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Trends Immobilienmärkte
VÖLLIG LOSGELÖST
IMMOBILIENMÄRKTE Häuser und Wohnungen werden immer
teurer. Experten befürchten bereits, dass sich in Deutschland
eine gefährliche Preisblase aufpumpt.
ern würde Frank Vierkötter noch
mehr bauen. Aber er kann nicht.
Gute Grundstücke sind rar und
teuer, Baufirmen und Handwerker haben übervolle Terminkalender. „Ein
leerer Markt trifft auf eine sehr starke
Nachfrage“, sagt der Vorstandsvorsitzende der Interhomes AG, eines der
größten Bauträger für Wohnimmobilien
hierzulande.
Jedes neue Projekt, das auf den Markt
komme, werde „sofort aufgesaugt“.
Manchmal muss selbst der Bauprofi
staunen: Kürzlich hat Vierkötter in
Gilching, fast 30 Kilometer westlich der
Münchener Innenstadt, ein 150-Quadratmeter-Häuschen für satte 450 000
Euro verkauft.
Der Markt läuft heiß, sogar in den
Randlagen. Nach Jahren der Schrumpfung, als die Häuserpreise stagnierten
und die Baukapazitäten bundesweit
massiv zurückgefahren wurden, hat ein
Immobilienboom das Land erfasst.
Euro-Krise, Inflationsangst und MiniBaugeldzinsen treiben die Deutschen in
ILLUSTRATION: MATT MURPHY FÜR MANAGER MAGAZIN
G
Scharen zu Bauträgern und Maklern. Beton ist wieder sexy. Aber es gibt zu wenig
davon. Die Folge: steigende Preise. Mehr
noch: Wird die Entwicklung nicht gestoppt, droht sich in Deutschland eine
gefährliche Blase aufzublähen – nach
spanischem oder amerikanischem Vorbild (siehe Kasten Seite 78).
Doch wie stets im Frühstadium einer
Blase fühlt sich der Boom erst einmal gut
an. Das Geschäft läuft von allein, die Beschäftigung steigt, Immobilienbesitzer
fühlen sich reicher.
Deutschlands Bauindustrie freute sich
2011 über den stärksten Umsatzanstieg
seit 1994: plus 9,5 Prozent. Der Wohnungsbau wuchs sogar um 14 Prozent.
Es wird immer schwieriger, Fachkräfte
zu finden: Die Reserve an arbeitslosen
Baufacharbeitern und Bauingenieuren
sei „weitgehend abgebaut“, sagt omas
Bauer, Präsident des Hauptverbandes
der Deutschen Bauindustrie.
Auch Vierkötters Umsatz legt zu, 2011
um ein Fünftel. Und ein Ende des Aufschwungs sei längst noch nicht abseh-
bar, sagt der Vorstandschef von Interhomes.
Makler werden von Interessenten geradezu bedrängt. Felix von Saucken von
Engel & Völkers vermarktet gerade ein
größeres Objekt in Frankfurts Westen:
Eigentumswohnungen, wenige Jahre alt,
ruhige Lage, oberes Qualitätssegment –
heiße Ware. Von Saucken könnte seine
Objekte ins Internet stellen, aber das
lässt er lieber. Sonst, befürchtet er, würden ihn Kaufwillige wohl überrennen.
Die Geschäfte schnurren ja auch so.
Ein Häuserboom? In Deutschland?
Das ist neu. Lange galt der heimische
Baumarkt als fantasielos, fad und festgefahren. Private kauften fürs Leben, Investoren nur in Toplagen. Die Preise stiegen,
wenn überhaupt, nur langsam. Die Renditen waren mau.
Kein Wunder bei einem schwachen
ökonomischen Fundament: Bevölkerung und Volkswirtschaft stagnierten.
Das dämpfte die Stimmung. Nachdem
die Steuersubventionen für Objekte in
der Ex-DDR Mitte der 90er Jahren ausgemanager magazin 3/2012
77
Trends Immobilienmärkte
78
manager magazin 3/2012
Schlechte Vorbilder
FOTO: MAX KOHR
Baublasen in westlichen Ländern
FOTO: ALAMY / MAURITIUS IMAGES
SPANIEN
IRLAND
FOTO: THE IMAGE WORKS / VISUM
laufen waren, lag der Markt hoffnungslos
danieder.
Doch jetzt ist alles anders. Die Preise
ziehen kräftig an; 2011, das zeigen aktuelle Zahlen der Analysefirma BulwienGesa, legten die Preise für Eigentumswohnungen um 7,3 Prozent zu. Doch der
nationale Durchschnitt verhüllt das
wahre Ausmaß der Dynamik. Von den
Metropolen her breitet sich der Wohnungsboom im Land aus. Das Zusammenspiel aus Demografie und Geografie
sorgt für eine Polarisierung des Immobilienmarktes: Die schrumpfende Bevölkerung zieht sich in die Zentren zurück.
Während in Kleinstädten und Dörfern
auf dem flachen Land Objekte zum Teil
gar nicht verkäuflich sind, bläht sich in
Deutschlands Großstädten eine stattliche Blase auf.
Die sieben größten Ballungsräume
(„A-Städte“) verzeichnen deutlich steigende Preise – seit 2009 um bis zu 34 Prozent. Düsseldorf, Hamburg und Frankfurt führen die Hitliste an.
Makler Felix von Saucken in Frankfurt
mag dennoch keine Blasen erkennen.
„Viele Preissteigerungen sind gut zu begründen, weil auch die Mieten in guten
Lagen erheblich angezogen haben.“ Dass
seit ein, zwei Jahren ganz neue Käufer zu
ihm finden, freut von Saucken natürlich.
Da sind die Banker aus den Türmen in
Frankfurts City, die ihn früher belächelten, wenn er ihnen Objekte mit einer
Rendite von 4 bis 5 Prozent anbot. An der
Börse strichen sie locker das Doppelte
ein – pro Monat. Nun räumen dieselben
Banker ihre Tagesgeldkonten leer und liquidieren Depotpositionen, um ihr Geld
in Zinshäuser mit einem halben Dutzend
Mietwohnungen und einem Friseurgeschäft im Parterre zu stecken.
Da sind die Family Offices und Stiftungen, die auf einen Schlag 200, 300 Millionen Euro in Immobilien tauschen, weil
ihnen die Kapitalmärkte zu riskant geworden sind.
Und da sind die privaten Erstkäufer,
die zwischen einer halben und zwei Millionen Euro in Betongold stecken wollen.
Für einen sorgenfreien Lebensabend, für
Sohn, Tochter, Enkel. „Wenn sie erst mal
ein Objekt gekauft haben, kommen sie
oft nach kurzer Zeit zurück und suchen
ein zweites“, sagt von Saucken. Ihn
freut’s.
Doch längst eilen die Preise den Mieten davon. So kosten Hamburger Mehr-
USA
Im vergangenen Jahrzehnt erlebten viele
Volkswirtschaften Blasen an den Immobilienmärkten, die zu dramatischen
Fehlentwicklungen führten. Billiges Geld
ließ insbesondere in Irland und Spanien
Preise und Bauinvestitionen steigen.
Viele Objekte entstanden, die heute keine
Käufer mehr finden (siehe Fotos oben).
Immobilienpreise
(indexiert)
Irland
250
USA
200
Spanien
150
100
1997
Quelle: Bank für Internationalen
Zahlungsausgleich
2011
Grafik: manager magazin
familienhäuser inzwischen locker das
23-Fache der jährlichen Mieteinnahmen,
vor 20 Jahren lagen die Preise noch beim
Faktor 17 – ein Anstieg der Bewertung
um rund 50 Prozent.
Inzwischen hat der Boom auch „BStädte“ wie Hannover und Bremen erfasst (siehe Karte rechts). Sogar „CStädte“ wie Erfurt, Magdeburg und Rostock, die seit Langem unter Bevölkerungsschwund leiden, werden von der
neuen Euphorie angesteckt.
„Der deutsche Immobilienmarkt“, sagt
Bernd Nolte, „ist keine Kaugummiblase –
er ähnelt eher einer Pizza, die an manchen Stellen Käseblasen wirft.“ Der
Gründer der Stuttgarter Unternehmensberatung 4P Consulting ist überzeugt,
dass Städte wie Hamburg oder München
längst in der Blase stecken. Dass in
manchen Gegenden fern den Ballungsräumen die Preise für Doppelhaushälften und Drei-Zimmer-Küche-BadWohnungen sogar zurückgehen, lässt er
nicht gelten. Auf 20 bis 40 Milliarden
Euro beziffert Nolte die Bläschen, die
die Deutschlandpizza bereits wirft. Tendenz: steigend. Das predigt er auch seinen Beratungskunden, darunter viele
Banken.
Nein, erwidern viele Akteure
auf dem Immobilienmarkt. Bauträger
wie Frank Vierkötter verweisen auf
steigende Baukosten und neue Energieeffizienz-Vorschriften, Makler wie von
Saucken auf das im internationalen
Vergleich immer noch moderate Preisniveau in Deutschland.
Natürlich mieden Verkäufer das hässliche B-Wort, urteilt Nolte. „Schließlich
wollen sie Kunden mit Kaufargumenten
ködern und nicht verschrecken: Auch
deshalb wird das ema Immobilienblase in Deutschland kleingeredet.“
Typisches Anzeichen einer Bubble:
Längst sind auch Zocker unterwegs, die
gar kein Interesse an langfristiger Geldanlage haben, sondern nur einen schnellen Schnitt machen wollen. Kaufen, die
Mieten bis an den Rand der Legalität
erhöhen und dann das Objekt mit sattem
Aufschlag verkaufen – das sei inzwischen ein vertrautes Muster, erzählt
ein Hamburger Anwalt. „Es gibt Investoren, die grasen auf diese Weise Stadt für
Stadt ab.“
Private Interessenten erfahren jetzt,
dass derzeit vor allem eines zählt beim
BLASEN?
Trends Immobilienmärkte
Deutsche Spitzen
Anstieg der Preise für neue Eigentumswohnungen
2009 bis 2011 in Prozent
Bremen
Hannover
A-Städte
Metropolen
Düsseldorf
B-Städte
Bochum
Duisburg
Berlin
Münster
Essen
Leipzig
Hamburg
Dortmund
Köln
Dresden
Bonn
Frankfurt
Wiesbaden
Nürnberg
Durchschnittlicher jährlicher
Anstieg in den A- und
B-Städten (in Prozent)
7
6
5
4
3
2
1
0
-1
-2
A-Städte
B-Städte
Mannheim
Karlsruhe
Stuttgart
München
Quelle: Bulwien-Gesa, mm-Recherche
1991
Grafik: manager magazin
Hauskauf: Schnelligkeit. Wer nicht vorab
seine Finanzierung geklärt hat, geht oft
leer aus. Angucken, ein paar Wochen
überlegen, mit der Bank reden, Kaufvertrag machen, das gibt es kaum noch. Der
Immobilienmarkt folgt vielerorts einem
Zack-zack-Rhythmus.
Der Hype führt zu Hektik, und die Immobilienfinanzierer reagieren darauf. So
bietet der Hypothekenvermittler Interhyp, eine Tochter der niederländischen
ING, seit einigen Monaten eine Vorabberatung. Das Wort Blase meidet Benja-
min Papo zwar, aber der Interhyp-Vorstand sagt: „Der Kampf um die Wohnimmobilie ist in Deutschland voll entbrannt.“ Und das werde sich auch 2012
kaum ändern.
Egal, welche Indikatoren man sich
anschaut – die Zeichen stehen auf Überhitzung: Die Mietrenditen sind auf historischen Tiefstständen. Die Kapazitätsauslastung in der Bauwirtschaft ist so
hoch wie seit Anfang der 60er Jahre nicht
mehr. Der Auftragsbestand im Wohnungsbau ist auf dem Niveau von 1994,
2000
2011
dem Jahr, als der Bauboom in Ostdeutschland seinem Höhepunkt zustrebte. Die Bauindustrie verzeichnet
annähernd Vollbeschäftigung. In den
regelmäßigen Befragungen des Ifo-Instituts melden immer mehr Firmen Kapazitätsengpässe.
In München-Großhadern sitzt Laura
Lammel in ihrem Büro und wünscht sich
etwas. Die Unternehmerin würde nur zu
gern einen neuen Bauleiter einstellen,
aber sie findet keinen. Vollbeschäftigung
kann auch ein Fluch sein.
manager magazin 3/2012
79
Trends Immobilienmärkte
Das Jahr 2011 sei schon reichlich hektisch gewesen, berichtet Lammel. Fast
hofft sie, ihre Baufirma – gegründet vom
Großvater, übernommen vom Vater und
zu 100 Prozent eigenkapitalfinanziert –
möge 2012 nicht mehr ganz so erfolgreich sein wie 2011.
Vier, fünf Baustellen gleichzeitig zu
betreuen, das brachte ihre Zwölf-MannFirma manchmal ans Limit. Altbausanierungen, schlüsselfertige Tiefgaragen,
die Polleranlage an der eresienwiese
aus 2000 Kubikmetern Beton, die das
Oktoberfest sicherer machen soll: „Mein
Auto wurde zum fliegenden Büro.“
Es brummt am Bau. Kaum einem Kollegen in der Münchener Innung gehe es
anders, sagt Lammel: „Wir schnauften
alle vor Überarbeitung.“
Ähnlich das Bild im hohen Norden.
Jede freie Fläche wird bebaut. Die neue
Dynamik lockt auch ausländische Immobilienentwickler an die Elbe. So ist
der McGarrell-Reilly-Konzern dabei, im
kleinbürgerlichen Hamburger Stadtteil
Groß Borstel einen ehemaligen Güterbahnhof samt angrenzenden Kleingärten in eine Wohnanlage mit geplanten
750 Einheiten zu verwandeln – mit
dem hochtrabenden Namen „Tarpenbek
Greens“.
McGarrell Reilly kommt aus Irland, jenem Land, das sich in den 2000er Jahren
durch eine der größten Immobilienblasen der Geschichte selbst ruiniert hat.
Nun weichen überlebende Baufirmen ins
Ausland aus.
Ob Iren, Dänen oder Briten – sie kommen nach Deutschland, weil sie, anders
als im darbenden Rest Europas, hierzulande noch Potenzial sehen. Damit heizen sie den Markt zusätzlich auf.
Deutschland stehen heiße Zeiten bevor
Hohes Wachstum, steigende Preise: eine Prognose exklusiv für mm
Der Boom am Immobilienmarkt resultiert
aus einem deutlich veränderten Muster
für die deutsche Konjunktur. Die
Stagnation, die seit den 90er Jahren die
Stimmung im Lande trübte, ist vorbei.
Nun steuert die Bundesrepublik auf eine
wirtschaftliche Überhitzung zu. Das ist
das Ergebnis einer Mittelfristprognose,
die das Forschungsinstitut Kiel
Economics für manager magazin
berechnet hat.
Die wichtigste Veränderung gegenüber
der Vergangenheit ist die Wirkung der
Geldpolitik. In den ersten Jahren der
Währungsunion war der Kurs der
Europäischen Zentralbank (EZB) für
deutsche Verhältnisse zu strikt. Nun ist
er aus nationaler Sicht viel zu lax.
Weil große Teile des Euro-Raums tief in
der Krise stecken, hält die EZB die
Zinsen niedrig und versucht, die
Finanzmärkte großzügig mit Liquidität zu
tränken. Dieser monetäre Turbo entfaltet
im prosperierenden Deutschland
gehörige Schubkraft: Nun treibt die
heimische Nachfrage das Wachstum –
Unternehmen und Bauherren
investieren, Konsumenten geben Geld
aus. Der Export verliert für die deutsche
Entwicklung an Bedeutung. Auf abseh-
80
manager magazin 3/2012
… das sich zunächst gut anfühlt, …
Bemerkenswert positiv entwickelt sich
der Arbeitsmarkt. Das Wirtschaftswachstum trifft auf eine alternde
Bevölkerung, in der tendenziell immer
weniger Menschen erwerbstätig sind.
Die Folge: Arbeitskräftemangel und
kräftig steigende Löhne. Die Prognose
kommt zu dem Ergebnis, dass die
Arbeitslosenquote auf rund 3 Prozent
im Jahr 2017 sinkt (siehe obere Grafik
rechts). Dank des hohen Personalbedarfs der Wirtschaft wird es den
Berechnungen zufolge zu einer
massiven Zuwanderung aus europäischen Nachbarländern mit hoher
Arbeitslosigkeit, gerade unter jungen
Menschen, kommen.
Wachstumspfad der deutschen Wirtschaft bis 2017
2,8 Billionen Euro
2,2
2,6
2,4
1,5
3,1
Jährliches BIP-Wachstum
in Prozent
2,7
8
7
3,2
6
1,7 1,0
Bruttoinlandsprodukt (BIP)
2,5
Immobilienboom jung. Noch wird er großteils mit
Eigenkapital finanziert. Noch wächst die
Kreditvergabe nur in Maßen. Kann es
denn sein, dass sich nun in Deutschland
eine so große Blase aufbläht, die irgendwann mit lautem Knall und großer
Sprengkraft explodiert – so wie im vorigen Jahrzehnt in Florida oder auf
Mallorca?
Jedenfalls sieht es so aus, als gehe der
Boom noch eine ganze Weile weiter.
Denn anders als früher sind alle Bremsen
ausgebaut.
Über Jahrzehnte schwankten Häuserpreise und Bauinvestitionen zyklisch mit
NATÜRLICH, NOCH IST DER
bare Zeit wird die Wirtschaft schneller
wachsen als das Produktionspotenzial –
die Kapazitäten der Volkswirtschaft
arbeiten mit Überlast (siehe große Grafik
unten links). „Vorausgesetzt, dass
es nicht zu großen, unvorhersehbaren
Schocks – ein Zerbrechen der EuroZone oder ein Krieg im Nahen Osten –
kommt, steht Deutschland eine hohe
Dynamik bevor“, sagt Kiel-EconomicsGeschäftsführer Carsten-Patrick Meier.
Ein Szenario mit weitreichenden Folgen.
Ein neues Deutschland-Szenario, …
5
4
Produktionspotenzial*
2,3
3
2,2
2
Produktionslücke**
1
2,1
2,0
0
1,9
-1
1,8
-2
1,7
-3
-4
1,6
Prognose
1,5
2000
’02
’04
’06
’08
’10
2012
’14
*Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Produktionskapazitäten;
**in Prozent des BIP, negativer Wert: unausgelastete Kapazitäten, positiver Wert: überausgelastete Kapazitäten.
-5
’16 2017
Quelle: Kiel Economics
Grafik: manager magazin
Trends Immobilienmärkte
… aber im Katzenjammer enden kann.
Während im Euro-Raum insgesamt die
Inflation niedrig bleibt, führt die hohe
Kapazitätsauslastung in Deutschland zu
deutlich steigenden Preisen. Die Kieler
Mittelfristprognose rechnet mit einer
Inflationsrate von 5,4 Prozent im Jahr
2017 (siehe untere Grafik ). Das wäre
noch kein Drama – aber die deutsche
Preissteigerungsrate wäre damit mehr
als dreimal so hoch wie im Durchschnitt
der ersten zwölf Jahre der Währungsunion. Und dies ist eine vorsichtige
Vorhersage: Sie resultiert allein aus der
für Deutschland zu üppigen
Geldversorgung. Weder ist dabei ein
starker Anstieg des Ölpreises unterstellt
noch ein Anspringen der Inflation durch
die massive Ausweitung der
Liquiditätsversorgung durch die EZB.
Allerdings spielen steigende Preise im
Rest der Welt, insbesondere in
Schwellenländern wie China, für die
Prognose eine Rolle.
Bevor jedoch die Inflation anspringt –
das zeigen die Erfahrungen vieler Länder
in den 2000er Jahren –, reagieren die
Immobilienpreise. Doch um solche
nationalen Booms innerhalb der EuroZone zu bremsen, gibt es bislang keine
wirtschaftspolitischen Instrumente.
Arbeitslosenquote (in Prozent)
12
Prognose
10
8
6
4
2
2000
2012
2017
Verbraucherpreise (in Prozent)
5
4
3
2
1
Prognose
0
2000
Quelle: Kiel Economics
2012
2017
Grafik: manager magazin
der Konjunktur. Im Boom stiegen die
Zinsen – was den Immobilienmarkt
bremste. Vorbei. Die Europäische Zentralbank (EZB) hält die Zinsen niedrig,
um die angeschlagenen Euro-Südstaaten zu stützen. Für das nach wie vor
blühende Deutschland jedoch sind die
Zinsen viel zu niedrig: Statt bei einem
Prozent müsste der Leitzins aus nationaler Sicht zwischen 3 und 4 Prozent liegen.
Doch eine Kehrtwende in der Geldpolitik ist nicht in Sicht. EZB-Präsident Mario Draghi drückt das Gaspedal immer
weiter durch. Wegen der Kombination
aus horrenden Schulden, hoher Arbeitslosigkeit und geringer Wettbewerbsfähigkeit in den Problemländern dürfte
die Phase des billigen Geldes noch Jahre
andauern.
„Die Dynamik hierzulande wird völlig
unterschätzt“, sagt Carsten-Patrick
Meier, Geschäftsführer des Wirtschaftsforschungsinstituts Kiel Economics.
„Deutschland steht am Beginn einer
Phase der Überhitzung. Das ist an vielen
Stellen sichtbar, auch auf den Immobilienmärkten“ (siehe Kasten links).
Deutschland erlebt derzeit einen ähnlichen monetären Schub wie Spanien
oder Irland vor zehn Jahren. Damals
lahmte Deutschland, weshalb die EZB
die Zinsen niedrig hielt. Folglich ergoss
sich das viele billige Geld über die Ränder
des Euro-Gebiets und inflationierte dort
die Immobilienmärkte.
Nun passiert das Gleiche mit umgekehrten Vorzeichen. Entsprechend billig
ist die Immobilienfinanzierung hierzulande: Hypothekenkredite gibt es für
unter 3 Prozent. Die Renditen für zehnjährige Pfandbriefe, wichtiger Indikator für Baugeldzinsen, lagen im Januar
bei 2,4 Prozent – dem niedrigsten Wert
seit 1980.
Nicht nur Bauherren, auch Baufirmen
kommen immer billiger an Geld. Die vom
Ifo-Institut ermittelte „Kredithürde“ für
die Baubranche ist im Trend seit 2006
immer weiter gesunken. Interhyp-Vorstand Papo freut der Boom natürlich.
Das Volumen seiner vermittelten Darlehen dürfte 2011 auf über sieben Milliarden Euro gestiegen sein – ein neuer
Rekord. Die Banken, deren Hypotheken
Interhyp vermittelt, zeigten einen ungebrochenen Appetit auf Baufinanzierungen. Die gelten in Deutschland immer
noch als sicher und stabilisieren so die
Bankbilanzen.
In Wahrheit sind überbewertete Immobilien das wohl gefährlichste Vermögensgut überhaupt – gerade weil sie
großzügig mit Krediten finanziert werden. Wenn Banken überbewertete Häuser und Wohnungen als Sicherheiten akzeptieren, steigt das Risiko, dass sie bei
einem Verfall der Preise auf Forderungen
sitzen bleiben. Die Krisenkette, die die
Welt seit Sommer 2007 durchlebt – von
der Subprime- zur Geldmarkt- zur Banken- zur Staatsschuldenkrise – ist zuvörderst eine Folge von Immobilienblasen.
UND ALS NÄCHSTES DEUTSCHLAND? Bei
der Bundesbank, beim Finanzministerium und bei der Finanzaufsichtsbehörde BaFin erkennt man zwar die
heraufziehende Gefahr – sieht aber noch
keinen Grund zum Handeln.
Fest steht: Es gibt bislang keine Mittel,
um einen nationalen Immobilienboom
innerhalb der Euro-Zone zu bremsen.
Möglich wären sogenannte „makroprudenzielle Instrumente“ – Vorschriften, die den Banken die Kreditvergabe
erschweren, wenn systemdestabilisierende Risiken erkennbar sind. So könnten deutsche Banken beispielsweise verpflichtet werden, von ihren Kunden eine
Eigenkapitalquote von mindestens 50
Prozent zu verlangen.
Vorarbeiten für solche neuen Regulierungen haben Institutionen wie der
Internationale Währungsfonds und die
Bank für Internationalen Zahlungsausgleich längst geleistet. Aber: Die neuen
Instrumente gibt es noch nicht. Beim
Europäischen Rat für Systemische Risiken, wo EU-Notenbanker zusammensitzen, ersinnt eine Arbeitsgruppe gerade
neue Instrumente. Bis sie in europäisches und später in nationales Recht umgesetzt sein werden, dürften noch Jahre
vergehen.
Die erste große Immobilienblase der
USA dehnte sich Mitte der 20er Jahre in
Florida aus. Sonnenhungrige Spekulanten überschwemmten den sumpfigen
Südstaat. Auch damals halfen lockere
monetäre Bedingungen beim Aufpusten
der Blase. Zwei Hurrikans 1926 und 1928
kühlten die Euphorie etwas ab. Endgültig
zum Platzen brachte die Blase dann der
Crash an der New Yorker Börse im Oktober 1929.
Manchmal, so scheint es, wiederholt
sich Geschichte eben doch.
Henrik Müller/Christoph Neßhöver
manager magazin 3/2012
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