THEMA BAUEN FÜR DIE FORSCHUNG BAUEN FÜR DIE FORSCHUNG THEMA Kommunikatives Herz und gleichzeitig Eingangsbereich des Gebäudekomplexes bildet die zentrale Halle, die den Büroriegel und das Laborgebäude miteinander verbindet beziehungsweise auch die erforderliche Trennung ermöglicht. Der Haupteingang des INT befindet sich im westlichen Teil der Halle und erschließt so zugleich den Bürowie auch den Labortrakt. Die Halle dient somit gleichermaßen als Erschließungsund Kommunikationsfläche, und bietet dadurch eine optimale Möglichkeit zur Begegnung und Diskussion unter den Wissenschaftlern. Die Kommunikationsbereiche mit Konferenzraum im Erdgeschoss und das Forum (Cafeteria) im ersten Obergeschoss befinden sich an zentraler Stelle. Sie fungieren zudem als konstruktive Trennungsfuge zwischen dem schwingungsarmen Gebäudeteil der Labore und dem Büroriegel, in dem sämtliche Schwingung erzeugende Haustechnik untergebracht wurde. Dabei vermitteln Stege zwischen den unterschiedlich hohen Ebenen der beiden Gebäudeteile, die über eine Länge von 13,50 Meter frei spannen. Ein Folienkissendach sorgt für eine offene Atmosphäre mit hohem Tageslichtanteil im Kommunikationsbereich. Die Dachfläche ist in vier Folienkissen aus ETFE (Ethylen-Tetrafluorethylen) mit je drei Meter Breite unterteilt, die schräg gelagert über die gesamte Länge der Halle von 14,50 Meter spannen und zirka 60 Zentimeter dick sind. Der Innendruck der pneumatisch gekoppelten Kissen wird durch eine kleine Druckversorgungseinheit aufrechterhalten und gewährleistet die Abtragung von Wind- und Schneelasten. Diese im Vergleich zur Überkopfverglasung kostengünstigere Variante überzeugt auch mit einem äußerst geringen Wartungsaufwand. Die zentrale Halle ist kommunikatives Herz und gleichzeitig Eingangsbereich des INT Der begrünte Innenhof fungiert als erweiterter Aufenthaltsbereich des Forums Eine Kombination aus Riegel, U-Form und verbindender Halle hat sich aufgrund der Nutzungen als optimale Gebäudetypologie herauskristallisiert Stege gleichen die Höhenunterschiede zwischen dem Labor- und Bürogebäude aus Die chemischen Labore befinden sich im 3. OG des schwingungsarmen Laborgebäudes 24 5/08 industrieBAU INSTITUT FÜR NANOTECHNOLOGIE DES FORSCHUNGSZENTRUMS KARLSRUHE Schlüsselübergabe für Schlüsseltechnologie Entwurf und Generalplanung des Institutsneubaus stammen aus der Feder der HWP Planungsgesellschaft mbH aus Stuttgart. Die langjährige Erfahrung mit der Planung komplexer Gebäude aus Forschung, Industrie und Gesundheitswesen ließ ein Gebäude entstehen, das den unterschiedlichen Bedürfnissen der Nutzer Rechnung trägt. TEXT: BETTINA REBHOLZ Die Kommunikation und Interaktion innerhalb der zwölf Arbeitsgruppen ist dementsprechend bedeutsamer Bestandteil der gesamten Arbeit des Instituts. In der Anfangszeit war diese aufgrund der Verteilung der Wissenschaftler auf fünf unterschiedliche Gebäude nur schwer umsetzbar, was den Ausschlag für den Institutsneubau gab. Das erklärte Ziel der Neubaumaßnahme war es, dem Institut für Nanotechnologie gemeinsame Labor- und Büroräume sowie Kommunikationszonen in einem Gebäude, dem Bau 640, zur Verfügung zu stellen. Architektur- und Gestaltungskonzept Der Nutzer stand von Anfang an im Mittelpunkt bei Entwurf und Planung des Gebäudes. Entsprechend gemeinschaftlich mit dem Institut für Nanotechnologie, der Bauabteilung des Forschungszentrums und der HWP Planungsgesellschaft wurde die optimale Gebäudetypologie anhand unterschiedlicher Kriterien gewählt: von der Lage auf dem Grundstück bis hin zur Kubatur und den Raumanordnungen. Als beste Variante hat sich dabei eine Kombination aus Riegel, U-Form und verbindender Halle herauskristallisiert, der sich in die Nutzung Büro, Labor und Kommunikation gliedert. Das Planungskonzept beinhaltet neben der Trennung von Büround Labornutzung auch die günstige Erschließung der getrennten Personen- und Materialflüsse, zukünftige Erweiterungsmöglichkeiten sowie die zentrale Vernetzung einer Kommunikations- und Erschließungszone. Darüber hinaus stellt das Entwurfskonzept eine größtmögliche natürliche Belichtung und Belüftung sicher. Nutzung Fotos: K. P. Müller Im Hardtwald, zwölf Kilometer nördlich von Karlsruhe erstreckt sich auf einer Fläche von zwei Quadratkilometern eine der größten natur- und ingenieurwissenschaftlichen Forschungseinrichtungen in Europa: das Forschungszentrum Karlsruhe mit 22 wissenschaftlichen Instituten und über 3 800 Beschäftigten. Darunter ist das 1998 gegründete Institut für Nanotechnologie (INT), dessen 170 Mitarbeiter unterschiedlichster Professionen internationale Spitzenforschung betreiben. Da Erkenntnisse hinsichtlich der Anwendung auf dem Gebiet der Nanotechnologie insbesondere in den Grenzgebieten zwischen den klassischen natur- und ingenieurwissenschftlichen Disziplinen gewonnen werden, ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit aus theoretisch und experimentell arbeitenden Physikern, Chemikern, Materialwissenschaftlern und Ingenieuren besonders wichtig. Der Komplex des Institutsgebäudes ist gestalterisch stark beeinflusst durch die Wahl der Gebäudestruktur. Jeder der drei Gebäudeteile hat sein spezifisches Erscheinungsbild, das durch Form und Fassade geprägt ist und durch gemeinsame Details und die Ausgewogenheit der Gesamtkomposition eine Einheit bildet. Die Fassade der Eingangshalle wird durch eine zurückhaltende großzügige Glasfläche bestimmt, die die strenge Struktur der Fensterelemente von Büroriegel und Laborgebäude aufnimmt. Durch die Fensterbänder und die horizontale Schichtung der rubinrot durchgefärbten Faserzementplatten werden die Viergeschossigkeit des Büroriegels und dessen langgestreckte Form betont. In der Fassade des Laborgebäudes dominieren elfenbeinfarbene Flächen, unterbrochen durch quadratisch strukturierte Fensterflächen, die sich über alle drei Ebenen fortsetzen und dunkel gehalten sind. Alle sichtbaren Technikumhausungen, wie die der Technikzentrale sowie des ausgelagerten Abfalldepots und Chemikalienlagers, sind mit graphitfarbenen Fassadenelementen bekleidet. industrieBAU 5/08 25 BAUEN FÜR DIE FORSCHUNG THEMA Fotos: K. P. Müller THEMA BAUEN FÜR DIE FORSCHUNG Der viergeschossige Einflur-Riegel bietet neben den Büros der einzelnen Arbeitsgruppen zusätzlichen Platz für internationale Gastwissenschaftler und begrenzt den Gebäudekomplex nach Norden. Im Erdgeschoss auf der Nordseite des Riegels befindet sich die Anlieferung der Ver- und Gebrauchsgüter, die über einen Anlieferraum als Zwischenpuffer in die Warenlager im Mittelteil des Bürogebäudes verteilt werden. Die Entsorgung erfolgt über einen Entsorgungsraum ebenfalls an der Nordseite des Büroriegels. Dessen erstes, zweites und drittes Obergeschoss entsprechen prinzipiell der Raumaufteilung des Erdgeschosses. Komplett getrennt von der Büronutzung sind die physikalischen und chemischen Labore, die in dem U-förmigen Labortrakt untergebracht sind, der den Komplex nach Süden hin abgrenzt. Aufgrund der andersartigen Nutzung mit dem Anspruch an höhere Räume ist der Laborteil im Gegensatz zum Büroriegel lediglich dreigeschossig ausgeführt. Mit einer Hauptnutzfläche von zirka 3 700 Quadratmeter prägt er entscheidend das Bild des gesamten Komplexes. Diejenigen physikalischen Labore, die besonders schwingungsarm ausgeführt werden mussten, befinden sich im Erdgeschoss. Am westlichen und östlichen Teil des Laborgebäudes sind die Labore zu beiden Seiten des Flures angeordnet, auf der Südseite erfolgt eine einseitige Anordnung. Laborgebäude und Konferenzraum im Erdgeschoss sowie Forum im 1. Obergeschoss begrenzen rundum den Innenhof, der dem Anspruch an größtmögliche natürliche Belichtung Rechnung trägt und zudem als erweiterter Aufenthaltsbereich des Forums und des Konferenzbereiches fungiert. Im Innenhof befindet sich darüber hinaus der Zentraldetektor des Kaskade-GrandeProjektes, einem Experiment des Forschungszentrums Karlsruhe, das mit Hilfe von 252 Detektoren Luftschauer vermisst, die durch die Reaktion von hochenergetischer, kosmischer Strahlung mit der Erdat- 26 mosphäre entstehen. Dieser Fixpunkt war ausschlaggebend für die Positionierung des gesamten Gebäudekomplexes auf dem Baugrundstück, da der Detektor nicht im Gebäude eingebunden werden konnte und frei zugänglich sein muss. Technische Besonderheiten Die vollständige funktionale und konstruktive Trennung zwischen Büro- und Laborgebäude hat mehrere Gründe. Zum einen ist dies die Volumenoptimierung des gesamten Gebäudes, da ähnliche Nutzungen zusammengelegt wurden, die gleiche Geschosshöhen benötigen - im Büroteil 3,40 Meter (vier Geschosse) und in den Laboren 4,50 Meter (drei Geschosse). Andererseits bewirkt die Nutzungstrennung eine Förderung der Kommunikation zwischen den Wissenschaftlern, die von ihren Laboren zum dazugehörigen Büro durch die Kommunikationszonen gehen müssen. Zudem benötigen einige spezielle Untersuchungsmethoden zur Abbildung einzelner Atome mit Rastertunnel- oder Transmissionselektronenmikroskopen extrem schwingungsarme Labore (TEM-Labore). Tragwerksplaner und Baudynamiker haben in Absprache mit dem Baugrundfachmann dabei mehrere Fundament-Varianten in Erwägung gezogen, darunter eine Lösung über Einzelfundamente. Da diese jedoch zu kostenaufwendig und in der Nutzung sehr unflexibel gewesen wären, fiel die Entscheidung auf ein flächiges, unter dem Laborgebäude durchgängig 1,90 Meter starkes Fundament. Schwingungstechnische Entkopplung Eine Trennungsfuge sorgt zudem für die schwingungstechnische Entkopplung von Laborgebäude auf der einen Seite und Halle sowie Büroriegel auf der anderen. Die Begegnungsflächen sollen die Kommunikation zwischen den Wissenschaftlern fördern Ein Folienkissendach sorgt für viel Tageslichtanteil im Kommunikationsbereich Trennung erfolgt ab dem Erdgeschoss durch alle Geschosse hindurch. Zusätzlich mussten in den TEM-Laboren alle Wände und Fenster schwingungstechnisch entkoppelt werden. Hierbei kamen auch hochwertige Türen zum Einsatz. Um auch seitens der Haustechnik alle Schwingungen aus dem Laborgebäude fernzuhalten, wurde die komplette Lüftungs- und Kältetechnik in den Büroriegel gelegt. Das Laborgebäude und dabei insbesondere die chemischen Labore, die sich aus diesem Grund im obersten Geschoss befinden, werden vom Büroriegel aus über eine Ringleitung ver- und entsorgt, die von oben die einzelnen Ebenen versorgt. Letztlich wurden abschließende Messungen vorgenommen, die von der Straße ausgehende Schwingungen identifizierten. Dieses Risiko der Schwingungsübertragung wurde ausgeschlossen durch die Verlegung der TEM-Labore von ihrer ursprünglich angedachten Lage im westlichen Teil des Laborgebäudes, der unmittelbar an die Straße grenzt, auf die Ostseite des Gebäudes. Diese völlige Entkopplung und Trennung von Büro, Labor und Kommunikation war letztendlich ein entscheidendes Kriterium für die drei unterschiedlichen Gebäudetypologien. net. Vier Technikkerne im Laborgebäude dienen als zentrale Verteiler für Luft- und elektrische Energieversorgung auf die Ebenen. Dezentral und offen geführte Medieninstallationen für Wasser, Prozesskälte und Gase verbinden vertikal die Laborräume in den einzelnen Ebenen und bilden somit kurze Versorgungswege. Die innerhalb der Laborräume geführten horizontalen und vertikalen Trassen bieten den Vorteil brandlastfreier Flurbereiche sowie Um- und Nachrüstungsmöglichkeiten einzelner Laborräume während des laufenden Betriebs. Die Lüftungsversorgung vom Büro- zum Laborgebäude wird durch jeweils zwei geschosshohe Betonträger getragen, die vom Bürogebäude bis zur Trennungsfuge auf der Seite des Laborgebäudes spannen. Ver- und Entsorgung Die speziellen Anforderungen der wissenschaftlichen Labore beinhalten die verschiedensten Ver- und Entsorgungssysteme wie VE-Wasser (vollentsalztes Wasser), Chemie IAbwasser (nicht radioaktiv kontaminiertes Abwasser), Stickstoff flüssig und gasförmig, Argon, Wasserstoff, Druckluft, Prozesskälteversorgung für wissenschaftliche Geräte sowie Umluftkühler. Die Technikzentralen für Wärme, Wasser, Abwasseraufbereitung sowie der Starkstrom- und Kommunikationstechnik befinden sich im Untergeschoss. In einer Dachzentrale sind die lüftungs- und kältetechnischen Zentralanlagen angeord- industrieBAU 5/08 Schnitt 3D-Modell der Stege Organisch geformte, in Grundriss und Querschnitt gekrümmte Verbindungsstege aus vorgespanntem Stahlbeton verbinden den Labortrakt mit dem Büroriegel. Auf einer gemeinsamen Datenbasis entwickelten Architekt und Tragwerksplaner ein 3D-Modell der Stege, dessen Formgebung sowohl den statischen Notwendigkeiten der großen Spannweite, als auch der gestalterischen angestrebten Leichtigkeit genügen musste. Aus diesem Datenmodell konnten dann die einzelnen Schnitte extrahiert werden, die der Zimmermann zum Bau der doppelt gekrümmten Schalung benötigte. Die Entwikklung der Bewehrung für dieses Bauteil war ebenfalls eine große Herausforderung, da insgesamt über 400 verschiedene Biegeformen zu konstruieren waren. Diese wurden dann virtuell in das 3D-Modell eingepasst, um die Formen zu überprüfen, anzupassen und etwaige Kollisionen zu entdecken. Seit Frühling 2008 steht der Neubau nach einer Planungs- und Bauzeit von vier Jahren den Forschern zur Verfügung und wird im Herbst offiziell eingeweiht. 5/08 industrieBAU Grundriss Namen und Daten Bauherr: Generalplaner: Tragwerksplaner: Bauphysik: Baudynamiker: Technische Gebäudeausrüstung: Laborplanung: Baugrundfachmann: Pläne: HWP Planungsgesellschaft mbH Verschiedene Gebäudeteile mit unterschiedlicher Gestaltung: Horizontale Fensterbänder unterstreichen die Viergeschossigkeit des roten Büroriegels, beim Labortrakt dominieren helle Flächen Funktionsbereiche Freiraumgestaltung: Hauptnutzfläche: Bausumme: Forschungszentrum Karlsruhe GmbH, Eggenstein-Leopoldshafen HWP Planungsgesellschaft mbH, Stuttgart Weischede Herrmann und Partner GmbH, Stuttgart BBI - Bayer Bauphysik Ingenieurgesellschaft mbH, Fellbach BFB Büro für Baudynamik GmbH, Stuttgart SCHOLZE Ingenieurgesell schaft GmbH, Leinfelden-Echterdingen HWP Planungsgesellschaft mbH, Stuttgart Smoltzcyk und Partner GmbH, Stuttgart Prof. Kienle, Planungsgesellschaft Freiraum und Städtebau mbH, Stuttgart ca. 6 600 m2 ca. 22 Mio. Euro Bettina Rebholz ist Dipl.-Ing. und bei der HWP Planungsgesellschaft mbH in Stuttgart im Bereich Marketing und Kommunikation tätig. www.hwp-planung.de 27