Intelligente Gebäude heute und morgen Integrale Gebäude – eine ganzheitliche Betrachtung Prof. Urs-Peter Menti Leiter Kompetenzzentrum T direkt +41 41 349 33 17 [email protected] Horw 17.10.2013 TECHNOLOGY BRIEFING 16.10.13 Inselspital, Bern Folie Kurzvorstellung - Urs-Peter Menti - Prof. , dipl. Masch.-Ing. ETH / SIA, MAS-BA - Hochschule Luzern – Technik & Architektur - Leiter Zentrum für Integrale Gebäudetechnik - Hauptamtlicher Dozent für Gebäudetechnik - Leiter Zertifizierungsstelle Minergie-P - 1995 – 2004 Amstein + Walthert AG - 2004 – heute Hochschule Luzern Folie 2, 17.10.2013 Forschungsthemen am Zentrum für Integrale Gebäudetechnik Mit dem Fokus Gebäude und Gebäudetechnik orientieren wir uns in einer gesamtheitlichen Betrachtung an den Werten Energieeffizienz, Emissionsfreiheit und Behaglichkeit. Gebäude – Mensch – Energie Folie 3, 17.10.2013 Areal- und Quartiervernetzung Transformation Gebäudepark Luft- und Wasserreinheit Einstieg: Ein paar Begriffe aus dem Veranstaltungsflyer… - Vernetzung der Systeme - intelligente Gebäude - intelligente Gebäudesysteme - intelligente Regelungstechnik - präzise Gebäudeautomatisierungssysteme - Komfortables und stimulierendes Arbeits- und Wohnumfeld Folie 4, 17.10.2013 … und ein paar spontane Gedanken dazu! - Muss das Gebäude intelligent sein? Braucht es «Gebäudeintelligenz»? - Braucht ein «gutes» Gebäude möglichst viel Gebäudetechnologie? - These: Je intelligenter ein Gebäude geplant ist, desto weniger Intelligenz und Technologie braucht es nachher im Betrieb. - Klar ist aber auch: Ganz ohne Technologie geht es dann schon auch nicht! Folie 5, 17.10.2013 Inhalte des Referates - (Energetische) Anforderungen an die Gebäude werden umfassender und damit auch komplexer - Systemgrenzen weiten sich aus - Gebäude als System: Gebäude werden immer mehr gesamtheitlich (integral) betrachtet… - Gebäude im System: zusätzliche, übergeordnete Betrachtung (das Gebäude als Teil eines Areals, eines Quartiers, einer Region, …) - Die Gebäudeplanung/-optimierung wird komplexer, anspruchsvoller…, und braucht «neue» Werkzeuge - 3 Beispiele aus (Forschungs-)Projekten Folie 6, 17.10.2013 Die Anforderungen werden gesamtheitlicher: 1988 - SIA 380/1 – Thermische Energie im Hochbau - Fokus: Dämmung der Gebäudehülle - Bewertung: Thermische Energie Stufe Nutzenergie - Wegbereiter für das Thema Energieeffizienz im Hochbau 1988 Folie 7, 17.10.2013 Die Anforderungen werden gesamtheitlicher: 1998 - Minergie® - Fokus: Dämmung der Gebäudehülle Energieträger / Energiewandlung - Bewertung: Thermische Energie Lüftung Elektrizität (je nach Nutzung und Standard) Weitere Anforderungen Stufe Endenergie (gewichtet) 1998 - Weiterer Wegbereiter für das Thema Energieeffizienz im Hochbau (basierend auf der Norm SIA 380/1, aber mit zusätzlichen Kriterien / Anforderungen) Folie 8, 17.10.2013 Die Anforderungen werden gesamtheitlicher: 2011 - SIA Effizienzpfad Energie (SIA Merkblatt 2040) - Fokus: Gesamtenergiebetrachtung - Bewertung: Gesamtbetriebsenergie Graue Energie (Erstellung) Gebäudeinduzierte Mobilität Stufe Primärenergie & Treibhausgasemissionen 2011 - Zukünftige Grundlage für die Bewertung der Energieeffizienz im Bauen? Folie 9, 17.10.2013 Beurteilungskriterien gestern – heute - morgen Heizwärme Gesamte Betriebsenergie Betriebsenergie + Graue Energie Betriebsenergie + Graue Energie + gebäudeind. Mobilität Nutz- oder Endenergie Primärenergie Primärenergie + Treibhausgasemissionen Folie 10, 17. Oktober 2013 Betrachtungsebenen gestern – heute - morgen - Die einzelne Komponente Wirkungsgrad, Leistungszahl, U-Wert, g-Wert, … - Das Gebäude als System Jahresarbeitszahl, Gesamtenergiebedarf, Graue Energie, … - Das Gebäude im System Areal- und Quartierbetrachtungen, regionale oder überregionale Themen, Smart Grid, … Folie 11, 17.10.2013 Ausweiten der Systemgrenzen in 3 Dimensionen BE + GE + Mobilität BE + Graue Energie (GE) Betriebsenergiebedarf (BE) CO2 / THG Primärenergie Heizwärmebedarf Endenergie Nutzenergie Komponente Folie 12, 17.10.2013 Gebäude Areal/Quartier/… Von Minergie übers Plusenergie-Gebäude zum SNBS Komplexität / Aufwand hoch Plusenergie-Gebäude tief Gesetz Nutzenergie Folie SNBS = Standard nachhaltiges Bauen Schweiz 13, 17.10.2013 Endenergie Primärenergie Betrieb + Graue Energie + Mobilität Ökologie Gesellschaft Wirtschaft «NachhaltigkeitsLevel» Wird alles komplizierter und anspruchsvoller? Die Ausweitung der Betrachtungsgrenzen in den 3 Dimensionen - … erhöht die Komplexität - … macht die Planung anspruchsvoller - … bietet aber in der Planung auch mehr Flexibilität und mehr Möglichkeiten - … bedingt da und dort aber auch ein Umdenken - … macht den Einsatz von «neuen» Hilfsmitteln nötig (z.B. Simulationen) - … und fördert auf jeden Fall die integrale und interdisziplinäre Planung. Folie 14, 17.10.2013 Drei Beispiele - Neubau Bettenhaus Stadtspital Triemli (Gesamtenergiebetrachtungen, 2008 abgeschlossen) - «Gesamtenergieeffizienz von Bürobauten» (Gesamtsystemoptimierung, 2010 abgeschlossen) - Klima als Entwurfsfaktor (Einfluss architektonischer Entwurf auf Energie, 2013 abgeschlossen) Folie 15, 17.10.2013 Nutz-, End- und Primärenergie Nutzenergie • Wärme im Raum • Licht im Raum • Warmes Wasser aus der Duschbrause Endenergie • Elektrizität beim Stromzähler • Gas beim Gaszähler • Heizöl im Öltank Nutzungs-/Wirkungsgrad Folie 16, 17.10.2013 Primärenergie • Rohöl • Uran • Wind • Sonne • Erdwärme Primärenergiefaktoren Neubau Bettenhaus Stadtspital Triemli, Zürich Folie 18, 17.10.2013 Neubau Bettenhaus Stadtspital Triemli, Zürich Ausgangslage: - Stadt Zürich realisiert regelmässig Neubauten nach den Kriterien der 2000 Watt Gesellschaft («Leuchttürme») - Reduktion Energieverbrauch um Faktor 3 (bei gleichbleibender medizinischer Leistung) - Minergie-P Fragestellung: - Wie sieht aus energetischer Sicht die optimale Fassade aus? Folie 19, 17.10.2013 Neubau Bettenhaus Stadtspital Triemli, Zürich Vorgehen: - Optimierung des gesamten Primärenergiebedarfs - Berücksichtigung der eingesetzten Energieträger - Berücksichtigung von Heizen, Kühlen, Beleuchtung - Variable Grössen: - Glasanteil Fassade Glaswahl Fassade Balkontiefe Balkonbrüstung Sonnenschutz - Wahl des Energieträgers - Optimierung mittels therm. Gebäudesimulationen Folie 20, 17.10.2013 Ergebnisse auf Stufe NUTZENERGIE Nutzenergie Licht Kälte Wärme Folie 21, 17.10.2013 Ergebnisse auf Stufe PRIMÄRENERGIE (Variante 1) Primärenergiefaktoren: Strom 2.0 (Minergie); Wärme 1.0 Jahresarbeitszahl Kälte: 2.0 (konventionelle Erzeugung) Licht Kälte Wärme Folie 22, 17.10.2013 Ergebnisse auf Stufe PRIMÄRENERGIE (Variante 2) Primärenergiefaktoren: Strom 3.0; Wärme 1.0 Jahresarbeitszahl Kälte: 9.0 (hoher Freecooling-Anteil) Licht Kälte Wärme Folie 23, 17.10.2013 Erkenntnisse - Der Energieträger hat einen Einfluss, welche Fassadengestaltung aus Sicht Primärenergiebedarf optimal ist - Bei “konventioneller” Kälteerzeugung hohe Relevanz des Energiebedarfs für die Kälteerzeugung Massnahmen zur Reduktion des Kühlenergiebedarfs stehen im Vordergrund - Kälte z.B. über Erdsonden (erneuerbare Quelle) wenig Relevanz des Energiebedarfs für die Kälteerzeugung Massnahmen zur Reduktion des Beleuchtungsenergiebedarfs stehen im Vordergrund (Maximierung der Tageslichtnutzung) Folie 24, 17.10.2013 BFE-Studie: Gesamtenergieeffizienz von Bürobauten Folie 26, 17.10.2013 BFE-Studie: Gesamtenergieeffizienz von Bürobauten Ausgangslage: - Bei Bürobauten ist der Kühlenergiebedarf oft höher als der Heizenergiebedarf (hohe solare Lasten, hohe interne Lasten) - Eine sehr gute Dämmung der Gebäudehülle könnte dann kontraproduktiv sein Fragestellung: - Macht eine ‘maximal’ gedämmte Gebäudehülle bei grösseren Bürobauten aus gesamtenergetischer Sicht Sinn? Forschungsprojekt finanziert von BFE, AHB Stadt Zürich, AUE Basel Folie 27, 17.10.2013 BFE-Studie: Gesamtenergieeffizienz von Bürobauten Vorgehen: - Integrale Berücksichtigung - Raumwärme - Klimakälte (für vergleichbaren Komfort) - Beleuchtungsenergie - Bewertung auf Stufe Primärenergie (Jahresenergiebedarf) bzw. auf Stufe Treibhausgasemissionen - Variationen: - Typologie U-Wert Hülle (opak), Verglasung g-Wert Verglasung Glasanteil Fassade interne Lasten Wärmeerzeugung (Holz, Gas, Fernwärme, Erdsonden-WP) Folie 28, 17.10.2013 Primärenergiebedarf vs. Heizwärmebedarf Primärenergie mit SIA Faktoren Gebäude T1_1 2 Primärenergiebedarf Kühlen, Beleuchtung Heizen, Primärenergie in kWh/m a (Heizen, Kühlen, Beleuchtung) 90 80 Pellet 70 Gas 60 Fernwärme 50 WP 40 30 20 10 Qh,li,MeP Qh,li 0 40 60 80 100 2 Qh MJ/m (SIA 380/1:2009) 120 Heizwärmebedarf (SIA 380/1:2009) Fernwärme Gas Qh Wärmepumpe Holz Folie 29, 17. Oktober 2013 140 160 Primärenergiebedarf und Gebäudekompaktheit Primärnergiebedarf Energiebedarf total Energiebedarf künstliche Beleuchtung Energiebedarf Raumheizung hoch Folie 30, 17. Oktober 2013 Kompaktheit tief Erkenntnisse - Eine Gesamtbetrachtung führt zu neuen Gesichtspunkten - Eine Betrachtung auf Stufe Primärenergie oder Treibhausgasemissionen favorisiert andere Lösungen als eine Betrachtung auf Stufe Nutzenergie - Minergie-P lockerte aufgrund der vorgestellten Studie für grosse Gebäude (> 5000m2 EBF) mit hohen internen Lasten (z.B. Bürobauten) die Primäranforderung (Anforderung an die Gebäudehülle) Folie 31, 17.10.2013 Das Klima als Entwurfsfaktor Folie 32, 17.10.2013 Energetische Analyse eines «Zoos» von Gebäuden Nutzung: Wohnen Variante Glasanteil Basis Folie 33, 17. Oktober 2013 Das Klima als Entwurfsfaktor Ausgangslage: - Gesamtbetrachtung Heizen, Kühlen, Beleuchtung - Berücksichtigung Betriebsenergie + Graue Energie - Bewertung auf Stufe Primärenergie und Treibhausgasemissionen Fragestellung: - Wie beeinflussen architektonische Entscheide im Entwurf den gesamten Primärenergiebedarf bzw. die Treibhausgasemissionen? Lösungssuche mittels therm. Gebäudesimulationen Internes Forschungsprojekt der Hochschule Luzern, AHB Stadt Zürich Folie 34, 17.10.2013 Das Klima als Entwurfsfaktor Raumheizung? Raumkühlung? Beleuchtung? Graue Energie? Primärenergie? Treibhausgasemissionen? Lohnt sich ein sehr hoher Glasanteil aus rein energetischer Sicht? ? Gesamtbetrachtung! Folie 35, 17. Oktober 2013 Einfluss des Glasanteils auf den Energiebedarf Basis: 8-FH 40% Variationen 20% Bewertung: • Nutzenergiebedarf Raumheizung, Raumkühlung, Beleuchtung • Primärenergiebedarf n.e. (Betrieb) • Graue Energie (Erstellung) • Primärenergiebedarf (Betrieb + Erstellung) Folie 37, 17. Oktober 2013 %-Angabe: Glasanteil 50% 80% Ergebnisse (qualitativ): Glasanteil Basis: 8-FH Variationen 100% 107% Nutzenergiebedarf - Raumheizung - Raumkühlung - Beleuchtung Primärenergiebed. n.e. Graue Energie Primärenergiebedarf (Betrieb + Erstellung) Folie 38, 17. Oktober 2013 105% 112% (Betrieb) (Erstellung) %-Angabe: Primärenergiebedarf Nutzung: Wohnen Ergebnisse (quantitativ): Glasanteil Nutzung: Wohnen Folie 39, 17. Oktober 2013 Das Klima als Entwurfsfaktor Das Klima als Entwurfsfaktor Architektur und Energie Herausgegeben von Tina Unruh Autoren: Christian Hönger, Roman Brunner, Urs-Peter Menti, Christoph Wieser Mit Positionen von: Roger Boltshauser, Gion Caminada, Philippe Rahm, Sascha Roesler Erschien Mitte September 2013 im Quart-Verlag, Luzern Zweite, aktualisierte und erweiterte Auflage Folie 40, 17. Oktober 2013 Konklusion - Die (energetischen) Anforderungen beim Bauen werden umfassender - Planungsprozess wird komplexer - Gefordert werden gesamtheitliche Betrachtungen - mehr Planungsfreiheit als Quintessenz - Gesamtheitliche Betrachtungen sowie die Bewertung auf Stufe Primärenergiebedarf / Treibhausgasemissionen sowie auf Stufe Gesamtgebäude bzw. Areal ergeben mehr Handlungsspielraum und führen zu neuen Lösungen. Folie 41, 17.10.2013 Grosses Potenzial im «vermeintlich Einfachen»… Folie StandbyVerbrauch: 36% StandbyVerbrauch: 55% Studie BFE 1999 Studie AHB 2011 42, 17. Oktober 2013 Integrale Gebäude – eine ganzheitliche Betrachtung Besten Dank! Folie 43, 17.10.2013