen zur Initiierung
und Regulierung pathophysiologischer Prozesse war interessant
zu sehen, dass der entzündungshemmende Immunbotenstoff
IL-10 einen Einfluss auf die ER-assoziierte und mitochondriale
Stresshomöostase hat. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass
das Fehlen von Signalen aus der Mustererkennung (TLR-defiziente Mäuse) ebenfalls zur zellulären Stressaktivierung im
Darmepithel führt, ohne dass diese Tiere pathologische Verän" Abb. 5).
derungen im Darm entwickeln (l
Die Frage ist, wann und warum der genetisch prädisponierte
Wirt die vielen Bakterien der Darmflora als Gefahr erkennt und
welche Umweltfaktoren noch dazu beitragen, die Kontrolle über
subklinische Entzündungsprozesse zu verlieren?
Die Betrachtung dieser zellulären Stressmechanismen in unterschiedlichen Geweben und Pathologien chronisch degenerativer
Krankheiten zeigt jedoch, dass die Funktion von ER und Mitochondrium eng mit der Aktivierung von Entzündungssignalen
verknüpft ist und durch unterschiedliche immunologische Signale beeinflusst wird. Die Möglichkeit, zentrale Mechanismen
der zellulären Stressantwort durch nutritive Intervention in unterschiedlichen Geweben zu beeinflussen, wird ein zentrales
Thema unserer Forschung im Verlauf der nächsten Jahre darstellen [8].
Haller D. Mehr als nur ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S7 ± S10
IL-10
IL-10R1
TNF
metabolische
Signale
IL-10R2
TNFR
grp-78
ATF-6
IRE-1a/b
PERK
Adaptation
Zelltod
Gewebeheilung
Gewebezerstörung
Abb. 5 Die Regulation der endoplasmatischen Retikulum(ER)-Stressantwort wird moduliert durch pro- (TNF) und antiinflammatorische (IL-10)
Signale des Immunsystems.
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Übersicht
Die Frage nach dem Risiko
Genetik, oxidativer Stress, Entzündungen ±
gibt es Zusammenhänge?
The Question for Risk
Genetics, Oxidative Stress, Inflammation ± Are There Associations?
Autoren
G. Rimbach, P. Hübbe
Institut
Institut für Humanernährung und Lebensmittelkunde, Christian-Albrechts-Universität Kiel
Schlüsselwörter
" Apolipoprotein E
l
" Inflammation
l
" Herz-Kreislauf-Krankheiten
l
" Morbus Alzheimer
l
" Zytokine
l
" Sauerstoffradikale
l
" Antioxidanzien
l
Zusammenfassung
Abstract
Koronare Herz-Kreislauf-Erkrankungen (KHK)
sind die häufigste Todesursache in westlichen Industrieländern. Die Pathogenese von KHK basiert
auf einer komplexen Interaktion von Ernährungs-, Umwelt- und genetischen Faktoren. Es
gilt als gesichert, dass chronisch entzündliche
Prozesse und oxidativer Stress die Entstehung
von KHK begünstigen. Polymorphismen in Genen
des Lipidstoffwechsels spielen in der Pathogenese von KHK eine wichtige Rolle. Eine besondere
Funktion kommt hierbei dem Serumprotein Apolipoprotein E zu. Auf dem Genlocus des ApoE
existieren drei unterschiedliche Allele, welche
für die Isoformen ApoE2, ApoE3 und ApoE4 codieren. Die Isoform ApoE4 ist mit einem erhöhten
Risiko für KHK verbunden. Eigene Untersuchungen weisen darauf hin, dass ApoE4-Träger höhere
Plasma-F2-Isoprostanspiegel ± als Biomarker
einer gesteigerten Lipidperoxidation ± aufweisen. Gleichermaûen konnten wir in Makrophagen eine gesteigerte Produktion von Superoxidradikalen (nach PMA-Stimulation) und eine gesteigerte induzierbare Stickstoffmonoxidproduktion
(nach LPS-Stimulation) dokumentieren. Zellkulturstudien zeigen zudem, dass der ApoE4-Genotyp mit erhöhter Inflammation assoziiert ist. So
sezernieren Makrophagen mit ApoE4-Genotyp
signifikant mehr Tumornekrosefaktor-alpha
(proinflammatorisches Zytokin) im Vergleich zu
Makrophagen mit ApoE3-Genotyp. Darüber hinaus ist die Sekretion des antiinflammatorischen
Zytokins Interleukin-10 beim ApoE4-Genotyp, im
Vergleich zum ApoE3-Genotyp, erniedrigt. Die
gesteigerte Entzündungsreaktion bei ApoE4 ist
möglicherweise auf eine gesteigerte Transaktivierung des redoxsensitiven Transkriptionsfaktors NF-kB zurückzuführen. Erste Pilotstudien
beim Menschen zielen im Sinne einer sogenannten personalisierten Ernährung (¹personalized
In Western industrialized countries, coronary
heart disease (CHD) is the major cause of death.
The pathogenesis of CHD is based on a complex
interaction of dietary, environmental, and genetic factors. There is increasing evidence that chronic inflammation and oxidative stress may promote the development of CHD. Polymorphisms
of genes of the lipid metabolism including the
apolipoprotein E (apoE) gene play a pivotal role
in the aetiology and pathogenesis of CHD. Due to
a single nucleotide polymorphism the apoE gene
locus encodes for 3 different isoforms, apoE2,
apoE3 and apoE4. Our own experimental data indicate that subjects carrying the apoE4 allele exhibit increased concentrations of plasma F2 isoprostane, a surrogate biomarker of lipid peroxidation. In addition we could demonstrate an increased production of superoxide anion radicals
(following PMA stimulation) and nitric oxide
(following LPS stimulation) in apoE4 relative to
apoE3 macrophages. Furthermore cell culture experiments have shown that the apoE4 genotype
is associated with a higher expression of genes
encoding for pro-inflammatory cytokines. Thus,
macrophages with the apoE4 genotype secrete
significantly more tumor necrosis factor alpha
compared to macrophages carrying the apoE3
genotype. In addition secretion of the anti-inflammatory cytokine interleukin-10 is decreased
in apoE4 macrophages. The increased inflammatory response in apoE4 might be due to an elevated transactivation of the redox-sensitive transcription factor NF-kB. Preliminary studies aim
in reducing the inflammatory response in apoE4
carriers with so-called personalized nutrition
strategies.
Key words
" apolipoprotein E
l
" inflammation
l
" cardiovascular disease
l
" Alzheimer's disease
l
" cytokine
l
" oxygene radical
l
" antioxidative compounds
l
Bibliografie
DOI 10.1055/s-2007-986415
Aktuel Ernaehr Med 2008;
33, Supplement 1: S11 ± S13
Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart ´ New York ´
ISSN 1862-0736
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. Gerald Rimbach
Institut für Humanernährung
und Lebensmittelkunde, Christian-Albrechts-Universität Kiel
Olshausenstraûe 40
24098 Kiel
Tel.: 0431/8802583
Fax: 0431/8802628
[email protected]
!
!
Rimbach G, Hübbe P. Die Frage nach dem Risiko ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S11 ± S13
S11
S12
Übersicht
nutritionª), darauf ab, die Entzündungsreaktion bei ApoE4-Allelträgern zu reduzieren.
Koronare Herz-Kreislauf-Erkrankungen (KHK) sind die häufigste
Todesursache weltweit und aufgrund der hohen Sterblichkeit ist
die Prävention von KHK von besonderer Bedeutung. Die Risikofaktoren der KHK werden in unveränderliche wie das Alter, Geschlecht und genetische Prädisposition, und veränderliche Faktoren wie Rauchen, hoher Plasmacholesterolspiegel, hoher Blutdruck und Übergewicht, unterteilt. Obwohl die zugrunde liegenden Mechanismen der Atherosklerose und KHK noch nicht vollständig geklärt sind, wird die Pathogenese der KHK mit chronisch entzündlichen Prozessen (Inflammation) und oxidativem
Stress verbunden.
Die ¾tiologie von KHK ist komplex und beruht auf der Interaktion von Risikogenen und Umweltfaktoren. Eines dieser Risikogene ist das Apolipoprotein E (ApoE), ein Bestandteil von Lipoproteinen mit mehreren Isoformen (ApoE2, ApoE3, ApoE4).
ApoE spielt eine zentrale Rolle im Lipidmetabolismus und Cholesteroltransport und es wird gröûtenteils in der Leber produziert. Die Ausbildung unterschiedlicher Proteinisoformen beruht
auf einem Polymorphismus auf dem ApoE-Genlocus, der zur ¾nderung jeweils einer Aminosäure im ApoE-Protein führt. Der
ApoE3-Genotyp ist der häufigste (78 % der Bevölkerung) und
gilt als Wildtyp, während der ApoE4-Genotyp (14 % der Bevölkerung) mit einer Steigerung des KHK-Risikos um 40 % assoziiert
wird [1].
Die ursprüngliche Hypothese, die mit dem ApoE4-Genotyp assoziierte Zunahme des KHK-Risikos würde ausschlieûlich auf ¾nderungen im Plasmalipidstoffwechsel und die erhöhte Cholesterolkonzentration in Abhängigkeit des ApoE-Genotyps zurückzuführen sein, wurde in den letzten Jahren teilweise widerlegt.
Vielmehr konnte gezeigt werden, dass vor allem das von den
Makrophagen produzierte ApoE eine wichtige Rolle in der Atherogenese spielt. Aus Untersuchungen an ApoE-knock-out-Mäusen ist bekannt, dass von Makrophagen stammendes ApoE antiatherogene Funktionen hat, welche unabhängig vom Lipidstoffwechsel sind [2, 3]. Der ApoE4-Genotyp scheint jedoch im Vergleich zum Wildtyp geringere protektive Effekte auszuüben,
was zum Teil auf einer geringeren antioxidativen Kapazität beruhen soll [4, 5].
Dementsprechend beobachteten wir in einer retrospektiv genotypisierten Kohorte, dass die Plasma-F2-Isoprostankonzentration, ein Surrogatmarker für Lipidperoxidation, bei ApoE4-Allelträgern mit erhöhtem Plasmacholesterolwert signifikant höher
im Vergleich zu Nicht-E4-Allelträgern war [6]. Gleichermaûen
konnten wir in Zellkulturstudien zeigen, dass ApoE4-Makrophagen eine gesteigerte Produktion von Superoxidanionradikalen
(nach Stimulation mit Phorbol-12-Myristat-13-Azetat) und eine
erhöhte induzierbare Stickstoffmonoxidproduktion (nach Stimulation mit bakteriellem Lipopolysaccharid, LPS) aufweisen
[7]. Auûerdem erhöht ApoE4 im Gegensatz zu ApoE3 in vitro
die zelluläre Empfindlichkeit gegenüber oxidativen Stressoren
[8].
Oxidativer Stress ist eng mit Entzündungsprozessen verbunden,
welche ebenfalls eine wichtige Rolle bei altersbedingten chronischen Erkrankungen wie KHK und der Alzheimerdemenz (AD)
spielen. Wir haben kürzlich gezeigt [9], dass Makrophagen mit
dem ApoE4-Genotyp im Vergleich zum ApoE3-Genotyp nach
LPS-Stimulation vermehrt proinflammatorische Entzündungsproteine wie Tumornekrosefaktor-alpha (TNF-a) und die Inter-
leukine (IL) 1b und IL-6 exprimieren. Die erhöhte Produktion
von Entzündungsmarkern in ApoE4-Makrophagen wurde sowohl auf der Ebene der Transkription als auch der Ebene sezernierter Proteine beobachtet. Darüber hinaus war die Expression
des antiinflammatorischen Zytokins IL-10 in ApoE4- geringer als
in ApoE3-Makrophagen. Aufgrund der Beteiligung des redoxsensitiven Transkriptionsfaktors NF-kB an der Expression inflammatorischer Proteine wurde der Einfluss des ApoE-Genotyps
auf die NF-kB-Transaktivierung in ApoE3- und ApoE4-Makrophagen untersucht. Sowohl die basale Aktivität von NF-kB als
auch die Transaktivierung nach LPS-Stimulation war in ApoE4verglichen mit ApoE3-Makrophagen signifikant erhöht [9]. Zusammenfassend deuten unsere Ergebnisse darauf hin, dass der
ApoE4-Genotyp mit erhöhtem oxidativen Stress und Inflammation in Makrophagen assoziiert ist und, dass diese Assoziation
über die gesteigerte Aktivität des Transkriptionsfaktors NF-kB
vermittelt werden könnte.
Obwohl die Zellkulturdaten auf einen verschlechterten oxidativen Status in Abhängigkeit der ApoE4-Isoform hinweisen, konnten wir in jungen ApoE3- bzw. ApoE4-transgenen Mäusen keine
signifikanten Unterschiede bei Biomarkern des oxidativen Stresses nachweisen [8,10]. Allerdings wurden in vivo ApoE-genotypabhängige Effekte auf Biomarker oxidativer Schäden nur in Gegenwart zusätzlicher Stressfaktoren wie Rauchen oder Demenzentwicklung beobachtet [11,12]. ApoE-genotypabhängige Effekte auf oxidative und inflammatorische Parameter scheinen demnach stark durch die Interaktion mit Umweltfaktoren beeinflusst
zu sein. Auf der anderen Seite signalisieren diese Beobachtungen
eine mögliche Modifizierung des ApoE4-Krankheitsrisikos durch
einen gesunden Lebensstil (Nichtrauchen, weniger tierische Fette, dafür mehr Fischöle in der Ernährung, ausreichend Bewegung) [13].
Diese Hypothese aufgreifend haben wir in einer Humanstudie
mit Pilotcharakter den Effekt einer Vitamin-C-Supplementierung auf Entzündungsmarker bei Männern mit ApoE4-Genotyp
untersucht. ApoE4-Träger scheinen von einer Vitamin-C-Gabe
zu profitieren und weisen nach Vitamin-C-Supplementierung
eine geringere monozytäre inflammatorische Zytokinexpression
auf [14].
Neben dem erhöhten KHK-Risiko wird der ApoE4-Genotyp
ebenfalls mit einer vermehrten AD-Inzidenz assoziiert. Das relative AD-Risiko steigt in Abhängigkeit der Zahl der ApoE4-Allele
(0 bis 2) von 20 auf 90 % [15]. Die AD ist die häufigste Demenzerkrankung im Alter und gekennzeichnet durch progressive
Neurodegeneration insbesondere im Hippokampus und Teilen
des Kortex. Ein wesentliches Merkmal der AD sind extrazelluläre
Proteinablagerungen im Gehirn, die aus zytotoxischen Amyloidbeta-Peptiden bestehen. Die Amyloid-beta-Sequenz ist Bestandteil eines neuronalen Vorläuferproteins, dem Amyloid-Precursor-Protein (APP), welches zwei alternativen Spaltprozessen unterliegt. In ApoE-transgenen Mäusen konnten wir zeigen, dass
die nicht-pathogene, nicht-amyloidogene Spaltung des APP
durch als alpha-Sekretasen bezeichnete Proteasen im ApoE4verglichen mit dem ApoE3-Genotyp geringer ist. Dieser Effekt
wurde sowohl auf transkriptioneller Ebene (eines der wichtigsten Vertreter der alpha-Sekretase, ADAM10) als auch auf Enzymaktivitätsebene gemessen [16].
Ein weiterer Aspekt der ApoE4-AD-Implikationen könnte die
Modifizierung der Kontrolle des Zellzyklus im Gehirn beinhalten. Im Hippokampus ApoE-transgener Mäuse war die Transkription von Genen, die für Zellzyklusproteine codieren, durch
den ApoE-Genotyp signifikant beeinflusst [16]. Zum jetzigen
Rimbach G, Hübbe P. Die Frage nach dem Risiko ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S11 ± S13
Übersicht
Kenntnisstand sind jedoch keine gesicherten Aussagen über die
Auswirkungen einer solchen Beobachtung auf neurodegenerative Prozesse möglich.
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S13
S14
Übersicht
Wie Stress den Zellen ¹einheiztª ± Interaktionen
zwischen Psyche und Immunabwehr
How Stress Puts the Heat on Cells ± Interaction Between Psyche and Immune
Defence
Autor
P. Arck
Institut
Biomedizinisches Forschungszentrum CharitØ, Berlin
Schlüsselwörter
" Stress
l
" Schwangerschaft
l
" Immunsystem
l
" Fehlgeburten
l
" Progesteron
l
Zusammenfassung
Abstract
Stress ist ein subjektiv empfundenes Missverhältnis zwischen Anforderung und Anpassungsfähigkeit. Um die Auswirkungen von Stress auf
die Gesundheit zu erforschen, wurden Krankheiten untersucht, die unter Stress gehäuft auftreten
und eine immunologische Komponente haben.
Dazu gehören u. a. Schwangerschaftskomplikationen wie z. B. Fehlgeburten. Es ist bekannt,
dass Stresshormone während der Frühschwangerschaft zu einem Abfall von Progesteron führen
können und dadurch indirekt ein Überwiegen
von proinflammatorischen Zytokinen während
der Schwangerschaft provozieren. Dadurch sinkt
die Toleranz gegenüber dem Fetus und das Risiko
einer Fehlgeburt steigt. Im Tierversuch gelang es,
stressausgelöste Fehlgeburten durch die Gabe eines Progesteronderivates zu verhindern. Eine
verstärkte Stresswahrnehmung bei fortgeschrittener Schwangerschaft kann ebenfalls die Gesundheit des ungeborenen Kindes beeinträchtigen und z. B. zu einem erniedrigten Geburtsgewicht führen und zur Entstehung von chronischen Erkrankungen beitragen. Diese Mechanismen werden als ¹fetale Programmierungª beschrieben.
Stress is a subjectively felt dysbalance of challenge and the ability to adapt. In order to study
the impact of stress on health diseases were investigated which are often associated with stress
and have an immunological component.
Amongst other pathologies pregnancy disorder
such as miscarriages have been described. Stress
hormones in the early stage of pregnancy can
trigger a decline of progesterone hence resulting
indirectly in a predominance of pro-inflammatory cytokines during pregnancy. In turn, the immunological tolerance for the fetus decreases
and the risk of miscarriage increases. In animal
experiments the rate of stress triggered fetal loss
could be prevented by the progesterone derivate
dydrogesterone. During late gestation an enhanced perception of stress can affect the health of
the offspring. This can lead to a low weight at
birth and pave the way for chronic diseases.
These mechanisms are called fetal programming.
In der Psychoneuroimmunologie wird der Einfluss von psychischen Faktoren auf das Nervensystem, das Hormonsystem und das Immunsystem untersucht. Letztendlich beruht dieser Forschungsbereich auf der alten Erkenntnis, dass
Stress krank macht. Bereits Louis Pasteur hat
sich im Jahr 1878 mit diesem Thema beschäftigt:
Er hat bei Hühnern den ¹cold swim testª durchgeführt und beobachtet, dass sie infektanfälliger
waren, nachdem sie in Eiswasser gesetzt worden
waren. Dieser Versuch weckte weltweit Interesse
und auch eine japanische Studie aus dem Jahr
1918 zeigte, dass nervöse Patienten gehäuft an
Tuberkulose erkrankten. Inzwischen gibt es viele
Studien, die eine Verbindung zwischen erhöhter
Stresswahrnehmung und dem Auftreten von Erkrankungen mit immunologischer Beteiligung
belegen [1].
In den letzten 20 Jahren hat die Psychoneuroimmunologie dank einem erweiterten Spektrum an
Untersuchungsmethoden einen Boom erlebt.
Mittlerweile gibt es in jedem Labor Geräte, die
die Erfassung von 25 ± 30 Zytokinen oder Zellpopulationen aus einigen Tropfen Blut ermöglichen.
Dazu kam die Chiptechnologie, mit der sich beispielsweise rund 40 000 Gene in einem Experi-
Key words
" stress
l
" gravity
l
" immune system
l
" miscarriages
l
" progesterone
l
Bibliografie
DOI 10.1055/s-2007-986418
Aktuel Ernaehr Med 2008;
33, Supplement 1: S14 ± S17
Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart ´ New York ´
ISSN 1862-0736
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. Petra Arck
Biomedizinisches Forschungszentrum, CharitØ
Augustenburger Platz 1
13353 Berlin
Tel.: 030/450553873
Fax: 030/450553962
[email protected]
!
Arck P. Wie Stress den Zellen ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S14 ± S17
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Übersicht
Innate Immune Response – Adaptive Immune Response
NK
· TH2 > TH1
· Treg cells
Abb. 1 In der Schwangerschaft geht das Immunsystem in ¹Mutterschutzª ± und verhindert damit
eine Abstoûung des Feten.
DC
Syncytiotrophoblast
Cytotrophoblast
Decidual
vessel
Invasive
CytoTrophoblast
ment bestimmen lassen. Die neuen Technologien führten zu einer Art Goldgräberstimmung: Wissenschaftler überlegten sich
experimentelle Stressoren, z. B. Fallschirm- oder Bungeesprünge,
oder mentale Belastungen wie den Stroop-Test. Auûerdem wurden Life-Events definiert, die mit Stress verbunden wurden, z. B.
Arbeitslosigkeit oder Scheidung.
Die Amerikaner verglichen Golfkriegssoldaten mit Männern im
gleichen Alter und untersuchten Betroffene von Naturkatastrophen. Bei der Bestimmung verschiedenster Parameter wurde
stets festgestellt, dass die Stressoren einen Einfluss auf das endokrinologische, das nervale und das Immunsystem haben. Das
Problem war, dass in den meisten Studien gesunde Personen
teilnahmen, sodass es schwierig war, Aussagen über die biologische Signifikanz von immunologischen Veränderungen im Zusammenhang mit der Reaktion auf ¹real life stressorsª abzuleiten [1].
Stresswahrnehmung ist immer subjektiv
Um aussagekräftige Marker zu finden, die eine Einschätzung der
biologischen Signifikanz von immunologischen Veränderungen
im Rahmen der Stressantwort erlauben, wurde das Pferd in den
letzten Jahrzehnten von hinten aufgezäumt. Es gibt Erkrankungen, die mit erhöhtem Stress assoziiert sind, die zudem eine immunologische Komponente haben und bei denen das Gleichgewicht der Supersysteme eine Rolle spielt. Entgleisen bestimmte
Parameter in die eine oder andere Richtung, führt dies zum Auftreten oder zur Verschlimmerung der Erkrankung. Dazu gehören
chronisch entzündliche Erkrankungen der Haut, des Darms, der
Gelenke, allergische Erkrankungen, wie beispielsweise Asthma,
sowie Schwangerschaftskomplikationen [5, 6]. Manche Studien
besagen sogar, dass 70 % aller Erkrankungen immunologische
Ursachen haben und sich durch Stress verschlimmern.
Schwangerschaft als immunologischer
Sonderstatus
!
!
Der Begriff Stress wurde in den 50er-Jahren von dem Zoologen
Hans Selye definiert [2]. Er entlehnte den Begriff Stress aus der
Physik, um die ¹unspezifische Reaktion des Körpers auf jegliche
Anforderungª zu benennen. Der Psychologe Richard Lazarus
grenzte den Begriff Anforderungen ein: Die Stressreaktion umfasst die Alarmreaktion, Widerstandsreaktion und die Erholungsphase (¹Eustressª) bzw. Erschöpfungsphase (¹Distressª)
[3]. Mit ein und demselben Ereignis kann die eine Person souverän umgehen, die andere aber ist völlig überfordert. Das heiût:
Stress lässt sich nur schwer definieren, er ist subjektiv und es besteht immer ein Missverhältnis von Anforderungen und Anpassungsfähigkeiten. Dabei spielt es letztlich keine Rolle, ob es um
ein Kochrezept oder einen ärztlichen Eingriff geht.
Die subjektive Stresswahrnehmung kann über Fragebögen gemessen werden [4]. Es gibt beispielsweise Fragebögen, die den
wahrgenommenen Stress erfassen, Fragebögen zur Lebensqualität und zur sozialen Unterstützung. Diese Fragebögen wurden ±
häufig in Zusammenarbeit mit der pharmazeutischen Industrie
± entwickelt, um zu erfassen, ob ein Medikament neben der gewünschten Wirkungsweise nicht die Lebensqualität der Patienten beeinträchtigt, sondern diese verbessert.
Das Immunsystem spielt in der Schwangerschaft eine groûe Rolle. Aus immunologischer Sicht ist der Fetus das Fortpflanzungsprodukt zweier histoinkompatibler Individuen: Würde man die
Niere des Vaters der Mutter einpflanzen, würde sie wahrscheinlich abgestoûen werden. Beim Embryo passiert das aber nicht.
Man dachte lange Zeit, es gäbe keine Verbindung zwischen dem
mütterlichen Immunsystem und Zellen, die väterliche, also immunologisch ¹fremdeª Gene exprimieren. Heute weiû man,
dass es durchaus eine Verbindung gibt und fetale Zellen in das
mütterliche Gewebe einwandern und dort in direktem Kontakt
mit Immunzellen der Mutter sind. Dieser enge Gewebekontakt
zwischen Mutter und Fetus stellt natürlich auch sicher, dass der
Fetus über die Plazenta/Nabelschnur ernährt werden kann.
Eine Abstoûung des Fetus aufgrund der Expression von väterlichen ¹fremdenª Genen während der Schwangerschaft findet natürlich üblicherweise nicht statt, da es eine Vielzahl von Anpassungsmechanismen von Seiten des mütterlichen Immunsystems
gibt. Dabei spielen natürliche Killerzellen und dendritische Zellen eine wichtige Rolle, also die Zellen der angeborenen Immunität. Bekannt ist auûerdem, dass das Gleichgewicht von anti- und
proinflammatorischen Zytokinen zugunsten der antiinflammatorischen (T Helfer) TH2-Zytokine verschoben sein muss. Des
Weiteren sind T-regulatorische Zellen notwendig, um eine Ab-
Arck P. Wie Stress den Zellen ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S14 ± S17
S15
S16
Übersicht
Mausmodell beeinträchtigt: Im Rahmen der Stressantwort
kommt es zu einer Abnahme von Progesteron [11].
Progesteron spielt eine wichtige Rolle für den Erhalt der
Schwangerschaft. Es trägt dazu bei, dass antiinflammatorische
Zytokine dominieren und wird deshalb auch als Immunsteroid
bezeichnet. Werden gestresste Mäuse mit dem Progesteronderivat Dydrogesteron substituiert, kommt es weder zu Fehlgeburten noch zu Abstoûungsreaktionen ± die Tiere erreichen dieselbe
Abstoûungsrate wie Kontrolltiere. Gleichzeitig sinkt die Konzentration proinflammatorischer Zytokine und die Konzentration
antiinflammatorischer Zytokine steigt [12,13].
Niedrige Progesteronwerte ± hohes Fehlgeburtsrisiko
!
Abb. 2 Mit den Angaben zum Alter, BMI und Progesteronspiegel lässt
sich das Fehlgeburtsrisiko kalkulieren.
stoûungsreaktion zu unterdrücken. Diese Sondersituation während der Schwangerschaft wird als ¹Immunität in Mutterschutzª
" Abb. 1).
bezeichnet [7] (l
Stress in der Schwangerschaft
!
Um den Einfluss von Stress auf diese ¹Immunität im Mutterschutzª zu untersuchen, wurden Tiermodelle entwickelt. Werden beispielsweise Mäuse in der Frühschwangerschaft mit
Lärm gestresst und der Uterus dieser Tiere zu einem späteren
Zeitpunkt untersucht, so sind die Abstoûungsreaktionen mit
bloûem Auge erkennbar, die Anzahl der Fehlgeburten/Abstoûungen bei Mäusen steigt etwa um das Doppelte im Vergleich
zur nicht gestressten Kontrolle [8, 9]. Um die Frage zu klären,
welche Immunzellen dabei eine Rolle spielen, wird die Kommunikation zwischen angeborener und erworbener Immunität untersucht: Kommunizieren die antigenpräsentierenden Zellen
mit ihren vielen Liganden? Kommunizieren die T-Zellen miteinander und verändern sie im Rahmen der Stressantwort ihren
Phänotyp? Untersuchungen zeigen, dass sich der Phänotyp von
antigenpräsentierenden Zellen tatsächlich verändert. Isolierte
Zellen aus dem Uterus gestresster Mäuse sind im Rahmen der
Stressantwort reifer und produzieren mehr entsprechende Zytokine. Werden reife dendritische Zellen aus gestressten Mäusen
mit naiven T-Zellen in einer Petrischale zusammengebracht, beginnen sie, sich zu teilen und ihr Zytokinprofil zu verändern. Sie
produzieren vermehrt proinflammatorische Zytokine ± und das
gefährdet den Schwangerschaftserhalt [10].
Physiologisch wäre folgende stressfreie Situation: Unreife dendritische Zellen sorgen dafür, dass genügend T-regulatorische Zellen vorhanden sind, die genügend antiinflammatorische Zytokine produzieren. Diese wiederum verhindern die Abstoûung
des Fetus. Bei einer hohen Stresswahrnehmung wird die Situation dagegen pathologisch: Reife, dendritische Zellen führen
zur vermehrten Produktion proinflammatorischer Zytokine, die
den Plazentazellen schaden. Gleichzeitig werden die klassischen
Stresshormone im Rahmen der zentralen Stressantwort hochreguliert. Konkret bedeutet das: Die Glukokortikoid- und Katecholaminspiegel steigen, der Progesteronspiegel sinkt. Tatsächlich sind die schwangerschaftsrelevanten Hormone auch im
Diese Ergebnisse sind auch für andere Spezies relevant. Das zeigt
eine Untersuchung zum ökologischen Gleichgewicht des Yellowstone-National-Parks. Dort wurden vor 12 Jahren Wölfe ausgesetzt, um das frühere ökologische Gleichgewicht wiederherzustellen. Für das dort lebende Wild bedeutete diese Maûnahme
eine zusätzliche Stressbelastung, da Wölfe ihre natürlichen Feinde sind. Es konnte gezeigt werden, dass der Progesteronspiegel
der weiblichen Tiere niedriger war, je mehr Wölfe sich in der
Umgebung befanden, und dass dieser niedrige Progesteronspiegel mit der Abnahme der Anzahl der Nachkommen korrellierte
[14].
Wie sich Stress in der Frühschwangerschaft beim Menschen auswirkt, wurde in einer Studie in Berlin untersucht. 99 niedergelassene Gynäkologen rekrutierten zu diesem Zweck gesunde
Frauen in der Frühschwangerschaft. Den Frauen wurde Blut abgenommen und sie füllten einen Fragebogen zur Stresswahrnehmung aus. Zudem gaben sie nach Ende der Schwangerschaft
Auskunft über deren Ausgang. Insgesamt wurden 1089 Frauen
rekrutiert, von denen 922 ein Kind bekommen und 55 eine Fehlgeburt erlitten haben. Die in der Frühschwangerschaft erhobenen Werte wurden dahingehend ausgewertet, ob sich in diesem
frühen Stadium schon Risikofaktoren hätten identifizieren lassen. Es kristallisierten sich folgende Risikofaktoren heraus [15]:
" Das Alter: Je älter die Frau, desto gröûer das Fehlgeburtsrisiko.
" Der BMI: Je niedriger der BMI, desto gröûer das Fehlgeburtsrisiko.
" Progesteron: Niedrige Progesteronspiegel gingen mit einem
hohen Fehlgeburtsrisiko einher.
In einem Algorithmus wurde berechnet, wie die Risikofaktoren
zueinander in Beziehung stehen. Daraus ergab sich ein Risikobewertungsinstrument für Fehlgeburten, das auf der Website der
CharitØ zur Verfügung gestellt wird (www.charite.de/pni). ¾rzte
können sich einloggen, anmelden und die erhobenen Parameter
als Risikofaktoren eingeben. Sie erhalten dann Informationen
" Abb. 2).
bezüglich des Fehlgeburtsrisikos ihrer Patientin (l
Fetale Programmierung: Stress schadet dem Fetus
!
Die Frauen, die ihr Kind zur Welt gebracht hatten, wurden in drei
Gruppen eingeteilt: Diejenigen, die in den Stressfragebögen hohe, mittlere oder niedrige Werte angegeben hatten. Das Ergebnis: Frauen mit niedrigen Stresswerten hatten Kinder mit einem
höheren Geburtsgewicht. Eine hohe Stresswahrnehmung ging
dagegen eher mit niedrigem Geburtsgewicht einher. Es könnte
Arck P. Wie Stress den Zellen ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S14 ± S17
Übersicht
also sein, dass Stress in der Schwangerschaft nicht nur zu Fehlgeburten, sondern auch zu Schädigungen des Kindes führt. Unterstützt wird die Hypothese durch das vermehrte Auftreten
von immunologischen Erkrankungen in den letzten 50 Jahren,
die sich nicht allein durch eine genetische Prädisposition erklären lassen. David Barker entwickelte die Theorie der fetalen Programmierung [16]. Sie besagt, dass Umweltfaktoren während
der Schwangerschaft die fetale Entwicklung beeinträchtigen
und zum Auftreten von Erkrankungen im weiteren Leben der
Nachkommen beitragen. Es wurden verschiedene Faktoren untersucht ± Ernährung, Umweltverschmutzung, Rauchen, Medikamenteneinnahme und auch die Stresswahrnehmung.
Unsere Arbeitsgruppe hat den Einfluss von Stress auf das Auftreten atopischer Erkrankungen untersucht. Zu diesem Zweck wurden trächtige Mäuse gestresst und bei den Nachkommen wurde
Asthma induziert. Bei den pränatal gestressten Tieren war tatsächlich eine verstärkte Reagibilität der Atemwege nachzuweisen. Bei der Untersuchung der Schlüsselparameter des Asthmas,
wie Entzündungswerte, Zytokine, IgE und Eosinophile, wiesen
die pränatal gestressten Tiere vermehrt Eosinophile, IgE und allergiefördernde Zytokine auf [17]. Die Untersuchungen zur Rolle
von pränatalem Stress auf die Entstehung von atopischen Erkrankungen beim Menschen sind derzeit Teil einer laufenden
Studie in Deutschland und Kanada.
Bewältigungsstrategien
!
Die Hinweise, dass Stress zum Auftreten von Erkrankungen oder
Schwangerschaftskomplikationen führt, wirft die Frage auf, wie
sich dies verhindern lässt. Neben pharmakologischen Interventionen steht natürlich die Förderung von Entspannungsphasen
im Vordergrund. Dies ist kaum übersehbar, denn selbst im Supermarkt sind die Regale überfüllt mit ¹Antistressproduktenª.
Hinter Badezusätzen und anderen Wellnessprodukten steckt
die Suggestion, sich eine Entspannungsphase zu erlauben ± insofern sind diese Produkte durchaus empfehlenswert. Auch Yoga,
Muskelentspannung oder ¾hnliches kann die Immunantwort
verbessern, wie einige Untersuchungen zeigen.
Doch sind die durch Stress ausgelösten Körperreaktionen sehr
komplex. Wenn man die Psychoneuroimmunologie in Zusammenhang mit der Reproduktion bringt, beeinflusst einerseits
die Stresswahrnehmung die Entwicklung des Kindes, andererseits spielen auch Faktoren wie Rauchen, Ernährung usw. eine
Rolle [18]. Ziel ist, ¾rzte für die Ergebnisse der Stressforschung
zu sensibilisieren. Letztendlich kommt es darauf an, Risikofaktoren und Patienten eindeutig zu identifizieren und eine gezielte
Intervention zu starten, die auf den Patienten zugeschnitten ist.
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S17
S18
Übersicht
Fitness ist Trumpf!
Zusammenhänge zwischen körperlicher Bewegung und dem Risiko
für das Entstehen sowie den Verlauf chronischer Erkrankungen
Fitness is the Key
Association of Physical Activity and the Risk for Onset and Progression
of Chronic Diseases
Autor
D. König
Institut
Abteilung Präventive und Rehabilitative Sportmedizin, Universität Freiburg, Abteilung Präventive und Rehabilitative
Sportmedizin, Universität Freiburg
Schlüsselwörter
" körperliche Aktivität
l
" Myokine
l
" metabolisches Syndrom
l
" proinflammatorische
l
Zytokine
Zusammenfassung
Abstract
Unmittelbar nach körperlicher Aktivität ist abhängig von Dauer und Intensität der Belastung
eine lokale muskelzelluläre und systemische Entzündungsreaktion nachweisbar. Pathophysiologisch sind u. a. eine zelluläre Aktivierung von
Lymphozyten und Makrophagen, eine vermehrte
Freisetzung von Zytokinen in der Muskulatur sowie die Induktion einer hepatischen Akute-Phase-Reaktion anzuführen. Demgegenüber reduziert regelmäûige körperliche Aktivität eine
überschieûende Akutreaktion und vermindert
chronisch die Spiegel inflammatorischer Marker.
Es ist davon auszugehen, dass eine sportinduzierte Verringerung der Entzündungskonstellation
die Morbidität und Mortalität vor allem bei chronisch-degenerativen Erkrankungen positiv beeinflusst. Ob dies durch eine Verringerung der
Entzündungskonstellation per se oder indirekt
durch die Verminderung der proinflammatorischen Risikokonstellation bewirkt wird, kann
derzeit noch nicht abschlieûend beurteilt werden.
Immediately after physical activity a cellular and
systemic inflammation can be detected which
depends on duration and intensity of the impact.
In pathophysiological terms this is characterized
by an activation of lymphocytes and macrophages, an increased release of cytokines into muscular tissue as well as the induction of a hepatic
acute phase reaction. In contrast, regular physical
activity can reduce both, an excessive acute reaction and a chronic level of inflammatory markers. It can be assumed that a sports-induced reduction of the inflammatory constellation reduces mortality and morbidity, in particular in chronic degenerative diseases. It's not clear yet,
whether this is achieved directly by a reduced inflammation or indirectly via an attenuation of
pro-inflammatory factors.
Einleitung
vention chronisch degenerativer Erkrankungen
[4, 5], erreichen gerade 46 % der westdeutschen
und sogar nur 30 % der ostdeutschen Männer im
Alter zwischen 18 ± 19 Jahren diese Empfehlungen. Bereits nach dem 30. Lebensjahr sinkt dieser
Anteil in West- wie Ostdeutschland auf unter
20 %. Bei den Frauen sind es auch bei den
18 ± 19-Jährigen weniger als 20 %; ab dem 30. Lebensjahr beträgt der Anteil der Frauen, die diese
Empfehlung einhalten sogar weniger als 10 % [6].
Vor allem der Verlust an aktiver Muskelmasse
durch fehlendes Training hat erhebliche Nachteile für die Funktionskapazität verschiedener biologischer Systeme [7] und verändert das physiologische Gleichgewicht von pro- und antiatherogenen sowie entzündungsfördernden und ent-
Key words
" physical activity
l
" myokines
l
" metabolic syndrome
l
" pro-inflammatory cytokine
l
Bibliografie
DOI 10.1055/s-2008-1067334
Aktuel Ernaehr Med 2008;
33, Supplement 1: S18 ± S22
Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart ´ New York ´
ISSN 1862-0736
Korrespondenzadresse
PD Dr. Daniel König
Abteilung Präventive und
Rehabilitative Sportmedizin
Hugstetter Straûe 49
79095 Freiburg
Tel.: 0761/2707495
[email protected]
!
!
Eine körperlich aktive Lebensweise zählt zu den
bedeutendsten Komponenten eines gesunden Lebensstils. Hinsichtlich der kardiovaskulären wie
auch gesamten Morbidität und Mortalität ist die
Datenlage aus epidemiologischen und interventionellen Studien so überzeugend [1], dass anerkannte Fachgesellschaften Empfehlungen zur
Mehraktivität zwingend in ihre Konzepte und
Empfehlungen zur Lebensstiländerung integriert
haben [2, 3].
Sport und Bewegung werden als positiver Gesundheitsfaktor in unserer Bevölkerung nach
wie vor nur unzureichend genutzt. Unter Berücksichtigung der Aktivitätsempfehlungen zur Prä-
König D. Fitness ist Trumpf! ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S18 ± S22
!
Übersicht
Sport und Entzündungsreaktionen
n=49, VO2max 58 ml, vor und nach Ironman-Triathlon
60
hs-CRP
4
Interleukin-6
24 h post
1 h post
50
Abb. 1 Direkt nach dem Sport sind erhöhte Entzündungsmarker messbar, die bei Extrembelastungen im Bereich der Werte einer akuten bakteriellen
Entzündung liegen können [17] (aus: König D,
Wagner KH et al, Exerc Immunol Rev 2007).
3
mg/dl
30
20
1
24 h post
3dp
7dp
-5
IL6
-4
IL6
-3
IL6
Fehlerbalken: ± 1 SE
3dp
1 h post
vor
0
-2
IL6
-1
vor
IL6
10
0
2
7dp
HS
CR
P1
HS
CR
P2
HS
CR
P3
HS
CR
P4
HS
CR
P5
pmpl/l
40
Fehlerbalken: ±1 SE
zündungshemmenden Faktoren [8 ± 10]. Dieses Gleichgewicht
ist eng mit den die Muskelmasse regulierenden stoffwechselanabolen und -katabolen Faktoren verknüpft und stellt eine entscheidende Schnittstelle im zellulären bioenergetischen System
dar.
Im Vergleich zur Inaktivität hat regelmäûige körperliche Belastung über die Konditionierung an ein ausdauerorientiertes
Training entscheidenden Einfluss auf den muskulären Energiestoffwechsel. Grundumsatz und Belastungsumsatz werden gesteigert, und die muskuläre Substratoxidation wird zugunsten
aerober Prozesse und in Richtung auf eine Lipidutilisation verschoben [11 ± 15]. Hierdurch werden Risikofaktoren für chronisch-degenerative Erkrankungen wie Adipositas, Fettstoffwechselstörungen, Diabetes mellitus Typ 2 und die Entzündungskonstellation günstig beeinflusst [16].
Akute körperliche Belastung induziert
eine Entzündungsreaktion
!
Hochintensive und lang anhaltende Belastungen führen akut zu
einer lokalen muskulären und systemischen Entzündungsreaktion. Die individuelle Ausprägung kann hierbei deutlich differieren, und ist nach derzeitigem Erkenntnisstand von der genetischen Prädisposition (Muskelfasertyp, zelluläre und humorale
Immunoreaktivität etc.) aber auch von Faktoren wie Trainingszustand oder Ernährung abhängig. Aktuelle Daten zeigen, dass
nach einer zehnstündigen Belastung bei einem Ironman-Triathlon Entzündungswerte nachweisbar waren, wie sie bei einer
leichten bis mittelgradigen Infektion, etwa einer bakteriellen Si" Abb. 1).
nusitis, auftreten können [17] (l
Früher ging man davon aus, dass solche Reaktionen in erster Linie die Folge der lokalen muskulären Belastungsreaktion sind. In
der Tat gibt es eine schwache Korrelation zwischen Entzündungsmarkern und Markern der lokalen Muskelstressreaktion
(z. B. Kreatinkinase, Myoglobin) [18]. Im histologischen Präparat
ist entsprechend auch erkennbar, wie sich in der Nachbelastungsphase weiûe Blutzellen (z. B. Granulozyten, Makrophagen)
im überanspruchten Muskelgewebe anhäufen [19]. Bisher ging
man davon aus, dass der Sezernierung von proinflammatorischen Zytokinen und weiteren bioaktiven Substanzen durch diese Blutzellen eine fundamentale Rolle in der Initiierung und Propagierung der sportassoziierten Entzündungsreaktion zukommt. Diese Sichtweise wurde in den letzten Jahren jedoch
weiter präzisiert [20]. Heute ist bekannt, dass bereits durch die
Kontraktion der Muskelzelle eine Freisetzung proinflammatorischer Zytokine induziert wird. Deshalb spricht man auch bei bestimmten Zytokinen bereits von Myokinen. Das dominante Zytokin nach körperlicher Aktivität ist das Interleukin-6 (IL-6),
das in Abhängigkeit von der Intensität und vor allem der Dauer
der körperlichen Aktivität aus der Muskelzelle freigesetzt wird
[20]. Je länger die Belastung und je höher der Anteil exzentrischer Arbeit ist, desto mehr IL-6 wird freigesetzt.
Die Freisetzung von IL-6 induziert einerseits eine Stressreaktion,
die zu einer erwünschten Bereitstellung von Energie führt ± Kortisol steigert die Glykogenolyse sowie die Lipolyse, also die Freisetzung von Zucker und Fettsäuren [21]. Andererseits stimuliert
IL-6 die typische hepatische Akute-Phase-Reaktion, die vor allem durch eine Freisetzung von CRP, Fibrinogen oder SerumAmyloid-A gekennzeichnet ist [22, 23]. Die Beziehung zwischen
der Akute-Phase-Reaktion und z. B. dem relativen Risiko für zukünftige Koronarereignisse wurde in den letzten Jahren intensiv
untersucht. Obwohl eine abschlieûende Beurteilung noch aussteht, kann eine positive Assoziation zwischen dem koronaren
Risiko und dem Ausmaû der Akute-Phase-Reaktion, insbesondere in Bezug auf IL-6 und hs-CRP, angenommen werden [24].
Langfristig wirkt Sport protektiv
!
Trotz dieser Ausführungen ist Fitness Trumpf, denn langfristig
erfolgt eine andere Reaktion auf die körperliche Aktivität als die
Akutregulation. Bei welchen Krankheiten wirkt körperliche Aktivität im Sinn einer Verminderung der chronischen Entzündung?
" Bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen scheint
Sport möglich zu sein, ohne die Krankheit zu verschlimmern.
Für einen präventiven oder therapeutischen Einsatz gibt es
allerdings keine ausreichenden Hinweise.
" Bei der rheumatoiden Arthritis oder Kollagenosen mit vorwiegender Gelenkschädigung ist Sport im Sinn der Bewegungstherapie sehr günstig einzuschätzen. Ob sich dabei die
Entzündungskonstellation ändert oder aber die Patienten allein von der Bewegungstherapie an den erkrankten Gelenken
profitieren, lässt sich momentan nicht eindeutig sagen.
" Bei Kollagenosen mit systemischer Beteiligung, wie bei Lupus
erythematodes, scheint Sport möglich zu sein. Aber ob es dadurch zu einer Verbesserung des Krankheitsbildes kommt, ist
ebenfalls nicht abzuschätzen.
König D. Fitness ist Trumpf! ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S18 ± S22
S19
Übersicht
Das metabolische Syndrom
Prävalenz in Deutschland: ca. 15 – 20 % der Erwachsenen
Entwicklung Industrienationen: 1960 8 Mio; 1985 100 Mio;
2010 200 Mio
Risikofaktor
1,8
I. Abdominelle Adipositas (Bauchumfang)
Männer
Frauen
II. Triglyzeride
III. HDL-Cholesterin
Männer
Frauen
IV. Blutdruck
V. Nüchternglukose im Plasma
Querschnittsstudien– Aktueller vs vorheriger
Aktivitätsstatus
3954 Men, Follow-up after 20 Years
1,7
Grenzwert
1,6
>102 cm
>88 cm
>150 mg/dl
hs-CRP mg/l
S20
<40 mg/dl
<50 mg/dl
>130/85 mm Hg
>100 mg/dl
7 Jahre Follow-up: 6-fach erhöhte kardiovaskuläre Mortalität
1,5
1,4
1,3
1,2
Isomaa et al. Diabetes Care 2001; 25: 683–689
1,1
Abb. 2 Eine Kombination von Risikofaktoren erhöht das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen [44] (mit freundlicher Genehmigung der American Diabetes Association).
"
Eine gute Datenlage besteht hinsichtlich chronisch-degenerativer Erkrankungen, die in unserer Gesellschaft mit immer
weniger Bewegung und ungesunder Ernährung zunehmend
auftreten. Dazu zählen Adipositas, Myokardinfarkt oder Arteriosklerose. Viele Studien belegen den protektiven Effekt
körperlicher Aktivität, insbesondere bezüglich der inflammatorischen Regulation. Eine wichtige Rolle spielt das meta" Abb. 2). Darunter versteht man die
bolische Syndrom (l
Kombination aus abdomineller Adipositas, einer Fettstoffwechselstörung mit erhöhten Triglyzeriden, vermindertem
HDL-Cholesterin, erhöhtem Blutdruck und einer erhöhten
Nüchternglukose. Das metabolische Syndrom geht mit einer
deutlich gesteigerten kardiovaskulären Morbidität und Mortalität einher [25] und ist auûerdem mit einer erhöhten Entzündungskonstellation vergesellschaftet [26 ± 28].
1,0
Inact/Inact
Act/Inact
Inact/Act
Act/Act
Abb. 3 Die günstigen Effekte körperlicher Aktivität lassen sich nicht
konservieren [36] (aus: Wannamethe SG. Circulation 2002; 105:
1785 ± 1790) (mit freundlicher Genehmigung von Lippincott Williams
& Wilkins).
chungen mit der Inzidenz bzw. Prävalenz der koronaren Herzerkrankung assoziiert [30 ± 32]. Mit dem Entzündungsstress in der
Arterie steigt das Risiko, dass die fibröse Kappe der arteriosklerotischen Plaque aufreiût und sich ein gefäûverschlieûender
Thrombus bildet [33].
Umgekehrt müsste eine Verminderung der Entzündungskonstellation das Geschehen in der Arterienwand günstig beeinflussen können [24]. Insbesondere der Beweis für die Reversibilität
der arteriosklerotischen Veränderungen bei Reduktion der Entzündungsreaktion steht jedoch noch aus.
Stress in der Arterienwand
Häufig und intensiv trainieren
Die Entzündungsmarker steigen mit der Zahl der Komponenten
des metabolischen Syndroms an. Je mehr Risikofaktoren ein Patient hat, desto höher ist der Spiegel an CRP, IL-6 und anderen
Entzündungsmediatoren [27]. Die American Heart Association
hat definiert, welche Risikofaktoren mit einer erhöhten Entzündungskonstellation einhergehen. Dazu zählen Übergewicht, arterielle Hypertonie, erniedrigtes HDL, erhöhte Triglyzeride, Diabetes mellitus Typ 2 und Rauchen [29].
Warum kommt es bei chronischen kardiovaskulären Erkrankungen zu erhöhten Entzündungswerten? Zum einen sind arteriosklerotische Prozesse innerhalb der Arterienwand anzuführen:
Oxidiertes LDL-Cholesterin, aktivierte Makrophagen und verschiedene freigesetzte Zytokine induzieren zunächst eine intravaskuläre und in der Folge auch systemische Entzündungskonstellation. Zum anderen setzt vor allem das abdominelle Fettgewebe, das bei Patienten mit metabolischem Syndrom überproportional erhöht ist, proinflammatorische Mediatoren frei.
Es konnte gezeigt werden, dass die Wahrscheinlichkeit eines koronaren Ereignisses (Myokardinfarkt, koronare Mortalität) signifikant mit der Konzentration systemischer Entzündungsmediatoren korreliert ist [30]. Insbesondere die Spiegel von C-reaktivem Protein (CRP), Fibrinogen, Interleukin-6 (IL-6) sowie die
Leukozytenzahl im peripheren Blut waren in vielen Untersu-
Was körperliche Aktivität bei Patienten mit lifestylebedingten
Risikofaktoren bewirkt, zeigen einige groûe Querschnittsstudien: Eine erhöhte Entzündungskonstellation hatten 15 % der Patienten mit niedriger, 10 % der Patienten mit mittlerer und nur
6 % der Patienten mit hoher körperlicher Aktivität [34]. Das
heiût: Je häufiger man aktiv ist, desto niedriger sind die Spiegel
an proinflammatorischen Markern im Blut.
Akut reagiert der Körper auf ein intensives Training mit einem
Anstieg von CRP oder IL-6. Langfristig sieht das anders aus: Nur
7 % der Probanden, die 3-mal pro Woche mit relativ hoher Intensität trainierten, hatten chronisch erhöhte CRP-Werte ± im Vergleich zu 20 % derjenigen, die überhaupt keinen Sport trieben
[35]. Die CRP-Werte waren bei hoher Intensität zudem niedriger
als bei geringer Intensität. Das bedeutet: Häufiges und intensives Trainieren scheint eine niedrige Entzündungskonstellation
zu bewirken [35].
Damit sich dieser Effekt einstellt, ist aktuelles Training notwendig. Es gibt keinen Erhaltungseffekt, der sicherstellt, dass man
" Abb. 3). Das
im Alter von einer aktiven Jugendzeit profitiert (l
zeigt eine Follow-up-Untersuchung an knapp 4000 Männern
über einen Zeitraum von 20 Jahren: Wer vor 20 Jahren und
auch aktuell inaktiv war, hatte genauso erhöhte CRP-Spiegel
wie diejenigen, die damals aktiv, aktuell aber inaktiv waren.
!
!
König D. Fitness ist Trumpf! ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S18 ± S22
Übersicht
Entzündungsreaktion – Steuerung über Myozytenstoffwechsel?
IL-6
TNF-a
iNOS
kataboler
Körperzustand
Entzündungslage
ROS-Empfindlichkeit
Muskelatrophie
Aktivität
Inaktivität
IL-6 ø
TNF-a ø
iNOS ø
Muskelhypertrophie
Abb. 4 Inaktivität führt nicht nur zum Muskelabbau, sondern auch zu einer Erhöhung der Entzündungsmarker [16] (aus: Berg A. Akt Ernaehr Med
2003).
antikataboler
Körperzustand
Entzündungslage ø
ROS-Empfindlichkeit
(SOD) ø
Risiko für chronisch
degenerative Erkrankungen,
z.B. Atherosklerose,
Herzinsuffizienz,
Typ-2-Diabetes
Wer damals inaktiv und heute aktiv war, hatte niedrigere Entzündungswerte, und am besten schnitten diejenigen ab, die damals und heute aktiv waren [36].
Auch die meisten Interventionsstudien zum Effekt körperlicher
Mehraktivität lieferten positive Daten: So führte ein dreimonatiges Trainingsprogramm bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit in der kardialen Rehabilitation zu einer signifikanten
42 %igen Reduktion der CRP-Spiegel im Vergleich zu einer Kontrollgruppe [37]. Das belegen auch die Daten aus dem
M.O.B.I.L.I.S-Programm, eine Intervention bei übergewichtigen
Patienten. Im Schnitt kam es zu einer 10 %igen Abnahme der Risikofaktoren Körpergewicht, Bauchumfang, Triglyzeride, Blutdruck und HbA1c sowie zu einer Anhebung des HDL-Cholesterins [38]. Auch die Entzündungsreaktion, gemessen anhand der
CRP-Spiegel wurde in einem vergleichbaren Umfang günstig beeinflusst.
Ursächlich für die positiven Auswirkungen körperlicher Aktivität auf die proinflammatorische Regulationslage ist zum einen
ein Effekt, der direkt in der beanspruchten Skelettmuskulatur
ansetzt. Die kontinuierliche muskuläre Beanspruchung führt dazu, dass im Sinne eines Trainings- und Adaptationseffekts weniger IL-6 aus der Muskelzelle freigesetzt wird. Akut sind die Werte erhöht, langfristig erniedrigt. Das funktioniert auch bei chronisch Kranken: In einer Studie mit etwa 20 Patienten, die an
schwerer Herzinsuffizienz litten, bewirkte körperliches Training
eine deutliche Erniedrigung der Freisetzung von TNF-alpha und
IL-6 [39].
Inaktivität führt zu einer Atrophie der Muskeln und zu einer verminderten Utilisation des Organs Muskulatur ± dies bewirkt
eine proinflammatorische Regulationslage zusammen mit einer
erhöhten Empfindlichkeit gegenüber freien Radikalen
" Abb. 4). Zum Beispiel ist die Konzentration der Superoxiddis(l
mutase deutlich erniedrigt. Dadurch wird das Risiko für chronisch-degenerative Erkrankungen, Arteriosklerose, Herzinsuffizienz oder Typ-2-Diabetes erhöht. Auf der anderen Seite steht
der antikatabole Funktionszustand, wenn das Organ Muskulatur
regelmäûig im Sinne körperlichen Trainings benutzt wird [16].
Dies geht mit einer verminderten Freisetzung proinflammatorischer Entzündungsmarker einher [40].
Es konnte jedoch auch gezeigt werden, dass bei Patienten mit
koronarer Herzkrankheit die Spiegel an Adhäsionsmolekülen
unmittelbar im Bereich des Endothels signifikant niedriger waren. Dies kann zur Spekulation Anlass geben, dass das Phänomen
nicht nur lokal in der Muskulatur stattfindet, sondern dass es
auch im Bereich der Arterien gezielt zu einer Adaptation kommt
[41].
Zum anderen ist die inverse Beziehung zwischen körperlicher
Aktivität und Entzündungskonstellation bei metabolischem
Syndrom in hohem Maûe über die Verringerung des Übergewichts zu erklären. Eine Reduktion der Fettmasse führt zu einer
Verbesserung der metabolischen Kompetenz der Adipozyten,
vor allem im abdominellen Bereich [16]. Hierdurch wird die proatherogene Entzündungslage durch Verringerung der Freisetzung proinflammatorischer Zytokine aus dem Adipozyten positiv beeinflusst [42, 43].
Zusammenfassung
!
Körperliche Inaktivität geht häufig mit einer gesteigerten systemischen Entzündungsreaktion einher. Der Anstieg der Entzündungsmarker ist positiv assoziiert mit einer erhöhten Morbidität
und Mortalität bei chronisch degenerativen Erkrankungen.
Demgegenüber haben erhöhte körperliche Aktivität und Fitness
einen positiven Effekt auf die Entzündungskonstellation.
Zur Verbesserung der metabolischen Fitness und Verbesserung
eines ungünstigen Stoffwechselprofils bei Übergewichtigen
wird ein regelmäûiger Energiemehrumsatz von etwa 1000 kcal/
Woche vorgeschlagen; dieser kann über 3 ± 4 Trainingseinheiten
mit einem Energiemehrverbrauch von ca. 350 kcal pro Einheit,
entsprechend einem Sauerstoffumsatz von etwa 70 Liter pro Belastungseinheit (z. B. eine Leistung von 100 Watt über 60 Minuten oder die Bewältigung einer Gehstrecke von ca. 4 km im ebenen Gelände bei einer Geschwindigkeit von 5 km/h) erreicht
werden [40]. Die Intensität sollte 60 ± 70 % der maximalen Leistungsfähigkeit betragen. Ergebnisse bei Übergewichtigen lassen
vermuten, dass auch bei geringer Trainingsdosierung messbare
Umstellungen im Stoffwechsel- und Krankheitsprofil möglich
sind.
Eine reduzierte Konzentration der Entzündungsmarker ist
höchstwahrscheinlich nicht nur eine Zytokinkosmetik, sondern
tatsächlich Ausdruck einer verbesserten Gesundheit im Sinne einer Reduktion definierter Risikofaktoren. Dieses Konzept bedarf
jedoch zwingend einer weiteren Absicherung durch kontrollierte Studien.
König D. Fitness ist Trumpf! ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S18 ± S22
S21
S22
Übersicht
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Übersicht
Gesunde Vielfalt der Natur
Antiinflammatorische und immunmodulatorische Wirkungen von Mikronährstoffen
und sekundären Pflanzenstoffen (SPS)
Healthy Variety of Nature
Anti-Inflammatory and Immunomodulatory Activity of Micronutrients and Secondary
Phytochemicals
Autor
B. Watzl
Institut
Institut für Physiologie und Biochemie der Ernährung, Max-Rubner-Institut, Bundesforschungsinstitut
für Ernährung und Lebensmittel, Karlsruhe
Schlüsselwörter
" Ernährungsmuster
l
" Entzündungsrisiko
l
" Betakarotin
l
" Flavonoide
l
" Vitamin D
l
Zusammenfassung
Abstract
Bestimmte Nahrungskomponenten können immunologische und Entzündungsprozesse modulieren. Epidemiologische Studien zeigen, dass
verschiedene Ernährungsmuster das Entzündungsrisiko beeinflussen. So erhöht eine typisch
westliche Ernährungsweise mit viel Fett und tierischen Lebensmitteln die Konzentration an Entzündungsmarkern im Blut. Dagegen ist eine primär pflanzlich betonte Ernährung mit einem geringeren Entzündungsrisiko assoziiert. Für bestimmte sekundäre Pflanzenstoffe wie Karotinoide und Flavonoide ist ein Einfluss auf das Immunsystem nachgewiesen. Humanstudien zeigen eine immunstimulierende Wirkung von
b-Karotin, die allerdings abhängig vom Nährstoffstatus der Probanden ist. Einige Vertreter
der Flavonoide haben in vitro und am Tiermodell
eine immunsuppressive und entzündungshemmende Wirkung gezeigt; für den Menschen liegen nur unzureichende Daten vor. Insgesamt ist
die gesundheitliche Bedeutung der Vielfalt der
sekundären Pflanzenstoffe kaum erforscht. Vitamin D hat ebenfalls eine Bedeutung für immunologische und antiinflammatorische Prozesse.
Some components of the diet can modulate immunological and inflammatory processes. Epidemiological studies demonstrate that different
diets influence the risk for inflammation. Thus, a
typical Western diet with high amounts of fat
and constituents of animal origin increases the
concentration of inflammatory markers in blood.
In contrast, a mainly vegetarian diet is associated
with a smaller risk for inflammation. For certain
phytochemicals e. g. carotenoids and flavonoids,
there is a proven effect on the immune system.
Studies in humans demonstrate an immunostimulating action of b-carotene which, however,
depends on the nutritional status of the subject.
In vitro and in animal models some flavonoids
have shown an immunosuppressive and anti-inflammatory action. There are insufficient data
about the effects in humans. In general the relevance for health of a variety of phytochemicals
has hardly been investigated. In addition, vitamin
D plays a role in immunological and anti-inflammatory processes.
Für eine normale und damit optimale Immunfunktion ist eine Ernährung notwendig, bei der
bestimmte Nährstoffe in bestimmten Mengen
aufgenommen werden. Extreme sind einerseits
die für unsere Gesellschaft typische Adipositas,
die zu einer erhöhten Empfindlichkeit gegenüber
Entzündungsreaktionen führt und bei der es zu
einer unerwünschten Aktivierung von Komponenten des Immunsystems kommt. Auf der anderen Seite steht die Fehlernährung mit einer mangelhaften Aufnahme an Nährstoffen wie Vitaminen, Mineralstoffen oder essenziellen Fettsäuren,
die zu einer Immunsuppression und erhöhten
Empfindlichkeit gegenüber den klassischen Infektionsauslösern führt.
Es gibt viele Ernährungskomponenten, die immunologische und inflammatorische Prozesse
beeinflussen können. Dazu gehören Energie, Fett,
Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente, Alkohol, Ballaststoffe, Prä- und Probiotika sowie sekundäre Pflanzenstoffe [1].
Key words
" pattern of diet
l
" risk for inflammation
l
" beta-carotene
l
" flavonoids
l
" vitamin D
l
Bibliografie
DOI 10.1055/s-2008-1067331
Aktuel Ernaehr Med 2008;
33, Supplement 1: S23 ± S27
Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart ´ New York ´
ISSN 1862-0736
Korrespondenzadresse
PD Dr. Bernhard Watzl
Institut für Physiologie und
Biochemie der Ernährung,
Max-Rubner-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ernährung
und Lebensmittel
Haid- und Neu-Straûe 9
76131 Karlsruhe
Tel.: 0721/6625410
Fax: 0721/6625404
[email protected]
!
!
Watzl B. Gesunde Vielfalt der Natur ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S23 ± S27
S23
S24
Übersicht
Ernährungsmuster beeinflusst
Entzündungsrisiko
!
Die Rolle der sekundären Pflanzenstoffe wird in unterschiedlichen Ansätzen erforscht. Ein Ansatz ist die Beobachtung, dass
verschiedene Ernährungsmuster mit dem Inflammationsrisiko
korrelieren. Drei aktuelle Studien lassen einen Zusammenhang
vermuten:
" Die erste Studie fand im Rahmen der Nurses Health Study mit
etwa 430 Frauen statt. Deren Ernährungsmuster wurden grob
eingeteilt in eine ¹Western Dietª mit hoher Fettaufnahme
und einem hohen Anteil an tierischen Lebensmitteln, und
eine ¹Prudent Dietª, eine gesunde, vernünftige Ernährungsweise mit einem hohen Anteil an Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten und Fisch. Die Daten zeigen, dass Frauen mit der
¹Western Dietª signifikant höhere Konzentrationen an typischen Inflammationsindikatoren im Blut hatten: Sowohl das
C-reaktive Protein (CRP) als auch bestimmte vom Endothel
gebildete Adhäsionsfaktoren waren signifikant erhöht [2].
" In der zweiten Studie, einer Querschnittsstudie mit etwa
5000 Personen, wurden Ernährungstypen identifiziert und
anschlieûend die Korrelation mit dem Inflammationsrisiko
betrachtet. Auch hier hatten die Probanden mit einem höheren Anteil an Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten und Fisch und
einer geringeren Aufnahme an Fleisch und Weiûmehlprodukten niedrigere Konzentrationen an Entzündungsmarkern
im Blut [3].
" Bei der dritten Studie mit 430 iranischen Lehrerinnen wurde
der Gemüse- und Obstverzehr erfragt und quantifiziert. Anschlieûend wurde beobachtet, inwiefern der Verzehr mit
dem Vorhandensein bestimmter Entzündungsmarker korreliert. Im Vergleich zu einer niedrigen Obst- und Gemüseaufnahme waren die Entzündungsfaktoren im Blut bei einer hohen Obst- und Gemüseaufnahme um 30 ± 40 % reduziert [4].
Aus epidemiologischen Studien gibt es also klare Hinweise, dass
bestimmte Ernährungsmuster mit dem Vorhandensein höherer
Konzentrationen an Entzündungsmediatoren korrelieren. Auch
eine 64 Tage dauernde Interventionsstudie stützt diese Annahme. Dabei erhielt eine kleine Gruppe von Probanden vom 7. bis
zum 35. Tag täglich 280 g Kirschen zusätzlich zur normalen Ernährung. Infolgedessen sank das CRP signifikant um etwa 30 %.
Das zeigt, dass die normale Ernährung Substanzen enthält, die
metabolisch induzierte Entzündungsprozesse beeinflussen können [5].
Fazit: Die typische ¹Western Dietª geht mit einer höheren Blutkonzentration an Entzündungsmarkern wie CRP, IL-6 oder
TNF-a einher. Im Gegensatz dazu ist eine ¹Prudent Dietª mit einem geringeren Risiko für die akute Form metabolischer Entgleisungen assoziiert.
Sekundäre Pflanzenstoffe und Immunsystem
Effekte von sekundären Pflanzenstoffen
SPS
A
B
C
D
E
F
G
H
I
Karotinoide
Phytosterine
Saponine
Glukosinolate
Flavonoide
Phenolsäuren
Proteaseinhibitoren
Monoterpene
Phytoöstrogene
Sulfide
Phytinsäure
A= antikanzerogen
B=antimikrobiell
C =antioxidativ
D = antithrombotisch
E = Immunmodulation
F= entzündungshemmend
G=blutdruckbeeinflussend
H=cholesterinsenkend
I=blutglukosebeeinflussend
Abb. 1 Einige sekundäre Pflanzenstoffe wirken immunmodulatorisch
und antiinflammatorisch.
Karotinoide
!
In der Pflanzenwelt gibt es vermutlich über 700 verschiedene
Karotinoidstrukturen. Bei den in Mitteleuropa konsumierten Lebensmitteln findet man 30 bis 40 Karotinoide; im Blut sind etwa
10 bis 20 verschiedene Karotinoide nachweisbar. Typische Beispiele sind Lykopin, der rote Farbstoff der Tomate, oder b-Karotin, das die Orangefärbung in Karotten, Aprikosen oder Kürbissen bewirkt. Im Schnitt kann man von einer Aufnahme von
5 mg Karotinoiden pro Tag ausgehen.
In einer epidemiologischen Studie mit 652 Senioren wurde die
Infektionsresistenz in Zusammenhang mit der Plasmakarotinoidkonzentration untersucht [6]. Die konkrete Fragestellung
war, wie häufig Infektionen der Atemwege bei älteren Menschen
auftreten. Die Autoren haben sich auf b-Karotin konzentriert
und das Risiko bei Senioren mit niedriger b-Karotin-Plasmakonzentration gleich 1,0 gesetzt. Bei einer hohen Plasmakonzentration von 0,8 M ± die leicht erreichbar ist, wenn man die Empfehlungen der DGE einhält ± war das Risiko im Vergleich zu einer
niedrigen Plasmakonzentration um 29 % verringert. Somit liefert
auch diese Studie Hinweise, dass das Immunsystem mit der
Plasmakarotinoidkonzentration korreliert. Um sicherzustellen,
dass die Effekte auf b-Karotin und nicht auf Retinol basieren,
wurden auch die Retinolplasmakonzentrationen gemessen. Das
Ergebnis war, dass bei Retinol keine unterschiedliche Inzidenz
beobachtet wurde.
!
Man unterscheidet verschiedene Gruppen sekundärer Pflanzen" Abb. 1).
stoffe (l
Immunmodulatorische Effekte zeigen Karotinoide, Saponine,
Flavonoide, Phenolsäuren, Sulfide, Phytinsäure und Phytoöstrogene. Antiinflammatorisch wirken Karotinoide, Flavonoide, Phenolsäuren, Monoterpene und Sulfide.
Infektionsschutz durch b-Karotin?
!
Daten verschiedener Humanstudien belegen ebenfalls Effekte
von b-Karotin [7]. Supplementiert wurden 15 ± 300 mg b-Karotin. 15 mg liegen durchaus im Bereich normaler Ernährungsgewohnheiten ± im Schnitt liegt die Aufnahme der Gesamtkarotinoide zwar nur bei 5 mg pro Tag, von b-Karotin etwa bei 2 mg.
Ein Glas Karottensaft liefert jedoch bereits 10 mg b-Karotin ± es
ist also stark abhängig von den Ernährungsgewohnheiten, wie
Watzl B. Gesunde Vielfalt der Natur ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S23 ± S27
Übersicht
Humanstudien: Karotinoide
b-Karotin-Supplementierung (15 – 300 mg/d) erhöht:
· Anzahl und Funktionen von T-Lymphozyten
· Anzahl und Funktion von NK-Zellen
· spontane TNF-a-Sekretion von Monozyten
· Verhindert UV-bedingte Immunsuppression
Lykopin und Lutein (15 mg/d)
· keine Effekte auf Monozyten
· Lymphozyten?
Effekte sind abhängig von:
Karotinoid, Immunzelltyp, Dosis, Ernährungsstatus, Alter
Abb. 2 Immunmodulatorische Wirkungen von Karotinoiden beim Menschen.
viel Karotinoide aufgenommen werden. Die Studienergebnisse
zeigen, dass sich infolge der b-Karotin-Supplementierung die
Anzahl und Funktion von T-Lymphozyten sowie natürlicher Killerzellen erhöhte. Weiterhin wurde die spontane TNF-a-Sekretion von Monozyten stimuliert und eine UV-bedingte Immunsuppression verhindert. Eine Studie untersuchte die Effekte von
Lykopin und Lutein in einer ähnlichen Dosierung von 15 mg pro
Tag: Es zeigten sich keine Effekte auf Monozyten [7]. Zu den anderen Karotinoiden existieren praktisch keine Daten.
Die Humanstudien zur Wirkung der Karotinoide zeigen, dass es
karotinoid- und immunzelltypspezifische Effekte gibt
" Abb. 2).
(l
Allerdings spielen die Dosis und der Ernährungsstatus der Probanden eine Rolle: In Studien, die ohne Depletionsphase erfolgten, wurde keine Modulation des Immunsystems festgestellt.
Erst wenn der Supplementierung eine karotinarme Ernährungsphase vorangestellt wurde, konnte eine Modulation des Immunsystems nachgewiesen werden.
Zudem gibt es offenbar altersspezifische Effekte im Zusammenhang mit natürlichen Killerzellen: In der Physicians Health Study
wurde gezeigt, dass die Aktivität der natürlichen Killerzellen bei
Senioren der Placebogruppe abnahm. Bei den Senioren, die mit
b-Karotin supplementiert wurden, war der altersabhängige
Rückgang der Aktivität der natürlichen Killerzellen nicht feststellbar [8].
Die Karlsruher Karotinoidstudie wurde mit carotinoidreichen
Säften ± Karotten- oder Tomatensaft ± durchgeführt. Sie erfolgte
in einem parallelen Design mit zwei Gruppen. Nach einer zwei-
wöchigen Depletionsphase erhielten die Probanden 330 ml Tomaten- oder Karottensaft pro Tag ± eine Menge, die circa
30 ± 40 mg Lycopin oder b-Karotin liefert. Nach zwei Wochen
Saftintervention folgte eine Auswaschphase von zwei Wochen,
danach ein Überkreuzwechsel und zum Abschluss wieder eine
Depletionspase. Einer der vielen untersuchten Parameter war
Interleukin-2, ein Botenstoff des Immunsystems, der von T-Lymphozyten produziert wird und natürliche Killerzellen aktiviert,
die infolgedessen ihrer lytischen Funktion besser nachkommen.
Die Plasmakonzentration der beiden Gruppen im Studienverlauf
zeigt, dass es während der Intervention unabhängig von der
Saftart zu einer signifikanten Zunahme der IL-2-Produktion
kam. In der nachfolgenden Depletionsphase nahm die IL-2-Produktion ab, in der zweiten Interventionsphase wieder zu [9].
Eine weitere Studie aus Karlsruhe stellte die Frage, welche Bedeutung die täglich konsumierte Menge an Obst und Gemüse
hat. Wie reagiert das Immunsystem, wenn man zwei, fünf oder
acht Portionen isst? Gemessen wurden unter anderem die Veränderungen beim CRP. Dieser unspezifische biochemische
Marker für Entzündungen kommt bei einer Akutinfektion normalerweise in Konzentrationen zwischen 100 ± 1000 mg/L vor.
Werte zwischen 1 und 3 mg/L bedeuten eine Verdoppelung des
Risikos für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und möglicherweise ist
ein erhöhtes CRP ein Indikator für bestimmte Krebsarten. Bekannt war, dass es eine inverse Korrelation zwischen der Aufnahme von Gemüse und Obst und der CRP-Konzentration gibt.
Aber es gab bis dato noch keine Information aus einer Interventionstudie. In der Studie aûen die 63 Probanden zunächst vier
Wochen lang täglich zwei Portionen Obst und Gemüse, dann
wurden sie in drei Gruppen aufgeteilt: Eine Gruppe aû weiterhin
zwei, die zweite Gruppe fünf, die dritte Gruppe acht Portionen.
Neben der Zunahme der Gesamtkarotinoide waren Veränderungen beim CRP feststellbar: Bei den Probanden, die acht Wochen
lang nur zwei Portionen gegessen hatten, kam es zu einer starken Zunahme des CRP [10]. Signifikante Korrelationen waren lediglich für b-Karotin und a-Karotin feststellbar, nicht aber für
andere Karotinoide oder für Vitamin C. Möglicherweise existieren antiinflammatorische Effekte, die aber nur für einzelne Karotinoide gültig sind. Da beide Karotinoide zusammen hauptsächlich in Karotten vorkommen, könnten auch andere Karotteninhaltsstoffe für diese Effekte verantwortlich sein. Über mögliche
Mechanismen ist nichts bekannt.
Die wichtigsten Verbindungsklassen der Flavonoide
Verbindung
Vorkommen
Eigenschaft
Anthozyane
Malvidin, Zyanidin
Heidelbeere,
blaue Traube
rotblaue
Farbpigmente
Rotwein, Tee,
Apfel, Schokolade
adstringierende
Wirkung
Flavanone
Naringenin, Hesperidin
Grapefruit,
Orange
Bitterstoffe
Flavone
Apigenin, Chrysin
Sellerie,
Paprika
hellgelbe
Farbpigmente
Flavonole
Quercetin, Kaempferol
Zwiebel,
Apfel
hellgelbe
Farbpigmente
Flavanole
EC, C, EGCG
83,5 % der
Flavonoide
Abb. 3 Die meisten Flavonoide stammen aus der
Gruppe der Flavanole.
Watzl B. Gesunde Vielfalt der Natur ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S23 ± S27
S25
Übersicht
90
n=7437
80
70
Abb. 4 Die Vitamin-D-Plasmaspiegel sind den
gröûten Teil des Jahres zu niedrig [18] (aus: Hyppönen u. Power, AJCN 2007, mit freundlicher Genehmigung von American Society for Nutrition).
60
50
40
30
20
2002
2003
Time of measurement (mo)
Flavonoide
!
Flavonoide sind sekundäre Pflanzenstoffe, die man u. a. als Farbstoffe kennt. Beispiele sind Anthocyane in Kirschen, Flavanole im
" Abb. 3).
grünen Tee, Catechine, Flavonole oder Flavanone (l
Die Gruppe der Flavonole ist für die Immunwirkungen besonders gut untersucht. Zahlreiche Publikationen belegen die entzündungshemmende Wirkung der Flavonoide [11]. Bei fast allen
Studien handelt es sich um In-vitro-Studien; es gibt sehr wenige
Arbeiten am Tiermodell und noch kaum Daten aus Humanstudien. Neue Untersuchungen aus den USA zeigen, dass etwa 83 %
der aufgenommenen Flavonoide aus der Gruppe der Flavanole
stammen [12]. Diese Vertreter kommen in Schokolade, Rotwein,
Tee oder ¾pfeln vor. Gut untersucht ist das Quercetin ± es gibt
Hinweise auf eine immunsuppressive, antiinflammatorische
Wirkung [13 ± 15]. Die Modulation der Immunzellen durch Curcumin, in Gelbwurz und Curry enthalten, wurde ebenfalls intensiv untersucht. Es zeigt inhibitorische Effekte auf B- und T-Zellen, hemmt Immunfunktionen sowie verschiedene Enzymsysteme, die die immunregulatorischen Wirkungen mitbedingen
[16].
Das Wissen über die Wirkmechanismen der sekundären Pflanzenstoffe auf zellulärer Ebene ist begrenzt. Zwar sind verschiedene regulatorische Prozesse bekannt, in die sekundäre Pflanzenstoffe eingreifen können. Da aber alle Studien mit Einzelsubstanzen durchgeführt wurden, ist unbekannt, was bei der gleichzeitigen Aufnahme vieler verschiedener Karotinoide und Flavonoide geschieht. Was in der Summe an pro- und antiinflammatorischen Effekten ausgelöst wird, ist bislang in keinem experimentellen System erfassbar.
Mikronährstoffe: Vitamin D und Immunsystem
!
March
February
January
December
November
October
September
August
July
June
May
April
March
February
January
December
November
0
October
10
September
Serum 25-hydroxyvitamin D (nmol/L)
S26
2004
heute erhalten Säuglinge in den ersten Lebensmonaten Vitamin
D. Für Erwachsene gibt es aber praktisch keine Vitamin-D-Versorgung über Supplemente und die einzige Vitamin-D-Quelle
unter den Lebensmitteln sind fettreiche Fische: Schon 20 g Hering pro Tag decken den Tagesbedarf an Vitamin D.
Kaum jemand isst jedoch regelmäûig fettreichen Fisch. Die Konsequenz ist, dass die Vitamin-D-Aufnahme zumindest im Winter
extrem niedrig ist. Zudem wird derzeit diskutiert, ob die aktuellen Zufuhrempfehlungen für Vitamin D überhaupt ausreichend
sind. Ausgangspunkt hierfür sind die vermehrten wissenschaftlichen Hinweise, dass das Risiko für die Entstehung von Autoimmunerkrankungen, Dickdarmkrebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Parodontose, Knochenbrüche und Infekte mit einer
niedrigen Plasmakonzentration an Vitamin D invers korreliert.
Eine britische Studie mit über 7000 45-jährigen Probanden
zeigt, dass die als ausreichend betrachtete Vitamin-D-Konzentration in Höhe von 75 nmol/l [17] in den meisten Monaten des
" Abb. 4).
Jahres nicht erreicht wird (l
Fazit
!
Verschiedene Mikronährstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe
können das Immunsystem modulieren. Es ist relativ wenig über
das darmassoziierte Immunsystem bekannt und darüber, welche Prozesse mit sekundären Pflanzenstoffen und Mikronährstoffen in den Zielorganen ablaufen. Die Wirkmechanismen
sind nur teilweise erforscht, die Dosis-Wirkungs-Beziehung ist
gröûtenteils unbekannt. Die gesundheitliche Bedeutung der
Vielfalt der sekundären Pflanzenstoffe ist ebenfalls kaum erforscht. Vor dem Hintergrund dieser begrenzten Informationen
gilt die Empfehlung, eine ¹Prudent Dietª zu praktizieren, zu der
auch die Empfehlung von 5-am-Tag gehört. Sie bietet die Möglichkeit, Entzündungsprozesse positiv zu beeinflussen.
Vitamin D ist kein echtes Vitamin, weil der Mensch die letzten
Syntheseschritte in der Haut autark durchführt, Voraussetzung
ist jedoch eine ausreichende Intensität der Sonnenstrahlen. Es
wird zunehmend klar, dass die eigene Syntheseleistung für die
Versorgung in den Wintermonaten nicht ausreicht. Früher bekamen Kinder Lebertran im Winter, der sehr reich an Vitamin D ist,
Watzl B. Gesunde Vielfalt der Natur ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S23 ± S27
Übersicht
Literatur
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nationwide cohort study of dietary and lifestyle predictors. Am J Clin
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Watzl B. Gesunde Vielfalt der Natur ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S23 ± S27
S27
S28
Übersicht
Den Krebs bremsen?
Einfluss sekundärer Pflanzenstoffe auf die adipozytenstimulierte Proliferation von HT29-Zellen
How to Slow Down Cancer?
Influence of Secondary Plant Metabolites on the Adipocyte-Stimulated Proliferation
of HT29 Cells
Autor
T. Skurk
Institut
Else-Kröner-Fresenius-Zentrum für Ernährungsmedizin, Freising-Weihenstephan
Schlüsselwörter
" Adipositas
l
" Kolonkarzinom
l
" Leptin
l
" HT29-Zellen
l
" sekundäre Pflanzenstoffe
l
Zusammenfassung
Abstract
Adipositas ist mit einem erhöhten Risiko für Kolonkarzinome assoziiert. Das Fettgewebe sezerniert eine Reihe von biofunktionellen Faktoren,
sogenannte Adipokine. Diese führen unter bestimmten Bedingungen zu einem Wachstum von
HT29-Zellen. Z. B. wurde für Leptin eine proliferationsfördernde Wirkung beschrieben, die jedoch
in einem Modell mit der Verwendung von Fettzellüberständen nicht bestätigt werden konnte.
Vermutlich sezernieren Fettgewebszellen sowohl
proliferationsfördernde als auch proliferationshemmende Substanzen. Diverse sekundäre
Pflanzenstoffe scheinen proliferationshemmendes und damit tumorprotektives Potenzial zu besitzen.
Adiposity is associated with an increased risk for
colon cancer. Adipose tissue is secreting a variety
of factors, the so-called adipokines. Under particular conditions adipokines promote the growth
of HT29 cells. Leptin for example has a proliferating effect which could not be confirmed in experiments using supernatants of fat cells. It is assumed that cells from adipose tissue secrete substances which display promoting or inhibiting
characteristics. A variety of secondary plant
metabolites might inhibit proliferation and
hence could have tumour-protective potential.
Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO
zufolge gab es im Jahr 2005 weltweit circa 1,6
Milliarden übergewichtige Erwachsene, von denen mindestens 400 Millionen einen BMI von
über 30 haben und demnach als adipös gelten.
Das Problem wird sich künftig noch verstärken.
Nach Schätzungen der WHO werden im Jahr
2015 etwa 2,3 Milliarden Erwachsene übergewichtig und 700 Millionen adipös sein
(www.who.int/bmi/index.jsp). Bereits Kinder
sind betroffen: Weltweit gelten mindestens 20
Millionen Kinder unter 5 Jahren als übergewichtig.
Adipositas bringt viele Probleme mit sich. Dazu
gehören metabolische Störungen, kardiovaskuläre Risiken, Störungen des respiratorischen Systems wie das Apnoe-Syndrom, Probleme am Bewegungsapparat etwa Knorpelabnutzungen, psychosoziale Probleme mit einem vermehrten Auftreten von Depressionen, Gallensteine sowie ein
erhöhtes Risiko für Neoplasien.
Adipositas erhöht Risiko für
Kolonkarzinom
Key words
" adiposity
l
" colon cancer
l
" leptin
l
" HT29 cells
l
" secondary plant metabolites
l
Bibliografie
DOI 10.1055/s-2008-1067332
Aktuel Ernaehr Med 2008;
33, Supplement 1: S28 ± S30
Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart ´ New York ´
ISSN 1862-0736
Korrespondenzadresse
Dr. Thomas Skurk
Else-Kröner-Fresenius-Zentrum
für Ernährungsmedizin
Hochfeldweg 1
83530 Freising-Weihenstephan
Tel.: 08161/712001
Fax: 08161/712097
ernaehrungsmedizin@
wzw.tum.de
!
Skurk T. Den Krebs bremsen? ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S28 ± S30
!
!
Eine Erhebung aus 23 Ländern zeigt, dass die
Länder mit der höchsten Adipositasinzidenz
auch die höchste Neuerkrankungsrate an kolorektalen Karzinomen aufweisen [1]. Dass ein signifikanter Zusammenhang mit dem Übergewicht
besteht, lässt sich mittlerweile anhand von 8
Fallkontrollstudien belegen.
Adipositas ist durch eine Vermehrung der Fettgewebsmasse gekennzeichnet. Als endokrines Organ synthetisiert und sezerniert das Fettgewebe
eine Reihe von biologisch aktiven Substanzen,
" Abb. 1).
die Adipokine [2] (l
Darunter wurden zwei Faktoren identifiziert, die
potenziell proliferationsfördernd auf Kolonkarzinomzellen wirken: Leptin und Adiponektin [3, 4].
Dabei handelt es sich um sogenannte klassische
Adipokine, die fast ausschlieûlich in der Fettzelle
produziert werden. Leptin hat eine zytokinähnliche Struktur und es werden diesem Hormon entzündungsfördernde Eigenschaften nachgesagt.
Übersicht
Sekretionsprodukte von Adipozyten (Auswahl)
1,4
KAM mit proliferationsstimulierenden Effekten
n=11
1,2
***
Adiponektin
Leptin
Angiotensin
TNF-a
RANTES/CCL5
TGF-b
1,0
OD560 – 690 nm
IL-8/CXCL8
IFN-g
IP-10/CXCL10
IL-1b
MIP-1a/CCL3
IL-6
IL-18
0,8
0,6
0,4
MCP-1/CCL2
IL-10
alle KAM
n= 30
MIF
0,2
0,0
Abb. 1 Das Fettgewebe produziert und sezerniert eine Vielzahl von
Substanzen.
Adiponektin gilt dagegen als antiinflammatorisch. Daher war es
überraschend, dass es sich als proliferationsfördernd entpuppt
hat.
Neben Leptin und Adiponektin wurden jüngst weitere Zytokine
und Chemokine identifiziert, die Leukozyten ins Gewebe locken
und damit einen Zustand einer niedriggradigen Inflammation
bei Adipositas unterhalten [5, 6]. Eine chronische Entzündung
per se gilt auch als wesentlicher Trigger der Entartung von
Darmepithelzellen, was letztendlich zu intestinalen Tumoren
führen kann.
Leptin führt zur Proliferation von Karzinomzellen
!
Um den Zusammenhang zwischen Adipositas und Kolonkarzinom zu bestätigen, wurde Leptin auf HT29-Zellen gegeben. Bei
HT29-Zellen handelt es sich um eine Zelllinie eines humanen
Adenokarzinoms des Kolons. Bei einer Konzentration von 1 nanomolar kam es zu einer signifikanten Steigerung der Proliferation der HT29-Zellen. Das bedeutet: Ein rekombinantes Protein,
das aus Fettzellen sezerniert wird, führt in vitro zur Proliferation
von Karzinomzellen.
Diese Ergebnisse wurden mit Hilfe von Fettgewebsproben aus
abdominalen plastischen Operationen überprüft. Nach der Präparation stehen groûe, runde Fettzellen zur Verfügung, die verschiedene Faktoren sezernieren. Diese werden in einem Kulturmedium gehalten und gesammelt. Das Medium kann in Zellkulturen von Kolonkarzinomzellen eingesetzt werden, um zu beobachten, was in puncto Proliferation oder Apoptose geschieht:
Konditionierte Adipozytenmedien (KAM) führten bei einer Untergruppe zu einer signifikanten Steigerung der HT29-Zellproli" Abb. 2).
feration (l
Wahrscheinlich gibt es eine Subpopulation an Spendern mit der
Potenz, in Kolonkarzinomzellen eine Proliferation auszulösen,
während das Sekretionsmuster anderer Spender diese Wirkung
nicht aufweist.
Untersucht man nun Leptin in den konditionierten Medien,
steigt dessen Konzentration erwartungsgemäû im gesammelten
Medium abhängig vom BMI an. Jedoch nahm die Proliferation
der HT29-Zellen mit zunehmender Leptinkonzentration im
Medium tendenziell eher ab. Dieser überraschende Befund
KAM
Kontrolle
KAM
KAM
Kontrolle
KAM
Abb. 2 Einfluss von konditionierten Adipozyten-Medien (KAM) auf die
HT29-Zellproliferation.
scheint zu belegen, dass neben Leptin zusätzlich proliferationshemmende Substanzen im Fettgewebe vorhanden sein müssen.
Eine klinische Untersuchung bei Frauen zeigte eine negative Korrelation zwischen Körperfettmasse und dem BMI. Eine Erklärung könnte sein, dass Frauen mehr Hüftfett haben, das entsprechend mehr Leptin sezerniert. Daraus zu folgern, Leptin wirke
protektiv, ist jedoch eine noch zu bestätigende Hypothese.
In weiteren Untersuchungen konnte mit der Aktivierung des
MAP-kinasen Signaltransduktionsweges durch KAMs ein Mechanismus identifiziert werden, der möglicherweise für die Proliferation der Kulturzellen verantwortlich ist.
Hemmen sekundäre Pflanzenstoffe
die Proliferation?
!
Eine ganze Reihe von Substanzen gilt als proliferationshemmend:
" Epidemiologische Studien belegen einen protektiven Effekt
von Früchten und Gemüse auf die Karzinomentstehung [7].
" Polyphenole aus Himbeeren zeigen einen antikarzinogenen
Effekt auf In-vitro-Modelle für Kolonkrebs [8].
" Lignane reduzieren das Wachstum von SW480-Kolonkarzinomzellen [9].
" Phytinsäure vermindert die Ausbildung aberanter Krypten
in vitro und in vivo [10].
" Epidemiologische Studien identifizierten EGCG als sehr
potente antitumorigene Substanz [11].
" Eine höhere Zufuhr von Karotinoiden scheint mit einem
geringeren Kolonkarzinomrisiko assoziiert zu sein [12].
In eigenen Untersuchungen konnte bislang für die durch rekombinantes Leptin induzierte Zellproliferation von HT29-Zellen
kein eindeutiger Effekt für Betakarotin, EGCG oder Genistein
auf den Zellzyklus nachgewiesen werden. Auch beeinflussten
sie nur tendenziell die durch KAM induzierte Stimulation des
Zellwachstums. Allerdings sind diese Ergebnisse mit etwas Vorsicht zu genieûen, da die Fallzahl bei den relativ geringen Effekten (Stimulation der Proliferation ca. 25 %) noch gering ist.
Skurk T. Den Krebs bremsen? ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S28 ± S30
S29
S30
Übersicht
Fazit
!
Das Fettgewebe bzw. die Adipozyten können einen chronisch inflammatorischen Zustand induzieren oder unterhalten. Konditionierte Adipozytenmedien scheinen das Wachstum von
HT29-Zellen unter bestimmten Bedingungen zu stimulieren. Es
ist bekannt, dass selektionierte Adipokine das Wachstum von
HT29-Kolonkarzinomzellen stimulieren können. Leptin scheint
jedoch nicht das bestimmende Hormon zu sein. Bislang war nur
ein geringer Einfluss der untersuchten sekundären Pflanzenstoffe auf die KAM-vermittelte Zellproliferation festzustellen, die Effekte sind jedoch vom Spender abhängig. Es müssen noch weitere Wachstumsfaktoren in den Medien charakterisiert und identifiziert sowie weitere sekundäre Pflanzenstoffe untersucht werden. Als Empfehlung gilt, trotzdem weiterhin viel Obst und Gemüse zu essen ± es kann wahrscheinlich nicht schaden.
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Übersicht
Vorbeugen, Lindern oder gar Heilen?
Die gesicherten Effekte von Prä- und Probiotika
auf entzündliche Prozesse
Preventing, Alleviating, or even Curing?
The Proven Effects of Pre- and Probiotics on Inflammation
Autor
R. Meier
Institut
Medizinische Universitätsklinik, Abteilung für Gastroenterologie und Ernährung, Kantonsspital Liestal
Schlüsselwörter
" Präbiotika
l
" Probiotika
l
" antiinflammatorische Effekte
l
" Indikationen
l
Zusammenfassung
Abstract
Zwischen der Darmflora und dem intestinalen
Immunsystem besteht ein Gleichgewicht, das
durch Prä- und Probiotika positiv beeinflussbar
ist. Präbiotika stimulieren das Wachstum apathogener Keime im Darm und entfalten über
ihre Fermentationsprodukte, die kurzkettigen
Fettsäuren, antiinflammatorische Wirkungen.
Vor allem Butyrat führt zu einer Reduktion proinflammatorischer und gleichzeitig zu einer Stimulierung antiinflammatorischer Zytokine. Probiotika hemmen das Wachstum pathogener Bakterien, verhindern deren Anhaften an die Mukosa
und damit die Translokation. Probiotika reduzieren ebenfalls proinflammatorische und stimulieren antiinflammatorische Zytokine. Therapeutisch genutzt werden Prä- und Probiotika bei
chronisch entzündlichen Darmerkrankungen,
Durchfallerkrankungen, Reizdarm, Verstopfung,
in der Intensivmedizin und nach groûen Operationen.
There is an equilibrium between gut flora and the
intestinal immune system, which is positively
modifiable by pre- and probiotics. Prebiotics
stimulate the growth of apathogenic germs in
the intestine and promote via their fermentation
products ± short chain fatty acids ± an anti-inflammatory action. Butyrate in particular reduces
the concentration of pro-inflammatory cytokines
with a concomitant stimulation of anti-inflammatory cytokines. Probiotics inhibit both the
growth of pathogenic bacteria and their adhesion
on the mucosa and therefore the translocation.
Probiotics reduce pro-inflammatory and stimulate anti-inflammatory cytokines as well. Preand probiotics are used to treat inflammatory
bowel disease, diarrhea, irritable bowel disease
and obstipation. They are also used in intensive
care and after major surgery.
Ein reguliertes Immunsystem und eine intakte
Epithelbarriere sind entscheidend für die Gesundheit des Menschen. Der Organismus ist dauernd mit der Darmflora und von auûen zugeführten Antigenen konfrontiert.
Mit einer Anzahl von 1013 ± 1014 besitzt der
Mensch etwa 10-mal mehr Bakterien als Körperzellen insgesamt. Sie wiegen 500 g bis 1 kg und
setzen sich aus 500 verschiedenen Spezies zusammen. Über 90 % sind anaerobe Bakterien.
Zwischen der Flora und dem Wirt besteht eine
Lebensgemeinschaft mit gegenseitigem Nutzen.
Die ortsständige Flora ist individuell unterschiedlich und bleibt nach dem dritten Lebensjahr relativ konstant.
Man unterscheidet zwischen apathogenen Keimen, wie Bifidobakterien und Laktobazillen, und
pathogenen Keimen, wie Bakteroides, E. colis und
Clostridien. Solange die beiden Systeme im
Gleichgewicht sind, ist das Darmmilieu gesund
[1, 2].
Die Darmflora wird einerseits direkt von ihren
Bakterien kontrolliert, andererseits aber auch
durch verschiedene Produkte, die durch Stimulationen des Darmepithels freigesetzt werden. So
produzieren apathogene Keime Bakteriozine,
das sind antibakterielle Proteine, die bei pathogenen Keimen die Zellwandsynthese hemmen, die
bakterielle RNA und DNA zerstören und somit
das Überwuchern der pathogenen Keime im
Darm kontrollieren. Die im Darmepithel vorhandenen Paneth-Zellen produzieren Defensine,
ebenfalls mit dem Zweck, pathogene Keime zu
kontrollieren.
Zwischen den intestinalen Bakterien, dem Darmepithel und dem intestinalen Immunsystem fin-
Key words
" prebiotics
l
" probiotics
l
" anti-inflammatory effect
l
" indications
l
Bibliografie
DOI 10.1055/s-2008-1067333
Aktuel Ernaehr Med 2008;
33, Supplement 1: S31 ± S34
Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart ´ New York ´
ISSN 1862-0736
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. Remy Meier
Medizinische Universitätsklinik,
Kantonsspital Liestal
Rheinstraûe 26
4410 Liestal, Schweiz
Tel.: 0041/61/9252187
Fax: 0041/61/9252804
[email protected]
!
!
Meier R. Vorbeugen, Lindern oder gar Heilen? ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S31 ± S34
S31
S32
Übersicht
Bakterien und Tight junctions
Kontrolle
S. Dublin
Prävention mit
E. coli Nissle
Abb. 1 Pathogene Mikroorganismen können
Tight junctions zerstören. Das Probiotikum E. coli
Nissle 1917 kann dies verhindern (mit freundlicher
Genehmigung von The American Physiological
Society).
Otte et al., AJP 2004
den ständig Interaktionen statt. Eine wichtige Funktion zum
Schutze des Darms stellt das Epithel dar, welches mit einer
Schleimschicht überzogen ist.
Das intestinale Immunsystem ist enorm wichtig zum Erhalt eines gesunden Darms [3]. Hier spielen sowohl die angeborene
als auch die erworbene Immunabwehr eine wesentliche Rolle.
Das angeborene Immunsystem kann pathogene von apathogenen Keimen unterscheiden. Im Wesentlichen erfolgt dies über
spezifische Rezeptoren. Die Immunantwort wird durch die Bildung verschiedener pro- und antiinflammatorischer Mediatoren
(Zytokine) koordiniert.
Das Immunsystem arbeitet mit verschiedenen Zellen: Sehr
wichtig sind die im Epithel vorhandenen intestinalen Lymphozyten sowie die Paneth-Zellen, die Defensine bilden. Das erworbene Immunsystem besteht aus einem humoralen und zellulären Anteil. Bei der humoralen Abwehr bilden B-Lymphozyten
Antikörper (vor allem IgA) und bei der zellulären Abwehr wird
das Zytokinmuster mithilfe der T-Zellen moduliert.
Unterschied zwischen apathogenen
und pathogenen Keimen
!
Apathogene Keime translozieren kaum durch die Epithelzellen,
weil sie wenig Virulenzfaktoren haben. Pathogene Keime besitzen Virulenzfaktoren, etwa Toxine, die an das Epithel andocken,
Löcher bilden, sich Zugang zu den Epithelzellen verschaffen und
translozieren. Normalerweise sind Zellen durch Zellbrücken,
Tight junctions genannt, miteinander verbunden, die den Zellverbund für Toxine und Bakterien undurchlässig machen. Es
gibt aber Situationen, in denen Bakterien aufgenommen werden,
etwa durch hochspezifische M-Zellen. Pathogene Mikroorganismen (z. B. Salmonella Dublin) können Tight junctions durch ihre
Zytokine zerstören und somit einfacher in das Epithel eindringen. Werden die Zellen dagegen mit dem Probiotikum E. coli
Nissle 1917 versetzt und anschlieûend mit Salmonella Dublin in" Abb. 1) .
fiziert, bleiben die Tight junctions erhalten [4] (l
Es sollte folglich eine Situation herrschen, die ein bakterielles
Andocken an das Epithel und anschlieûendes Translozieren verhindert [5, 6]. Gelangen Bakterien ohne Toxine durch das Epithel,
werden sie von antigenpräsentierenden Zellen erkannt, die wiederum verschiedene Zellen stimulieren oder hemmen können.
Bestimmte Bakterienbestandteile der Zellwände, sogenannte Lipopolysaccharide oder Peptidoglykane, können auûerdem direkt an Toll-like- oder NOD-Rezeptoren binden. Resultat ist eine
Präbiotika (Fasern)
· nichtlösliche Fasern
· lösliche Fasern
– Pektin
– Agar
– Guar
– Oligosaccharide (Präbiotika)
(Inulin, FOS, GOS)
Abb. 2 Präbiotika fördern das Wachstum apathogener Keime und entfalten antientzündliche Wirkungen.
Stimulation des intrazellulären Transkriptionsfaktors NF-kB, der
die Produktion proinflammatorischer Zytokine anregt.
Je nach Situation reagiert der Darm mit einer Toleranz oder einer
Entzündung [7]:
" Toleranz ist dann der Fall, wenn luminale Bakterien nicht an
das Epithel andocken können und das Immunsystem nicht
negativ stimulieren können. Wenn die Mukosa intakt und das
Immunsystem reguliert ist, entsteht eine antiinflammatorische T-Zellantwort und entsprechende Zytokine wie IL-10
werden gebildet.
" Wenn die Mukosa durchlässig ist, können Bakterienbestandteile an die dendritischen Zellen andocken oder T-Zellen stimulieren. Bei einer Dysregulation kommt es zu einer proinflammatorischen Antwort und zu einer Entzündung, indem
proinflammatorische Zytokine, wie IL-1, IL-12 oder TNF-a
gebildet werden.
Wirkmechanismen von Präbiotika
!
Präbiotika sind spezifische lösliche Fasern. Klassische Vertreter
sind die Oligosaccharide, zu denen Inulin, Frukto- oder Galakto" Abb. 2).
oligosaccharide gehören [8 ± 12] (l
Präbiotika werden im Dickdarm von den ansässigen Bakterien
fermentiert. Die Vergärungsprodukte, die kurzkettigen Fettsäuren, stimulieren apathogene Bakterien in ihrem Wachstum, regulieren die Flüssigkeitsbilanz im Dickdarm und haben protektive Effekte [13 ± 15]. Zu den kurzkettigen Fettsäuren zählen vor
allem Butyrat, Azetat und Propionat.
Viele Studien belegen die antientzündliche Wirkung dieser Fettsäuren: Sie haben einen Effekt auf die Regulation der Genexpression für ICAM-1 und E-Selektin in Endothelzellen. Dadurch
kommt es zu einer Herabregulierung der entzündlichen Ant-
Meier R. Vorbeugen, Lindern oder gar Heilen? ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S31 ± S34
Übersicht
wort. Kurzkettige Fettsäuren spielen auûerdem in der Arachidonkaskade eine Rolle: Sie können durch eine Reduktion der
COX-2-Expression inflammatorische Prostaglandine, wie PGE2,
vermindern. Des Weiteren bewirken sie eine Reduktion der NFkB-Expression. Butyrat blockiert den NF-kB-Weg und hemmt somit die Bildung proinflammatorischer Zytokine. Gleichzeitig
wird das antiinflammatorische Zytokin IL-10 stimuliert. Damit
wirkt Butyrat dual: Die proinflammatorische Achse wird gehemmt, die antiinflammatorische Achse stimuliert. Butyrat
führt zudem zu einer Reduktion der von den Lipopolysacchariden stimulierten TNF-a-Sekretion. Die antientzündliche Wirkung von Butyrat wurde in mehreren In-vitro-Studien bestätigt.
Andoh und Mitarbeiter untersuchten in einer Studie den Effekt
auf die TNF-a-induzierte IL-8-Sekretion an HT29-Zellen. Bei einer Stimulation von TNF-a kam es zu einer positiven Antwort;
die Zugabe von Butyrat in steigender Dosierung hemmte die IL8-Sekretion deutlich [16].
Butyrat beeinflusste auch in vitro die proinflammatorische Zytokinproduktion in intestinalen Biopsien bei Crohnpatienten:
TNF-a ist einer der Hauptmediatoren bei Morbus Crohn. Die dosisabhängige Zugabe von Butyrat verminderte die antiinflammatorische Antwort durch eine Reduktion von TNF-a [17]. Bei
chronisch entzündlichen Darmerkrankungen ist aber die klinische Wirkung bei einer alleinigen Gabe von kurzkettigen Fettsäuren nicht sehr ausgeprägt.
Probiotika vertreiben pathogene Keime
!
Probiotika sind lebende Mikroorganismen, die spezifische gesundheitsfördernde Effekte ausüben [18]. Ein Probiotikum muss
bestimmte Anforderungen erfüllen: Es sollte eine natürliche
apathogene Komponente der Darmflora sein und den MagenDarm-Trakt bis in den Dickdarm ohne Veränderung passieren.
Auûerdem sollte es eine hohe Haftfähigkeit an das Epithel besitzen. Schon 1908 hat Ilja Menschnikoff den Nobelpreis für seine
bahnbrechenden Arbeiten über die Beschaffenheit der Darmflora erhalten [19].
Allgemein finden sich probiotische Bakterien wie Laktobazillen
und Bifidobakterien heute in Lebensmitteln. Spezielle Bakterien,
für die es spezifische klinische Studien gibt, sind E. coli Nissle
1917, Enterokokken oder Bakterienkombinationen wie zum Beispiel das VSL#3 mit acht verschiedenen Probiotika.
Probiotika können verschiedene positive Mechanismen im Darm
beeinflussen [20 ± 22]. Sie verstärken die Schleimbildung im
Darm und somit die Darmbarriere. Durch die Fähigkeit, Bakteriozine zu produzieren und die Anregung zur Defensinsekretion
wird das Wachstum pathogener Keime kontrolliert. Probiotika
wirken auch über die Stimulation der Sekretion von IgA, das pa" Abb. 3 ).
thogene Keime im Darm unschädlich macht [23] (l
Werden Probiotika eingenommen, gelangen sie in den Darm und
lagern sich an die Mukosa an. Damit verhindern sie das Andocken pathogener Keime und deren Translokation in die Mukosa.
Die antientzündlichen Effekte der Probiotika basieren auf verschiedenen Mechanismen: Eine wesentliche Eigenschaft ist die
Modulation der Entzündungsmediatoren sowie die Stimulation
der Phagozytose von Keimen, die ins Epithel eindringen. Probiotika beeinflussen viele Faktoren, welche eine Entzündung im
Darm hemmen. Sie stimulieren die Defensine, Bakteriozine,
und senken den luminalen pH-Wert. Dies hemmt das Überwuchern von pathogenen Keimen im Darm [24, 25]. Im Weiteren
werden die antientzündlichen Mechanismen mit der Produktion
Darmbarriere
Bakteriocine
apathogene Bakterien
Schleim
slgA
M cell
Defensine
IgA
s
Bacterial sensin
by epithelium
g
Macrophages
T and B
cells
Peyer‘s
patch
Dendritic
cell
Intraepithelial
lymphocyte
Plasma
cell
CD4
cells
IL-10
Regulatory
t cell
TGF-b
IFN-g
Lamina propria
Abb. 3 Probiotika stärken die Mukosabarriere (modifiziert nach
Macdonald und Monteleone, Science 2005).
von IL-10 und TGF-b und Hitzeschockprotein verstärkt und
gleichzeitig die inflammatorischen Zytokine wie TNF-a und
IFN-g reduziert [26, 27].
Eine Studie untersuchte die bakterielle Adhäsion an die Mukosa
in Abhängigkeit von der IgA-Bildung: Je mehr IgA vorhanden ist,
desto weniger pathogene Keime können andocken [28]. Probiotika wirken also, indem sie die intestinale Barriere stärken, somit
das Eindringen von pathogenen Keimen verhindern und die proinflammatorische Kaskade reduzieren.
Den antientzündlichen Effekt von Probiotika auf NF-kB-Ebene
belegt eine Arbeit mit intestinalen Epithelzellkulturen. Werden
diese mit TNF-a stimuliert, entsteht viel NF-kB. Gibt man das
Probiotikumgemisch VSL#3 dazu, erfolgt eine geringere Stimulation [29].
Eine weitere Arbeit bestätigt diese Ergebnisse: Sie untersuchte
die Effekte von VSL#3 auf die TNF-a-Produktion bei Mäusen,
die kein IL-10 bilden können. Basal und mit LPS stimulierte Zellen verursachten eine Entzündung mit einer erhöhten Bildung
von TNF-a. Die Zugabe des Probiotikumgemisches VSL#3 führte
zu einer signifikanten Reduktion von TNF-a [30]. Es konnte gezeigt werden, dass nicht nur lebende Probiotika wirksam sind,
sondern bereits deren DNA. Dies belegt eine Studie, in der die
IFN-g-Sekretion durch bakterielle DNA im Dickdarm gehemmt
werden konnte [31].
Indikationen für Prä- und Probiotika
!
Aufgrund der gezeigten verschiedenen Eigenschaften der Präund Probiotika wären diese interessant bei verschiedenen gastrointestinalen Erkrankungen.
Es gibt sehr viele Grundlagenstudien aber leider nur wenige gute
klinische Arbeiten.
Prä- und Probiotika können heute aufgrund von klinischen Studien bei folgenden Erkrankungen eingesetzt werden:
" Colitis ulcerosa zur Rezidivprophylaxe
" Pouchitis zur Prävention und Rezidivprophylaxe
" Durchfallerkrankungen zur Therapie und Prophylaxe
(insbesondere antibiotikainduzierte Durchfälle)
Meier R. Vorbeugen, Lindern oder gar Heilen? ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S31 ± S34
S33
S34
Übersicht
Reizdarm zur Stuhlregulation und der Beeinflussung von
Blähungen.
Interessant sind Prä- und Probiotika bei intensivmedizinischen
Patienten und bei groûen Operationen wie Lebertransplantationen und Tumoren. Postoperative Komplikationen können durch
die Gabe von Probiotika vermindert werden.
Es gibt auch eine Reihe von anderen Bereichen, in denen die präventive und therapeutische Wirkung von Prä- und Probiotika
(z. B. Strahlentherapie, allergische Erkrankungen) untersucht
wird.
"
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Meier R. Vorbeugen, Lindern oder gar Heilen? ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S31 ± S34
Übersicht
Wenn Getreide krank macht
Zöliakie ± Pathogenese und Möglichkeiten der
Ernährungstherapie
When Cereals Cause Disease
Celiac Disease ± Pathogenesis and Potential for Dietary Treatment
Autor
K.-P. Zimmer
Institut
Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Gieûen
Schlüsselwörter
" Zöliakie
l
" Prävalenz
l
" Pathogenese
l
" Diagnose
l
" Prävention
l
Zusammenfassung
Abstract
Die Zöliakie ist eine Autoimmunkrankheit, die
auf einem Versagen der oralen Toleranz gegenüber Weizen, Roggen, Gerste und Hafer beruht.
Es kommt zu einem T-Zell-vermittelten chronisch entzündlichen Prozess, der sich gegen das
Dünndarmgewebe richtet und mit einer Atrophie
der Darmzotten einhergeht. Auslöser sind Peptide, die bei der enzymatischen Spaltung von Gliadin entstehen. Die Prävalenz beträgt bis zu 1 %
der Bevölkerung. Zur Manifestation ist neben einer genetischen Komponente ein weiterer Trigger notwendig. Die Zöliakie kann neben dem
Darm auch andere Organe betreffen, etwa die
Haut, Leber, Bauchspeicheldrüse, Gehirn und
Herz. Die vielen Formen der Zöliakie ± atypische,
oligo- oder asymptomatische ± erschweren die
Diagnose. Unter Einhaltung einer lebenslangen
strikten glutenfreien Diät bleiben die Patienten
symptomfrei. Offenbar wirken sich kleine Mengen von Gluten am Ende der Stillzeit positiv aus
und können möglicherweise eine Zöliakie verhindern.
Celiac disease is an autoimmune disease which is
based on an impaired oral tolerance against
wheat, rye, barley, and oat. This triggers a T-cell
mediated chronic inflammatory process which is
directed against tissue of the small intestine resulting in atrophy of intestinal villi. This is caused
by peptides derived from enzymatic cleavage of
gliadin. The prevalence in the general population
is up to 1 percent. A genetic predisposition and
an additional trigger are necessary for the manifestation of the disease. Apart from the gut, celiac
disease can affect other organs, e.g. skin, liver,
pancreas, brain, and heart. There are various
forms of celiac disease ± atypical, oligosymptomatic, or asymptomatic ± which hamper diagnosis. Patients suffer no symptoms if they adhere to
a gluten-free diet. There is some evidence that
small amounts of gluten at the end of lactation
might prevent celiac disease in the offspring.
Der Mensch verdankt dem Getreide nicht nur Genuss, sondern auch die Zivilisation ± denn mit
der Möglichkeit, ein solch energiereiches Produkt
zu lagern, konnte er sich in Städten niederlassen.
Von Mesopotamien ausgehend, verbreitete sich
Weizen über Europa und Nordamerika.
Es würde dem Gesunden schwerfallen, auf Getreideprodukte zu verzichten ± doch genau das
müssen Zöliakiepatienten tun. Die Zöliakie war
bereits bei den alten Griechen bekannt. Bevor
man sie behandeln konnte, hatte sie eine fast
60 %ige Letalität. Das zeigt das Beispiel von Kindern in London kurz vor dem 2. Weltkrieg, wenige Jahre bevor ein Kinderarzt in Utrecht entdeckte, dass Brot die Krankheit auslöst. Er stellte fest,
dass es während der Brotrationierung zur Zeit
der deutschen Besatzung vielen Kindern mit
Durchfall deutlich besser ging. 1944, als die Amerikaner das Land befreiten und Brot verteilten,
wurden die Kinder wieder krank.
Zöliakie war die erste Erkrankung, die durch eine
gezielte diätetische Maûnahme komplett behandelbar war. Sämtliche akuten und späten Komplikationen sind mit dieser Diät vermeidbar. Allerdings muss sie lebenslang verabreicht werden.
Das heiût, seit den 40er-/50er-Jahren hat sich die
Standardtherapie dieser Erkrankung nicht verändert.
Key words
" celiac disease
l
" prevalence
l
" pathogenesis
l
" diagnosis
l
" prevention
l
Bibliografie
DOI 10.1055/s-2007-986419
Aktuel Ernaehr Med 2008;
33, Supplement 1: S35 ± S38
Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart ´ New York ´
ISSN 1862-0736
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. Klaus-Peter Zimmer
Zentrum für Kinderheilkunde
und Jugendmedizin,
Universitätsklinikum Gieûen
Feulgenstraûe 12
35385 Gieûen
Tel.: 0641/9943411
Fax: 0641/9943409
klaus-peter.zimmer@
paediat.med.uni-giessen.de
!
!
Zimmer K-P. Wenn Getreide krank macht ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S35 ± S38
S35
S36
Übersicht
Keine Stoffwechselkrankheit, sondern Entzündung
Häufigkeit
!
In vielen Lehrbüchern steht noch, dass Zöliakie eine Stoffwechselerkrankung ist. Das ist falsch. Herr Heubner, der erste Kinderarzt mit einem Lehrstuhl für Pädiatrie in der CharitØ, hat schon
um 1900 festgestellt, dass Zöliakie eine Entzündung ist. Sie ist
die erste entdeckte und am besten erforschte Darmentzündung.
In den USA stieû die Zöliakie bis vor 10 ± 15 Jahren auf kein groûes Interesse. Das änderte sich, als ein italienischer Arzt nach
Baltimore ging und in den Seren von Blutspendern nach zöliaktietypischen Antikörpern suchte. Er stellte fest, dass auch in den
USA etwa 1 % der Bevölkerung an Zöliakie leidet. Zöliakie zählt
zu den zehn Krankheiten, die die ¾rzte am häufigsten übersehen
± eine Tatsache, die möglicherweise auch für Deutschland gilt.
" Abb. 1).
Die Prävalenz der Zöliakie wird bis zu 1 % geschätzt (l
Jedoch haben nur 10 bis maximal 40 % dieser Menschen die klassische Zöliakie. Voraussetzung für die Entwicklung der Erkrankung ist eine genetische Veranlagung. 75 % der Bevölkerung haben diese Veranlagung nicht und können folglich auch keine
Zöliakie entwickeln. Doch auch die restlichen 25 % mit der Veranlagung müssen nicht unbedingt eine Zöliakie entwickeln. In
der Tat erkrankt der gröûte Teil trotz genetischer Veranlagung
nicht. Die Ursachen sind bis heute unbekannt.
Bei Menschen, die eine Zöliakie entwickeln, kommt es zu einem
Versagen der oralen Toleranz gegenüber Getreideprodukten. Die
genetische Analyse ist sehr präzise: Man weiû genau, welche genetischen Marker nötig sind und kann molekulargenetisch charakterisieren, ob sich die Merkmale in cis- oder trans-Position
befinden. Wenn sie sich in cis befinden, ist auch das Risiko für
Diabetes Typ 1 erhöht. 95 % der Zöliakiepatienten in Europa ha" Abb. 2).
ben den DQ2-Marker, 5 % den DQ8-Marker [1] (l
Pathogenese
!
Das Wissen über die Proteinstrukturen im Getreide hat sich positiv entwickelt: Eine groûe Rolle spielt ein Peptid, das aus 33
Aminosäuren zusammengesetzt ist und im Darm durch enzymatische Spaltung aus alpha-Gliadin gebildet wird. Dieses Peptid ist reich an Glutamin und Prolin und hat eine hohe Affinität
zu dem Enzym Transglutaminase, das von Endothelien, Fibroblasten und Leukozyten in der Darmschleimhaut freigesetzt
wird. Durch dessen Aktivität entsteht Glutaminsäure, die wesentlich antigener als Glutamin wirkt [2].
Proline sind ubiquitär im Getreide vorhanden und relativ schwer
zu verdauen. Der Mensch besitzt relativ wenige Enzyme, um
Proline zu spalten. Daraus ist die Idee entstanden, ähnlich wie
bei der Mukoviszidose eine Enzymtherapie entwickeln. Allerdings handelt es sich bei der Mukoviszidose um eine Stoffwechselerkrankung, bei der Zöliakie dagegen um eine entzündliche
Erkrankung, die durch geringste Mengen Getreide ausgelöst
werden kann.
Die Peptidanteile, welche die toxischen Reaktionen verursachen,
sind inzwischen genau bekannt. Synthetisiert man zum Beispiel
das Peptid 31 ± 49 und gibt es Zöliakiekranken zu essen, kann
man die Entzündung im Darm provozieren [3]: Die Patienten
werden krank. Aufgrund dieser Analysen entstand die Idee, einen künstlichen Weizen herzustellen, der die toxischen Sequenzen nicht enthält. Allerdings wurden beim Versuch einer Synthese noch viele weitere toxische Sequenzen entdeckt; wahrscheinlich ist es nicht möglich, einen künstlichen Weizen herzustellen, der die Backqualität und andere wichtige Eigenschaften
· schwere Verlaufsform
· schwächere,
atypische Verlaufsform
10%
90%
Häufigkeit (international)
0,5 – 1 %
der Bevölkerung
Zöliakie: eine Volkskrankheit!
Abb. 1 Bei den meisten Zöliakiepatienten zeigt sich die Krankheit nicht
klassisch, sondern in einer schwächeren oder atypischen Verlaufsform.
Entstehung der Zöliakie:
Versagen der oralen Toleranz: Weizen, Roggen, Gerste, Hafer
Darmoberfläche
= Tennisplatz
= Neuanlage alle
drei Tage
· erbliche Veranlagung
(DQ2/DQ8)
Zotten
Zotten
· zusätzlicher Faktor?
(Infektion: Adenovirus, Candida, Rotavirus)
· Zufuhr von Getreide
(Weizen, Roggen, Gerste, Hafer)
Konsequenz: Zottenverlust
Mangel an:
Proteinen
Kohlenhydraten
Fetten
Vitaminen
Spurenelementen
„Darmepithelzelle“
Abb. 2 Bei Zöliakiepatienten versagt die orale Toleranz gegenüber Getreideprodukten.
hat. Das Projekt ruht deshalb momentan. Man weiû, dass an bestimmten Stellen der toxischen Peptide Glutamin vorkommt.
Gliadin muss in die Taschen der antigenpräsentierenden Zellen
passen ± und es passt wesentlich besser, wenn die Transglutaminase Glutamine in Glutaminsäure verwandelt. Wenn das Gliadin
in der Tasche des DQ2-Epitops ist, treten T-Zell-Lymphozyten in
Aktion und führen zur Produktion von Interferon-Gamma.
Fazit
!
Bei der Zöliakie liegt ein Versagen der oralen Toleranz gegenüber
Weizen, Roggen, Gerste und Hafer vor. Allerdings ist Hafer in der
Diskussion; in Finnland wurde festgestellt, dass Hafer weniger
toxisch als die anderen Getreidesorten wirkt. Doch gibt es viele
experimentelle Hinweise, die zeigen, dass Hafer in groûen Mengen toxische Effekte auslöst. Zur Manifestation der Krankheit ist
neben der erblichen Belastung noch ein zusätzlicher Trigger notwendig. Das kann zum Beispiel eine Infektion mit Adenoviren,
Candida albicans oder Rotaviren sein. In der Konsequenz gehen
die für die Resorption von Nährstoffen notwendigen Zotten verloren; es kann zu Mangelsituationen an Proteinen, Kohlenhydraten, Fetten, Vitaminen und Spurenelementen kommen.
Symptome und Diagnose
!
Typische Symptome der Zöliakie sind Durchfall, Erbrechen, Gewichtsabnahme, ein ausladender Bauch, Wachstumsstörungen,
Bauchschmerzen und ein zierliches subkutanes Fettgewebe mit
dem ¹Tabaksbeutelgesäûª [4]. Auûerdem können Hauterschei-
Zimmer K-P. Wenn Getreide krank macht ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S35 ± S38
Übersicht
nungen auftreten wie die Dermatitis herpetiformis, die bei Erwachsenen öfter als bei Kindern vorkommt. Diese Patienten haben normalerweise weniger Darmsymptome, jedoch das juckende Exanthem, vor allem an den Streckseiten. Es gibt verschiedene Manifestationen, etwa Veränderungen an den Zähnen oder
Epilepsie bei Kindern. Auch in diesen Fällen hilft eine glutenfreie
Ernährung etwa die Epilepsie zu bessern.
In den letzten Jahren wurde erkannt, dass die Zöliakie nicht nur
den Darm, sondern fast alle Organe betreffen kann: Haut, Leber,
Gehirn, Bauchspeicheldrüse und auch das Herz. Teilweise profitierten Patienten etwa mit Kardiomyopathien oder Leberversagen von einer glutenfreien Ernährung und mussten nicht mehr
zur Herz- oder Lebertransplantation vorbereitet werden [5].
Wie positiv sich eine glutenfreie Ernährung auswirken kann,
zeigt das Beispiel eines 7-jährigen Mädchens. Es hatte keine
Darm- oder Bauchsymptome, litt aber unter blutigem Husten,
hatte einen Hb-Wert von nur 3,8 und eine stark geschwächte
Lungenfunktion. Im Bronchialsekret wurden Makrophagen festgestellt, in denen Eisen abgelagert war. Die Antikörper im Blut
zeigten das klassische Bild der Zöliakie: Man sieht den Endomysiumantikörper und in der Biopsie eine ausgeprägte Zottenatrophie. Als das Mädchen glutenfrei ernährt wurde, normalisierten
sich alle Parameter.
Ein anderes Beispiel dafür, welche Krankheitsbilder im Rahmen
einer Zöliakie vorkommen können, ist das Bild einer IgA-Nephropathie. Ein Kind mit einem Morbus Down kam mehrfach in
die Klinik zur Abklärung eines Erythema nodosum, schmerzhafte Beulen etwa im Bereich der unteren Extremitäten. Es hatte
aufgrund einer Pankreatitis eine ERCP bekommen, es hatte eine
Hypokalziämie bzw. Vitamin-D-Mangel und erhielt letztendlich
eine Nierenbiopsie, weil es massive Mengen an Protein über die
Niere verloren hatte. Unter einer glutenfreien Ernährung gingen
alle Symptome zurück.
Für die Diagnose einer Zöliakie müssen klinische Beschwerden
vorliegen, wobei nicht unbedingt nur der Darm betroffen sein
muss. Im Bluttest müssen die entsprechenden Antikörper,
(Transglutaminaseantikörper) und in einer Darmbiopsie ein Zottenschaden nachgewiesen werden. Zöliakiepatienten können
durchaus Zotten haben; für die Diagnose der Krankheit reicht
es aus, wenn die Krypten verlängert und die interepithelialen
Lymphozyten vermehrt sind. Ein weiteres Kriterium für die Diagnose einer Zöliakie ist der Nachweis, dass unter einer glutenfreien Ernährung eine Besserung eintritt [6].
Krankheit mit vielen Gesichtern
!
Zöliakiepatienten müssen auf vieles verzichten: Nicht nur in Getreide und Getreideprodukten, sondern auch in Lippenstiften
oder Zahnpasta können Spuren an Gluten sein. Ab der Pubertät
wird die Compliance der Patienten in der Regel schlechter. Glutenfreie Ernährung kann recht reichhaltig sein, doch ist sie teuer
und wird in Deutschland weder von der Krankenkasse noch vom
Staat finanziert ± im Gegensatz zu 50 % der Länder in der Europäischen Union, etwa Österreich, Italien, Frankreich und England.
Es ist wichtig, auch weiterhin Zöliakieforschung zu betreiben.
Als sehr gut charakterisierte Darmentzündung besteht zum einen die Möglichkeit, den genauen Mechanismus der Krankheit
zu entdecken. Zum anderen wollen die Patienten keine lebenslange Therapie machen, sondern hoffen auf eine Heilung ihrer
Erkrankung und erwarten Antworten auf Fragen zu den ver-
Prävention von Begleiterkrankungen der Zöliakie
· somatischer und psychosozialer Entwicklungsverlust
· Lebensqualitäteinschränkung
· Infertilität, Fehlgeburt, Frühgeburt, untergewichtige
Neugeborene
· Osteoporose
· Autoimmunerkrankungen (Diabetes, Schilddrüsenentzündung...)
· Darmkrebs (T-Zell-Lymphom)
Abb. 3 Bestimmte Krankheiten kommen bei Zöliakiepatienten gehäuft
vor.
schiedenen Zöliakieformen. Die klassische Zöliakie ist nicht die
einzige Form: Es gibt oligosymptomatische oder asymptomatische Formen, atypische mit extraintestinalen Symptomen [5].
Es ist im Prinzip nicht bekannt, ob diese Formen behandelt werden sollen. Um diese Fragen zu klären, sind weitere Erkenntnisse
über den pathogenetischen Mechanismus notwendig.
Eine nicht behandelte Zöliakie führt zur Einschränkung der Lebensqualität. Die somatische und psychosoziale Entwicklung
von Kindern ist eingeschränkt und es können Probleme in
puncto Infertilität, Früh- und Fehlgeburt auftreten. Zudem besteht ein hohes Risiko für Osteoporose sowie für Autoimmunerkrankungen wie Diabetes. Es wird diskutiert, ob sich mit glutenfreier Ernährung Diabetes verhindern lässt. Des Weiteren ist bekannt, dass bei einer unbehandelten Zöliakie im Alter von 30 bei
50 Jahren Darmkrebs entstehen kann.
Viele Zöliakiepatienten haben multiple Probleme: Besteht zusätzlich ein Diabetes, müssen die Patienten eine weitere Diät
einhalten ± und das ist schwierig. Auch Schilddrüsenerkrankun" Abb. 3).
gen kommen bei Zöliakiepatienten gehäuft vor (l
Prävention
!
Aufgrund von Beobachtungen in Schweden und den USA wird
zurzeit versucht, der Zöliakie vorzubeugen. In Schweden wurde
Müttern in den 80er-Jahren empfohlen, ab dem 6. Monat abzustillen und danach Beikost und damit Getreideprodukte zu füttern [7]. Infolgedessen kam es zu einem Anstieg an Zöliakieinzidenz. Nach etwa zehn Jahren wurde dieser Zusammenhang erkannt und die Stillempfehlung revidiert ± die Mütter sollten bis
zum 6. Monat stillen und bereits ab dem 4. Lebensmonat mit der
Zufütterung (kleinerer Glutenmengen) anfangen. In der Folge
sank die Zöliakieinzidenz wieder. Offenbar wirken sich kleine
Mengen von Gluten am Ende der Stillzeit positiv aus und können
möglicherweise eine Zöliakie verhindern. Das wird im Moment
an einer groûen Studie der Europäischen Union an 1000 Müttern
untersucht, die ein genetisches Risiko für Zöliakie tragen.
Dass der Zeitraum vom 4. ± 6. Lebensmonat möglicherweise entscheidend ist, lässt sich auch daran erkennen, dass Neugeborene
mit einem sterilen Darm zur Welt kommen und innerhalb der
ersten Lebenstage die Kolonisierung des Darms beginnt. Die Besiedlung der Darmflora ist entscheidend nicht nur für die Reifung der Darmmukosa, sondern auch für das Immunsystem.
Deshalb ist der probiotische Faktor für die Prävention oder die
Reifung des Immunsystems von groûer Bedeutung, wenn die
ersten Dosen von Gluten auf die Säuglinge zukommen. Das zeigt
eine Arbeit mit Mäusen mit einer Veranlagung für Diabetes.
Wachsen sie konventionell, also mit einer Kolonisierung des
Zimmer K-P. Wenn Getreide krank macht ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S35 ± S38
S37
S38
Übersicht
Darms auf, haben sie maximal ein 50 %iges Risiko, Diabetes zu
entwickeln. Wachsen sie keimfrei auf, steigt das Diabetesrisiko
auf fast 100 %. Werden die Mäuse mit einem erhöhten Diabetesrisiko glutenfrei ernährt, sinkt die Inzidenz des Diabetes. Diese
Fragestellung wird in München an einem groûen Kollektiv weiterverfolgt.
Ein Forschungsziel ist, eine Schluckimpfung gegen Zöliakie zu
entwickeln. Toxische Gliadinpeptide erfahren innerhalb der Enterozyten eine bestimmte Prozessierung. Toxische Anteile sind
in Golgi-Apparaten und an der Oberfläche der Mukosa vorhanden, aber nicht in späten Endosomen, wo die Antigenpräsentierung exogener Antigene stattfindet. Es wird daran gearbeitet, die
toxischen Peptide so zu verändern, dass sie von frühen zu späten
Endosomen übergehen können, um die Antigenpräsentierung zu
stimulieren. Das ist im Zellmodell gelungen und soll nun in vivo
nachgewiesen werden.
Literatur
1 Sollid LM. Molecular basis of celiac disease. Annu Rev Immunol 2000;
18: 53 ± 81
2 Dieterich W et al. Identification of tissue transglutaminase as the autoantigen of celiac disease. Nat Med 1997; 3 (7): 797 ± 801
3 Sturgess R et al. Wheat peptide challenge in coeliac disease. Lancet
1994; 343 (8900): 758 ± 761
4 Troncone R, Greco L, Auricchio S. Gluten-sensitive enteropathy. Pediatr
Clin North Am 1996; 43 (2): 355 ± 373
5 Zimmer KP. Die klinische Bedeutung der nicht-klassischen ZöliakieFormen. Dt ¾rztebl 2002; 98 (49): 3285 ± 3292
6 Walker-Smith JA et al. Revised criteria for diagnosis of coeliac disease.
Report of Working Group of European Society of Paediatric Gastroenterology and Nutrition. Arch Dis Child 1990; 65 (8): 909 ± 911
7 Ivarsson A et al. Breast-feeding protects against celiac disease. Am J
Clin Nutr 2002; 75 (5): 914 ± 921
Zimmer K-P. Wenn Getreide krank macht ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S35 ± S38
Übersicht
Alarm im Darm
Chronisch entzündliche Darmerkrankungen ±
Pathogenese und Möglichkeiten der Ernährungstherapie
Alarm in the Gut
Chronic Inflammatory Gastro-Intestinal Disease ± Pathogenesis and Prospects
for a Dietary Treatment
Autor
R. Meier
Institut
Medizinische Universitätsklinik, Abteilung für Gastroenterologie und Ernährung, Kantonsspital Liestal
Schlüsselwörter
" chronisch entzündliche
l
Darmerkrankungen
" Mukosabarriere
l
" NOD2-Rezeptor
l
" Präbiotika
l
" Probiotika
l
" Wurmeier
l
Zusammenfassung
Abstract
Bei der Entstehung chronisch entzündlicher
Darmerkrankungen spielen genetische und Umweltfaktoren sowie die intestinale Mikroflora
und ein dysreguliertes Immunsystem im Darm
eine wichtige Rolle. Patienten mit Morbus Crohn
und Colitis ulcerosa weisen eine veränderte
Darmflora mit einer Vermehrung pathogener
Keime auf. Diese schwächen die Mukosabarriere,
translozieren und stimulieren im Darm eine proinflammatorische Antwort. Bei einem Teil der
Morbus-Crohn-Patienten begünstigt eine Mutation im NOD2-Rezeptor eine proinflammatorische Situation. Zur Reduktion intestinaler Entzündungen werden Prä- und Probiotika eingesetzt. In kleineren Studien bei Patienten mit Colitis ulcerosa erwiesen sich präbiotische Fasern gegenüber einer medikamentösen Standardtherapie als gleichwertig. Probiotika haben sich vor allem bei der Colitis ulcerosa und der Pouchitis bewährt. Ein neuer Therapieansatz mit ähnlicher
Wirkungsweise wie für Probiotika ist der Einsatz
von Eiern des Schweinepeitschenwurmes, welcher für den Menschen apathogen ist. Bislang
vorliegende Daten belegen eine stark antientzündliche Wirkung und ausgeprägte Effekte bei
Morbus Crohn und Colitis ulcerosa.
In the development of chronic inflammatory
bowel disease genetic and environmental factors
play a crucial role as well as the intestinal microflora and a dysregulated intestinal immune system. Patients with Crohn's disease and Colitis
ulcerosa have a modified intestinal flora with an
increase in pathogenic germs. These bacteria
weaken the mucosal barrier, they translocate,
and trigger a pro-inflammatory response in the
gut. In some patients with Crohn's disease a mutation in the NOD2 receptor promotes the inflammatory situation. Pre- and probiotics are used to
reduce the intestinal inflammation. In small
studies with patients with Colitis ulcerosa, prebiotic fibers were as effective as a medicinal
standard treatment. Probiotics have been proven
of value above all in the treatment of Colitis ulcerosa and pouchitis. A new therapeutic approach
comparable to the action of probiotics is the use
of eggs of the nematode Trichuris suis which are
apathogenic in humans. Preliminary data demonstrate a robust anti-inflammatory effect in
patients with Crohn's disease and Colitis ulcerosa.
Chronisch entzündliche Darmerkrankungen manifestieren sich auf der Basis einer genetischen
Prädisposition, einer veränderten intestinalen
Mikroflora, von Umwelteinflüssen sowie einem
defekten oder dysregulierten Darmimmunsystem. Bei den Umwelteinflüssen spielen wahrscheinlich psychischer Stress, das Aufwachsen in
zu hygienischer Umgebung und das Rauchen eine
Rolle. Letzteres zeigt gegensätzliche Wirkungen:
Einerseits verursacht es vermehrt MorbusCrohn-Schübe, andererseits erleiden Patienten
mit Colitis ulcerosa weniger Krankheitsschübe,
solange sie rauchen.
Aufgrund der Tatsache, dass chronisch entzündliche Darmerkrankungen zunehmen, insbesondere
in industrialisierten Ländern und bei Städtern,
wird auch dem Aufwachsen in einer sterilen Umgebung eine wichtige Bedeutung zugeschrieben.
Bei Kindern, die in ländlichen Gegenden und in
den Ländern der Dritten Welt aufwachsen, kommen diese Krankheiten wesentlich seltener vor.
Auch ein mangelnder Kontakt mit Würmern
scheint eine Rolle zu spielen.
Key words
" inflammatory bowel disease
l
" mucosal barrier
l
" NOD2 receptor
l
" prebiotics
l
" probiotics
l
" eggs of nematods
l
Bibliografie
DOI 10.1055/s-2008-1067337
Aktuel Ernaehr Med 2008;
33, Supplement 1: S39 ± S43
Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart ´ New York ´
ISSN 1862-0736
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. Remy Meier
Medizinische Universitätsklinik,
Kantonsspital Liestal
Rheinstraûe 26
4410 Liestal, Schweiz
Tel.: 0041/61/9252187
Fax: 0041/61/9252804
[email protected]
!
!
Meier R. Alarm im Darm ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S39 ± S43
S39
S40
Übersicht
Mukosale Bakterien
Mean±SD (x103 cfu/µL)
Asymptomatic Self-Limiting Indeterminate
Colitis
Colitis
Controls
(n = 104)
(n = 28)
(n = 40)
UC
CD
(n = 156)
(n = 82)
Total anaerobes
0.18 ± 0.3
1.8 ± 5.3
NS
3.41 ± 16.0
p < 0,08
3.8 ± 11.0
p < 0,01
9.1 ± 18.0
p < 0,001
Bacteroides
0.02 ± 0.05
0.26 ± 0.6
NS
0.64 ± 2.1
p < 0,01
1.4 ± 9.0
p < 0,001
3.1 ± 5.5
p < 0,001
Total aerobes
0.003 ± 0.05
0.08 ± 0.4
NS
0.09 ± 0.5
p < 0,005
0.08 ± 0.6
p < 0,05
0.14 ± 0.8
p < 0,001
Enterobacteriaceae
0.002 ± 0.05
0.06 ± 0.5
p < 0,06
0.08 ± 0.3
p < 0,005
0.04 ± 0.5
p < 0,047
0.09 ± 0.8
p < 0,001
p: Vergleich gegen Kontrollgruppe
Abb. 1 In der Mukosa von Patienten mit Morbus
Crohn und Colitis ulcerosa finden sich deutlich
mehr pathogene Bakterien als bei Gesunden (mit
freundlicher Genehmigung von Elsevier).
Swidsinski et al, Gastroenterology, 2002
Veränderte Darmflora mit mehr pathogenen
Keimen
!
Solange die Darmflora intakt ist und ein Gleichgewicht zwischen
apathogenen und pathogenen Keimen besteht, entstehen keine
chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Wenn sich die
Flora aber verändert, kann der Darm erkranken [1].
Verschiedene Studien zeigen, dass Tiere nur dann eine chronisch
entzündliche Darmerkrankung entwickeln, wenn sie unter normalen Bedingungen aufgezogen werden. Unter sterilen Bedingungen bleiben diese Tiere gesund [2 ± 4]. Bekannt ist auch,
dass die Darmflora bei Tieren und Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen verändert ist; man findet mehr
pathogene Bakterien als bei Gesunden [1].
Wichtige Erkenntnisse über die Darmflora stammen aus Untersuchungen mit genveränderten Mäusen. Werden die Gene derart verändert, dass kein IL-2 oder IL-10 mehr gebildet wird, entwickeln die unter normalen Bedingungen aufgezogenen Tiere
eine Entzündung. Unter sterilen Bedingungen blieben sie dagegen gesund [2, 3].
IL-10-Knock-out-Mäuse bekommen unter normalen Bedingungen obligat eine Darmentzündung. Bei ihnen ist die Anzahl der
Laktobazillen im Darm vermindert und die Anzahl pathogener
Darmbakterien vermehrt. Man findet auch vermehrt pathogene
Bakterien auf dem Epithel und solche, die in die Mukosa transloziert sind. Erhielten diese obligat krank werdenden Tiere Laktobazillen im Futter, reduzierte sich die Anheftung und Translokation der pathogenen Bakterien und die Tiere blieben gesund [4].
Interessante Daten gibt es auch für den Menschen: Die Mukosa
aus Biopsien wurde hinsichtlich der Bakterienzusammenset" Abb. 1).
zung analysiert [1] (l
Die Biopsien stammten aus verschiedenen Kollektiven ± von
asymptomatischen Kontrollen, Patienten mit einer passageren
Entzündung und Patienten mit Colitis ulcerosa oder Morbus
Crohn. Im Gegensatz zu den gesunden, asymptomatischen Patienten wiesen Crohn- und Colitispatienten eine massive Besiedlung pathogener Bakterien auf. Dieses Ergebnis wurde mithilfe
einer Fluoreszenz-in-situ-Hybridisation visualisiert.
Meier R. Alarm im Darm ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S39 ± S43
Mutierter NOD2-Rezeptor bei Morbus Crohn
!
Die Darmbarriere spielt bei der Colitis ulcerosa und Morbus
Crohn eine entscheidende Rolle: Apathogene Keime schützen
die Mukosa vor dem Andocken pathogener Keime. Defensine,
die von der Mukosa und Bakteriozine, die von apathogenen Keimen im Darm gebildet werden, verhindern ein Überwuchern der
pathogenen Keime. Es gibt Studien, die zeigen, dass Patienten
mit Morbus Crohn deutlich weniger Defensine als Gesunde bilden.
Ist die Darmbarriere defekt, können pathogene Keime an der
Mukosa andocken und durch die Zelle translozieren. Vermutlich
verhindern apathogene und auch probiotische Keime dies, indem sie sich selbst an der Darmwand anlagern. Ist die Mukosaoberfläche gestört, können pathogene Keime und Toxine vermehrt translozieren. Dies erfolgt entweder durch spezielle Zellen oder untergegangene Zellbrücken. Die pathogenen Keime
werden von antigenpräsentierenden Zellen aufgenommen und
stimulieren über den intrazellulären Transkriptionsfaktor NF-kB
eine proinflammatorische Antwort. Auf diesem Weg entstehen
vermehrt proentzündliche Zytokine. Lipopolysaccharide und
Peptidoglykane von Zellwänden von Bakterien, die spezifisch an
die Toll-like- und NOD2-Rezeptoren andocken, stimulieren
ebenfalls die Produktion proinflammatorischer Zytokine [5]
" Abb. 2).
(l
Wichtig ist die Genetik: Bei einem Drittel der Morbus-Crohn-Patienten liegt eine genetische Alteration im Chromosom 16 vor, in
der NOD2/Card15-Region, in der ein Protein gebildet wird, das
als NOD-Rezeptor wirkt [6, 7]. Auch bei Colitis ulcerosa sind einige Mutationen bekannt [8]. Die NOD2-Mutation spielt eine Rolle: Die NOD2-Rezeptoren in der Zelle und die Toll-like-Rezeptoren auf der Zelle sind an der Entzündung beteiligt, indem sie
spezifische bakterielle Substanzen binden. Dadurch wird eine
proinflammatorische Antwort generiert. NOD2-Rezeptoren sind
entscheidend wichtig, weil sie die von Toll-like-Rezeptoren stimulierte Immunantwort hemmen [9]. Das wurde in einer aktuellen Arbeit gezeigt: Wenn Peptidoglykane aus bakteriellen Zellwänden an Toll-like-Rezeptor 2 binden, wird die proinflammatorische Kaskade stimuliert. Gleichzeitig bindet jedoch ein Abbauprodukt des Peptidoglykans an den NOD2-Rezeptor und
hemmt damit die Inflammation. Dies funktioniert jedoch nur,
wenn der NOD2-Rezeptor nicht mutiert ist [9].
Bei einem Teil der Crohnpatienten ist der NOD2-Rezeptor durch
eine Mutation defekt und kann das Peptidoglykan nicht binden.
Übersicht
Abb. 2 Apathogene Keime und Probiotika heften
sich an die Mukosa und hindern damit pathogene
Keime, die Mukosabarriere zu durchdringen.
Bakterien und CED
E. coli Bacteroides
etc.
adhärente apathogene
Bakterien
Defensine
Darmwand
M- und Zellen/direkte Invasion
APC
Th1-Zellen
LPS
Makrophagen
Monozyten
TLR, NOD2
NFkB
IFN-g, TNF-a, IL2
IL1, IL12
Damit wird die ¹Entzündungsbremseª inaktiviert und es kommt
zur Stimulation der proinflammatorischen Kaskade und zur Entzündung.
Fazit: Wenn pathogene Keime durch die Mukosa eintreten, werden sie von Makrophagen aufgenommen. Sie bilden proinflammatorische Zytokine, die wiederum Chemokine und Adhäsionsmoleküle stimulieren und damit das Einwandern entzündlicher
Zellen aus den Blutgefäûen initiieren. Spezielle proinflammatorische Zellen, Th1-Zellen, produzieren wiederum Zytokine, die
Makrophagen stimulieren und mit IL-12 einen weiteren stark
proinflammatorischen Faktor produzieren. Solange dieser Prozess nicht unterbrochen wird, bleibt die Entzündung bestehen.
Gleichzeitig wird die antiinflammatorische Th2-Antwort reduziert. Es werden weniger antiinflammatorische Zytokine wie
TGF-b und IL-10 produziert und zudem ist die Apoptose gestört.
Bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa gibt es unterschiedliche
Immunantworten: Morbus Crohn geht mit einer stark stimulierten Th1-Antwort und einer abgeschwächten Th2-Antwort einher. Bei Colitis ulcerosa ist das weniger klar, aber es gibt viele
Hinweise, dass die antiinflammatorische Th2-Antwort vermindert ist und die Krankheit dadurch getriggert wird [10].
Neue Therapiemöglichkeiten
!
Weder für Morbus Crohn noch für Colitis ulcerosa gibt es eine
spezifische Ernährungstherapie. Empfehlenswert ist eine gesunde Kost mit reichlich Fisch, w-3-Fettsäuren sowie Antioxidanzien. Ernährungsdefizite durch Malabsorption bei Morbus Crohn
müssen natürlich behoben werden. Neue Therapieansätze zur
Reduktion intestinaler Entzündungen arbeiten mit Prä- und Probiotika sowie mit Wurmeiern. Beim Abbau der Präbiotika entstehen kurzkettige Fettsäuren, die die Entzündung über den NFkB-Mechanismus hemmen [11,12]. Probiotika wirken entzündungshemmend, indem sie pathogene Keime daran hindern, in
die Zelle einzutreten [13,14].
Präbiotika
Eine Studie zeigt das Potenzial der Präbiotika: Flohsamen werden im Dickdarm fermentiert und führen zur Bildung kurzketti-
ger Fettsäuren. Eine Arbeitsgruppe hat den Effekt von Flohsamen
mit dem Effekt der Standardtherapie Mesalazin in der Rezidivprophylaxe bei Colitis ulcerosa verglichen. Die Rezidivrate war
bei beiden Therapien gleich hoch ± das heiût, dass Flohsamen
die gleiche Wirksamkeit wie Mesalazin besitzen. Die Kombination von Mesalazin und Flohsamen zeigte sogar noch etwas bessere Ergebnisse [15].
Probiotika
Das gleiche Studiendesign wurde mit dem Probiotikum E. coli
Nissle 1917 durchgeführt. Im Vergleich zu Mesalazin ergab das
Probiotikum die gleiche Wirksamkeit in der Unterdrückung der
Rezidive; die Remissionsrate war gleich [16]. Diese Resultate
wurden vor Kurzem mit dem Einsatz von Lactobacillus rhamnosus GG bestätigt [17].
Interessante Studien wurden mit dem Gemisch VSL#3 durchgeführt. Es besteht aus vier Stämmen Laktobazillen, drei Stämmen
Bifidobakterien und einem Stamm Streptococcus thermophilus.
Das Gemisch wurde Patienten mit leichter bis mittelschwerer
akuter Colitis ulcerosa sechs Wochen lang verabreicht. Eine Remission erfolgte bei 53 %, 24 % zeigen eine partielle Remission.
Insgesamt sprachen also 77 % der Patienten auf die Probiotika
an [18].
Belegt ist der Einsatz von Probiotika auch bei der Pouchitis. Dies
ist eine Entzündung, die bei Patienten mit einer Colitis ulcerosa
nach einer totalen Dickdarmentfernung entsteht. Der Teil des
Dünndarms, welcher als ein Reservoir mit dem Analkanal anastomosiert wird, entzündet sich neu. Eine solche Entzündung
entwickelt sich bei etwa 30 ± 40 % der Patienten nach der Operation. Die Entzündung geht mit Inkontinenz und Durchfall einher.
In einem Kollektiv von Patienten mit chronisch rezidivierender
Pouchitis wurde VSL#3 versus Placebo verabreicht. Es kam zu
einer deutlichen Unterdrückung der Rezidive unter der probiotischen Therapie. Alle Patienten mit Placebo hatten dagegen Rezidiv. Nachdem die Probiotika nach neun Monaten abgesetzt wurden, bekamen alle Patienten erneut ein Rezidiv [19]. Probiotika
wirken also nur, solange sie verabreicht werden; es gibt keinen
Carry-over-Effekt, der die Wirksamkeit verlängert.
Eine zweite Studie untersuchte, ob Probiotika nach einer Darmoperation die Pouchitis verhindern können. Die Pouchitisrate
Meier R. Alarm im Darm ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S39 ± S43
S41
S42
Übersicht
Abb. 3 Die Eier des Schweinepeitschenwurms
haben ausgeprägte antientzündliche Effekte.
Schweinepeitschenwurm
Advanced
cleavage
Embryonated eggs
are ingested
=Infective Stage
=Diagnostic Stage
Trichuris suis Eier
2-cell stage
Unembryonated eggs
passed in feces
unter Placebo war 40 %, unter VSL#3-Gabe nur 10 % [20]. Probiotika stellen bei der Behandlung der Pouchitis also ein wirksames
Prinzip dar.
Wurmeier
Die Eier des Schweinepeitschenwurms (Trichuris suis) sind zwar
keine Probiotika, haben aber einen ähnlichen Wirkmechanismus
" Abb. 3).
(l
Die Idee, sie therapeutisch zu nutzen, basiert auf der Beobachtung, dass es in Ländern mit hoher Bandwurmdurchseuchung
praktisch keine chronisch entzündlichen Darmerkrankungen
gibt. Der Schweinepeitschenwurm ist für den Menschen nicht
pathogen. Er hat aber die Fähigkeit, eine ähnliche Wirkung zu
entfalten wie die Probiotika. Er vermehrt sich im Menschen,
stirbt dann aber ab, ohne Symptome zu verursachen.
Wenn man nun die Eier einnimmt, wachsen sie im Dickdarm zu
Würmern heran und bilden wiederum Eier. Dies geht mit einem
antiinflammatorischen Effekt einher. In einer doppelblinden,
placebokontrollierten Studie erhielten Patienten mit Colitis ulcerosa 12 Wochen lang alle zwei Wochen 2500 Eier. Die Resultate zeigen, dass bei 43 % der Patienten eine Remission stattfand, in
der Placebogruppe dagegen nur bei 17 % [21]. Trichuris-suis-Eier
führten zu einer hochsignifikanten Reduktion der Symptome bei
Colitis ulcerosa.
Eine zweite Studie wurde mit Morbus-Crohn-Patienten durchgeführt. Sie erhielten sechs Monate lang alle drei Wochen 2500
Eier. Hier waren die Resultate ebenfalls beeindruckend. In 12
Wochen kam es zu einer Remissionsrate von 62 % und nach 24
Wochen von 72 % [22]. Die Reduktion der entzündlichen Aktivität und die hohen Remissionsraten waren frappant. Man konnte
nachweisen, dass die Eier die proinflammatorische Antwort
durch Th1-Zellen stark unterdrücken und die antiinflammatorische Antwort durch Th2 stark stimulieren. Dies ist ein neues Feld
eines immunmodulatorischen Therapieprinzips.
Meier R. Alarm im Darm ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S39 ± S43
Zusammenfassung
!
Die neuen Erkenntnisse des Zusammenspiels von Darmbakterien und Immunsystem des Darms sind attraktive Ansätze für
neue Therapien bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen.
" Präbiotika werden im Darm fermentiert, was zur Bildung von
kurzkettigen Fettsäuren führt. Diese hemmen über verschiedene Mechanismen die Entzündungskaskade. Möglicher
Nutzen bei der Colitis ulcerosa.
" Probiotika wirken ebenfalls antientzündlich und haben sich
speziell bei der Colitis ulcerosa zur Rezidivprophylaxe und
bei der Pouchitis bewährt.
" Wurmeier zeigen vorläufige, aber sehr gute Effekte bei der
Colitis ulcerosa und beim Morbus Crohn. Die bisherigen Studienergebnisse müssen jedoch noch an gröûeren Kollektiven
bestätigt werden.
Insgesamt ist die Entwicklung in der Immunmodulation mit Präund Probiotika ein wichtiger Bestandteil für Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, deren Lebensqualität
häufig eingeschränkt ist.
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16
17
18
19
20
21
22
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Meier R. Alarm im Darm ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S39 ± S43
S43
S44
Übersicht
Gelenke im Dauerschmerz
Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises und
Möglichkeiten der Ernährungstherapie
Joints in Constant Pain
Rheumatoid Diseases and Possibilities for a Dietary Treatment
Autor
O. Adam
Institut
Walther-Straub-Institut der Ludwig-Maximilians-Universität, München
Schlüsselwörter
" Arachidonsäure
l
" Eicosanoide
l
" vegetarische Kost
l
" Fischöl
l
" Vitamin E
l
Zusammenfassung
Abstract
Ziele der Ernährungstherapie bei rheumatischen
Erkrankungen sind vor allem die Bekämpfung einer Fehl- und Mangelernährung, die Entzündungshemmung, Osteoporoseprophylaxe sowie
die Erkennung und Beachtung von Nahrungsmittelsensitivitäten. Eine Entzündungshemmung erfolgt insbesondere durch die Manipulation des
w-3- und w-6-Fettsäurenspektrums in der Nahrung. Angestrebt wird eine Reduktion der ausschlieûlich in tierischen Lebensmitteln vorkommenden Arachidonsäure; sie nimmt eine zentrale Stellung im Entzündungsgeschehen ein und ist
Ausgangssubstanz vieler Mediatoren, die mit
Chemo- und Zytokinen interagieren. Gleichzeitig
sollte die Zufuhr antiinflammatorisch wirkender
w-3-Fettsäuren erhöht werden. Studien haben
gezeigt, dass sich rheumatische Beschwerden
unter einem solchen Ernährungsregime bessern,
zudem wird eine Einsparung von Medikamenten
ermöglicht.
In rheumatoid diseases the aim of a dietary treatment is primarily to combat underfeeding and
malnutrition as well as inhibition of inflammation, prophylaxis of osteoporosis and the recognition of and adherence to food sensitivities. In
particular the manipulation of w-3 and w-6 fatty
acids in the diet can inhibit inflammation. It
should be intended to reduce the intake of arachidonic acid which is present exclusively in animal products because it plays a central role in inflammation and is the precursor of various mediators interacting with chemokines and cytokines. At the same time the intake of w-3 fatty acids
should be increased because they have an antiinflammatory effect. It was demonstrated that
rheumatoid disorders can improve with an appropriate diet. Furthermore it is possible to cut
down on drugs.
Bei der Behandlung entzündlich-rheumatischer
Erkrankungen hat die Ernährung einen hohen
Stellenwert. Eine Rolle spielen vor allem mehrfach ungesättigte Fettsäuren, die in verschiedenen pflanzlichen und tierischen Produkten vorkommen [1]. Zentral im Entzündungsgeschehen
verankert ist die Arachidonsäure, weil sie Ausgangssubstanz von Mediatoren ist [2]. Vor sieben
Jahren wurde die antientzündliche Ernährung in
das Rationalisierungsschema für die klinische
Diätetik aufgenommen, im November 2005 folgte die Gründung des Arbeitskreises Ernährungstherapie der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie [3].
Folgende entzündlich-rheumatische Erkrankungen sind durch die Ernährung beeinflussbar:
"
Key words
" arachidonic acid
l
" eicosanoids
l
" vegetarian diet
l
" fish oil
l
" vitamin E
l
Bibliografie
DOI 10.1055/s-2008-1067338
Aktuel Ernaehr Med 2008;
33, Supplement 1: S44 ± S48
Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart ´ New York ´
ISSN 1862-0736
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. Olaf Adam
Walther-Straub-Institut der
Ludwig-Maximilians-Universität
Goethestraûe 33
80336 München
Tel.: 089/218075764
Fax: 089/218075701
[email protected]
!
Adam O. Gelenke im Dauerschmerz ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S44 ± S48
!
Rheumatoide Arthritis: Mit einer Prävalenz
von 1 % gehört sie zu den häufigsten rheumatischen Erkrankungen.
" Morbus Bechterew ist eine Erkrankung der
Wirbelsäule. Bereits zehn Jahre vor Ausbruch
der Krankheit kommt es zu Veränderungen im
Darm: Die Darmmukosa ist defekt, pathogene
Keime können eindringen. Immunologische
Erkrankungen beruhen meist auf einer genetischen Disposition und einem auslösenden
Agens. So auch hier: Man bringt Morbus
Bechterew mit einer Besiedlung mit Klebsiellen in Zusammenhang.
" Arthritis psoriatica: Sowohl die Hauteffloreszenzen wie auch die Arthritis können durch
die antiinflammatorische Ernährung gebessert werden. Als wirksam hat sich auch die
g-Linolensäure erwiesen.
Übersicht
Kollagenosen: Nahrungsmittelunverträglichkeiten sind bei
dem heterogenen Krankheitsbild besonders häufig, die Wirkung der antiinflammatorischen Kost wird unterschiedlich
beurteilt.
" Fibromyalgie wird auch als Weichteilrheumatismus bezeichnet. Die Krankheit geht mit starken Schmerzen in allen vier
Körperquadranten einher und ist sehr heterogen. Etwa ein
Drittel der Patienten spricht auf eine entzündungshemmende Ernährung an.
Nahrungsmittelsensitive muskuloskeletale Syndrome:
Nährstoffe können Krankheitsschübe auslösen, ohne das Entzündungsgeschehen zu verursachen. Dazu gehört z. B. die allergische Arthritis.
Rheumatische Erkrankungen bei Kindern:
Z. B. juvenile idiopathische Arthritis, schmerzverstärkende Syndrome, Speicherkrankheiten.
"
Fehl- und Mangelernährung verhindern
Nahrungsmittelsensitivität
Nahrungsmittel % der Patienten Nahrungsmittel % der Patienten
Fleisch
(Schwein (39)
+Rind (32)+
Lamm (17))
Eier
Milch
Käse
Butter
Mais
Weizen
Hafer
Die antiinflammatorische Ernährung ist keinesfalls ein Ersatz für
die medikamentöse Therapie, kann aber binnen drei Monaten
eine ¾nderung der Immunantwort erzielen und zur Einsparung
von Medikamenten führen [4].
Zu den Zielen einer Ernährungstherapie bei Rheumakranken gehört vor allem die Bekämpfung einer Fehl- und Mangelernährung, die rund 40 % der Rheumapatienten betrifft. Anzustreben
sind auûerdem eine Entzündungshemmung und Osteoporoseprophylaxe sowie die Beachtung von Nahrungsmittelsensitivitäten. Die wichtigste Maûnahme für alle Rheumapatienten ist eine
vollwertige Ernährung. Diäten, die dies auf Dauer nicht gewährleisten, sind abzulehnen. Die Entzündungshemmung wird vor
allem durch eine Manipulation des w-3- und w-6-Fettsäurenspektrums in der Nahrung bewirkt. Die Osteoporoseprophylaxe
ist für Rheumapatienten sehr wichtig und erfolgt mit Kalzium
und Vitamin D, das auch als Immunmodulator fungiert [5]. Nicht
selten sind Nahrungsmittelsensitivitäten vorhanden, bei denen
ein Nährstoff plötzlich einen Erkrankungsschub auslöst. Daneben kommen Nahrungsmittelunverträglichkeiten häufig vor;
z. B. ist die Glutensensitivität oft mit rheumatischen Erkrankungen assoziiert, aber auch die Laktose- und Fruktoseintoleranz sowie ein Disaccharidasemangel kommen deutlich häufiger als in
der Allgemeinbevölkerung vor [6].
Arachidonsäure: zentrale Rolle im Entzündungsgeschehen
!
Bei der Immunpathogenese der rheumatoiden Arthritis ist der
Crosstalk zwischen den immunkompetenten Zellen gestört [7].
Dann kommt es zu einer überschieûenden Immunantwort
durch den einwirkenden Stimulus. Dabei kann es sich um einen
bakteriellen oder viralen Stimulus oder auch ein Nahrungsmittel
handeln. Die aktivierten Zellen setzen Mediatoren frei ± Chemokine, Zytokine und Eicosanoide ± und diese bedingen wiederum
die Proliferation der Gelenkhaut oder die Verdickung der Arterienwand bei der Arteriosklerose [8]. Ziel einer antiinflammatorischen Ernährungstherapie ist es, überaktive Zellen wieder auf
Normalmaû zurückzuführen.
Nahrungsmittelsensitivitäten betreffen vor allem Fleisch und
tierische Produkte wie Eier, Milch, Käse oder Butter. Relevant
32
37
24
17
57
54
37
32
32
27
24
22
20
20
17
17
Roggen
Kaffee
Malz
Grapefruit
Tomaten
Erdnüsse
Rohrzucker
Zitrone
Soja
Mehrfachnennungen möglich!
Aus: Darlington LG, Ramsey NW.: Review of dietary therapy for rheumatoid arthritis.
Brit J Rheumatol 1993; 32: 507 –512
Abb. 1 Auch Nährstoffe können einen Krankheitsschub auslösen.
Zellmembran
!
88
veresterte Arachidonsäure
vegetarische Kost
Phospholipasen
Antioxidanzien
freie Arachidonsäure
Lipoxygenase
Zyklooxygenase
n-3-Fettsäuren
Leukotriene
Hydroxyfettsäuren
Lipoxine
Prostaglandine D, E, F, I
Thromboxan
Zeichen der Entzündung
Schwellung
Rötung
Schmerz
Überwärmung
Bewegungseinschränkung
Abb. 2 Die Arachidonsäure steht im Mittelpunkt des entzündlichen Geschehens.
sind auûerdem glutenhaltige Getreidearten wie Weizen, Roggen
" Abb. 1.
oder Hafer aber auch Mais und Kaffee [9,10] l
Das Immunsystem wird durch Zytokine getrieben, die mit Chemokinen und Eicosanoiden interagieren. Eicosanoide sind durch
die Ernährung beeinflussbar, denn sie entstehen aus Arachidonsäure, einer w-6-Fettsäure, die ausschlieûlich in tierischen Produkten vorkommt. Nach der Aufnahme mit der Nahrung wird
Arachidonsäure in die Zellmembranen eingebaut und ist unschädlich, solange kein Stimulus auftaucht [2]. Wirkt ein Stimulus ein und aktiviert die Phospholipasen, kommt es zur Freisetzung der Arachidonsäure und deren Umwandlung zu Eicosanoiden. Diese Substanzen verursachen zusammen mit Chemokinen
Entzündungen, Schwellungen, Rötungen, Schmerzen, Überwär" Abb. 2.
mung und Bewegungseinschränkung [6] l
In einer vegetarisch orientierten Kost ist wenig Arachidonsäure
vorhanden. Infolgedessen wird sie in geringerem Maû in Zellmembranen eingebaut, es wird weniger Arachidonsäure freigesetzt, es entstehen weniger Eicosanoide und folglich weniger
Entzündungen. Dieses Prinzip ist zwar einfach, aber wirksam
[11].
Adam O. Gelenke im Dauerschmerz ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S44 ± S48
S45
S46
Übersicht
Die Umwandlung der Arachidonsäure zu Eicosanoiden ist eine
Oxidation und es stellt sich die Frage, ob diese Reaktion durch
Antioxidanzien beeinflussbar ist. Die Reaktion läuft folgendermaûen ab: Auf die Zelle einwirkende Sauerstoffradikale führen
zur Freisetzung der Arachidonsäure. Die Radikale aktivieren Enzyme, Lipoxygenasen und Zyklooxygenasen, die Sauerstoff in die
Arachidonsäure einbauen. Durch diese Oxidation entstehen Eicosanoide [12]. Würde es gelingen, mit Antioxidanzien Sauerstoffradikale abzufangen, würden weniger Eicosanoide und damit weniger Entzündungen entstehen.
Entzündungshemmend: vegetarisch betonte Kost
!
Die Deutschen essen zu viel Fleisch und nehmen damit zu viel
Arachidonsäure auf. Die Zufuhr liegt derzeit bei 300 ± 400 mg
pro Tag, wohingegen die Eskimos deutlich weniger aufnehmen.
Die Deutschen haben im Schnitt 30 g Arachidonsäure im Körper,
die Eskimos nur 3 g. Entsprechend ist bei ihnen die Häufigkeit
der entzündlichen Krankheiten um eine Zehnerpotenz niedriger
als hierzulande [13]. Aus diesen Beobachtungen lässt sich
schlussfolgern, dass die Ernährung die Inzidenz rheumatischer
Erkrankungen wahrscheinlich beeinflussen kann.
Es gibt 56 Studien, die den Einfluss einer vegetarischen Kost auf
rheumatische Erkrankungen untersucht haben. Die Erfolge sind
unterschiedlich, weil verschiedene Varianten der vegetarischen
Kost angewandt wurden [14 ± 16]:
" Ovolaktovegetabile Kost: Diese Form wird zwar als vegetarisch bezeichnet, enthält aber Eier und Milch und liefert genauso viel Arachidonsäure wie normale Kost. Sie hat keinen
Effekt auf den Stoffwechsel.
" Laktovegetabile Kost: Sie zeigte bessere Erfolge.
" Vegane Ernährung: Diese streng vegetarische Ernährung, die
alle tierischen Produkte ausschlieût, erwies sich als die wirksamste Variante. Allerdings geht sie mit einer hohen Rate an
Nährstoffdefizienzen einher. Wir haben festgestellt, dass die
Einhaltung einer veganen Kost nicht nötig ist, weil die Bildung der Arachidonsäure im Körper genau reguliert ist. Nur
bei der Aufnahme vorgefertigter Arachidonsäure in groûen
Mengen, etwa durch einen hohen Fleischverzehr, steigt der
Spiegel im Körper an.
Effekt von Fischölfettsäuren
!
Fischölfettsäuren wirken wie Zyklooxygenasehemmer: Sie hemmen die Bildung von Eicosanoiden. Es gibt 14 doppelblinde, plazebokontrollierte Fischölstudien bei rheumatoider Arthritis, die
sich zwar hinsichtlich Patientenzahl, Dauer und Dosis unterscheiden. Aber alle Studien ergaben eine Besserung von mindestens zwei klinischen Parametern und ermöglichten eine Einsparung nichtsteroidaler Antirheumatika und Kortison [17 ± 24].
Eine Studie wurde unter kontrollierter Ernährung durchgeführt:
Die Patienten erhielten eine vegetarisch orientierte Kost mit
zwei Fleischmahlzeiten und zwei Eiern pro Woche sowie täglich
einem halben Liter fettreduzierte Milch. Mit dieser Kost betrug
die tägliche Arachidonsäurezufuhr etwa 50 mg ± das ist wünschenswert.
Unter der Kost besserten sich die Gelenkschmerzen, die Zahl der
schmerzhaften Gelenke reduzierte sich, die Schwellung lieû
nach und die Griffstärke nahm zu. Erhielten die Patienten zusätzlich zu der vegetarisch orientierten Kost Fischöle, war die
Besserung viel deutlicher. Das war die erste Studie, die gezeigt
hat, dass die Kombination der beiden Maûnahmen einen additiven Effekt erzielt [25 ± 27].
Gesunde Ernährung effektiver als Vitaminsupplemente
!
Trifft ein Sauerstoffradikal die Zelle, wird die in der Membran
befindliche Phospholipase A2 aktiviert und setzt in Sekundenbruchteilen Arachidonsäure frei. Diese wird sekundenschnell
oxidiert und von der Lipoxy- und Zyklooxygenase zu Eicosanoiden umgewandelt [28, 29]. Würde das Sauerstoffradikal abgefangen ± und das könnte in der Zellmembran nur mit Vitamin E
erfolgen ± kann es nicht mehr zur Aktivierung der Arachidonsäure kommen. Durch die Redoxkette würde das Radikal zu unschädlichem Wasser und Sauerstoff umgewandelt werden. Diese Redoxkette besteht aus Vitamin C, Glutathionperoxidase,
NADPH, Flavonoiden und vielen anderen Antioxidanzien [6].
Leider wurden in Studien häufig hohe Dosen an Antioxidanzien
eingesetzt, z. B. Vitamin E. Hohe Dosen Vitamin E führen zur
übermäûigen Oxidation desselben. Damit wird es selbst zum Radikal und müsste durch eine ausreichende Menge Vitamin C
oder Glutathionperoxidase entfernt werden. Weil diese aber in
der überhöhten Menge nicht zur Verfügung stehen, bleibt Vitamin E als Radikal bestehen. Die Supplementierungsstudien haben deshalb keine Effekte ergeben oder sogar ein höheres Sterberisiko gezeigt. Dagegen hatte eine gute Versorgung mit Antioxidanzien im Rahmen einer gesunden Ernährung mit viel Obst
und Gemüse stets einen günstigen Effekt. In der Prävention ist
eine gesunde Ernährung deshalb einer Supplementierung deutlich überlegen [30].
Die rheumatioide Arthritis und die Arteriosklerose sind durch einen Entzündungsprozess gekennzeichnet, der sowohl auf molekularer wie auf zellulärer Ebene sehr ähnlich abläuft. Bei der
rheumatoiden Arthritis kommt es, ausgelöst durch ein Antigen,
zur Aktivierung immunkompetenter Zellen (dendritische Zellen,
Makrophagen, monozytäre Zellen), die sich in der Gelenkhaut
(Synovialis) anreichern und weitere Zellen anlocken. Es folgt
die Migration der Zellen in das Gewebe, wo sie durch Produktion
von Entzündungsmediatoren (Eicosanoide, Zytokine, Chemokine) eine Proliferation der Synovialis und im Gelenk die Zeichen
der Arthritis (Druckschmerz, Schwellung, Überwärmung) auslösen. Als Folge der Entzündung wird die Apoptose der betroffenen
Zellen eingeleitet. Eine ausreichende Behandlung kann den Entzündungsprozess und die Zerstörung des Gelenks aufhalten. Besteht die Entzündung chronisch, kommt es zur Zerstörung des
Knorpels, des Knochens und auch der kollagenen Gelenkstrukturen, die in einer Fibrose des Gewebes endet.
Die Abläufe der Entzündungsreaktion bis zur Fibrose sind bei
der Arteriosklerose gleich. Nur die Auslöser unterscheiden sich
± zu den Risikofaktoren zählen hier Cholesterin, Triglyzeride,
" Abb. 3).
Diabetes, Rauchen, Hypertonie und Stress (l
Ziele der Ernährungstherapie
!
Die Arbeitsgruppe Ernährungsmedizin der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie hat Aufgaben der Ernährungstherapie
formuliert [3].
" An erster Stelle steht die Prävention und Behebung von Mangelzuständen.
Adam O. Gelenke im Dauerschmerz ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S44 ± S48
Übersicht
Abb. 3 Im Prinzip sind die Abläufe bei der rheumatoiden Arthritis und der Arteriosklerose gleich.
Rheumatoide Arthritis
Auslöser:
bakteriell
viral
Ig-Komplex
· Gewebsentzündung
· endotheliale Zellaktivierung
· Leukozyteninfiltration + Adhäsion
· Leukozytenmigration
· ECM-Produktion
· Zellproliferation
· Apoptose
akut: Reparatur
chronisch:
Gewebsdestruktion/
Fibrose
Arteriosklerose
Auslöser:
Cholesterin
Triglyzeride
Diabetes
Rauchen
Hypertonie
Stress
· Gefäßwandentzündung
· Endothelzellaktivierung
· Leukozyteninfiltration + Adhäsion
· Leukozytenmigration
· Proliferation glatter Muskelzellen
· ECM-Produktion
· Schaumzellbildung
· Apoptose
Das Erkennen von krankheitsverstärkenden Nährstoffen ist
sehr wichtig.
" Für die Entzündungshemmung spielt die Eicosapentaensäure
eine wichtige Rolle. Sie kommt in fettreichen Fischen vor und
muss in ausreichender Dosierung aufgenommen werden. Das
bedeutet etwa 0,9 g pro Tag in der Anfangsphase, im weiteren
Verlauf 0,3 g pro Tag. In Matjeseinheiten ausgedrückt heiût
das: Ein Matjesfilet pro Woche liefert etwa 0,3 g Eicosapentaensäure pro Tag. In der Anreicherungsphase werden 3 Matjesfilets pro Woche empfohlen. Da nicht jeder Fisch mag,
muss man in der Regel auf Supplemente zurückgreifen, da
auch der Gehalt an Eicosapentaensäure der Fische variabel
ist. Zusätzlich sollte man pflanzliche Öle mit einem hohen
w-3-Anteil (Leinöl, Leindotteröl, Rapsöl, Walnussöl) verwenden. Die Anreicherung der w-3-Fettsäuren benötigt etwa 3
Monate und kann beschleunigt werden, wenn der Anteil der
w-6-Fettsäuren (Arachidonsäure, Linolsäure) in der Nahrung
gesenkt wird. Unter dieser Kost wird auch mehr der pflanzlichen w-3-Fettsäure (a-Linolensäure) in EPA umgewandelt.
Die Arbeitsgruppe Ernährungsmedizin der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie empfiehlt, dass die Effizienz der
Ernährungsumstellung durch die Bestimmung des Arachidonsäure/EPA-Quotienten in den Blutlipiden kontrolliert
wird.
" Die Prävention und Therapie assoziierter Erkrankungen wie
Arteriosklerose, Adipositas oder Osteoporose, sind sehr
wichtig [31, 32].
" Erforderlich ist eine begleitende Beratung durch Ergotherapeuten und Physiotherapeuten bei Kau- und Schluckstörungen, etwa bei Arthritis des Kiefergelenks, oder Motilitätsstörungen des Ösophagus [33, 34].
Durch eine vernünftige Kost, die sich an den entzündungshemmenden Maûgaben orientiert, können Medikamente reduziert
werden. Bei laktovegetarisch orientierter Kost, erhöhter Zufuhr
von Fischöl, w-3-reicher Öle, ausreichend Kalzium und Vitamin
D3 konnten NSAR zu 32 % und Glukokortikoide zu 15 % eingespart werden. Die Osteoporosekosten konnten um 40 % gesenkt
werden. Insgesamt wird geschätzt, dass durch eine Ernährungstherapie eine Gesamtsumme von etwa 5 Milliarden Euro pro
Jahr eingespart werden könnte [4].
"
akut: Reparatur
chronisch:
Gefäßläsion
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Übersicht
Das ¹dicke Endeª zu üppiger Kost
Adipositas als Wegbereiter für Krankheiten mit entzündlichen Komponenten wie Diabetes und Arteriosklerose
The Worse of an Opulent Diet
Obesity as a Precursor for Inflammatory Diseases Like Diabetes and Atherosclerosis
Autor
H. Hauner
Institut
Else Kröner-Fresenius-Zentrum für Ernährungsmedizin, München
Schlüsselwörter
" Adipositas
l
" Adipokine
l
" proinflammatorische
l
Zytokine
" Fettgewebe
l
" Entzündung
l
" Insulinresistenz
l
" Gewichtsabnahme
l
Zusammenfassung
Abstract
Das Fettgewebe dient nicht nur als Speicherorgan, sondern produziert und sezerniert eine Vielzahl an Adipokinen, unter anderem auch proinflammatorische Zytokine. Diese werden bei Adipositas vermehrt produziert und tragen zu einer
Entzündung des gesamten Fettgewebes bei. Verstärkt wird dieses Geschehen durch eine Akkumulation von Immunzellen, insbesondere Makrophagen, im Fettgewebe, die den Entzündungsprozess verstärken. Proinflammatorische Sekretionsprodukte des Fettgewebes gelangen auch in
die Blutbahn und lösen in der Muskulatur und
Leber eine Insulinresistenz aus, auf deren Boden
Krankheiten wie Typ-2-Diabetes und Arteriosklerose entstehen. Promotoren der Fettgewebsentzündung sind vor allem gesättigte Fettsäuren,
w-3-Fettsäuren wirken dagegen protektiv. Die
stärkste antiinflammatorische Wirkung besitzt
aber die Gewichtsabnahme; sie geht mit einem
Abfall der Serumkonzentrationen proinflammatorischer Marker und einer Abnahme der Makrophageninfiltration im Fettgewebe einher.
Adipose tissue is not only an energy reservoir but
synthesises and secrets a variety of adipokines,
amongst others pro-inflammatory cytokines. In
obesity, there is an increased production of these
factors contributing to an inflammation of the
entire adipose tissue. The inflammation is enhanced by an accumulation of immune cells ± in
particular macrophages ± in the adipose tissue.
Proinflammatory secretion products from the
adipose tissue enter the bloodstream and promote an insulin resistence in musculature and in the
liver leading to diseases like diabetes mellitus
type 2 and atherosclerosis. In particular saturated fatty acids promote the inflammation of adipose tissue whereas w-3 fatty acids are protective. Weight loss has the most potent anti-inflammatory effect. This leads to a decreased serum
concentration of pro-inflammatory markers and
a decline of macrophage infiltration in adipose
tissue.
Adipositas ist weltweit zum zentralen Ernährungsproblem geworden. Die Prävalenz steigt
stärker als je zuvor. Die Gründe dafür liegen im
modernen Lebensstil, der durch zu wenig Bewegung und falsche Ernährungsgewohnheiten gekennzeichnet ist. Neben diesen beiden Faktoren
sind Erbanlagen ursächlich an der Entstehung
von Übergewicht und Adipositas beteiligt [1, 2].
digt; letztlich bleibt nahezu kein Organ von Kom" Abb. 1).
plikationen verschont [3] (l
Ohne Gegenmaûnahmen wie gezielte Prävention
oder geeignete Therapieangebote droht angesichts der epidemischen Verbreitung der Adipositas der Kollaps des Gesundheitssystems, da die
zu erwartenden Folgekosten nicht mehr finanzierbar sein werden.
Umso unverständlicher muss daher die gegenwärtige Situation erscheinen: Da Adipositas
nach dem SGB nicht als Krankheit anerkannt
wird, brauchen Krankenkassen keine Therapiemaûnahmen zu bezahlen. Dies ist erst dann vorgesehen, wenn Komplikationen aufgetreten sind
± ein auch aus ökonomischer Perspektive unsinniger Zustand, welcher die Belastung für das Ge-
Key words
" obesity
l
" adipokine
l
" pro-inflammatory cytokine
l
" adipose tissue
l
" inflammation
l
" insulin-resistence
l
" weight loss
l
Bibliografie
DOI 10.1055/s-2008-1067339
Aktuel Ernaehr Med 2008;
33, Supplement 1: S49 ± S53
Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart ´ New York ´
ISSN 1862-0736
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. Hans Hauner
Else Kröner-Fresenius-Zentrum
für Ernährungsmedizin der
Technischen Universität
München
Ismaninger Straûe 22
81675 München
Tel.: 089/41406770
Fax: 089/41406772
[email protected]
!
Adipositas nicht als Krankheit
anerkannt
!
Die Adipositas, definiert als ein BMI ³ 30 kg/m2,
ist stets behandlungsbedürftig, weil die überschüssige Fettmasse viele Organe sekundär schä-
!
Hauner H. Das ¹dicke Endeª zu üppiger Kost ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S49 ± S53
S49
S50
Übersicht
Komplikationen der Adipositas im Kindes- und Jugendalter
Psychosocial 17–20
Poor selfesteem
Depression
Eating disorders
Pulmonary 22–24
Sleep apnoea
Asthma
Exercise intolerance
Gastrointestinal 30, 31
Gallstones
Steatohepatitis
Renal 36
Glomerulosclerosis
Musculoskeletal 37–40
Slipped capital femoral epiphysis
Blount‘s disease
Forearm fracture
Flat feet
Abb. 1 Zu viel Fettmasse schädigt fast alle
Organe des Körpers (mit freundlicher Genehmigung von Elsevier).
Neurological 21
Pseudotumor cerebri
Cardiovascular 25 –29
Dyslipidaemia
Hypertension
Coagulopathy
Chronic inflammation
Endothelial dysfunction
Endocrine 32 –35
Type 2 diabetes
Precocious puberty
Polycystic ovary syndrome (girls)
Hypogonadism (boys)
Ebbeling CB et al., Lancet 2002; 360: 473 –482
sundheitssystem noch vergröûern wird und zeigt, wie unlogisch
und wenig problemorientiert das Gesundheitssystem ausgerichtet ist.
Am Anfang dieser Entwicklung steht häufig ein ungesunder Lebensstil mit Bewegungsmangel sowie Fehl- und Überernährung,
der schlieûlich zum Phänotyp Adipositas führt. Dann ist es nur
eine Frage der Zeit und der genetischen Prädisposition, welche
Komplikationen folgen. Zu diesen zählen eine subakute chronische Entzündung, endotheliale Dysfunktion, Dyslipoproteinämie, Insulinresistenz oder Glukoseintoleranz, eine gestörte Hämostase und Fibrinolyse sowie eine Hypertonie. Erst in diesem
Stadium können ¾rzte in noch sehr begrenztem Umfang Medikamente einsetzen. Alle therapeutischen Register können erst
dann gezogen werden, wenn ¹Endpunkteª wie Typ-2-Diabetes,
Herzinfarkt, Schlaganfall oder kolorektale Karzinome vorliegen.
Diese sind dann aber nur noch bedingt beeinflussbar geschweige
denn reversibel, umso aufwendiger und kostenintensiver wird
jedoch die Behandlung, man denke z. B. an Interventionen im
Koronarsystem bei KHK oder Chemotherapie für kolorektale
und andere adipositasassoziierte Karzinome. Für solche Maûnahmen wird sehr viel Geld ausgegeben, für Prävention oder
Frühintervention stehen dagegen nur minimale Mittel zur Verfügung, ein nicht nur nach Ansicht von Gesundheitsökonomen
unwirtschaftliches Verhalten.
Entzündetes Fettgewebe bei Adipositas
!
Das Fettgewebe ist nicht nur ein Organ, das überschüssige Energie in Form von Triglyzeriden speichert. Es produziert und sezerniert darüber hinaus viele Substanzen, die als Adipokine bezeichnet werden. Inzwischen sind weit über 100 Adipokine bekannt, deren Funktion bislang jedoch unzureichend charakterisiert ist. Bei Adipositas verändert sich das Synthese- und Sekretionsmuster der meisten untersuchten Adipokine, was für die
Entwicklung der vielfältigen Komplikationen mitverantwortlich
sein dürfte. Adipokine sind für Glukose-, Fettstoffwechsel und
Energiehaushalt wichtige Regulatoren, dazu zählen z. B. Leptin,
Adiponektin, Interleukin-6 und andere inflammatorische Proteine. Daneben werden auch viele Angiogenesefaktoren sezerniert,
die das Fettgewebe braucht, um die eigene Gefäûstruktur der
Expansion des Organs anzupassen [4].
Allerdings gelangen bei Weitem nicht alle Adipokine in die Blutbahn und üben dann periphere, systemische Wirkungen aus; ein
groûer Teil hat lediglich lokale Bedeutung. In die Blutbahn werden vor allem proinflammatorische Proteine wie TNF-a, Interleukin-6, MCP-1 oder CRP freigesetzt. Dieses Phänomen hat offenbar Auswirkungen auf das Gefäûsystem im gesamten Organismus. Einzelne Sekretionsprodukte wie TNF-a lösen über auto-/parakrine Mechanismen starke lokale Effekte wie z. B. eine
Lipolyse aus und tragen auch indirekt zum erhöhten Risiko für
metabolische und kardiovaskuläre Erkrankungen bei [5].
Eine wichtige Rolle für das entzündliche Geschehen spielen die
Präadipozyten im Fettgewebe. Diese Fettzellvorläuferzellen liegen zwischen den Fettzellen und bilden eine Art Stammzellreserve. Sie können in Abhängigkeit vom Umgebungsmilieu zu
Fettzellen ausdifferenzieren. Eine zentrale Rolle spielt dabei der
Transkriptionsfaktor PPAR-g, der von Fettsäuren aktiviert werden kann [6]. Bei chronischer Überernährung wird die überschüssige Energie in Form von Triglyzeriden zunächst in den bereits vorhandenen Fettzellen gespeichert und diese werden gröûer (Fettzellhypertrophie). Damit verändert sich deren Funktion: Sie bilden vermehrt proinflammatorische Zytokine, während gleichzeitig die Sekretion antiinflammatorischer Proteine
wie Adiponektin oder Interleukin-10, abnimmt [7].
Der gröûere Teil der inflammatorischen Marker wird aber von
Präadipozyten und ortsständigen sowie eingewanderten Makrophagen gebildet und freigesetzt. Eine Schlüsselrolle scheint dabei der Produktion des Chemokins MCP-1 zuzukommen, das als
potentes ¹Chemoattractantª gilt und Monozyten ins Fettgewebe
lockt [8]. Die eingewanderten Monozyten/Makrophagen verstärken die lokale Entzündung im Fettgewebe und synthetisieren ihrerseits groûe Mengen an Chemo- und Zytokinen. Schritt für
Schritt entsteht ein entzündetes Organ, das durch eine Akkumulation aktiver Immunzellen auffällt [9].
Ein Nebenergebnis der erhöhten Synthese proinflammatorischer
Zyto- und Chemokine sind massive Stoffwechselveränderungen,
die auf die Entwicklung einer Insulinresistenz zurückzuführen
sind. Diese entsteht, weil einzelne Zytokine wie TNF-a die Insulinsignalübertragung via Kinasen stören und den NF-kB-Signal-
Hauner H. Das ¹dicke Endeª zu üppiger Kost ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S49 ± S53
Übersicht
Abb. 2 Auf der Basis einer Insulinresistenz entwickeln sich Krankheiten wie Typ-2-Diabetes und
Arteriosklerose (mit freundlicher Genehmigung
von Nature Publishing Group).
Adipositasassoziierte Entzündung und Stress
Entwicklung der Insulinresistenz
Overnutrition
Macrophage
Paracrine and autocrine
inflammatory signals
Endocrine
inflammatory
signals
Liver
insulin
resistance
Fat
insulin
resistance
Muscle
insulin
resistance
Systemic
insulin resistance
De Luca C & Olefsky JM, Nat Med 2006; 12: 41
weg aktivieren. Die Insulinresistenz wird als Grundlage für die
Entstehung eines Typ-2-Diabetes angesehen, da sie einen erheblichen metabolischen Stress auf die insulinproduzierenden Betazellen des Pankreas ausübt.
Doppelrolle der Makrophageninfiltration
!
Welche Faktoren die Entzündung im Fettgewebe auslösen, ist
noch nicht genau bekannt. Es gibt Hinweise, dass die Gröûe der
Fettzellen eine Rolle spielt: Werden Fettzellen nach Gröûe getrennt und hinsichtlich ihrer sekretorischen Funktion untersucht, zeigt sich, dass insbesondere groûe Fettzellen vermehrt
IL-6 und IL-8 produzieren [7]. Insgesamt scheinen vor allem groûe Fettzellen den Entzündungsprozess zu unterhalten. Weitere
proinflammatorisch wirkende Faktoren sind reaktive Sauerstoffspezies, ER-Stress, gesättigte Fettsäuren und CLAs. Auûerdem
können erhöhte Blutzuckerspiegel die Inflammation per se im
Fettgewebe verstärken. Wahrscheinlich wirken verschiedene
Trigger zusammen. Bei vielen Promotoren, die die Entzündungsreaktion im Fettgewebe auslösen und unterhalten, handelt es
sich um Faktoren, die über die Ernährung aufgenommen werden.
Je gröûer die Fettzellen und je höher der BMI, desto mehr
CD68-positive Zellen finden sich im Fettgewebe. Diese Marker
für Monozytenmakrophagen lassen sich bei Adipositas bei bis
zu 40 % der Zellen des Fettgewebes nachweisen [10,11]. Allerdings ist unwahrscheinlich, ob es sich dabei ausschlieûlich um
eingewanderte Monozytenmakrophagen handelt. Denn mehrere
Gruppen haben kürzlich gezeigt, dass auch Präadipozyten und
Adipozyten CD68 bilden. Es ist bisher nicht möglich zu unterscheiden, ob die CD68-positiven Zellen ortsansässige Präadipozyten repräsentieren oder eingewanderte Makrophagen darstellen [12]. Interessanterweise wurden in den letzten Jahren viele
Gemeinsamkeiten zwischen Makrophagen und Fettzellvorläuferzellen beschrieben [9,13]. Daneben konnten wir berichten,
dass auch andere Immunzellen wie z. B. T-Lymphozyten im Fettgewebe nachweisbar sind. Die Infiltration von Immunzellen ist
auûerdem im omentalen Fettgewebe ausgeprägter als im subkutanen Fettgewebe des Menschen [10].
Welche Rolle Makrophagen im Fettgewebe spielen, ist noch
nicht eindeutig geklärt. Sicher ist, dass sie die lokale Entzündung
verstärken. Eine neuere Studie zeigte jedoch, dass sich die eingewanderten Makrophagen gezielt um hypertrophe und nekrotische Fettzellen anlagern und diese phagozytieren [14]. Damit
könnte die Makrophageninfiltration die Zellregeneration unterstützen. Dies wäre im Prinzip ein sinnvoller Vorgang, da gerade
die groûen Fettzellen wenig insulinempfindlich sind und besonders viele proinflammatorische Faktoren produzieren. Die biologische Funktion der Makrophageninfiltration lässt sich vor diesem Hintergrund noch nicht abschlieûend beurteilen.
Insulinresistenz und die Folgen
!
Chronische Überernährung führt zunächst zur Expansion und
" Abb. 2).
Entzündung des Fettgewebes (l
Die in diesem Kontext entstehenden Sekretionsprodukte gelangen über die Blutbahn in verschiedene Organe, deren Stoffwechsel dann negativ beeinflusst wird. Die beiden wichtigsten Organe im Hinblick auf die Entstehung einer Insulinresistenz sind dabei Muskulatur und Leber:
" Da die Muskulatur etwa 80 % der resorbierten Glukose aufnimmt und verbrennt, droht eine herabgesetzte Glukoseverwertung.
" Der Leberstoffwechsel verändert sich unter dem Einfluss der
Entzündungsmediatoren ebenfalls deutlich: Als Ausdruck der
Insulinresistenz wird vermehrt Glukose produziert und in die
Blutbahn abgegeben, da die Suppression durch Insulin defekt
ist. Daneben wird auch der Lipoproteinstoffwechsel negativ
beeinflusst. Die damit einhergehende erhöhte Produktion
von VLDL-Triglyzeriden verschlimmert die Insulinresistenz
weiter.
Am Ende resultiert eine systemische Insulinresistenz, die einen
idealen Nährboden für Typ-2-Diabetes und Arteriosklerose darstellt. Inzwischen ist bekannt, welche Signalwege beteiligt sind.
Hauner H. Das ¹dicke Endeª zu üppiger Kost ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S49 ± S53
S51
Übersicht
Macrophage infiltration of scWAT in obese subjects before
and 3 months after weight loss surgery
3M
scWAT macrophages
(%)
T0
I
scWAT macrophages
(%)
S52
K
***
30
***
25
20
15
10
5
0
80
70
60
50
40
30
20
10
0
T0
3M
T0
C
3M
Cancello R et al.,
Diabetes 2005; 54: 2277 –2286
Abb. 3 Gewichtsabnahme führt zu einem drastischen Rückgang der
Makrophageninfiltration (mit freundlicher Genehmigung von American
Diabetes Association).
Immer deutlicher wird, dass Inflammation und Insulinresistenz
in der Fettzelle eng verknüpft sind. So wurde kürzlich eine Verbindung zwischen der Aktivierung des NF-kB-Signalwegs und
der Serinphosphorylierung von IRS-1 beschrieben, die die Weiterleitung des Insulinsignals in der Zelle hemmt. Interessant
sind auûerdem neuere Befunde, nach denen die bekannten Pathomechanismen, die zu Typ-2-Diabetes bzw. zur Arteriosklerose führen, wahrscheinlich weitgehend identisch sind. Damit
lässt sich immer besser verstehen, warum auch die dabei resultierenden klinischen Krankheitsbilder so eng verbunden sind.
Die vom Fettgewebe bei Adipositas vermehrt gebildeten und sezernierten proinflammatorischen Zytokine stehen auch in engem Zusammenhang mit anderen Komponenten des metabolischen Syndroms: TNF-a, IL-6 und andere Zytokine lösen nicht
nur eine Insulinresistenz aus, sondern fördern über den erhöhten Umsatz von Fettsäuren auch die Entstehung von Fettstoffwechselstörungen. Substanzen wie Angiotensin II und Endothelin-1 tragen möglicherweise zur Entstehung der Hypertonie bei
und die erhöhte Freisetzung von Plasminogenaktivatorinhibitor-1 (PAI-1) begünstigt das Auftreten von thrombembolischen
Komplikationen. Von klinischer Bedeutung ist auch die Beobachtung, dass die Östrogensynthese bei der Frau nach dem Klimakterium nahezu ausschlieûlich im Fettgewebe erfolgt. Adipöse Frauen haben deshalb erhöhte Östrogenspiegel, die wiederum
das erhöhte Risiko für Gebärmutter- und Brustkrebs erklären
könnten [4].
gen Wirkungen dürfte über die vermehrte Bildung reaktiver Sauerstoffspezies vermittelt sein. Die Nahrung enthält jedoch auch
Schutzfaktoren, vor allem w-3-Fettsäuren und einzelne sekundäre Pflanzenstoffe, die zumindest in der Zellkultur günstige Effekte auf das Entzündungsgeschehen gezeigt haben. Beispielsweise
wurde an adipösen, diabetischen Mäusen untersucht, wie sich
unterschiedliche Ernährungsmuster auf die Fettgewebsentzündung auswirken. Beim Wechsel von einer fettarmen Standardkost auf eine fettreiche Ernährung tauchten plötzlich viele Makrophagen im Fettgewebe auf. Erhielten die Mäuse die gleiche
Fettmenge und zusätzlich w-3-Fettsäuren, war die proinflammatorische Wirkung und die Anhäufung von Makrophagen aufgehoben [15].
Die stärkste antiinflammatorische Wirkung dürfte jedoch eine
Energiebegrenzung und Gewichtsabnahme haben. In einer Studie an extrem adipösen Personen wurde beobachtet, dass es 3
Monate nach einer adipositaschirurgischen Intervention mit erheblicher Gewichtsabnahme (ca. 30 kg) nicht nur zum Abfall der
Serumkonzentrationen proinflammatorischer Marker wie
MCP-1 kam, sondern auch die Makrophageninfiltration im Fett" Abb. 3).
gewebe um etwa 50 % zurückging [16] (l
Damit dürfte die Gewichtsabnahme ein sehr wirksamer Ansatz
sein, um die Entzündung im Fettgewebe zu dämpfen oder vielleicht rückgängig zu machen. Diesen Effekt haben inzwischen
mehrere Studien bestätigt.
Somit besteht insgesamt ein enger Zusammenhang zwischen
der Ernährungssituation und der Aktivität des Immunsystems.
Während eine Mangelernährung zu einer Suppression des Immunsystems zu führen scheint, kommt es bei chronischer Überernährung und Adipositas zu einer erhöhten Aktivität mit einer
subakuten chronischen Inflammation [9]. Im letzteren Fall besteht der Preis dafür allerdings in der Entstehung von degenerativen Wohlstandskrankheiten, die je nach Ausprägung und Dauer nicht nur die Lebensqualität herabsetzen, sondern auch das
Leben verkürzen können.
Zusammenfassung
!
Adipositas ist durch eine chronische Entzündung im Fettgewebe
charakterisiert. Es kommt zur Einwanderung von Immunzellen
wie Makrophagen und T-Lymphozyten, die hohe inflammatorische Aktivität zeigen. Infolgedessen steigt die Produktion und
Freisetzung von Entzündungsmediatoren weiter an. Die lokale
Entzündung ist mit einer Insulinresistenz und massiven metabolischen Störungen assoziiert. Adipositas, lokale Entzündung
und Insulinresistenz sind der Nährboden für Stoffwechselstörungen wie Typ-2-Diabetes, Arteriosklerose und möglicherweise
auch neurodegenerative Erkrankungen. Gewichtsreduktion,
richtige Ernährung hinsichtlich der Fettsäurenzusammensetzung sowie bestimmte Medikamente reduzieren die Entzündungsaktivität und können die davon abhängenden Stoffwechselstörungen günstig beeinflussen oder möglicherweise ganz
vermeiden. Mit dem derzeit verfügbaren Wissen stehen prinzi-
Rückgang der Entzündung durch Gewichtsabnahme
!
Bestimmte Nährstoffe wirken als direkte Promotoren der Fettgewebsentzündung. Dazu gehören insbesondere gesättigte Fettsäuren, Glukose und AGE-Proteine [6]. Ein Teil dieser ungünstiHauner H. Das ¹dicke Endeª zu üppiger Kost ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S49 ± S53
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adipocyte size and adipokine expression and secretion in human adipose tissue. J Clin Endocrinol Metab 2007; 92: 1023 ± 1033
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Invest 2005; 115: 1111 ± 1119
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white adipose tissue and differentiating human adipose cells in primary culture. Diabetes 2000; 49: 532 ± 538
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macrophage accumulation in adipose tissue. J Clin Invest 2003; 112:
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12 Khazen W, M'Bika J-P, Tomkiewicz C et al. Expression of macrophagespecific markers in human and rodent adipocytes. FEBS Letters 2005;
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13 Charriere G, Cousin B, Arnaud E et al. Preadipocyte conversion to
macrophage. Evidence of plasticity. J Biol Chem 2003; 278: 9850 ±
9855
14 Cinti S, Mitchell G, Barbatelli G et al. Adipocyte death defines macrophage localization and function in adipose tissue of obese mice and
humans. J Lipid Res 2005; 46: 2347 ± 2355
15 Todoric J, Löffler M, Huber J et al. Adipose tissue inflammation induced
by high-fat diet in obese diabetic mice is prevented by n-3 polyunsaturated fatty acids. Diabetologia 2006; 49: 2109 ± 2019
16 Cancello R, Henegar C, Viguerie N et al. Reduction of macrophage infiltration and chemoattactant gene expression changes in white adipose
tissue of morbidly obese subjects after surgery induced weight loss.
Diabetes 2005; 54: 2277 ± 2286
Hauner H. Das ¹dicke Endeª zu üppiger Kost ¼ Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1: S49 ± S53
S53
S54
Richtlinien für Autoren
Aktuelle Ernährungsmedizin
Richtlinien für Autoren
Allgemeines
Ziel der Zeitschrift ist es, in kurzer und prägnanter Form, auch unter Verwendung instruktiver Abbildungen und Skizzen, aktuelle
Probleme der Ernährungsmedizin darzustellen. Die Beiträge sollen
das mit der Schriftleitung vereinbarte und abgegrenzte Thema
knapp, aber umfassend und praxisnah darstellen. Dabei soll der internationale Wissens- und Erfahrungsstand berücksichtigt und
dargelegt werden, ob und inwieweit neuere wissenschaftliche Erkenntnisse in der Praxis und am Krankenbett Bedeutung haben
oder erlangen können. Die Schriftleitung behält sich das Recht auf
notwendig werdende ¾nderungen und Kürzungen nach Rücksprache mit dem Autor vor. Mit Annahme des Manuskriptes durch die
Schriftleitung erwirbt der Verlag alle urheberrechtlichen Verwertungsrechte. Es werden veröffentlicht:
1. Übersichten und Editorials
2. Originalarbeiten
3. Briefe an die Schriftleitung
Originalarbeiten werden in deutscher und englischer Sprache angenommen. Titel (Title) und Zusammenfassung (Abstract) fügen
Sie bitte in beiden Sprachen dem Manuskript bei.
Strukturierte Zusammenfassung bzw. Abstract (Originalarbeiten):
Da diese in internationale Datenbanken aufgenommen werden,
sollte Zusammenfassung bzw. Abstract kurz, maximal 250 Worte,
sein und ohne jede Redundanz den Inhalt und die wichtigsten Fakten wiedergeben. Bitte gliedern Sie wie folgt:
Zusammenfassung
± Fragestellung
± Material und Methodik
± Ergebnisse
± Schlussfolgerung
Abstract
± Purpose
± Material and Methods
± Results
± Conclusion
Fügen Sie bitte bis zu 5 Schlüsselwörter bzw. Key words an.
Manuskriptgestaltung
Abfassung in kurzen klaren Sätzen; Gliederung in Einleitung, Methodik, Ergebnisse, Diskussion; Abkürzungen nur soweit sie international verständlich sind. Den Text bitte einseitig und weitzeilig
auf fortlaufend nummerierte Manuskriptseiten schreiben; handschriftliche ¾nderungen vermeiden, Abbildungen nicht einkleben.
Legenden, Tabellen, Literatur und Zusammenfassung mit Abstract
jeweils auf gesonderten Blättern. Am Schluss des Manuskriptes
sollen von allen Autoren aufgeführt werden: Name, Vornamen,
Dienststelle mit vollständiger Anschrift. Bitte liefern sie 3 Exemplare Ihres Manuskriptes an die Schriftleitung.
Rechtschreibreform
Neue deutsche Rechtschreibung: Ab sofort sind die an die Schriftleitung gerichteten Manuskripte nach den Regeln der neuen deutschen Rechtschreibung zu verfassen.
Schreibweise
Duden, Rechtschreibung der deutschen Sprache; Duden, Wörterbuch medizinischer Fachausdrücke, Pariser Nomina anatomica
(PNA).
Manuskriptumfang
Der Umfang der Originalbeiträge soll 10±12 Manuskriptseiten und
4 bis 6 Bilder nicht übersteigen. Eine Manuskriptseite entspricht
30 Zeilen zu je 60 Anschlägen; der Umrechnungsschlüssel beträgt
4 Manuskriptseiten = eine Druckseite.
Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1
Literaturzitate
Literaturverweise werden gemäû der Reihenfolge, in der sie im
Text vorkommen, arabisch nummeriert. Im Text erscheinen die
Verweiszahlen in eckigen Klammern. Am Ende der Arbeit werden
die Literaturstellen in dieser Reihenfolge aufgeführt und nach untenstehendem Muster zitiert. Es müssen alle im Literaturverzeichnis angeführten Zitate auch im Text an der richtigen Stelle angeführt werden. In Titeln englischer Zeitschriftenartikel werden nur
Eigennamen groû geschrieben, in Buchtiteln alle Hauptwörter.
Beispiel für das Zitieren eines Zeitschriftenartikels:
1
Balogh D. Ernährung von Brandverletzten. Aktuel Ernaehr Med
1997; 22: 164 ± 168
Beispiel für das Zitieren eines Buches:
1
Fürst HKP, Kasper H et al. Ernährungsmedizin. Stuttgart: Thieme, 1995
Beispiel für das Zitieren eines Buchkapitels:
1
Stähelin HB. Ernährung und Krebs. In: Biesalski HK, Fürst P,
Kasper H et al. (eds): Ernährungsmedizin. Stuttgart: Thieme,
1995: 367 ± 377
Bei im Druck befindlichen Arbeiten sollen Zeitschrift, Band und Erscheinungsjahr mit dem Zusatz ¹im Druckª vermerkt werden. Persönliche Mitteilungen dürfen nur mit schriftlichem Einverständnis
des Urhebers zitiert werden.
Abbildungen und Tabellen
Für Zeichnungen müssen Vorlagen oder Rohskizzen geliefert werden. Für die Reproduktion von Halbtonbildern (Fotografien, Mikrofotografien, Röntgenbildern) werden saubere, scharfe und tonwertreiche Hochglanzabzüge in Schwarzweiû benötigt. Sollten
bei Grafiken/Diagrammen mehr als 5 Grauwertabstufungen verwendet werden, nehmen Sie bitte zur Tonwertbestimmung Kontakt mit der Herstellung (siehe Impressum) auf. Farbige Abbildungen können nur in Ausnahmefällen und bei Zahlung eines entsprechenden Druckkostenzuschusses Aufnahme finden.
Korrekturen
Einmalige Korrekturen (Fahnen-Abzüge) werden vom Verlag mit
der Bitte um sorgfältige Prüfung und umgehende Rückgabe vorgelegt. Kosten für auûergewöhnlich umfangreiche, verspätete oder
vom Autor verschuldete Korrekturen werden vom Verlag berechnet. Umbruch-Korrekturen werden den Autoren nicht zugesandt.
Manuskripte auf Diskette
Bitte senden Sie uns Ihr elektronisch erstelltes Manuskript auf Diskette zu.
Beachten Sie dabei folgende Hinweise:
Verwenden Sie möglichst weit verbreitete Textverarbeitungsprogramme und vermerken Sie Betriebssystem, Programm und Versionsnummer auf der Diskette. Speichern Sie Ihre Arbeit zusätzlich
in einem Datenaustauschformat ab (*.doc, *.rtf, *.txt etc.). Stellen
Sie Abbildungslegenden und Tabellen an das Manuskriptende.
Speichern Sie Abbildungen und Grafiken als separate Dateien und
binden Sie diese nicht in den Text ein. Achten Sie auf eine ausreichende Auflösung der Bilddaten: Farb-/Graustufen-Abbildungen:
300 dpi; Grafiken/Strichabbildungen: mindestens 600 dpi.
Wir benötigen zusätzlich zu Ihrer Diskette 3 Ausdrucke Ihres Manuskriptes und Ihrer Abbildungen und Grafiken. Diese Ausdrucke
sind für uns verbindlich.
Fügen Sie eine unterschriebene Erklärung bei, dass Ausdrucke und
Dateien inhaltsgleich sind.
Sonderdrucke
Die Autoren erhalten von jedem Beitrag gemeinsam 25 Sonderdrucke. Weitere Sonderdrucke können gegen Berechnung der Mehrkosten bestellt werden.
Manuskripte in dreifacher Ausfertigung nimmt die Schriftleitung
entgegen: Prof. Dr. G. Wolfram, Department für Lebensmittel und
Ernährung, TU München, 85350 Freising-Weihenstephan, E-mail:
[email protected]
Instructions for Authors
Aktuelle Ernährungsmedizin
Instructions for Authors
Examples for citing an article that appeared in a journal:
1
Balogh D. Ernährung von Brandverletzten. Aktuel Ernaehr Med
1997; 22: 164 ± 168
Example for citing a book:
1
General
It is the purpose of the journal to present topical problems of nutritional medicine concisely and precisely also in conjunction with
instructive illustrations and sketches. The papers submitted
should deal with a subject defined by and agreed upon with the
Editor in a concise and comprehensive manner in accordance
with medical practice while taking into consideration and presenting the update international status of scientific knowledge and experience in respect of how far the contents are or may become of
practical importance for patient treatment and care. The Editor reserves the right to effect necessary changes and cuts in consultation with the author(s). Acceptance of the manuscript by the Editor
implies transference of the entire copyright to the publishers. The
following items will be published in the journal:
1. Overviews and Editorials
2. Original papers
3. Letters to the Editor
Original papers are accepted in German or English. Will you please
submit the title and the abstract in both languages. Abstracts or
original papers should be structured. Since the abstracts will be
stored by international databases, they should be brief (not more
than 250 words) and communicate the contents and the most important facts crisply and concisely without padding. Please organize your abstracts as follows:
± Purpose
± Material and methods
± Results
± Conclusion
Will you please include up to 5 key words.
Organization of the manuscripts
Write short clear sentences. Breakdown: Instruction, Methods, Results, Discussion, References. Use only internationally accepted abbreviations. Manuscripts should be typed on one side of each page
only with adequate spacing and the pages should be consecutively
numbered with Arabic numerals. Avoid changes and corrections by
hand. Do not paste illustrations into the running text. Legends, tables, references and abstract should be given on separate sheets. At
the end of the manuscript please feature the following details concerning each author: Surname, first name, place of work with complete present address. Will you please submit every manuscript in
triplicate.
Size of the text (number of manuscript pages)
The size of each manuscript shall not exceed 10 ± 12 pages as well
as 4 to 6 illustrations. One manuscript page has 30 lines of 60 spacings each. 4 manuscript pages are equal to one printed page.
References
References are numbered consecutively in the order in which they
appear in the manuscript (Arabic numerals). The references are
numbered in the text in square brackets. At the end of the text
these references are listed in that sequence and cited according to
the sample given below. All references in this list must be cited in
the text at the appropriate site.
Fürst HKP, Kasper H et al. Ernährungsmedizin. Stuttgart:
Thieme, 1995
Example for citing a chapter in a book:
1
Stähelin HB. Ernährung und Krebs. In: Biesalski HK, Fürst P,
Hasper H et al (Hrsg): Ernährungsmedizin. Stuttgart: Thieme,
1995: 367 ± 377
In case a cited paper is still in print, please add ªin printº to name of
the journal, volume and year. Personal communications may be cited only with the written consent of the person concerned.
Illustrations and tables
Drawings must be supplied either as artwork or sketches. For halftone reproductions (photographs, microphotographs, x-ray images) clear, sharp black and white high gloss prints of correct tonal
value are imperative. If you are using more than 5 graytone gradations in drawings or diagrams, please contact the production (see
imprint) for technical details. Colour illustrations can be accepted
only in exceptional cases and against payment of an extra charge
for colour.
Corrections
The publisher will submit 1 set of galley proofs with a request for
careful checking and quick return. The publisher will charge the
author for exceptionally voluminous or delayed corrections or for
corrections due to errors committed by the author. Page proofs
will not be sent.
Electronic manuscripts on diskette
Electronically compiled manuscripts may be submitted on disc.
The following guidelines should be observed:
Please use only widely accepted word-processing programmes.
State the operating system, programme designation and version
number on the diskette. In addition, store your contribution also
in data interchange format (*.doc, *.rtf, *.txt, etc.). Legends of the illustrations, as well as the tables, should be placed at the end of
your manuscript.
Illustrations and graphs should be stored as separate data sets and
not incorporated into the text. Please provide graphic files with
sufficient resolution: Coloured and black-white bitmaps: 300 dpi;
diagrams and line drawings: 600 dpi minimum.
In addition to your diskette we also require 3 printouts of your
manuscript and graphs. These printouts are binding as far as we
are concerned.
Will you please also include a signed declaration that the contents
of the printouts and of the data files are identical.
Reprints
The authors will receive of every contribution jointly 25 reprints.
Further reprints may be ordered against payment of the additional
cost involved.
Manuscripts should be submitted in triplicate to the Editor: Professor Dr. G. Wolfram, Department für Lebensmittel und Ernährung,
TU München, 85350 Freising-Weihenstephan, Germany, E-mail:
[email protected]
Aktuel Ernaehr Med 2008; 33, Supplement 1
S55
S56
Impressum
Impressum
Aktuelle Ernährungsmedizin
33. Jahrgang
Fehlen eines solchen Hinweises kann nicht
geschlossen werden, dass es sich um einen
freien Handelsnamen handelt.
Schriftleitung
Prof. Dr. med. Günther Wolfram, Department für Lebensmittel und Ernährung, TU
München, Alte Akademie 16, 85350 Freising-Weihenstephan
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Manuskriptrichtlinien und andere Informationen für Autoren entnehmen Sie bitte
den Autorenhinweisen unter www.thieme.
de/fz/akternmed/autorenhinweise.html
Grundsätzlich werden nur solche Manuskripte angenommen, die vorher weder im
Inland noch im Ausland (in vollem Umfang,
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Medienform) veröffentlicht worden sind.
Die Manuskripte dürfen auch nicht gleichzeitig anderen Publikationsorganen zur
Publikation angeboten werden.
Mit der Annahme des Manuskripts zur Veröffentlichung überträgt der Verfasser dem
Verlag für die Dauer der gesetzlichen
Schutzfrist (§ 64 UrHG) das ausschlieûliche,
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Recht für alle Auflagen/Updates zur auch
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Form sowie in elektronischen Medien (Datenbanken, Online-Netzsysteme, Internet
CD-Rom, DVD, PDA etc.) auch in geänderter Form oder in Form einer auszugsweisen
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Soweit Abbildungen aus anderen Veröffentlichungen entnommen sind, räumt der Verfasser dem Verlag lediglich das nicht ausschlieûliche Nutzungsrecht im Umfang des
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und weist diese dem Verlag nach.
Dem korrespondierenden Autor stehen 25
Sonderdrucke seiner Arbeit kostenfrei zur
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Verlag
Georg Thieme Verlag KG
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