Solingen, Siedlung Weegerhof, Waschhaus Gutachten gem. § 22 (3) Denkmalschutzgesetz zum Denkmalwert gemäß § 2 (1) Denkmalschutzgesetz Ortstermin: 09.11.2005 Kommission RhAD: Dr. Angelika Schyma; Axel Föhl, Thomas Hohn, Dipl.-Ing. Maria Kampshoff, Dr. Marco Kieser, Dr. Rainer Schiffler Bearbeiter RhAD: Dr. Marco Kieser Das Waschhaus in der Siedlung Weegerhof in Solingen ist ein Baudenkmal im Sinne von § 2 (1) Denkmalschutzgesetz NW. Es ist bedeutend für die Geschichte des Menschen. An seiner Erhaltung und Nutzung besteht aus wissenschaftlichen, hier architektur- und sozialgeschichtlichen sowie aus volkskundlichen Gründen ein öffentliches Interesse. 1. Siedlung Weegerhof Die Siedlung Weegerhof wurde 1927-29 durch den Spar- und Bauverein Solingen nach Entwurf seines Architekten Franz Perlewitz auf einem Talhang zwischen Grünwalder Straße und Weinsbergtal errichtet. Beiderseits einer Mittelachse, der Hermann-Meyer-Straße, sind zweigeschossige freistehende Reihenhäuser in aufgelockerter Blockrandbebauung angeordnet; im Nordwesten zur Grünwalder Straße hin wird diese Struktur allerdings nur teilweise durch Siedlungsbauten gebildet, da hier ältere Bebauung vorhanden war. Jenseits des Tales schließt eine langgestreckte Zeile entlang der Weinsbergtalstraße, am Fuße des gegenüberliegenden Hanges, die Siedlung im Südosten ab. Zentrum der Siedlung ist ein längsrechteckiger Platz im hier versetzten Verlauf der HerrmannMeyer-Straße, an dessen Schmalseiten öffentliche Gebäude angeordnet waren bzw. sind (Gaststätte, Konsum), mit den größten Wohnhäusern der Siedlung an den Längsseiten. Die Platzmitte war ursprünglich als Schmuckfläche gestaltet. Die Freiflächen zwischen den Häusern, im schmalen Bereich zur Straße sowie im Blockinnenbereich sind überwiegend als schlichte Grünflächen mit Bäumen und Sträuchern gehalten, z.T. mit kleinen rückwärtigen Nutzgärten. Ehemals vorhandene kleine Mäuerchen zur Straße sind heute verschwunden, andere gliedernde Elemente wie Treppenanlagen aus Beton, die innerhalb der bewegten Topographie vermitteln, oder alte Geländer aus Metall an Treppen und Zuwegen zu den Häusern sind hingegen noch vorhanden. Mit 430 Wohneinheiten aus 2-5-Zimmerwohnungen, sämtliche bereits ursprünglich mit Bad, zählt die Siedlung zu den größten in den zwanziger Jahren errichten Siedlungen Solingens. Die Wohnhäuser sind zweigeschossige Putzbauten in sachlich-traditionalistischer Formensprache, mit ausgebauten Walm- oder Satteldächern, die nach vorne mit großen übergiebelten Zwerchhäusern, nach hinten mit einfachen Zwerchhausbändern geöffnet sind. Die traditionellen Lochfassaden weisen nur vereinzelt Modernismen wie auf Eck gesetzte Fensteröffnungen auf. Gesimse und Brüstungen betonen die horizontale Lagerung der Baukörper, ebenso die noch vielfach erhaltenen Fensterläden. Die Hauseingänge sind seitlich und mittig in den achsialsymmetrisch gehaltenen Wohneinheiten angeordnet, überwiegend sind die originalen Haustüren erhalten, aber auch Details wie in die Wand integrierte Briefkastenschlitze. Gefasst werden Eingänge und gegebenenfalls darüberliegende Treppenhausfenster durch eine Rahmung mit abschließenden Keilsteinen. Die Fenster sind bereits erneuert. Bei einer ersten denkmalpflegerischen Bewertung Solinger Siedlungen 1995 wurde die Siedlung Weegerhof als denkmalwert eingestuft. Diese Einschätzung wurde bei der o.a. intensiven Besichtigung 2005 bestätigt. Aufgrund der bereits begonnenen Sanierungsmaßnahmen ist jedoch absehbar unvermeidlich, das historische Substanz und Erscheinungsbild der Häuser entscheidend verändert werden. Unter diesen Voraussetzungen erscheint es sinnvoll, eine Unterschutzstellung der gesamten Siedlung als Baudenkmal nicht weiter zu betreiben, auch wenn die städtebauliche Qualität der Gesamtanlage, die einen wesentlichen Teil des Denkmalwerts ausmacht, hiervon kaum berührt wird. Wegen seiner außergewöhnlichen, weit über die Siedlung und die Stadt Solingen hinaus reichenden Bedeutung muss hingegen das Waschhaus der Siedlung Weegerhof unbedingt als Einzeldenkmal bewertet werden. 2. Das Waschhaus der Siedlung Weegerhof Von den eher traditionalistischen Wohnhäusern der Siedlung Weegerhof heben sich stilistisch das Waschhaus (1929) und der von der Genossenschaft selbst getragene Kindergarten (1930) ab – zwei Bauten mit einer stärker kubischen, modernistischen Formensprache, die vom Zweckgedanken her seinerzeit fortschrittlichste soziale Ideen verkörperten und vielleicht deswegen auch anders auftraten. Während der Kindergarten heute erhebliche bauliche Veränderungen aufweist, ist das Waschhaus formal und funktional annähernd unverändert überliefert. Das Waschhaus befindet sich im Innenbereich des Blocks Hermann-Meyer-Straße, Karl-SchurzWeg, Fritz-Reuter-Straße, Ernst-Moritz-Arndt-Weg, deutlich erhöht über dem Straßenniveau, auf einer Wiese, die u.a. zum Wäschetrocknen genutzt wird. Bereits 1925/26 hatte der SBV in der Siedlung Kannenhof ein solches zentrales Waschhaus errichtet, seinerzeit eine höchst seltene Einrichtung. Baulich hatte dies v.a. den Vorteil, dass anstelle von Trockenböden die Dachgeschosse zu Wohnungen ausgebaut werden konnten, und für die Siedlungsbewohner war es natürlich von unschätzbarem Wert, die schwere Handarbeit des Waschens auf zentral vorgehaltene moderne Maschinen verlagern zu können, mit in der Miete enthaltenem Nutzungsentgelt. Während das (zweigeschossige) Waschhaus in der Siedlung Kannenhof heute abgerissen ist, gilt das 1929 entstandene Waschhaus der Siedlung Weegerhof Ende 2005 als die letzte noch in der ursprünglichen Weise genutzte Einrichtung ihrer Art in Deutschland. Der eingeschossige Putzbau mit Flachdach erhebt sich auf rechtwinkliger, annähernd quadratischer Grundfläche. In der Mitte des Daches ist ein laternenartiger Aufbau angeordnet, der den zentralen großen Waschraum mit Oberlicht versorgt. Rückwärtig ist ein Annex mit Schornstein angefügt, in dem die Dampfkesselanlage untergebracht ist. An den Außenwänden ist ein Sockel dunkel gestrichen abgesetzt, die Trauflinie an der Eingangsseite sowie Fenster- und Türgewände sind weiß akzentuiert. Über dem als flacher Risalit ausgebildeten Eingang ist die Traufe attikaartig erhöht, das umlaufende Traufgesims ist an den Ecken ansatzweise auf den Risalit verkröpft. Der über Stufen liegende Eingang mit zweiflügeliger, oben durchfensterter Tür und Oberlicht ist zudem durch eine Putzrahmung ausgezeichnet, mit Keilstein und an Ausleger befestigter Laterne in der Mitte des Sturzes. Zeittypisch sind außerdem die horizontal ausgerichteten Proportionen der Fenster (seitlich drei-, nach vorne z.T. fünfteilig) und ihrer kleinteiligen Sprossung. Innen zeigt der schmale Eingangsflur kopfhoch grün geflieste Wände und einen schwarz-weißen Fußbodenplattenbelag. Von hier aus betritt man einen breiteren, zentralen Vorraum, ebenfalls mit diesem Bodenbelag, der das Waschmeisterbüro sowie Trocken- und Mangelraum erschließt. In ihm sind ferner seitliche Wandschränke und die Waage am Eingang zum Waschraum angebracht. Alte zweiflügelige Fenstertüren mit Oberlicht zu den Nebenräumen sind erhalten. Im Trockenraum (rechts) wird die Wäsche nach dem Waschen in noch originalen, herausziehbaren Kulissenschränken in Heißluft getrocknet. Im Mangelraum (links) stammen die beiden Dampfmangeln laut Herstellerschild aus dem Jahr 1937 (Hartung, Kuhn & Co., Düsseldorf). In Vorraum und Waschraum sind die Wände im unteren Bereich etwa kopfhoch gefliest, darüber mit nachträglich aufgebrachtem Spritzputz versehen. Der große zentrale Waschraum ist nur mit dünnen Pfeilerstellungen unterteilt. In der Mitte stehen Einzelkojen, in denen die Wäsche eingeweicht und vorbehandelt werden konnte - obwohl das traditionelle Einweichen eigentlich bei der mechanischen Wäsche nicht mehr nötig war. Die Kojen boten außerdem einen gewissen Sichtschutz, der von den Frauen erwünscht war. Entlang den Wänden sind 12 TrommelWaschmaschinen aus den 1950er Jahren mit Einzelantrieb (im Waschhaus Kannenhof war noch ein Sammelantrieb installiert gewesen) und 8 daneben stehende Schleudern aufgestellt. Die Belichtung der Waschhalle erfolgt durch Fenster in den Stirnwänden und vor allem durch das Oberlicht, das durch den Laternenaufbau auf dem Dach in das Innere geleitet wird. Im rückwärtigen Bereich sind die zentralen Energieanlagen untergebracht, deren Betrieb 1988 so beschrieben wurde: „Das Waschhaus hat ein sehr energiesparendes und umweltschonendes Antriebssystem, das mittels eines geschlossenen Kreislaufs eine teilweise Rückgewinnung der erzeugten Wärme ermöglicht. Die Maschinen werden mittels Wasserdampf beheizt. Jeden Morgen (...) setzt der Waschmeister die Ölheizung in Betrieb, die den Dampfkessel antreibt. Über Kupferleitungen werden alle Maschinen vom Dampfkessel aus mit heißem Wasser und Dampf gespeist, so auch die Trockenschränke (...). Das Waschwasser kommt aus einem dreißig Meter tiefen Brunnen.“ (Scheffran, S. 67) Der Waschvorgang selbst wird in der Festschrift zu 100 Jahren Spar- und Bauverein beschrieben: „Waschmaschinen mit rotierenden Trommeln nahmen die Wäsche auf, ohne daß sie zuvor eingeweicht werden mußte, und reinigten sie in erster und zweiter Lauge je etwa 30 min. lang. Das Spülen erfolgte anschließend ebenfalls in der Trommel, ohne die Wäsche zuvor herausnehmen zu müssen. Danach wurde sie in einer seperaten Zentrifuge oder Schleuder vorgetrocknet und dann in einem Kulissentrockenapparat in wenigen Minuten völlig getrocknet. Nun konnte die Wäsche in die Dampfmangel gegeben und schließlich gefaltet werden: alles in allem eine Arbeit ohne große körperliche Anstrengung und von etwa drei bis vier Stunden Dauer.“ Auf der Wiese vor dem Waschhaus mit ihren Wäscheleinen und -stangen kann die Wäsche außerdem zusätzlich getrocknet und gebleicht werden. 3. Zur Geschichte der Waschhäuser Zentrale Waschhäuser sind bereits seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts bei Anstalten, Krankenhäusern oder Kasernen relativ verbreitet, in geringerem Maße aber auch als öffentliche Einrichtungen im Sinne des Volks-Wohlfahrtsgedankens bei Badeanlagen oder sogar schon bei Arbeiterkolonien, in deren kleinen Wohnungen kein Platz für größere mechanische Waschanlagen vorhanden war. Seit dem frühem 19. Jahrhundert wurde in England und nachfolgend in Frankreich sogar durch Gesetz die Schaffung preiswerter öffentlicher Waschgelegenheiten gefördert. 1854 gab es in London 13 öffentliche Waschhäuser, und auch im diesbezüglich wenig fortschrittlichen deutschsprachigen Raum entstanden bis zur Jahrhundertwende in Wien, Hamburg, Berlin und Magdeburg öffentliche Waschanlagen. Selbst für Arbeiterkolonien verzeichnet das „Handbuch der Architektur“ 1900 schon erste Beispiele, unter ihnen diejenige der Arbeiterkolonie der Kammgarnspinnerei Wülfing & Sohn in Lennep. Nach der Jahrhundertwende wurde in sozialistischen Kreisen verstärkt das „Einküchenhaus“ diskutiert, in dem sämtliche Hausarbeiten kollektiv bzw. zentral vorgenommen werden sollten. Zwar gab es schon vor dem Ersten Weltkrieg erste Versuche in dieser Hinsicht in Berlin, auf breiter Basis durchgesetzt hat sich von dieser Idee allerdings nur das zentrale Waschhaus, dessen Erfolg vor allem in Verbindung mit dem Siedlungsbau der 1920er Jahre stand. Belegt ist die Vorbildhaftigkeit des kommunalen (sozialistisch motivierten) Wohnungsbauprogramms in Wien, das durch Besichtigungsreisen u.ä. auch durch den Solinger Spar- und Bauverein rezipiert wurde. So reisten Hermann Meyer und Franz Perlewitz, also Geschäftsführer und Architekt des SBV, 1925 nach Wien, um sich insbesondere über die dortigen Zentralwäschereien zu informieren. Ob das daraufhin verwirklichte Waschhaus im Kannenhof als Pionierbau wirklich einzigartig in Deutschland war – immerhin sind für etwa die gleiche Zeit oder sogar etwas früher auch Beispiele in Frankfurt bekannt – mag dahin gestellt bleiben, auf jeden Fall gehörte der SBV in Solingen zu den unbedingten Vorreitern bei dieser seinerzeit technisch und sozialpolitisch hochmodernen Einrichtung. Ein Paradigmenwechsel trat erst ein, nachdem die seit Anfang der 1950er Jahre in Deutschland eingeführte Waschmaschine für den Einzelhaushalt als Massenprodukt erschwinglich wurde. Noch 1959 propagierte das offiziöse „Handwörterbuch des Städtebaus, Wohnungs- und Siedlungswesens“ selbstverständlich die Vorteile „zentraler Waschanlagen“: „Seit Mitte der zwanziger Jahre wurden größeren Wohnsiedlungen vielfach zentrale Waschanlagen angegliedert (...) Das Vorhandensein zentraler Waschanlagen erspart einerseits den einzelnen Familien die Anschaffung von Waschmaschinen und andererseits befreit es all diejenigen, die nicht in der Lage sind, verhältnismäßig kostspielige Waschmaschinen sich selbst zu kaufen, von den großen körperlichen Anstrengungen am Waschtag alten Stils. (...) Bautechnisch ergibt sich der Vorteil, daß die früher meist im Keller eingerichtete Waschküche entfällt, so daß zusätzlich Kellerraum für andere Zwecke bereitsteht. (..) Auch der meist unter dem Dach untergebrachte Trockenspeicher wird durch das maschinelle Trocknen der Wäsche nicht mehr benötigt, wodurch Flachdachkonstruktionen bzw. Dächer mit geringer Neigung (23 °) möglich werden.“ Und 1965 wurden für die Bundesrepublik Deutschland noch 26000 Gemeinschaftswäschereien für 1,6 Mio. Menschen genannt. Wieviele Siedlungs-Waschhäuser es hingegen nach dem tiefgreifenden Strukturwandel heute in Deutschland wenigstens als reine Gebäude noch gibt, ist derzeit nicht zu ermitteln. Zu den weithin bekannten Beispielen zählen diejenigen in Karlsruhe-Dammerstock, Berlin-Wohnstadt Carl Legien, Oberhausen-Eisenheim (heute Museum) und dasjenige der Einschornsteinsiedlung in Duisburg-Neudorf. Das Waschhaus der Siedlung Weegerhof kann aber den Vorrang vor diesen Beispielen beanspruchen, gilt es doch Ende 2005 als das letzte wie ursprünglich in Gemeinschaftsbetrieb befindliche, und das sogar noch mit einem großen Anteil originaler oder zumindest historischer - und dabei gebrauchsfähiger ! - Ausstattung. Selbst wenn aufgrund der schlechten Quellenlage nicht völlig auszuschließen ist, das doch noch vereinzelt Vergleichsbeispiele zu Tage kommen: ein außergewöhnlich großes, weit überregionales Interesse am Erhalt des Hauses samt seiner Ausstattung steht in dieser Hinsicht außer Zweifel. Das Waschhaus in der Siedlung Weegerhof in Solingen ist daher bedeutend für die Geschichte des Menschen. An seiner Erhaltung und Nutzung besteht aus den beschriebenen wissenschaftlichen, hier architektur- und sozialgeschichtlichen sowie aus volkskundlichen Gründen ein öffentliches Interesse. Es handelt sich daher gemäß § 2 (1) Denkmalschutzgesetz um ein Baudenkmal. Bestandteil des Baudenkmals sind das Gebäude selbst und die waschtechnische Ausstattung. Die umgebende Wiese mit Trockeneinrichtungen kann als funktional und optisch notwendige Umgebung des Denkmals angesehen werden. Literatur Handbuch der Architektur IV,V,4: Entwerfen, Anlage und Einrichtung der Gebäude, Gebäude für Heil- und sonstige Anstalten, Wasch- und Desinfektions-Anstalten. Von Felix Genzmer, Stuttgart 1900. Handwörterbuch des Städtebaus, Wohnungs- und Siedlungswesens (1959): „Waschanlagen, zentrale“ S. 1581-83. Die große Wäsche (= Schriften des Rheinischen Museumsamtes 42), Köln 1988, darin: Barbara Orland: Waschen, Spülen, Schleuder, Trocknen – vereint in einer Maschine (S. 48-59) u. Barbara Scheffran: Wohnküche, Waschküche und Waschhaus (S. 60-68). Klaus Novy (Hrsg.): Reformführer NRW. Köln 1991. Ralf Stremmel / Karl-Peter Wiemer: 100 Jahre Spar- und Bauverein Solingen. Köln 1997.