1 dr. Fritz U. Krause, Gut Niederbarkhausen, 33818 Leopoldshöhe, Tel.: 05202 – 15 99 38 Kleine TRIBÜ(H)NE Literarisches Theater und Zeitstücke BIELEFELD Premieren-Besprechung DER SCHREI DER RUMBA von Andreas Marber Uraufführung Theater Osnabrück Museum am Schölerberg 24. März 2006 Rein in die Erinnerungen, raus ins Leben Alternde Männer verschaffen sich - Erinnerungen überwindend - ein zweites Leben und verlassen das Magazin ihrer musealen Existenz. Eigentlich haben sie Blei an den Füßen und sind versenkt in Gewesenes: Immanuel (Thomas Schneider) ist sein Leben lang in alle erreichbaren Fettnäpfchen getreten. Hellsichtig, aus bieder-kleinbürgerlichen Zuständen heraus, hatte er nämlich oft Wahrheiten ausgesprochen, die als Reaktion Peinlichkeiten und Schuld auf ihn häuften. So hat sich psychische Verklemmung in ihm festgefressen. Seine Enkelin Sinje-Avene bringt ihn dorthin, wo er hingehört, ins Magazin der Ausgemusterten. Dort sitzt bereits Kurt (Klaus Fischer), arthritisch und zum Fossil werdend. Unerwartet ist ihm jeder Besuch. Sinje packt im Magazin angesichts der sie umgebenden Lebensreste das Entsetzen, 2 jedoch läßt kindlicher Selbstschutz sie in Schlaf sinken. Beide Männer, in müll-beigen Anzügen magaziniert (Kostüm Victoria Seute), erfahren überraschend das Anfachen eines ihnen verbliebenen Lebensfunkens. Zunächst zögerlich, von der Kaffeedroge angetrieben, nehmen sie Lebensfahrt auf: Die Rumba schreit. Kurt hat nach seinen Jugenderfolgen als Tourniertänzerin (!) seine Entwicklung zum Manne nie aufzunehmen verstanden. Mit der Erinnerung an Rumba-Zeiten kommt geheimnisvoll Leben in seine Glieder. Beide beginnen zu tanzen, Immanuel vergißt seine Traumata, und Kurt gewinnt sein Körpergefühl zurück. Dem tanzenden Paar kommt das Leben wieder, und sie verlassen am Ende sehr bewegt in später Heilung das Magazin. Sinje erwacht und bleibt mit einem Aufschrei allein in der Leblosigkeit des lichtlosen Magazins zurück. Magazine sind tödlich für junge Menschen. Das Publikum und nicht nur das ältere hört und sieht die Geschichte gern. Die Regisseurin (Britta Schreiber) hat das Glück der gewachsenen Kulisse: das Magazin des Museums am Schölerberg in Osnabrück. Theater in natürliche Umgebung auszulagern ist heute eine ernsthafte Inszenierungsvariante. In der Idealumgebung eines tatsächlichen Magazins, deren Eindruck man sich nicht entziehen kann, läßt die Regie wiedererwachendes Leben in feinem Bewegungsspiel sich entfalten. Sehr behutsam, auf die Kraft lebenskluger Schauspieler vertrauend, kann sie die Gefahren der Comedy-Trivialisierung und die Schatten von Altershomosexualität von den tanzenden 3 Männern (fast) fernhalten. Es ist eine Regie lebensheiligender Frauenkultur. Sie baut die Menschenwürde beider Tänzer (Choreografie Angelos Larosa) mit weiblich-warmherziger Sympathie für alterndes, aber kräftiges Männerleben auf. Sie kann sich dabei auf den Inszenierungstext von Andreas Harber und die kluge Dramaturgie von Tobias Vogt stützen. Sie helfen ihr, beim Erproben von Bühnenglaubwürdigkeit gute theatrale Möglichkeiten zu eröffnen und modische Tempo-Überziehung zu umgehen. Man hat zwar zunächst den Eindruck, die Kondensierung der Tänzer zu stilisierteren Kunstfiguren gäbe dem Stück mehr Zielstrebigkeit, aber die Regie-Entscheidung, die Formalisierung auf Darstellungs-Symmetrien zu beschränken, hat sich für die Gesamtwirkung als klug erwiesen. □Tt Nächste Vorstellungen: 31.3. 04.04. 06.04. 25.04 im Museum am Schölerberg; Beginn jeweils 19.30 Uhr Pressefotos zum Stück zum Downloaden: www.theater.osnabrueck.de Soweit die Tribüne THEATERtankstelle. Die Bühne THEATERtankstelle zeigt das Schauspiel HEINE ist es WEERTH am 30. März auf der BÜHNE HAARMONIE (Bielefeld Heeper Straße 42) und am 03. 04. im Bürgerhaus Oerlinghausen. Beginn jeweils 20.00 Uhr.