fairways | tipps Lassen Sie sich nicht ärgern – weder von Mitspielern noch von schlechten Schlägen Störungen muss man zulassen – oder eben nicht! Text: Harald Dobmayer; Fotos: Alexandra Philipp Ich stelle fest, dass die Fairways-Leser offensichtlich auch im Winter golferisch nicht untätig sind, sondern die Zeit insbesondere dafür nutzen, besondere Situationen und Beobachtungen des vergangenen Golfjahres aufzuarbeiten. Auf jeden Fall danke ich all denjenigen, die mir durch inhaltliche Fragen, persönliche Erlebnisse und Erfolgsmeldungen immer wieder neuen Stoff für weitere Mental-Artikel liefern (Mails bitte an [email protected]). Sehr oft taucht dabei die Problematik auf, dass Spieler sich auf der Runde von ihren Mitspielern ablenken und aus der Ruhe bringen lassen. Stellvertretend sei hier unser Leser Frank zitiert: „Immer wieder erlebe ich, dass ich in Turnieren auf einzelne Spieler meines Clubs treffe, die mir auf der Runde das eigene Golfspiel vermiesen. Ob dies bewusst oder unbewusst passiert, da bin ich mir nicht so sicher. 40 fairways März/April '12 Bei unseren Clubmeisterschaften im vergangenen September spielte ich in einem Dreier-Flight. Nach fünf Löchern lag ich 1 über Par. Am darauf folgenden Par4-Loch habe ich mit meinem dritten Schlag sieben Meter vor der Fahne gelegen. Mein Mitspieler K. hatte seinen Ball 30 Zentimeter neben meinem mit einem Tee markiert. Ich bat ihn, sein Markierungsmittel zu wechseln, in einen Pfennig oder Ähnliches. Er lachte nur Sie können sich auch desensibilisieren, indem Sie sich im Training bewusst stören lassen und sagte ’So ein Quatsch, das hab ich ja noch nie gehört.’ Er wechselte es dann aus, sagte aber noch zu meinem Caddy ’Oh, Frank ist aber sensibel heute …’ Trotz dieser Störung lochte ich meinen Putt. An Loch 9 störte er mich mit der Bemerkung: ’Da musst du aber schon einen sehr guten Schlag machen, um über das Biotop zu kommen.’ Absolut lächerlich, da es nur 150 Meter waren! Daraufhin habe ich ihn direkt angesprochen und ihn gebeten, das zu unterlassen. Nach 9 Loch lag ich 2 über Par. Leider konnte ich das Niveau nicht halten. Mitspieler K. öffnete seine Wasserflasche, wenn ich chippte. Er lief ständig vor, wenn ich aus 30 bis 50 Metern pitchte. Ich spielte dann drei Katastrophenlöcher und insgesamt eine 51 auf den zweiten 9. Sein Verhalten hat meines Erachtens dazu geführt, mich aus dem Rhythmus zu bringen. Meine Frage lautet nun: Bin ich an den Störungen gescheitert oder weil ich dem Druck des guten Ergebnisses nicht standhalten konnte? Und wie gehe ich zukünftig mit solchen Störungen um? Wenn ich den Mitspieler darauf hinweise, dass es mich stört, besteht dann nicht die Gefahr, dass er es – so wie Mitspieler K. – bewusst weiter macht und sich innerlich freut?“ Lieber Frank, die erste Frage kann ich, weil ich weder Sie noch Ihr Spiel kenne, leider nur schwerlich beantworten. Meine Vermutung lautet: Wahrscheinlich an beidem. Beides – die Störungen und der Erwartungsdruck aufgrund des „drohenden“ guten Ergebnisses – sind Reize, denen Sie in dieser Spielsituation ausgesetzt waren. In der März/April-2009-Ausgabe (Download unter www.properformance.de/service/ver oeffentlichungen) hatte ich das S-O-R-Modell der Verhaltenspsychologie vorgestellt: Reize (S für Stimuli) verarbeitet unser Kopf (O für Organismus) auf eine bestimmte Art und Weise und verursacht letztendlich eine bestimmte Reaktion (R für Response). Es gilt also herauszufinden, welche falsche Verarbeitung (O) zu der letztendlich ungewünschten Reaktion führt und welche günstigere Verarbeitungsstrategie wir stattdessen lieber hätten. Eine erste ungünstige Strategie offenbart unser Leser Frank bereits in seiner letzten Frage: Wird mein Gegenspieler seine Störungen nicht sogar bewusst fortsetzen und sich innerlich freuen? Im Coaching nennen wir dies Gedankenlesen, denn genau diese Fähigkeit muss Frank besitzen – wie wüsste er sonst, dass sein Mitspieler ihn bewusst und sogar mit innerer Freude stört? Wie in der vergangenen Ausgabe verweise ich auch hier gerne auf Paul Watzlawicks „Geschichte mit dem Hammer“… März/April '12 fairways 41 fairways | tipps „Da brauchst Du jetzt aber einen besonders guten Schlag über’s Biotop…!“ Sie entscheiden, ob Sie das, was Ihr Mitspieler sagt, an sich heranlassen oder nicht Ob bewusste oder unbewusste, ob Freude bereitende oder eben nicht bereitende Störung – der entscheidende Punkt ist: Sie machen sich Gedanken über die Störung, und zwar keine positiven. Aber warum eigentlich nicht?! Warum denken Sie nicht einfach einmal positiv über solche Störungen von außen? „Dem kann ich beim besten Willen nichts Positives abgewinnen“, meinen Sie? Wie wäre es beispielsweise hiermit: 42 fairways März/April '12 „Mein gutes Spiel scheint meinen Mitspieler ja wirklich zu irritieren – warum sonst sollte er auf solche Mittel zurückgreifen?“ Oder „Okay, endlich mal eine neue Herausforderung – dem werde ich zeigen, wie locker und unbeeindruckt mich seine Störungen lassen…“ Vielleicht ist diese Art der Schönfärberei – wir Coaches nennen sie gerne Reframing – anfangs ein wenig ungewohnt, aber probieren Sie sie bitte trotzdem aus. Sie glauben gar nicht, wie plump sie manchmal vorgehen können, um Ihr Gehirn zu großen Leistungen zu animieren! Mein nächster Ansatzpunkt in Sachen mentaler Strategie lautet in obiger Situation: Wenn Sie wirklich voll und ganz auf Ihr Spiel konzentriert gewesen wären (und die Betonung liegt dabei auf „Ihr“!), hätten Sie die Störungen Ihres Mitspielers wahrscheinlich gar nicht mitbekommen. Zumindest hätten sie Sie nicht länger als den Bruchteil einer Sekunde beschäftigt. Im vorgenannten S-O-R-Modell setzen wir nun also bereits am S an, indem wir bestimmte Reize gar nicht erst zulassen oder uns weigern, auf sie in irgendeiner Weise zu reagieren. Doch selbst wenn die Störung Ihren mentalen Schutzschild einmal durchbrochen hat, können Sie sie auch jederzeit wieder aus Ihrem Kopf verbannen. Mein Vorschlag für eine günstige mentale Verarbeitungsstrategie: • Schauen Sie zunächst, ob Sie dem störenden Reiz nicht auch irgendetwas Positives abgewinnen können (Reframing). • Wenn ja, überlegen Sie, ob Sie angesichts dieses positiven Nutzens überhaupt noch auf die Störung verzichten möchten. • Wenn ja, prüfen Sie, ob es irgendetwas gibt, wie Sie auf die Störung selbst Einfluss nehmen können (Frank N. hat seinen Mitspieler beispielsweise gebeten, die Störungen zu unterlassen – mit mäßigem Erfolg). • Wenn ja – tun Sie’s! • Wenn nein, betrachten Sie die Störung als zusätzliche Herausforderung, die Ihre Golfrunde noch aufregender macht (noch ein Reframing). Bei einem Videospiel würde man wohl von einem höheren Spiel-Level sprechen. • Abschließend geht es darum, die Störung aus Ihrem Kopf zu bekommen. Dies gelingt jedoch nur, wenn Sie Ihr Gehirn stattdessen mit etwas anderem beschäftigen. Visualisieren ist hier ein hoch effizientes Mental-Werkzeug: Malen Sie sich in Ihrem Kopfkino beispielsweise aus, wie Sie den nächsten Schlag traumhaft sicher einlochen. Schauen Sie sich dieses „Kopf-Video“ aus allen möglichen Perspektiven an, untermalen Sie es mit passenden Geräuschen, Düften, Gefühlen. Nutzen Sie die letzten kalten Vor-Saison-Wochen dazu, solche Situationen im Kopf durchzuspielen, dann sind Sie für die kommende Saison bestens gewappnet. Ich wünsche Ihnen einen störungsfreien Spielbetrieb 2012! PS: In diesem Jahr kann ich Ihnen einen besonderen Leckerbissen anbieten: Zusammen mit VIP-Fitnesstrainer Nunzio Esposito (er ist für die Fitness zahlreicher Prominenter wie Musiker, Top-Manager und Models verantwortlich) führe ich in Oberursel zwei Workshops zum Thema „Mentale Grundeinstellung und Grundtechniken“ durch. Nähere Informationen hierzu finden Sie auf meiner Website unter http://harry-und-nunzio.properformance.de ZUR PERSON Xenia und Ira Knopf (re.) mit Harald Dobmayer Harald Dobmayer betreut unter dem Label pro perfor® mance Spitzensportler und Führungskräfte als Mentalcoach und Performance-Trainer. Zu seinen Klienten gehören Weltmeister, Europameister, Deutsche Meister und Olympia-Sieger. Im Golfbereich coacht er neben zahlreichen Amateuren aller Handicap-Klassen auch Tour-Professionals. Er ist NLP-Master und verfügt über zahlreiche Zusatzausbildungen, unter anderem in moderner Hypnose und wingwave®. Harald Dobmayer trainiert Einzelpersonen ebenso wie Mannschaften. Für weitere Informationen und die Absprache von Trainings- oder Vortragsterminen ist er über die Website www.properformance.de oder über sein Kronberger Büro unter 06173 950795 zu erreichen. Ira und Xenia Knopf begannen vor neun Jahren mit dem Golfspiel und haben seither zahlreiche Erfolge zu verzeichnen: Zusammen dürfen sie in den verschiedenen AK-Klassen auf fünf Hessenmeisterschaften zurückblicken. Seit 2004 war Xenia bislang sechsmal und Ira siebenmal für die Deutschen Meisterschaften qualifiziert. 2007 wurden die beiden Schwestern mit dem Golf-Club Main-Taunus Deutsche Mädchenmannschaftsmeisterinnen. Seit 2008 spielen Xenia und Ira für den Kronberger Golf- und Landclub, momentan in der 2. Bundesliga. Mit Harald Dobmayer trainieren Ira und Xenia Knopf seit 2011 zusammen. März/April '12 fairways 43