18. Februar 2017 Sonnenhormon mit vielen Aufgaben Fast alle Körperzellen besitzen Rezeptoren für Vitamin D, wodurch dieses Vitamin zahlreiche extraskelettale Funktionen im Organismus übernimmt. In diesem Beitrag erfahren Sie, welche vielfältigen Aufgaben das „Sonnenhormon“ Vitamin D besitzt und welche körpereigenen Schutzfunktionen sich daraus ergeben. So sichert Vitamin D die Calcium-Versorgung der Knochen Calcitriol, die aktivierte Form des Vitamin D, ist an mehreren Schritten der Regulation des Calcium- und Phosphat-Haushaltes beteiligt. Zusammen mit dem Vitamin-D-Rezeptor bildet Calcitriol einen Komplex, welcher ein zentraler Regulator der Genexpression ist. Dadurch werden vor allem jene Proteine vermehrt gebildet, die für den Calcium- und Phosphathaushalt zuständig sind.1 Über folgende Organe reguliert Calcitriol den Calcium-Haushalt:1 Im Dünndarm werden vermehrt Transportproteine für Calcium gebildet, wodurch die Aufnahme von Calcium aus der Nahrung im Jejunum und Ileum gesteigert wird. In der Niere werden in den Nierentubuli ebenfalls vermehrt Transportproteine für Calcium gebildet, die die Rückresorption von Calcium aus dem Primärharn gewährleisten. Über die Nebenschilddrüse hemmt Calcitriol die Mobilisierung von Calcium aus den Knochen, indem es die Bildung des Parathormons (PTH) direkt unterdrückt. Im Skelettsystem regt Calcitriol die Knochenmineralisation an, indem es die Osteoblasten anregt, Proteine zu synthetisieren, die an der Mineralisation und dem Aufbau der Knochenmatrix beteiligt sind. Vitamin D stärkt die unspezifische Infektabwehr Indem Calcitriol die Synthese des antimikrobiell wirkenden Eiweißmoleküls Cathelicidin LL37 induziert, steigert es die unspezifische Infektabwehr. Das Cathelicidin wird beispielsweise in Keratinozyten, aber auch Makrophagen, als Antwort auf eine Infektion vermehrt produziert und ist in der Lage, die Bakterienmembran zu zerstören.1 Die antimikrobielle Wirkung von Vitamin D wurde im Grunde bereits im 19. Jahrhundert von Niels Ryberg Finsen entdeckt, der feststellte, dass Sonnenlicht den Verlauf einer pulmonalen Tuberkulose günstig beeinflusst. Zwei Studien belegen, dass sowohl das TBC-Risiko als auch das Risiko, dass es nach einer Infektion mit Mycobacterium tuberculosis zum Ausbruch der Erkrankung kommt, bei Personen mit einer adäquaten Vitamin-D-Versorgung signifikant verringert ist.2,3 Weitere Studien zeigten, dass das Risiko für Atemwegsinfekte bei unzureichender Vitamin-DZufuhr um 36 % erhöht ist.4 Umgekehrt konnte das Erkrankungsrisiko bei einer täglichen Supplementation von 50 µg Vitamin D pro Tag bei afro-amerikanischen Studienteilnehmern um bis zu 90 % reduziert werden.5 Verbesserte Autoimmuntoleranz = geringeres Risiko für MS und DiabetesTyp-1 Es konnte gezeigt werden, dass Vitamin D die Balance zwischen den Subtypen der THelferzellen TH1 und TH2 zugunsten der TH2-Zellen verschiebt und dadurch die Autoimmuntoleranz reguliert.1 Zudem mehren sich die Hinweise, dass höhere 25(OH)DSpiegel protektiv wirken gegen verschiedene Autoimmunerkrankungen, wie Multiple Sklerose (MS)6, Typ-1-Diabetes7,8, Systemischen Lupus erythematodes (SLE)9, SjögrenSyndrom10 und eventuell auch Rheumatoide Arthritis (RA)9. Insbesondere für die Multiple Sklerose zeigen Beobachtungsstudien, dass das Erkrankungsrisiko bei adäquater Vitamin-D-Versorgung geringer ist.11 In einer Fall-KontrollStudie an Frauen konnte zudem eine Dosis-Wirkungsbeziehung gezeigt werden: Ein Anstieg des 25(OH)D-Wertes um 10 nmol/l reduzierte das MS-Risiko um 19 %.1 Bislang liegen keine prospektiven Interventionsstudien vor, die die vorgestellten kausalen Zusammenhänge bestätigen.12 Jedoch konnte bereits der pathogenetische Mechanismus der autoimmunen Hashimoto-Thyreoiditis mit Polymorphismen der Gene für den Vitamin-DRezeptor und für die 1-alpha-Hydroxylase, welche Vitamin D aktiviert, in Verbindung gebracht werden.13 Antikanzerogene Wirkung Die in diversen Studien beobachtete antikanzerogene Wirkung von Vitamin D beruht vermutlich darauf, dass 1,25(OH)2D-(Calcitriol) die Zelldifferenzierung fördert und antiproliferativ wirkt. Dies konnte in Tier- und Zellkulturmodellen gezeigt werden. Verschiedene Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine vermehrte Sonnenexposition mit einer reduzierten Inzidenz und Mortalität der meisten Krebserkrankungen einhergeht. Nach epidemiologischen Untersuchungen sind schätzungsweise 10 % der Todesfälle einer Vielzahl an Krebserkrankungen wie Brust-, Prostata- oder Lungenkrebs auf unzureichende UVExposition oder Vitamin-D-Mangel zurückzuführen.12,14 Für mögliche protektive Effekte gegen Darmkrebs existiert bereits ein Erklärungsmodell, nach welchem Vitamin D über Vitamin-D-Rezeptoren die Expression eines Enzymsystems an der Darmmukosa steigert. Diese Enzyme bauen die pro-kanzerogene Lithocholsäure ab, die bei einer gesteigerten Fettaufnahme beim Abbau von Gallensäuren entsteht.12,15 1. Ströhle. aid - Ernährung im Fokus 2011; 6: 243-251. Vitamin D im Blickfeld der Prävention. 2. Nnoaham and Clarke. International Journal of Epidemiology 2008; 37(1): 113-9. Low serum vitamin D levels and tuberculosis: a systematic review and meta analysis. 3. Gibney et al. Clinical Infectious Diseases 2008; 46(3): 443-6. Vitamin D deficiency is associated with tuberculosis and latent tuberculosis infection in immigrants from subSaharan Africa. 4. Ginde et al. Archives of Internal Medicine 2009; 169(4): 384-90. Association between serum 25-hydroxyvitamin D level and upper respiratory tract infection in the Third National Health and Nutrition Examination Survey. 5. Aloia and Li-Ng. Epidemiology and Infection 2007; 135(7): 1095-6. Re: epidemic influenca and vitamin D. 6. Hayes. Proc Nutr Soc 2000; 59: 531–535. Vitamin D a natural inhibitor of multiple sclerosis. 7. EURODIAB substudy 2 study group. Diabetologia 1999; 42: 51–54. Vitamin D supplement in early childhood and risk for Type I (insulindependent) diabetes mellitus. 8. Hypponen et al. Lancet 2001; 358: 1500–1503. Intake of vitamin D and risk of type 1 diabetes: a birth-cohort study. 9. Muller et al. Clinical Rheumatology 1995; 14: 397–400. Vitamin D3 metabolism in patients with rheumatic diseases: low serum levels of 25-hydroxyvitamin D3 in patients with systemic lupus erythematosus. 10. Bang et al. Scandinavian Journal of Rheumatology 1999; 28: 180–183. Reduced 25hydroxyvitamin D levels in primary Sjoegren’s syndrome. Correlations to disease manifestations. 11. Ascherio and Munger. Annals of Neurology 2007. 61(6): 504-13. Environmental risk factors for multiple sclerosis. Part II: Noninfectious factors. 12. Barthel und Scharla. Deutsche Medizinische Wochenschrift 2003; 128: 440-446. Mehr als Knochenschutz – Vitamin D zur Prävention von Stürzen, Krebs, Bluthochdruck und Autoimmunerkrankungen. 13. Wang et al. Nutrients 2015; 7(4): 2485-98. Meta-analysis of the association between vitamin D and autoimmune thyroid disease. 14. Grant. Cancer 2002; 94: 1867-1875. An estimate of premature cancer mortality in the US due to inadequate doses of solar ultraviolet-B radiation. 15. Makishima et al. Science 2002; 17: 1313–1316. Vitamin D receptor as an intestinal bile acid sensor. 16. Marshal and Byrne. Photochemical and Photobiological Sciences 2017; Jan 19. doi: 10.1039/c6pp00332j. Does sunlight protect us from cancer?