Editorial DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum Wenn Krankenhäuser wählen könnten ... Die Programme der Parteien für die Bundestagswahl liegen vor. Die Gesundheitspolitik wird wohl für den überwiegenden Teil der Bevölkerung kein dominantes Wahlmotiv sein. Zwar hat die Forderung von SPD und Grünen zur Einführung einer paritätischen Bürgerversicherung und die Abschaffung der privaten Gebührenordnungen das Potenzial, Millionen von Privatversicherten und alle nach GOÄ und GOZ abrechnenden Leistungserbringer zu erschrecken. Dass dies 1:1 umgesetzt würde, will kaum einer glauben. Die Gesundheitsversorgung der Beamten müsste abgeschafft werden. Für die Krankenhäuser würde die Abschaffung der Privatversicherung zu Milliarden Erlösminderungen führen. Dagegen sind auf der Finanzierungsseite des Gesundheitswesens von Union und FDP keine grundlegenden Veränderungen oder Einschnitte zu erwarten. Erfreulich ist, dass keine Partei mit globalen Kostendämpfungsattacken gegen die Leistungserbringer unterwegs ist, die FDP sich sogar für die Abschaffung der Budgetierung ausspricht. Aber in einigen Wahlprogrammen lebt die Misstrauenskultur. Da ist bei den Grünen die Rede von Leistungsausweitungen, denen entgegengewirkt werden müsse. Die FDP will ökonomische Fehlanreize im Fallpauschalensystem abschaffen. SPD, Grüne und die Linken fordern verbindliche Vorgaben zur Personalbesetzung in der Pflege. Für eigenverantwortliche Betriebsführung bliebe da wenig Raum. Alle Parteien fordern bessere Arbeitsbedingungen für die Pflege und verbesserte Pflegepersonalausstattungen. Bei der Finanzierung des Personals halten sich die Programme allerdings auffällig zurück. Einzig die Unionsparteien mit der klaren Aussage zum vollständigen Tarifausgleich fallen positiv auf. Aus Krankenhaussicht ein zentrales Thema: Allein in diesem Jahr macht die Unterdeckung der tariflichen Personalkosten ca. 1 Mrd. € aus. Großzügig zeigen sich dagegen FDP, SPD, Grüne und Linke beim Versprechen, zusätzliche Mittel für Investitionen vom Bund bzw. den Krankenkassen zu organisieren. Sicher ist, die Investitionsfinanzierung wird in der nächsten Legislaturperiode hoch prioritär auf der politischen Tagesordnung stehen. Gleiches gilt für die ambulante Notfallversorgung, die in fast allen Programmen aufgerufen wird. Geht es nach der Nennungsdich- | 8.2017 te in den Programmen, stehen wir vor einem Digitalisierungsschub im Gesundheitswesen. Zur Finanzierung der Digitalisierung, insbesondere der Kosten für Cyber-Sicherheit, äußern sich die Parteien allerdings nicht. Hoch im Kurs bei den Parteien steht die Sektorenüberwindung. Starke Vernetzung (Union), integrierte Bedarfsplanung der gesamten medizini­ ­ schen Versorgung (SPD), gemeinsame Planung ambulant und stationär bei den Grünen. Die Detailtiefe in den Programmen ist unsystematisch und punktuell auffällig. Die FDP benennt konkret die Ausweitung der qualitätsabhängigen Vergütung. Die Grünen fordern, Krankenhäuser mit Geburtsstationen in den Regionen abzusichern, die Linken wollen die Fallpauschalen abschaffen, die SPD einen einheitlichen Branchentarifvertrag „Soziales“ einführen und die Union Schulgelder für die Gesundheitsfachberufe abschaffen. Welche Partei ist aus Krankenhaussicht die beste? Die Frage kann aus der Lektüre der Wahlprogramme allein nicht beantwortet werden. Allerdings ist die volle Tarifausfinanzierung von hohem Wert. Jeder weiß aber: Auf dem Weg vom Wahlprogramm zum Koalitionsvertrag und in die Gesetze ist viel Raum – für alles, was man sich aus Sicht der Krankenhäuser wünschen könnte, aber auch für alles, was als zusätzliche Lasten für die Krankenhäuser zu befürchten ist. Vorschläge zu letzteren hat in diesen T ­ agen der GKV-Spitzenverband in seinem Positionspapier formuliert. Aber auch die Kollegen aus der Ärzteschaft mit von Niedergelassenen betriebenen Übernachtungsplätzen für ansonsten krankenhausbehandlungsbedürftige Pa­ tienten lassen erkennen, dass der Fantasie keine Grenzen gesetzt sind. Warum diese zusätzlichen Betreuungen besser funktionieren sollen als die amtlich unzureichende Erfüllung des Sicherstellungsauftrags für die ambulante Notfallversorgung wird auf dieser Ebene der Programmatik nicht infrage gestellt. In der Politik gilt allerdings auch: Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen. 629