TRENDS Trends Immobilienmärkte VÖLLIG LOSGELÖST IMMOBILIENMÄRKTE Häuser und Wohnungen werden immer teurer. Experten befürchten bereits, dass sich in Deutschland eine gefährliche Preisblase aufpumpt. ern würde Frank Vierkötter noch mehr bauen. Aber er kann nicht. Gute Grundstücke sind rar und teuer, Baufirmen und Handwerker haben übervolle Terminkalender. „Ein leerer Markt trifft auf eine sehr starke Nachfrage“, sagt der Vorstandsvorsitzende der Interhomes AG, eines der größten Bauträger für Wohnimmobilien hierzulande. Jedes neue Projekt, das auf den Markt komme, werde „sofort aufgesaugt“. Manchmal muss selbst der Bauprofi staunen: Kürzlich hat Vierkötter in Gilching, fast 30 Kilometer westlich der Münchener Innenstadt, ein 150-Quadratmeter-Häuschen für satte 450 000 Euro verkauft. Der Markt läuft heiß, sogar in den Randlagen. Nach Jahren der Schrumpfung, als die Häuserpreise stagnierten und die Baukapazitäten bundesweit massiv zurückgefahren wurden, hat ein Immobilienboom das Land erfasst. Euro-Krise, Inflationsangst und MiniBaugeldzinsen treiben die Deutschen in ILLUSTRATION: MATT MURPHY FÜR MANAGER MAGAZIN G Scharen zu Bauträgern und Maklern. Beton ist wieder sexy. Aber es gibt zu wenig davon. Die Folge: steigende Preise. Mehr noch: Wird die Entwicklung nicht gestoppt, droht sich in Deutschland eine gefährliche Blase aufzublähen – nach spanischem oder amerikanischem Vorbild (siehe Kasten Seite 78). Doch wie stets im Frühstadium einer Blase fühlt sich der Boom erst einmal gut an. Das Geschäft läuft von allein, die Beschäftigung steigt, Immobilienbesitzer fühlen sich reicher. Deutschlands Bauindustrie freute sich 2011 über den stärksten Umsatzanstieg seit 1994: plus 9,5 Prozent. Der Wohnungsbau wuchs sogar um 14 Prozent. Es wird immer schwieriger, Fachkräfte zu finden: Die Reserve an arbeitslosen Baufacharbeitern und Bauingenieuren sei „weitgehend abgebaut“, sagt omas Bauer, Präsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie. Auch Vierkötters Umsatz legt zu, 2011 um ein Fünftel. Und ein Ende des Aufschwungs sei längst noch nicht abseh- bar, sagt der Vorstandschef von Interhomes. Makler werden von Interessenten geradezu bedrängt. Felix von Saucken von Engel & Völkers vermarktet gerade ein größeres Objekt in Frankfurts Westen: Eigentumswohnungen, wenige Jahre alt, ruhige Lage, oberes Qualitätssegment – heiße Ware. Von Saucken könnte seine Objekte ins Internet stellen, aber das lässt er lieber. Sonst, befürchtet er, würden ihn Kaufwillige wohl überrennen. Die Geschäfte schnurren ja auch so. Ein Häuserboom? In Deutschland? Das ist neu. Lange galt der heimische Baumarkt als fantasielos, fad und festgefahren. Private kauften fürs Leben, Investoren nur in Toplagen. Die Preise stiegen, wenn überhaupt, nur langsam. Die Renditen waren mau. Kein Wunder bei einem schwachen ökonomischen Fundament: Bevölkerung und Volkswirtschaft stagnierten. Das dämpfte die Stimmung. Nachdem die Steuersubventionen für Objekte in der Ex-DDR Mitte der 90er Jahren ausgemanager magazin 3/2012 77 Trends Immobilienmärkte 78 manager magazin 3/2012 Schlechte Vorbilder FOTO: MAX KOHR Baublasen in westlichen Ländern FOTO: ALAMY / MAURITIUS IMAGES SPANIEN IRLAND FOTO: THE IMAGE WORKS / VISUM laufen waren, lag der Markt hoffnungslos danieder. Doch jetzt ist alles anders. Die Preise ziehen kräftig an; 2011, das zeigen aktuelle Zahlen der Analysefirma BulwienGesa, legten die Preise für Eigentumswohnungen um 7,3 Prozent zu. Doch der nationale Durchschnitt verhüllt das wahre Ausmaß der Dynamik. Von den Metropolen her breitet sich der Wohnungsboom im Land aus. Das Zusammenspiel aus Demografie und Geografie sorgt für eine Polarisierung des Immobilienmarktes: Die schrumpfende Bevölkerung zieht sich in die Zentren zurück. Während in Kleinstädten und Dörfern auf dem flachen Land Objekte zum Teil gar nicht verkäuflich sind, bläht sich in Deutschlands Großstädten eine stattliche Blase auf. Die sieben größten Ballungsräume („A-Städte“) verzeichnen deutlich steigende Preise – seit 2009 um bis zu 34 Prozent. Düsseldorf, Hamburg und Frankfurt führen die Hitliste an. Makler Felix von Saucken in Frankfurt mag dennoch keine Blasen erkennen. „Viele Preissteigerungen sind gut zu begründen, weil auch die Mieten in guten Lagen erheblich angezogen haben.“ Dass seit ein, zwei Jahren ganz neue Käufer zu ihm finden, freut von Saucken natürlich. Da sind die Banker aus den Türmen in Frankfurts City, die ihn früher belächelten, wenn er ihnen Objekte mit einer Rendite von 4 bis 5 Prozent anbot. An der Börse strichen sie locker das Doppelte ein – pro Monat. Nun räumen dieselben Banker ihre Tagesgeldkonten leer und liquidieren Depotpositionen, um ihr Geld in Zinshäuser mit einem halben Dutzend Mietwohnungen und einem Friseurgeschäft im Parterre zu stecken. Da sind die Family Offices und Stiftungen, die auf einen Schlag 200, 300 Millionen Euro in Immobilien tauschen, weil ihnen die Kapitalmärkte zu riskant geworden sind. Und da sind die privaten Erstkäufer, die zwischen einer halben und zwei Millionen Euro in Betongold stecken wollen. Für einen sorgenfreien Lebensabend, für Sohn, Tochter, Enkel. „Wenn sie erst mal ein Objekt gekauft haben, kommen sie oft nach kurzer Zeit zurück und suchen ein zweites“, sagt von Saucken. Ihn freut’s. Doch längst eilen die Preise den Mieten davon. So kosten Hamburger Mehr- USA Im vergangenen Jahrzehnt erlebten viele Volkswirtschaften Blasen an den Immobilienmärkten, die zu dramatischen Fehlentwicklungen führten. Billiges Geld ließ insbesondere in Irland und Spanien Preise und Bauinvestitionen steigen. Viele Objekte entstanden, die heute keine Käufer mehr finden (siehe Fotos oben). Immobilienpreise (indexiert) Irland 250 USA 200 Spanien 150 100 1997 Quelle: Bank für Internationalen Zahlungsausgleich 2011 Grafik: manager magazin familienhäuser inzwischen locker das 23-Fache der jährlichen Mieteinnahmen, vor 20 Jahren lagen die Preise noch beim Faktor 17 – ein Anstieg der Bewertung um rund 50 Prozent. Inzwischen hat der Boom auch „BStädte“ wie Hannover und Bremen erfasst (siehe Karte rechts). Sogar „CStädte“ wie Erfurt, Magdeburg und Rostock, die seit Langem unter Bevölkerungsschwund leiden, werden von der neuen Euphorie angesteckt. „Der deutsche Immobilienmarkt“, sagt Bernd Nolte, „ist keine Kaugummiblase – er ähnelt eher einer Pizza, die an manchen Stellen Käseblasen wirft.“ Der Gründer der Stuttgarter Unternehmensberatung 4P Consulting ist überzeugt, dass Städte wie Hamburg oder München längst in der Blase stecken. Dass in manchen Gegenden fern den Ballungsräumen die Preise für Doppelhaushälften und Drei-Zimmer-Küche-BadWohnungen sogar zurückgehen, lässt er nicht gelten. Auf 20 bis 40 Milliarden Euro beziffert Nolte die Bläschen, die die Deutschlandpizza bereits wirft. Tendenz: steigend. Das predigt er auch seinen Beratungskunden, darunter viele Banken. Nein, erwidern viele Akteure auf dem Immobilienmarkt. Bauträger wie Frank Vierkötter verweisen auf steigende Baukosten und neue Energieeffizienz-Vorschriften, Makler wie von Saucken auf das im internationalen Vergleich immer noch moderate Preisniveau in Deutschland. Natürlich mieden Verkäufer das hässliche B-Wort, urteilt Nolte. „Schließlich wollen sie Kunden mit Kaufargumenten ködern und nicht verschrecken: Auch deshalb wird das ema Immobilienblase in Deutschland kleingeredet.“ Typisches Anzeichen einer Bubble: Längst sind auch Zocker unterwegs, die gar kein Interesse an langfristiger Geldanlage haben, sondern nur einen schnellen Schnitt machen wollen. Kaufen, die Mieten bis an den Rand der Legalität erhöhen und dann das Objekt mit sattem Aufschlag verkaufen – das sei inzwischen ein vertrautes Muster, erzählt ein Hamburger Anwalt. „Es gibt Investoren, die grasen auf diese Weise Stadt für Stadt ab.“ Private Interessenten erfahren jetzt, dass derzeit vor allem eines zählt beim BLASEN? Trends Immobilienmärkte Deutsche Spitzen Anstieg der Preise für neue Eigentumswohnungen 2009 bis 2011 in Prozent Bremen Hannover A-Städte Metropolen Düsseldorf B-Städte Bochum Duisburg Berlin Münster Essen Leipzig Hamburg Dortmund Köln Dresden Bonn Frankfurt Wiesbaden Nürnberg Durchschnittlicher jährlicher Anstieg in den A- und B-Städten (in Prozent) 7 6 5 4 3 2 1 0 -1 -2 A-Städte B-Städte Mannheim Karlsruhe Stuttgart München Quelle: Bulwien-Gesa, mm-Recherche 1991 Grafik: manager magazin Hauskauf: Schnelligkeit. Wer nicht vorab seine Finanzierung geklärt hat, geht oft leer aus. Angucken, ein paar Wochen überlegen, mit der Bank reden, Kaufvertrag machen, das gibt es kaum noch. Der Immobilienmarkt folgt vielerorts einem Zack-zack-Rhythmus. Der Hype führt zu Hektik, und die Immobilienfinanzierer reagieren darauf. So bietet der Hypothekenvermittler Interhyp, eine Tochter der niederländischen ING, seit einigen Monaten eine Vorabberatung. Das Wort Blase meidet Benja- min Papo zwar, aber der Interhyp-Vorstand sagt: „Der Kampf um die Wohnimmobilie ist in Deutschland voll entbrannt.“ Und das werde sich auch 2012 kaum ändern. Egal, welche Indikatoren man sich anschaut – die Zeichen stehen auf Überhitzung: Die Mietrenditen sind auf historischen Tiefstständen. Die Kapazitätsauslastung in der Bauwirtschaft ist so hoch wie seit Anfang der 60er Jahre nicht mehr. Der Auftragsbestand im Wohnungsbau ist auf dem Niveau von 1994, 2000 2011 dem Jahr, als der Bauboom in Ostdeutschland seinem Höhepunkt zustrebte. Die Bauindustrie verzeichnet annähernd Vollbeschäftigung. In den regelmäßigen Befragungen des Ifo-Instituts melden immer mehr Firmen Kapazitätsengpässe. In München-Großhadern sitzt Laura Lammel in ihrem Büro und wünscht sich etwas. Die Unternehmerin würde nur zu gern einen neuen Bauleiter einstellen, aber sie findet keinen. Vollbeschäftigung kann auch ein Fluch sein. manager magazin 3/2012 79 Trends Immobilienmärkte Das Jahr 2011 sei schon reichlich hektisch gewesen, berichtet Lammel. Fast hofft sie, ihre Baufirma – gegründet vom Großvater, übernommen vom Vater und zu 100 Prozent eigenkapitalfinanziert – möge 2012 nicht mehr ganz so erfolgreich sein wie 2011. Vier, fünf Baustellen gleichzeitig zu betreuen, das brachte ihre Zwölf-MannFirma manchmal ans Limit. Altbausanierungen, schlüsselfertige Tiefgaragen, die Polleranlage an der eresienwiese aus 2000 Kubikmetern Beton, die das Oktoberfest sicherer machen soll: „Mein Auto wurde zum fliegenden Büro.“ Es brummt am Bau. Kaum einem Kollegen in der Münchener Innung gehe es anders, sagt Lammel: „Wir schnauften alle vor Überarbeitung.“ Ähnlich das Bild im hohen Norden. Jede freie Fläche wird bebaut. Die neue Dynamik lockt auch ausländische Immobilienentwickler an die Elbe. So ist der McGarrell-Reilly-Konzern dabei, im kleinbürgerlichen Hamburger Stadtteil Groß Borstel einen ehemaligen Güterbahnhof samt angrenzenden Kleingärten in eine Wohnanlage mit geplanten 750 Einheiten zu verwandeln – mit dem hochtrabenden Namen „Tarpenbek Greens“. McGarrell Reilly kommt aus Irland, jenem Land, das sich in den 2000er Jahren durch eine der größten Immobilienblasen der Geschichte selbst ruiniert hat. Nun weichen überlebende Baufirmen ins Ausland aus. Ob Iren, Dänen oder Briten – sie kommen nach Deutschland, weil sie, anders als im darbenden Rest Europas, hierzulande noch Potenzial sehen. Damit heizen sie den Markt zusätzlich auf. Deutschland stehen heiße Zeiten bevor Hohes Wachstum, steigende Preise: eine Prognose exklusiv für mm Der Boom am Immobilienmarkt resultiert aus einem deutlich veränderten Muster für die deutsche Konjunktur. Die Stagnation, die seit den 90er Jahren die Stimmung im Lande trübte, ist vorbei. Nun steuert die Bundesrepublik auf eine wirtschaftliche Überhitzung zu. Das ist das Ergebnis einer Mittelfristprognose, die das Forschungsinstitut Kiel Economics für manager magazin berechnet hat. Die wichtigste Veränderung gegenüber der Vergangenheit ist die Wirkung der Geldpolitik. In den ersten Jahren der Währungsunion war der Kurs der Europäischen Zentralbank (EZB) für deutsche Verhältnisse zu strikt. Nun ist er aus nationaler Sicht viel zu lax. Weil große Teile des Euro-Raums tief in der Krise stecken, hält die EZB die Zinsen niedrig und versucht, die Finanzmärkte großzügig mit Liquidität zu tränken. Dieser monetäre Turbo entfaltet im prosperierenden Deutschland gehörige Schubkraft: Nun treibt die heimische Nachfrage das Wachstum – Unternehmen und Bauherren investieren, Konsumenten geben Geld aus. Der Export verliert für die deutsche Entwicklung an Bedeutung. Auf abseh- 80 manager magazin 3/2012 … das sich zunächst gut anfühlt, … Bemerkenswert positiv entwickelt sich der Arbeitsmarkt. Das Wirtschaftswachstum trifft auf eine alternde Bevölkerung, in der tendenziell immer weniger Menschen erwerbstätig sind. Die Folge: Arbeitskräftemangel und kräftig steigende Löhne. Die Prognose kommt zu dem Ergebnis, dass die Arbeitslosenquote auf rund 3 Prozent im Jahr 2017 sinkt (siehe obere Grafik rechts). Dank des hohen Personalbedarfs der Wirtschaft wird es den Berechnungen zufolge zu einer massiven Zuwanderung aus europäischen Nachbarländern mit hoher Arbeitslosigkeit, gerade unter jungen Menschen, kommen. Wachstumspfad der deutschen Wirtschaft bis 2017 2,8 Billionen Euro 2,2 2,6 2,4 1,5 3,1 Jährliches BIP-Wachstum in Prozent 2,7 8 7 3,2 6 1,7 1,0 Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2,5 Immobilienboom jung. Noch wird er großteils mit Eigenkapital finanziert. Noch wächst die Kreditvergabe nur in Maßen. Kann es denn sein, dass sich nun in Deutschland eine so große Blase aufbläht, die irgendwann mit lautem Knall und großer Sprengkraft explodiert – so wie im vorigen Jahrzehnt in Florida oder auf Mallorca? Jedenfalls sieht es so aus, als gehe der Boom noch eine ganze Weile weiter. Denn anders als früher sind alle Bremsen ausgebaut. Über Jahrzehnte schwankten Häuserpreise und Bauinvestitionen zyklisch mit NATÜRLICH, NOCH IST DER bare Zeit wird die Wirtschaft schneller wachsen als das Produktionspotenzial – die Kapazitäten der Volkswirtschaft arbeiten mit Überlast (siehe große Grafik unten links). „Vorausgesetzt, dass es nicht zu großen, unvorhersehbaren Schocks – ein Zerbrechen der EuroZone oder ein Krieg im Nahen Osten – kommt, steht Deutschland eine hohe Dynamik bevor“, sagt Kiel-EconomicsGeschäftsführer Carsten-Patrick Meier. Ein Szenario mit weitreichenden Folgen. Ein neues Deutschland-Szenario, … 5 4 Produktionspotenzial* 2,3 3 2,2 2 Produktionslücke** 1 2,1 2,0 0 1,9 -1 1,8 -2 1,7 -3 -4 1,6 Prognose 1,5 2000 ’02 ’04 ’06 ’08 ’10 2012 ’14 *Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Produktionskapazitäten; **in Prozent des BIP, negativer Wert: unausgelastete Kapazitäten, positiver Wert: überausgelastete Kapazitäten. -5 ’16 2017 Quelle: Kiel Economics Grafik: manager magazin Trends Immobilienmärkte … aber im Katzenjammer enden kann. Während im Euro-Raum insgesamt die Inflation niedrig bleibt, führt die hohe Kapazitätsauslastung in Deutschland zu deutlich steigenden Preisen. Die Kieler Mittelfristprognose rechnet mit einer Inflationsrate von 5,4 Prozent im Jahr 2017 (siehe untere Grafik ). Das wäre noch kein Drama – aber die deutsche Preissteigerungsrate wäre damit mehr als dreimal so hoch wie im Durchschnitt der ersten zwölf Jahre der Währungsunion. Und dies ist eine vorsichtige Vorhersage: Sie resultiert allein aus der für Deutschland zu üppigen Geldversorgung. Weder ist dabei ein starker Anstieg des Ölpreises unterstellt noch ein Anspringen der Inflation durch die massive Ausweitung der Liquiditätsversorgung durch die EZB. Allerdings spielen steigende Preise im Rest der Welt, insbesondere in Schwellenländern wie China, für die Prognose eine Rolle. Bevor jedoch die Inflation anspringt – das zeigen die Erfahrungen vieler Länder in den 2000er Jahren –, reagieren die Immobilienpreise. Doch um solche nationalen Booms innerhalb der EuroZone zu bremsen, gibt es bislang keine wirtschaftspolitischen Instrumente. Arbeitslosenquote (in Prozent) 12 Prognose 10 8 6 4 2 2000 2012 2017 Verbraucherpreise (in Prozent) 5 4 3 2 1 Prognose 0 2000 Quelle: Kiel Economics 2012 2017 Grafik: manager magazin der Konjunktur. Im Boom stiegen die Zinsen – was den Immobilienmarkt bremste. Vorbei. Die Europäische Zentralbank (EZB) hält die Zinsen niedrig, um die angeschlagenen Euro-Südstaaten zu stützen. Für das nach wie vor blühende Deutschland jedoch sind die Zinsen viel zu niedrig: Statt bei einem Prozent müsste der Leitzins aus nationaler Sicht zwischen 3 und 4 Prozent liegen. Doch eine Kehrtwende in der Geldpolitik ist nicht in Sicht. EZB-Präsident Mario Draghi drückt das Gaspedal immer weiter durch. Wegen der Kombination aus horrenden Schulden, hoher Arbeitslosigkeit und geringer Wettbewerbsfähigkeit in den Problemländern dürfte die Phase des billigen Geldes noch Jahre andauern. „Die Dynamik hierzulande wird völlig unterschätzt“, sagt Carsten-Patrick Meier, Geschäftsführer des Wirtschaftsforschungsinstituts Kiel Economics. „Deutschland steht am Beginn einer Phase der Überhitzung. Das ist an vielen Stellen sichtbar, auch auf den Immobilienmärkten“ (siehe Kasten links). Deutschland erlebt derzeit einen ähnlichen monetären Schub wie Spanien oder Irland vor zehn Jahren. Damals lahmte Deutschland, weshalb die EZB die Zinsen niedrig hielt. Folglich ergoss sich das viele billige Geld über die Ränder des Euro-Gebiets und inflationierte dort die Immobilienmärkte. Nun passiert das Gleiche mit umgekehrten Vorzeichen. Entsprechend billig ist die Immobilienfinanzierung hierzulande: Hypothekenkredite gibt es für unter 3 Prozent. Die Renditen für zehnjährige Pfandbriefe, wichtiger Indikator für Baugeldzinsen, lagen im Januar bei 2,4 Prozent – dem niedrigsten Wert seit 1980. Nicht nur Bauherren, auch Baufirmen kommen immer billiger an Geld. Die vom Ifo-Institut ermittelte „Kredithürde“ für die Baubranche ist im Trend seit 2006 immer weiter gesunken. Interhyp-Vorstand Papo freut der Boom natürlich. Das Volumen seiner vermittelten Darlehen dürfte 2011 auf über sieben Milliarden Euro gestiegen sein – ein neuer Rekord. Die Banken, deren Hypotheken Interhyp vermittelt, zeigten einen ungebrochenen Appetit auf Baufinanzierungen. Die gelten in Deutschland immer noch als sicher und stabilisieren so die Bankbilanzen. In Wahrheit sind überbewertete Immobilien das wohl gefährlichste Vermögensgut überhaupt – gerade weil sie großzügig mit Krediten finanziert werden. Wenn Banken überbewertete Häuser und Wohnungen als Sicherheiten akzeptieren, steigt das Risiko, dass sie bei einem Verfall der Preise auf Forderungen sitzen bleiben. Die Krisenkette, die die Welt seit Sommer 2007 durchlebt – von der Subprime- zur Geldmarkt- zur Banken- zur Staatsschuldenkrise – ist zuvörderst eine Folge von Immobilienblasen. UND ALS NÄCHSTES DEUTSCHLAND? Bei der Bundesbank, beim Finanzministerium und bei der Finanzaufsichtsbehörde BaFin erkennt man zwar die heraufziehende Gefahr – sieht aber noch keinen Grund zum Handeln. Fest steht: Es gibt bislang keine Mittel, um einen nationalen Immobilienboom innerhalb der Euro-Zone zu bremsen. Möglich wären sogenannte „makroprudenzielle Instrumente“ – Vorschriften, die den Banken die Kreditvergabe erschweren, wenn systemdestabilisierende Risiken erkennbar sind. So könnten deutsche Banken beispielsweise verpflichtet werden, von ihren Kunden eine Eigenkapitalquote von mindestens 50 Prozent zu verlangen. Vorarbeiten für solche neuen Regulierungen haben Institutionen wie der Internationale Währungsfonds und die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich längst geleistet. Aber: Die neuen Instrumente gibt es noch nicht. Beim Europäischen Rat für Systemische Risiken, wo EU-Notenbanker zusammensitzen, ersinnt eine Arbeitsgruppe gerade neue Instrumente. Bis sie in europäisches und später in nationales Recht umgesetzt sein werden, dürften noch Jahre vergehen. Die erste große Immobilienblase der USA dehnte sich Mitte der 20er Jahre in Florida aus. Sonnenhungrige Spekulanten überschwemmten den sumpfigen Südstaat. Auch damals halfen lockere monetäre Bedingungen beim Aufpusten der Blase. Zwei Hurrikans 1926 und 1928 kühlten die Euphorie etwas ab. Endgültig zum Platzen brachte die Blase dann der Crash an der New Yorker Börse im Oktober 1929. Manchmal, so scheint es, wiederholt sich Geschichte eben doch. Henrik Müller/Christoph Neßhöver manager magazin 3/2012 81