Natur und Technik Der Lotus-Effekt Textblatt Der Lotus-Effekt - Zentrale Aussagen des Radiobeitrags zum Nachlesen Obwohl Wasser und Schmutz scheinbar einfach so vom Lotusblatt abperlen, ist das Blatt nicht etwa besonders glatt. Ganz im Gegenteil: Es verfügt über eine hochkomplizierte, raue Oberflächenstruktur. Die kleinsten Teile dieser Struktur sind so winzig, dass man sie mit bloßem Auge längst nicht mehr sehen kann. Mit der Entdeckung des Rastertunnelmikroskops und des Rasterkraftmikroskops konnte man plötzlich diese Nanostrukturen sehen: Zwei Strukturen übereinander. Zunächst eine winzige Noppenstruktur. Und darauf, noch kleiner, winzige Nadeln. Diese Nadeln oder Härchen sind derartig klein, dass man sie erst mit modernsten Methoden überhaupt sichtbar machen konnte. Sie bilden eine sogenannte Nanostruktur. Das bedeutet: Sie sind nur wenige Nanometer groß. Und ein Nanometer, das ist gerade mal ein Millionstel von einem Millimeter. Auf einem Lotusblatt sind so viele dieser winzigen Härchen so dicht aneinander, dass zwischen sie kein Schmutzpartikel und kein Tropfen Wasser passt. Stattdessen liegen Wassertropen auf den Spitzen der Härchen auf. Dabei berühren die Tropfen immer nur die Spitze einer solchen Nadel. Der Kontakt zwischen dem Tropfen und dem Lotusblatt ist also äußerst gering. Ein Wassertropfen berührt so nur mit etwa einem halben Prozent seines Äußeren die Oberfläche des Lotusblatts. Dadurch wird eine Kraft neutralisiert, die sonst eigentlich auf alles in der Natur wirkt: Die sogenannte Adhäsion. Diese Kraft sorgt normalerweise dafür, dass Wasser oder andere Flüssigkeiten auf Oberflächen haften bleiben, zum Beispiel auf unserer Kleidung. Das ist eigentlich überall in der Natur so. Je rauer eine Oberfläche ist, desto größer ist diese Adhäsion. Außer ihre Struktur ist so beschaffen wie beim Lotusblatt. Unsere Philosophie und unsere Erfahrung sagt: Glatt ist gleich sauber. Und die Natur macht etwas anderes. Feinste Strukturen, das bedeutet, die Kontaktfläche, die Haftfläche, die Adhäsionsfläche zwischen Flüssigkeit, Eis, festen Partikeln, Schmutz, ist minimiert. Nichts haftet auf diesen Oberflächen. Das ist im Prinzip der ganze Trick. Dieser „Trick“ steht auch hinter der faszinierenden Selbstreinigungskraft des Lotus. Allerdings quasi nur auf Umwegen. Denn Staubkörnchen und andere feste Substanzen bleiben sehr wohl auf dem Blatt liegen. Allerdings nur bis zum nächsten Regenguss. Kommt jetzt ein großer Regenschauer, sind die Adhäsionskräfte zwischen dem Dreckpartikelchen und dem Wassertropfen größer als zur Oberfläche des Lotusblattes. Dann haftet das Dreckpartikelchen an dem Wassertropfen und wird mit weggespült Evolutionsbiologen vermuten, dass hier der eigentliche Grund dafür liegt, dass die Lotuspflanze diese hochkomplizierte Oberfläche entwickelt hat. Die wasser- und schmutzabweisende Oberfläche schützt das Lotusblatt so möglicherweise vor dem Befall durch Pilze oder andere Mikroorganismen. Außerdem kann eine völlig saubere Oberfläche effektiver Photosynthese betreiben, also Energie aus Sonnenlicht gewinnen.