Zusammenfassung Kristallisationsexperimente mit kolloidalen Modellsystemen Denise Schach Inhalte: Die Kristallisation von Metallen ist weitgehend unverstanden, da folgende Umstände eine Beobachtung durch Mikroskopie beispielsweise unmöglich machen: - Kristallisation zu schnell - Größenskala zu klein - Temperatur der Schmelze zu hoch Nun sucht man nach ähnlichen Vorgängen in der Natur, aus denen man dann Analogien zur Metallkristallisation schließen kann. Die Lösung für ein passendes Modell bieten Hartkugelsysteme oder Systeme geladener Kugeln, da diese ebenfalls einen Übergang von einer ungeordneten fluidartigen Struktur in eine geordnete kristallartige Struktur vollziehen. Realisierbar sind solche Systeme durch ein Ensemble von sphärisch geladenen oder ungeladenen Kolloiden. Vorteilhafte Eigenschaften der Kolloide: - Mesoskopische Partikel, also in der Größenordnung von nm-µm gut zugänglich durch Mikroskopie - Nächstnachbarabstand im Größenbereich des sichtbaren Lichtes Sichtbarmachen der Kristallstruktur durch Bragg-Reflexion - Teilchen unterliegen der Brownschen Bewegung keine Sedimentation - Kolloide zählen zur weichen Materie, die durch einen geringen Schermodul ausgezeichnet ist. Dieses wird hierbei durch eine sehr geringe Teilchenzahldichte hervorgerufen, sie ist in etwa um zehn Größenordnungen kleiner als für Metalle. Scherschmelzen der kolloidalen Kristalle - Prozesse laufen langsam ab - Isotherme Abläufe, da die Lösung, in der sich die Teilchen befinden als Wärmebad dient - Systeme gut simulierbar Verwendetes Modell: Wir verwenden hier ein System aus geladenen Kugeln in einer wässrigen Lösung mit Salz, gefangen in einem elektrostatisch geometrischen Käfig aus Glas. Es handelt sich also um ein Yukawa-System mit folgendem Paar-Potential: Z *2 e 2 V (r ) = 4πεε 0 2 ⎛ e κa ⎞ e −κa ⎜⎜ ⎟⎟ + 1 κ a ⎝ ⎠ r e2 (n p Z * + 2 ⋅ 1000 N A c S ) κ = εε 0 k B T 2 Dabei ist κ −1 die inverse Abschirmlänge, Z * die effektive Ladung des Teilchens, n p die Teilchenzahldichte und c S die Salzkonzentration. Phasenverhalten eines kolloidalen Systems: 60 bcc 50 40 coexistence -3 n / µm - Das Phasenverhalten lässt sich über die Salzkonzentration und die Teilchenzahldichte steuern - Wir verwenden hier ein vollentsalztes System, gekennzeichnet durch das schwarze Dreieck. Es existiert also nur noch die Eigendissoziation des Wassers, die freie Ladungsträger liefert. - hiermit übernimmt n die Steuergröße, die in molekularen Systemen der Temperatur T-1 entspricht. 30 20 fluid 10 0 0 2 4 6 8 c / µmol/l 10 Verfestigung und Wachstum der Kristalle: Man beobachtet eine Verfestigung der fluiden Lösung, die sich durch Schütteln wieder schmelzen lässt und dann direkt wieder von der Wand her anfängt sich zu verfestigen. Der Vorgang wird durch Mikroskopie beobachtet, oder wie im Folgenden Bild von einer Kamera aufgenommen. crystal grows crystal 2mm fluid time increases Man beobachtet eine lineare Größenzunahme Kristalle bis eine Sättigungsgröße erreicht wird, nämlich dann, wenn die Teilchen aneinander stoßen und keinen weiteren Platz mehr einnehmen können. Diese Beobachtung gilt für beliebige Teilchenzahldichten. Im Folgenden wird die Abhängigkeit zwischen Wachstumsgeschwindigkeit und Teilchenzahldichte dargestellt: 16 - v110 (µm/s) Monoton 12 8 v∞ = 15µm / s 4 ∆µ − ⎛ k v = v ∞ ⎜1 − e B T ⎜ ⎝ B = −2,4k B T 0 6 8 10 n (µ m-3) 12 14 Man erkennt, dass es eine Mindestteilchenzahldichte gibt. Die Geschwindigkeit nimmt monoton mit n zu und erreicht dann einen Grenzwert für große n Der Fit wurde von Wilson und Frenkel vorgeschlagen: 16 ⎞ ⎟ ⎟ ⎠ n und ∆µ hängen dabei linear voneinander ab und sind ein Maß für die Unterkühlung des Systems Um zu verstehen, warum die Kristalle bei hohem n schneller wachsen, muss man die Nukleation der Kristalle betrachten. 12 Homogene Nukleation: Die homogene Nukleation ist Keimbildung, die örtlich und zeitlich homogen stattfindet, aufgrund von Fluktuationen in der Schmelze. Messbar ist a) die Nukleationsrate, also die Anzahl der neuen Keime pro Zeiteinheit b) die Kristallgrößenverteilung nach Verfestigung Berechenbar c) das freie Volumen, das einem Kristall zum Wachstum übrig bleibt d) die Nukleationsratendichte, d.h. der Quotient aus Rate und freiem Vol. a) c) 60 1,0 50 -1 40 0,8 VF/V0 nucleation rate / s -3 18.0 µm -3 19.0 µm -3 19.9 µm -3 n=18.0µm -3 n=19.0µm -3 n=19.9µm 30 0,6 0,4 0,2 20 0,0 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 t/s 10 0 0 2 4 6 8 10 12 14 16 t/s d) - Aus a) und c) folgt d) gemäß 11 VFrei = 10 N VFrei ⋅ t -3 18.0 µm -3 19.0 µm -3 19.9 µm 10 10 -3 -1 J= R J/m s - Was man nun erkennt, ist dass sich R und J für kleine Variation in n enorm ändern. - Außerdem erkennt man eine Plateaubildung in R und J für kleinere n. 9 10 8 10 7 10 Aus der Kritallgrößenverteilung kann man nun eine mittlere Größe ermitteln c) 0 2 -3 n = 28.1µm -3 n = 22.6µm 0,05 pi / µm -1 0,04 0,03 0,02 0,01 0 20 40 60 6 8 10 12 14 16 18 t/s 0,06 0,00 4 80 100 120 140 160 180 200 L / µm Die Avramitheorie, die etwas kompliziert herzuleiten ist, stellt nun eine Relation zwischen der mittleren Kristallgröße, der Wachstumsgeschwindigkeit und der mittleren Nukleationsratendichte, die durch den Plateauwert gegeben ist, her: ⎛ J ⎞ ⎟⎟ ρ K = ⎜⎜ ⎝ 1,158 ⋅ v ⎠ − 4 3 ρK = mit 1 L3 10 17 10 16 10 15 10 14 J/m s -3 -1 Ergebnis 10 13 10 12 10 11 10 10 10 - auch hier erkennt man wieder den enomen Anstieg von J für geringfügige Erhöhung von n. - die Erklärung dafür liefert die klassische Nukleationstheorie. - die klassische Nukleationstheorie besagt, dass ein Keim eine Energiebarriere ∆G* überschreiten muss, damit er weiter anwachsen kann. Tut er dies nicht, so schmilzt er wieder. Den Radius, den er dabei überschreiten muss nennt man krit. Radius r*. Data Fit 9 10 20 30 40 50 60 70 -3 n / µm Klassische Nukleationstheorie: J = J 0e − ∆G* k BT 4 ∆G = 4πr 2 γ + πr 3 n∆µ 3 Für die Barriere ergibt sich: , ∆G* = 16πγ 3 3(n∆µ ) 2 r* = 2γ n∆µ Wegen der inversen Abhängigkeit der Barriere von n, fällt die Energiebarriere stark ab bei Zunahme von n, damit sinkt auch der Wert für den kritischen Radius auf wenige Partikeldurchmesser. Genau dieses Verhalten erwartet man, wenn man mit einer Analogie zu metallischen Systemen rechnen möchte, denn die Werte der Metalle für den kritischen Radius und Grenzflächenenergie pro Partikel liegen genau zwischen denen von Hartkugelsystemen und Systemen aus geladenen Kugeln. Diese Analogien motivieren nun eine weitere Erforschung dieser Modellsysteme, auch wenn sie im Moment noch sehr speziell sind. Dennoch verspricht man sich von diesen Modellen gute Voraussagen über die Eigenschaften und das Verhalten von Metallen.