Aus Resten und Müll

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Bauen Heute Villa welpeloo
Aus Resten
und Müll
Redaktion Flurina Decasper
aus bunt zusammengewürfelten Möbeln
verschiedenster Epochen zusammensetzt,
eine ruhige Kulisse. Das Innere des Gebäudes bestimmen daher grosszügige Fensterflächen und helle Ober flächen. Kleine
schwarze Akzente oder Kanten verleihen
dem Ganzen Massstäblichkeit.
Herzstück des Hauses ist die grosse Wohnhalle, die höher ist als das übrige Erdgeschoss. An sie schliessen sich – ein paar Stufen nach oben abgesetzt – die offene Küche
und die privaten Wohnräume an. Eine durchlässige Grundrissgestaltung erlaubt Ein- und
Durchblicke in alle Richtungen. Ausgangs-
FOTOS Duravit AG
Recycling und Nachhaltigkeit,
diese Schlagworte gehören
zu unserem Alltag. Das richtige
Entsorgen von Altglas ist
selbstverständlich. Dass sich aus
gebrauchten Sachen aber
gar ein Haus bauen lässt, fasziniert sogar Recycling-Profis.
E
in dreiköpfiges Architektenteam errichtete in Roombeek, einem Stadteil
im niederländischen Enschede, ein
Einfamilienhaus, das überwiegend aus Abbruchmaterial und Fabrikationsresten besteht. Die Villa Welpeloo ist ein Beispiel dafür, wie sich aus dem Thema Wiederverwertung ein eigener Architekturstil entwickeln
kann. Das zuständige Team von 2012 Architecten zeigt schon seit Jahren grosse Experimentierfreude in der Verwendung gebrauch-
Die vertikalen Bretter
der Hausfassade
entstammen alten
Kabeltrommeln.
ter Materialien. Bislang entstanden dabei
eher temporäre Bauten. Mit dem Bau der Villa Welpeloo betraten die Architekten nun
dauerhafteres Terrain.
Im Stadtteil Roombeek, der durch die Explosion einer Feuerwerksfabrik schmerzliche
Berühmtheit erlangt hat und nun als Siedlungsgebiet neues Leben erhält, sticht der
kubische Bau unter den vielen Häusern mit
ihren Sattel- und Walmdächern hervor. Ein
Der für den Bau benötigte
Scherenkran hilft heute dabei,
schwere Gegenstände ins
Obergeschoss zu befördern.
Erdgeschoss
Obergeschoss
Kontrast, der durch den warmen rötlich braunen Ton der Fassade wieder gedämpft wird.
Baumaterial aus der nähe
Der zweigeschossige Baukörper wirkt, als
seien mehrere Boxen zusammengeschoben
und aufeinandergestapelt worden. Klare Linien und die Reduktion auf wenige Materialien bestimmen sein Erscheinungsbild. Die
Fassade ist mit einer vorgehängten Konstruktion aus vertikalen Brettern und horizontalen Stahlbändern verhüllt. Fenster sind
entweder als raumhohe Ausschnitte gestaltet oder verschwinden, wie zum Beispiel die
Badfenster, hinter einem Vorhang aus Holz.
Bei ihrer Baustoffwahl liessen sich die Architekten nicht nur davon leiten, Abbruchmaterial und Produktionsreste zu verwenden. Sie
schränkten auch das Einzugsgebiet dieser
Materialen auf einen Umkreis von 15 Kilometern ein, um die CO2-Bilanz zu verbessern.
Die Tragstruktur der Villa Welpeloo bildet ein
Stahlskelettbau, dessen Profile einst einer
Textilmaschine aus einer benachbarten Fabrik gehörten. Kabeltrommeln waren die
Quelle des Fassadenholzes. Ein Grossteil der
Fenster besteht aus Glasabfällen einer nahe
gelegenen Glasfabrik. Für die Dämmung
wurden die Polystyrolverschnitte eines
Wohnwagenherstellers herangezogen.
Die Bauherrschaft des Einfamilienhauses
sammelt seit Jahren moderne Kunst. Entsprechend wichtig waren ihr lichte Räume
und möglichst grosse Wandflächen. Gleichzeitig verlangte ihr Einrichtungsstil, der sich
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material für die Küche und sämtliche Einbauschränke sind alte Werbetafeln. Ihr farbenfrohes Vorleben zeigt sich, wenn man die
Schubladen und Türen öffnet. Die Halogenstrahler haben eine ganz eigene Geschichte:
Die Architekten liessen kaputte Regenschirme sammeln, deren Speichen nun die Abhängekonstruktion bilden. Im Bad wurden
dunkle Fliesen verlegt, die genau wie die
schwarzen Kunststoffoberflächen aus recycelten Kaffeebechern bestehen. Den Scherenkran, der für den Bau des Hauses benötigt wurde, integrierte man gleich ins Gebäude. So erfüllte sich der Wunsch des Bauherren nach einem Lift ins Obergeschoss.
Infos zum Bau
Architektur
2012 Architecten, Rotterdam
www.2012architecten.nl
Mit der Integration all dieser erstaunlichen
Baustoffe erreicht die Villa Welpeloo einen
Anteil an recycelten Materialien von rund 70
Prozent. Zu den Einbauten, bei denen die
Wahl bewusst auf neue Produkte fiel, gehören die Badobjekte von Duravit. In Sachen
Nachhaltigkeit können diese durch ressourcenschonende Produktion und Langlebigkeit
punkten. Die klaren weissen Linien von
Waschbecken, WC und Wanne – allesamt
gestaltet von Designer Philippe Starck – bilden einen eleganten Kontrast zu den dunklen
Fliesen.
Auch wenn Architekten ungern an das Ende
ihres Werkes denken, auch dafür haben die
Architekten von 2012 gesorgt: So ist die
Stahlkonstruktion beispielsweise geschraubt,
damit sie später bei Bedarf demontiert werden und vielleicht in einen neuen Lebenskreislauf eingehen kann. Aber bis dahin hat
die «Recycling-Villa» hoffentlich noch ein
langes Leben vor sich.
Raumangebot
EG 135 m2 | OG 78 m2
Konstruktion
Stahlskelettbau mit Holzfassade
aus regionalen Recyclingmaterialien | Fassade: Kabeltrommeln |
Tragwerk: ehemalige Textilmaschinen | Dämmung: aus Abrissgebäude | Flachdach | Edelstahlfenster
Innenausbau
Küchenmöbel und Einbauschränke
aus Werbeschildern und Schaltafeln | Bad: Fliesen und Kunststoffoberflächen aus Kaffeebechern
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