Dürener Nachrichten und Dürener Zeitung

Werbung
kultur
Freitag, 13. Juni 2014 · Nummer 135
Seite 11 ABCDE
Die ersten Glanzstücke werden ausgepackt
Bei den karls-Ausstellungen läuft der Countdown: Elfenbeinarbeiten aus london und ravenna im Centre Charlemagne eingetroffen
Von EcKhaRd hoog
Aachen. Der Countdown läuft.
Nächste Woche Donnerstag eröffnet Bundespräsident Joachim
Gauck in Aachen die drei KarlsAusstellungen „Macht Kunst
Schätze“. Im Centre Charlemagne
am Katschhof, dort, wo die künstlerischen Glanzstücke der karolingischen Zeit zum Zuge kommen,
sind die Preziosen fast alle bereits
eingetroffen – absolute Spitzenstücke aus allen Teilen Europas. Aber
ausgepackt wurden erst gestern die
ersten beiden Kisten, denn das geschieht nach alter Museumsväter
Sitte grundsätzlich nur in Anwesenheit der abgesandten Kuriere
der jeweiligen Leihgeber. Und die
waren jetzt eingetroffen: Paul Williamson, Hauptkurator des Londoner Victoria and Albert Museums,
und Aurora Ancarani, Leiterin der
Denkmalpflege in Ravenna.
Geöffnet: montags bis sonntags
Aachen. Aufgrund einer
Erkrankung im Ensemble muss
die für Samstag, 14. Juni,
geplante Vorstellung von
Jacques Offenbachs Operette
„Die Banditen“ im Theater
Aachen entfallen. Bereits
gekaufte Karten können für
eine Folgevorstellung getauscht
werden oder werden an der
Theaterkasse zurückgenommen.
LEUTE
Die ersten Glanzstücke der karls-Ausstellung wurden gestern im Aachener Centre Charlemagne ausgepackt und eingehend geprüft: Elfenbeinschnitzereien aus dem 9. Jahrhundert – restaurator Michael rief und die kurierin Aurora Ancarani aus ravenna bei der Arbeit.
Foto: Andreas Herrmann
liche Stücke eben, von denen sich
die Museen in London und Ravenna vorübergehend getrennt
haben.
Akribisch mit Lupe und Speziallampe vergleicht Michael Rief, Re-
10 bis 18 uhr, donnerstags bis samstags bis 21 uhr.
Eintritt: kombiticket 14 Euro, ermäßigt 10 Euro. Einzeltickets 6 Euro,
ermäßigt 4 Euro. Familienkombikarte mit zwei Erwachsenen und bis
zu vier kindern 32 Euro.
staurator am Suermondt-LudwigMuseum, die Medaillons des Diptychons mit Foto-Dokumenten.
An seiner Seite nacheinander: Aurora Ancarini, die das eine Objekt
aus Ravenna begleitet, und Paul
Williamson. Alles wird peinlich
genau protokolliert.
In Aachen kommt eine überaus
seltene „Verheiratung“ zustande:
Die Medaillons aus England und
Italien stammen tatsächlich von
ein und demselben Bildwerk, in
der Karls-Ausstellung „Kunst“ werden sie zusammengeführt. Peter
van den Brink, Direktor des Suermondt-Ludwig-Museums und neben Sarvenaz Ayooghi Mitkurator
dieser Schau, demonstriert zusammen mit dem Kollegen aus London den Beweis: Die Schriftzüge eines Textes auf den Rückseiten der
Medaillons passen haargenau zusammen. Der Text an sich – geschätzt wird, dass er aus dem 13.
oder 14. Jahrhundert stammt – ist
schwer lesbar und bezieht sich auf
Ravenna. Welche Geschichte die
Stücke hinter sich haben, die zu ihrer Trennung führten, das lässt
sich allenfalls ahnen. Irgendwann
setzten geldgierige Frevler die Säge
an und zerteilten das Bildwerk.
Das ganz große Auspacken findet im Centre Charlemagne erst
zwei Tage vor der Eröffnung, am
17. Juni, statt. „Dann kommen
zehn Kuriere“, sagt Sarvenaz
Ayooghi. „Außerdem treffen die
Handschriften ein. Auf den letzten
Drücker.“ Aber das sei für diese
hochempfindlichen Exponate sowieso das Allerbeste.
Gespannt sind die Aachener Kuratoren und Restauratoren auf den
heutigen Tag, denn heute kommt
das Gegenstück zum Londoner Elfenbein-Einband des Lorscher
Evangeliars aus den Vatikanischen
Museen: der rückseitige Buchdeckel – womit ein Hauptwerk der Elfenbeinschnitzkunst aus der Zeit
Karls des Großen ebenfalls in Aachen wieder vereint ist.
„Sitzende Frau“ von Matisse
ist Raubkunst – und nun?
„Spannungen“ als
gelungene Talentprobe
Von BRITTa SchULTEjanS
Von PEdRo oBIERa
München. Eine Überraschung ist es
nicht, was die Taskforce Schwabinger Kunstfund jetzt über das Bild
„Sitzende Frau“ von Henri Matisse
sagt: Das Gemälde, das der berühmten wie umstrittenen Sammlung von Cornelius Gurlitt ein Gesicht gab, wurde einst von den Nationalsozialisten geraubt. Rechtmäßiger Besitzer ist die Familie Rosenberg. Die Arbeit der Taskforce
an diesem Bild ist damit beendet.
Allein diese Erkenntnis bringt den
Erben des jüdischen Kunsthändlers Paul Rosenberg nicht viel. Seit
dem Tod Gurlitts am 6. Mai in
München gibt es niemanden, der
wirklich für die millionenschwere
Sammlung zuständig ist.
Das Kunstmuseum Bern, das
Gurlitt kurz vor seinem Tod in seinem Testament als Alleinerben
einsetzte, hat noch nicht entschieden, ob es die Sammlung – und alle
damit verbundenen Verpflichtungen – haben will. „Anfang Juli wird
Heimbach. Auch wenn Lars Vogt,
der künstlerische Motor des Kammermusikfestivals „Spannungen –
Musik im Kraftwerk Heimbach“,
auf Leitthemen weitgehend verzichtet und der Programmgestaltung keine Fesseln anlegt: In diesem Jahr nimmt Musik um 1900
eine zentrale Position ein. Angesichts der vielfältigen Ablösungsversuche von der Romantik auf
dem Weg in moderne Klangwelten
reduziert das die Vielfalt der Werkfolgen nicht im Geringsten. Im Gegenteil: Wenn man sich im Mittwoch-Konzert auf Werke beschränkt, die nur im ersten Kriegsjahr 1914 entstanden sind, wird einem angesichts so gegensätzlicher
Handschriften wie die von Janáček, Webern, Ravel und sogar
Scott Joplin deutlich, wie pulsierend und experimentierfreudig die
damalige Musikszene brodelte. An
„Spannungs“-Potential mangelt es
beileibe nicht.
taskforce bestätigt: Bild aus der Gurlitt-Sammlung gehört den rosenbergs
Das Gemälde, das nicht
gezeigt werden darf
Der Franzose Henri Matisse
(1869-1954) malte das Bild „Sitzende Frau“ um das Jahr 1924. Es
handelt sich um ein Ölgemälde auf
leinwand – 55,4 Zentimeter hoch
und 46,5 Zentimeter breit. Es zeigt
eine Frau in einem kleid mit Perlenkette, die auf einem Sessel sitzt. Sie
hat die Hände, in denen sie einen
Fächer hält, in den Schoß gelegt.
Die lostart-Datenbank listet das
Bild als teil des Schwabinger kunstfundes unter der Identifikationsnummer „lost Art-ID 477894“ auf.
Gerne hätten wir Ihnen an dieser
Stelle das Bild „Sitzende Frau“ aus
der Gurlitt-Sammlung gezeigt, es
darf aber aus urheberrechtlichen
Gründen nicht veröffentlicht werden.
Aachen. Die Cappella Aquensis
gibt am Samstag, 14. Juni, um
20 Uhr in der Aachener Kirche
St. Michael in Burtscheid ein
Gemeinschaftskonzert mit der
Vocapella Regensburg. Auf dem
Programm stehen Motetten und
Chorsätze unter anderem von
Monteverdi, Steinhammer,
Brahms, Witacre, Palestrina,
Pizzetti und Sandström. Der
Eintritt ist frei, Spenden sind
willkommen.
„Die Banditen“
müssen ausfallen
Das Kombiticket kostet 14 Euro, ermäßigt 10 Euro
„Karl der Große. Macht kunst
Schätze“, dreiteilige Ausstellung im
krönungssaal des Aachener rathauses, im Centre Charlemagne und in
der Domschatzkammer vom 20. Juni
bis zum 21. September.
Cappella Aquensis und
Vocapella regensburg
KURz noTIERT
Aus dem 9. Jahrhundert
Wie kostbar die vier Elfenbeinarbeiten sein mögen, das lässt sich
allein an der Größe der innen aufwendig gepolsterten, klimatisierten Transportkisten ablesen. Hunderte solcher Objekte hätten tatsächlich hineingepasst. Aber für
den Elfenbein-Einband des Lorscher Evangeliars, um 810 am Hofe
Karls des Großen entstanden, und
drei Diptychon-Fragmente, etwa
handtellergroße Medaillons mit
dem Abbild Christi und Symbolen
der Evangelisten aus dem ersten
Viertel des 9. Jahrhunderts, kann
keine nur erdenkliche Schutzmaßnahme übertrieben sein. Unersetz-
KULTUR-TIPP
Die Gurlitts: Das Grab von Hildebrand Gurlitt, dem Vater des verstorbenen Cornelius Gurlitt, auf dem Düsseldorfer Nordfriedhof.
Foto: dpa
es die nächste Information geben“,
sagt eine Museumssprecherin am
Donnerstag. Ein halbes Jahr lang
kann das Museum sich Zeit lassen.
Die Taskforce will ihr Gutachten
über die „Sitzende Frau“ dem
Amtsgericht München als zuständigem Nachlassgericht zukommen
lassen, wie die Leiterin Ingeborg
Berggreen-Merkel sagt. Es soll
dann „Grundlage für die Entscheidung über eine Restitution an die
Erben von Paul Rosenberg sein“.
Diese Entscheidung liege in der
Hand von Gurlitts Erben, betont
sie, und dass der Sohn von Hitlers
Kunsthändler Hildebrand Gurlitt
sich kurz vor seinem Tod bereiterklärte, die Washingtoner Prinzipien anzuerkennen. Das heißt,
dass er von den Nazis geraubte Bilder an die Besitzer zurückzugeben
wollte. Diese Verpflichtung bindet
auch seine Erben.
Doch das kann dauern. Dabei
sah es noch im März so aus, als
seien Rosenbergs Enkelinnen Marianne Rosenberg, eine New Yorker
Anwältin, und Anne Sinclair, die
Ex-Frau von Dominique StraussKahn, am Ziel. Dem jüdischen
Kunsthändler Paul Rosenberg von
den Nazis geraubt, befand sich das
Bild einst im Besitz von Hermann
Göring, bevor es in die Sammlung
Gurlitt gelangte. Nach jahrzehntelangem Kampf standen die Enkelinnen vor der Übergabe des Bildes.
Eigentlich sei alles geklärt, sagte
Gurlitts damaliger Sprecher Ende
März. Es gehe nur noch um die formelle Einigung. Doch dazu kam es
nicht, weil jemand kurzfristig Anspruch auf das Bild erhob und die
Übergabe abgesagt werden musste.
Enkelinnen müssen warten
Dieser Anspruch dürfte zwar nach
der Veröffentlichung der Taskforce-Ergebnisse weitgehend hinfällig sein, auch wenn „nach über
70 Jahren mitunter nicht alle sich
stellenden Fragen abschließend
beantwortet werden können“, wie
Berggreen-Merkel sagt. Hinfällig
ist aber nach Gurlitts Tod zunächst
wohl auch die geplante Vereinbarung mit Rosenbergs Enkelinnen.
Für sie und für alle anderen, die
möglicherweise Anspruch auf Bilder aus Gurlitts wertvoller Kunstsammlung haben, gilt: warten auf
Bern.
Musikgenuss im Jugendstilkraftwerk Heimbach
Beachtliche Spielkultur
Das bedeutendste Werk des
Abends, Maurice Ravels Klaviertrio, legte man in die Hände junger
Kräfte. Die Geigerin Hyeyoon Park,
die Cellistin Anastasia Kobekina
und der Pianist Jamie Bergin ließen eine beachtliche Spielkultur
erkennen, ohne es an jugendlichem Elan mangeln zu lassen.
Dass nicht jede der schillernden
Klangfarben so raffiniert ausgeleuchtet wurde, wie man es von erfahreneren Spitzenkräften kennt,
vernachlässigt man da gern.
Eine erfreuliche Talentprobe
zeigte auch der Geiger Benjamin
Beilman, der zusammen mit Artur
Pizarro am Klavier etliche tiefere
Schichten der zerrissenen Violinsonate von Leoš Janáček freilegte,
dem einzigen Werk des Abends,
das die bedrohliche Stimmung des
Kriegsjahrs direkt zum Ausdruck
bringt. Und da kann der junge Gei-
ger durchaus noch eine Spur an
schroffer Schärfe zulegen.
Christian Tetzlaff und Gustav
Rivinius, zwei Urgesteine des Festivals, holten dann noch mit spieltechnischer Perfektion und gestalterischer Überlegenheit alles aus
Zoltán Kodálys Duo für Violine
und Violoncello heraus, was die
Rarität an klanglichen Delikatessen zu bieten hat.
Enge auf dem Podium
Konzentrierte man sich am Mittwoch auf klein besetzte Werke,
wurde es tags zuvor mit einer Bearbeitung von Gustav Mahlers Vierter Symphonie enger auf dem Podium des Kraftwerks. Erwin Steins
gekonntes Arrangement der zart
besetzten Symphonie für 14 Musiker führte zu einem Gewinn an
Schlankheit. Das kommt auch den
Brüchen in der naiv-heil gezeichneten Fassade der Viersätzer zugute, die ohne Kraftanstrengung
pointiert hörbar wurden. Die Sopranistin Christiane Oelze überzeugte als Mahler-Interpretin, zuvor bereits mit vier WunderhornLiedern, erheblich stärker als mit
ihren Wolf-Vorträgen am Vortag.
Eine besonders interessante Begegnung gab es mit der Saxophonistin Asya Fateyeva, die sich mit
einem experimentierfreudigen Solostück von Christian Laube, mit
zersplitterten Miniaturen von Anton Webern und der klangsinnlichen Rhapsodie für Altsaxophon
und Klavier von Claude Debussy
als spieltechnisch erstaunt versierte und stilistisch extrem flexible Musikerin auszeichnete.
Heute Abend steht neben Schuberts Forellenquintett Tatjana Komarova als „Composer in Residence“ im Zentrum. Neben ihrem
Streichquartett „ungemalte Bilder“ steht die Uraufführung eines
Stücks für Violine und Klavier an.
im Internet:
? Infos
www.spannungen.de
E Es war nur ein kurzes Gastspiel:
Lorin Maazel gibt sein Amt als
Chefdirigent der Münchner Philharmoniker nach nur zwei Jahren auf.
Der 84-Jährige lege sein Amt aus
gesundheitlichen Gründen vorzeitig
nieder, teilte das Orchester mit. Eigentlich sollte Maazel bis 2015
Chef des renommierten Orchesters
bleiben und dann von dem umstrittenen russischen Dirigenten Waleri
Gergijew abgelöst werden. Jetzt ist
schon früher Schluss. Die Genesung
des Star-Dirigenten, der wegen
krankheit jüngst bereits konzerte
ausfallen lassen musste, zögere
sich noch weiter hinaus. „Wir bedauern es sehr, dass es ihm nicht
möglich sein wird, die fordernde
Aufgabe als Chefdirigent weiter
auszuüben“, sagte Münchens kulturreferent Hans-Georg küppers,
der lorin Maazel für sein bisheriges
Wirken dankte. „Wir wünschen ihm
eine baldige Genesung.“
KURz-KRITIK
richtig gut, aber zu leise:
The National in köln
Köln. Matt Berninger ist schon
ein eigentümlicher Kauz. Da
steht er im weißen Hemd, mit
Anzughose und Weste, schaut
introvertiert zu Boden, hält stilvoll ein Weinglas zwischen den
Fingern. Und dann, Sekundenbruchteile später, zeigt er seine
extrovertierte Seite, brüllt hysterisch in sein Mikrofon, setzt die
Flasche direkt an den Mund,
wirft sie hinter sich und stürmt
durch das Publikum. Und das
steht begeistert Spalier für einen
der großen Charakterköpfe der
US-Musik: Es gab viele gute
Gründe, um nach dem Konzert
von Berningers Indierock-Band
The National im Kölner Tanzbrunnen zufrieden nach Hause
zu gehen. Der Sound war es leider nicht – zu leise kam vor allem Bryan Devendorfs filigranes
Schlagzeugspiel aus den Boxen.
Beeindruckend wie die Band die
vergleichsweise kleine Tanzbrunnen-Bühne – ohne Leinwände und furiose Lichtanlagen – mit dem füllte, wofür sie
eben steht: richtig gute Songs,
glänzende Musiker (vor allem
die Brüder Aaron und Bryce
Dessner an den Gitarren) und
eben Sänger Berninger. (hjd)
KonTaKT
kultur-redaktion:
(montags bis freitags, 10 bis 18 uhr)
Tel.: 0241/5101-326
Fax: 0241/5101-360
[email protected]
Herunterladen