Bez + Kock Architekten BDA Entwurfserläuterung Sanierung und Erweiterung der Oberösterreichischen Landesbibliothek Linz Leitgedanken Die vorgesehene Sanierung und Erweiterung der Oberösterreichischen Landesbibliothek Linz geschieht nicht nur vor dem Hintergrund einer einfachen Ausdehnung der Bestände, sondern ermöglicht vor allem die dringend notwendige inhaltliche Wandlung von der Magazinbibliothek mit eher archivarischem Charakter zur leser- und kundenorientierten Freihandbibliothek Diese inhaltliche Neuorientierung verlangt eine ihr entsprechende baulich-räumliche Umsetzung, die vor allem im Hinblick auf den Wunsch nach großen, zusammenhängenden und damit übersichtlichen Regalstellflächen im Altbau nicht ohne weiteres realisierbar erscheint. Es ist deswegen das Ziel dieses Entwurfes diese Flächen vorwiegend im Erweiterungsbau unterzubringen, dem ehrwürdigen Altbau gleichsam ein „gebautes Regal“ zur Seite zu stellen und so den Bestand nur mit den Nutzungen zu belegen, die seiner Grundrissstruktur angemessen sind. Formales Ziel für eine derartige Aufgabe muss nach unserer Auffassung sein, einen Begleiter für den Altbau zu entwerfen, der zwar einerseits selbstbewusst seine Aufgabe hinsichtlich Funktion und Städtebau wahrnimmt, aber andererseits das Primat des Bestandes unangetastet lässt. Deswegen wird in der Formulierung des neuen Baukörpers bewusst nicht das additive Prinzip des Altbaues wiederholt, sondern die Erscheinung eines aus einem Stück gefertigten „Passstückes“ angestrebt. Dadurch wird eine Konkurrenzsituation zwischen Neu und Alt vermieden, das Neue bildet einen ruhigen Hintergrund für das markante Altgebäude, es passt wie der Schlüssel zum bereits vorhandenen Schloss. Gebäudekonzept/Funktion Die Form des Passstückes ergibt sich aus den Grundstücksgrenzen, den städtebaulich erforderlichen Abstandsflächen sowie der hofseitigen Aussenkontur des Altbaues. Verbunden werden die beiden Bauteile über eine Fuge, die den jeweiligen Situationen entsprechend als Arbeitsplatzzone, als Bediengang, als Verglasung oder in der Mitte des Hauses als ein vom bisherigen Innenhof abgeleiteter Luftraum über der zentralen Infotheke, der „Drehscheibe“, ausgebildet ist. Dabei nimmt der Altbau mit seinen Einzelräumen die Funktionen auf, die abgeschlossener Räume bedürfen, während der Neubau praktisch ausschließlich als Regalstellfläche dient. So kann die Grundrissstruktur des Altbaues erhalten bleiben und trotzdem dem Gesamtziel einer neuen, offenen Bibliothek dienen. Die wertvolle Haupttreppe des Altbaues bleibt die zentrale Treppe der neuen Bibliothek. Das Treppenhaus wird im Luftraum des Innenhofes freigestellt. So bleibt die früher außenräumliche Situation spürbar und das Treppenhaus mit seinen Zierverglasungen wird selbst zum Ausstellungsstück. Der Bücherspeicher bleibt in Funktion und Ausbau erhalten und wird dem Publikum zugänglich gemacht. Die dort vorhandenen räumlichen Charakteristika werden damit erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Nur im Erdgeschoss werden die Speicherregale ausgedünnt und der Nutzung durch die Shops angepasst. Der Festsaal mit seiner barocken Ausstattung wird seiner Bedeutung gemäß als beaufsichtigter Handschriftenlesesaal vorgesehen. Im Bereich des zweigeschossigen Ostflügels an der Ederstrasse, wo entsprechend den vorhandenen Dachdeckenstärken wohl auch der Erbauer des Bestandsgebäudes mit einer Aufstockung gerechnet hat, wird ein massvolles, um ca. 4 m von der Bestandstraufe Bez + Kock Architekten BDA Seite 2 zurückversetztes, zusätzliches Bibliotheksgeschoss angeordnet. Durch den Rücksprung lässt dieser Bauteil die Baumassenentwicklung des Bestandes unbeeinflusst und ist aus der Fussgängerperspektive nicht zu sehen. Im Inneren erreicht der Besucher, nachdem er den bestehenden Haupteingang passiert hat, die neue zenital belichtete Halle, die Drehscheibe der Bibliothek. Hier, an der zentralen Informationstheke, wird er empfangen, hier kann er sich orientieren, alle wichtigen Teile der Bibliothek sind auf kurzem Wege erreichbar. Angelagert an die zentrale Halle sind im Erdgeschoss Ausstellungs- und Vortragsbereich, das Cafe, die beiden Shops, sowie der Medien und Schulungsbereich für das Publikum. Diese Bereiche sind alle ohne passieren der Buchsicherung erreichbar, was eine grosse Flexibilität der Verwendung z. B. hinsichtlich Öffnungszeiten ermöglicht. Die Haupttreppe des Altbaues befindet sich innerhalb der Buchsicherungsanlage, die im EG durchschritten wird und erschließt auf den Geschossen die um den Innenhof/Luftraum angelagerten Rundgänge. Direkt am Antritt bzw. Austritt in den jeweiligen Geschossen befinden sich die Entlehnbereiche mit Selbstverbuchung, an denen auch der Buchaufzug aus den Magazinbereichen endet. Durch die Nutzung der beiden Haupträume des Bestandes als Lesesäle, entsteht sehr selbstverständlich ein Zonierung des Gebäudes, die Mehrzahl der Leseplätze ist von den Verkehrswegen im Haus deutlich getrennt und doch auf kurzem Weg zum Buch gelegen. Anleseplätze in den Regalreihen, sowie einige Kurzzeitplätze neben den grösseren Regalblöcken, sowie auf den Zwischengeschossen des Magazinspeichers vervollständigen das Angebot. Zusätzlich wird, zwischen dem Rücksprung des neuen Bibliotheksgeschosses und der übermannshohen Attika des Ostflügels Ederstrasse eine Leseterrasse angeboten, die, ohne Einschränkungen im Sicherheitskonzept, das „Lesen im Freien“ ermöglichen kann. Der Verwaltungsbereich wird in den Obergeschossen im Neubau Rainerstrasse angesiedelt. Er ist direkt von aussen über den Personal- und Liefereingang Rainerstrasse erschlossen und somit von den Öffnungszeiten der Publikumsbereiche unabhängig. Poststelle und Wareneingang befinden sich im EG auf Strassenniveau und ermöglichen so unkompliziertes Arbeiten. Die geschlossenen Magazinbereiche der ersten Bauetappe werden vollständig in unterirdischen Geschossen untergebracht, die unter dem Innenhof und der Neubebauung Rainerstrasse zu liegen kommen. Dort werden auch die neu notwendigen Technikräume situiert. Für die Magazine der zweiten Bauetappe ist es möglich auf ein drittes UG zu verzichten, oder falls erforderlich optional die Magazinfläche noch zu vergrössern. Die notwendigen Stellplätze werden im überbauten Erdgeschoss, natürlich belüftet, de facto an ihrem bisherigen Standort nachgewiesen. Direkt neben den Stellplätzen befindet sich der Eingang für Rollstuhlfahrer. Etappierung / Konstruktion Der Neubau wird als selbsttragendes Bauwerk quasi neben dem Bestandsgebäude errichtet. Dadurch ist es möglich in der ersten Phase von Etappe 1 zunächst die Magazingeschosse, die Bebauung Rainerstrasse und die Innenhofbebauung praktisch ohne Beschränkung des bisherigen Bibliotheksbetriebes durchzuführen. Nach Fertigstellung dieser ersten Phase kann insbesondere der grosse Staudruck aus den viel zu kleinen Magazinflächen herausgenommen werden und in einer zweiten Phase – unter Ausnutzung der neu hinzugewonnen Fläche - der Bestand saniert werden. Die Gründung des Neubaues soll durch ggf. rückverankerte Bohrpfähle erfolgen, die gleichzeitig als Aussenwand des Neubaues dienen können und eine zeit- und kostenintensive Unterfangung des bestehenden Gebäudes überflüssig machen. Im Bereich der Aufstockung sind die Regalstellflächen im Neubauteile bzw. auf der dafür ohnehin ausgelegten Dachdecke des Ostflügels gelegen. Lediglich die leichte Dachkonstruktion des neuen Geschosses wird einen Teil ihrer Last auf die bestehende Bez + Kock Architekten BDA Seite 3 Dachdecke abgeben. Tiefschürfende Eingriffe in das statische System des Bestandes sind dafür nicht erforderlich. Das Tragwerk des Neubaues ist als konventioneller Skelettbau aus Stahlbeton errichtet, die Aussteifung geschieht über die Treppenkerne an der Rainer- bzw. Ederstrasse, die gleichzeitig wesentliche Bestandteile des Brandschutzkonzeptes sind. Gebäudetechnik Oberstes Ziel für die Projektierung der technischen Anlagen für ein solches Gebäude ist die Wirtschaftlichkeit bei Investition und Betrieb. Gleichzeitig müssen die Anlagen so flexibel sein, dass auf unterschiedliche Nutzungsanforderungen reagiert werden kann. Für die oberirdischen Geschosse ist natürliche Be- und Entlüftung vorgesehen, die bei Bedarf in einzelnen Räumen ( z.B. Säle) durch eine Spitzenlastkühlung ergänzt wird. Eine freie Nachtkühlung über elektromechanisch gesteuerte Oberlichter an den Fassadenöffnungen des Neubauteiles und eine zentrale Absaugung über der Innenhofhalle aktiviert die Speichermassen der Massivbauteile und ermöglicht einen wirksamen und kostengünstigen sommerlichen Wärmeschutz Die Magazingeschosse werden mit geringem Aussenluft- und hohem Umluftanteil entsprechend der jeweiligen Anforderungen gelüftet bzw. klimatisiert. Dezentrale Anlagen in diesen Bereichen ersparen Leitungswege, reduzieren die benötigten Leitungsquerschnitte und erhöhen die Versorgungssicherheit. Die dafür notwendigen Flächen befinden sich jeweils bei den Treppenkernen und können dadurch ohne Betreten der Magazine für technisches Personal und Wartung erschlossen werden. Die erforderliche Wärme/Kälte wird zentral erzeugt und verteilt. Fassaden / Materialität Die Fassadengestaltung folgt den gleichen Prämissen wie die Formulierung des Baukörpers. Sie nimmt sich in die zweite Reihe zurück und entwickelt dort durch ausgewogene Proportionierung und das verwendete Natursteinmaterial Basalt eine selbstbewusste Präsenz. Der Detaillierungsgrad wird hier weitestmöglich reduziert, es entsteht ein eher abstraktes Gebilde, das mit der differenzierten Fassade des Bestandes nicht in Konkurrenz tritt, sondern diese in Ihrer Wirkung unterstützt. Im Inneren dominieren helle Wand- und Deckenflächen, die ein lichtes und transparentes Raumerlebnis schaffen. Der Natursteinboden der Halle aus geschliffenem „Tauerngrün – Dolomit“ erzeugt eine warme und vornehme Atmosphäre. Der Altbau wird nach denkmalpflegerischen Gesichtspunkten saniert, unabwendbare Eingriffe als solche kenntlich gemacht und so nach der Befreiung von der gegenwärtigen Überbelegung als echtes Schmuckstück wiedererstehen.