3.11 Asthenopische Beschwerden und Brille Nachteile der Prismenkorrektion Prismen verschlechtern die Sehschärfe wegen der Dispersion (Reiner 1978), Folienprismen sind noch wesentlich ungünstiger als Prismenbrillen. Prismen verzeichnen, denn bei unterschiedlichen Einfallswinkeln ist ihre Wirkung unterschiedlich stark (s. Kap. 1.2). 3.11 Prismen sind nicht geeignet bei Zyklotropie Bei Inkomitanz sind Prismen nur bedingt geeignet. Schließlich ist eine Prismenbrille immer eine „Krücke“, sie hilft nur, solange sie getragen wird, bei Absetzen gibt es Doppelbilder! Hinzu kommt, dass an den Sitz einer Prismenbrille sehr hohe Anforderungen gestellt werden müssen. Sitzt eine Brille mit horizontal wirkenden Prismen (Basis außen oder innen) schief, entsteht eine vertikale Prismenkomponente, die den gewünschten Effekt vollständig zunichte machen kann. Asthenopische Beschwerden und Brille Asthenopie kommt aus dem Griechischen und bedeutet wörtlich übersetzt „kraftloses Auge“. Etwas freier übersetzt könnte man „Sehschwäche“ sagen, obwohl natürlich nicht jede Sehschwäche etwas mit Asthenopie im engeren Sinne und Asthenopie nichts mit Amblyopie zu tun hat. Asthenopien sind Sehbeschwerden, die nicht mit pathologischen Veränderungen des Auges oder des visuellen Systems zusammenhängen und deren Ursache in einer Wechselwirkung des Sehorgans mit der Umwelt zu suchen ist. Asthenopische Beschwerden zeigen ein Missverhältnis zwischen Sehanforderung und Sehvermögen an. Sie treten daher in der Regel auch nur im Zusammenhang mit ganz bestimmten und für die Person relativ schwierigen Sehaufgaben in Erscheinung. Asthenopische Beschwerden können sowohl beim Sehen in die Nähe (Naharbeit), als auch beim Sehen in die Ferne auftreten (Kraftfahrer). Die Sehbeschwerden bei Naharbeit überwiegen aber bei weitem. Symptome für asthenopische Beschwerden sind Spannungs- oder Druckgefühl im Augenbereich, brennende Augenlider, Verschwimmen der Buchstaben beim Lesen, schnelle Ermüdung, Tränenfluss, Lichtscheu, Blepharitis, Augenflimmern bis hin zu Kopfschmerzen, Migräne und Schwindelanfällen. Sieht man von der optischen Asthenopie ab, so ist die Sehschärfe an sich nicht herabgesetzt. Wenn derartige Beschwerden auch keine ernsthaften und anhaltenden Krankheitserscheinungen zur Folge haben, so sollte man sie doch ernst nehmen, weil sie nicht nur zu einer Beeinträchtigung der E. Hartmann Arbeitsleistung, sondern letzten Endes auch zu psychischen Störungen führen können. Rasche Ermüdbarkeit zählt zwar zu den Symptomen der asthenopischen Beschwerden, visuelle Ermüdung als Folge einer Allgemein-Ermüdung darf aber nicht mit asthenopischen Beschwerden verwechselt werden. Optische Asthenopie Unter optischer Asthenopie verstehen wir die fehlerhafte Korrektur des Einzelauges, sei es, dass der sphärische Wert nicht zur Vollkorrektur führt, sei es, dass der Astigmatismus des Einzelauges nicht oder falsch korrigiert wurde. Optische Asthenopie führt ganz allgemein zu einer Minderung der Sehschärfe, als deren Folge die Sehaufgaben am Arbeitsplatz nur noch mit Mühe gelöst werden können. Aber auch wenn die Sehschärfe einwandfrei korrigiert ist, kann es zu optischer Asthenopie kommen, denn sie tritt immer dann auf, wenn die vorhandene Sehschärfe für die jeweilige Sehaufgabe unzureichend ist (Abb. 3.52). Wenn beispielsweise zur Durchführung einer bestimmten Sehaufgabe eine Sehschärfe von mindestens 0.8 notwendig ist, damit sie zu 100 % erfüllt werden kann, so wird bei einer Sehschärfe von 0.5 die Aufgabe nur noch zu 50 % korrekt durchgeführt werden können. Verfügt man aber über eine Sehschärfe von 1.5, so kann man die Sehaufgabe bequem lösen, weil die Sehschärfe etwa doppelt so hoch Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Lachenmayr, H., et al.: Auge - Brille - Refraktion (ISBN 9783131395542) © 2005 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Auch vor einer Kestenbaum-Operation wegen Nystagmus mit Kopfzwangshaltung kann mit Folienprismen das Ausmaß der erforderlichen Winkeländerung bestimmt werden. 105 106 3 Subjektive Refraktionsbestimmung ist wie diejenige, die notwendig ist, um die Aufgabe gerade noch durchführen zu können. Das bedeutet, dass man die Sehaufgabe mit einer entsprechenden Reserve an Sehschärfe bequem und komfortabel erledigen kann. Asthenopische Beschwerden bekommt in diesem Fall keineswegs derjenige mit einer Sehschärfe von 0.5, denn er kann die Arbeit überhaupt nicht oder nur für so kurze Zeit verrichten, dass es nicht zu Beschwerden kommt. Asthenopische Beschwerden bekommt derjenige mit einer Sehschärfe von 0.8, der zwar in der Lage ist, die Aufgabe zu lösen, der aber ununterbrochen an der Grenze seiner visuellen Leistungsfähigkeit arbeitet. Akkommodative Asthenopie Akkommodative Asthenopie kann auftreten, wenn der Arbeitsabstand nicht dem Akkommodationsvermögen entspricht. Ursachen können sein: Presbyopie, Hyperopie, Akkommodationsschwäche, Pendeln der Akkommodation bei starkem Astigmatismus oder auch bei mehrfarbiger Beleuchtung. Hier sei ganz besonders auf die Presbyopie als Ursache der akkommodativen Asthenopie hingewiesen, weil sie jeden Menschen früher oder später trifft und weil sich selbst Fachleute lange Zeit mit asthenopischen Beschwerden herumquälen, ehe sie sich dazu durchringen können, eine Brille zu tragen. Es ist leicht einzusehen, dass eine stärkere Hyperopie auf dem Weg über die Akkommodation- Vergenz-Kopplung zu asthenopischen Beschwerden in der Nähe führt. Hier sollte aber auch immer daran gedacht werden, dass die plötzliche volle Korrektur einer lange bestehenden Hyperopie ebenfalls zu Beschwerden führen kann, weil sich im Laufe der Zeit ein falsches Zusammenspiel von Akkommodation und Vergenz eingestellt hat, das erst allmählich wieder angepasst werden muss. Dass Akkommodationsschwäche in der Nähe zu schlechter Sehschärfe führt und damit zu asthenopischen Beschwerden, ist verständlich. Bei hyperopem Astigmatismus oder bei mehrfarbiger Beleuchtung kommt es vor, dass beim Sehen zwischen den Hauptschnitten oder Brennpunktslagen verschiedener Lichtfarben (chromatische Aberration) hin und her akkommodiert wird. Auch das führt, einmal auf sensorischem Wege, zum anderen über die Akkommodations-Vergenz-Kopplung zu asthenopischen Beschwerden, die sich durch Korrektur des Astigmatismus bzw. durch Wahl geeigneter farbiger Vorlagen oder einer besseren Beleuchtung beseitigen lassen. Akkommodative Asthenopie tritt aber auch ganz allgemein als Folge schlechter Beleuchtung auf, weil der herabgesetzten Sehschärfe durch entsprechende Annäherung des Arbeitsgutes begegnet werden muss (Abb. 1.18). Dabei wird dann manchmal der komfortable Akkommodationsbereich verlassen, was zu asthenopischen Beschwerden führt. Presbyopie macht sich immer zuerst bei schlechter Beleuchtung bemerkbar (Nachtpresbyopie). Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Lachenmayr, H., et al.: Auge - Brille - Refraktion (ISBN 9783131395542) © 2005 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Abb. 3.52 Erkennungsrate für Sehschärfeanforderung 0.5 in Abhängigkeit von der tatsächlich vorhandenen Sehschärfe. Bei einer Sehschärfe von 0.8 werden zwar praktisch keine Fehler mehr gemacht, man muss aber äußerst konzentriert und angestrengt lesen. Bei Visus 0.5 wird nur die Hälfte der Buchstaben richtig erkannt. Verfügt man aber über eine Sehschärfe von 1.25 oder höher, so kann man die Sehaufgabe bequem und ohne besondere Anstrengung auch für längere Zeit erledigen. 3.11 Asthenopische Beschwerden und Brille 107 Muskuläre Asthenopie Sensorische Asthenopie räumlichen Sehens auftreten, die u. U. so stark sein können, dass die Brille abgelehnt wird. Vor allem Handwerker haben oft große Schwierigkeiten: Ebene Flächen scheinen anzusteigen oder abzufallen, Bordsteinkanten erscheinen höher oder niedriger als sie tatsächlich sind, die Steigung von Treppen wird falsch eingeschätzt, Handwerker können Winkel nicht mehr richtig beurteilen, Bohrungen erscheinen schief, obwohl sie in Wirklichkeit gerade sind usw. Damit solche Erscheinungen auftreten können, müssen mehrere Dinge zusammenkommen: x Mindestens eine Zylinderachse muss schief sein. x Sind beide Zylinderachsen schief, so tritt diese Störung nur auf, wenn die Achsen nicht parallel liegen. x Schon ein Zylinder von 0.5 dpt kann zu Sehstörungen führen, größere natürlich erst recht. x Jede Änderung einer schiefen Zylinderachse nach Betrag oder Richtung kann Störungen verursachen, natürlich auch die Erstkorrektur bei schiefem Zylinder. x Eine Grundvoraussetzung wird fast immer übersehen: vor der Korrektur muss bereits eine gute Stereopsis vorhanden sein. Sensorische Asthenopie entsteht als Folge von Aniseikonie. Hier kann trotz ausreichender Akkommodation und Fusion nur schwer oder gar nicht Einfachsehen erreicht werden. Abhilfe schafft nur eine Korrektur der Aniseikonie, soweit dies überhaupt möglich ist. Auch die Korrektur des Astigmatismus obliquus wirft Probleme auf (Frick 1987). Es kommt immer wieder vor, dass bei schiefen Zylindern erhebliche Störungen des Wenn schiefe Achsen und Stereopsis zusammenkommen, so besteht die Gefahr für eine Störung des räumlichen Sehens im oben genannten Sinne. Das Auftreten einer solchen Störung ist aber keineswegs zwingend. Es gibt leider keine Möglichkeit vorherzusagen, welcher Patient auf die Korrektur schiefer Zylinder mit einer Störung seines Raumempfindens reagiert und welcher nicht. Eine Hilfe haben wir allerdings: wenn bei der Muskuläre Asthenopie tritt bei Konvergenzschwäche auf, auch bei unkorrigierter Myopie, bei Hyperopie und Naharbeit, bei Esophorie und Fernarbeit (Autofahren), bei allen Arten von Heterophorie, aber auch bei arbeitsbedingtem häufigem Akkommodations- bzw. genauer Vergenzwechsel, nicht aber bei Versionen. Selbst bei völlig intaktem Binokularsehen und komfortabler Sehschärfe führt häufiger Vergenzwechsel sehr schnell zu asthenopischen Beschwerden, deren Ursache einzig und allein durch die Sehaufgabe bedingt ist. Dabei genügen schon geringe Entfernungsunterschiede, um Beschwerden auszulösen. Es ist daher an allen Arbeitsplätzen sorgfältig darauf zu achten, dass Vergenzbewegungen nach Möglichkeit vermieden werden (gleiche Arbeitsabstände!). Eine gar nicht so seltene Ursache für muskuläre Asthenopie ist bei Minusgläsern die Dezentrierung nach außen (s. Kap. 4.3). Abb. 3.53 zeigt, dass beim Blick in die Ferne eine Divergenzstellung erzwungen wird, die sehr leicht zu asthenopischen Beschwerden führt. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Lachenmayr, H., et al.: Auge - Brille - Refraktion (ISBN 9783131395542) © 2005 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Abb. 3.53 Eine beidseitige Dezentrierung von Minusgläsern nach temporal führt zu einer Belastung der Fusion in die Divergenz. Dies kann sehr schnell asthenopische Beschwerden verursachen (s. auch Kap. 4.3). 3 Subjektive Refraktionsbestimmung Erstkorrektur mit schiefen Zylindern keine Störungen beobachtet wurden, so wird bei einer Änderung der astigmatischen Korrektur im allgemeinen auch keine Störung auftreten. Auf jeden Fall muss der Patient auf die Möglichkeit von Störungen bei schiefen Zylindern hingewiesen werden. Es wäre falsch, ihm weis zumachen, dass diese Störungen wirklich in keiner Situation mehr auftreten können. Trägt die Korrektur mit schiefen Zylindern nur unwesentlich zur Verbesserung der Sehschärfe bei, so sollte man sie lieber unterlassen, vor allem bei Handwerkern. Nützlich ist es, dem Patienten mit Astigmatismus obliquus die Korrektur in die Probierbrille zu geben und ihn im Raum umherblicken und umhergehen zu lassen (Trageversuch!). Bemerkt der Patient dabei keine Störung, auch dann nicht, wenn man ihn auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht hat, so kann man die schiefen Zylinder mit einigermaßen gutem Gewissen verordnen. Eine Garantie hat man allerdings immer noch nicht. Eine wenig bekannte Ursache für sensorische Asthenopie ist der Fusions- und Leuchtdichtewettstreit. An den meisten Arbeitsplätzen tritt heute auf der Arbeitsoberfläche oder auf dem Arbeitsgut mehr oder weniger starker Glanz auf, der zu einem Fusionswettstreit führen kann. Abb. 3.54 zeigt schematisch vereinfacht die Auswirkung: Der Beobachter blickt mit beiden Augen A auf die Arbeitsfläche F und fixiert dort den schwarzen Ring. Gleichzeitig erscheinen von der Lichtquelle L auf der glänzenden Fläche F Doppelbilder bei Ll und LL, weil sich die Lichtquelle in einem anderen optischen Abstand vom Beobachter befindet wie die Sehaufgabe. Nun geht von den beiden Doppelbildern Ll und LL ein Fusionsreiz aus, der um so stärker ist, je größer die Leuchtdichte der Reflexe ist und je näher sie beieinander liegen. Dieser Fusionsreiz tritt in Konkurrenz zur Fusion des Arbeitsgutes, im vorliegenden Fall zum Kreisring auf der Fläche F und löst so einen Fusionswettstreit aus, der, wie alle Wettstreiterscheinungen, zu asthenopischen Beschwerden führt. Auf eine etwas andere Weise kommt es zum Leuchtdichtewettstreit: Auch er tritt vorwiegend im Zusammenhang mit Glanz in Erscheinung. Blickt man auf eine nicht vollkommen matte und nicht ganz ebene Fläche und schließt bei ruhig gehaltenem Kopf einmal das eine und einmal das andere Auge, so sieht man, dass sich die Leuchtdichteverteilung auf dem Arbeitsgut ändert. Das bedeutet aber, dass korrespondierende Netzhautstellen beider Augen unterschiedlichen Leuchtdichten im Außenraum entsprechen, was wiederum zu einer Wettstreiterscheinung, nämlich zum Leuchtdichtewettstreit führt. Auch dadurch werden Beschwerden ausgelöst, die dem Bereich der sensorischen Asthenopie zuzurechnen sind. Ebenso ruft eine falsche Lichtfarbe asthenopische Beschwerden hervor. Es sei daran erinnert, dass Licht, das einen mehr oder weniger hohen Blauanteil hat, eine Myopie in der Ferne erzeugt und dass Licht mit zu hohem Rotanteil speziell bei presbyopen Personen in der Nähe zu Schwierigkeiten führen kann. Ursache ist die chromatische Aberration des Auges. Wenngleich der Einfluss der Lichtfarbe auf den Sehvorgang mehr dem Bereich der optischen als der sensorischen Asthenopie zuzurechnen ist, so gehört er doch zu den Ursachen asthenopischer Beschwerden, die umweltbedingt sind. Nervöse Asthenopie Abb. 3.54 Fusionswettstreit durch Glanzbilder einer Lichtquelle auf einer glänzenden Arbeitsfläche (Erläuterungen s. Text). Sie tritt vor allem bei vegetativ-dystonen Menschen mit leichter Erschöpfbarkeit auf, bei allgemeinem Schwächezustand und in der Rekonvaleszenz. Anomalien des Sehorgans bzw. der Refraktion liegen meist nicht vor. Hier hilft nur eine allgemeine Behandlung sowie eine vernünftige Regelung von Arbeitszeit und Lebensweise. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Lachenmayr, H., et al.: Auge - Brille - Refraktion (ISBN 9783131395542) © 2005 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 108 Allgemeines zur Asthenopie Asthenopie tritt bei jeder Form von Überbeanspruchung auf wie z. B. bei langem Lesen, streng fixiertem Blick, bei Blendung, bei geringen Kontrasten wie sie beispielsweise bei farbiger Schrift auf farbigem Untergrund auftreten können, beim Autofahren in der Nacht, bei Nebel, Schneetreiben oder starkem Regen, d. h. also ganz allgemein bei jeder Tätigkeit an der Grenze der Leistungsfähigkeit des visuellen Systems. Dabei ist es gleichgültig, ob das Einzelauge an der Grenze seiner Leistungsfähigkeit arbeitet (bei intaktem Binokularsehen) oder ob das Binokularsehen gerade noch aufrecht erhalten werden kann, obwohl die Sehaufgabe an das Einzelauge keine besonderen Ansprüche stellt. Es ist daher sicher nicht richtig, wenn man beim Auftreten asthenopischer Beschwerden immer nur an Störungen des Binokularsehens denkt. Man sollte im Gegenteil zuerst sicherstellen, dass alle nicht binokular bedingten Ursachen für Sehstörungen beseitigt sind, ehe man zu binokularen Korrekturmaßnahmen greift. Erst wenn man sicher sein kann, dass gravierende asthenopische Beschwerden ausschließlich auf binokulare Strörungen zurückzuführen sind, ist es gerechtfertigt, mit Prismen oder operativen Maßnahmen in das Binokularsehen einzugreifen. Auf die Indikation zur Prismenkorrektur wurde in Kap. 3.10 ausführlich eingegangen. 109 die längste Seite des Rechtwinkelprismas auf die hintere Kante und gibt an, durch welches Auge diese Kante verläuft (Abb. 3.55). Das Führungsauge ist bei der Behandlung asthenopischer Beschwerden von Bedeutung. Wird die Phorie mit MaddoxZylindern geprüft, so sollte der Maddoxzylinder vor das Führungsauge gesetzt werden, um die Führung auszuschalten. Auf diese Weise erhält man die maximalen Phorien. Bei geringem Prismenbedarf oder Anisometropie sollte die Korrektur vor dem Führungsauge erfolgen. Wechselt bei einer Korrekturmaßnahme das Führungsauge, so ist sie zu unterlassen, da das Binokularsehen beeinträchtigt werden kann und oft asthenopische Beschwerden auftreten. Oft ist es auch besser, durch Unterkorrektur des nicht führenden Auges das Binokularsehen zu retten, als durch eine zu hohe Sehschärfe am Begleitauge Binokularstörungen zu erkaufen. Eine Benachteiligung des Führungsauges ist in jedem Fall zu unterlassen. Führungsauge In diesem Zusammenhang sind einige Bemerkungen anzufügen, die mit dem Führungsauge zusammenhängen. Wahrscheinlich hat jeder Mensch ein Führungsauge, auch wenn es im Einzelfall nicht immer ganz leicht zu entdecken ist. Das Führungsauge ist maßgebend für die Richtungslokalisation. Sie entscheidet darüber, was subjektiv „geradeaus“ ist. Es besteht kein Zusammenhang zwischen dem Führungsauge und der Händigkeit. Das Führungsauge ist nicht immer dasjenige mit der besseren Sehschärfe, sehr viel schlechter als diejenige des Begleitauges kann die Sehschärfe des Führungsauges allerdings auch nicht sein, sonst geht die Führung verloren. Zur Bestimmung des Führungsauges sind verschiedene Methoden im Gebrauch. Am besten bewährt sich ein Rechtwinkelprisma oder ein Winkelspiegel. Der Patient blickt durch Abb. 3.55 Rechtwinkelprisma zur Bestimmung des Führungsauges. Der Patient gibt an, durch welches seiner Augen die Prismenkante verläuft. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Lachenmayr, H., et al.: Auge - Brille - Refraktion (ISBN 9783131395542) © 2005 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 3.11 Asthenopische Beschwerden und Brille 3 Subjektive Refraktionsbestimmung Es gibt kaum feste Regeln, bei welcher Horizontalphorie asthenopische Beschwerden auftreten. Das hängt offenbar damit zusammen, dass sich im Laufe der Entwicklung des Sehorgans die Fusionsbreite den Erfordernissen anpasst. Man kann sogar zeigen, dass Menschen mit einem schwachen Fusionsvermögen eine größere Fusionsbreite haben als solche, deren Fusionsvermögen stark ausgeprägt ist. Besonders ärgerlich ist es, wenn asthenopische Beschwerden durch Korrekturmaßnahmen hervorgerufen werden. Hier ist insbesondere auf die Auswirkungen prismatischer Korrekturen für die Ferne auf das Sehen in der Nähe zu achten. Das gilt für prismatische Nebenwirkungen ebenso wie für den veränderten Zusammenhang zwischen Akkommodationsaufwand und Akkom- modationserfolg. Prismatische Korrekturen in der Ferne dürfen natürlich nur gegeben werden, wenn sie in der Nähe keine Störungen verursachen. Hier sollte eine graphische Analyse durchgeführt werden (Grimm 1975). Asthenopische Beschwerden sind weder für den Patienten noch für den Augenarzt oder den Augenoptiker eine erfreuliche Erscheinung. Besonders frustrierend ist es aber, wenn das Bemühen um eine korrekte Refraktion dazu geführt hat, dass der Patient mit der alten Brille zufriedener ist als mit der neuen. Beim Übergang von einem Mehrstärkenglas zu einem Gleitsichtglas ist allerdings eine gewisse Eingewöhnungszeit üblich. Die Dauer hängt dabei wesentlich von der Stärke des Nahzusatzes ab. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Lachenmayr, H., et al.: Auge - Brille - Refraktion (ISBN 9783131395542) © 2005 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 110