Entstehung und Geschichte der Weimarer Republik

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nationalsozialistischen Zeit freizumachen
sucht, Anregungen und Aufschlüsse; er
versucht, ihn die Vorgänge von einer Seite her
sehen zu lassen, die lange Jahre verschlossen
bleiben mußte. Die Darstellung Rosenbergs
dürfte auch manche zum Dogma gewordene
Auffassungen zur Diskussion stellen und den
unvoreingenommenen, nicht unterrichteten
Leser mit dem Wesen und Wollen politischer
Gestalten bekannt machen, die für viele reine
Klischeefiguren geworden sind. Diese
Feststellung betrifft besonders Rosa
Luxemburg und auch in einem gewissen
Sinne Karl Liebknecht.
Seit dem Erscheinen von Rosenbergs Buch
sind besonders in den letzten Jahren eine
Fülle von Schriften, die die gleiche Zeit
behandeln, nicht nur in Deutschland, sondern
vor allem auch im Ausland erschienen. Der
Herausgeber hat in den Literaturangaben
besonders auf im Ausland erschienene
Schriften hingewiesen, weil sie keineswegs
sämtlich bisher ins Deutsche übertragen
wurden. Unser Wissen über viele Vorgänge
und Personen ist bereichert worden,
zahlreiche Personen, die besonders in der
Zeit der Republik von Weimar tätig waren,
haben ihre Erinnerungen veröffentlicht,
versuchten, ihr Handeln zu rechtfertigen, und
haben
auch
lebhafte
Diskussionen
hervorgerufen, die zum Teil außerhalb
Deutschlands
in
politischen
Emigrationskreisen stattgefunden haben. So
steht heute dem Historiker ein weit
umfangreicheres Material zur Verfügung als
einst Rosenberg, außerdem aber ist man
bekanntlich meist klüger, wenn man, wie
Bismarck gesagt hat, vom Rathaus kommt.
Dennoch darf man behaupten, daß die
Grundauffassungen Rosenbergs heute noch
große Aufmerksamkeit verdienen, selbst
wenn man nicht mit ihnen in allem
einverstanden sein sollte. Die Eigenart seiner
Betrachtungsweise und die Lebendigkeit
seiner Darstellung sind ungewöhnlich.
In der Auffassung und Behandlung der
Vorgänge
wie
der
führenden
Persönlichkeiten, besonders in den Jahren
1919 bis 1930, weicht Rosenberg
weitgehend und auch grundsätzlich von
Auffassungen und Bewertungen anderer
Historiker ab, die in den letzten Jahren
gleichfalls Bücher über diese Periode
veröffentlicht haben. In der Auffassung
mancher Vorgänge nähert sich Rosenberg den
Darstellungen, die Professor Ludwig
Bergsträßer in der neuesten Auflage seiner
»Geschichte der politischen Parteien in
Deutschland« und Professor Georg W. F.
Hallgarten in seinen Werken »Imperialismus
vor 1914« und »Hitler, Reichswehr und
Industrie. Zur Geschichte der Jahre 1918 bis
1933« gegeben haben. In seiner Behandlung
der
Bismarckzeit
unterscheidet
sich
Rosenberg gleichfalls von den herrschenden
und überlieferten wie auch erneut geäußerten
Auffassungen der meisten deutschen
Historiker
und
widerspricht
auch
grundsätzlich den Revisionisten, die heute
eine Korrektur der kritischen Auffassungen
der Bismarckzeit vorzunehmen suchen.
Rosenberg widersetzte sich den Versuchen,
Wesen und Wirken Bismarcks mit einer
Legende zu umgeben. Er sieht als
entscheidendes Jahr in der deutschen
Entwicklung des 19. Jahrhunderts nicht 1862,
sondern 1849 an, in dem die Versuche einer
demokratischen Erneuerung Deutschlands
endgültig zum Scheitern verurteilt wurden. In
einem gewissen Sinne kann man von
Rosenberg
als
einem
Erben
der
demokratischen
und
liberalen
Geschichtsschreiber der Mitte des vorigen
Jahrhunderts sprechen, wie sie besonders von
dem fast vergessenen und verkannten
Gervinus repräsentiert wurden. Gleichzeitig
aber hat Rosenberg auch erneuernd gewirkt,
nachdem er durch die Schule Franz Mehrings,
des überzeugten Vertreters des historischen
Materialismus, gegangen war. Man darf aber
nicht vergessen, daß Rosenberg nie ein
Doktrinär und Konformist gewesen ist,
sondern sich stets ein freies, unabhängiges
und vor allem undogmatisches Urteil
bewahrte und auch zuweilen eigenwillig,
wenn
nicht
gar
eigensinnig
und
herausfordernd seine Meinungen zum
Ausdruck brachte. Er war auch keineswegs
von Widersprüchen frei, wie etwa aus seiner
Auffassung des Generals Ludendorff
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