Übersichtsarbeit 157 Felty-Syndrom und T-LGL-Leukämie bei Rheumatoider Arthritis. Wann muss man daran denken? Felty’s Syndrome and T-LGL Leukaemia in Patients with Rheumatoid Arthritis. When to Think About it? Autoren E. C. Scharbatke1, L. Junker1, O. Gadeholt1, H.-P. Tony1, M. Schmalzing2 Institute 1 Schlüsselwörter ▶LGL-Leukämie ● ▶ Rheumatoide Arthritis ● ▶Neutropenie ● ▶Felty-Syndrom ● ▶Biologikatherapie ● Zusammenfassung Abstract Blutbildveränderungen sind häufige Komplika­ tionen bei Patienten mit Rheumatoider Arthritis (RA). Eine seltene, aber relevante Differenzialdiagnose vor allem anhaltender Neutropenien sind niedrig maligne T-LGL-Leukämien. Nachfolgend sollen Diagnose und Therapie dieser Erkrankung sowie mögliche Zusammenhänge mit dem bereits 1924 beschriebenen Felty-Syndrom beleuchtet werden. Zur Diagnose sind neben der Anamnese und bildgebenden Verfahren eine antikörpergestützte Durchflusszytometrie und eventuell molekularbiologische Verfahren notwendig. Therapeutisch stehen diverse konventionelle immunsuppressive Basistherapeutika zur Verfügung, von denen MTX in niedriger Dosis der Goldstandard ist. Die Rolle der Biologika ist hingegen noch nicht ausreichend erforscht. Blood count changes are common complications in patients with rheumatoid arthritis (RA). Low-malignant T-large granular lymphocyte leukaemia (T-LGL leukaemia) is a rare, but relevant differential diagnosis of neutropenia, especially persistent neutropenia, in RA patients. This article illustrates the diagnosis and treatment of LGL leukaemia and elucidates possible connections to Felty’s syndrome, which was first described in 1924. The diagnosis is based on the patient’s history, imaging techniques, fluorescence-activated cell sorting and, in some cases, molecular biological techniques. Several conventional disease-modifying antirheumatic drugs are available for treatment today, with low-dose MTX being the gold standard. The role of biologics in this context is not sufficiently understood to date. Abteilung für Rheumatologie und klinische Immunologie, Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg Zentrum für Innere Medizin, Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg ▼ Abkürzungen ▼ ANA ACPA B-CLL Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0035-1569281 Akt Rheumatol 2016; 41: 157–161 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York ISSN 0341-051X Korrespondenzadresse Dr. Eva Christina ­Scharbatke Abteilung für Rheumatologie und klinische Immunologie Universitätsklinikum Würzburg Oberdürrbacherstraße 6 97080 Würzburg Tel.: + 49/931/20140 100 Fax: + 49/931/201640 100 [email protected] CD CMV CsA CVID DMARDs EBV FACS HIV HTLV1 MTX OPSI antinukleäre Antikörper anti citrullinated protein ­antibodies chronische B-Zell-Leukämie/B-chronic lymphatic leukemia cluster of differenciation Cytomegalievirus Ciclosporin A common variable immuno­ deficiency disease modifying anti-­ rheumatic drugs Epstein-Barr-Virus fluorescence activated cell ­sorting Humanes Immundefizienz-Virus humanes T-Zell-LeukämievirusI Methotrexat overwhelming post-splen­ec­ ▼ tomy infection polymerase chain reaction Rheumatoide Arthritis Systemischer Lupus ­erythematodes T-LGL-Leukämie T-Large granular lymphocyte Leukämie TNF Tumor-nekrose-Faktor PCR RA SLE Einleitung ▼ Die Rheumatoide Arthritis (RA) ist eine schwere, systemische Autoimmunerkrankung mit einer Prävalenz von etwa 1 % in Deutschland. Sie führt zu Gelenkzerstörung, Schmerzen, Funktionsverlust und erhöhter Mortalität und ist mit hohen volkswirtschaftlichen Kosten verbunden. Diagnostik und Therapiemöglichkeiten der Rheumatoiden Arthritis haben sich in den vergangenen 2 Jahrzehnten rasant entwickelt. Während die Erkrankung bis vor wenigen Jahren re- Scharbatke EC et al. Felty-Syndrom und T-LGL-Leukämie bei … Akt Rheumatol 2016; 41: 157–161 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Key words ▶LGL-leukemia ● ▶ rheumatoid arthritis ● ▶neutropenia ● ▶ felty’s syndrome ● ▶biologics ● 2 Klonale T-Zellen und T-LGL-Leukämie ▼ 1977 wurde erstmals ein Syndrom beschrieben, das mit einem erhöhten Anteil peripher zirkulierender klonaler T-LGL-Zellen (aktivierte, zytotoxische T-Zellen mit einem T-NK-Zellphänotyp) sowie Neutropenie einhergeht [1]. Auch eine Thrombopenie oder Anämie sowie Splenomegalie sind mögliche Folgen. Die Zellen können sowohl klassische large granular lymphocytes der T-Zell-Reihe (T-LGL-Zellen) sein, die CD3 positiv sind, als auch NK-Zellen ähneln. T-LGL-Leukämien sind seltene, zumeist benigne verlaufende hämatologische Neoplasien. Die Diagnose erfolgt klassischerweise mittels Durchflusszytometrie/FACS. Der typische Immunphänotyp einer T-LGL-Leukämie ist CD3 + , CD8 + , CD57 + , CD56 + (Bildtafel 1). Aber auch einige andere Varianten sind beschrieben. Gelegentlich tragen die T-Zellen den im normalen Blut seltenen Gamma-Delta-T-Zell-Rezeptor (Bildtafel 2). Es gibt keine bekannte Geschlechtsprädilektion. Der Inzidenzgipfel liegt um das 60. Lebensjahr, die Erkrankung kann jedoch in jedem Lebensalter auftreten. Es gibt keine Angaben zur Häufigkeit von T-LGL-Leukämien bei Patienten mit einem unauffälligen Differenzialblutbild. Das Krankheitsbild ist unscharf definiert, da einerseits rheumatologische und hämatologische Publikationen nicht deckungsgleich sind und da zweitens in den vergangenen Jahren neue Nachweismethoden wie die FACS-Diagnostik von Blut und Knochenmark, die Immunhistochemie und die PCR des T-Zell-Rezeptors die reine lichtmikroskopische Untersuchung des Blutes abgelöst haben und den Nachweis auch kleiner klonaler T-Zell-Populationen erlauben [2]. T-LGLs wachsen im Knochenmark klassischerweise nicht verdrängend und können daher in der lichtmikroskopischen Diagnostik übersehen werden. Zur Diagnose sind immunhistochemische Zusatzuntersuchungen oder die antikörpergestützte Durchflusszytometrie (FACS) unerlässlich. Üblicherweise kann die Diagnose sowohl aus dem Knochenmark als auch aus dem Blut erfolgen; eine Knochenmarkbiopsie erlaubt jedoch auch die Diagnose, bzw. den Ausschluss anderer hämatologischer Neoplasien oder knochenmarkinfiltrierender Prozesse, sodass häufig nicht darauf verzichtet werden kann. Anders als bei den meisten anderen niedrig-malignen Lymphomen korreliert der Infiltrationsgrad des Knochenmarks bei der T-LGL-Leukämie nicht mit dem Grad der peripheren Zytopenie. Eine der größten Kohorten mit T-LGL-Leukämie-Patienten stammt aus einem französischen Register [3], das von 1999 bis 2007 insgesamt 229 Patienten eingeschlossen hat. Die Patienten in diesem Register wurden in hämatologischen Abteilungen aufgrund von Symptomen wie Zytopenien, Splenomegalie, Infektneigung untersucht. Etwa die Hälfte der bis heute publizierten Patienten leidet an rekurrierenden Infektionen. Die meisten Patienten sind neutropen. Die Neutropenie scheint multifaktoriell bedingt zu sein. Neben direkten zytotoxischen Effekten der LGL-Zellen spielen parakrine Mechanismen im Knochenmark, Autoantikörper gegen Granulozyten und verstärkte Elimination in der Milz eine Rolle. T-LGL-Leukämien sind häufig mit Immunerkrankungen assoziiert und ein Drittel der Patienten zeigt Symptome einer Rheumatoiden Arthritis oder wurde sogar mit einer solchen diagnostiziert. Diese sehr hohe Koinzidenz beider Erkrankungen legt einen Zusammenhang nahe. Wie häufig sich klonale T-Zellen – und insbesondere eine subklinische T-LGL-Leukämie – bei Patienten mit Rheumatoider Arthritis nachweisen lassen, ist ­ letztlich unklar. Auch Assoziationen mit anderen Autoimmunerkrankungen und insbesondere mit dem bei der Rheumatoiden Arthritis vorkommenden Felty-Syndrom sind beschrieben und ▶ Abbs. 1– 3) weitgehend unverstanden ( ● 103 [Lymph] CD3-PC5.5 / CD56-PE CD3-CD16 +CD56+ : 9,12 % CD3+CD56 + : 26,08 % 102 CD56-PE gelhaft zur Invalidität führte und das Leben der betroffenen Patienten erheblich verkürzte, ist sie heute in der überwiegenden Zahl der Fälle gut zu behandeln. Den größten Anteil an dieser Entwicklung haben Biologika (TNF-Inhibitoren, Interleukin-6-Inhibitoren, IL-1-Rezeptorantagonist, CD20-Antikörper, T-Zell-Kostimulationsinhibitor, usw.), deren Einsatz in der Therapie immunologisch vermittelter Erkrankungen seit den 1990er Jahren stetig ansteigt. Schwerste Verläufe mit Blutbildveränderungen, hohen serologischen Entzündungswerten, mutilierendem Verlauf und Beteiligung innerer Organe sowie das sogenannte Felty-Syndrom (definiert als Trias aus Rheumatoider Arthritis, Leukopenie/Neutropenie und Splenomegalie) sind hingegen selten geworden. Das Verständnis für die Wirkmechanismen moderner Biologikatherapien auf die Rheumatoide Arthritis einerseits und auf das blutbildende System andererseits stieg in den vergangenen Jahren kontinuierlich an. Es stellt sich dabei die Frage nach möglichen negativen Auswirkungen der langfristigen Zytokinhemmung. Zusätzlich gelingt durch den Einsatz moderner diagnostischer Methoden, wie der antikörpergestützten Durchflusszytometrie (fluorescence activated cell sorting – FACS) immer häufiger der Nachweis klonaler oder oligoklonaler T-Zell-Populationen bei RA-Patienten. Die klinische Relevanz dieser Zellpopulationen sowie der mögliche Zusammenhang mit dem breiten Einsatz von Biologika in der RA-Therapie soll nachfolgend erläutert werden. 101 100 A3 : 21,35 % 100 A4 : 43,44 % 101 CD3-PC5.5 102 103 Abb. 1 T-Zellen (rechte Bildhälfte) und NK-Zellen (linker, oberer Quadrant). Im rechten, oberen Quadranten finden sich dargestellt in blau klassische T-NK-Zellen, die CD3 und CD56 exprimieren. Aufgrund der Anzahl (26 % der Lymphozyten und 38 % der T-Zellen) besteht hier bei entsprechender Klinik der Verdacht auf eine TLGL-Leukämie, der jedoch durch eine molekularbiologische Untersuchung des T-Zell-Rezeptors bestätigt werden müsste. Scharbatke EC et al. Felty-Syndrom und T-LGL-Leukämie bei … Akt Rheumatol 2016; 41: 157–161 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 158 Übersichtsarbeit Übersichtsarbeit 159 10 Monate vor der klinischen Erstmanifestation einer Arthritis auftreten können. Aus heutiger Sicht könnte es sich bei vielen historischen Patienten mit Felty-Syndrom um Patienten handeln, die an einer T-LGL-Leukämie in Assoziation mit einer Rheumatoiden Arthritis litten. Etwa 30–40 % der Felty-Patienten weisen eine Expansion von klonalen T-Zellen auf [7]. Einige Autoren gehen heute davon aus, dass es sich bei beiden Entitäten um unterschiedliche Ausprägungen desselben Krankheitsbildes handelt [8]. [Lymph] TCRgd-FITC / CD3-PC5.5 3 CD3+TCRgd+ : 18,46 % H1 : 59,43 % 101 Diagnostik ▼ H4 : 0,25 % H3 : 21,84 % 100 100 101 TCRgd-FITC 102 103 Abb. 2 In beiden oberen Feldern sind CD3-positive T-Zellen. Der rechte, obere Quadrant enthält in rot dargestellte T-Zellen, die den GammaDelta-Rezeptor exprimieren. Der Anteil dieser Zellen ist mit 18 % innerhalb der Lymphozyten (23 % der T-Zellen) deutlich erhöht; die Zellen sind CD56 positiv (nicht gezeigt). Aufgrund dieses auffälligen Immunphänotyps kann hier die Diagnose einer GammaDelta-T-LGL-Leukämie gestellt werden. Abb. 3 LGL-Zelle im peripheren Blut (Bildmitte). Neoplastische Zellen ähneln reaktiven LGL-Zellen (z. B. als Reaktion auf einen Virusinfekt) morphologisch stark. Sie haben einen runden oder ovalen Nukleolus mit relativ dichtem Chromatin. Das Zytoplasma ist schwach basophil und enthält einzelne azurophile Granula. Felty-Syndrom ▼ Das Felty-Syndrom wurde erstmals 1924 als Trias aus Rheuma­ toider Arthritis, Leukopenie und Splenomegalie beschrieben [4, 5]. In aller Regel sind seropositive Patienten betroffen; auch antinukleäre Antikörper (ANAs) lassen sich häufiger detektieren als bei der unkomplizierten RA. HLA-DR4 × 0401 lässt sich in der Mehrzahl der Fälle nachweisen [6]. Die Patienten scheinen überzufällig häufig an Hautulcera zu leiden; die Sterblichkeit ist erhöht. Das Felty-Syndrom betrifft weniger als 1 % der RA-Patienten und kommt häufiger nach langer Erkrankungsdauer vor, wenngleich in Einzelfällen die Splenomegalie und Neutropenie An ein Felty-Syndrom oder eine T-LGL-Leukämie sowie andere hämatologische Neoplasien sollte grundsätzlich gedacht werden, wenn Patienten mit Rheumatoider Arthritis über einen längeren Zeitraum neutropen sind. Auch eine erhöhte Infektneigung sowie andere Blutbildauffälligkeiten sollten als Warnhinweise ernst genommen werden. Die Differenzialdiagnose der Blutbildveränderungen ist breit. Im klinischen Alltag sind medikamentös-toxische Ursachen wahrscheinlich die häufigste Ursache der beschriebenen Symptome; dies ist zudem durch einen Auslassversuch mit potentiell knochenmarktoxischen Medikamenten leicht herauszufinden. Daher sollte dies stets an erster Stelle stehen – insbesondere, wenn die antirheumatische Basistherapie kürzlich umgestellt wurde. Um eine (Hepato-)Splenomegalie festzustellen, bzw. zur Umfelddiagnostik und zur Erfassung eventueller intraabdomineller Lymphknoten gehört eine Sonografie des Abdomens zur Evaluation neutropener Patienten. Auch eine Bildgebung des Thorax kann im Einzelfall indiziert sein. Das Felty-Syndrom ist eine Ausschlussdiagnose, die nur gestellt werden kann, wenn andere mögliche Ursachen einer Splenomegalie mit Neutropenie sicher ausgeschlossen wurden. Dazu gehören neben dem Ausschluss einer Neoplasie der B- oder T-Zell-Reihe auch der Ausschluss einer Infektion mit HIV, EBV, CMV, HTLV1, Hepatitis C, Tuberkulose und je nach Anamnese weiteren Erregern. Neben serologischen Untersuchungen müssen ggf. Virus-Direktnachweise durch PCR angestrebt werden. Bei fehlendem Nachweis von ACPA oder hochtitrigen Rheumafaktoren muss die Diagnose insgesamt in Frage gestellt werden. In diesen Fällen sollten ein Systemischer Lupus (SLE) oder ein Still-Syndrom des Erwachsenen, ein primärer Immundefekt (beispielsweise ein CVID) sowie andere systemische Immunerkrankungen oder eine bakterielle Endokarditis ausgeschlossen werden. Auch eine primäre T-LGL-Leukämie mit begleitender Arthritis ist möglich. Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwie▶ Abb. 4). rig sein ( ● Der Verdacht auf eine T-LGL-Leukämie liegt nahe, wenn im manuellen Differenzialblutbild viele aktivierte Lymphozyten (LGL-Zellen) auffallen. Die empfohlenen Grenzwerte schwanken dabei stark. In solchen Fällen sollte eine FACS-Diagnostik des peripheren Blutes mit T-Zell-Markern angeschlossen werden, die eine T-LGL-Population sicher quantifizieren und von anderen Lymphozyten-Expansionen – beispielsweise einer B-CLL – unterscheiden kann. Sollte sich eine signifikante Vermehrung von T-LGL-Zellen nachweisen lassen, führt eine Klonalitätsanalyse des T-Zell-Rezeptors mittels PCR zur Diagnose T-LGL-Leukämie. Gelegentlich erlaubt bereits die FACS-Analyse allein, anhand eines auffälligen Phänotyps der LGL-Zellen, die Diagnose. In solchen Fällen ist eine Analyse des Knochenmarks meist verzichtbar. Scharbatke EC et al. Felty-Syndrom und T-LGL-Leukämie bei … Akt Rheumatol 2016; 41: 157–161 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. CD3-PC5.5 102 160 Übersichtsarbeit Abb. 4 Differenzialdiagnose Neutropenie bei RA. RA-Patient mit Neutropenie Medikamentenanamnese Abdomensonographie Manuelles Differentialblutbild Virusdiagnostik Knochenmarkdiagnostik FACS (peripheres Blut oder Knochenmark) Infektiologische Ursache Hämatologische Neoplasie, insbesondere T-LGL Therapie ▼ Die Therapie einer T-LGL verfolgt 3 Ziele: ▶ Normalisierung des Differenzialblutbilds und Besserung klinischer Symptome wie Infektneigung und B-Symptome. ▶ Verringerung der Tumorlast im peripheren Blut bzw. im Knochenmark. ▶ Remission der begleitenden Rheumatoiden Arthritis selbst. Im Fall eines Felty-Syndroms ohne Nachweis klonaler T-Zellen fällt die Verringerung der Tumorlast weg; ansonsten bleiben die Therapieziele gleich. Eine Indikation zur spezifischen Therapie besteht nur, wenn die klonale T-Zell-Erkrankung zu klinisch fassbaren Einschränkungen führt. Am ehesten handelt es sich dabei um eine Infektneigung oder eventuell um B-Symptome. Auch eine schwere Neutropenie mit weniger Neutrophilen als 500/µl oder andere Blutbildveränderungen sowie eine sehr hohe systemische Entzündungsaktivität sollten eine Therapie der T-LGL nach sich ziehen. Der alleinige Nachweis klonaler T-Zellen bei ansonsten unauffälligen Patienten, deren Rheumatoide Arthritis in Remission ist, stellt keine Indikation zur Eskalation der Immunsuppression dar. Eine Reduktion der Tumorlast von T-LGL-Leukämien ist bei Therapie mit MTX oder Cyclophosphamid zu erwarten [9]. Auch Ciclosporin A (CsA) gilt als geeignete immunsuppressive Therapie. Alle 3 Substanzen wirken sich positiv auf die begleitende Rheumatoide Arthritis aus, jedoch ist bei Ciclosporin A und Cyclophosphamid mit einer höheren Rate an unerwünschten Arzneimittelwirkungen zu rechnen. Eine anhaltende Remission lässt sich analog zur RA selbst häufig nur durch eine dauerhafte Immunsuppression erreichen. Auch für das Felty-Syndrom ist MTX der therapeutische Goldstandard; bei schlechter Verträglichkeit sollte ein Wechsel auf CsA erwogen werden. Vor der flächendeckenden Anwendung von MTX und Ciclosporin A in der Rheumatologie wurden Pa­ tienten mit Felty-Syndrom jedoch überwiegend splenektomiert, was in ca. 75 % der Fälle zu einer schnellen Erholung des Blutbilds führt, allerdings mit den Risiken der Operation selbst sowie einer anschließenden Neigung zu schweren bakteriellen Infektionen (OPSI-Syndrom) verbunden ist. Heute gelten analog zur Therapie der schweren, seropositiven RA klassische DMARDs wie Methotrexat (MTX) und eventuell auch Biologika (insbeson- Felty Syndrom dere Rituximab) als Mittel der Wahl und eine Splenektomie wird nur noch in schwersten, therapierefraktären Fällen in Erwägung gezogen. Zur kurzzeitigen Therapie einer schweren Neutropenie kann der Stammzellwachstumsfaktor G-CSF eingesetzt werden; insbesondere wenn zeitgleich eine schwere, systemische Infektion vorliegt. Ob G-CSF prophylaktisch – ohne Vorliegen eines Infekts – bei Patienten mit weniger als 500–1 000 Neutrophilen/µl einen klinischen Vorteil hat ist unklar. In jedem Fall ist von dieser Therapie keine Besserung der Aktivität der Rheumatoiden Arthritis zu erwarten, sondern diese kann im Gegenteil exazerbieren. Zur kurzfristigen Besserung bei hoher entzündlicher Aktivität bleiben Glukokortikoide Mittel der ersten Wahl. Vollkommen unklar ist der Stellenwert von Biologika in der Therapie der T-LGL-Leukämie mit oder ohne begleitende Rheuma­ toide Arthritis sowie beim Felty-Syndrom. Es ist bekannt, dass bis zu 18 % der RA-Patienten unter Therapie mit einem TNF-Inhibitor eine zumindest transiente Neutropenie entwickeln [10, 11], wobei es keine signifikanten Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Präparaten gibt. Es wurden Einzelfälle von reversiblen Neutropenien unter TNF-Inhibitor-Therapie berichtet, die in zeitlichem Zusammenhang mit der Expansion oligoklonaler T-LGL-Zellen stehen [12]. Unsere eigenen Beobachtungen legen ebenfalls einen Zusammenhang zwischen der Expansion von T-LGL-Zellen im peripheren Blut und der Therapie mit TNF-Inhibitoren nahe (unpublizierte, eigene Daten). Andererseits wurden Patienten mit gesicherter T-LGL-Leukämie bei Rheumatoider Arthritis berichtet, die sehr gut auf eine Therapie mit dem B-Zell-depletierenden CD20-Antikörper Rituximab reagierten [13]. Es stellt sich daher die Frage, ob die bei vielen RA-Patienten nachweisbare T-LGL-Leukämie als Epiphänomen der entzündlichen Aktivität bei langjähriger, bzw. schwerer Rheumatoider Arthritis angesprochen werden muss. Entsprechend sollte die Therapie vor allem eine suffiziente Kontrolle der entzündlichen Aktivität zum Ziel haben und erst in zweiter Linie eine Reduktion der zirkulierenden Tumorzellen anstreben. Warum TNF-Inhibitoren offenbar eine Ausnahme von dieser Regel darstellen und welchen Stellenwert Interleukin-6-Inhibitoren in diesem Zusammenhang haben, ist Gegenstand aktueller Forschung. Scharbatke EC et al. Felty-Syndrom und T-LGL-Leukämie bei … Akt Rheumatol 2016; 41: 157–161 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Medikamentöse Ursache Übersichtsarbeit 161 ▼ T-LGL-Leukämien sind eine seltene aber wichtige Differenzialdiagnose bei Blutbildveränderungen im Rahmen einer Rheuma­ toiden Arthritis. Diese niedrig-malignen T-Zell-Leukämien verlaufen meist über viele Jahre unerkannt und können durch immunsuppressive Therapien, die auch zur Therapie der RA eingesetzt werden, positiv beeinflusst werden. Sie finden sich bei ca. 30 % der Patienten mit Felty-Syndrom, sodass diese beiden Erkrankungen als unterschiedliche Manifestationen derselben Störung des Immunsystems angesprochen werden können. Insbesondere anhaltende Neutropenien bei Patienten, die mit TNF-Inhibitoren therapiert werden, sollten an ein Felty-Syndrom mit oder ohne Vermehrung von T-LGL-Zellen denken lassen. Zur Diagnose sind FACS-Analyse und häufig auch molekularbiologische Untersuchungen des Bluts oder Knochenmarks unerlässlich. Die Kontrolle der entzündlichen Aktivität der Rheumatoiden Arthritis steht therapeutisch im Vordergrund. Mittel der ersten Wahl ist dafür MTX in einer Dosis von 10–25 mg/Woche mit nachfolgender Folsäuregabe. Eine langfristige Remission ist nur bei dauerhafter immunsuppressiver Basistherapie zu erwarten. Bei fehlendem Ansprechen auf DMARDs kann die Gabe von Rituximab erwogen werden. Die Rolle der TNF-Inhibition ist noch kaum erforscht, sodass auf diese Medikamentenklasse bei Verdacht auf ein niedrig-malignes T-Zell-Lymphom verzichtet werden sollte. 1 O’Malley DP. T-Cell Large Granular Leukemia and Related Proliferations. Am J Clin Pathol 2007; 127: 850–859 2 Burks EJ, Loughran TP Jr. Pathogenesis of neutropenia in large granular lymphocyte leukemia and Felty syndrome. Blood reviews 2006; 20: 245–266 3 Bareau B, Rey J, Hamidou M et al. Analysis of a French cohort of patients with large granular lymphocyte leukemia: a report on 229 cases. Haematologica 2009; 95: 1534–1541 4 Felty AR. Chronic arthritis in the adult associated with splenomegaly and leucopenia. Johns Hopkins Hosp. Bull 1924; 35: 16–20 5 Goldberg J, Pinals RS. Felty Syndrome. 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