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Bachelorarbeit
Werte als Grundlage der Ethik
eingereicht von
Lisa Strozer
Zur Erlangung des akademischen Grades
Bachelor of Science
(BSC)
Medizinische Universität Graz
Institut für Pflegewissenschaft
Unter der Anleitung von
Eleonore Kemetmüller Mag.phil. Dr.phil.
Graz, 09.11.2016
Eidesstattliche Erklärung
„Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde
Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet und die den
benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich
gemacht habe.“
Graz, am 09.11.16
Lisa Strozer, eh.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung ................................................................................................. 1
2. Begriffserklärungen und -definitionen .................................................... 3
2.1.
Moral ................................................................................................................. 3
2.2.
Tugend ............................................................................................................... 5
2.3.
Normen .............................................................................................................. 5
2.4.
Prinzipien ........................................................................................................... 6
2.5.
Werte ................................................................................................................. 7
3. Ethik ......................................................................................................... 8
3.1.
Die vier Hauptbereiche der Ethik ...................................................................... 9
3.2.
Ziele und Aufgaben der Ethik ......................................................................... 10
3.3.
Recht und Ethik ............................................................................................... 12
4. Der Begriff „Wert“ und seine Entstehung ............................................. 12
4.1.
Von der Antike bis zur Renaissance ................................................................ 17
4.2.
Die Entstehung von Werten in soziologischer Hinsicht .................................. 19
5. Ausgewählte traditionelle Ethiktheorien in Hinblick auf den Begriff
„Wert“ .......................................................................................................... 21
5.1.
Pflichtethik ...................................................................................................... 21
5.2.
Mitleidsethik .................................................................................................... 23
6. Ausgewählte gegenwärtige ethische Ansätze und Ethiktheorien .......... 24
6.1.
Care-Ethik ........................................................................................................ 24
6.2.
Verantwortungsethik ....................................................................................... 25
7. Pflegeethik ............................................................................................. 26
7.1.
Berufskodex ..................................................................................................... 28
7.2.
ICN-Ethikkodex .............................................................................................. 28
7.3.
Gesundheits- und Krankenpflegegesetz .......................................................... 31
7.4.
Wertekatalog der Werte im GuKG und ICN-Ethikkodex ............................... 33
8. Zusammenfassende Darstellung ............................................................ 37
9. Literaturverzeichnis ............................................................................... 38
10. Anhang ................................................................................................... 43
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Struktur ethischer Reflexion…………………………………………………6
Tabelle 2: Ziele Aufgaben und Funktion der Ethik……………………………….……11
Tabelle 3: Formulierungen des kategorischen Imperativs.…………………….……….22
Tabelle 4: Wertekatalog: Werte, im GuKG und ICN-Ethikkodex……………………...35
1. Einleitung
Werte sind und waren in vielen Bereichen unseres Lebens immer präsent und sind
grundlegende Voraussetzungen sozialer Ordnung. Sie spielen in aktuellen öffentlichen
Diskursen, sowie im Privatleben und Beruf eine wichtige Rolle, denn jede Person, jede
Gesellschaft, jede Generation in jeder Kultur stellt sich die Frage nach dem Richtigen und
Guten und wie es gelebt werden kann (Krobath 2009, S. 11).
Eine spezielle Bereichsethik und ein Beispiel für professionelle Werte innerhalb eines
Berufsstandes, ist die Pflegeethik. Die Ethik in der Pflege befasst sich mit begründetem,
geplantem und moralischen Handeln und versteht sich heute als Wissenschaft und als
praktische Disziplin der Philosophie (Pieper 2007, S. 92).
Die Pflege versteht sich als Unterstützung von Menschen in psychischen, physischen und
sozialen Bereichen. Meist ist die Rede von einer ganzheitlichen Pflege, die den Menschen
in seinem veränderten Wohlbefinden wahrnimmt und annimmt (Lauber 2012, S. 67). Sie
befasst sich mit der Entstehung, Veränderung und Wirkung der Moral und somit ihrer
Reflexion. Dabei sucht sie Begründungen für bestimmtes Handeln innerhalb menschlicher
Wertvorstellungen und Normen im Kontext menschlicher Lebenspraxis (Hiemetzberger
2016, S. 9).
Diese Arbeit gibt zuerst einen Überblick zu den wesentlichen Begriffen der Ethik und deren
Definition. Dabei werden Moral, Ethik Tugenden, Prinzipien, Werte und Normen
charakterisiert und inhaltlich klar voneinander abgegrenzt, denn in der Alltagssprache
werden diese werden oft verwendet, ohne dass ihr richtiger Einsatz geklärt wurde. Darauf
aufbauend wird die Entstehung von Werten im philosophischen Kontext beschrieben.
Laut Wörterbuch der philosophischen Begriffe ist ein Wert eine Beziehung zwischen einem
Gegenstand und einem Maßstab durch den wertenden Menschen (Kirchner et al. 2013, S.
727). Die Frage nach einer genauen Definition von „Wert“ führt unweigerlich zur
Entstehung und zum Ursprung des Wortes. Auf die geschichtlich Veränderung und
Weiterentwicklung der Bedeutung dieses Wortes eingehend, werden klassische
Ethiktheorien, wie die Kantische Ethik, beleuchtet. Der philosophische Aspekt des Begriffs
Wert führt schlussendlich zur Wertephilosophie, die von idealen Werten ausgeht und im
20.ten Jahrhundert entstanden ist (Kirchner et al. 2013, S. 727).
1
Eine Auswahl an gegenwärtigen Ansätzen moderner Ethiktheorien der Pflege wird erfasst
und abgeklärt, wie zum Beispiel die Verantwortungsethik. Werte spielen in allen
Lebensbereichen eine große Rolle, nehmen aber eine besondere Stellung in sozialen Berufen
ein. Sie werden in der Pflegepraxis, sowie in der Pflegewissenschaft durch berufsethische
Richtlinien und Kodizes festgelegt (Lauber, S. 250).
Folgende Fragestellungen sollen bearbeitet werden:
•
Was ist der Ursprung des Begriffs „Wert“ und wie ist er entstanden?
•
Welche Werte bilden die Grundlage in der Pflegeethik?
•
In welchen Elementen des ICN-Ethikkodex sind soziale Werte verankert und
welche sind das?
•
Welche
Werte
bilden
die
Grundlage
des
Gesundheits-
und
Krankenpflegegesetz?
Ziel ist es, die Fragestellungen anhand von passender und möglichst aktueller Literatur zu
beantworten. Außerdem die ethische und philosophische Relevanz des Themas
hervorzuheben und so einen klaren Überblick zu wesentlichen ethischen Grundlagen zu
geben.
Die Arbeit ist eine zusammenführende Literaturarbeit, deren Quellen in Harvard Style zitiert
werden. Anhand einer Literaturrecherche war es möglich die passenden Werke für diese
Arbeit zu finden. Die Quellenangaben der gefundenen Medien haben zu weiterer Literatur
verholfen. Es wurden folgende Suchbegriffe in unterschiedlichen Konstellationen mit Hilfe
des Datenbank-Infosystems (DBIS) der Bibliothek der Karl-Franzens-Universität Graz, des
Online-Katalogs der Medizinischen Universität Graz und der Stadtbibliothek Graz
verwendet: Ethik, Werte, Pflege, ICN-Kodex, Ethikkodex, Pflegeethik, Entstehung von
Werten, Gesundheits- und Krankenpflegegesetz.
2
2. Begriffserklärungen und -definitionen
Auch wenn jeder eine Vorstellung davon hat, was Werte, Ethik und Moral bedeuten, werden
sie doch oft, vor allem in aktuellen öffentlichen Diskurs, im Zusammenhang mit dem
Wertewandel, Werteproblem oder ähnlichem, gleichbedeutend und als Synonyme
verwendet. Um sinnvoll über das Thema schreiben zu können, ist es unbedingt notwendig
die grundlegenden Begriffe, die verwendet werden, genau zu definieren und voneinander
abzugrenzen. In der Ethik als gegenwärtige, praktische Philosophie ist eine terminologische
Trennung ersichtlich und es gilt eine klare inhaltliche Differenzierung.
2.1. Moral
Moral kommt aus dem lateinischen (mos, mores) und hat dort die Bedeutung Moral, Sitte.
Cicero prägte den Ausdruck „philosophia moralis“, der von da an als Übersetzung von
êthikê, also Ethik verwendet wurde. Im deutschen Sprachgebrauch steht Moral laut
„Wörterbuch der philosophischen Begriffe“ einerseits für, Sittlichkeit bzw. beschreibt das
sittliche Verhalten und andererseits für innerlich, geistig, vernünftig. In der Bedeutung als
geistig und vernünftig ist es auch in den Moralwissenschaften zu finden. Seit Mitte des 18.
Jahrhunderts wird es auch gleichbedeutend für „ethisch“ eingesetzt (Kirchner et al. 2013, S.
429). Im griechischen wurde der Alltagsbegriff „êthos“, aus dessen Übersetzung das
lateinische Wort „mos“ stammt, in zwei verschiedenen Varianten geschrieben und hatte
dementsprechend auch verschiedene Bedeutungen. In der einen Schreibweise heißt êthos so
viel wie Brauch, Sitte und Gewohnheit, in der anderen gilt êthos als Haltung, Tugend und
Charakter, die sich durch die Einsicht in das Gute, die zur Gewohnheit geworden ist,
definiert. Folglich bedeutet die zweite Version so viel wie Moralität und Sittlichkeit (Pieper
2007, S. 2627).
Laut Pauer-Studer und ihrem Buch Einführung in die Ethik versteht man unter Moral „eine
Menge von Normen, Prinzipien, Regeln und Tugenden, die das Verhalten von Menschen
und deren Einstellungen zu anderen und zur Umwelt leiten.“ (Pauer-Studer 2010, S. 12)
In den verschieden Kulturen und Zeiten wurde das Wort immer wieder neu im
philosophischen Kontext beschrieben und es wurde versucht, es von anderen Begriffen wie
Tugend, Prinzipien, Grundsätzen, Werte usw. abzugrenzen. Eine punktgenaue einheitliche
Definition, die für alle Bereiche gilt, muss erst erfunden werden, denn in der Wissenschaft
bedeutet Moral, je nach Bereich, etwas anderes.
3
Kant nahm eine Abgrenzung und Vertiefung des Begriffs Moral vor und beschrieb sie als
die Autonomie des Gewissens jedes Einzelnen. Bei dieser Autonomie, also
Selbstgesetzgebung und -bestimmung folgt man einem Gesetz, dass man sich selbst gegeben
hat, weil man es für sich akzeptiert hat. Allerdings ist es wegen des Anspruchs auf
Allgemeingültigkeit der Maxime konzeptionell an die Gesellschaft bzw. an die Menschheit
gebunden (Pauer-Studer 2010, S. 13, 3738). Grundsätzlich kann gesagt werden, dass
moralische Maßstäbe allgemein geltend und verbindlich und über Sitten, Gewohnheiten und
sozialen Konventionen einzuordnen sind (Pauer-Studer 2010, S. 12).
Moral und die abgeleiteten Grundsätze dieser, spielen sowohl im privaten, wie auch im
öffentlichen Bereich unseres Lebens eine große Rolle. Zu unterscheiden ist zwischen der
Individualmoral, oder auch „personal morality“, und der öffentlichen Moral, „public
morality“ oder Sozialmoral. Selbst wenn die Individualmoral internalistisch sein muss, sich
an persönliche vernunftbasierte und gut reflektierte Einsichten hält, ist sie trotzdem
intersubjektiv, denn unser Handeln rechtfertigen wir anderen gegenüber (Pauer-Studer 2010,
S. 1416). Die öffentliche Moral hingegen, befasst sich mit den Prinzipien und Grundsätzen,
die zur Gestaltung von zum Beispiel Institutionen wichtig sind. Dabei geht es oft darum,
eine ideal gerechte Gesellschaft zu definieren, indem Fragen zu Gerechtigkeit und Gleichheit
in Unternehmen geklärt werden. Dabei sind Moral und Recht voneinander abzugrenzen. Ihr
Unterschied liegt dabei zum Beispiel in den Sanktionen. Während die Moral sich mit
informellen Sanktionen durch die Gesellschaft begnügt und dabei die Motive der NichtEinhaltung interessieren, ist es in rechtlicher Hinsicht irrelevant, aus welcher Motivation
heraus gesetzliche Bestimmungen eingehalten werden (Pauer-Studer 2010, S. 1416).
Verstöße moralischer Art sind vor Gericht nicht einklagbar, allerdings gibt der Ethos der
Pflege ethische Normen vor, nach denen Menschen in Pflegeberufen handeln sollen.
Handlungen in der Pflege müssen gerechtfertigt und gut begründet werden können. Die
Motive sind verschieden und können zum Beispiel einer gefühlsmäßigen Einschätzung
zugrunde liegen, oder auch einer vernünftigen und durchdachten Überlegung entsprungen
sein. Pieper hat die Begründungsstrategien in 6 Klassen eingeteilt. Diese sind: Bezugnahme
auf ein Faktum, Bezugnahme auf Gefühle, Bezugnahme auf mögliche Folgen, Bezugnahme
auf einen Moralkodex, Bezugnahme auf moralische Kompetenz und Bezugnahme auf das
Gewissen (Pieper 2007, S. 189204). Die vierte Klasse, Bezugnahme auf einen Moralkodex,
gilt für Gruppen und ist insbesondere in Pflegeberufen, in Form von Berufkodizes und bei
4
medizinischen Berufsgruppen zum Beispiel in Hinsicht auf Eide, relevant. Bei einem
Moralkodex handelt es sich um anerkannte Normen, die einen Regelkatalog bieten. Normen
und Werte beanspruchen aber keine universale Gültigkeit, sondern müssen immer gut
hinterfragt werden, insbesondere im Kontext verschiedener Kulturen oder mehreren
Generationen (Pieper 2007, S. 203204).
2.2. Tugend
Laut Wörterbuch der philosophischen Begriffe kommt das Wort „Tugend“ von „taugen“ und
wurde im Mittelalter für sämtliche Eigenschaften eines Menschen verwendet. In der Neuzeit
hingegen, wo das Wort im Alltag, in der Philosophie sowie in der Theologie verwendet
wurde, beschränkt sich die Bedeutung auf sittliches Verhalten und Werte (Kirchner et al.
2013, S. 675). Ursprünglich kommt das Wort Tugend aus dem griechischen (arete) und
beschreibt die Tüchtigkeit und Tauglichkeit einer Person. Es handelt sich bei Tugenden um
Charaktereigenschaften, die als vorbildliche und nachahmenswerte Haltungen gelten.
(Hiemetzberger 2016, S. 20) „Ein tugendhafter Mensch besitzt die Fähigkeit, sich
entsprechend verinnerlichter Werte zu verhalten und zu handeln.“ (Hiemetzberger 2016, S.
21) Zusammenfassend kann Tugend als die moralische Kompetenz eines Menschen
beschrieben werden.
2.3. Normen
Das Wort Norm leitet sich aus dem lateinischen „norma“ ab und bedeutet laut
Österreichisches Wörterbuch so viel wie Regel, Gesetz oder Richtschnur (Back 2001, S.
417). Der Duden definiert hingegen so: „Normen sind allgemein anerkannte, als verbindlich
geltende Regeln für das Zusammenleben der Menschen.“ (Duden 2005, S. 711)
Cicero führt den Begriff „Norm“ in die Rechtsphilosophie ein, indem er die Natur, ihre
Abläufe und die Vorstellung dieser auf gesetzliche Bestimmungen überträgt. Normen sind
im Kontext der Rechtswissenschaften Rechtssätze, die der Gesetzgeber zum Beispiel in
Form von Geboten oder Verboten erlässt. Normen können auch, wie in den
Sozialwissenschaften, als Handlungsregeln verstanden werden, die positive oder negative
Sanktionen zu Folge haben. Außerdem als Verhaltenserwartungen im Sinne von
Rollenentsprechen und Anstandsregeln. In der Ethik wird unter dem Begriff Norm als eine
Regel verstanden, nach der sich zu orientieren ist. Normen sind konkret geäußerte Werte,
5
die von der Gesellschaft definiert wurden und dienen dem Zweck ein bestimmtes Verhalten
in einer bestimmten Situation hervorzurufen (Kirchner et al. 2013, S. 458459).
Juristische Normen und deren Nichteinhaltung können konkrete gesetzliche Sanktionen
nach sich ziehen; bei moralische Normen hingegen kann ein Fehlverhalten bzw. ein Handeln
entgegen der Norm, nicht vom Gesetz oder der Staatsgewalt sanktioniert werden. Es handelt
sich also um „Regeln des Sollens“, die eine soziale Ordnung herstellen und erhalten sollen.
Auch im Pflegeberuf gibt es Handlungsnormen in Form von Kodizes, wie zum Beispiel dem
ICN-Ethikkodex, nach dessen Werten eine respektvolle und qualitative Pflege trotz
möglichem Wertekonfliktes ermöglicht werden soll (Hiemetzberger 2016, S. 26).
2.4. Prinzipien
Prinzip vom lateinischen „principium“, Anfang, Ursprung und Grundlage ist allgemein
verwendet eine Richtschnur des Handelns (Kirchner et al. 2013, S. 523).
Theorie
Prinzipien
Normen, Regeln
Konkrete Regeln
Urteile und Einzelfallbewertungen
Tabelle 1: Struktur der ethischen Reflexion (Schröder-Bäck 2014, S. 160)
Bei Prinzipien handelt es sich um normative Orientierungspunkte, die wieder einmal
Ausgangspunkt
ethischer
Reflexionen
und
Argumentationen
sind.
Durch
eine
Konkretisierung von Prinzipien zu Normen und Regeln können Prinzipien auch in
bestimmten Situationen angewendet werden. Aus allgemein formulierten, können auch noch
weitere spezifischere Regeln abgeleitet werden. Und umgekehrt können spezifische und
konkrete Regeln zu allgemeinen Prinzipien führen. Weiters ist es möglich Prinzipien in
Theorien zu formulieren bzw. aus Theorien Prinzipien herzuleiten. Die Abbildung 1 zeigt
den Aufbau dieser Struktur grob (Schröder-Bäck 2014, S. 159160).
6
2.5. Werte
Ein Wert ist eine Beziehung zwischen einem Gegenstand, einer Person, Gebilde oder
Prozess und einem Maßstab, hergestellt durch den wertenden Menschen (Kirchner et al.
2013, S. 727). Werte sind ein wesentlicher Bezugspunkt für menschliches Handeln und sind
bewusste oder unbewusste Entscheidungshilfen für oder gegen Etwas (Lauber 2012, S. 251).
In der Antike, ist der Begriff „Wert“ gleichzustellen mit der philosophischen Tradition durch
Wollen und Tun etwas Gutes zu erstreben (Kirchner et al. 2013, S. 727). Auch das heutige
Werteverständnis bezieht Aspekte ein, die wesentlich sind für ein gutes und richtiges Leben,
allerdings nicht auschließlich. Mögliche Werte sind unter anderem: Freiheit, Solidarität,
Gemeinschaft, Menschenwürde, Frieden, Fleiß, Gerechtigkeit, Leben, Besonnenheit,
Barmherzigkeit, oder Aufrichtigkeit (Lauber 2012, S. 251).
Werte können als nicht-moralisch oder als moralisch unterschieden werden. Werte, die zum
Beispiel beteiligt sind, wenn ein Auto gekauft wird, beruhen auf Vorlieben und Geschmack
und sind nicht-moralische Werte bezüglich der Ästätik. Werte, die das menschliche Handeln,
das Verhalten eines Menschen oder seinen Charakter beeinflussen, sind moralische Werte.
Werte sind Orientierungsrahmen und Motive für ein Handeln und auch Nicht-handeln. Dabei
ist zu beachten, dass sie nicht stetig sind, sondern sich im Verlauf des Lebens verändern und
sich mit dem menschlichen Selbstverständnis mitentwicklen können. Ein typischer
moralischer Wert wäre zum Beispiel die Ehrfurcht vor dem Leben. Ein Wertekonflikt könnte
bei der Frage entstehen, ob aktive Sterbehilfe durchgeführt werden soll oder nicht (Lauber
2012, S. 251). Es gibt verschiedene moralische Werte, bzw. Werte sind auf verschiedenen
Ebenen vorhanden. Eine Unterteilung in persönliche, kulturelle und berufliche Werte ist
möglich. Zu den persönlichen Werten zählen all jene, die durch Erziehung, Kultur und
Erfahrung gefördert werden. Bezugspersonen der Familie und des Umfeldes geben den
Ausschlag welche Werte ein Mensch als wichtig erachtet. Die kulturellen oder
gesellschatlichen Werte sind historisch entstandene, geltende Werte innerhalb einer Kultur
oder Gesellschaft. Dazu gehören eventuell auch religiöse Werte, die zum Beispiel vorgeben,
wie eine Beziehung zwischen Ehepartnern auszusehen hat (Lauber 2012, S. 251252).
Berufliche oder professionelle Werte sind jene Werte, die innerhalb eines Berufes, durch
eines Berufskodex verschriftlicht wurden (Hiemetzberger 2016, S. 24).
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Das persönliche Wertesystem vereint alle Werte, moralische und nicht-moralische, die eine
Person als wichtig ansieht. Die Werteskala wiederum nimmt eine hierarchische Zuordnung
der Werte im Wertesystem vor und ordnet sie entsprechend ihrer Wichtigkeit nach
Prioritäten. Deshalb unterscheiden sich Wertesysteme bzw. Werteskalen Einzelner stark
voneinander und sind, wie oben schon erwähnt, nicht stetig. Der Wert „Gesund sein“ ist für
einen jungen Menschen eventuell weniger wichtig gereiht, als für einen älteren Menschen,
der Erfahrungen während einer Erkrankung gemacht hat (Lauber 2012, S. 251252).
Es gibt noch viele Ansichten zur Wertediskussion, die in dieser Arbeit allerdings wenig bis
keine Beachtung finden werden. Zum Beispiel hat Urs Sommer, ein schweizer Philosoph,
einen anderen Ansatz zur Wertediskussion. Er kommt beim Erkunden was Werte sind, auf
die Antwort, dass ihre Existenz überschätzt wird. Er meint, dass Menschen Situationen,
Angebote und Empfindungen zwar bewerten und dass diese Bewertungen Präferenzen
wiederspiegeln (Sommer 2016, S. 1314). „Leben heißt bewerten – heißt, das eine dem
anderen vorzuziehen.“ (Sommer 2016, S. 13) Allerings sind seiner Meinung nach die
Argumente seit dem 19. Jahrhundert, als die Philosophie den Begiff Wert aufgegriffen hat
und der Sprachgebrauch des Bergirffes irreführend und missbräuchlich. Denn bewerten
heißt, auf der einen Seite zwar, dass einer Sache ein Wert zusgeschrieben wird, nicht
allerdings, dass es Werte braucht um eine Sache bewerten zu können (Sommer 2016, S.
1529).
3. Ethik
Ethik ist die methodisch kritische Prüfung und Begründung der Moral (Fischer 2003, S. 31).
Sie ist ursprünglich ein Teilgebiet der Philosophie, kann aber nicht auf die Wissenschaften
oder die Philosophie beschränkt werden (Lay 2014, S. 38). Ethik als Synonym für
Moralphilosophie ist eine Reflexion im philosophischen Sinne und dient dazu zu bewerten,
was moralisch betrachtet, richtig oder falsch ist. Dabei geht es um moralisches Handeln,
wobei die praktische Vernunft im Vordergrund steht. Der Begriff Ethik wird aber auch als
Synonym für Moral verwendet und beschäftigt sich mit den Sitten und Gebräuchen, sowie
den Gewohnheiten einer Gesellschaft.
Der bekannteste Philosoph, der sich schon in der Antike mit Ethik beschäftigte, ist
Aristoteles. Er beschäftigte sich mit den philosophischen Fragen nach dem Erkennen und
Sein und mit menschlichen Handlungsweisen. Laut Aristoteles ist der Mensch ein
8
vernunftbegabtes Wesen und hat deshalb die Fähigkeit seine Handlungen zu hinterfragen.
Zwar stellt sich Aristoteles die Frage, wie man ein gutes Leben führen kann und gibt in
seinem Werk, Nikomachische Ethik, Hilfestellungen und Theorien, die zu einem guten
Leben führen, allerdings kann man ethisches Handeln nicht als Rezept verstehen, dass in
beliebigen einzelnen Situationen angewendet werden kann.
Natürlich können solche Theorien zu Lösungen führen, jedoch ist zu bedenken, dass ethische
Konflikte, Probleme und Dilemmata subjektiv, individuell und hochkomplex sind. Oft sind
mehrere Werte im Spiel, die miteinander kollidieren. Wenn es beispielsweise um zwei
gleichranginge Werte oder sogar zweimal den gleichen Wert geht, kann ein ethisches
Dilemma entstehen und die Grenzen der Ethik sind erreicht. Ein Beispiel: Es geht um zwei
Menschenleben, doch nur eine der zwei Personen kann gerettet werden. Wie ist es möglich,
sich zu entscheiden, wenn doch jeder Mensch gleich viel wert ist? (Hiemetzberger 2016, S.
3233)
3.1. Die vier Hauptbereiche der Ethik
Wie in Abbildung 2 ersichtlich, lässt sich die Ethik in philosophische Teilbereiche einteilen.
Einerseits gibt es die normative Ethik, die festlegt was man soll und was verbindlich ist und
die sich mit der Entwicklung von Normen und Grundsätzen beschäftigt. Dieses sogenannte
Moralprinzip stellt Maßstäbe für ein moralisch richtiges Handeln.
Abbildung 1: Bereiche der Ethik (Rasche Annaliesa)
Die Metaethik geht auf die Definition und Analyse von Begriffen ein und sucht nach der
Begründung und Gültigkeit von Theorien, um deren „Leistungskraft“ zu überprüfen.
Andererseits hat die deskriptive Ethik die Aufgabe Ist-Zustände und ethische Systeme zu
erfassen, wobei die Philosophie diese Aufgaben eher der Kulturanthropologie und
9
Ethnologie zuordnet und selbst eher Abstand zu den Disziplinen der deskriptiven Ethik hält
(Lay 2014, S. 44; Pauer-Studer 2010, S. 1213).
Die angewandte Ethik ist die Ethik vieler einzelner Bereiche, wie der Biotechnologie, der
Wirtschaftsethik oder der Medizin (Pauer-Studer 2010, S. 26). Sie kann wiederum aufgeteilt
werden in Bereichs- und Berufsethik (Lay 2014, S. 46).
3.2. Ziele und Aufgaben der Ethik
In Abbildung 3 sehen Sie die Ziele und Aufgaben laut Lay, die angelehnt sind an die Ziele
der Ethik laut Pieper (Pieper 2000, S. 92). In der Pflege ergeben sich laufend Situationen,
die ethische Kompetenz erfordert und in denen folgende Aufgaben der Ethik ersichtlich
werden.
Das erste Ziel ist: Aufklärung, Transparenz herstellen. Damit ist gemeint, dass die Werte
von Menschen obwohl sie kulturell und durch Beziehungen und Erziehung geprägt sind und
meist unterbewusst und intuitiv angewendet werden, trotzdem bewusst gemacht werden
können. Der Mensch ist außerdem in der Lage sie zu reflektieren, zu hinterfragen und auch
zu verändern. Die Ethik hat in diesem Fall die Aufgabe aufzuklären, welche Werte
Handlungen zu Grunde liegen und dies transparent zu machen (Lay 2014, S. 4041).
Das zweite Ziel der Ethik bezieht sich darauf die Moral zu legitimieren, also Argumente und
Begründungen für Verhalten, Handlungen und deren Regeln zu finden. Dies kann zum
Beispiel in einem Krankenhaus passieren, wenn eine Vorschrift vom Ethikkomitee überprüft
und als in Ordnung, also angemessen angenommen wird, wurde die Moral legitimiert (Lay
2014, S. 41).
Die dritte Aufgabe zielt darauf ab, bestehende Normen zu überprüfen und zwar dahingehend,
ob sie Menschen hilft und Menschlichkeit fördert, oder das Gegenteil bewirkt. Da Ethik
nicht die Aufgabe hat Menschen und Gruppierungen zu belehren, sollen bestehende Normen
weder beruflich noch privat unreflektiert angenommen und angewendet werden, sondern die
Normen selbst sollen überprüft werden und auch ob sie für die bestimmte Situation geeignet
sind (Lay 2014, S. 4142).
Beim vierten Ziel, Prinzipien und Normen zur Verfügung stellen, geht es darum,
grundlegende und begründete Prinzipien als Handlungsanleitung verfügbar zu machen.
10
Hierbei ist es ebenfalls wichtig, wie schon bei der dritten Aufgabe erwähnt, eine kritische
Beurteilung in der konkreten Situation vorzunehmen (Lay 2014, S. 4142).
1. Aufklärung, Transparenz herstellen
2. Moral legitimieren
3. Bestehende Normen überprüfen
4. Prinzipien und Normen zur Verfügung stellen
5. Handlungen auf ihre Sittlichkeit überprüfen
6. Korrektiv für die Praxis sein
7. Zur moralischen Kompetenz anleiten
Tabelle 2: Ziele Aufgaben und Funktion der Ethik (Lay 2014, S. 40)
Das fünfte Ziel heißt: Handlungen auf ihre Sittlichkeit zu überprüfen. Ethik ist als ein
Instrument anzusehen, dass helfen kann, Entscheidungen die das Gewissen betreffen,
dahingehend zu überprüfen, ob sie richtig oder falsch sind. Dabei werden allerdings keine
genauen Handlungsvorschläge oder –anweisungen gegeben. Es lässt sich damit zum
Beispiel die tägliche Arbeit in der Pflege auf ihre Qualität überprüfen, indem genau
hinterfragt wird, ob der Pflegealltag so wie er jetzt abläuft, eine gute Pflege bereitet (Lay
2014, S. 4142).
Die fünfte Aufgabe lautet: Korrektiv für die Praxis sein. Damit ist gemeint, dass die Ethik
zur Korrektur in der Praxis dienen kann. Die Aufgaben, die sich hier stellen sind einerseits
die Handelnden bzw. die Pflegepersonen zu sensibilisieren damit sie moralische Probleme
erkennen können. Außerdem nach Lösungen zu suchen und Vorschläge zu machen, die die
moralischen Konsequenzen aufzeigen. Und zu guter Letzt soll Ethik in der Praxis helfen
moralisch richtig zu handeln, da eine Entscheidung selbst und nach eigener Überlegung und
guter Begründung getroffen worden ist (Lay 2014, S. 43).
Ziel Nummer sieben ist, zur moralischen Kompetenz anzuleiten. Damit ist nicht gemeint,
dass Lehrende, Vorgesetzte oder irgendwelche anderen Personen, der betreffenden Person
Anleitungen geben sollen, wie sie moralisch zu denken und zu handeln hat. Sinnstiftend
wäre aber, wenn eine Person der anderen Werkzeuge und Tipps gibt, wie man sein Handeln
11
mit ethischen Prinzipien überprüfen kann. Ein selbstständiges Urteilen und Begründen soll
aber Niemandem abgenommen werden, dann erst kann moralische Kompetenz erworben
werden (Lay 2014, S. 43).
3.3. Recht und Ethik
Der Duden definiert Recht folgendermaßen: „Gesamtheit der staatlich festgelegten bzw.
anerkannten Normen des menschlichen, besonders gesellschaftlichen Verhaltens;
Gesamtheit der Gesetze und gesetzähnlichen Normen; Rechtsordnung.“ (Bibliographisches
Institut GmbH) Rechtsnormen und Gesetze sind festgeschriebene Bestimmungen, die ein
Staat fixiert hat und die er sanktionieren kann. Es besteht zwar ein Zusammenhang zwischen
Recht, Moral und Ethik, nämlich das Ziel, Ungerechtigkeit zu vermeiden, allerdings können
nur die rechtliche Verstöße vor Gericht eingeklagt werden. Es gibt keine unabhängige
Instanz, bei der die Übertretung einer moralischen Norm einklagbar wäre, und auch keine
mit Gewalt ausgestattete Zwangsinstanz, die das mir zugefügte moralische Unrecht ahnden
könnte. Moralisches Fehlverhalten zieht eher Sanktionen wie Zurechtweisung und
Ausgrenzung nach sich (Hiemetzberger 2016, S. 39).
Bei einem Wertewandel, wie er oft nach Krisen oder zeitlichen Epochen vorkommt, kann
auch der Ruf der Gesellschaft nach einem neuen Gesetz oder einer Gesetzesänderung folgen.
Aktuelle Beispiele dafür gibt es unzählige, wie Schwangerschaftsabbrüche oder die Ehe für
gleichgeschlechtliche Paare zu legalisieren (Hiemetzberger 2016, S. 39). Umgekehrt können
auch Gesetzesänderungen, die der Staat vornimmt, nicht Wertekonform mit den Ansichten
der Gesellschaft sein. In Polen haben die Katholische Kirche und die rechtskonservative
Regierung versucht ein neues Gesetz zu erlassen, laut dem Abtreibungen nur noch legal sind,
wenn eine Lebensgefahr für die Mutter besteht. Die Folge dieses Gesetzesentwurfs waren
weltweite Proteste und Demonstrationen, in denen Frauen gegen das neue Gesetz auf die
Straße gingen (Balogh 2016).
4. Der Begriff „Wert“ und seine Entstehung
Die Entstehung der Werte hängt stark mit dem Verständnis der Unterscheidung zwischen
Werten, Normen und Wünschen zusammen. Ihre Rollen in Bezug auf das menschliche
Handeln können als erster Schritt damit geklärt werden, wann die Frage zur Entstehung der
Werte das erste Mal gestellt wurde. Die bisherigen Untersuchungen zum geschichtlichen
Weg des Begriffes Wert, gehen laut Hans Joas aus dem Wirtschaftsleben des 18. Jahrhundert
12
hervor. Die Frage nach der Entstehung von Werten wurde im Kontext der deutschen
Philosophie zuerst im 19. Jahrhundert gestellt und der Begriff außerhalb ökonomischer
Zusammenhänge verwendet. Von da gelangte er durch internationale Verwendung, über die
Kultur- und Sozialwissenschaften, in den allgemeinen und öffentlichen Gebrauch des 20.
Jahrhunderts (Joas 2013, S. 3637).
Sommer schreibt treffend und knapp in seinem Werk: Werte. Warum man sie braucht,
obwohl es sie nicht gibt, dass der Wertebegriff der Philosophie nicht nur etwas, das aus dem
moralisch Gutem entstanden ist, sondern ein „Zwitterwesen“ aus Moral und Ökonomie sei
(Sommer 2016, S. 39).
In der neueren Philosophie Hermann Lotzes, dessen Werke sich unter anderem auch auf die
Friedrich Nietzsches beziehen, wurde der Wertbegriff in Zusammenhang mit dem Begriff
der Geltung eingeführt. Seine Lehre beruht auf einer objektiven Wertephilosophie und war
wegweisend
für
die
verschiedenen
Richtungen
der
neukantianischen
und
phänomenologischen Vertreterinnen und Vertreter, wie Wilhelm Windelband und Heinrich
Rickert. Diese beiden Vertreter waren der Auffassung, dass ideelle Werte nicht aus dem
Handeln und der Erfahrung von Personen entstehen können, sondern zum „Seinmodus“
dazugehören. Folglich können Menschen Werte nicht erzeugen, sondern sie nur entdecken
und verkörpern (Kirchner et al. 2013, S. 727; Joas 2013, S. 3740). Neben Hermann Lotze,
waren weitere Vertreter der Wertphilosophie, die die Begriffe „Wertvorstellung“,
„Werthaltung“ oder „Wertschöpfung“ verwendeten und weiterentwickelten, zum Beispiel
Oskar Kraus und Max Scheler. Ihre Auffassung von ideellen Werten beschreibt die Basis
und Ausrichtung demnach Denken und Handeln gelebt werden soll. Ideelle oder ideale
Werte, die nicht unbedingt der materiellen Erweiterung und des Gewinns dienen, sondern
die sich hingegen geistig ausgerichtet sind. Es geht dabei um eine Steigerung, Bereicherung
und Reifung der Persönlichkeit durch immaterielle Werte (Joas 2013, S. 3740).
Der Wertebegriff und seine Verwendung durch Friedrich Nietzsche waren für die damalige
intensive öffentliche Diskussion und Philosophie im 20. Jahrhundert besonders prägend. Er
war einer der Ersten, der gefragt hat: Wie kommen Werte auf? (Joas 2013, S. 38). Die
Lebensphilosophie
Nietzsches
erklärt
die
Weltanschauung
als
Ergebnis
von
Wertschätzungen, die im Willen zur Macht ausgedrückt wird. Allerdings strebt dieser Wille
nach Verselbstständigung. Ziel des Willens zur Macht ist es, die bestehenden Werte zu
13
zerstören und die Macht, also sich selbst an erster Stelle der Werte zu setzen. Nietzsche
kommt damit zur Auflösung der herkömmlichen Moral. Auf Grund dessen fordert er unter
anderem in seinem Werk Der Antichrist eine Umwertung aller Werte (Joas 2013, S. 42;
Ottmann 2000, S. 345346). Die alten Werte sind für ihn Werte aus einer Sklaven-Moral,
die mit Sokrates begonnen hat und die sich im Christentum, das Nietzsche besonders
anprangert, fortsetzt. Dem Übermensch ist es nach der Umwertung zuzutrauen ein Leben
aus den neuen Werten zu leben und so eine neue Herrenmoral zu begründen (Krobath 2009,
S. 9395; Joas 2013, S. 42).
Max Scheler, ein deutscher Philosoph, Anthropologe und Soziologe hat seine Theorie im
ausdrücklichen Gegensatz zur Güterethik entwickelt. Er hat Nietzsches Behauptungen
analysiert, kritisiert und weiterentwickelt (Joas 2013, S. 45). Für ihn sind Werte echte
Qualitäten, die unabhängig von unseren Erkenntnissen sind und durch ein „Wertfühlen“
erschlossen werden. Die Werterkenntnis kommt außerdem erst durch das Bilden von Rängen
und durch das Verstehen, wie diese zusammenwirken, zustanden. Werte werden bei Scheler
nach fünf Kriterien in höhere und niedrigere Werte eingeteilt (Krobath 2009, S. 81):
1. Ein Wert ist umso höher, je dauerhafter er ist.
2. Ein Wert ist umso höher, je weniger teilbar er ist.
3. Ein Wert ist umso höher, je weniger er durch andere Werte fundiert ist.
4. Ein Wert ist umso höher, je tiefer die Befriedigung ist, welche sein Fühlen begleitet.
5. Ein Wert ist umso höher, je weniger er relativ ist.
(Scheler 1921, S. 8891, 284)
Das bedeutet also, dass der Wert Seligkeit dauerhafter ist als Freude, weil diese nur kurz
andauert und somit auch einen höheren Wert hat. Liebe gehört laut Scheler zu den ewigen
Werten und ist somit einer der dauerhaftesten. Die Werte des Angenehmen, oder Werte wie
edel und gemein sind relativ, eine subjektive Wahrnehmung eines jeden Lebewesens und
haben folglich einen niedrigeren Rang als sittliche Werte (Krobath 2009, S. 8182).
Hartmann Nicolai stimmt den meisten Ansichten Schelers zu. Auch für ihn sind Werte
unabhängig von menschlichen Wertschätzungen und Bewusstsein. Diese sind laut Hartmann
auch durch „Wertfühlen“ zu begreifen, dadurch lässt sich aber bezweifeln dass sie objektiv
sind. Wie Scheler nimmt auch Hartmann eine Reihung der Werte vor, kritisiert aber Schelers
14
Rangordnung, da er meint, dass Werte multidimensional erfasst werden sollten. Außerdem
hält er es für „unmöglich, einen einzigen obersten Wert inhaltlich aufzuzeigen.“ (Hartmann
1926, S. 263) Aufgrund dessen erweitert Hartmann Schelers Rangordnung durch die
Wertstärke und stellt einen Zusammenhang zwischen der Höhe und der Stärke eines Wertes
her (Hartmann 1926, S. 547). „Heroismus z.B. ist ein höherer Wert als Vertrauenswürdigkeit
– ein Vertrauensbruch ist aber ein schwereres Vergehen als das Fehlen des Heroismus, das
vielleicht als menschliche Schwäche zu beklagen ist – umgekehrt ist die Bewunderung, das
moralische Verdienst, das in einer heroischen Tat liegt, weit größer, als das Verdienst, das
darin liegt, dass man jemandes Vertrauen nicht enttäuscht – Heroismus ist der höhere, aber
schwächere Wert – Vertrauen der niedrigere, aber stärkere Wert.“ (Krobath 2009, S. 86)
Spranger Eduard sah Werte als Lebensformen, die je nachdem welche Werterichtung bei
einer Person dominieren, einem Personentyp zugeordnet werden kann (Waschulewski 2002,
S. 30). Die Personentypen sind:
1. Der theoretische Mensch: Dieser Typus strebt nach Erkenntnis und Objektivität,
Affektlosigkeit, Regalhaftigkeit und Überzeitlichkeit (Waschulewski 2002, S. 53).
2. Der ökonomische Mensch: Diesem Personentyp sind besonders Nützlichkeit und
maximale Wirkung wichtig. Weitere Eigenschaften sind außerdem Sparsamkeit,
Klugheit und praktisches Handeln (Waschulewski 2002, S. 54).
3. Der ästhetische Mensch: Kernpunkte dieses Typus sind Eindruck, Ausdruck, Form,
Selbstgenuss und innere Form (Waschulewski 2002, S. 56).
4. Der soziale Mensch: Dieser Typus wendet sich fremdem Leben zu und fördert mit
Hilfe von Liebe und Zuwendung seine Entfaltung. Diese Lebensform beinhaltet
außerdem noch folgende Kernpunkte: Hinwendung zum Anderen, Liebe, Treue,
Selbsterweiterung, Selbstentwertung, Selbstbereicherung (Waschulewski 2002, S.
59).
5. Der Machtmensch: Dieser politische Mensch strebt nach Überlegenheit über andere.
Kernpunkte dieses Typus sind Selbstbejahung, Überlegenheit (über andere), Freiheit
und Selbstbeherrschung (Waschulewski 2002, S. 6162).
6. Der religiöse Mensch: Die Kernaspekte dieses Typus gelten für alle drei religiösen
Typen (immanenter Mystiker, transzendenter Mystiker und dualistisch religiöser
Typus) und lauten: Sittlichkeit, Erlösung und Offenbarung (Waschulewski 2002, S.
64).
15
In der Kindheit ist der Typus eines Menschen noch nicht feststellbar, in der Pubertät
herrschen meist die ästhetischen Einstellungen vor, doch danach entfaltet sich die innere
geistige Lebensform, die dann ein Leben lang vorherrschen und den Menschen bestimmen.
Nur im Alter kommt es häufiger dazu, dass von einem Typus zum religiösen Typus
übergegangen wird. Manchmal, räumt Spranger allerdings auch ein, kann ein Mensch nicht
einem Typus alleine zugeordnet werden und so gibt es auch Mischformen (Waschulewski
2002, S. 49).
Für Spranger, der den Begriff Wert nirgends genau definiert hat, geht es nicht um die Theorie
der Werte, sondern wie die Werte in den verschiedenen Typen gelebt und umgesetzt werden
(Waschulewski 2002, S. 24).
Dewey John, ein amerikanischer Philosoph meinte mit seiner pragmatischen Auffassung der
Wertphilosophie, dass Werte Instrumente der Lösung praktische Probleme sind und
„Werteurteile sind „problemlösend-hypothetisch, handlungsleitend, und – in ihren Folgen –
einer empirischen Überprüfung zugänglich.“ (Krobath 2009, S. 101).
Nach Nietzsche, Scheler und Dewey gab es Jahrzehnte lang eine angeregte Diskussion über
die Entstehung der Werte. Mit den dreißiger Jahren allerdings wurde sie leiser und mündete
schließlich bei Charles Taylor, einem kanadischen Philosophen und Politikwissenschaftler
(Joas, 2013, S. 195). Taylor sieht Werte als einen wichtigen Aspekt der Identität und die
Wünsche eines Menschen sind das Ausgangsmaterial (Krobath, 2009, S. 125126). Der
wichtigste Aspekt in seiner Wertetheorie ist die Unterscheidung zwischen starken und
schwachen Wertungen. Denn Menschen haben nicht nur Wünsche, sondern sogar Wünsche,
die sich auf ihre Wünsche richten (Joas, 2013, S.195, 200). „Sie können den Wunsch haben,
einen Wunsch zu haben oder nicht zu haben, und sie können den Wunsch haben, daß einer
ihrer Wünsche tatsächlich so strak sei, daß er ihren Willen bewegt.“ (Joas 2013, S. 201)
Jedem Wunsch liegt eine Bewertung zu Grunde, die entweder stark oder schwach sein kann.
Eine schwache Bewertung bei einem Wunsch kommt bei Wünschen vor, bei denen vor allem
das Ergebnis des Gewünschten zählt. Bei starke Bewertungen kommt es auf den qualitativen
Wert der unterschiedlichen Wünsche an und die Wünsche selbst werden dabei bewertet
(Krobath 2009, S. 125126). Laut Taylor ist kein Tier in der Lage Wünsche zweiter Stufe
auszudrücken, nur der Mensch hat die Fähigkeit zur reflektierenden Selbstbewertung (Joas
2013, S. 201).
16
Die erfolgte Darstellung der Philosophen bzw. Autoren, die sich mit der Entstehung von
Werten auseinander gesetzt haben ist nicht isoliert zu betrachten. Viele nehmen Bezug auf
vorhergegangene Autorinnen und Autoren und setzen deren Werke und Ansichten fort (Joas
2013, S. 195). Viele weitere Persönlichkeiten, die einen großen Beitrag zur Wertediskussion
beigetragen haben könnten hier noch behandelt und ihr Verständnis von Werten und wie sie
entstehen und zu beachten sind, erläutert werden.
4.1.Von der Antike bis zur Renaissance
Abgesehen davon, dass der Begriff Wert ein Erzeugnis der Ökonomik ist, befassten sich
schon frühere Philosophen mit Denkansätzen zum guten oder richtigen Leben und Handeln
(Krobath 2009, S. 21).
In der griechischen Antike stellte man sich die Frage nach dem Guten des Lebens. Die
Sophisten, etwa wie Protagoras lehnten eine bedingungslose Annahme von Werten und
deren abgeleiteten Gesetzen und Normen ab. Sie waren davon überzeugt, dass Werte in
Frage gestellt und sachlich und rational diskutiert werden können. So sollten sich die
Menschen frei davon machen, welche Auffassungen und Werte ihre Vorgänger hatten und
stellten die Religion und deren Götter als Welterschaffer und Bestimmer des Lebens der
Menschen in Frage (Nill 1992, S. 11931195).
Plato wiederum sprach von den vier Kardinaltugenden, die sich aus der Idee des Guten
herleitet. Für das Gute an sich, das die höchste Idee darstellt, muss auch die menschliche
Seele in innerer Harmonie sein, nur dann erfüllt man die Idee des ideellen Seins. Die vier
berühmten Kardinaltugenden sind: die Einsicht oder Weisheit, die Mannhaftigkeit, die
Besonnenheit und die Gerechtigkeit. Letztere stellt die höchste aller Tugenden dar
(Vorländer 1964, S. 102)
Aristoteles, ein Schüler Platons, bezog das Gute auf das menschliche Handeln und sah den
Zweck darin, nach dem obersten Gut, nämlich der Glückseligkeit zu streben. Er
unterscheidet zwischen Gütern und Tugenden die man sich aneignen sollte um ein
harmonisches und vernünftiges Leben führen zu können (Vorländer 1964, S. 129). Zu den
Gütern gehörten: „1. Die Entwicklung zur vollen Reife des Mannes (nicht Weibes!), 2.
Gewissen äußere Güter wie Gesundheit, Wohlhabenheit, schöne Gestalt, wenigstens als
Fördermittel, 3. Das Leben mit anderen im Staate“ (Vorländer 1964, S. 129). Die Tugenden
17
werden aufgeteilt in Tugenden des Denkens und Tugenden des Wollens bzw. in die
dianoetische Tugenden und die ethischen Tugenden (Krobath 2009, S. 21).
Laut Epikur ist ein Leben, das frei von körperlichen Schmerzen und negativer psychischer
Beeinträchtigung ist ein glückseliges Leben und das Ziel. Um dieses Ziel zu erreichen strebt
der Mensch nach beständiger Lust, nicht nach der kurzfristigen vergänglichen, sondern nach
dem obersten Wert, der bleibenden ausdrücklichen Lust des einzelnen (Vorländer 1964, S.
150; Krobath 2009, S. 22).
Die Skeptiker sahen das Ziel für ein gutes Leben ähnlich wie Epikur: ein Ideal ist der Zustand
der Seelenruhe der unter anderem durch emotionale Gelassenheit und das Weglassen von
Urteilen über Werte und Ziele im Leben zu erreichen ist (Krobath 2009, S. 23). Die hier
beschriebenen Zustände können zum Begriff Ataraxie zusammengefasst werde. Ataraxie ist,
laut Wörterbuch der philosophischen Begriffe, die: „Unerschütterlichkeit, die Seelenruhe,
die Leidenschafts- und Affektlosigkeit, der Gleichmut gegenüber Schicksalsschlägen“
(Kirchner et al. 2013, S. 74).
Nicht nur für Epikur und die Schule der Skeptiker war Ataraxie ein Ideal der menschlichen
Haltung, sondern besonders auch für die Stoiker, die den Begriff noch zur Apathie steigerten.
Der Wert des Lebens liegt ihnen zufolge darin, die Gleichgültigkeit aller Dinge und Güter
anzunehmen. Genauso wie frei zu sein von Leidenschaften wie Lust, Begierde, Furcht,
Trauer, Mitleid. Der einzige Wert, der zählt ist die Tugend, die lehrbar ist und zur
Glückseligkeit im stoischen Sinn führen kann; der einzige Unwert die Schlechtigkeit
(Vorländer
1964,
S.
145).
Gerechtigkeit,
Tapferkeit,
Selbstbeherrschung,
Selbstgenügsamkeit und Humanität sind Tugenden die an Plato und Aristoteles erinnern und
gleichzeitig auch die Grundlage für die Entstehung der „monopolartigen“ christlichen Wertund Tugendlehre bilden. Die drei göttlichen Tugenden sind Glaube, Hoffnung und Liebe
(Hillmann 2003, S. 1819).
Als Reaktion auf die Werte des Mittelalters erfolgte in der Zeit der Renaissance eine
Reformation, eine Neudeutung der Werte und Normen. Durch die Rückbesinnung auf die
klassische Antike mit ihren Idealen kam es in Kombination mit schweren Krisen zu
Entstabilisierung der moralischen und politischen Ordnung. Dadurch entstanden die für uns
immer noch bekannten Tugenden und Werte: Ordentlichkeit, Sparsamkeit, Fleiß,
18
Reinlichkeit und Pünktlichkeit, die wesentlich geprägt wurden durch die damaligen
religiösen Vertreter Martin Luther und Johannes Calvin (Hillmann 2003, S. 1920).
Im Zuge der Aufklärung mit ihrem Appell an die Vernunft (und die Nützlichkeit und
Menschlichkeit) manifestierten sich die noch bis heute gültige Werte laut Hillmann:
-
Humanität und Menschwürde
- Eigentumssicherung
-
Toleranz
- persönliches Glück
-
Individuelle Freiheit
- Vervollkommnung der Menschen
-
Gleichheit
- Fortschritt
(Hillmann 2003, S. 20)
Von da an, ungefähr im 19. Jahrhundert, wurde, wie im vorherigen Kapitel beschrieben, der
Begriff Wert in die Diskussion und damit auch in die Philosophie aufgenommen. Wie genau
es dazu gekommen ist, lässt Philosophinnen und Philosophen bis heute spekulieren.
Allerdings unterscheidet Krobath „drei Bereiche philosophischer Deutungsversuche“,
nämlich: „das Leben bzw. die Erfahrungswirklichkeit, die Geschichte und die Ethik.“ und
nennt als Vertreter Martin Heidegger und Hans Joas (Krobath 2009, S. 25). Ersterer war ein
Philosoph und scharfer Kritiker der Wertphilosophie. Der zweite, Hans Joas, in dieser Arbeit
schon öfters zitiert, ist ein deutscher Soziologe und Sozialphilosoph, der die Interpretation
vertritt, dass der Begriff des Guten sich zum philosophischen Begriff des Wertes verändert
hat (Krobath 2009, S. 28).
4.2. Die Entstehung von Werten in soziologischer Hinsicht
Die Frage nach der Entstehung von Werten kann nicht nur in der geschichtlichphilosophischen, sondern auch in der psychologischen, neurobiologischen und
soziologischen Perspektive betrachtet werden. Letztere untersucht die Entstehung von
Werten im Rahmen der Gesellschaft und deren Bedingungen. Geschichtlich gesehen hat sich
eine Entwicklung des Wertebegriffs vollzogen, indem das eine Verständnis von Werten, das
andere abgelöst hat. Solche Prozesse entstehen meist durch soziokulturellen Wandel, der
wiederum durch allgemeine Probleme wie wirtschaftliche Krisen oder einen Wandel der
Umweltbedingungen entsteht (Krobath 2009, S. 517519).
19
Die Bedingungen unter denen sich neue Werte festigen und verbreiten sind klar: Je besser
sie ihre Funktionen zur Orientierung erfüllen und zu einer Verbesserung der Lebensqualität
beitragen, umso eher werden sie akzeptiert. Allerdings ist meist Widerstand von
konservativen Gruppen oder Personen zu erwarten, die mit dem Wandel der Werte vor allem
befürchten, dass ihre Macht gefährdet ist und ihre partikulären Interessen unwichtig
geworden sind (Krobath 2009, S. 519520). Bei, unter anderem, hoher Überzeugungskraft
der neuen Werte, guter Kommunikationsstruktur und hohem Einfluss der Menschen, die die
neuen Werte unterstützen setzen sich die Werte schnell in der breiten Masse um. Dann folgt
die Festigung dieser mit Hilfe von Symbolen und Institutionalisierung, wobei die Werte in
Normen gewandelt und auch sanktioniert werden können (Krobath 2009, S. 519520).
Auf diese Weise sind Werte verschwunden, haben sich verändert und neue sind entstanden.
Es ist nun ersichtlich, dass die Entstehung von Werten von vielen Faktoren in verschiedenen
Kulturen beeinflusst wurde. Hillmann meint dazu, dass sich die Frage nach dem Ursprung
und der Entstehung wahrscheinlich gar nicht befriedigend beantworten lässt, da es nicht
möglich ist eine genaue Zeitskala aufzustellen in der die Werte mit ihren Ursprüngen,
Weiterentwicklungen und Auflösungen verzeichnet sind. Unter anderem gerade weil es
Werte schon so lange gibt, wie die Menschheit in Gesellschaften zusammenlebt und sich
Werte zusammen mit den soziokulturellen Lebensweisen entwickelt und verändert haben.
Außerdem ist es sehr schwierig „neue“ Werte an einen bestimmten Zeitpunkt festzumachen,
da die meisten sich aus schon bestehenden weiterentwickelt haben und die hohe Anzahl von
komplexen Faktoren, die beeinflusst und verursacht haben, zu identifizieren wäre.
Wird betrachtet, wann Menschen zu ihren Werten, also Vorstellungen und Überzeugungen
kommen, ist es laut Hillmann recht einfach, wenn der Blick auf das soziokulturelle Umfeld
und die persönliche Lebensgeschichte einer Person gerichtet wird. Durch Eltern, Großeltern,
Verwandte, Geschwister und Freunde werden Menschen sozialisiert und behalten sich, die
durch die Erziehung, Erfahrungen und Einsicht beim Lernen fundierten Werte, bei.
Teilweise werden Werte, Einstellungen und Anschauungen bewusst, damit sie nicht verloren
gehen, von einem Teil der Gesellschaft erhalten und gepflegt. Das bedeutet also, dass eine
moderne Gesellschaft immer noch einen Bezug zur geschichtlichen Entwicklung all dieser
genannten Begriffe hat, die früher schon von Verwandten und Vorfahren vertreten wurden
(Hillmann 2003, S. 89).
20
5. Ausgewählte traditionelle Ethiktheorien in Hinblick auf den Begriff
„Wert“
Angesichts der großen Menge an Veröffentlichungen, Interpretationen und Positionen ist es
schwierig einen Überblick herzustellen. Auf Grund dessen ist nur eine kleine Auswahl an
Ethiktheorien und Positionen vorgenommen worden, der primär eine Beschränkung auf
deutschsprachige Wertphilosophen und ihre Ansichten und Theorien vorausgegangen ist.
Diese traditionellen Ethiktheorien sind auch in gegenwärtigen Ethikdiskussionen noch
gültig, jedoch existieren viele unterschiedliche Ansätze, die sich neben den klassischen
Theorien herausgebildet haben (Krobath 2009, S. 51, 97).
5.1. Pflichtethik
Die bekannteste deontologische Ethik bzw. Pflichtethik ist die kantische Ethik. Immanuel
Kant war ein bedeutender Philosoph und wirkte zur Zeit der Aufklärung. Mit seinen Werken
„Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“, „Kritik der praktischen Vernunft“, „Metaphysik
der Sitten“ und „Kritik der Urteilskraft“ widmet sich Kant der Ethik, Religion und dem
moralischen Handeln (Hiemetzberger 2016, S. 4647). Der Pflichtbegriff laut Kant ist nicht
als unreflektiertes Befolgen von Normen und Gesetzen zu verstehen, sondern es geht um das
Befolgen der Gesetze, die sich ein Mensch nach eigenständigem und kritischen Prüfen,
selbst auferlegt hat. Für Immanuel Kant existiert nur der sittlich moralische Wert, der absolut
und unbedingt ist. Dieser Wert bezieht sich auf Personen und deren Willen. Aus diesem
Willen werden die Handlungen von Personen abgleitet. Kant meint, dass der moralische
Gehalt einer Handlung nur durch die Absicht des guten Willens zu beurteilen ist.
Entscheidend ist dabei, ob die Handlung der verpflichtenden Regel gemäß ist und ob sie
aufgrund dieser Verpflichtung begangen wird. Folglich ist eine Handlung moralisch richtig
(vorausgesetzt sie erfolgt unter „Aufbietung aller Mittel“), selbst wenn die Folgen der
Handlung nicht zum gewünschten Ergebnis führen; allein durch die Handlung aus gutem
Willen bzw. der Befolgung der Sittengesetze hat sie einen Wert an sich (Krobath 2009, S.
92; Hiemetzberger 2016, S. 4748).
Einer moralischen Handlung muss das Wissen vorrausgehen, was ethisch richtig ist. Der
Mensch unterscheidet sich vom Tier dahingehend, dass er die Gesetze der Natur (Triebe,
Begierde, Leidenschaft) überwinden kann, da er nicht nur Natur- sondern auch
Vernunftwesen ist. Dadurch ist er zu moralischem Handeln verpflichtet und kann sich selbst
21
seinen Gesetzen unterwerfen (Autonomie). Ein vernunftbegabter Mensch kann aus seinen
Eigenschaften, die den Charakter ausmachen, Gutes oder Schlechtes bewirken. Wenn diese
Eigenschaften von einem guten Willen gelenkt werden, so sind sie auch als gut zu
betrachten. Daraus folgt für Kant, dass der vernunftbegabte Mensch, die Pflicht hat, sich
immer wieder aufs Neue für das Richtige zu entscheiden (Hiemetzberger 2016, S.4648).
Alle anderen Werte, abgesehen vom guten Willen, haben ein geringeres Ansehen bei Kant.
Werte wie Verstand, Witz, Geist, Mut, Entschlossenheit und Beharrlichkeit können ohne
guten Willen schaden und Böses hervorbringen. Auch Werten wie Wohltätigkeit und
Dankbarkeit können keinen sittlichen Wert hervorbringen, wenn sie nicht aus der Pflicht
heraus verwirklicht werden (Krobath 2009, S. 9293). Allerdings kann ein guter Wille sich
nicht beliebigen Wünschen einer Person unterwerfen, denn ein guter Wille muss sich selbst
ein nicht-fremdbestimmtes Gesetz auferlegen. Es ist Voraussetzung, dass das Gesetz formal
ist und auch formale Merkmale, die universelle Form, erfüllt. Der kategorische Imperativ ist
das Gebot der Sittlichkeit und gilt als oberstes moralisches Prinzip, dass in allen möglichen
Situationen Gültigkeit hat. Dieses oberste Moralprinzip gilt unbedingt, uneingeschränkt und
ist universal und widerspruchsfrei (Kant und Weischedel 1997, BA 52; Hiemetzberger 2016,
S. 49).
Formel 1,
„(H)andle nur nach derjenigen Maxime, durch die du
Formel des allgemeinen Gesetzes:
zugleich wollen kannst, daß sie ein allgemeines
Gesetz werde.“
Formel 1a,
„Handle so, als ob die Maxime deiner Handlung
Formel des Naturgesetzes:
durch deinen Willen zum allgemeinen Naturgesetz
werden sollte.“
Formel 2,
„Handle so, daß du die Menschheit, sowohl in deiner
Formel des Zwecks-an-sich-selbst: Person, als in der Person eines jeden anderen,
jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel
brauchest.“
Formel 3,
„Handle so, daß der (dein) Wille durch seine
Formel der Autonomie:
Maxime
sich
selbst
zugleich
als
allgemein
gesetzgebend betrachten könne.“
22
Formel 3a,
„Handle so, als ob du durch deine Maxime jederzeit
Formel des Reichs der Zwecke:
ein gesetzgebendes Glied im allgemeinen Reich der
Zwecke wärst.“
Tabelle 3: Formulierungen des kategorischen Imperativs (nach Kant GMS, BA 52, BA 67, BA 76, 77)
Die oben stehenden drei Hauptformeln und zwei Unterformeln des kategorischen Imperativs
(siehe Tabelle 3), sind als gleichwertige Formeln des allgemeinen Gesetzes zu betrachten.
Problematisch bei der deontologischen Ethiktheorie ist, dass die Folgen einer Handlung
bewusst außer Acht gelassen werden bzw. dass bei ethischen Bewertungen nur die Qualität
einer Handlung, ohne Berücksichtigung der Folgen, betont wird (Lauber 2012, S. 258259).
5.2. Mitleidsethik
Nach dem Wörterbuch der philosophischen Begriffe ist Mitleid „ein auf den Mitmenschen
gerichtetes Gefühl, in dem die Teilnahme am Leiden anderer erlebt wird und die
Bereitwilligkeit, ihm zu helfen, mitschwingt;“ (Kirchner et al. 2013, S. 416)
Schon im Christentum wurde Mitleid und Mitgefühl in Zusammenhang mit den Werten
Liebe und Barmherzigkeit hoch gehalten und als göttliche Gnade gesehen. Auch für
Schopenhauer hat Mitleid eine große Motivationskraft und ist der Grundlegende Wert, auf
dem sich ein Gewissen aufbauen lässt. Allerdings kritisiert er in seinem Werk: Preisschrift
über die Grundlage der Moral, besonders die kantische Ethik und die christliche
Moralvorstellung (Pauer-Studer 2010, S. 177).
„Eine gute That, bloß aus Rücksicht auf das kantische Moralprincip vollbracht, würde im
Grunde das Werk eines philosophischen Pedantismus seyn, oder aber auf Selbsttäuschung
hinauslaufen, indem die Vernunft des Handelnden eine That, welche andere, vielleicht edlere
Triebfelder hätte, als das Produkt des kategorischen Imperativs und des auf nichts gestützten
Begriffs der Pflicht auslegte.“ (Schopenhauer 1977, S. 273) Es ist deutlich, dass
Schopenhauers Mitleidsethik in vielen wesentlichen Punkten Kant’s entgegengesetzt ist. Nur
das Mitleid und das Mitfühlen mit anderen sind für Schopenhauer die Grundlage der Moral
und das zentrales Element der Ethik. Durch das Empfinden von Mitleid wird der Mensch
erst zu einem moralischen Wesen (Pauer-Studer 2010, S. 99). Er formulierte den Vorsatz,
die Rechte jedes Menschen (und auch Tieres) zu achten nicht in sie einzugreifen und
außerdem nicht die Ursache für fremdes Leiden zu sein (Pauer-Studer 2010, S. 177).
23
Wiederum Schopenhauer entgegengesetzt, ist Nietzsches Auffassung von Mitleid als etwas
Geringschätziges. Obwohl Schopenhauer ein früheres Vorbild Nietzsches war, kritisiert er
die Mitleidsethik, den europäischen Buddhismus und tat Mitleid als Schwäche, Krankheit
und üble Eigenschaft ab (Joas 2013, S. 4142).
6. Ausgewählte gegenwärtige ethische Ansätze und Ethiktheorien
In der Pflege können, abgesehen von Theorien, auch Prinzipien als theoretisches Werkzeug
fungieren. Prinzipien helfen dabei, Argumente zu finden, wieso auf diese Art gehandelt
wurde und können helfen bei einem Problem zu einer guten Entscheidung zu kommen
(Lauber 2012, S. 270). Prinzipien sind Regeln, nach denen Entscheidungen getroffen
werden. Folgende ethische Prinzipien sind wichtig und hilfreich für die Pflegepraxis(Lauber
2012, S. 276):

„Autonomie:
Willens-
und
Handlungs-
bzw.
Entscheidungsfreiheit
des
pflegebedürftigen Menschen respektieren,

Wohltätigkeit: Pflegerisches Handeln auf das Wohlergehen des pflegebedürftigen
Menschen ausrichten und ihn vor Schaden bewahren,

Gerechtigkeit: Gleiches muss gleich, Ungleiches ungleich behandelt werden, z.B.
Pflegeleistungen an der Pflegebedürftigkeit ausrichten,

Aufrichtigkeit:
Nicht
lügen,
die
Wahrheit
sagen
(Grundlage
für
den
Beziehungsprozess zwischen Pflegeperson und pflegebedürftigem Menschen),

Loyalität: Treu zu jemandem stehen, z.B. Vertraulicher Umgang mit Informationen,
berufliche Schweigepflicht wahren.“
(Lauber 2012, S. 276)
Da deontologische Theorien oft als einseitig kritisiert wurden, wenden sich neuere und
aktuelle Ethiktheorien oft auch den Folgen einer Handlung zu (Lauber 2012, S. 259).
6.1. Care-Ethik
Care-Ethik ist aus der feministischen Ethik entstanden und Fürsorglichkeit und Anteilnahme
sind zentrale Punkte darin, wobei Gefühle und Beziehungen einen hohen Stellenwert
einnehmen (Hiemetzberger, 2016, S. 65).
24
Kemetmüller und Fürstler haben in ihrer Arbeit Carol Gilligan, eine amerikanische
Entwicklungspsychologin, zitiert. Sie fand mit Hilfe von Untersuchungen zur moralischen
Urteilsfähigkeit heraus, dass, ihrer Meinung nach, Frauen bei Entscheidungen eine andere
Moral zu Grunde liegt als Männern, nämlich die Ideale der Fürsorge (Care) und Empathie
(Gilligan1984, S. 112113). Mit dieser These hat Gilligan den Diskurs zur Care-Ethik
geebnet, obgleich sie keinen Lösungsvorschlag mitliefert. Care-Ethik wurde besonders im
angloamerikanischen Raum weiterentwickelt und wurde in vielen Ansätzen in Beziehung
mit den klassischen Ethiktheorien, aber vor allem der Tugendethik gesetzt (Hiemetzberger
2016, S. 68).
6.2.Verantwortungsethik
Im Rahmen der Verantwortungsethik wird versucht, alle Aspekte, die einer Handlung
anhaften bei der Bewertung einer Handlung miteinzubeziehen. Dabei spielen die Handlung
selbst und die Gesinnung eine wichtige Rolle, ebenso aber auch die vorhersehbaren Folgen
(Bayertz 1995, S. 40).
Weil der Mensch in der Lage ist, aus mehreren Möglichkeiten das Gute und Richtige zu
wählen, kann er auch für seine Taten verantwortlich gemacht werden. Das bedeutet, wenn
Jemand bereit ist Verantwortung zu übernehmen, ist er bereit eine Antwort zu geben bzw.
Rechenschaft abzulegen, wieso er so, wie er es getan hat, und nicht anders gehandelt hat
(Lauber 2012, S. 267). „Verantwortung besteht immer von jemandem (z.B. von
Pflegepersonen), für etwas (z.B. für Pflegehandlungen), vor einer Instanz (z.B. vor dem
eigenen Gewissen, vor pflegebedürftigen Menschen, vor dem Gericht), nach Maßgabe
bestimmter Kriterien (z.B. Fachwissen der Pflegewissenschaft).“ (Lauber 2012, S. 267)
Um für das eigene Handeln verantwortlich gemacht werden zu können, muss die handelnde
Person selbst die Handlung ausgeführt haben und diese Handlung muss auf eigenem Willen
und Wissen basieren. Ist dies nicht der Fall, wurde die Person also gezwungen oder genötigt
und hatte keine Wahl, so ist sie auch nicht voll verantwortlich, da sie keine Handlungsfreiheit
besessen hat (Lauber 2012, S. 267). Außerdem sind Fachwissen und Kommunikation mit
der pflegebedürftigen Person zur Entscheidungsfindung Voraussetzungen, wenn es um
verantwortliches Handeln im Pflegeberuf geht (Lauber 2012, S. 269). Weitere Bedingungen
um Verantwortung übernehmen zu können sind, neben Handlungsfreiheit, auch
Zurechnungsfähigkeit und Wahlfreiheit. Wahlfreiheit besteht, wenn eine Person mindestens
25
zwischen zwei Optionen wählen kann oder auch wenn sie zwischen Handeln und NichtHandeln entscheiden kann (Bayertz 1995, S. 48).
Die Arten der Verantwortung lassen sich, laut Lenk, in fünf Bereiche einteilen:
Handlungs(folgen)verantwortung,
Aufgaben-
oder
Rollenverantwortung,
Rechtsverantwortung, Gruppen- und Mitverantwortung und moralische Verantwortung.
Diese Arten der Verantwortung können nicht nur getrennt voneinander betrachtet werden,
da sie sich teilweise überlappen (Lenk 1998, S. 267283). Die Bereiche der Verantwortung
der verschiedenen Pflegeberufe sind im Gesundheits- und Krankenpflegegesetz klar
definiert. Sie schließen alle fünf oben genannten Verantwortungsbereiche mit den konkreten
Handlungen ein und beschreiben diese.
7. Pflegeethik
„Pflegeethik ist die Reflexion moralischer Aspekte der Pflegepraxis. Sie besteht nicht allein
aus der pflegerischen Berufsethik, sondern befasst sich als Kern der Ethik in der Pflege
umfassend mit moralischen Fragen beruflicher und nichtberuflicher Pflegepraxis.“ (Lay
2014, S. 107)
Laut Lay ist Pflegeethik in der Praxis der wichtigste Teil dieser Bereichsethik, da Pflege eine
intime Interaktion zwischen der Pflegeperson und der pflegebedürftigen Person erfordert.
Durch den Körperkontakt, der oft hergestellt wird und hergestellt werden muss, wie beim
Waschen und Ankleiden, ist die Beziehung zwischen Pflegepersonen und Patientinnen oder
Patienten eine andere als zwischen Ärztinnen oder Ärzten und Patientinnen oder Patienten.
Folglich kommt es häufiger als bei Ärztinnen und Ärzten, die eher mit instrumentellen und
mechanischen Interventionen an Patientinnen und Patienten arbeiten, durch die körperliche
und emotionale Nähe zu einer (mehr oder weniger freiwilligen) Vertrauensbeziehung oder
sogar zur persönlichen Vertrautheit. Die Pflege hat die Aufgabe sich der ständigen
Grenzüberschreitungen, da es sich bei der Pflege oft um ein Eindringen in die Intimsphäre
handelt, bewusst zu sein. Unreflektiertes Erlernen dieser Eingriffe und das folgende
routinehafte Ausüben demnach, kann zu einer nichttolerierbaren Verletzung der
Menschenwürde führen (Lay 2014, S. 118120). Deshalb ist es wichtig zu bedenken, dass
Ziele Bedürfnisse und Werte der Pflegepersonen und Patientinnen und Patienten jeden
Interaktionsprozess beeinflussen und eine Reflexion der Werte der Pflegeperson und das
26
Abfragen der Bedürfnisse und Werte (z.B. bei der Anamnese) der pflegebedürftigen Person
unabdingbar sind. Dies kann auch die Qualität der Pflege erhöhen (Lay 2014, S. 163).
Die Aufgaben der Pflegeethik sind einerseits Richtlinien zur Verfügung zu stellen, nach
denen pflegerisches Handeln ausgerichtet werden soll und andererseits Reflexion und
Argumente zu fördern um Situationen mit moralischen Problemen wahrnehmen zu können
(Hiemetzberger 2016, S. 85).
In der Pflege tauchen immer wieder moralisch problematische Fälle auf, die einer
systematischen Reflexion bedürfen. Im Alltag geht es darum, Situationen zu schaffen, damit
sich Pflegepersonen und Patientinnen oder Patienten in einem Umfeld begegnen, indem es
möglich ist, respektvoll und vertrauenswürdig miteinander umzugehen (Fahr 2000, S.
640675). Laut Jonas muss, um das Ziel, Gesundheit wiederherzustellen, zu erreichen,
einige Regeln beachtet werden, die Uwe Fahr so erweitert, dass sie nicht nur Ärztinnen und
Ärzte sondern auch Angehörige der Pflege ansprechen.
1. „Der Patient erwartet und muss vertrauen können, dass die Behandlung ihn allein im
Auge hat.“ (Jonas 1987, S. 148)
2. „Der Wert einer Person darf kein differenzierender Maßstab für seine Bemühungen
um den Körper werden.“ (Jonas 1987, S. 149)
Zwischen Patientin oder Patient und Ärztin oder Arzt (oder der Pflegeperson) besteht eine
exklusive Beziehung, die wichtiger ist als andere Interessen und die eine Besinnung darauf,
was der Patientin oder dem Patienten wichtig ist, fordert. (Fahr 2000, S. 670). In der
Pflegeethik bilden Werte wie Autonomie, Fürsorge, Gerechtigkeit und Verantwortung die
Grundlage für systematische Reflexion der Handlungsfelder in der Pflege. Der aktuelle
Schwerpunkt pflegeethischer Diskurse liegt demnach auf der Beziehung zwischen der
Pflegeperson und der pflegebedürftigen Person und deren Angehörigen. Moralisches
Handeln ist erst seit Mitte der 80er Jahre zum Thema der Pflegeethik geworden (Lauber
2012, S. 261).
Fry hat in ihrer Arbeit für den Internationalen Pflegerat (ICN) den geschichtliche Wandel
der Rolle der Krankenschwester in der Pflege beschrieben. Aus der gehorsamen Helferin
(oder dem Helfer) des Arztes (oder der Ärztin) hat sich ein eigenständiger Beruf bzw. eine
Berufung entwickelt, die unabhängige und ethische Entscheidungen durch die gewonnene
27
Eigenständigkeit und die daraus resultierende Eigenverantwortung, verlangt (Fry 1995, S.
5253). Diese Entwicklung wurde von Berufsverbänden der Pflege gefördert und durch
Berufskodizes verbreitet (Lauber 2012, S. 262).
7.1. Berufskodex
Die geltenden Werte und Normen einer Gesellschaft beeinflussen zum größten Teil wie
Menschen handeln. Die persönlichen Werte bzw. das persönliche Wertesystem fließen auch
in den Beruf ein und ergeben die beruflichen Werte und Normen. Dabei handelt es sich um
jene Orientierungsleitlinien und –standards, die die Werte wiederspiegeln, die als wichtig
und maßgeblich für das Handeln in dieser Berufsgruppe erachtet werden. Zum Schutz der
Werte und Normen wurden diese in einem Berufskodex festgeschrieben. Berufskodizes, die
auch als Ethik-Kodizes bezeichnet werden, machen durch die Prinzipien und Regeln die
enthalten sind deutlich, was das Ziel einer Berufsgruppe ist und geben eine
Orientierungshilfe für berufliches Handeln (Lauber 2012, S. 262263).
Das erste Dokument, ein Vorläufer des ICN-Ethikkodex, ist das Florence-NightingaleGelübde, indem das Verhalten der Pflegeperson definiert wurde (Hiemetzberger 2016, S.
8586): „Ich gelobe feierlich vor Gott und in Gegenwart dieser Versammlung, dass ich ein
reines Leben führen und meinen Beruf in Treue ausüben will. Ich will mich alles
Verderblichen und Bösen enthalten und will wissentlich keine schädlichen Arzneien nehmen
und verabreichen. Ich will alles tun, was in meiner Macht steht, um den Stand meines
Berufes hochzuhalten und zu fördern, und will über alle persönlichen Dinge, die mir
anvertraut werden, Schweigen bewahren; ebenso über alle Familienangelegenheiten, von
denen ich in der Ausübung meines Berufes Kenntnis hatte. In Treue will ich danach streben,
dem Arzte in seiner Arbeit zu helfen, und mich ganz einsetzen für das Wohl derer, die meiner
Pflege anvertraut sind.“ (Hiemetzberger 2016, S. 86).
7.2. ICN-Ethikkodex
Der internationale Ethikkodex ist 1953 erstmals vom ICN (International Council of Nurses)
verabschiedet worden und ist der bekannteste Berufskodex im Pflegebereich. Pflegende
haben vier grundsätzliche Aufgaben: „Gesundheit zu fördern, Krankheit zu verhüten,
Gesundheit wiederherzustellen, Leiden zu lindern.“ (International Council of Nurses ICN
2014, S. 1).
28
Dieser Kodex beinhaltet, dass Pflegende (in Österreich gehören dazu diplomierte
Gesundheits- und Krankenschwestern/-pfleger, diplomierte Kinderkrankenschwestern/pfleger und diplomierte psychiatrische Gesundheits- und Krankenschwestern/-pfleger) die
Menschenrechte achten müssen. Dazu gehören kulturelle Rechte, das Recht auf Leben,
Entscheidungsfreiheit, Würde und das Recht auf respektvollen Umgang. Außerdem muss
Pflege ohne Wertung erfolgen (Alter, Hautfarbe, Glaube, Kultur, Behinderung,
Geschlecht,…). Pflegepersonen sind dazu angehalten ihren Beruf zum Wohle anderer
Menschen auszuüben, egal ob Einzelperson, Familie oder Gemeinschaft. (International
Council of Nurses ICN 2014, S. 1).
Viele Werte, die im ICN-Ethikkodex verankert sind, sind ebenfalls in der Allgemeinen
Erklärung der Menschenrechte zu finden. Menschenrechte sind laut Wörterbuch der
philosophischen Bergriffe: „unveräußerliche, weil mit der Würde der Person untrennbar
verbundene
Rechte
auf
Anerkennung
und
Achtung
ihrer
wesentlichen
Existenzbedingungen.“ (Kirchner et al. 2013, S. 408). Dabei gelten, unter anderem, folgende
Werte und Rechte, laut Bundesministerium für Europa, als die wichtigsten bürgerlichen und
politischen Rechte:

Recht auf Leben, Freiheit, und Sicherheit

Recht auf ein faires Gerichtsverfahren

Schutz des Privat- und Familienlebens

Bewegungsfreiheit

Meinungs- und Religionsfreiheit

Versammlungs- und Vereinsfreiheit

Wahlrecht
(Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres)
Ziel des ICN-Kodex bzw. der Gemeinschaft des Weltbundes der Krankenschwestern und
Krankenpfleger ist es, hohe Qualität in der Pflege zu gewährleisten und in der
Gesundheitspolitik zielführend mitzuwirken. Daher ist eine regelmäßige Reflexion und
Überprüfung, so wie es der ICN ausübt, von hoher Wichtigkeit. Das Geforderte muss im
Einklang mit der heutigen Zeit stehen und den gegenwärtigen Ansprüchen der Gesellschaft
und Pflegeforschung entsprechen Der Kodex umfasst vier Elemente: Pflegende und ihre
29
Mitmenschen, Pflegende und die Berufsausübung, Pflegende und die Profession und
Pflegende und ihre Kolleginnen (International Council of Nurses ICN 2014, S. 12).
Pflegende und ihre Mitmenschen:
„Die grundlegende professionelle Verantwortung der Pflegenden gilt dem pflegebedürftigen
Menschen.“ (International Council of Nurses ICN 2014, S. 2) Die Pflege hat unter anderem
die Aufgaben, Pflegebedürftige zu informieren, vertraulich mit Informationen von Personen
umzugehen und im Zuge der Pflege ein Umfeld zu schaffen, indem die pflegebedürftigen
Personen mit ihren Wertvorstellungen, ihrem Glauben und ihren Sitten und Gewohnheiten
respektiert werden. „Die Pflegeperson zeigt in ihrem Verhalten professionelle Werte wie
Respekt, Aufmerksamkeit und Eingehen auf Ansprüche und Bedürfnisse, sowie Mitgefühl,
Vertrauenswürdigkeit und Integrität.“ (International Council of Nurses ICN 2014, S. 2)
Pflegende und die Berufsausübung:
Hier schließt der ICN-Kodex durch die allgemeine Formulierung viele Punkte ein, die die
Pflege auch hinsichtlich ihres Handelns und Verhaltens während der Ausübung des Berufes
zu beachten hat. „Die Pflegende ist persönlich verantwortlich und rechenschaftspflichtig für
die Ausübung der Pflege sowie für die Wahrung ihrer fachlichen Kompetenz durch
kontinuierliche Fortbildung. Die Pflegende achtet auf ihre eigene Gesundheit, um ihre
Fähigkeit zur
Berufsausübung nicht zu beeinträchtigen. Die Pflegende beurteilt die
Fachkompetenzen der Mitarbeitenden, wenn sie Verantwortung delegiert. Die Pflegende
achtet in ihrem persönlichen Verhalten jederzeit darauf, ein positives Bild des Pflegeberufes
zu vermitteln und das Ansehen sowie das Vertrauen der Bevölkerung in den Pflegeberuf zu
stärken. Die Pflegende gewährleistet bei der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit, dass der
Einsatz von Technologie und die Anwendung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse
vereinbar sind mit der Sicherheit, der Würde und den Rechten der Menschen. Die Pflegende
strebt danach, in der beruflichen Praxis eine Kultur ethischen Verhaltens und offenen
Dialoges zu fördern und zu bewahren.“ (International Council of Nurses ICN 2014, S. 3)
Pflegende und ihre Profession:
„Die Pflegende beteiligt sich an der Entwicklung und Aufrechterhaltung von zentralen
professionellen Werten.“ (International Council of Nurses ICN 2014, S. 3) Außerdem sollen
sich Angehörige des Pflegeberufs dafür einsetzen, dass eine positive Arbeitsumgebung
30
geschaffen wird, ein ethisch verantwortliches Arbeitsumfeld und dass sichere, sozial
gerechte und wirtschaftliche Arbeitsbedingungen in der Pflege herrschen. Weiters ist die
Pflege unter anderem dazu angehalten, die Umwelt zu schonen und zu bewahren, weil sie
sich der Bedeutung der Umwelt für die Gesundheit bewusst ist.
Pflegende und ihre Kolleginnen:
In diesem Absatz geht es vorwiegend um die Zusammenarbeit Angehöriger des Pflegeberufs
mit ihren Kolleginnen und Kollegen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus anderen
Bereichen. Diese Zusammenarbeit soll gut und respektvoll von statten gehen. Auch haben
Angehörige des Pflegeberufs die Aufgabe einzugreifen, um den Schutz von Einzelnen, einer
Familie oder einer sozialen Gemeinschaft zu gewährleisten (International Council of Nurses
ICN 2014, S. 3). Und: „Die Pflegende ergreift geeignete Schritte, um Mitarbeitende bei der
Förderung ethischen Verhaltens zu unterstützen und zu leiten“ (International Council of
Nurses ICN 2014, S. 4)
7.3. Gesundheits- und Krankenpflegegesetz
„Angehörige der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe haben ihren Beruf ohne
Unterschied der Person gewissenhaft auszuüben. Sie haben das Wohl und die Gesundheit
der Patienten, Klienten und pflegebedürftigen Menschen unter Einhaltung der hierfür
geltenden Vorschriften und nach Maßgabe der fachlichen und wissenschaftlichen
Erkenntnisse und Erfahrungen zu wahren.“ (Weiss, Lust 2014, S. 5758)
Dabei spielen ethische, rechtliche, interkulturelle, psychosoziale und systemische Faktoren
eine wichtige Rolle. Schwerpunkte des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes sind unter
anderem
Berufsrechte
Verschwiegenheitspflicht,
Fortbildungspflicht
und
und
Berufspflichten,
Anzeige-
und
Aufklärungspflicht
in
die
Regelungen
Meldepflicht,
(Weiss,
Lust
2014,
fallen
wie:
Auskunftspflicht,
S.
4.).
Die
Verschwiegenheitspflicht hat eine hohe Bedeutung hinsichtlich des Datenschutzes und ist
notwendig um ein Vertrauensverhältnis zur Patientin oder zum Patienten aufzubauen. Dieses
Vertrauensverhältnis ist grundlegend für die Ausübung des Berufes (Weiss, Lust 2014, S.
66).
Außerdem
unterscheidet
das
Gesetz
bei
den
Tätigkeitsbereichen
zwischen:
eigenverantwortlichem, mitverantwortlichem und erweiterten Tätigkeitsbereich, sowie
31
lebensrettende Sofortmaßnahmen (Weiss, Lust 2014, S. 5). Der eigenverantwortliche
Tätigkeitsbereich umfasst unter anderem die Erhebung der Pflegebedürfnisse und
Beurteilung der zu Verfügung stehenden Ressourcen, die Pflegeplanung und –durchführung,
die Pflegeevaluation und die Anleitung und Überwachung des Hilfspersonals. Außerdem ist
die Pflege dazu angehalten Informationen bezüglich gesundheitsfördernden Maßnahmen an
die Patientin oder den Patienten zur Krankheitsvorbeugung weiterzugeben (Weiss, Lust
2014, S. 8586). Eigenverantwortliches Handeln bedeutet, dass die Pflegeperson nicht nur
die fachliche Weisungsfreiheit besitzt, sondern auch, dass sie für Schaden durch nicht
fachgerechtes Handeln zur Rechenschaft gezogen wird. Dafür ist es wichtig die eigenen
Grenzen der fachlichen Kompetenz zu kennen und zu wissen, wann sie aufgrund eines
fehlenden Könnens, oder durch physische oder psychische Faktoren, Tätigkeiten abzulehnen
hat (Weiss, Lust 2014, S. 8687).
In ihrem Buch: Ethik denkenMaßstäbe zum Handeln in der Pflege, beschreibt Arndt das
Prinzip der Verantwortung im ethischen Sinne. Jeder und Jede hat die Freiheit persönlich zu
entscheiden, allerdings muss dabei auch Jede oder Jeder die Verantwortung für sein oder ihr
Handeln übernehmen. Das Handeln wird von den Entscheidungen für moralische Werte
geleitet (Arndt 2007,S. 68). Außerdem sind die Prinzipien einer Ethik der Verantwortung
laut Arndt: „Werte des Lebens/Achtung vor dem Leben“, „das Gute/das Richtige“,
„Wahrheit/Ehrlichkeit“ und „individuelle Freiheit/persönliche Selbstbestimmung“. (Arndt
2007, S. 66). „Was in der Ethik als Autonomie oder Selbstbestimmung bezeichnet wird,
deckt sich weitgehend mit dem rechtlichen Begriff der Urteilsfähigkeit.“ (Bachmann 2013,
S.14).
Selbstbestimmung ist laut Wörterbuch der philosophischen Begriffe: „eine innere
Willenshaltung, aus der heraus Triebe und Affekte unter die Herrschaft des Willens gestellt
werden.“ (Kirchner et al. 2013, S. 596)
„Das Prinzip der Autonomie muss verstanden werden als Prinzip des Respektes vor der
Personenwürde einzelner Menschen. Das heißt auch in Krisensituationen können wir
Patienten das Recht und die Fähigkeit zur mündigen Entscheidung nicht vorenthalten; das
heißt auch manchmal ihnen dieses Recht als Pflicht aufzubürden.“ (Arndt 2007, S. 54).
Bei der Betrachtung von solchen Prinzipien, wie dem der Verantwortung, der Autonomie
oder dem Prinzip der Wahrheit und Ehrlichkeit ist es wichtig, sich auch immer die
32
Grundwerte vor Augen zu führen. Zum Beispiel der Wert des Lebens, Lernen und Wissen
und die Entscheidungsfreiheit (Arndt 2007, S. 66). Denn in der Pflege kommt es immer
wieder zu Situationen, in denen unterschiedliche Werte miteinander verglichen und
gegeneinander abgewogen werden müssen, um folglich eine gute Entscheidung treffen zu
können. Bei diesem Prozess werden auch Gesetze, Vorschriften und Regeln auf ihre
Gültigkeit hin überprüft. Erst Verantwortung über Entscheidungen zu übernehmen und das
Überprüfen der eigenen ethischen Gesetze schaffen autonome Menschen (Arndt 2007, S.
34). „Diese Autonomie macht eine freiheitliche Würde unseres Menschseins aus.“ (Arndt
2007, S. 34)
Die Freiheit ist in der Ethik ein wichtiges und oft diskutiertes Thema und
Freiheitsbeschränkung in der praktischen Pflege ein ebenso hitzig diskutiertes. Geregelt ist
die Anordnung der Freiheitsbeschränkung im Heimaufenthaltsgesetz. „Gemäß § 3
HeimAufG liegt eine Freiheitsbeschränkung vor, wenn eine Ortsveränderung einer betreuten
oder gepflegten Person gegen oder ohne ihren Willen mit physischen Mitteln, insbesondere
durch mechanische, elektronische oder medikamentöse Maßnahmen oder durch deren
Androhung unterbunden wird.“ (Weiss, Lust 2014, S. 104). Eine Anordnung zur
Freiheitsbeschränkung kann nur durch eine befugte Person durchgeführt werden. Wenn die
Freiheitsbeschränkung länger als 48 Stunden dauert oder in diesem Zeitraum immer wieder
notwendig war, muss der oder die Leiterin der Einrichtung ein ärztliches Zeugnis beantragen
lassen, dass die geistige Behinderung oder psychische Krankheit der eingeschränkten Person
bezeugt. Und nur wenn im Zusammenhang mit dieser Behinderung oder Krankheit eine
Gefährdung des Lebens oder Gesundheit der Patientin oder des Patienten, oder einer anderen
Person vorliegt, darf eine Freiheitsbeschränkung durchgeführt werden. Vorher sollten aber
alle anderen Maßnahmen erschöpft sein; außerdem ist auf die bestmöglichste Schonung der
Patientin oder des Patienten zu achten (Weiss, Lust 2014, S. 104105).
7.4. Wertekatalog der Werte im GuKG und ICN-Ethikkodex
Es folgt eine tabellarische Auflistung der Werte (Tabelle 4), die entweder im Gesundheitsund Krankenpflegegesetz oder im ICN-Ethikkodex, oder in beiden, verankert sind. Die
Tabelle ist ein Auszug der Werte, vorgenommen von der Autorin dieser Arbeit, aus „Der
Hillmann’sche Wertekatalog“ und beinhaltet nur (positive) Werte, die in der Pflege eine
Bedeutung haben. Im Anhang ist zum Vergleich der originale und vollständige Katalog laut
Hillmann hinzugefügt.
33
Grundwerte:
Menschenwürde,
Freiheit,
Toleranz,
Gleichheit,
Gerechtigkeit,
Gemeinwohl
Ehrlichkeit:
Aufrichtigkeit,
Offenheit
Hilfsbereitschaft:
Fürsorge,
soziales Engagement,
Kooperationsfähigkeit
Rücksichtnahme:
Achtung vor Mitmenschen,
Respekt,
Einfühlungsvermögen,
Verständnis
Solidarität:
Nächstenliebe
Gemeinsinn:
Gemeinwohl,
Gemeinschaftssinn,
Zusammengehörigkeitsgefühl
Liebe:
Mitgefühl,
34
Mitleid,
Anpassungsfähigkeit und –bereitschaft,
Friedfertigkeit
Verantwortung:
Verantwortungsbewusstsein
Anstands- und Höflichkeitswerte:
Umgangsformen,
gutes Benehmen,
Höflichkeit,
Respekt vor Älteren,
Unbestechlichkeit,
Korrektheit
Konservative Werteorientierung:
Unterordnung unter Lehrer,
Hörigkeit
Idealistisch- nichtmaterialistische
Vernünftigkeit,
Wertorientierung:
Rationalität,
„kein materielles Denken“
Individualistische Wertorientierung:
Gesundheit,
Wohlergehen,
Autonomie,
Emanzipation,
35
Eigenständigkeit,
Selbstständigkeit,
Eigeninitiative,
Gefühlsbejahung,
Kritikfähigkeit,
Aufgeschlossenheit,
Zivilcourage,
Sensibilität,
gesellschaftliche Anerkennung,
soziales Ansehen
Ökologische Wertorientierung:
Ehrfurcht vor dem Leben,
Achtung des Lebens,
Achtung vor Mensch, Tier und Natur,
Lebensqualität,
Ressourcenschonung
Tabelle 4: Wertekatalog: Werte im GuKG und ICN-Kodex (unvollständig) (nach Hillmann 2003, S. 188279)
36
8. Zusammenfassende Darstellung
Auf die Frage nach dem Ursprung und der Entstehung von Werten, kann gesagt werden,
dass der Begriff „Wert“ aus der Wirtschaft des 18. Jahrhundert stammt, im Kontext der
Philosophie und außerhalb der Ökonomik wurde er im 19. Jahrhundert verwendet und von
da an gelangte er in die internationale Verwendung und folglich in den öffentlichen und
allgemeinen Gebrauch des 20. Jahrhunderts. Hauptsächlich orientiert an den Werken von
Hans Joas und Hermann T. Krobath, sind Autorinnen und Autoren, wie Lotze, Scheler,
Nietzsche, Hartmann, Spranger und Dewey, ausgewählt worden, die sich mit dem
Wertebegriff, der Wertetheorie, der Entstehung von Werten und deren Interpretation
beschäftigt haben. Abgesehen von der Verwendung des Begriffs Wert, befassen sich schon
frühere Philosophen, von Protagoras, Plato und Aristoteles über die Schule der Epikur bis
hin zum Mittelalter und seinen Vertretern Luther und Calvin, mit Denkansätzen zum guten
oder richtigen Leben und Handeln.
Die traditionellen (Ethik-)Theorien wie Mitleidsethik und Pflichtethik, finden auch heute
noch Gebrauch in Diskussionen über richtiges und ethisches Handeln. Außer den klassischen
Theorien, gibt es auch noch die gegenwärtigen ethischen Ansätze zur Care-Ethik und
Verantwortungsethik. In der Pflegeethik bilden Werte wie Autonomie, Fürsorge,
Gerechtigkeit und Verantwortung die Grundlage für systematische Reflexion der
Handlungsfelder in der Pflege. Grundlegende Richtlinien, wie Berufs- und Ethikkodizes
werden in der Pflegeethik angewendet und Konflikte, Probleme und Werte reflektiert um
fundierte Argumente zu erarbeiten und des Handelns zu begründen.
Der ICN-Ethikkodex mit all seinen einzelnen Elementen (Pflegende und ihre Mitmenschen,
Pflegende und die Berufsausübung, Pflegende und die Profession und Pflegende und ihre
Kolleginnen) hat eine Vielzahl sozialer Werte verankert, auf denen der Kodex aufbaut.
Verantwortung, Vertrauenswürdigkeit, Respekt, Aufmerksamkeit und Eingehen auf
Ansprüche
und
Bedürfnisse,
sowie
Mitgefühl,
Integrität,
Gerechtigkeit
und
Umweltbewusstsein sind ein paar der Werte, die dazu gehören.
Auch dem Gesundheits- und Krankenpflegegesetz liegen Werte zu Grunde, wie
Verschwiegenheit, Verantwortung, Autonomie, Selbstbestimmung, Entscheidungsfreiheit
und Freiheit, die, eingebettet in Gesetzesnormen, einzuhalten sind.
37
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Aktualität der ‚Lebensformen‘. MünschenBerlin: Waxmann. In: Krobath, Hermann
T.(2009): Werte. Ein Streifzug durch Philosophie und Wissenschaft. Würzburg:
Königshausen & Neumann, S. 88–92.
Weiss, Susanne; Lust, Alexandra (Hg.) (2014): Gesundheits- und Krankenpflegegesetz.
GuKG ; samt ausführlichen Erläuterungen. 7., überarb. und aktualisierte Aufl. Wien: Manz
(Manzsche Gesetzesausgaben, Nr. 95).
Tabellen
Tabelle 1: Struktur ethischer Reflexion nach Schröder-Bäck, Peter (2014): Ethische
Prinzipien für die Public-Health-Praxis. Grundlagen und Anwendungen. Frankfurt am Main:
Campus-Verl. In: Hiemetzberger, Martina (2016): Ethik in der Pflege. 2., überarbeitete
Auflage. Wien: Facultas, S. 160.
41
Tabelle 2: Ziele Aufgaben und Funktion der Ethik nach Lay, Reinhard (2014): Ethik in der
Pflege:
Ein
Lehrbuch
für
die
Aus-,
Fort-
und
Weiterbildung:
Schlütersche
Verlagsgesellschaft mbH & Company KG, S. 40.
Tabelle 3: Formulierungen des kategorischen Imperativs Kant, Immanuel: Gesammelte
Schriften. Akademie-Ausgabe Band IV. In: Wilhelm Weischedel (Hg.): Grundlegung zur
Metaphysik der Sitten. In: Pauer-Studer, Herlinde (2010): Einführung in die Ethik. 2.
Auflage. Wien: Facultas.wuv (UTB Philosophie, 2350), BA 52, BA67, BA 76, 77.
Tabelle 4: Wertekatalog: Werte, im GuKG und ICN-Kodex (unvollständig) nach Hillmann
2003, S. 188279. In: Krobath, Hermann T. (2009): Werte. Ein Streifzug durch Philosophie
und Wissenschaft. Würzburg: Königshausen & Neumann, S. 549–551.
Abbildungen
Abbildung
1:
Bereiche
der
Ethik
(veröffentlicht
von
Rasche
Annaliesa)
http://slideplayer.org/slide/897864/, zuletzt geprüft am 23.10.2016.
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10. Anhang
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