Der Stellenwert von Ressourcen und Motivation in der beruflichen Integration Prof. Dr. med. Wolfram Kawohl Psychiatrische Dienste Aargau AG und Universität Zürich Agenda 1. Arbeit und Psyche 2. Aktuelle Erkenntnisse 3. Motivation und soziales Umfeld als zentrale Ressource Agenda 1. Arbeit und Psyche 2. Aktuelle Erkenntnisse 3. Motivation und soziales Umfeld als zentrale Ressource Behandlungsempfehlungen SGPP Förderung von Integration und Inklusion: - Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt - Wohnen mit eigenem Mietvertrag im freien Wohnungsmarkt (oder mit Familie) 0 Die Rolle der Arbeit • • • • Sicherung des Lebensunterhaltes Sinnerleben Tagesstrukturierung Soziale Einordnung Arbeitslosigkeit und Suizid +5’000 in der Krise 45’000 p.a. insgesamt (von 233’000) sind mit Arbeitslosigkeit assoziiert) Anstieg Suizide 6 Monate vor Anstieg der Arbeitslosigkeit (!) Nordt et al., Lancet Psychiatry 2015 Berufliche Rehabilitation Bisher: First train, then place Rehabilitation vor Arbeit Jetzt zusätzlich: First place, then train Arbeit als Rehabilitation 1. Arbeitsmarkt eingeschränkte weitere Unterstützung Geschützter Arbeitsplatz TK, Arbeitstherapie (Gesetzesrang in den USA(!)) Modell: Individual Placement and Support (IPS) (Becker and Drake 1994, Community Ment Health J ) x Arbeitslosigkeit 2. Arbeitsmarkt Supported Employment Was ist IPS? • Ziel: Arbeitsplatz im ersten Arbeitsmarkt • Direkte Suche ohne vorheriges Training • IPS-Coaches als Teil des klinischen Teams • Arbeit als integraler Bestandteil des Behandlungsplans • Arbeitsplatzsuche abhängig von den Wünschen des Patienten IPS-Praxis Arbeitgeber Klient Job Coach Behandler Agenda 1. Arbeit und Psyche 2. Aktuelle Erkenntnisse 3. Motivation und soziales Umfeld als zentrale Ressource Funktioniert das? SE vs. TAU • Arbeitsplatzvermittlung besser • Dauer des Arbeitsverhältnisses im 1. AM länger • Kürzere Zeit der Vermittlung • Noch zu wenig Erkenntnisse zur Nachhaltigkeit 14 RCTs, nges= 2265 +3 RCTs, nges= 480 Funktioniert das? Studie EQOLISE* *Enhancing the quality of life and independence of persons disabled by severe mental illness through supported employment • Störung aus dem schizophrenen Formenkreis oder bipolar affektive Störung • Wunsch nach Tätigkeit in freier Wirtschaft • Arbeitslosigkeit > 1 Jahr • Regelmässige medizinische Behandlung • 4 Interviews à je ca. 3h (Baseline, 6 Mt., 12 Mt., 18 Mt.) • randomisierte Zuteilung (n=312) [%] 90 IPS vs. Kontrollpersonen Lebensqualität Arbeitszufriedenheit Psychotische Symptome = Angst / Depression Hospitalisationsrate (signifikant) (signifikant) (signifikant) (signifikant) 80 70 60 50 40 30 20 10 0 * * * * IPS controls London Ulm Rimini Zurich GroningenSofia Burns, Catty, Becker et al. 2007, Lancet ZhEPP (Zürcher Eingliederungs-Pilot-Projekt) • Wiedereingliederung von IV-Neurentnern • Wiedereingliederung von IV-Neurentnern (n=250) • Finanzierung durch das BSV • freiwillige Teilnahme • Frage: Coaching besser als die übliche Handhabung? Trial register: ISRCTN54951166 Anstellungen Intervention: 8-12 Sitzungen über 3 Monate Interventionsgruppe zu T2 - sign. Rückgang der Absenzentage Geringere Symptomatik (SCL-90-R) Mehr Distanzierung (AVEM-44) Mehr Arbeitserfolg (AVEM-44) Weniger Resignation und emotionale Erschöpfung (AVEM-44) LQ höher (AVEM-44 und MANSA) total: n = 116 • 59 Frauen, 57 Männer • 1.7.2009 – 30.06.2013 • 25h: 39 (24 jobs, 19 > 3 Monate) • 40h: 38 (21 jobs, 13> 3 Monate) • 55h: 39 (19 jobs, 13 > 3 Monate) Soziophysiologie: Batterie im TP5 Resonanz „Reading the mind in the Eyes“ Ansteckung durch Lachen/Gähnen Komplexe Emotionen/Intentionen in der Augenpartie Emotionserkennung Grundemotionen in Gesichtern Attributionsstil Kausalzuschreibung im sozialen Kontext Stefan ist wütend auf seinen Freund Daniel. Stefan ist auf alle wütend Was ist der Grund für Stefans Verhalten? → Fehlattributionen Haker et al. in submission Agenda 1. Arbeit und Psyche 2. Aktuelle Erkenntnisse 3. Motivation und soziales Umfeld als zentrale Ressource Grundhaltung - Der Kunde (Klient, Patient, Coachee) ist Experte für das eigene Anliegen Er trägt die Verantwortung für den Transfer der Ergebnisse des Coachings Motivation lässt sich nicht von aussen erzeugen (!) Grundmotive Intrinsische und extrinsische Motivation Intrinsische Motivation: - innere, aus sich selbst entstehende Motivation - das, was man gern tut Extrinsische Motivation: - äussere Bewertungen (Prestige etc.) - äusserer Druck Erwartung * Wert-Modell Motivation = Erwartung * Wert - Hoher Wert des Ziels kann niedrige Erwartung ausgleichen Hohe Chance, das Ziel zu erreichen, kann niedrigen Wert ausgleichen Wenn einer der Faktoren 0 beträgt, ist die Motivation auch 0 Handlungs- vs. Lageorientierung Handlungsorientierung: Wie weiter? Toleranz gegen Rückschläge Selbstwirksamkeit Lageorientierung: Das „Hier und Jetzt“ im Vordergrund Hohe Aktivierungsenergie erforderlich Gefangen sein in Gefühlen und Gedanken Wenig Initiative Vorwürfe Der Rubikon Das Rubikon-Modell nach Heckhausen Abwägen Motivation Rubikon Intentionsbildung Intentionsinitiierung Planen Intentionsdeaktivierung Handeln Volition Bewerten Motivation Volition und deren Aufrechterhaltung - Kontrolle der Aufmerksamkeit Kontrolle der Motivation Kontrolle der Emotionen Kontrolle der Umwelt Soziales Umfeld als zentrale Ressource: - Angehörige - Behandler - etc. Motivation und soziales Netzwerk Soziales Netz Brantschen et al. 2013 Erfassung von Motivation Fragebogen mit folgenden Fragen: 1. Wie wichtig ist es für Sie, eine Anstellung auf dem ersten Arbeitsmarkt zu haben? 2. Wie wichtig ist es für ihre Partnerin/ Partner/ Verwandte/ Kinder /Freunde/ Behandler, dass Sie eine Anstellung auf dem ersten Arbeitsmarkt haben? 3. Wie wichtig ist Ihnen die Einstellung Ihrer Partnerin/ Partner/ Verwandte/ Kinder /Freunde/ Behandler? - Skala von 1(sehr unwichtig) bis 5 (sehr wichtig) Motivation Brantschen et al. 2013 Fazit •Arbeit ist ein realistisches Ziel •Intrinsische Motivation ist zentral •Das soziale Netz ist eine entscheidende Ressource •Handlungsorientierung fördern •Begleitung von der Motivation zur Volition