Datum: 07.11.2016 Bieler Tagblatt 2501 Biel 032/ 321 91 11 www.bielertagblatt.ch Medienart: Print Medientyp: Tages- und Wochenpresse Auflage: 20'793 Erscheinungsweise: 6x wöchentlich Themen-Nr.: 833.009 Abo-Nr.: 833009 Seite: 12 Fläche: 82'194 mm² Menschliches Handeln in unmenschlichen Zeiten Oper Das Theater Orchester Biel Solothurn präsentiert die Oper «Weisse Rose» von Udo Zimmermann. Anna Drescher hat das Werk, das die letzten Stunden im Leben der Geschwister Scholl thematisiert, auf packende Weise inszeniert. Annelise Alder etwa ein elegisches Flötensolo - auffäDa sitzen sie. An je eine Seitenwand der dunklen leeren Gefängniszelle lehnend. chert. Manchmal aber auch zu einem Sie warten auf ihre Hinrichtung, Sophie kompakten Klangkörper zusammenfasst, und ihr drei Jahre älterer Bruder Hans mit einer fast bis an die Schmerzgrenzen Scholl. Plötzlich brechen wie Peitschen- reichenden musikalischen Schlagkraft. hiebe wirkende dissonante Akkorde über Die Musikerinnen und Musiker des Sindie beiden herein. Doch sie weichen bald fonieorchesters Biel Solothurn unter Leisphärischen Klängen, die sich mit dem tung von Kaspar Zehnder bleiben der einsetzenden ausdrucksvollen Gesang Partitur dabei in nichts schuldig. Sophies verweben. Sie wirkt entrückt. Bei aller Ausweglosigkeit der Situation: Nur wenige Tage zuvor war Sophie zu- Die Oper entlässt den Besucher und die sammen mit ihrem Bruder Hans verhaf- Besucherin nicht erschüttert in den tet worden. Dies nachdem sie im Februar grauen Novemberabend. Das ist der 1943 an der Universität in München Kernbotschaft zuzuschreiben, die Zim- Dabei schliesst sie das Beklemmende des Geschehens nicht aus. Bedrohung ist greifbar Das machen allein die bedrohlich nahe zusammenrückenden Wände gegen Schluss der Oper deutlich. Die langen Papierbahnen, die von der Decke heruntergleiten, und die lose fliegenden Blätter erinnern aber nicht nur an Gitterstäbe von Gefängniszellen und an reelle Flugblätter. Weisses unbeschriebenes Papier steht für die Freiheit und die Möglichkeiten des Lebens, wie sie sagt. Nazi-kritische Flugblätter verteilt hat- mermann mit seinem Werk vermittelt. Auf diesem Hintergrund überzeugt ten und dabei entdeckt wurden. «Mich bewegt weniger die Frage nach auch die Besetzung der Rollen mit MaDie Oper des 1943 in Dresden gebore- der Bewältigung von Faschismus als die, rion Grange als Sophie und Wolfgang nen Komponisten Udo Zimmermann wie wir mit Wahrheit umgehen», sagt Resch als Hans. Beide verfügen über eine thematisiert die kurze Zeitspanne zwi- Zimmermann. schlanke und variantenreiche Tongeschen Verkündung des Todesurteils Es ist der unbedingte Glaube an die bung. durch den Volksgerichtshof und der Hin- Wahrheit, der die Geschwister Scholl das richtung der Geschwister. Episodenhaft Wagnis eingehen liess, sich gegen Unwerden darin wichtige Momente im Le- recht aufzulehnen, auch im Wissen um ben der beiden beleuchtet: Die Lebens- die Todesgefahr. Der Glaube und auch die lust der jungen Studenten, die Begeg- Gewissheit, das Richtige getan zu haben, nung mit dem Grauen des Krieges, der gibt den beiden auch kurz vor dem Tod die Kraft, dem Unausweichlichen entAbschied von den Eltern. gegenzutreten. Glaube an die Wahrheit Ganz im Sinne des Komponisten ver- Eindrücklich, wie Marion Granges So- phie die grosse emotionale Spannweite von zarter Verletzlichkeit bis zu jugendli- chem Übermut durchlebt. Wolfgang Resch gibt einen eher nüchternen, aber nicht minder berührenden Hans. Auch Bühne und Kostüme - Sneakers und TShirt - von Hudda Chukri unterstreichen die zeitlose Botschaft des Werks. Sie hat Die Musik Zimmermanns spiegelt das zichtet Anna Drescher in ihrer preisge- heute nichts von ihrer Dringlichkeit eingesamte Gefühlsspektrum, das die beiden krönten Inszenierung auf einen faschisti- gebüsst. Protagonisten durchlaufen, auf unmit- schen Kontext. Sie siedelt das Geschehen telbar ansprechende und sinnliche Weise auf einer zeitlosen Ebene an. Dies er- Info: Weitere Aufführungen in Biel am wider. Dabei bedient sich der Komponist reicht sie durch ein äusserst reduziertes 22. November und am 4., 5. und 13. Januar eines 15-köpfigen Musikensembles, das Setting, unterstützt wird sie dabei durch 2017. Informationen und Tickets unter er manchmal in solistische Passagen - eine klare Lichtregie (Mario Bösemann). wwvv.tobs.ch. Medienbeobachtung Medienanalyse Informationsmanagement Sprachdienstleistungen ARGUS der Presse AG Rüdigerstrasse 15, Postfach, 8027 Zürich Tel. 044 388 82 00, Fax 044 388 82 01 www.argus.ch Argus Ref.: 63314394 Ausschnitt Seite: 1/2 Bericht Seite: 33/36