Störungen muss man zulassen – oder eben nicht!

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fairways | tipps
Lassen Sie sich nicht ärgern – weder von Mitspielern noch von schlechten Schlägen
Störungen muss man zulassen –
oder eben nicht!
Text: Harald Dobmayer; Fotos: Alexandra Philipp
Ich stelle fest, dass die Fairways-Leser offensichtlich auch im Winter golferisch nicht untätig sind,
sondern die Zeit insbesondere dafür nutzen, besondere Situationen und Beobachtungen des vergangenen Golfjahres aufzuarbeiten. Auf jeden Fall danke ich all denjenigen, die mir durch inhaltliche Fragen, persönliche Erlebnisse und Erfolgsmeldungen immer wieder neuen Stoff für weitere
Mental-Artikel liefern (Mails bitte an [email protected]).
Sehr oft taucht dabei die Problematik auf, dass Spieler
sich auf der Runde von ihren Mitspielern ablenken und
aus der Ruhe bringen lassen. Stellvertretend sei hier
unser Leser Frank zitiert:
„Immer wieder erlebe ich, dass ich in Turnieren auf
einzelne Spieler meines Clubs treffe, die mir auf der
Runde das eigene Golfspiel vermiesen. Ob dies bewusst
oder unbewusst passiert, da bin ich mir nicht so sicher.
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Bei unseren Clubmeisterschaften im vergangenen
September spielte ich in einem Dreier-Flight. Nach fünf
Löchern lag ich 1 über Par. Am darauf folgenden Par4-Loch habe ich mit meinem dritten Schlag sieben Meter vor der Fahne gelegen. Mein Mitspieler K. hatte seinen Ball 30 Zentimeter neben meinem mit einem Tee
markiert. Ich bat ihn, sein Markierungsmittel zu wechseln, in einen Pfennig oder Ähnliches. Er lachte nur
Sie können sich auch desensibilisieren, indem Sie sich im Training bewusst stören lassen
und sagte ’So ein Quatsch, das hab ich ja noch nie gehört.’ Er wechselte es dann aus, sagte aber noch zu
meinem Caddy ’Oh, Frank ist aber sensibel heute …’
Trotz dieser Störung lochte ich meinen Putt. An Loch 9
störte er mich mit der Bemerkung: ’Da musst du aber
schon einen sehr guten Schlag machen, um über das
Biotop zu kommen.’ Absolut lächerlich, da es nur 150
Meter waren! Daraufhin habe ich ihn direkt angesprochen und ihn gebeten, das zu unterlassen.
Nach 9 Loch lag ich 2 über Par. Leider konnte ich das
Niveau nicht halten. Mitspieler K. öffnete seine Wasserflasche, wenn ich chippte. Er lief ständig vor, wenn
ich aus 30 bis 50 Metern pitchte. Ich spielte dann drei
Katastrophenlöcher und insgesamt eine 51 auf den
zweiten 9. Sein Verhalten hat meines Erachtens dazu
geführt, mich aus dem Rhythmus zu bringen.
Meine Frage lautet nun: Bin ich an den Störungen
gescheitert oder weil ich dem Druck des guten Ergebnisses nicht standhalten konnte? Und wie gehe ich zukünftig mit solchen Störungen um? Wenn ich den Mitspieler darauf hinweise, dass es mich stört, besteht
dann nicht die Gefahr, dass er es – so wie Mitspieler K.
– bewusst weiter macht und sich innerlich freut?“
Lieber Frank, die erste Frage kann ich, weil ich weder
Sie noch Ihr Spiel kenne, leider nur schwerlich beantworten. Meine Vermutung lautet: Wahrscheinlich an
beidem. Beides – die Störungen und der Erwartungsdruck aufgrund des „drohenden“ guten Ergebnisses –
sind Reize, denen Sie in dieser Spielsituation ausgesetzt waren. In der März/April-2009-Ausgabe (Download
unter
www.properformance.de/service/ver
oeffentlichungen) hatte ich das S-O-R-Modell der Verhaltenspsychologie vorgestellt: Reize (S für Stimuli)
verarbeitet unser Kopf (O für Organismus) auf eine bestimmte Art und Weise und verursacht letztendlich eine bestimmte Reaktion (R für Response). Es gilt also
herauszufinden, welche falsche Verarbeitung (O) zu
der letztendlich ungewünschten Reaktion führt und
welche günstigere Verarbeitungsstrategie wir stattdessen lieber hätten.
Eine erste ungünstige Strategie offenbart unser Leser Frank bereits in seiner letzten Frage: Wird mein Gegenspieler seine Störungen nicht sogar bewusst fortsetzen und sich innerlich freuen? Im Coaching nennen
wir dies Gedankenlesen, denn genau diese Fähigkeit
muss Frank besitzen – wie wüsste er sonst, dass sein
Mitspieler ihn bewusst und sogar mit innerer Freude
stört? Wie in der vergangenen Ausgabe verweise ich
auch hier gerne auf Paul Watzlawicks „Geschichte mit
dem Hammer“…
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fairways | tipps
„Da brauchst Du jetzt aber einen besonders guten Schlag
über’s Biotop…!“
Sie entscheiden, ob Sie das,
was Ihr Mitspieler sagt, an
sich heranlassen oder nicht
Ob bewusste oder unbewusste, ob Freude bereitende
oder eben nicht bereitende Störung – der entscheidende Punkt ist: Sie machen sich Gedanken über die Störung, und zwar keine positiven. Aber warum eigentlich
nicht?! Warum denken Sie nicht einfach einmal positiv
über solche Störungen von außen? „Dem kann ich
beim besten Willen nichts Positives abgewinnen“,
meinen Sie? Wie wäre es beispielsweise hiermit:
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„Mein gutes Spiel scheint meinen Mitspieler ja wirklich zu irritieren – warum sonst sollte er auf solche Mittel zurückgreifen?“ Oder „Okay, endlich mal eine neue
Herausforderung – dem werde ich zeigen, wie locker
und unbeeindruckt mich seine Störungen lassen…“
Vielleicht ist diese Art der Schönfärberei – wir Coaches
nennen sie gerne Reframing – anfangs ein wenig ungewohnt, aber probieren Sie sie bitte trotzdem aus. Sie
glauben gar nicht, wie plump sie manchmal vorgehen
können, um Ihr Gehirn zu großen Leistungen zu animieren!
Mein nächster Ansatzpunkt in Sachen mentaler
Strategie lautet in obiger Situation: Wenn Sie wirklich
voll und ganz auf Ihr Spiel konzentriert gewesen wären
(und die Betonung liegt dabei auf „Ihr“!), hätten Sie
die Störungen Ihres Mitspielers wahrscheinlich gar
nicht mitbekommen. Zumindest hätten sie Sie nicht
länger als den Bruchteil einer Sekunde beschäftigt. Im
vorgenannten S-O-R-Modell setzen wir nun also bereits am S an, indem wir bestimmte Reize gar nicht erst
zulassen oder uns weigern, auf sie in irgendeiner Weise zu reagieren.
Doch selbst wenn die Störung Ihren mentalen
Schutzschild einmal durchbrochen hat, können Sie sie
auch jederzeit wieder aus Ihrem Kopf verbannen. Mein
Vorschlag für eine günstige mentale Verarbeitungsstrategie:
• Schauen Sie zunächst, ob Sie dem störenden Reiz
nicht auch irgendetwas Positives abgewinnen
können (Reframing).
• Wenn ja, überlegen Sie, ob Sie angesichts dieses
positiven Nutzens überhaupt noch auf die Störung
verzichten möchten.
• Wenn ja, prüfen Sie, ob es irgendetwas gibt, wie Sie
auf die Störung selbst Einfluss nehmen können
(Frank N. hat seinen Mitspieler beispielsweise
gebeten, die Störungen zu unterlassen – mit
mäßigem Erfolg).
• Wenn ja – tun Sie’s!
• Wenn nein, betrachten Sie die Störung als zusätzliche Herausforderung, die Ihre Golfrunde noch
aufregender macht (noch ein Reframing). Bei einem
Videospiel würde man wohl von einem höheren
Spiel-Level sprechen.
• Abschließend geht es darum, die Störung aus Ihrem
Kopf zu bekommen. Dies gelingt jedoch nur, wenn
Sie Ihr Gehirn stattdessen mit etwas anderem
beschäftigen. Visualisieren ist hier ein hoch
effizientes Mental-Werkzeug: Malen Sie sich in Ihrem
Kopfkino beispielsweise aus, wie Sie den nächsten
Schlag traumhaft sicher einlochen. Schauen Sie sich
dieses „Kopf-Video“ aus allen möglichen Perspektiven an, untermalen Sie es mit passenden
Geräuschen, Düften, Gefühlen.
Nutzen Sie die letzten kalten Vor-Saison-Wochen dazu,
solche Situationen im Kopf durchzuspielen, dann sind
Sie für die kommende Saison bestens gewappnet. Ich
wünsche Ihnen einen störungsfreien Spielbetrieb
2012!
PS: In diesem Jahr kann ich Ihnen einen besonderen
Leckerbissen anbieten: Zusammen mit VIP-Fitnesstrainer Nunzio Esposito (er ist für die Fitness zahlreicher
Prominenter wie Musiker, Top-Manager und Models
verantwortlich) führe ich in Oberursel zwei Workshops
zum Thema „Mentale Grundeinstellung und Grundtechniken“ durch. Nähere Informationen hierzu finden
Sie auf meiner Website unter
http://harry-und-nunzio.properformance.de
ZUR PERSON
Xenia und Ira Knopf (re.)
mit Harald Dobmayer
Harald Dobmayer betreut unter dem Label pro perfor®
mance Spitzensportler und Führungskräfte als Mentalcoach und Performance-Trainer. Zu seinen Klienten
gehören Weltmeister, Europameister, Deutsche Meister und Olympia-Sieger. Im Golfbereich coacht er neben zahlreichen Amateuren aller Handicap-Klassen
auch Tour-Professionals. Er ist NLP-Master und verfügt
über zahlreiche Zusatzausbildungen, unter anderem in
moderner Hypnose und wingwave®. Harald Dobmayer
trainiert Einzelpersonen ebenso wie Mannschaften.
Für weitere Informationen und die Absprache von Trainings- oder Vortragsterminen ist er über die Website
www.properformance.de oder über sein Kronberger
Büro unter 06173 950795 zu erreichen.
Ira und Xenia Knopf begannen vor neun Jahren mit dem
Golfspiel und haben seither zahlreiche Erfolge zu verzeichnen: Zusammen dürfen sie in den verschiedenen
AK-Klassen auf fünf Hessenmeisterschaften zurückblicken. Seit 2004 war Xenia bislang sechsmal und Ira siebenmal für die Deutschen Meisterschaften qualifiziert.
2007 wurden die beiden Schwestern mit dem Golf-Club
Main-Taunus Deutsche Mädchenmannschaftsmeisterinnen. Seit 2008 spielen Xenia und Ira für den Kronberger Golf- und Landclub, momentan in der 2. Bundesliga.
Mit Harald Dobmayer trainieren Ira und Xenia Knopf
seit 2011 zusammen.
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