Schmerzhafter einseitiger Exophthalmus

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Der interessante Fall
Schmerzhafter einseitiger Exophthalmus*
Einleitung
▼
Beschreibung des Krankheitsbildes
Eine 74-jährige immuninkompetente
Frau wurde wegen eines einseitigen Exophthalmus, der sich seit einigen Wochen
progredient entwickelt hatte, alio loco
mit antientzündlichen Maßnahmen behandelt. Bei Verdacht auf eine sinugene
Komplikation einer chronischen Sinusitis
erfolgte extern eine Infundibulotomie.
Die histologische Untersuchung erbrachte
eine chronische Rhinosinusitis. Zusätzlich bestand bei der Patientin eine chronisch-lymphatische B-Zell Leukämie (BCLL, Binet C) und ein Diabetes mellitus
Typ II. Unter o. g. Therapie kam es zur Verschlechterung des Allgemeinzustandes,
einer sehr schmerzhaften Ophthalmoplegie mit periorbitalem Ödem, Chemosis
und konsekutiven Erblindung des rechten
▶ Abb. 1a).
Auges (●
mit einem diffus entzündlichen Prozess
▶ Abb. 2a,b). Als Difder rechten Orbita (●
ferenzialdiagnosen wurden eine bakteriell
bedingte orbitale Komplikation im Rahmen einer exazerbierten Rhinosinusitis,
Tuberkulose, Wegenersche Granulomatose sowie ein akuter Schub der B-Zell-Leukämie diskutiert.
Zur Sicherung der Diagnose erfolgte eine
nochmalige endonasale Siebbeinoperation
mit Probenentnahme. Bei diesem Eingriff
konnte nekrotisches Gewebe im Bereich
des vorderen Siebbeins und des Tränensackes vorgefunden werden. Bei Verdacht
auf eine invasive Pilzsinusitis wurde der
Eingriff erweitert und eine ausgiebige
Drainage mit Debridement des gesamten
Nebenhöhlensystems rechts inklusive Orbitadekompression durchgeführt.
Diagnostik und Therapie
▼
Die histologische Aufarbeitung mittels Hämatoxylin-Eosin-Färbung erbrachte keine
neuen Erkenntnisse. Erst bei Anwendung
spezifischer Färbemethoden wie der PAS(Perjodsäure-Schiff-Reagenz) Färbung und
der Grocott-Färbung konnte die korrekte
Diagnose einer invasiven Pilzsinusitis (Zy▶ Abb. 3a).
gomykose) gestellt werden (●
Als typische Befunde einer Mucorinvasion zeigten sich unseptierte, irreguläre,
abgewinkelte Hyphen, die in der Nasenschleimhaut als auch in den Blutgefäßen
▶ Abb. 3b).
nachweisbar waren (●
Verlauf
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Im weiteren Verlauf kam es zu einer kurzfristigen Erholung und zum Rückgang der
starken Schmerzen.
Postoperativ, wurde eine antimykotische
Systemtherapie mit liposomalem Amphotericin B (5 mg/kg/Tag) und Itraconazol (200 mg/kg/Tag) sowie eine intensive
lokale Amphotericin-Behandlung angeschlossen. Zusätzlich erhielt die Patientin
eine hyperbare Oxygenierung (HBO) mit
16 Fraktionen nach dem TS 240-90-Schema entsprechend den Empfehlungen der
„Undersea and Hyperbaric Medicine Society“ (UHMS).
In der Computertomografie (CT) und in
der Magnetresonanztomografie (MRT)
zeigten sich Zeichen einer Pansinusitis
Abb. 1 a: 74-jährige Patientin. Initiale
Situation mit Exophthalmus, Chemosis und
Ophthalmoplegie rechts. b: Patientin nach 4
Wochen Therapie. Progrediente dolente Nekrose der periorbitalen und frontalen Region.
* Dieser Beitrag wurde auf dem 9. Kongress der
European Skull Base Society in Rotterdam, Niederlande, 15.–18. April 2009 als Vortrag präsentiert.
Abb. 2 a: Präoperatives CT in axialer
Schnittführung. Zeichen der Pansinusitis mit
Exophthalmus rechts. b: Präoperatives MRT
(T2-Wichtung) mit Pansinusitis und Raumforderung der Orbita rechts ohne endokranielle
Beteiligung.
Abb. 3 a: Histologische Untersuchung
mit PAS-Färbung. Irreguläre nicht septierte
Hyphen von Mucor in der Nasenschleimhaut.
(Originalvergrößerung × 200). b: Histologischer Nachweis der Angioinvasion und
der Mukosainfiltration mit Grocott-Färbung.
(Originalvergrößerung × 120).
Knipping S. Schmerzhafter einseitiger Exophthalmus. Laryngo-Rhino-Otol 2011; 90: 100–101 · DOI 10.1055/s-0030-1255099
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Trotz dieser intensiven Therapiemaßnahmen kam es in den anschließenden
Tagen zu einer progressiven Nekrose des
Mittelgesichtes, insbesondere der periorbitalen Region, der Stirn und der äußeren
▶ Abb. 1b). Im
und inneren Nase (●
Kontroll-MRT zeigten sich Herde der Mucorinvasion im linken Frontallappen
sowie im rechten Temporallappen
▶ Abb. 4a, b). Es kam zum letalen
(●
Ausgang der Erkrankung innerhalb von 2
Monaten nach Erkrankungsbeginn.
Diskussion
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Die Zygomykose tritt als eine sehr seltene
opportunistische Infektion insbesondere
bei immuninkompetenten Patienten auf
und weißt eine hohe Morbidität und
Mortalität auf (Gonzalez CE, Rinaldi MG,
Sugar AM. Zygomycosis. Infect Dis Clin
North Am 2002; 16: 895–914). Als Hauptrisikofaktoren gelten Diabetes mellitus
und Funktionsstörungen der neutrophi-
Abb. 4 a: Kontroll-MRT (T1-Wichtung mit
Kontrastmittel) mit Nachweis der Invasion
links frontal. b: Kontroll-MRT (T1-Wichtung
mit Kontrastmittel) zeigt die Progression im
Bereich Apex orbitae und im rechten Temporallappen.
len Granulozyten sowie Makrophagen im
Rahmen von Transplantationen und hämatologischen Erkrankungen (Hosseini
SM, Borghei P. Rhinocerebral mucormycosis: pathway of spread. Europ Arch Otorhinolaryngol 2005; 262 (11): 932–938).
Diese Form der invasiven Pilzinfektion
wird von verschiedenen Spezies der Familie Mucorales wie z.B. Rhizopus, Mucor als
auch Absidia spp. hervorgerufen. Obwohl
oft von Mucormykose gesprochen wird
handelt es sich, da mehrere Spezies dieser
Familie ursächlich beteiligt sein können,
nach Klassifikation um eine Zygomykose.
Ausgehend von den Nasennebenhöhlen
kommt es zur Infiltration der umgebenden
Strukturen wie Orbita, Hirnnerven und
Endokranium (Roden MM, Zaoutis TE,
Buchanan WL. Epidemiology and outcome
of zygomycosis: a review of 929 reported
cases. Clin Infect Dis 2005; 41: 634–653).
Typisch ist auch die Angioinvasion, die
konsekutiv zu Gefäßthrombosen und anschließender Nekrose meistens der Mittelgesichtsweichteile und der Schädelbasis führt. Als charakteristisch gelten
auch schwere Neuralgien der Hirnnerven
und intensive Kopfschmerzen. Zusätzlich
können neurologische Symptome im Rahmen eines Sinus-cavernosus-Syndroms
und ein Pseudotumor orbitae auftreten.
Aufgrund des akuten und fulminaten Verlaufs sind eine zügige Diagnosestellung
und eine möglichst aggressive Therapie
notwendig.
Die richtungsweisende Diagnose kann
nur histologisch mittels entsprechender
Spezialfärbungen (PAS, Grocott) gestellt
werden (Ruchel R, Schaffrinski M, Schobert P. Laboratory diagnostic peculiarities
of mycoses in immunosuppressed patients. Mycoses. 1995; 38 (Suppl. 1):
28–32).
Die First-Line-Therapie besteht in einem
radikalen chirurgischen Debridement mit
einer begleitenden medikamentösen
Therapie. Additiv sollte nach unseren Erfahrungen eine HBO-Therapie durchgeführt werden (Knipping S, Holzhausen HJ,
Koesling S, Bloching M. Invasive aspergillosis of the paranasal sinuses and the
skull base. Eur Arch Otorhinolaryngol
2007; 264 (10): 1163–1169)
Hierbei werden antiinflammatorische Effekte durch die Inhibition proinflammatorischer Zytokine wie IFNy, IL-1 und
TNF genutzt sowie die plasmabasierte
Oxygenierung maximiert (Garcia-Covarrubias L, Barrat DM, Bartlett R, Metzinger
S, Van Meter K. Invasive aspergillosis
treated with adjunctive hyperbaric oxygenation: a retrospective clinical series at
a single institution. South Med J 2002; 95
(4): 450–456).
Des Weiteren kann durch HBO-Therapie
eine Proliferation von Fibrozyten, die Kollagensynthese, die Reepithelisierung und
Neovaskularisation als auch die Aktivierung von Phagozyten induziert werden.
In dem hier demonstrierten Fall wurde
bei fortschreitender Entzündung trotz aggressiver Therapie eine Exenteratio orbitae mit der Patientin und den Angehörigen
diskutiert. Aufgrund der vorliegenden
Grunderkrankungen, des Alters und des
schlechten Allgemeinzustandes in Kombination mit der schlechten Prognose wurde auf diese Maßnahme verzichtet.
Radikale Operationsmethoden mit Organverlust kommen aufgrund von Fortschritten in der konservativen Therapie
wie der Anwendung von liposomalem
Amphotericin B, intraorbitaler Applikation von Antimykotika, neuer Medikamente (Posaconazol) als auch durch den
additiven Einsatz der HBO immer seltener
infrage (Pelton RW, Peterson EA, Patel
BCK, Davis K. Successful treatment of rhino-orbital mucormycosis without exenteration. The use of multiple treatment
modalities. Ophthalmic Plast Reconstr
Surg 2001; 17: 62–66).
Die Zygomykose ist eine akute, fulminant
verlaufende und meistens letal endende
Infektionserkrankung der rhino-orbitozerebralen Region. Eine zügige Diagnosestellung sowie der Einsatz eines rigorosen
Therapieregimes mit chirurgischer Sanierung und Ausnutzung aller konservativen
Optionen sind unbedingt erforderlich.
Fazit für die Praxis
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Die Zygomykose tritt als opportunistische
Infektion bei immuninkompetenten Patienten auf und verläuft meistens letal.
Typisch ist die Beteiligung der rhinoorbito-zerebralen Region, die sich in
einem schmerzhaften Exophthalmus
zeigen kann. Die Diagnose kann nur durch
spezielle histologische Untersuchungen
gesichert werden. Trotz der schlechten
Prognose sollten alle chirurgischen und
konventionellen Optionen ausgeschöpft
werden.
S. Knipping; Dessau, H. J. Holzhausen; Halle (Saale)
Knipping S. Schmerzhafter einseitiger Exophthalmus. Laryngo-Rhino-Otol 2011; 90: 100–101 · DOI 10.1055/s-0030-1255099
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