In Memoriam - Gerhard Kostanzer von Ulrich Schöll Vor nunmehr 2 Jahren verstarb unser Mitglied und damaliger Pilgerbeauftragter Gerhard. Er war ein ungewöhnlicher Mensch. Ich möchte an Ihn, mit einem Pilgerbericht, erinnern. Es war meine erste Pilgerwanderung. Es begann auf der CMT 2011. Gerhard war als Historischer Pilger am Stand des Landkreises Tübingen, zusammen mit der Pilgerherberge in Frommenhausen. Bei diesem half ich Gerhard ein wenig und hatte genug Zeit um mit Ihm zu reden. Er warb dort für seinen 2-tägigen Pilgerevent vom Freitag 20.05. bis Samstag 21.05.2011 von Tübingen über Frommenhausen nach Hechingen. Durch seine erfrischende Art überzeugte er mich davon und so beschloss ich spontan daran teilzunehmen. Deswegen verdanke ich Gerhard viel, denn diese etwas andere Pilgertour hat mich endgültig vom pilgern überzeugt und mir gezeigt, dass es nicht immer der „vorgegebene“ Weg sein muss und das ein Pilger nicht alles so ernst nehmen sollte. Jetzt zu der etwas ungewöhnlichen Pilgertour. Freitag 20.05.2011 ca. 9:00 Uhr. Alle 7 Pilger trafen sich vor dem Hauptbahnhof in Tübingen. Gerhard stellte zuerst alle vor. Gerhard Kostanzer, ich und noch 5 weitere Teilnehmer. Endlich ging es los. Wir gingen vom Hauptbahnhof über die Neckarbrücke und den Marktplatz zu unserer ersten Station, die Jakobuskirche in Tübingen. Die Jakobuskirche wurde ca. 1200 als romanische Kapelle erbaut und um 1377 das erste Mal erwähnt. Da die Türe, wie fast immer, verschlossen war, ging ich schnell zum Pfarramt und holte den Schlüssel. Die anderen nutzten die kurze Zeit um eine Pause zu machen. Nachdem ich wieder zurück war, konnten wir nun die Kirche betreten und ausgiebig besichtigen. Dabei gibt es ein paar Besonderheiten wie: Jakobus mit Mantel, Muschel, Stab und Hut ist im Chorraum der Kirche in einem der Schlusssteine des Kreuzgewölbes zu finden und noch ein in Europa einmaliges Denkmal, die sogenannte Sonnenfigur . http://www.jakobusgemeinde.de/wir-fuer-sie/infos-fuer-pilger/ Anschließend brachte ich schnell den Schlüssel wieder zurück und wir holten alle bei der Schuhmacherwerkstatt neben der Kirche den Jakobsstempel für unseren Pilgerausweis. Jetzt brachen wir wieder auf, gingen durch die Altstadt von Tübingen über die Burgsteige zum Schloß Hohentübingen, welches erstmals 1078 als Burg der Grafen von Tübingen erwähnt wurde. Das heutige Schloss stammt zum größten Teil aus dem 16. Jahrhundert. Sein schönster Schmuck ist das um 1606 errichtete Renaissanceportal im Stil eines römischen Triumphbogens durch das wir das Schloß betraten. Wir durchquerten den Innenhof, gingen durch den schmalen, niederen und langen Durchgang nach außen, über den Bärengraben wieder hinaus zur Schloßbergstraße und weiter über den Lichtenberger Weg bis zum Bismarksturm. Auf diesem Weg gab es auf der linken Seite ein paar schöne Ausblicke ins Neckartal. Nach dem Bismarksturm ging es jetzt durch den Wald bis zur Wurmlinger Kapelle. Uns fielen die vielen Hinweisschilder über Ludwig Uhland, auf. Dessen Gedicht von 1805 „Droben stehet die Kapelle…“ weltbekannt ist. Dieser Weg ist ja auch als „Ludwig-Uhland-Liederweg“ bekannt. Siehe auch http://www.tuepedia.de/index.php/Ludwig-Uhland-Liederweg. Jetzt fing es auch noch zu regnen an. Alle, nein nur Gerhard meinte er brauche das nicht, machten jetzt den Regenschutz über den Rucksack. Nach dem Verlassen des Waldes erblickten wir die Wurmlinger Kapelle und nach kurzem Weg z.T. über eine Naturtreppe erreichten wir diese. Wir schauten uns die Kapelle an und freuten uns an der schönen Aussicht. Diese wurde als Grabkapelle des Stifters Graf Anselm von Calw im Jahre errichtet. Davon existiert heute noch eine romanische Krypta aus der Zeit um 1150. Die bis heute erhalten gebliebene barocke Kapelle, wurde 1685 eingeweiht. Jetzt verließen wir die Wurmlinger Kapelle und gingen den Kapellenberg wieder abwärts nach Wurmlingen an der Pfarrkirche vorbei zur Bäckerei wo wir eine kurze Pause einlegten. Auf dem weiteren Weg nach Rottenburg mit seinem Dom machten wir einen kurzen Abstecher zur Sülchenkirche. Der Vorgängerbau stammt aus dem 6. Jh. Heute ist diese Kirche die Grablege der Rottenburger Bischöfe. Dann wanderten wir an der Sülchenstaße entlang, überquerten den Kreisverkehr am EugenBolz-Platz und weiter zur Brunnenstube wo wir Mittagspause machten. Nach unserer Pause holten wir unseren Pilgerstempel bei der Stadtinfo ab. Anschließend besuchten wir den Rottenburger Dom St. Martin von 1424. In diesem befindet sich eine Reliquie des Hlg. St.Martin. Rottenburg ist Bischofsstadt seit 1824 nach Auflösung des Bistums Konstanz. Bis jetzt waren wir noch auf dem Jakobsweg. Aber ab hier zeigte sich wieder die Originalität von Gerhard. Er wollte bis Frommenhausen den Weg durch das Neckartal gehen. Wir gingen ab hier, z.T. auf dem Sebastian-Blau-Wanderweg. Vom Dom auf der Königsstraße bis zur Brücke über den Neckar, dann durch das Kapuzinertor und weiter auf der Hagenwörtstraße am „Preußischen“ vorbei bis zur Fußgängerbrücke über den Neckar den wir jetzt überquerten. Weiter, wieder nach rechts, bis wir den Radweg nach Bad Niedernau gefunden hatten. Wir gingen an der Bronnmühle vorbei und erreichten schließlich den Bahnhof von Bad Niedernau. Jetzt folgten wir wieder dem Sebastian-Blau-Wanderweg über die „Blaue“ Neckarbrücke durch die Ortsmitte am Katzenbach entlang durch den Kurpark bis zum Quellhaus der Römerquelle. Wir gingen noch ein Stück weiter, bogen dann in einen Waldweg rechts hoch ein und oben immer dem Waldrand entlang bis wir Frommenhausen erblickt hatten. Dann gingen wir direkt in den Ort hinein zur Pilgerherberge. Dort wurden wir schon vom 1. Vorsitzenden des Fördervereins Roland Harrer und seiner Frau Brigitte Abt-Harrer empfangen, welche uns auf liebevollster Weise betreut und umsorgt haben. Die Pilgerherberge wurde im August 2010 zum 500Jähringen Jubiläum der Pilgerreise des Frommenhausener Pilger Jacob Beyter (*1480 - †1562) eröffnet. Der in Frommenhausen geborene Jacob Beyter, war Schulmeister in Hirrlingen und wurde auch dort begraben. Sein Grabstein befindet sich neben dem Kirchturm in Hirrlingen. Als Inschrift ist eingemeißelt: »Als man zalt 1562 am 5. Mai starb der ehrbare Jacob Beyter von Frommenhausen, dem Gott gnädig sein wölle. Im Jar 1510 ist der obgemeldt gen St. Jacob gezogen.« Für die Pilgerherberge wurde von dem Förderverein eine ehemalige Raiffeisenbank in liebevoller Eigenarbeit innerhalb von 2 Jahren umgebaut. Eine Reproduktion des Bildes „Sankt Jakobus als Pilger am Monte do Gozo“, von Sieger Köder schmückt seit 1. August 2010 die Südfassade der Pilgerherberge Frommenhausen. Wir bekamen dort ein sehr leckeres Vesper, mit im Dorfbackhaus frisch gebackenem Brot. Es wurde noch ein sehr geselliger Abend. Am Samstag 21.05.2011 Frühmorgens standen wir auf und richteten unser Frühstück. Jetzt gab es noch eine Überraschung von Gerhard. Er hatte von zuhause, in seinem Rucksack, 24 Eier seiner Eigenen Hühner hertransportiert. Das war wieder einmal original Gerhard. So etwas konnte nur ihm einfallen. Die gekochten Eier schmeckten deswegen noch mal so gut. Kurz nach dem Frühstück holten wir noch unseren Pilgerstempel ab, verabschiedeten uns von der Pilgerherberge, machten davor noch ein Gruppenfoto und verließen dann Frommenhausen. Wir folgten dem Weg neben der Straße, bogen nach links ab und querten diese. Jetzt in Hirrlingen waren wir wieder auf dem Gehweg zur Kirche St. Martinus. Diese besichtigten wir und schauten uns dann auch den Grabstein von Jacob Beyter an. Über die Kronenstraße und Bergstraße verließen wir Hirrlingen und gingen dem Waldrand entlang bis nach Rangendingen zur Ortsmitte mit der Klosterkirche zum Heiligen Kreuz wo wir eine kurze Pause einlegten. Dann weiter über die Obere Gasse den Jakobswegzeichen folgend wieder zu Ort hinaus. Dieser ging dann weiter auf dem Radweg nach Hechingen Stein, wobei der Radweg von der linken Seite der Straße durch eine Unterführung auf die rechte Seite wechselte. In Hechingen- Stein kommt die Jakobswegvariante von Bechtoldsweiler. Dort liegt Gerhard heute auf dem Friedhof, direkt neben seinem geliebten Jakobsweg. In Stein gingen wir an dem römischen Freilichtmuseum Villa Rustica vorbei durch die Ortsmitte und dann weiter auf dem Weg nach Hechingen. Wir wanderten an der Starzel entlang, am Freibad vorbei, über den Kreisverkehr und an der Hospitalstaße den malerischen Fußweg nach Oben in die Altstadt von Hechingen. Am Stadttor gingen wir geradeaus zum Marktplatz und weiter zur Stiftskirche St. Jakobus. Diese besichtigten wir ausgiebig an und holten anschließend unseren letzten Pilgerstempel ab. Zum Abschluss gingen wir wieder über den Marktplatz, die Staig, Herrenackerstraße über den Kreisverkehr zum Bahnhof, wo wir uns voneinander verabschiedeten. Das war meine erste Pilgerreise. Diese werde ich vor allen wegen unserem ungewöhnlichen Pilgerführer und natürlich auch wegen den immer gut gelaunten Teilnehmern der Pilgerreise nie vergessen.