Economic Research Swiss Issues Branchen Exportindustrie Schweiz – Erfolgsfaktoren und Ausblick April 2011 44184_Credit-Suisse_Umschlag_de+4.indd 1 23.03.11 16:14 Economic Research Impressum Herausgeber Martin Neff, Head Credit Suisse Economic Research Uetlibergstrasse 231, CH-8070 Zürich Kontakt [email protected] Telefon +41 (0)44 334 74 19 Autoren Nicole Brändle Schlegel Marco Caprarese Emilie Gachet Dr. Manuela Merki Philipp Waeber Mitwirkung Raffael Goldenberger Titelbild © iStockphot.com/B-B Redaktionsschluss Februar 2011 Bestellungen Direkt bei Ihrem Kundenberater oder bei jeder Credit Suisse-Geschäftsstelle Einzelexemplare über EBIC Fax +41 (0)44 333 37 44 oder E-Mail an [email protected] Interne Bestellungen via Netshop mit Mat.-Nr. 1502081 Besuchen Sie uns auf dem Internet www.credit-suisse.com/research Disclaimer Dieses Dokument wurde vom Economic Research der Credit Suisse hergestellt und ist nicht das Ergebnis einer/unserer Finanzanalyse. Daher finden die "Richtlinien zur Sicherstellung der Unabhängigkeit der Finanzanalyse" der Schweizerischen Bankiervereinigung auf vorliegendes Dokument keine Anwendung. Diese Publikation dient nur zu Informationszwecken. Die darin vertretenen Ansichten sind diejenigen des Economic Research der Credit Suisse zum Zeitpunkt der Drucklegung (Änderungen bleiben vorbehalten). Die Publikation darf mit Quellenangabe zitiert werden. Copyright © 2011 Credit Suisse Group AG und/oder mit ihr verbundene Unternehmen. Alle Rechte vorbehalten. Swiss Issues Branchen 44184_Credit-Suisse_Umschlag_de+4.indd 2 23.03.11 16:14 Economic Research Inhalt Editorial 5 1 6 1.1 1.2 1.3 1.4 Stellenwert und Entwicklung der Schweizer Exportwirtschaft Bedeutung des Schweizer Aussenhandels Wichtigste Exportbranchen Wichtigste Exportdestinationen Krisenvergleich 6 8 9 10 2 Erfolgsfaktoren 2.1 Zyklizität des Branchenportfolios 2.2 Wettbewerbsfähigkeit 2.2.1 Unit Value als Qualitätsindikator 2.2.2 Positionierung im Preis- und Qualitätswettbewerb 2.3 Geographische Diversifikation 12 12 13 13 3 Ausblick 3.1 Chancen 3.1.1 Multipolare Welt und Auswirkungen auf die Schweizer Exporte 3.1.2 Demographischer Wandel und Urbanisierung 3.1.3 Exkurs: Zunehmende Bedeutung Chinas als Absatzmarkt 3.2 Risiken 3.2.1 Länderrisiken 3.2.2 Wechselkursrisiken 3.2.3 Protektionismus 25 25 18 23 25 31 34 35 35 37 40 4 Schlussfolgerungen 42 5 5.1 5.2 Appendix Definition der Länderaggregate Literatur 43 43 44 Swiss Issues Branchen 3 Economic Research Swiss Issues Branchen 4 Economic Research Editorial Die Schweizer Wirtschaft ist stark vom Aussenhandel abhängig. Vertiefte Kenntnisse über die hiesige Exportindustrie sind deshalb mehr als bloss ein "nice-to-know". In unserer im März 2009 publizierten Studie "Aussenhandel Schweiz – Fakten und Trends" haben wir der Schweizer Exportindustrie bereits einmal den Puls gefühlt und ihre Struktur sowie ihre Bedeutung für die Schweiz detailliert untersucht. In der Zwischenzeit haben sich die Ereignisse überschlagen, und die Welt präsentiert sich heute in einem anderen Licht. Die Finanzkrise hat die Weltwirtschaft in eine Rezession gestürzt, die den globalen Warenaustausch regelrecht einbrechen liess. Erinnerungen an die Grosse Depression der 1930er Jahre kamen auf. Das rasche, entschlossene und vor allem koordinierte Eingreifen zahlreicher Staaten vermochte das Abgleiten in eine Krise ähnlichen Ausmasses jedoch zu verhindern. Die Krise machte aber auch die maroden Staatshaushalte in vielen hochentwickelten Industrieländern sichtbar, was viele verunsicherte Anleger in den Schweizer Franken als Safe Haven trieb. Der derzeit aus Sicht der Schweizer Exporteure eher ungünstige EUR/CHF-Wechselkurs wird zunehmend zur Belastungsprobe. Nebst den genannten, eher kurzfristigen Veränderungen wandelt die fortschreitende Globalisierung das Gesicht der Welt längerfristig. Daraus ergeben sich weitere Herausforderungen, aber auch Chancen für die heimische Exportindustrie. Die Zeit, in der Globalisierung gleichzusetzen war mit billiger Arbeit sowie der entsprechenden Verlagerung wenig wissensintensiver und standardisierter Produktionsprozesse insbesondere nach Fernost, scheint durch ein neues Phänomen abgelöst zu werden. Zahlreiche Schwellenländer haben die Chancen, die ihnen die Globalisierung bot, genutzt und entwickelten sich weiter. Aus einstigen Produzenten billigster Massenprodukte sind teilweise Hersteller von Hightech-Produkten und damit neue Konkurrenten westlicher Produzenten geworden. Mit dem im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs steigenden Wohlstand bilden sich in den betreffenden Ländern aber auch neue, riesige und für westliche Produzenten lukrative Absatzmärkte heraus. Die vorliegende Studie betrachtet in einem ersten Teil die Bedeutung des Aussenhandels für die Schweizer Industrie und bezieht dabei die neusten konjunkturellen Entwicklungen in die Analyse mit ein. Dienstleistungsexporte, insbesondere grenzüberschreitende Bankdienstleistungen und der Tourismus, machen zwar einen immer wichtigeren Anteil an den Exporten aus, aus Gründen der Datenverfügbarkeit und der grossen Heterogenität fokussieren wir in der Studie allerdings auf Warenexporte. Das zweite Kapitel analysiert mögliche Erfolgsfaktoren der Schweizer Exportindustrie und geht dabei auch auf Qualitätsaspekte ein. Im dritten Teil der Studie untersuchen wir, inwiefern die Schweizer Exporteure bereits vom steigenden Wohlstand in den Schwellenländern profitieren können, in welchen Regionen zusätzliche Anstrengungen im Sinne einer weiteren geographischen Diversifizierung lohnenswert erscheinen und wie die Schweizer Exportstruktur in zwanzig Jahren aussehen könnte. Nebst den sich für Schweizer Firmen aus dem demographischen Wandel und der rasch fortschreitenden weltweiten Urbanisierung ergebenden Chancen analysieren wir die Risiken, mit denen Schweizer Exporteure konfrontiert sind. In den Schlussfolgerungen interpretieren wir die Resultate und stellen sie in den Kontext der aktuellen Entwicklung. Das Autorenteam der Credit Suisse und die Osec wünschen Ihnen eine spannende Lektüre. Die Partnerschaft zwischen der Osec und der Credit Suisse Osec ist der Aussenwirtschaftsförderer der Schweiz mit offiziellem Mandat des Bundes. Sie verfügt mit den Swiss Business Hubs über ein weltweites Netzwerk und ausgewiesene Spezialisten vor Ort. Die Credit Suisse engagiert sich seit 2009 aktiv bei der Osec. Unser Engagement ist ein klares Bekenntnis zur Schweizer Wirtschaft und zum Werkplatz Schweiz. Wir sind überzeugt, dass dieser nur mit einer starken und kompetitiven Exportwirtschaft wachsen kann. Eine starke Export- und Innovationskompetenz wird langfristig unseren hohen Lebensstandard aufrechterhalten. Swiss Issues Branchen 5 Economic Research 1 Stellenwert und Entwicklung der Schweizer Exportwirtschaft 1.1 Exportnation Schweiz Bedeutung des Schweizer Aussenhandels Im Zuge der Globalisierung hat die Aussenhandelsverflechtung der Schweiz in den letzten zwanzig Jahren laufend zugenommen, und die Exportindustrie hat somit stark an Bedeutung gewonnen. Abbildung 1 zeigt, dass die Exporte und Importe in diesem Zeitraum deutlich stärker angestiegen sind als das Bruttoinlandprodukt: Während die Exportquote1 der Schweiz im Jahr 1990 noch ein Drittel betrug, verdient die Schweiz heute mehr als jeden zweiten Franken im Ausland. Abbildung 1 Bruttoinlandprodukt, Importe und Exporte, 1990–2010, nominal Index 1990 = 100 400 Bruttoinlandprodukt Warenimporte* Dienstleistungsimporte Warenexporte* Dienstleistungsexporte 300 200 100 0 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 Quelle: Staatssekretariat für Wirtschaft, Credit Suisse Economic Research * ohne Edelmetalle, Edel- und Schmucksteine, Kunstgegenstände und Antiquitäten Export als entscheidender Wachstumstreiber Die grosse Bedeutung der Exportindustrie für die Schweizer Wirtschaft zeigt sich auch im Beitrag der Waren- und Dienstleistungsexporte zum Wirtschaftswachstum. Die Wachstumsbeiträge in Abbildung 2 beschreiben, wie viel die inländische respektive die ausländische Nachfrage im Zeitraum 1990–2010 zum Wachstum des Bruttoinlandprodukts beigesteuert haben.2 Ohne Exporte wäre die Schweizer Wirtschaft in dieser Periode um jährlich durchschnittlich 0.3% geschrumpft, denn zwischen 1990 und 2010 trug die ausländische Nachfrage insgesamt 1.8 Prozentpunkte zum durchschnittlichen jährlichen Wachstum des realen BIP von 1.5% bei. Starkes Exportwachstum durch die Krise gestoppt Wie Abbildungen 1 und 2 zeigen, entwickelten sich die Schweizer Exporte in den Zeiträumen 1997–2000 und insbesondere 2004–2008 sehr dynamisch. Im Jahr 2008 erreichten die Warenexporte3 einen Rekordwert von rund 207 Mrd. CHF. Die Weltwirtschaftskrise und der damit einhergehende Einbruch des Welthandels ab Ende 2008 trafen die Schweizer Exportindustrie jedoch mit Wucht und setzten dem Boom ein abruptes Ende. 2009 gingen die Warenexporte gegenüber dem Vorjahr um nominal 12% und die Dienstleistungsexporte um nominal 2.5% zurück. Dies führte 2009 zu einem deutlich negativen Wachstumsbeitrag der Exporte (–5.0 PP). Die inländische Nachfrage übte mit einem Beitrag von 3.1 Prozentpunkten eine stabilisierende Wirkung auf das Bruttoinlandprodukt aus. Insgesamt resultierte ein Rückgang des BIP von 1.9% (Abbildung 2). 1 2 3 Verhältnis der Waren- und Dienstleistungsexporte zum Bruttoinlandprodukt. Die inländische Nachfrage ist definiert als Inlandnachfrage (Konsum und Investitionen) abzüglich Waren- und Dienstleistungsimporte, die ausländische Nachfrage als Waren- und Dienstleistungsexporte. Ohne Spezialhandel. Swiss Issues Branchen 6 Economic Research Abbildung 2 Wachstumsbeiträge der inländischen und ausländischen Nachfrage, 1990–2010 Wachstumsbeiträge in Prozentpunkten, BIP-Wachstum in Prozent, real 6% 4% 2% 0% -2% -4% Inländische Nachfrage Warenexporte Dienstleistungsexporte BIP-Wachstum -6% 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 Quelle: Staatssekretariat für Wirtschaft, Credit Suisse Economic Research Rasche Erholung 2010 Nach dem Krisenjahr 2009 profitierte die Schweizer Exportindustrie von der Wiederbelebung der globalen Konjunktur und fand 2010 wieder auf den Wachstumspfad zurück. Insgesamt exportierte die heimische Industrie im Jahr 2010 Waren im Wert von 193 Mrd. CHF, was einem Anstieg um 7.2% gegenüber dem Vorjahr entspricht. Die Schweizer Ausfuhren lagen Ende 2010 allerdings deutlich unter ihrem Höchststand aus dem Jahre 2008. Box 1: Warenexporte versus Dienstleistungsexporte Die Zahlungsbilanz stellt gemäss Definition des Internationalen Währungsfonds (IWF) die systematische Aufzeichnung aller wirtschaftlichen Transaktionen dar, die im Laufe einer bestimmten Periode zwischen Inländern und Ausländern stattfanden (Abbildung 3). Unter Transaktion versteht man den Fluss von Waren, Dienstleistungen, Einkommen und Übertragungen sowie die Entstehung und Tilgung von finanziellen Forderungen und Verpflichtungen. Die Zahlungsbilanz besteht aus der Ertragsbilanz, der Kapitalverkehrsbilanz und der Komponente Vermögensübertragungen und Restposten. Die Ertragsbilanz wiederum setzt sich aus der Dienstleistungs- und der Handelsbilanz zusammen. Letztere erfasst den grenzüberschreitenden Warenverkehr und stellt den bei weitem wichtigsten Posten der Schweizer Ertragsbilanz dar. Mit einem Anteil von rund 30% (2009) an den gesamten Ausfuhren spielen Dienstleistungsexporte jedoch eine zunehmend wichtige Rolle für den Schweizer Aussenhandel. Internationale Dienstleistungsströme sind allerdings schwieriger zu erfassen als Warenströme, weshalb die aktuelle Statistik des Dienstleistungshandels noch gewisse Lücken aufweist. Manche Dienstleistungskategorien werden gar nicht erfasst, und es fehlt eine Gliederung des Dienstleistungshandels nach Ländern. Die grenzüberschreitenden Bankdienstleistungen machen heute den grössten Anteil der Schweizer Dienstleistungsexporte aus (2009: 22%). Vor der Krise hatte dieser Anteil sogar noch 29% betragen. Bis 1997 war der Tourismus mit einem Anteil von rund 30% die grösste Dienstleistungsexportkategorie; heute beträgt dessen Anteil etwa 18%. Der Handel mit technologischen Diensten (Lizenzen und Patenten), welcher 2009 mit 21% den Tourismus überholte, und der Transithandel (2009: 15%) sind in den letzten zehn Jahren überdurchschnittlich stark gewachsen. Die Studie widmet sich ausschliesslich dem für die Schweiz gewichtigen Export von Waren, namentlich der Exportindustrie im engeren Sinne, die aufgrund der einigermassen vergleichbaren Datenbasis und der für die Exporteure ähnlichen Rahmenbedingungen ein geeignetes Aggregat für vertiefte Analysen bietet. Swiss Issues Branchen 7 Economic Research Abbildung 3 Zahlungsbilanz der Schweiz 2009 In Mrd. CHF Zahlungsbilanz Handelsbilanz Saldo 63.8 Ertragsbilanz Warenexporte 188.4 Warenimporte 171.7 Saldo 16.7 Dienstleistungsbilanz Dienstleistungsexporte 80.2 Dienstleistungsimporte 37.9 Saldo 42.3 Bilanz der Arbeits- und Kapitaleinkommen Laufende Übertragungen ÷ Kapitalverkehrsbilanz ÷ Saldo –26.6 Vermögensübertragungen und Restposten Saldo –37.2 Quelle: Schweizerische Nationalbank, Credit Suisse Economic Research 1.2 Wichtigste Exportbranchen Exportschwergewicht Pharma Abbildung 4 veranschaulicht die Branchenstruktur der Schweizer Warenexporte und ihre Entwicklung seit 1990. Mit Ausnahme der Textil- und Bekleidungsindustrie registrierten in diesem Zeitraum alle betrachteten Branchen ein positives Exportwachstum; die Unterschiede zwischen den Branchen sind aber gross. Mit einem Anteil von rund 28% am gesamten Exportvolumen stellt die pharmazeutische Industrie heute die grösste Schweizer Exportbranche dar, gefolgt vom Maschinenbau (12%), der Chemie (10%) und der Uhrenindustrie (8%). Zweistelliges langfristiges Wachstum bei der Pharma und der Medizinaltechnik Die Pharmabranche verzeichnete in den letzten zwanzig Jahren ein stark überdurchschnittliches Wachstum (+11% pro Jahr) und vermochte damit ihren Anteil an den gesamten Exporten mehr als zu verdreifachen. 1990 betrug ihr Anteil erst 8%. Mit einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 9% entwickelte sich auch die Medizinaltechnik äusserst dynamisch und macht heute rund 5% der Exporte aus (1990: 2%). Beide Branchen profitierten von der stark gestiegenen Nachfrage nach Gesundheitsleistungen. Demgegenüber registrierte der Maschinenbau – 1990 mit 23% noch die bei weitem grösste Exportbranche vor der chemischen Industrie – ein unterdurchschnittliches Wachstum und sein Anteil schrumpfte massiv. Ein Grund für die Krise im Maschinenbau in den 1990er Jahren lag darin, dass mit dem Fall des Eisernen Vorhangs und billigen Produktionsmöglichkeiten in China der Produktionsstandort Schweiz aufgrund seiner Kostenstruktur stark unter Druck kam. Metallindustrie und Maschinenbau von der Krise stark betroffen Im Krisenjahr 2009 verzeichneten die meisten Branchen einen Rückgang ihrer Exporte im zweistelligen Bereich. Extrem betroffen waren die Metallindustrie (–31% im Vorjahresvergleich) und der Maschinenbau (–27%). Auch die Uhren-, die Kunststoff-, die Textil- und Bekleidungs- sowie die Elektroindustrie litten stark unter der Exportkrise. Die Exportrückgänge in diesen Branchen betrugen 2009 zwischen 15% und 22%. Demgegenüber zeigten sich die Exporte der Medizinaltechnik und der Nahrungsmittelindustrie trotz der Krise stabil (0% bzw. –0.4%). Von allen betrachteten Branchen vermochte einzig die pharmazeutische Industrie ihre Ausfuhren auch im Jahr 2009 zu steigern. Swiss Issues Branchen 8 Economic Research 2010: Erholung in den meisten Branchen Mit Ausnahme des Fahrzeugbaus (–24%), der Textil- und Bekleidungsindustrie (–7%) sowie der Medizinaltechnik (–0.6%) erzielten alle Branchen 2010 wieder ein Exportplus. Am deutlichsten legten die Ausfuhren der Uhren- (+22% im Vorjahresvergleich) sowie der Metallindustrie (+21%) zu, welche im Krisenjahr 2009 besonders hohe Einbussen erlitten hatten. In den übrigen Branchen betrugen die Exportzunahmen 2010 zwischen 4% und 12%. Abbildung 4 Schweizer Warenexporte nach Branchen Anteile am Total Warenexporte in Prozent; durchschnittliche jährliche Wachstumsrate in Prozent, 1990–2010 Rote Linie: durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der gesamten Warenexporte in Prozent, 1990–2010 30% 20% Anteil 1990 Anteil 2010 Durchschn. jährliche Wachstumsrate (rechte Achse) Übrige Branchen Textil und Bekleidung -4% Kunststoff -6% Fahrzeugbau 0% Mess- und Kontrollinstr. 0% Nahrungsmittel 4% Medizinaltechnik 6% Metall 8% Elektroindustrie 12% Uhren 12% Chemie 18% Maschinenbau 16% Pharma 24% Quelle: Eidgenössische Zollverwaltung, Credit Suisse Economic Research 1.3 Wichtigste Exportdestinationen Ländervergleich konzentriert sich auf wichtigste Konkurrenten und Zukunftsmärkte Neben der Unterscheidung nach Branchen ist auch die Exportstruktur nach Destinationen aufschlussreich. In dieser Studie betrachten wir in erster Linie die Europäische Union4 und die USA als wichtige Konkurrenten der Schweizer Exportindustrie sowie vielsprechende "Zukunftsmärkte", zu denen wir die BRIC-, Golf- und Next 11-Staaten (vgl. Box 2) sowie die Länder Südostasiens zählen. Im Appendix befindet sich eine Definition der in der Studie verwendeten Länderaggregate. EU bleibt wichtigster Handelspartner der Schweiz Abbildung 5 vergleicht die Schweizer Warenexporte nach Destinationen im Jahr 2010 mit der Struktur von 1990. Deutschland stellt heute mit einem Exportanteil von 19% den mit Abstand grössten Absatzmarkt dar, vor den USA mit einem Anteil von 10%. Die Nachbarstaaten Italien und Frankreich nehmen je rund 8% der Schweizer Ausfuhren ab, während rund 6% nach China und Hongkong gehen. Die Europäische Union als Abnehmerin von insgesamt 58% der helvetischen Exporte bleibt nach wie vor die wichtigste Handelspartnerin der Schweiz. Ihr Anteil hat jedoch seit 1990 deutlich abgenommen. Starkes Wachstum in aufstrebenden Schwellenländern Obwohl Europa weiterhin eine dominante Rolle für die Schweizer Exporte spielt, ist der Anteil der nichteuropäischen Destinationen in den letzten zwanzig Jahren merklich angestiegen. Vermehrt wurde auch in Schwellenländer exportiert. Die Schweizer Exportwirtschaft vermochte somit ihre geographische Diversifizierung zu erhöhen (vgl. auch Kapitel 2.3). Insbesondere die Ausfuhren in die BRIC-Länder (Brasilien, Russland, Indien, China) haben seit 1990 markant zugenommen. Der Exportanteil Chinas (inklusive Hongkong) hat sich seit 1990 verdoppelt. Schweizer Exporte nach China nahmen in diesem Zeitraum um jährlich 8.5%, während die gesamten Schweizer Warenexporte im Durchschnitt um "nur" 4.5% pro Jahr zuzulegen vermochten. Der Anteil der Ausfuhren in die EU-Osterweiterungsländer und in die Golfstaaten konnte 4 Mit den grössten Nachbarländern Deutschland, Frankreich und Italien sowie Grossbritannien jeweils gesondert ausgewiesen. Swiss Issues Branchen 9 Economic Research seit 1990 ebenfalls gesteigert werden, wenn auch nur leicht. Demgegenüber blieb der Exportanteil nach Südostasien und in die Next 11-Länder in diesem Zeitraum praktisch unverändert. Abbildung 5 Schweizer Warenexporte nach Destinationen Anteile an den gesamten Schweizer Warenexporten, 1990 (innerer Kreis) und 2010 (äusserer Kreis) Südostasien 2.9% USA 10.1% 12.4% Deutschland Next 11 Italien 4.5% 12.4% Golfstaaten 3.1% Frankreich Grossbritannien 2.8% 2.4% BRIC 10.3% 7.4% 23.3% 4.4% 19.4% 3.0% 5.4% 1.6% EU-Ost China (inkl. Hongkong) 6.4% 64.8% 2.8% EU-15 9.5% BRIC 8.0% 5.4% 10.1% Südostasien 7.8% 4.7% Golfstaaten EU-15 54.8% Next 11 Übrige Länder Quelle: Eidgenössische Zollverwaltung, Credit Suisse Economic Research Box 2: Next 11, die Nachfolger der BRIC? Der Begriff "Next 11" wurde 2005 vom Goldman Sachs-Chefökonomen Jim O'Neill geprägt, welcher 2003 schon den Begriff "BRIC" geprägt hatte.5 Mit Bangladesh, Ägypten, Indonesien, Iran, Südkorea, Mexiko, Nigeria, Pakistan, den Philippinen, der Türkei und Vietnam umfassen die Next 11 eine sehr heterogene Anzahl von Ländern. Sie werden als "Nachfolger" der BRIC-Staaten verstanden, da sie eine hohe Bevölkerungszahl und hohes Bevölkerungswachstum aufweisen und ihnen das Potenzial zugeschrieben wird, in den nächsten Jahrzehnten einen ähnlichen wirtschaftlichen Aufschwung zu durchleben, wie ihn die BRICLänder aktuell verzeichnen. Allerdings ist umstritten, ob all diese Länder ihr Potenzial auch wirklich werden ausschöpfen können. 1.4 Krisenvergleich Einbruch des Welthandels 2009… Im Zuge der Weltwirtschaftskrise brach der Welthandel Ende 2008 und Anfang 2009 drastisch ein. Gemäss Zahlen der internationalen Warenhandelsstatistik der Vereinten Nationen nahmen die weltweiten Warenexporte im Jahr 2009 gegenüber dem Vorjahr um nominal 22% ab, was dem stärksten Rückgang seit der Grossen Depression der 1930er Jahre entspricht. … traf auch die Schweizer Exportindustrie hart Auch die Schweiz als kleine offene Volkswirtschaft wurde vom weltweiten Konjunktureinbruch, welcher die globale Nachfrage nach Schweizer Produkten schwinden liess, nicht verschont. Auch hierzulande wurde mit einem Minus von 14%6 der grösste Rückgang der Warenexporte binnen Jahresfrist seit der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre verzeichnet.7 Grösster Exporteinbruch seit der Grossen Depression… Ein Blick auf Abbildung 6, welche die Entwicklung der Schweizer Warenexporte während der letzten Krise dem Verlauf in früheren Rezessionen gegenüberstellt, verdeutlicht den erwähnten starken Einbruch im Schweizer Aussenhandel. Der Exportrückgang ab Herbst 2008 ist in seinem Ausmass nur mit dem ab 1929 verzeichneten Einbruch vergleichbar. Mitte 2009 erreichten die Schweizer Ausfuhren ihren Tiefpunkt. Seit Beginn der Krise waren sie um beinahe 20% zu- 5 6 7 Vgl. O'Neill, J., Wilson, D., Purushothaman, R., & Stupnytska, A. (2005), und Wilson, D., & Stupnytska, A. (2007). Diese Zahl wurde auf der Basis von OECD-Daten berechnet, um die Vergleichbarkeit mit den anderen Ländern zu gewährleisten. 1944 gab es kriegsbedingt ebenfalls einen hohen zweistelligen Rückgang (–30% im Vorjahresvergleich). Swiss Issues Branchen 10 Economic Research rückgegangen. Die vergangene Rezession unterscheidet sich von der Krise der 1990er Jahre sowie der Dotcom-Krise 2001–2003 vor allem darin, dass die beiden letztgenannten Konjunktureinbrüche sich kaum auf die Schweizer Exportindustrie auswirkten. … aber raschere Erholung Nach der Grossen Depression hatten die Schweizer Exporte einen monatelangen, tiefen Abstieg und eine zögerliche Erholung registriert. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg fanden sie auf ihr Vorkrisenniveau zurück. Im Vergleich dazu erholten sich die Schweizer Exporte nach der jüngsten Krise überraschend schnell. Bereits Mitte 2009 fanden sie auf den Wachstumspfad zurück. Die Exporterlöse liegen zwar noch klar unter dem Vorkrisenniveau, bis Ende 2010 wurde aber bereits über die Hälfte des rezessionsbedingten Einbruchs wieder wettgemacht. Abbildung 6 Warenexporte Schweiz im historischen Vergleich Abbildung 7 Warenexporte Schweiz im Konkurrentenvergleich X-Achse: Monate nach Krisenbeginn; Y-Achse: Index Krisenbeginn = 100 Saisonbereinigt, in USD, Index Sept. 2008 = 100 120 110 110 105 100 100 90 95 80 90 Schweiz Deutschland USA Frankreich Italien Grossbritannien 85 70 60 50 40 30 0 "Weltwirtschaftskrise" 2008–10 Weltwirtschaftskrise der 1930er Erste Ölkrise 1974–75 Krise der 1990er Dotcom-Krise 2001–03 80 2 09/2008 4 6 75 70 65 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 Quelle: Bundesamt für Statistik, Eidgenössische Zollverwaltung, Credit Suisse Economic Research Schweiz kam im Vergleich mit anderen Exportnationen glimpflicher davon 03/2009 09/2009 03/2010 09/2010 Quelle: OECD, Credit Suisse Economic Research Im internationalen Vergleich hat die Schweiz die Krise besser gemeistert als andere Industrieländer. Abbildung 7 zeigt die Entwicklung der Warenexporte der Schweiz und ausgewählter vergleichbarer Exportnationen – namentlich der grössten Nachbarländer Deutschland, Frankreich und Italien sowie Grossbritannien und der USA. Der Rückgang der Schweizer Warenexporte 2009 fiel im internationalen Vergleich mit –14% unterdurchschnittlich aus, und die Erholung ging entsprechend rascher vonstatten. Die Exporte aus den USA nahmen im Vorjahresvergleich um rund 19% ab, während alle anderen Länder Rückgänge von über 20% verzeichnen mussten (Italien –25%, Grossbritannien –24%, Deutschland –23% und Frankreich –22%). Swiss Issues Branchen 11 Economic Research 2 Erfolgsfaktoren Angesichts des beeindruckenden Erfolgsausweises in den letzten zwanzig Jahren und ihrer raschen Erholung in der jüngsten Krise stellt sich die Frage nach dem Erfolgsrezept der Schweizer Exportindustrie. Welche Branchen haben einen stabilisierenden Einfluss? Sind die Schweizer Exportgüter qualitativ hochstehender? Oder profitieren die Schweizer Exportbranchen von einer stärkeren Diversifikation auf verschiedene Absatzmärkte? 2.1 Zyklizität des Branchenportfolios Exportportfolio als möglicher Stabilisator in Krisen Die Volatilität der Branchenentwicklung zeigt sich keineswegs einheitlich. Der Maschinenbau beispielsweise weist in guten Jahren zweistellige Exportzuwächse auf, in Rezessionsphasen muss er aber überdurchschnittlich starke Einbrüche verzeichnen. Andere, konjunkturresistentere Branchen wie die Pharmaindustrie bekommen eine Krise deutlich weniger zu spüren. Das Exportportfolio – sprich die Branchendiversifikation der Exporte eines Landes – beeinflusst die Sensitivität der Exporte eines Landes damit entscheidend. Messung der Volatilität der Exporte einer Branche Um das Exportportfolio der verschiedenen Länder hinsichtlich ihrer Krisenanfälligkeit zu untersuchen, berechnen wir die Standardabweichung des Exportwachstums einer Branche im Durchschnitt der sechs Vergleichsländer.8 Exportportfolio der Schweiz krisenresistenter als dasjenige der Vergleichsländer Abbildung 8 zeigt, dass das Exportportfolio der Schweiz insgesamt tatsächlich krisenresistenter ist als dasjenige der Vergleichsländer. Das macht der berechnete Volatilitätsindex9 deutlich. Beträgt der Index für die Schweizer Industrie 10.57, so erzielen die Vergleichsländer Werte zwischen 10.80 und 13.03. Das Gros der Branchen weist in der Schweiz und in den Vergleichsländern in etwa ähnliche Anteile an den Gesamtexporten auf, so dass der Schweiz daraus weder spezifische Vorteile noch Nachteile in Bezug auf die Krisenresistenz entstehen. Deutliche Bedeutungsunterschiede zeigen aber die Pharmaindustrie, die Uhrenindustrie sowie der Fahrzeugbau. Pharmaindustrie stabilisiert die Schweizer Exporte… Der Kauf von Medikamenten kann auch in Krisenzeiten nicht einfach aufgeschoben werden, dies im Gegensatz zum Konsum anderer Güter wie Möbel oder Autos. Die klar unterdurchschnittliche Branchenvolatilität der Pharmaindustrie (Abbildung 8) bestätigt, dass sich deren Exporte von Rezessionen praktisch unberührt zeigen. Da die pharmazeutische Industrie ein zentrales Standbein im Schweizer Aussenhandel darstellt (im Durchschnitt der Jahre 2007 bis 2009 waren rund 23% der Schweizer Exporte Pharmaprodukte), hat sie entscheidenden stabilisierenden Einfluss auf das Total der Schweizer Warenexporte. Wie Abbildung 8 ebenfalls zeigt, haben Pharmaprodukte in den Vergleichsländern einen deutlich geringeren Anteil an den Gesamtexporten, so dass diese Länder in Krisen deutlich weniger von deren stabilisierenden Wirkung zu profitieren vermögen. … einen gegenteiligen Effekt zeigt die Uhrenindustrie Mit einem Anteil von knapp 8% an den Gesamtexporten kommt der Uhrenindustrie im Schweizer Aussenhandel eine bedeutende Rolle zu. Da das Gros der Schweizer Uhrenexporte im Hochpreissegment angesiedelt ist, dessen Nachfrage stark auf die konjunkturelle Lage reagiert, erhöht die Branche im Gegensatz zum Ausland mit deutlich tieferem Exportgewicht der Uhrenindustrie die Zyklizität des Schweizer Aussenhandelsportfolios. 8 9 Die Standardabweichung ist ein gutes Mass zur Messung der Volatilität einer Branche. Benutzt man sie, um damit Aussagen bezüglich der Krisenresistenz einer Branche zu machen, so ist jedoch zu beachten, dass eine Branche mit einer geringeren Volatilität als eine Vergleichsbranche nicht unbedingt krisenresistenter ist. Der Grund hierfür ist, dass die Ausschläge (sowohl negativ als auch positiv) der Branche insgesamt zwar geringer sein können als in der Vergleichsbranche, die höhere Volatilität der Vergleichsbranche aber zum Beispiel von deutlich höheren Ausschlägen nach oben in Boomphasen herrühren kann. Im Falle der vorliegenden Untersuchung trifft dies auf den Vergleich der Textil- mit der Uhrenindustrie zu. Der Volatilitätsindex stellt die mit dem Faktor 100 multiplizierte Summe der Produkte des Gewichts einer Branche im betreffenden Land mit deren Volatilität dar. Swiss Issues Branchen 12 Economic Research Abbildung 8 Bedeutung und Volatilität der Exportbranchen Anteil der Branche an den gesamten Warenexporten des jeweiligen Landes, Durchschnitt 2007–2009, in Prozent. Branchenvolatilität: Standardabweichung des Exportwachstums im Durchschnitt der 6 Länder, 1990–2009 / Schwarze Linie: Durchschnitt der Branchenvolatilität über alle Länder und Branchen (9.1). In Klammern: Volatilitätsindizes. 35% 30% 25% Deutschland (12.96) Grossbritannien (13.03) Branchenvolatilität Frankreich (10.94) USA (10.8) Durchschnittsvolatilität Italien (11.51) Schweiz (10.57) 20% 15% 10% 5% Fahrzeugbau Maschinenbau Medizinaltechnik Uhren Mess- und Kontrollinstr. Elektroindustrie Metall Kunststoff Pharma Chemie Textil und Bekleidung Nahrungsmittel 0% Quelle: OECD, Credit Suisse Economic Research Fahrzeugbau in der Schweiz deutlich untervertreten Die Rolle der Uhrenindustrie im Schweizer Exportportfolio spielt in etlichen Vergleichsländern die Fahrzeugbranche. Sie reagiert aufgrund des Investitionsgütercharakters ihrer Produkte überdurchschnittlich stark auf Konjunkturausschläge. Während den Fahrzeugexporten insbesondere in Deutschland, Frankreich und den USA ein hohes Gewicht am jeweiligen Aussenhandel zukommt, machen sie in der Schweiz lediglich knapp 3% der Gesamtexporte aus. 2.2 Wettbewerbsfähigkeit 2.2.1 Unit Value als Qualitätsindikator "Made in Switzerland" als Erfolgsfaktor? Die Qualität der Schweizer Warenexporte wird häufig als einer ihrer grössten Erfolgsfaktoren hervorgehoben. "Made in Switzerland" ist als Gütesiegel etabliert. Es steht für Qualität, Exklusivität, Tradition und neuste Technologie. Als rohstoffarmes Hochlohnland bleibt der Schweiz im internationalen Wettbewerb kaum eine Alternative zur Spezialisierung auf qualitäts- und technologieintensive Produkte. Spezialisierte Produkte, eine höhere Produktqualität oder exklusive Serviceleistungen machen es möglich, höhere Preise zu erzielen und sich kurz- bis mittelfristig etwas vom Preiswettbewerb zu distanzieren. Bereits 2006 haben wir die Qualität der Schweizer Exporte untersucht.10 Im Qualitätswettbewerb müssen sich die Schweizer Exporteure jedoch immer wieder neu behaupten. Wie positionieren sich die Schweizer Exporte heute? Haben sie ihre Qualitäts- und Technologieorientierung ausbauen können oder haben sie an Wettbewerbsfähigkeit verloren? Wir haben unsere frühere Analyse aktualisiert und um internationale Branchenvergleiche erweitert. Unit Value als approximative Messgrösse für Qualität Als Indikator für die Qualität der Exporte verwenden wir den durchschnittlichen Preis der einzelnen Güter pro Gewichtseinheit (Kilogramm), den sogenannten Unit Value. Die Idee ist simpel: Ein höherer Humankapitaleinsatz, eine ausgeklügeltere Technologie, hochwertigere Materialien oder zuverlässigere Produktionsprozesse verbessern die qualitativen Eigenschaften eines Gutes und rechtfertigen einen entsprechend höheren Preis im Verhältnis zum ursprünglichen Materialeinsatz gemessen am Gewicht. Die höhere Qualität eines Produktes widerspiegelt sich somit in einem höheren Unit Value.11 Bei der Interpretation der Unit Values ist natürlich Vorsicht ange- 10 Credit Suisse Economic Research (2006): Qualität – einzige Chance der Exportindustrie? 11 Diese einseitige Interpretation des Unit Value als Qualitätsindikator gilt indes nur beschränkt. Höhere Unit Values sind zunächst lediglich Ausdruck höherer Preise, welche nicht zwingend mit einer höheren Qualität einhergehen müssen. Sie könnten ebenso auf höhere Rohstoffpreise oder höhere Herstellungskosten zurückzuführen sein. Swiss Issues Branchen 13 Economic Research bracht. Ein Kilogramm Impfstoff wird mit einem Kilogramm Regionalzug, einem Kilogramm Rohmilch oder einem Kilogramm Luxusuhr verglichen. Das Mass macht umso mehr Sinn, je ähnlicher die Gruppe der Güter ist, die betrachtet wird. Ausserdem können Preisschwankungen, natürliche Knappheiten oder die unterschiedliche Dichte der Rohstoffe falsche Schlüsse nahelegen.12 Trotz oder vielleicht gerade wegen ihrer starken Vereinfachung, welche den Vergleich unterschiedlicher Güter überhaupt erst möglich macht, gewährt der Vergleich von Unit Values wertvolle Einsichten in die relative Branchenpositionierung. Erwartungsgemäss zeigen sich in den Unit Values der Schweizer Exporte erhebliche sektorspezifische Unterschiede (Abbildung 9). Mit Abstand den höchsten Unit Value weist mit beinahe 10'000 CHF je Kilogramm die Uhrenindustrie auf. Es folgen die Medizinaltechnik- und Pharmaindustrie mit Werten von 480 respektive 340 CHF je Kilogramm vor den Mess- und Kontrollinstrumenten und der Elektroindustrie. Mitteltechnologische Branchen wie der Maschinenbau, Textil und Bekleidung, der Fahrzeugbau oder die Chemie weisen Werte zwischen 43 und 11 CHF je Kilogramm auf und gruppieren sich damit um den durchschnittlichen Wert aller Schweizer Exporte von rund 12 CHF pro Kilogramm. Tiefe Unit Values finden sich in schwachtechnologischen, mehrheitlich homogene Güter herstellenden Branchen, beispielsweise in der Nahrungsmittelindustrie oder in übrigen Industriebranchen wie der Holz- und Papierindustrie oder der Mineralölverarbeitung. Höchste Unit Values in technologieintensiven Branchen Abbildung 9 Unit Value im Branchenvergleich Abbildung 10 Entwicklung der Unit Values In CHF/kg, 2010 Durchschnittliche jährliche Veränderung 2000–2010, in Prozent 9932 1081 Exporte 500 10% Importe Exporte Importe 5% 400 0% 300 200 -5% 100 Übrige Branchen Nahrungsmittel Metall Kunststoff Chemie Total Fahrzeugbau Textil und Bekleidung Maschinenbau Elektroindustrie Pharma Mess- und Kontrollinstrumente Übrige Branchen Nahrungsmittel Metall Kunststoff Chemie Total Fahrzeugbau Textil und Bekleidung Maschinenbau Elektroindustrie Pharma Mess- und Kontrollinstrumente Medizintechnik Uhren Quelle: Eidgenössische Zollverwaltung, Credit Suisse Economic Research Medizintechnik -10% 0 Uhren 600 Quelle: Eidgenössische Zollverwaltung, Credit Suisse Economic Research Grosse Differenz gegenüber dem Wert der Importe Auffällig ist, dass der Wert der importierten Güter je Kilogramm in den meisten Branchen deutlich unter demjenigen der Exporte zu liegen kommt. Unter der Annahme, dass die höheren Unit Values Ausdruck höherer Qualität sind, bedeutet dies, dass die Schweiz qualitativ weniger hochwertige Uhren, Maschinen, Medikamente etc. importiert, als sie exportiert, und sich damit – wenn man von möglichen Unterschieden der Nachfrage absieht – in der Produktion von Qualitätsprodukten positioniert. Einzig im Fahrzeug- sowie im Textil- und Bekleidungsbereich importiert die Schweiz im Durchschnitt höherwertigere Produkte, als sie exportiert. Günstige Entwicklung der Unit Values in den vergangenen zehn Jahren Die Schweizer Exportwirtschaft insgesamt hat den Unit Value ihrer Exporte in den letzten zehn Jahren jährlich um 3.7% steigern können (Abbildung 10). Für Hochlohnländer wie die Schweiz, welche sich auf Qualitätsprodukte spezialisieren, ist dies ein gutes Ergebnis. Nicht alle Branchen können jedoch mit einer positiven Entwicklung aufwarten. Besonders ungünstig scheint sich die Elektroindustrie entwickelt zu haben. Der Unit Value ihrer Exporte nahm um durchschnittlich mehr als 9% pro Jahr ab. Zwar reduzierte sich auch der Wert der importierten Güter, allerdings nicht im selben Ausmass. Diese Entwicklung der Unit Values der Exporte könnte unter Umständen darauf zurückzuführen sein, dass einerseits im Bereich der elektronischen Güter 12 Beispielsweise zeigen sich in der Tabakindustrie oder auch im Textil- und Bekleidungsbereich relativ hohe Unit Values, obwohl diese nicht zu den technologieintensiven Branchen gehören. Das Gewicht der produzierten Güter ist im Verhältnis zu deren Wert aber sehr tief. Swiss Issues Branchen 14 Economic Research die Preise unter Druck sind, andererseits dürfte der zunehmende Rückzug der Schweizer Elektroindustrie aus der Herstellung von Datenverarbeitungs- und Elektrokleingeräten dazu geführt haben, dass das durchschnittliche Gewicht der verwendeten Materialien angestiegen ist. Infolge der Heterogenität der Elektroindustrie ist es aber schwierig, auf dieser Aggregationsstufe eine klare Aussage zu machen. Bei Produkten der Metallindustrie sowie geringfügig auch in der Kunststoffindustrie sind die Unit Values der importierten Güter stärker gestiegen als diejenigen der Exporte. Die Verteuerung der Rohstoffe dürfte für diese Entwicklung teilweise mitverantwortlich sein. Im Sommer 2008 lagen die Rohstoffe nach fünfjähriger Preishausse auf Rekordniveau, gleichzeitig war die Schweizer Währung unterbewertet. Es ist durchaus möglich, dass es nicht gelang, die gestiegenen Kosten zu überwälzen, was zwingend in einen tieferen Unit Value der Exporte mündet. Die übrigen Branchen – insbesondere die Bereiche der Präzisionsinstrumente, Pharma, Textil und Bekleidung, Fahrzeugbau und Nahrungsmittelindustrie – haben indes den Wert ihrer Exportprodukte stärker zu steigern vermocht, als der Unit Value der importierten Produkte angestiegen ist. Ausgezeichnete internationale Positionierung der Schweizer Exporte Unit Values ermöglichen nicht nur einen Vergleich unterschiedlichster Branchen, sondern in Analogie auch den Vergleich der Positionierung gesamter Volkswirtschaften. Die ausgehend von der Aussenhandelsstatistik der OECD errechneten Unit Values verschiedener Länder respektive Ländergruppen zeichnen ein beeindruckendes Bild (Abbildung 11).13 Nicht nur ist der Unit Value im Mittel über alle Exportgüter für die Schweiz am höchsten, auch die Relation zwischen dem Wert der importierten Güter gegenüber demjenigen der Exporte ist rekordhoch. Dass die Schweiz sämtliche Vergleichsländer so stark distanziert, ist nicht zuletzt wohl auch darauf zurückzuführen, dass der Unit Value der Exporte deutlich weniger als in anderen Ländern durch Branchen mit charakteristisch tieferen Werten nach unten gezogen wird. So ist die Fahrzeugindustrie beispielsweise in Deutschland deutlich wichtiger. Sie gehört zwar zur den technologieintensiven Wirtschaftszweigen, erreicht jedoch bei weitem nicht die Werte der HightechIndustrien Präzisionsinstrumente, Pharma oder Uhren. Auch hohe Anteile in der Nahrungsmittelproduktion (Frankreich, USA, Grossbritannien) wirken sich ungünstig auf die Gesamtposition aus. Italien präsentiert sich aufgrund der Bedeutung der Textil- und Bekleidungsindustrie (welche typischerweise ein günstiges Wert-Gewicht-Verhältnis aufweist) weit vorne. 13 Die Aussenhandelsstatistik der OECD enthält Wert- und Mengenangaben für Exporte und Importe verschiedener Warengruppen gemäss dem internationalen Güterklassifikationssystem (SITC Rev. 3) nach Ursprungs- und Bestimmungsland in einheitlicher Währung (US-Dollar). Grundlage für die vorliegenden Berechnungen bildet die jeweils tiefste ausgewiesene Warengruppenebene, für die Wert- und Mengenangaben verfügbar sind. Nicht berücksichtigt wurden Güter mit Einweghandel (d.h. Güter, die entweder nur exportiert oder importiert werden). Die Analyse deckt daher den Aussenhandel der einzelnen Länder nicht vollumfänglich ab. Der Abdeckungsgrad liegt durchschnittlich bei 90%. Am tiefsten ist er im Falle der USA mit 70% für die Exporte bzw. 75% für die Importe. Es kann daher nicht vollständig ausgeschlossen werden, dass Gütergruppen nicht berücksichtigt werden, in denen ein Land qualitativ hochwertige Güter exportiert oder importiert. Swiss Issues Branchen 15 Economic Research Abbildung 11 Unit Value im internationalen Vergleich In USD/kg, 2009; Verhältnis der Unit Value der Exporte zum Unit Value der Importe 12 Exporte Importe Verhältnis Unit Value Exporte/Unit Value Importe (rechte Skala) 4.0 1.5 0 1.0 -2 0.5 Frankreich 2 USA 2.0 Next 11* 4 EU-15 2.5 EU-Ost** 6 Grossbritannien 3.0 Italien 8 Deutschland 3.5 Schweiz 10 Quelle: OECD, Credit Suisse Economic Research * Next 11: Südkorea, Mexiko, Türkei ** EU-Ost: Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn; für weitere Länder/Länderaggregate keine Daten verfügbar Differenz der Unit Values durch Regulierungsumfeld und jüngste Wechselkursentwicklung begünstigt? Der Erfolgsausweis der Schweizer Exportwirtschaft könnte durch institutionelle Rahmenbedingungen und die starke Frankenaufwertung seit Mitte 2007 zusätzlich begünstigt worden sein. Die Schweiz verfügt aufgrund ihres stabilen und wirtschaftsfreundlichen institutionellen Umfelds sowie aufgrund tiefer Unternehmenssteuern über eine hohe Dichte an internationalen Konzernen. Speziell die steuerlichen Vorzüge der Schweiz schaffen dabei Anreize, durch konzerninterne Verrechnungspreise Wertschöpfung in die Schweiz zu transferieren. Veränderungen im Wechselkurs können kurzfristig den Unit Value der Exporte etwas verzerren. Eine Aufwertung des Frankens bewirkt eine Verteuerung der Exporte beziehungsweise eine Verbilligung der Importe und erhöht daher die Differenz zwischen Export- und Import-Unit-Value. Längerfristig werden die Mengen entsprechend reagieren. Der historische Vergleich zeigt, dass die Schweiz bereits vor mehr als zehn Jahren mit grossem Abstand die höchsten Unit Values der Exporte aufwies. Exportschwergewichte durchwegs an vorderster Stelle... Die Branchenbetrachtung lässt erkennen, dass die hohen Exportwerte dabei nicht nur – wie man angesichts deren enorm hohen Unit Values (Abbildung 9) vermuten könnte – der Uhrenindustrie zu verdanken sind. Zwar distanziert die Schweizer Uhrenindustrie sämtliche Mitstreiter um Längen. Die Schweiz liegt indes vor allem auch bei sämtlichen ihrer Exportschwergewichte – Pharma, Chemie, Maschinenbau, Elektro – an der Spitze der Vergleichsländer (Abbildung 12). Mit einem Wert von 300 USD erzielt ein Kilogramm pharmazeutischer Produkte aus der Schweiz mehr als doppelt so viel Erlös wie die gleiche Menge Pharmaprodukte aus den USA oder aus Deutschland. Swiss Issues Branchen 16 Economic Research Abbildung 12 Unit Value ausgewählter Branchen im internationalen Vergleich In USD/kg, 2009 350 Exporte Pharma I mporte Exporte Chemie 12 300 Importe 10 250 8 200 6 150 35 Importe EU-Ost** Deutschland EU-15 Next 11* 30 Exporte EU-Ost** 40 USA 45 Italien Elektro 50 35 Frankreich Schweiz Frankreich Next 11* I mporte 40 Next 11 * Exporte Maschinenbau 45 EU-15 EU-Ost** Italien Grossbritannien Deutschland 0 USA 2 0 Schweiz 50 Grossbritannien 4 100 30 25 25 20 20 15 Italien EU-15 Frankreich USA Deutschland Grossbritannien Next 11* EU-Ost** EU-15 Italien USA Frankreich Grossbritannien 0 Deutschland 5 0 Schweiz 10 5 Schweiz 15 10 Quelle: OECD, Credit Suisse Economic Research * Next 11: Südkorea, Mexiko, Türkei ** EU-Ost: Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn; für weitere Länder/Länderaggregate keine Daten verfügbar ... mit beachtlicher Distanz zu den Vergleichsländern Auch die Werthaltigkeit der Exporte der chemischen Industrie übersteigt diejenige ihrer Vergleichsländer deutlich, was ihre Ausrichtung auf wertschöpfungsintensive Nischen widerspiegelt. Im Unterschied zu den deutlich grösseren Vergleichsländern oder -ländergruppen hat sich die Schweizer Chemiebranche infolge der geringen Binnennachfrage und des Mangels an Rohstoffen schon früh auf eine Spezialitätenstrategie ausgerichtet. Auch die Maschinenindustrie ist gut positioniert. Es zeigt sich zudem, dass der Markt für technologieintensive Maschinenbauteile noch immer massgeblich aus den westeuropäischen Industrieländern sowie aus den USA bedient wird. Der Wert der Maschinenexporte der EU-Ostländer sowie der Länder der Next 11Gruppe erreicht denjenigen ihrer Importe noch nicht, wenn auch im Fall der EUOsterweiterungsländer nur knapp. Für die mangels Datenverfügbarkeit nicht dargestellten Länderaggregate dürfte der Unit Value der importierten Güter folglich denjenigen der Exporte deutlich übersteigen. Weniger eindeutig ist das Bild im Bereich der Elektroindustrie. Gute Position der Schweiz weiter ausgebaut Um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können, sind laufende Anstrengungen zu Produktverbesserungen und Kosteneinsparungen unerlässlich. Aufgrund der Datenverfügbarkeit sind Aussagen zur Entwicklung der Unit Values nur für einzelne Länder möglich (Abbildung 13). Die Situation der Schweiz präsentiert sich da erneut sehr günstig. Zwar konnten Italien und Grossbritannien den Unit Value ihrer Exporte zwischen 2000 und 2009 am stärksten erhöhen (+2.6% bzw. 2.5% p.a.). Die Steigerung dürfte jedoch massgeblich auf einen Anstieg der Preise für Erdölprodukte, Brennstoffe und Eisenerze zurückzuführen sein, welche beide Länder exportieren. Zudem stiegen auch die Unit Values ihrer Importe stark an. Die Schweiz konnte hingegen die Differenz zwischen dem Wert der importierten und exportierten Güter am stärksten erhöhen. Insbesondere höhere Unit Values in der Konsumgüterindustrie waren dafür verantwortlich, dass der durchschnittliche Wert pro Kilogramm Schweizer Exportgut um jährlich 1.7% zugenommen hat. Durchwegs negativ entwickelten sich die Unit Values in Deutschland und Frankreich; zumindest in Deutschland sind diejenigen der Exporte im Vergleich zu den Importen im Mittel aber weniger stark zurückgegangen. Beide Länder konnten ihr Handelsvolumen im betrachteten Zeitraum aber dennoch ausweiten. Swiss Issues Branchen 17 Economic Research Abbildung 13 Entwicklung Unit Value im internationalen Vergleich Durchschnittliche jährliche Veränderung 2000–2009 in Prozent 3.0% Exporte 2.5% Importe 2.0% 1.5% 1.0% 0.5% 0.0% -0.5% -1.0% -1.5% Italien Grossbritannien Schweiz USA* Deutschland Frankreich** Quelle: OECD, Credit Suisse Economic Research * Basierend auf Preisindex (vernachlässigt Veränderungen in der Zusammensetzung der exportierten Güter); ** 2000–2008 2.2.2 Positionierung im Preis- und Qualitätswettbewerb Hohe Qualität garantiert nicht hohe Wettbewerbsfähigkeit Die Frage nach dem tatsächlichen Erfolg im Markt kann mit der Analyse der Unit Values natürlich nicht beantwortet werden. Qualität alleine ist kein Garant für eine höhere Wettbewerbsfähigkeit. Das Verhältnis zwischen Qualität und Preis entscheidet über den Markterfolg. Nicht bei allen Produkten wird eine höhere Qualität vom Markt entsprechend honoriert. Während in preissensitiven Märkten die Margen Richtung Null tendieren und sich die Unit Values daher an den Kosten orientieren, reflektieren höhere Unit Values in qualitätssensitiven Märkten den Preisaufschlag infolge spezieller Produkteigenschaften. Wir untersuchen daher, in welchen Märkten Unit Values eher die Kosten und in welchen eine höhere Qualität reflektieren und wie die Schweizer Exporte sich in diesen Märkten behaupten.14 Konzept der offenbarten Qualitätselastizität... Anhand der Differenz der Unit Values der exportierten gegenüber den importierten Güter kann in Kombination mit der Information zur ein- und ausgeführten Menge (mengenmässiger Handelsbilanzsaldo) für jede einzelne Exportgüterbranche bestimmt werden, ob sich diese in einem preis- oder qualitätssensitiven Markt befindet und ob die Branche im entsprechenden Wettbewerb einen Vorteil hat (Abbildung 14).15 ... erlaubt Unterscheidung zwischen Qualitäts- und Preiswettbewerb Werden mengenmässig mehr Güter einer Branche exportiert, als davon importiert werden, muss die Branche – unter Annahme rationaler Marktteilnehmer – gegenüber der ausländischen Konkurrenz einen Vorteil haben. Übersteigt gleichzeitig der Unit Value der exportierten Güter denjenigen der importierten Güter, kann daraus auf einen Qualitätsvorteil der Schweizer Exportgüter geschlossen werden. Ist hingegen der Unit Value der exportierten Güter geringer als derjenige der importierten Güter, ist der Handelsbilanzüberschuss in einem Preisvorteil der Schweizer Produkte begründet. Werden mehr Güter importiert als exportiert und übersteigt der Preis der Exportgüter gleichzeitig denjenigen der Importe, offenbart dies einen Preisnachteil der Exporte in einem preissensitiven Markt oder, anders ausgedrückt, einen Preisvorteil der Importe. Wird hingegen trotz gleichzeitig tieferem Preis der Schweizer Güter mehr importiert als ausgeführt, weist das importierte Produkt gegenüber dem inländischen Qualitätsvorteile auf. 14 Der Ansatz bedient sich dazu der Idee einer Qualitäts- respektive Preiselastizität. Vgl. Aiginger (1997). 15 Da die Informationen zu Aus- und Einfuhrmengen sowie die Unit Values der verschiedenen Gütergruppen auf tieferer Aggregationsstufe an Aussagekraft gewinnen, wurde für die Berechnungen stets von der tiefsten Detaillierungsebene ausgegangen, für die Wert- und Mengenangaben verfügbar sind. Für Aussagen zu Branchen und die gesamte Exportindustrie wurden diese anschliessend anteilsgewichtet aufaggregiert. Swiss Issues Branchen 18 Economic Research Abbildung 14 Positionierung im Qualitäts- und Preiswettbewerb Abbildung 15 Positionierung der Schweizer Exportindustrie Gemäss Unit-Value-Ansatz Exportanteil in den vier Wettbewerbssegmenten in Prozent Handelsbilanzsaldo QEX > QIM Qualitätsvorteil JA Kein Wettbewerbsvorteil Unit Value UVEX > UVIM Unit Value UVEX > UVIM Qualitätsvorteil NEIN NEIN Preisvorteil Qualitätswettbewerb bzw. qualitätsdominierte Produkte Qualitätselastizität: Q Ex − Q Im >0 UVEx − UVIm 70% 60% 50% JA Kein Preisvorteil (Q-Vorteil Importe) (P-Vorteil Importe) Preiswettbewerb bzw. preissensitive Produkte Quelle: Aiginger (1997), Credit Suisse Economic Research Kein Preisvorteil 80% Kein Qualitätsvorteil Qualitätselastizität: Preisvorteil 90% Wettbewerbsvorteil JA Kein Qualitätsvorteil 100% NEIN Q Ex − Q Im <0 UVEx − UVIm 40% 30% 20% 10% 0% 1990 1995 2000 2005 2010 Quelle: Eidgenössische Zollverwaltung, Credit Suisse Economic Research Mehrheit der Exporte im qualitätssensitiven Bereich Die Analyse zeigt: Die Mehrheit der Schweizer Exporte steht im Qualitätswettbewerb; 2010 waren es 63% (Abbildung 15). Der Qualitätswettbewerb hat insbesondere zwischen 1990 und 1995 stark an Bedeutung gewonnen. Seither lag das Verhältnis zwischen Exportgütern im Qualitätswettbewerb und im Preiswettbewerb bei rund 60 zu 40. Bezeichnend ist, dass die Schweizer Exportgüter im Qualitätswettbewerb meist über Vorteile verfügen. Nur bei 6% der Güter im Qualitätswettbewerb zeigt sich ein Qualitätsnachteil gegenüber der ausländischen Konkurrenz. Im Preiswettbewerb hingegen haben nur knapp 10% der Güter aus der Schweiz einen Preisvorteil, während in 90% der Fälle der Preisvorteil beim Ausland liegt. Dies bestätigt, dass die Schweiz im Preiswettbewerb deutlich weniger konkurrenzfähig ist. Rückläufiger Anteil von Herstellern ohne Qualitätsvorteil Positiv zu bewerten ist der rückläufige Anteil der Güter ohne Qualitätsvorteil, denn diese Hersteller sind häufig mit strukturellen Problemen konfrontiert und daher über die Zeit auffällig. Die produzierten Güter verfügen weder über einen Qualitätsvorteil noch schaffen sie es, durch einen tieferen Preis die Konkurrenz auszustechen. Es ist auch möglich, dass die inländischen Anbieter aus anderen Gründen – etwa aufgrund mangelnder Rohstoffe – die inländische Nachfrage nicht zu befriedigen vermögen und die fehlende Menge daher zu einem höheren Preis importiert werden muss. Dies könnte beispielsweise bei der Erzeugung von Roheisen, Stahl und Ferrolegierungen, der Mineralölverarbeitung oder teilweise bei der Zementherstellung der Fall sein. Gleichzeitig deutet diese Feststellung aber auch darauf hin, dass einer Erhöhung des Anteils der Güter im Qualitätswettbewerb möglicherweise natürliche Grenzen gesetzt sein könnten. Qualitätsführerschaft bei Pharma, Uhren, Maschinen sowie Mess- und Kontrollinstrumenten Der hohe Anteil der Schweizer Exportindustrie an Qualitätsgütern ist massgeblich der Pharmaindustrie, den Mess- und Kontrollinstrumenten, der Uhrenindustrie und dem Maschinenbau zu verdanken (Abbildung 16).16 Diese Schweizer Exportschwergewichte können durchwegs mit einem hohen Anteil von Gütern im Qualitätswettbewerb zwischen rund 75% und 100% auftrumpfen. Die Branchen konnten zudem ihre Positionierung während der jüngsten Krise und in einem ungünstigen Wechselkursumfeld weitgehend aufrechterhalten. Qualitätsnischen in preisdominierten Branchen In den Bereichen Textil und Bekleidung, Chemie, Kunststoff, Metall, Fahrzeugbau und etwas überraschend auch in der Medizinaltechnik dominiert der Preiswettbewerb. Ein Grossteil der Schweizer Produkte aus diesen Branchen ist teurer als diejenigen der ausländischen Konkurrenz bei gleichzeitig negativem Handelsbilanzsaldo (Kategorie "kein Preisvorteil"). Hier gilt es Anstrengungen zur Kostenreduktion zu unternehmen oder allfällige Qualitätsvorzüge besser zu vermarkten. Die Tatsache, dass die Schweizer Exportwirtschaft in fast allen dieser Bereiche über Produkte mit Qualitätsvorteilen verfügt, zeigt, dass auch in diesen weitgehend preisdominierten Branchen Möglichkeiten bestehen, Qualitätsnischen erfolgreich zu bearbeiten. 16 Da die Aussenhandelsdaten von Jahr zu Jahr Schwankungen unterliegen können, betrachten wir die Durchschnittswerte der letzten fünf Jahre. Swiss Issues Branchen 19 Economic Research Abbildung 16 Positionierung der Schweizer Exportbranchen im Qualitäts- und Preiswettbewerb Durchschnittlicher Exportanteil in den vier Wettbewerbssegmenten, 2005–2010 Total Übrige Branchen Fahrzeugbau Maschinenbau Kein Preisvorteil Medizinaltechnik Uhren Preisvorteil Mess- und Kontrollinstr. Elektroindustrie Metall Kein Qualitätsvorteil Kunststoff Pharma Chemie Textil und Bekleidung Nahrungsmittel Qualitätsvorteil 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% Quelle: Eidgenössische Zollverwaltung, Credit Suisse Economic Research Verbesserungen in Kunststoffbranche und Fahrzeugbau Verschiedenen Branchen mit wenigen Preis- oder Qualitätsvorteilen ist es über die Zeit hinweg gelungen, ihre Positionierung zu verbessern, so etwa der Kunststoffindustrie oder dem Fahrzeugbau. Verschiedene Bereiche des Fahrzeugbaus wählten dabei unterschiedliche Strategien. Den Automobilzulieferern beispielsweise gelang es, ihre Preisvorzüge besser zu vermarkten, mehr abzusetzen und sich so im Preisvorteilsbereich zu positionieren. Ungeklärte Positionierung der Medizinaltechnik Die Medizinaltechnik zeigt etwas überraschend einen hohen Anteil von Gütern im Preiswettbewerb. Im historischen Vergleich schwanken erhebliche Anteile der Exporte zwischen "Qualitätsvorteil" und "kein Preisvorteil". Diese Verschiebungen sind Ausdruck der Heterogenität der Branche sowie der Spezialisierung der Schweizer Medizinaltechnik auf leichte Güter, was die Handelsbilanz medizinaltechnischer Produkte teilweise in den negativen Bereich wandern lässt. Die Schweizer Medizinaltechnikunternehmen positionierten sich bisher beinahe durchwegs via hohen Technologiegehalt ihrer Produkte und entsprechend höhere Preise. Die orthopädischen und prothetischen Erzeugnisse wechselten jüngst jedoch in den Preisvorteilsbereich. Schweizer Stärke im Qualitätswettbewerb Verschiedene Branchen weisen von Natur aus unterschiedliche Wettbewerbsstrukturen auf. Interessant ist daher vor allem der Vergleich der Schweizer Exportgüterindustrie mit derjenigen anderer Länder (Abbildung 17).17 Die Schweiz zeigt sich im internationalen Vergleich vor allem im Qualitätswettbewerb sehr gut positioniert. Den höchsten Anteil Qualitätsvorteile zeigt hingegen Deutschland, was es hauptsächlich dem Maschinen- und Fahrzeugbau verdankt. Dasselbe gilt auch für Italien, wobei hier nebst Maschinen- und Fahrzeugbau auch die Metall- und Nahrungsmittelindustrie im Qualitätswettbewerb überdurchschnittlich erfolgreich sind. In den Exportgüterindustrien der USA, Grossbritanniens sowie der Next 11, der EU-Osterweiterungsländer und der EU-15 überwiegt der Preiswettbewerb. Am erfolgreichsten sind in diesem offenbar die Next 11-Länder, die bei rund 55% ihrer Exportgüter über Preisvorteile verfügen. Die EU-15, die USA und die EU-Osterweiterungsländer haben bei immerhin 40% ihrer Güter Preisvorteile. Grossbritannien zeigt einen hohen Anteil (>50%) ohne Preisvorteil. 17 Die Ausgangsbasis für die Berechnung bildet die Aussenhandelsstatistik der OECD wiederum auf tiefster verfügbarer Warengruppenebene (vgl. dazu Fussnote 13, S. 15). Aufgrund des unterschiedlichen Klassifikationssystems der Rohdaten (das internationalen Güterklassifikationssystem SITC Rev. 3 im Falle der OECD-Aussenhandelsstatistik, NOGA-5-Ebene im Falle der Aussenhandelsstatistik der Schweiz) ergeben sich in dieser Betrachtung für die Schweiz leicht abweichende absolute Ergebnisse. Die Analyse der relativen Positionierung behält aber nach wie vor ihre Gültigkeit. Swiss Issues Branchen 20 Economic Research Abbildung 17 Positionierung im internationalen Vergleich Exportanteile in den vier Wettbewerbssegmenten, 2009 Qualitätsvorteil Kein Qualitätsvorteil Preisvorteil Kein Preisvorteil 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% EU-15 EU-Ost** Next 11* Schweiz Italien Grossbritannien USA Frankreich Deutschland 0% Quelle: OECD, Credit Suisse Economic Research * Next 11: Südkorea, Mexiko, Türkei ** EU-Ost: Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn; für weitere Länder/Länderaggregate keine Daten verfügbar Chemie/Pharma: Qualitätsstrategie mit hohen Anteilen ohne Preisvorteil Aufgrund ihrer unterschiedliche Wirtschaftsstrukturen positionieren sich die Länder je nach Branche jedoch unterschiedlich (Abbildung 18). Während in der Pharmaindustrie beispielsweise nebst der Schweiz auch Grossbritannien und Frankreich starke Qualitätsvorteile haben, positionieren sich die deutsche und die italienische Pharmaindustrie über starke Preisvorteile. Die USPharmaindustrie erweist sich als am schwächsten positioniert, vergleichbar mit derjenigen der EU-Ostländer sowie die Next 11. In der chemischen Industrie lassen sich die einzelnen Länder weniger in verschiedene Lager unterteilen. Alle Länder verfügen über stark positionierte Teile im Qualitäts- und Preiswettbewerb, wobei die USA, die EU-Ostländer und Next 11 deutlich stärker auf Preisvorteile setzen. Die Schweiz weist jedoch den grössten Anteil an Gütern ohne Vorteile – wenn auch ohne Preisvorteile – auf. In diesen Bereichen wird entweder eine Qualitätsstrategie verfolgt, die nicht zu überzeugen vermag, oder es bestehen Kostenprobleme. Maschinenbau und Elektroindustrie mit Spitzenposition im Qualitätswettbewerb Im Maschinenbau heben sich Deutschland, Italien und die Schweiz durch ihre hohen Anteile (>56%) von Gütern mit Qualitätsvorteilen ab. Starke Preisvorteile im Maschinenbau zeigen vor allem die Next 11, namentlich Südkorea. In der Elektroindustrie verfügt die Schweiz unter den betrachteten Vergleichsländern über die stärksten Qualitätsvorteile. Italien, die EU-Ostländer sowie die Next 11 (wiederum vor allem Südkorea) verfügen über die stärksten Preisvorteile. Swiss Issues Branchen 21 Economic Research Abbildung 18 Internationaler Vergleich der Positionierung in ausgewählten Branchen Exportanteile in den vier Wettbewerbssegmenten, 2009; kennzeichnet die Hauptpositionierung, falls die entsprechende Branche zu den vier anteilsmässig wichtigsten Exportbranchen der Schweiz zählt (entsprechend für Deutschland, für Frankreich, für die USA, für Grossbritannien und für Italien). Pharma Deutschland Frankreich USA Grossbritannien Kein Preisvorteil 7% 1% 83% 9% 74% 1% 22% 2% 7% 50% 38% 6% 66% 0% 14% 20% 3% 93% 3% 0% 10% 37% Next 11* 2% 37% 39% 22% EU-Ost** 11% 40% 6% 43% EU-15 58% 4% 19% 20% Deutschland 33% 3% 46% 18% Frankreich 44% 9% 23% 23% USA 21% 3% 67% 9% 32% 9% 27% Italien 22% 8% 35% Schweiz 33% 4% 18% 32% 35% 45% Next 11* 6% 11% 75% 8% EU-Ost** 21% 16% 48% 16% EU-15 25% 7% 37% 30% Deutschland 40% 3% 15% Frankreich 36% 7% 8% USA 20% 30% 16% Grossbritannien 5% 9% 12% 42% 50% 34% 75% 21% 9% 40% 30% Schweiz 48% 6% 20% 26% Next 11* 37% 4% 49% 10% EU-Ost** 21% 5% 53% 20% EU-15 21% 9% 29% 41% Grossbritannien Italien Maschinenbau Preisvorteil 0% Schweiz Elektroindustrie Kein Qualitätsvorteil 53% Italien Chemie Qualitätsvorteil 60% 2% 23% 15% Frankreich 35% 15% 13% 37% USA 32% 9% 34% 26% Grossbritannien 18% 3% 25% 55% 56% 58% 1% 35% 8% 2% 10% 30% Next 11* 13% 12% 61% 14% EU-Ost** 34% 10% 40% 16% EU-15 39% 7% 33% 21% Deutschland Italien Schweiz Quelle: OECD, Credit Suisse Economic Research * Next 11: Südkorea, Mexiko, Türkei ** EU-Ost: Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn; für weitere Länder/Länderaggregate keine Daten verfügbar Qualitätsführerschaft verpflichtet Zusammenfassend ergeben sich aus der Analyse der Unit Values und der Wettbewerbspositionierung klare Hinweise, dass die Qualität ihrer Produkte wesentlich zum Erfolg der Schweizer Exportgüterindustrie beiträgt. Die Exportschwergewichte Pharma, Maschinenbau und Elektroindustrie zeigen sich gut positioniert. Will die Schweizer Exportindustrie auch in Zukunft erfolgreich sein, muss sie ihre Qualitäts- und Technologieführerschaft aber zwingend aufrechterhalten können und ist so zu laufenden Weiterentwicklungen gezwungen. Andere, vor allem auch aufstrebende Volkswirtschaften werden die Qualitätsvorzüge zu tieferen Kosten nachahmen. Die "Preisprämie" gegenüber der Konkurrenz muss daher durch zusätzliche Verbesserungen immer wieder neu bekräftigt werden. Swiss Issues Branchen 22 Economic Research Handlungsbedarf in Bereichen ohne Preisvorteile In etlichen Branchen wie etwa der Metall- und Kunststoffindustrie, der Textil- und Bekleidungsbranche, der Medizinaltechnik sowie in der gewichtigen Chemiebranche weist die Schweiz bereits heute grosse Anteile ohne Preisvorteile auf. Das heisst, die Unit Values der produzierten Güter übersteigen zwar diejenigen ausländischer Konkurrenzprodukte, die Schweizer Exporteure setzen im Ausland aber weniger ab, als in die Schweiz importiert wird. In diesen Bereichen gilt es je nach Situation kostenseitige Verbesserungen durchzusetzen oder zu versuchen, die Qualitätsvorzüge der heimischen Produkte in höhere Marktanteile umzusetzen. 2.3 Geographische Diversifikation Geographische Diversifikation verringert Abhängigkeit von der Konjunktur einzelner Staaten Die Schweiz hat die vergangene Krise zwar gut gemeistert, als kleine und offene Volkswirtschaft ist sie grundsätzlich jedoch überdurchschnittlich anfällig auf externe Schocks. Um sich dagegen bestmöglich zu wappnen, gilt es, die Abhängigkeit von einzelnen Handelspartnern möglichst gering zu halten respektive zu möglichst vielen Staaten wirtschaftliche Beziehungen zu unterhalten. In Bezug auf die Exporte ist also eine möglichst grosse geographische Diversifikation und damit auch eine hohe Präsenz in Wachstumsmärkten anzustreben. Dass eine solche Strategie insbesondere entwickelten Volkswirtschaften hilft, die Anfälligkeit auf externe Schocks zu reduzieren, konnte auch empirisch nachgewiesen werden.18 Herfindahl-Index als Indikator der geographischen Diversifikation Zur Messung der geographischen Diversifikation der Exporte eines Staates existieren verschiedene Konzepte und Masszahlen. Am verbreitetsten ist wohl der sogenannte Herfindahl-Index (HI). Ein tieferer Indexwert zeigt eine bessere Diversifikation an.19 Schweizer Exporte insgesamt durchschnittlich international positioniert Die Diversifikation der Schweizer Exportwirtschaft ist insgesamt durchschnittlich (Abbildung 19). Der Herfindahl-Index liegt zwar in allen betrachteten Branchen klar tiefer als derjenige aller OECD-Staaten im Durchschnitt, vergleicht man die Schweiz aber mit ihren Nachbarländern sowie mit Grossbritannien und den USA, relativiert sich die Position der Schweiz. In etwa der Hälfte der betrachteten Branchen zeigen sich die Schweizer Exporteure geographisch stärker von den Abnehmern in einzelnen Ländern abhängig als ihre Konkurrenten in den Vergleichsländern. Überdurchschnittlich diversifizierte Uhren- und Pharmaexporte Die Schweizer Uhren- und Pharmaindustrie sind im Vergleich zu den beiden Branchen in den betrachteten Konkurrenzländern geographisch überdurchschnittlich gut diversifiziert. Die Uhrenindustrie (HI = 0.067) profitiert dabei insbesondere vom zunehmenden Wohlstand in zahlreichen Schwellenländern. Nebst Hongkong als bereits grösstem Abnehmer von Schweizer Uhren sind China, Singapur und Argentinien sowie Korea, Saudiarabien, Mexiko und Russland ebenso unter den Top-20 der Abnehmerstaaten vertreten. Die exportierenden Schweizer Pharmaunternehmen zeigen sich im Vergleich zum Gros der Konkurrenzländer ebenfalls überdurchschnittlich gut diversifiziert (HI = 0.06). Dies äussert sich unter anderem darin, dass die Top-10-Abnehmer der Schweizer Pharmaindustrie "lediglich" 66% der Ausfuhren auf sich vereinigen, während der Anteil der Top-10-Abnehmer in den meisten anderen Ländern teilweise deutlich über 70% liegt. Von den betrachteten Ländern weist nur Frankreich einen tieferen Anteil aus (57%), was sich auch in einer leicht besseren geographischen Diversifizierung der französischen Pharmaindustrie äussert (HI = 0.056). Zu den Hauptabnehmern von Schweizer Pharmaprodukten gehören nebst den wichtigsten westlichen Staaten die BRIC-Staaten sowie Saudiarabien. Die gute geographische Diversifikation der Uhren- und Pharmaindustrie dürfte ihren Teil zum guten Abschneiden dieser beiden Branchen in der vergangenen Krise beigetragen haben. 18 Vgl. Bacchetta et al. (2007). 19 Für technische Details zum Herfindahl-Index vgl. Credit Suisse Economic Research (2009): "Aussenhandel Schweiz – Fakten und Trends". Swiss Issues Branchen 23 Economic Research Abbildung 19 Länderdiversifikation der Exporte ausgewählter Branchen Herfindahl-Index, 2009 0.25 Deutschland Frankreich Italien Grossbritannien USA Schweiz OECD 0.20 0.15 0.10 Uhren Textil und Bekleidung Pharma Nahrungsmittel Metall Mess- und Kontrollinstr. Medizinaltechnik Maschinenbau Kunststoff Fahrzeugbau Chemie 0.00 Elektroindustrie 0.05 Quelle: OECD, Credit Suisse Economic Research Nachholbedarf bei Medtech, Kunststoff, Mess- und Kontrollinstrumenten sowie in der Metallindustrie Im Vergleich zu den betrachteten Branchen in den Konkurrenzländern deutlich schlechter diversifiziert zeigt sich die Schweizer Medizinaltechnikindustrie (HI = 0.127). Entscheidend für dieses Ergebnis ist die starke Fokussierung der Medizinaltechnikausfuhren auf Deutschland und die USA: Beinahe 47% der Exporte haben diese beiden Staaten zum Ziel. Damit vereinigen in der Schweiz die beiden Hauptexportmärkte einen beinahe doppelt so hohen Anteil an den gesamten Medizinaltechnikausfuhren wie in den anderen betrachteten Staaten. Eine überdurchschnittlich geringe geographische Diversifizierung zeigen weiter die Schweizer Kunststoffindustrie (HI = 0.137), die Schweizer Erzeuger von Mess- und Kontrollinstrumenten (HI = 0.119) sowie die heimische Metallindustrie (HI = 0.13). Grund für die vergleichsweise schlechte Diversifizierung ist auch da die hohe Abhängigkeit von Deutschland. Mit einem Anteil von 30% und mehr ist das Gewicht des wichtigsten Handelspartners im Falle dieser drei Schweizer Branchen deutlich höher als beim Grossteil ihrer ausländischen Konkurrenten. Präsenz in den unterschiedlichsten Märkten hilft gegen die Frankenstärke Die Schweizer Exportindustrie belegt zwar bezüglich ihrer internationalen Positionierung nicht in allen Branchen einen Spitzenplatz; die insgesamt aber bereits gute Positionierung in den asiatischen Wachstumsmärkten half jedoch der heimischen Industrie, die durch die Finanzkrise ausgelöste Rezession im Vergleich zu anderen Ländern rasch hinter sich zu lassen. Weiter führt die Präsenz in allen wichtigen Wirtschaftsräumen der Welt in zahlreichen Unternehmen zu einer Art natürlichem Hedging gegen Währungsschwankungen, hilft also auch beim Umgang mit der gegenwärtigen Frankenstärke (vgl. Kapitel 3.2.2). Verstärkte Anstrengungen im Sinne einer Strategie zur Erschliessung neuer Märkte könnte insbesondere den Unternehmen in Branchen mit noch unterdurchschnittlicher geographischer Diversifikation helfen, die Währungsschwankungen abzufedern. Swiss Issues Branchen 24 Economic Research 3 Ausblick Die Schweizer Exportwirtschaft hat die vergangenen zwanzig Jahre insgesamt erfolgreich gemeistert. Angesichts des sich rasch wandelnden Gesichts der Weltwirtschaft gilt es neue Herausforderungen früh anzugehen und sich neue Geschäftsfelder zu erschliessen. Wie könnte die Exportstruktur der Schweiz in den kommenden zwanzig Jahren aussehen? Welche Chancen bieten sich der Schweiz und mit welchen Risiken ist sie konfrontiert? 3.1 Chancen 3.1.1 Multipolare Welt und Auswirkungen auf die Schweizer Exporte Zweite Welle der Globalisierung macht die Welt multipolarer… Die Entwicklungs- und vor allem die Schwellenländer galten über Jahre hinweg als verlängerte Werkbank der Weltwirtschaft. Zahlreiche Arbeitsplätze mit tiefer Wertschöpfung und standardisierten Arbeitsprozessen wurden aus den Industrieländern in die Entwicklungs- und Schwellenländer verlagert. Die internationale Arbeitsteilung nahm dadurch stark zu. Diese Phase der Internationalisierung wird häufig als sogenannte erste Welle der Globalisierung bezeichnet. Zahlreiche Schwellen- und Entwicklungsländer nutzten die Chancen, die ihnen die Globalisierung bot. Seit der Jahrtausendwende haben sie rasant an Bedeutung gewonnen, und einige – allen voran China – werden auch zunehmend als Wirtschaftsmacht wahrgenommen, denn sie spielen in der Weltwirtschaft eine neue, tragende Rolle. Mit dieser eher neueren Entwicklung hat eine sogenannte zweite Welle der Globalisierung20 begonnen, die dazu führt, dass die ehemalige Triade EU/USA/Japan einem immer multipolareren Gebilde weicht. Begriffe wie BRIC oder Next 11 haben sich etabliert. Abbildung 20 Verteilung des Welt-BIP 2010 und 2030 Anteile in Prozent; innerer Kreis = Jahr 2010; äusserer Kreis = Jahr 2030 Südostasien USA 9.0% 5.9% Next 11 2.2% Deutschland 22.3% Frankreich 13.4% 22.0% Grossbritannien 23.6% 9.1% Italien 4.1% 2.9% Golfstaaten 4.2% 3.6% 5.5% 7.7% 5.3% 2.3% 4.1% 17.6% 24.0% 3.6% 3.3% 9.3% 2.0% 7.7% 5.6% 27.8% 18.9% BRIC 2.4% EU-15 EU-Ost 3.4% 3.7% 19.3% 2.5% EU-15 China BRIC Golfstaaten Next 11 Südostasien Übrige Länder Quelle: CEPII*, Credit Suisse Economic Research * Zu den Prognosen des CEPII vgl. Box 3. 20 Vgl. beispielsweise Flückiger & Schwab (2011). Swiss Issues Branchen 25 Economic Research … und verändert entsprechend das wirtschaftliche Machtgefüge Der Aufschwung der Schwellenländer wird sich in den kommenden Jahren fortsetzen. Insbesondere China wird zunehmend an Bedeutung gewinnen. Gemäss Prognosen des CEPII (vgl. Box 3) dürften die USA im Jahr 2030 zwar nach wie vor die grösste Volkswirtschaft der Welt darstellen, dicht dahinter dürfte aber China folgen, vor Japan, Indien und Deutschland. Die zu erwartenden teilweise enormen Verschiebungen der globalen Verteilung der Wirtschaftsleistung macht Abbildung 20 deutlich. China dürfte seinen Welt-BIP-Anteil in den nächsten rund zwanzig Jahren verdoppeln und sich für rund ein Fünftel der globalen Wirtschaftsleistung verantwortlich zeigen (heute 9%). Die vier BRIC-Staaten gemeinsam dürften dereinst rund 28% des Welt-BIP auf sich vereinen. Ebenfalls deutlich an Bedeutung gewinnen werden die Next 11 (von 8% auf rund 13%) sowie die südostasiatischen Staaten (von rund 3% auf 6%). An Bedeutung verlieren werden insbesondere die EU-15-Staaten (von rund 24% auf 19%). Box 3: BIP-Prognosen des CEPII Die in der vorliegenden Studie verwendeten internationalen BIP-Projektionen entstammen der Baseline-Datenbank des CEPII (Centre d'Etudes Prospectives et d'Informations Internationales).21 Basierend auf einer Produktionsfunktion, welche die Faktoren Arbeit, Kapital und Energie sowie zwei Formen des technologischen Fortschritts einschliesst, berechnen die Ökonomen des französischen Forschungsinstituts Wachstumsszenarien für 122 Länder. Der Prognosehorizont erstreckt sich bis 2050. Das verwendete Modell wurde mit den Arbeitsvolumenprognosen der UNO und der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in Einklang gebracht, weiter wurden ökonometrische Schätzungen zur Kapitalakkumulation, zur Sparquote, zum Verhältnis zwischen Sparkapital und Investitionsraten sowie zum technologischen Fortschritt eingebaut. Um der Wirtschaftskrise 2009 Rechnung zu tragen, wurden für den Zeitraum 2008 bis 2012 die Prognosen des Internationalen Währungsfonds (IMF) verwendet; die eigentlichen Prognosen des CEPII starten daher erst im Jahr 2013. Schwellenländer gewinnen auf dem politischen Parkett an Bedeutung Der die zweite Welle der Globalisierung prägende wirtschaftliche Aufstieg der Schwellenländer geht einher mit einem neuen Selbstbewusstsein und der zunehmenden Forderung nach politischem Einfluss. So fällt zum Beispiel die Gründung der G-20 in die Zeit der Jahrtausendwende, und bezüglich Klimapolitik werden die Stimmen aus den Entwicklungsländern ebenfalls immer lauter, die ihren Interessen vermehrt Gehör verschaffen wollen. Eine Einigung in der Klimapolitik ohne die Stimme der Schwellen- und Entwicklungsländer ist heute nicht mehr denkbar, schliesslich sind sie im Zuge des Aufschwungs teilweise zu "Grossemittenten" von CO2 geworden. Das Reich der Mitte hat die USA bezüglich CO2-Ausstoss seit einigen Jahren überholt (rund ein Viertel des weltweiten CO2-Ausstosses geht mittlerweile auf das Konto Chinas). Schwellenländer werden als Firmenstandort an Bedeutung gewinnen… Die teilweise rasant zunehmende wirtschaftliche Leistung einzelner Schwellenländer geht einher mit einer wachsenden Attraktivität dieser Länder als Firmenstandorte. Zum einen werden immer mehr westliche Unternehmen in den Schwellenländern aktiv, und zum anderen wandeln sich immer mehr Firmen aus Schwellenländern zu globalen Unternehmen. Dieser Trend verändert einerseits den globalen Fluss der Kapitalströme und internationalisiert den Wettbewerb um die besten Arbeitskräfte, andererseits führt er zu einer noch höheren Arbeitsteilung und einem entsprechend ansteigenden Inter- und Intrafirmenhandel. … und der Wohlstand erreicht immer mehr Menschen Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung in den Schwellenländern geht die Herausbildung einer neuen Mittelschicht einher: Allein in China zum Beispiel dürfte diese in den nächsten Jahren um mindestens 300 Millionen Menschen wachsen. Im Zuge dieser Entwicklung steigen in den jeweiligen Staaten nicht nur die Konsumausgaben markant, es bildet sich auch eine neue Konsumkultur heraus. Als Folge dürften in rund 15 Jahren mehr als die Hälfte aller weltweit angebotenen Kühlschränke, Hi-Fi-Anlagen, Computer oder Nahrungsmittel sowie Anzüge oder Autos in den neuen Boomregionen gekauft werden.22 Für viele westliche Unternehmen, egal ob Autobauer, Nahrungsmittelproduzent oder aber auch Dienstleistungserbringer, bedeutet dies die Herausbildung riesiger neuer Konsumentenmärkte (vgl. Kapitel 3.1.3). Als Folge dieser Entwicklung werden auch die Exporte aus den Industriestaaten in die neuen Wachstumsmärkte in den kommenden Jahren markant zunehmen. 21 Vgl. Foure et al. (2010). 22 Scholtissek (2008). Swiss Issues Branchen 26 Economic Research Schweiz als Exportnation Die Schweizer Wirtschaft ist aufgrund ihres kleinen Heimmarktes stark auf die Nachfrage aus dem Ausland angewiesen (vgl. Kapitel 1.1). Ist die Schweiz aber genügend gut in neuen Wachstumsmärkten positioniert, um vom sich beschleunigenden Trend von einer ehemals tripolaren hin zu einer multipolaren Welt profitieren zu können? Schweiz heute schlechter in Wachstumsmärkten positioniert als die Konkurrenzländer Um die heutige Positionierung der Schweizer Exportwirtschaft in den Zukunftsmärkten zu untersuchen, wurde in einem ersten Schritt das durchschnittliche jährliche Exportwachstum für die nächsten zwanzig Jahre errechnet, dies unter der Annahme, dass die Handelspartnerstruktur der jeweiligen Länder über den Betrachtungszeitraum dieselbe bleibt und die Importneigung der Handelspartner sich nicht verändert.23 Die Berechnungen zeigen, dass die Exporte der Schweiz mit durchschnittlich 2.1% pro Jahr langsamer als diejenigen der Vergleichsländer wachsen würden. Während die Exporte der betrachteten westeuropäischen Staaten leicht schneller als die Schweizer Exporte wachsen würden (durchschnittlich +2.2% p.a.), erreichten die USA mit +2.8% p.a. ein deutlich höheres durchschnittliches Wachstum. Die Unterschiede mögen zwar grösstenteils eher gering erscheinen, aufgrund des langen Betrachtungszeitraumes macht sich dieser Unterschied über die Jahre jedoch deutlich bemerkbar. Insgesamt werden aber die Exporte in Zukunft auch in der Schweiz eine im Vergleich zu heute noch grössere Rolle für das Wohlergehen der Volkswirtschaft spielen. Sie dürften 2030 beinahe halb so hoch sein wie das Schweizer BIP. Abbildung 21 BIP- und Exportwachstum 2010–2030** Wachstumsraten in Prozent; Exportvolumina in Mrd. CHF Land Ø BIP-Wachstum p.a 2010–2030 Ø Export Wachstum p.a. 2010–2030 Exportvolumen 2030 Schweiz 1.6% 2.1% 260 Deutschland 1.2% 2.2% 1'749 Frankreich 1.6% 2.2% 712 Italien 1.3% 2.2% 618 Grossbritannien 1.8% 2.2% 548 USA 2.2% 2.8% 1'845 OECD* 1.9% 2.4% 11'989 Quelle: OECD, CEPII, Credit Suisse Economic Research * Aufgrund fehlender Daten wurden die Daten für die OECD ohne Luxemburg und Slowenien gerechnet. ** Projektionen bei gleichbleibender Handelspartnerstruktur und gleichbleibender Importneigung der Handelspartner. Schweizer Exporteure profitieren noch ungenügend vom Aufschwung der Schwellenländer Die angestellten Berechnungen stellen ein Szenario dar. Im Zuge der Multipolarisierung der Welt wird sich die Handelspartnerstruktur der einzelnen Staaten jedoch verändern, und die aufstrebenden Staaten dürften im Zuge des zunehmenden Wohlstandes auch mehr Güter importieren als heute. Für die weitere Analyse müssen die restriktiven Annahmen deshalb gelockert werden. Die Ergebnisse liefern aber dennoch einen Hinweis darauf, wie gut die verschiedenen Länder bereits heute in den verschiedenen Wachstumsmärkten präsent sind. Für die Schweiz kann daraus gefolgert werden, dass sie bis heute im Vergleich zu den Konkurrenzländern weniger gut in den verschiedenen Boomregionen verankert ist, für die Schweizer Exporteure also noch Aufholbedarf besteht. Schweizer Exporte steigen deutlich stärker als das durchschnittliche BIP der Handelspartner In der Realität verlaufen Import- und Wirtschaftswachstum eines Landes nicht gleich. Die Analyse der historischen Exportdaten zeigt, dass die Importe von Schweizer Produkten in allen betrachteten Ländern deutlich stärker ansteigen als das jeweilige BIP. Die Schweizer Exportgüter sind damit in der Tendenz eher sogenannte superiore oder Luxusgüter, d.h. Güter, deren Konsum mit steigendem Einkommen überdurchschnittlich stark zunimmt. Im Durchschnitt der letzten zwanzig Jahre haben die Importe aus der Schweiz zwischen rund 2.5 und 3.5 Mal stärker zugenommen als das Wirtschaftswachstum. In Kombination mit dem erwarteten Potenzial- 23 Grundlage der Berechnung waren die Exportdaten der OECD und die BIP-Prognosen des CEPII (vgl. Box 3, Seite 26). Zur Berechnung des erwarteten durchschnittlichen jährlichen Wachstums des Exportvolumens wurde für jedes Land die Summe aus dem Produkt der Anteile der jeweiligen Abnehmerländer an den Gesamtexporten und dem erwarteten durchschnittlichen jährlichen BIP-Wachstum des Abnehmerlandes gebildet. Swiss Issues Branchen 27 Economic Research wachstum des BIP für die einzelnen Länder respektive Ländergruppen lässt sich so ein Potenzialwachstum für die Schweizer Exporte in die verschiedenen Märkte abschätzen (Abbildung 22). Rasante Ausweitung der Exportvolumina in die BRICStaaten, nach EU-Ost und Südostasien... Bereits aus der Betrachtung der unterschiedlichen BIP-Entwicklungen der einzelnen Volkswirtschaften wird klar, dass allen voran die BRIC-Länder, aber auch die EU-Oststaaten, Südostasien sowie die Gruppe der Next 11 in Zukunft für die Schweizer Exportindustrie von wachsender Bedeutung sein werden. Die Schätzung der Zunahme des Exportvolumens (Abbildung 22) unterstreicht diese Feststellung zusätzlich: Die Exporte in die BRIC-Länder, nach Südostasien und die Next 11 dürften jährlich um 11% bis 19% ansteigen, was bedeutet, dass sich zum Beispiel die Ausfuhren in die BRIC-Staaten innert 5 Jahren beinahe verdoppeln, innert 7 Jahren beinahe verdreifachen dürften. Abbildung 22 Exportvolumenwachstum und Wirtschaftswachstum Geschätztes potenzielles Wachstum, p.a. 30% 25% 6.0 Potenzialwachstum Schweizer Exportvolumen Potenzialwachstum BIP Multiplikator (rechte Achse)* 5.0 EU-Ost EU-15 0.0 Südostasien 0% Golfstaaten 1.0 Next 11 5% BRIC 2.0 Italien 10% Grossbritannien 3.0 USA 15% Frankreich 4.0 Deutschland 20% Quelle: Eidgenössische Zollverwaltung, CEPII, Credit Suisse Economic Research * Der Multiplikator ist die mittlere Veränderung der ausländischen Nachfrage nach Schweizer Produkten in Abhängigkeit von der Wohlstandsentwicklung der betreffenden Länder 1990–2010. ... bewirken massive Veränderungen in der Schweizer Exportstruktur Extrapoliert man diese Entwicklungen bis 2030, erreichen die BRIC-Länder 2030 einen Anteil an den Schweizer Exporten von beinahe 45% (Abbildung 23). Die Golfstaaten dürften ihren Exportanteil von heute etwa 3.5% auf etwa 7% verdoppeln, und die Ausfuhren nach Südostasien dürften von heute etwa 2.5% auf über 8% anwachsen. Diese teilweise hohen Zuwächse bedingen auf der anderen Seite aber bekanntlich entsprechende Rückgänge. Besonders eindrücklich zeigt sich der Bedeutungsverlust der EU-15: Zwar dürften auch im Jahr 2030 rund ein Viertel der Schweizer Ausfuhren Westeuropa zum Ziel haben, im Vergleich zum heutigen Anteil von knapp 65% nimmt sich dieser aber bescheiden aus. Von den westeuropäischen Staaten wird dabei vor allem Deutschland als Absatzmarkt an Bedeutung verlieren. Ist unser nördliches Nachbarland heute mit rund 23% der wichtigste Schweizer Handelspartner, dürfte sich dessen Anteil im Jahr 2030 noch auf knapp 8% belaufen und damit deutlich hinter Staaten wie China oder Indien liegen. Der Exportanteil der EU-Osterweiterungsländer wird von heute 4.5% auf knapp 2.5% zurückgehen. Der Anteil der USA wird sich bis 2030 ebenfalls halbieren: Beträgt dieser heute noch etwa 10.5%, dürfte er über den Betrachtungszeitraum hinweg auf rund 5.5% fallen. Diese anteilsmässigen Betrachtungen täuschen aber darüber hinweg, dass ein rückläufiger Exportanteil nicht zwingend mit rückläufigen Exportvolumina verbunden sein muss. Obwohl Deutschland über die nächsten zwanzig Jahre relativ betrachtet markant an Bedeutung einbüssen wird, dürfte sich das Exportvolumen von heute rund 35 Mrd. CHF auf 75 Mrd. CHF mehr als verdoppeln. Ähnlich verhält es sich im Falle der restlichen westeuropäischen Staaten und der USA. Swiss Issues Branchen 28 Economic Research Abbildung 23 Schweizer Exportmärkte 1990–2030 Anteile einzelner Länder respektive Ländergruppen an den Schweizer Exporten in Prozent 100% 80% 60% 40% 20% 0% 1990 1995 USA Italien Next 11** 2000 2005 Deutschland EU-15* Südostasien 2010 2015 Frankreich BRIC EU-Ost 2020 2025 2030 Grossbritannien Golfstaaten Rest Quelle: Eidgenössische Zollverwaltung, CEPII, Credit Suisse Economic Research * EU-15 ohne Deutschland, Frankreich, Grossbritannien und Italien ** Next 11 ohne Iran, Vietnam, Indonesien und Philippinen Mehr als nur Vergangenheitsextrapolation Die bisherigen Betrachtungen der Auswirkungen der globalen Verschiebungen auf die Schweiz waren weitgehend Vergangenheitsextrapolationen. Diese unterstellen implizit stets eine ebenfalls gleichbleibende Entwicklung der Konkurrenten auf dem Weltmarkt respektive eine gleichbleibende relative Position der Schweiz. Die Schweizer Exporteure können aber versuchen, Marktanteile zu gewinnen. Um mögliche Entwicklungsperspektiven genauer zu untersuchen, haben wir die Nachfrageveränderung der verschiedenen Schweizer Handelspartner in Abhängigkeit ihrer wirtschaftlichen Entwicklung (also das Ausmass, inwieweit ein höheres BIP zu einer höheren Einfuhr von Schweizer Produkten führt) dem für die Jahre 2011 bis 2030 durchschnittlich zu erwartenden jährlichen BIP-Wachstum gegenübergestellt (Abbildung 24). BRIC besticht vor allem durch hohes BIP-Wachstum Die vorangehenden Ausführungen haben klar gemacht, dass die Musik für die Schweizer Exportindustrie in den nächsten beiden Jahrzehnten insbesondere in den BRIC-Staaten spielt. Wie Abbildung 24 verdeutlicht, ist der Boom dieser Ländergruppe als Abnehmerin für Schweizer Produkte nicht darauf zurückzuführen, dass das Wohlstandsplus stärker als in anderen Ländern in ein Importplus münden würde, denn das Verhältnis zwischen dem Wohlstandswachtum und der dadurch ausgelösten zusätzlichen Nachfrage nach Schweizer Produkten ist sogar schwächer als zum Beispiel in Deutschland, Frankreich, Grossbritannien oder Italien. Das hohe Exportwachstum in die BRIC-Staaten ist damit stärker durch das hohe Wirtschaftswachstum getrieben. Für die Schweizer Exporteure bilden Brasilien, Russland, Indien und China allein schon aufgrund des grossen mengenmässigen Potenzials Märkte, auf denen ein Ausbau der Präsenz äusserst lukrativ ist. Weniger stark als in anderen Ländern vermögen die Schweizer Exporteure auch von einer Wohlstandszunahme in den Next 11-Staaten zu profitieren. Da diese in den nächsten zwanzig Jahren aber ebenfalls sehr stark wachsen werden, erscheint eine vermehrte Fokussierung auf diese Märkte dennoch vielversprechend. Swiss Issues Branchen 29 Economic Research Abbildung 24 Entwicklungsperspektiven der Schweizer Exportwirtschaft X-Achse: erwartetes durchschnittliches jährliches BIP-Wachstum 2011–2030; Y-Achse: Multiplikator (mittlere Veränderung der ausländischen Nachfrage nach Schweizer Produkten in Abhängigkeit von der Wohlstandsentwicklung der betreffenden Länder 1990–2010); Blasengrösse: Anteil der Länder/Länderaggregate am Total der Schweizer Exporte, 2010 3.7 Welt-BIP-Prognose Golfstaaten 3.5 EU-Ost Südostasien 3.3 3.1 Deutschland Italien Frankreich durchschnittlicher exportanteilsgewichteter Multiplikator Grossbritannien Next 11 2.9 BRIC EU-15 2.7 64.4% USA 2.5 30% 10% 2.3 0% 1% 2% 3% 4% 5% 6% 7% 8% Quelle: Eidgenössische Zollverwaltung, CEPII, Credit Suisse Economic Research Südostasien für Schweizer Exporteure sehr attraktiv Die Länder Südostasiens vermögen punkto Wachstum bis 2030 mit den BRIC-Staaten zwar nicht mitzuhalten, weisen aber dennoch ein durchschnittliches jährliches BIP-Wachstum auf, das über dem erwarteten weltwirtschaftlichen Wachstum liegt. Zudem führt jeder Franken, der den Haushalten in diesen Ländern aufgrund des Aufschwungs zusätzlich zur Verfügung steht, zu einem überdurchschnittlich starken Nachfrageplus nach Schweizer Produkten. Ähnlich präsentiert sich die Situation in den Golfstaaten. Für die hiesigen Exporteure bilden diese beiden Märkte damit überdurchschnittlich attraktive Ausgangsbedingungen und stellen damit klare Fokusmärkte dar. Westeuropa als Rückgrat der Schweizer Exportwirtschaft In den für die Schweizer Exporteure aktuell wichtigen Märkten Deutschland, Frankreich, Grossbritannien und Italien führt zusätzlicher Wohlstand zu einer durchschnittlichen bis leicht überdurchschnittlichen Zunahme der Nachfrage nach Schweizer Produkten. Aufgrund des klar unterdurchschnittlichen erwarteten jährlichen BIP-Wachstums bis 2030 werden diese Märkte aber keine eigentlichen Boommärkte darstellen, obwohl die Exporte auch in diese Länder weiter zulegen werden. Aufgrund ihrer hohen Exportvolumina bilden sie aber sozusagen das Rückgrat für die Schweizer Exportindustrie. Die EU-Oststaaten weisen zwar ebenfalls einen überdurchschnittlich hohen Zusammenhang zwischen BIP-Wachstum und der Nachfrage nach Schweizer Produkten auf, ihr erwartetes zukünftiges Wachstum bleibt jedoch klar unterdurchschnittlich. USA: Kein eigentlicher Zukunftsmarkt für Schweizer Exporteure Die USA stellen für die Schweizer Exporteure keinen eigentlichen Zukunftsmarkt mehr dar. Das erwartete durchschnittliche jährliche Wachstum der US-Wirtschaft liegt zwar über demjenigen der europäischen Staaten, ein zusätzliches Wachstum führt aber nur zu einem vergleichsweise geringen Anstieg der Nachfrage nach Schweizer Produkten. Aufgrund ihrer heutigen Bedeutung dürften die USA bis auf weiteres – ähnlich wie die europäischen Staaten – eine Grundbasis bilden. Zudem bleiben beide Regionen (USA und Europa) auch in Zukunft wichtige Testmärkte. Swiss Issues Branchen 30 Economic Research Uhrenindustrie überdurchschnittlich stark in Wachstumsmärkten präsent Um abschätzen zu können, wie gut die verschiedenen Branchen im Vergleich zur Gesamtindustrie bereits in den Wachstumsmärkten präsent sind und entsprechend von den beschriebenen, sich abzeichnenden weltweiten Nachfrageverschiebungen werden profitieren können, haben wir die Exportstruktur nach Branchen untersucht und mit derjenigen der Gesamtindustrie verglichen. In Abbildung 25 sind die Abweichungen der Exporte einer Branche in ein entsprechendes Land vom Anteil der Gesamtindustrie dargestellt. Dabei zeigt sich, dass die Uhrenbranche derjenige Schweizer Industriezweig ist, der bereits am stärksten in den Wachstumsmärkten präsent ist: Ihr Exportanteil in die BRIC-Staaten liegt sehr stark (> +8%) über demjenigen der Gesamtindustrie, und der Anteil der Ausfuhren nach Südostasien zeigt sich ebenfalls stark überdurchschnittlich (zwischen +4% und +8%). Zusammen mit den ebenfalls überdurchschnittlichen Ausfuhren in die Golfregion ist die Uhrenindustrie damit sehr gut positioniert, um von den sich aus dem Trend zur Multipolarisierung ergebenden künftigen Herausforderungen und Wohlstandsverschiebungen zu profitieren. In Anbetracht ihrer Exportstruktur ebenfalls gut positioniert zeigt sich der Maschinenbau. Sehr stark auf die "alten" Märkte ausgerichtet sind die Nahrungsmittel- und die Textilindustrie sowie die Kunststoffbranche, die Metallindustrie und der Fahrzeugbau. Abbildung 25 Exportstruktur ausgewählter Branchen Abweichung der Anteile der Branchenexporte vom Total der Schweiz in Prozentpunkten, 2010 Branche Abweichung grösser als +8% Abweichung zwischen +4% und +8% Abweichung zwischen –4% und –8% Abweichung grösser als –8% Nahrungsmittel EU-15 - BRIC - Textil und Bekleidung DE EU-15 - - Chemie - - - - Pharma - - DE, BRIC - Kunststoff EU-15, DE - BRIC, USA - Metall EU-15, GB, DE - USA - Elektroindustrie DE - - - Mess- und Kontrollinstr. DE - IT - Uhren BRIC Südostasien, Golfstaaten - EU-15, DE Medizinaltechnik - USA, EU-15 BRIC - Maschinenbau - BRIC EU-15 - Fahrzeugbau DE EU-15 BRIC, IT - Quelle: Eidgenössische Zollverwaltung, Credit Suisse Economic Research 3.1.2 Demographischer Wandel und Urbanisierung Alterung und Urbanisierung werden die künftige Welt prägen Heute leben beinahe sieben Milliarden Menschen auf der Erde, 2050 werden es gemäss Schätzungen der Vereinten Nationen über neun Milliarden sein. Die relative Bedeutung der Industrieländer wird in den kommenden Jahrzehnten abnehmen, während der Anteil der Schwellen- und Entwicklungsländer an der Weltbevölkerung weiter wächst. Zwei Trends werden die Zukunft stark prägen: die zunehmende Alterung und die Urbanisierung. Die mit diesen beiden Tendenzen einhergehenden Veränderungen der Bevölkerungsstrukturen dürften eine Verschiebung der Konsummuster mit sich bringen. Von diesem globalen Wandel kann auch die Schweizer Aussenwirtschaft profitieren. Es ist daher für Exportunternehmen wichtig, sich dieser Trends und deren Folgen für ihr Geschäft bewusst zu werden. Demographischer Wandel Demographische Alterung als globales Phänomen Im Zuge des wachsenden ökonomischen Wohlstands und des medizinischen Fortschritts steigt die Lebenserwartung weltweit an. Heute sind rund 8% der Weltbevölkerung älter als 65 Jahre, bis 2050 dürfte sich dieser Anteil verdoppeln. Wie aus Abbildung 26 ersichtlich wird, verläuft der Alterungstrend jedoch nicht in allen Regionen der Erde mit derselben Geschwindigkeit. In den Industrieländern machen Personen über 65 Jahren heute schon zwischen 10% und 20% der Bevölkerung aus. Bis 2050 dürfte ihr Anteil auf 20% bis 35% anwachsen. Demgegenüber weisen Schwellenländer eine noch eher junge Bevölkerungsstruktur auf. Mit dem steigenden Swiss Issues Branchen 31 Economic Research Wohlstand wird sich die Alterungsdynamik in den nächsten Jahrzehnten aber auch in aufstrebenden Volkswirtschaften beschleunigen. Abbildung 26 Demographischer Wandel Anteil der Bevölkerung über 65 Jahre an der Gesamtbevölkerung in Prozent 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0% 2010 BRIC Next 11 2015 2020 Golfstaaten 2025 Südostasien 2030 2035 EU-15 2040 USA EU-Ost 2045 2050 Quelle: United Nations, Credit Suisse Economic Research Veränderung der Konsumstruktur im Alter Ältere Menschen stellen eine zunehmend wichtige Konsumentengruppe dar, welche spezifische Bedürfnisse und Präferenzen aufweist. Mit dem Alter verändert sich der Anteil der einzelnen Konsumgüter an den gesamten Ausgaben. Wie verschiedene Haushaltsbudgeterhebungen24 zeigen, neigen ältere Menschen dazu, anteilsmässig mehr für Wohnen, Energie und Gesundheit auszugeben. Die zunehmende Alterung der Bevölkerung dürfte also weltweit zu Veränderungen der Konsumstruktur führen. Menschen leben länger gesund Nicht nur der Anteil der älteren Menschen an der Gesamtbevölkerung nimmt zu, sondern auch deren Verhalten verändert sich. Der sich wandelnde Lebensstil der Seniorinnen und Senioren wirkt sich auf das künftige Konsummuster dieser Bevölkerungsgruppe aus. Dank des medizinischen Fortschritts und des zunehmenden Gesundheitsbewusstseins leben Menschen oft nicht nur länger, sondern bleiben auch länger fit und dementsprechend aktiv. Immer mehr aktive Senioren… Oft wird das Altern mit Krankheit und Abhängigkeit assoziiert. Entgegen dieser Vorstellung bilden Menschen über 65 Jahren eine sehr heterogene Gruppe, mit unterschiedlichen Einkommen, Vermögen und Gesundheitszuständen. Auf der einen Seite findet man Menschen bei guter Gesundheit, welche jüngst pensioniert worden sind und die über genügend Geld und Zeit verfügen und noch aktiv bleiben wollen. Diese Gruppe kümmert sich besonders um ihre Gesundheit und interessiert sich für Freizeitaktivitäten wie Reisen oder Sport. Verschiedene Branchen dürften vom Anwachsen dieser Gruppe der "aktiven Senioren" profitieren. In erster Linie existiert grosses Potenzial für Firmen aus den Bereichen Gesundheit und Wellness. Dazu gehören neben der pharmazeutischen Industrie auch die Körperpflege- (z.B. Kosmetika) und die Nahrungsmittelindustrie (Stichwort Health Nutrition). Weiter dürften Firmen aus dem Freizeit- und Unterhaltungsbereich profitieren, welche ihre Angebote auf die spezifischen Bedürfnisse dieser Konsumentengruppe abstimmen (z.B. Gesundheits- oder Wellness-Tourismus). … aber auch der Anteil pflegebedürftiger Menschen wächst an Mit der steigenden Lebenserwartung wächst aber auch der Anteil pflegebedürftiger Personen und von Menschen mit chronischen Krankheiten. Diese Entwicklung dürfte in erster Linie dem Gesundheitswesen und den gesundheitsorientierten Branchen Pharma und Medizinaltechnik neue Wachstumsmöglichkeiten eröffnen. 24 Siehe beispielsweise die Haushaltsbudgeterhebung (HABE) des Bundesamts für Statistik (BFS), die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamts Deutschland oder den Consumer Expenditure Survey des U.S. Bureau of Labor Statistics. Swiss Issues Branchen 32 Economic Research Chancen bieten sich in allen Branchen Diese Liste von Branchen ist nicht abschliessend. Generell dürften alle Unternehmen vom globalen Alterungstrend profitieren, welche sich an den Bedürfnissen und Präferenzen einer alternden Bevölkerung orientieren und ihre Produkte entsprechend anpassen, um sie benutzerfreundlicher, praktischer oder sicherer zu gestalten. Alle Lebensbereiche können davon betroffen sein, von der Kommunikationstechnologie (Geräte mit grossen, gut leserlichen Bildschirmen) bis zum Fahrzeugbau (Niederflurfahrzeuge für Leute mit eingeschränkter Mobilität). Urbanisierung Immer mehr Menschen leben in Städten Neben dem Altern der Bevölkerung wird auch die Urbanisierung in den kommenden Jahrzehnten global an Bedeutung gewinnen. Heute lebt schon mehr als die Hälfte der Menschheit in städtischen Agglomerationen. 2050 dürften es gemäss Zahlen der Vereinten Nationen über zwei Drittel sein. Ähnlich wie der demographische Wandel verläuft der Urbanisierungsprozess je nach Weltregion mit unterschiedlicher Dynamik und Geschwindigkeit. Grosses Potenzial in Schwellenländern, insbesondere in Asien Wie Abbildung 27 zeigt, ist die Urbanisierung in den meisten Industrieländern heute schon weit vorangeschritten. Der Anteil der in Städten lebenden Bevölkerung beträgt in den USA schon über 80%. Über drei Viertel der in Westeuropa lebenden Personen wohnen in urbanen Agglomerationen. Zukünftig dürfte die Verstädterung in diesen Ländern nur noch leicht zunehmen. Demgegenüber dürfte die Entwicklung von Städten in aufstrebenden Schwellenländern in den nächsten Jahrzehnten regelrecht explodieren. Urbanisierung wird in Asien stark zunehmen Insbesondere in den BRIC-Staaten sowie in den Ländern Südostasiens lebt heute noch die Mehrheit der Bevölkerung in ländlichen Gebieten. Im Jahr 2050 dürfte der Anteil der urbanen Bevölkerung auch in diesen Ländern die Grenze von zwei Dritteln übersteigen. Die Urbanisierung in Asien dürfte sich besonders stark auf Grossstädte konzentrieren. 2025 dürfte über 40% der urbanen Bevölkerung Chinas und Indiens in einer Stadt mit mehr als einer Million Einwohner leben. In den Ländern Südostasiens dürfte dieser Anteil knapp 30% betragen. Abbildung 27 Urbanisierung Anteil der urbanen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung in Prozent 100% 2010 2030 2050 80% 60% 40% 20% 0% USA EU-15 Golfstaaten EU-Ost Next 11 BRIC Südostasien Quelle: United Nations, Credit Suisse Economic Research Steigende Bedürfnisse nach adäquater Infrastruktur Mit dem Wachstum der Städte in Schwellenländern steigen auch die Ansprüche an die öffentliche Infrastruktur kontinuierlich. Davon sind verschiedene Bereiche betroffen, so zum Beispiel die Verkehrs- und Kommunikationsnetze, die Wasser- und Energieversorgung oder die Sicherheit. Im Zusammenhang mit der Urbanisierung wird oft auch der Einfluss von Grossstädten auf die Umwelt diskutiert, was der Entwicklung gewisse Grenzen setzen könnte. Swiss Issues Branchen 33 Economic Research Potenzial für Anbieter nachhaltiger, umweltschonender Lösungen Die zunehmende Urbanisierung der Schwellenländer dürfte in erster Linie Branchen, welche Verkehrs-, Kommunikations- und Energienetzinfrastrukturlösungen anbieten, zugute kommen, wie dem Fahrzeugbau oder der Elektrotechnik. Zudem dürften auch Unternehmen aus dem Bereich Umwelt/Recycling davon profitieren. Grosses Potenzial ergibt sich insbesondere für Firmen, welche sich auf die Entwicklung nachhaltiger, umweltschonender Produkte spezialisieren (Cleantech). Der Schweiz als innovativer und forschungsintensiver Standort, wo Umweltschutz schon früh grossgeschrieben wurde, bieten sich hier enorme Chancen. Mit der Exportplattform Cleantech Switzerland, die von der Osec im Auftrag des Bundes entwickelt wurde, wird die Marktbearbeitung von Exportfirmen in diesem Bereich gezielt gefördert.25 3.1.3 Exkurs: Zunehmende Bedeutung Chinas als Absatzmarkt Durch Wachstum steigen die Konsumausgaben Die Volksrepublik China wächst seit 1980 jährlich durchschnittlich um rund 10%. Bis anhin war das Wachstum vor allem durch Chinas Exporte getrieben. Zukünftig dürfte jedoch auch die Inlandnachfrage steigen, woraus sich für Schweizer Exporteure neue Chancen ergeben. Eine Betrachtung der jüngsten Entwicklung in China zeigt, dass die Konsumausgaben pro Kopf in den urbanen Haushalten zwischen 1995 und 2008 durchschnittlich real um rund 12% pro Jahr angestiegen sind. In den ländlichen Haushalten, die 2008 etwas mehr als die Hälfte der chinesischen Bevölkerung ausmachten, fiel das jährliche reale Wachstum der Konsumausgaben pro Kopf mit 4.6% geringer aus. Ermöglicht wurden die steigenden Konsumausgaben durch steigende Einkommen. Mit der Höhe der Haushaltsausgaben verändert sich ihre Struktur Mit steigendem Einkommen ändert sich jedoch nicht nur die Höhe der Konsumausgaben, sondern auch deren Struktur. Dies lässt sich einerseits aus der Entwicklung der Ausgabenstruktur über einen bestimmten Zeitraum erkennen (Abbildung 28) und andererseits aus der heutigen Ausgabenstruktur der verschiedenen Einkommensklassen (Abbildung 29).26 In beiden Fällen zeigt sich, dass die Ausgaben für Nahrungsmittel mit steigendem Einkommen an Gewicht verlieren. Die Ausgabenanteile von Transport und Kommunikation, Bildung, Kultur und Erholung sowie Haushaltsgeräte und -dienstleistungen steigen hingegen. Weniger eindeutig sind die Ergebnisse für die restlichen Konsumkategorien. Der Gesundheitsausgabenanteil scheint erst mit steigendem Einkommen leicht zuzunehmen, bevor er bei sehr hohen Einkommen wieder etwas sinkt. Abbildung 28 Ausgabenstruktur urbaner Haushalte in China Abbildung 29 Ausgabenstruktur urbaner Haushalte in China In Prozent, 1995–2008 In Prozent, nach Einkommenskategorie 100% 100% 80% 80% 60% 60% 2002 2004 2006 2008 Bekleidung Haushaltsgeräte und -dienstleistungen Transport und Kommunikation Andere Waren und Dienstleistungen Quelle: National Bureau of Statistics of China Nahrungsmittel Wohnen Gesundheitspflege Ausbildung, Kultur und Erholung 9. Dezil 10. Dezil 1996 1998 2000 Nahrungsmittel Wohnen Gesundheitspflege Ausbildung, Kultur und Erholung 4. Quintil 0% 3. Quintil 0% 2. Quintil 20% 1. Dezil 20% 2. Dezil 40% 40% Bekleidung Haushaltsgeräte und -dienstleistungen Transport und Kommunikation Andere Waren und Dienstleistungen Quelle: National Bureau of Statistics of China 25 Weitere Informationen unter www.cleantech-switzerland.com 26 Ordnet man Einkommen nach ihrer Höhe, kann man sie verschiedenen Einkommensklassen zuweisen. Bei Dezilen definiert man 10 Klassen, wobei die unterste das 1. Dezil ist und die oberste das 10. Dezil. Definiert man nur 5 Einkommensklassen, so spricht man von Quintilen. Swiss Issues Branchen 34 Economic Research Einkommen, Bevölkerung und Sparquote bestimmen Konsumausgaben Treiber der gesamten Konsumausgaben ist nebst dem steigenden Einkommen auch das Bevölkerungswachstum. Es wird prognostiziert, dass sich Chinas BIP pro Kopf bis 2025 gegenüber heute mehr als verdreifachen wird, während die Bevölkerung um rund 7% wächst.27 Mittelfristig ist zudem auch ein Impuls seitens der Sparquote zu erwarten. Diese ist gegenwärtig ausserordentlich hoch und dürfte bis 2025 aufgrund der Verbesserung der sozialen Vorsorge, der Alterung der Gesellschaft sowie steigender Renditen des Alterskapitals erwartungsgemäss sinken. Neue Marktpotenziale entstehen Entsprechend dürften auch die Konsumausgaben in Zukunft markant steigen. Wie bereits in der Vergangenheit wird sich dabei die Ausgabenstruktur weiter wandeln. Anteilsmässig dürften die Ausgaben für Nahrungsmittel und Kleider (weiter) sinken, während insbesondere der Ausgabenanteil für Transport und Kommunikation, Ausbildung, Kultur und Erholung sowie Gesundheitspflege steigt.28 Daraus ergeben sich in der Konsumgüterindustrie neue Marktpotenziale. Potenzial wird dabei insbesondere im Bereich der Pharma und der Medizinaltechnik, der Uhrenund der Elektroindustrie sowie im Bereich der höherwertigen Konsumgüter (z.B. Nahrungsmittel, Möbel, Heim- und anderweitige Textilien) geortet. 3.2 Exportwachstum mit Risiken verbunden Risiken Das globale Wachstumspotenzial für die Schweizer Exportwirtschaft ist beträchtlich. Die grössten Exportzuwächse sind aber auch in Ländern zu erwarten, in denen der Handel aufgrund wirtschaftlicher, politischer und kultureller Unterschiede oftmals mit grösseren Schwierigkeiten verbunden ist als in vertrauteren Märkten wie Westeuropa oder den USA. Aus der Perspektive des exportierenden Unternehmens steht das Risiko eines Zahlungsausfalls im Vordergrund sowie das Risiko, dass die erwartete Absatzmenge in einem Land nicht realisiert wird. Aus volkswirtschaftlicher Perspektive können sich die Probleme der Exportunternehmen zudem negativ auf den Arbeitsmarkt auswirken, zu Einbussen für Zulieferfirmen führen, damit auch die Binnenwirtschaft betreffen und letztlich in tiefere Staatseinnahmen münden. 3.2.1 Länderrisiken Klassifizierung und Quantifizierung der Risiken nicht trivial Für exportorientierte Firmen ist es wichtig, die Risiken in verschiedenen Exportmärkten zu kennen und wenn möglich zu antizipieren. Die Klassifizierung, aber vor allem die Quantifizierung dieser Risiken birgt allerdings erhebliche Schwierigkeiten. Der einzelne Exporteur muss unzählige Risikoarten in potenziell Dutzenden von Ländern überblicken. Eine mögliche Vereinfachung und Systematisierung bieten sogenannte Länderrisiko-Indikatoren. Länderrisiken widerspiegeln politische Risiken Unter dem Länderrisiko wird gemeinhin das Risiko verstanden, dass ein ausländischer (staatlicher) Schuldner seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Dieses Risiko ist natürlich nicht mit dem Exportrisiko eines Exporteurs in einem bestimmten Land gleichzusetzen. Länderrisiken bilden sozusagen die Grundrisiken eines Landes ab, die sich allen Wirtschaftsakteuren stellen, die in diesem Land Geschäfte tätigen. Neben diesem (politischen) Risiko kommt das wirtschaftliche Risiko des privaten Käufers eines Exportgutes hinzu (oft Gegenparteirisiko genannt), welches von der individuellen Kreditwürdigkeit des Käufers und diversen anderen Faktoren wie den gebotenen Sicherheiten abhängt und im Folgenden nicht abgebildet wird. Prämie der Exportrisikoversicherung basierend auf OECD-Modell Ein oft verwendetes Länderrisikomodell ist dasjenige der OECD. Wie die meisten anderen staatlichen Exportrisikoversicherer wendet dieses auch die Schweizerische Exportrisikoversicherung (Serv) an, um die Prämienhöhe für Exportkreditversicherungen zu berechnen. Das Modell beruht auf einer Bewertung des Zahlungsverhaltens sowie der finanziellen und der wirtschaftlichen Situation eines Staates. Es teilt die Länder in die Kategorien 0 (sehr gutes Risiko) bis 7 (sehr schlechtes Risiko) ein. 27 Vgl. Foure et al. (2010). 28 Vgl. McKinsey (2006). Swiss Issues Branchen 35 Economic Research Abbildung 30 Länderkategorien gemäss Schweizerischer Exportrisikoversicherung (Serv), 2010 0 = kleinstes Risiko, 7 = grösstes Risiko, ungewichteter Durchschnitt über 4 Quartale Land Länderkategorie EU-15 0 EU-Ost 2.2 BRIC* 2.6 Brasilien 3 Russland 4 Indien 3 China 2 Golfstaaten 3.7 Südostasien 4 Next 11 4.5 Quelle: Schweizerische Exportrisikoversicherung * Hongkong wird mit 1 bewertet und fliesst in den Durchschnitt ein Breite Streuung der Risikoklassen in betrachteten Ländern OECD- und Euro-Länder mit hohem Pro-Kopf-Einkommen29 fallen in die tiefste Risikoklasse. Höhere politische Risiken bestehen in den EU-Ostländern insbesondere aufgrund der baltischen Länder sowie von Bulgarien und Rumänien. Bei den BRIC-Ländern hat Russland mit einem Wert von 4 die höchsten, China mit einem Wert von 2 die tiefsten politischen Risiken. Die Golfstaaten, Südostasien und die Ländern der Next 11-Gruppe sind deutlich risikobehafteter. Nicht wenige Länder werden mit der höchsten Risikoklasse taxiert. Es handelt sich dabei um politisch instabile Länder wie Irak, Myanmar oder Pakistan. In diesen Ländern sind die Gewährleistung der Eigentumsrechte, die Durchsetzbarkeit von Verträgen und die Wirtschaftsfreiheit in grösserem Ausmass gefährdet. In den meisten Fällen sind die privaten Risiken der Unternehmen in diesen Ländern ebenfalls höher. Risikoindikator für Länderportfolio der Schweizer Exporte Es stellt sich nun die Frage, wie risikobehaftet das Länderportfolio der Schweizer Exporte ist. In Abbildung 31 haben wir die Risiken der Schweizer Exportdestinationen mit dem entsprechenden Anteil des Landes an den Totalexporten der Schweiz gewichtet, um einen Risikoindikator für die Schweiz zu erhalten. Das Gesamtrisiko der Schweizer Exporte ist das Resultat verschiedener, teilweise gegenläufiger Effekte, die entweder zyklischer oder struktureller Natur sind oder Spezialeffekte darstellen. Unterschiedliche Faktoren beeinflussen Gesamtrisiko In einer wirtschaftlichen Aufschwungphase nehmen üblicherweise die Exportvolumina zu und die Risiken nehmen ab. Genau umgekehrt verhalten sich die Vorzeichen in einer Krise. Ist die Krise überwunden, erhöhen sich die Volumina wieder, aber die Risiken steigen meist, zumindest vorläufig, noch an. Neben dieser zyklischen Bewegung sind die Schweizer Exporte auch strukturellen Faktoren unterworfen. Langfristig nimmt zwar das Gewicht von Ländern mit höheren Risiken zu (z.B. BRIC), deren Risiken sinken aber. Spiegelbildlich nimmt der Anteil der "risikolosen" Länder für die Schweizer Exporte in der langjährigen Betrachtung ab. Schlussendlich können auch unvorhergesehene Risiken auftauchen, die einzelne Länder oder Ländergruppen betreffen, wie jüngst die Ereignisse im arabischen Raum. Krise und Rezession erhöhen Risiken am aktuellen Rand 2009 überwogen die zyklischen Effekte die strukturellen Faktoren. Die Unsicherheit stieg nach einer langen Phase sinkender Risiken wieder an, und die Krise förderte die Schuldenproblematik verschiedener Länder schonungslos zutage. Das Exportvolumen ging 2009 markant zurück, erholte sich dann 2010. Die Risiken nahmen aber nicht dementsprechend ab, was für die Zeit unmittelbar nach einer Krise keineswegs überrascht. Zudem dürften die Risiken oder zumindest die Wahrnehmung derselben im Zuge der Finanzmarkt- und Staatsverschuldungskrise strukturell angestiegen sein und in naher Zukunft nicht wieder die Niveaus von vor der Krise erreichen. Hinzu kommen die Auswirkungen der politischen Unruhen im arabischen Raum, welche 2011 zu zahlreichen Downgrades führen und sich negativ auf die Gesamtrisikoposition der Schweizer Exporte auswirken dürften. 29 Die Schwellenwerte für das Einkommen werden jährlich von der Weltbank anhand des Bruttonationaleinkommens pro Kopf berechnet. Swiss Issues Branchen 36 Economic Research Abbildung 31 Exportvolumen versus Exportrisiken Exportvolumen Schweiz: Index 2003 = 100; Exportrisiko: Serv-Länderkategorie gewichtet Blasengrösse: Wachstumsbeitrag der Exporte zum BIP-Wachstum; blau positiv, rot negativ 180 Exportvolumen 160 2008 2007 2010 140 2006 2009 120 2005 5.23% 2004 100 1.86% 2003 80 0.60 0.62 0.64 0.66 0.68 0.70 Exportrisiko 0.21% 0.72 0.74 0.76 Quelle: Schweizerische Exportrisikoversicherung, Staatssekretariat für Wirtschaft, Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Economic Research 3.2.2 Wechselkursrisiken Flexible Wechselkurse schwanken Nebst Länderrisiken wurden in der Schweiz auch Wechselkursrisiken immer wieder thematisiert, so auch jüngst. Wie üblich bei flexiblen Wechselkursen schwankt der Wert des Schweizer Frankens gegenüber anderen Währungen im Zeitverlauf. Dabei gilt es zwischen der Entwicklung der nominalen und der realen Wechselkurse zu unterscheiden. Der reale Wechselkurs berücksichtigt im Gegensatz zur nominalen Entwicklung auch die jeweiligen Inflationsraten der Länder. Wie der Entwicklung des Wechselkursindexes der Schweizerischen Nationalbank, welcher die exportgewichteten Wechselkurse gegenüber 40 Handelspartnern wiedergibt, zu entnehmen ist, hat sich der Schweizer Franken seit Mitte 2007 gegenüber zahlreichen Währungen tendenziell aufgewertet (Abbildung 32). Dies ist im Wesentlichen auf die Funktion des Frankens als sicherer Hafen in Krisenzeiten sowie auf relativ schlechtere wirtschaftliche Perspektiven und die Staatsverschuldung in Europa und den USA zurückzuführen. Swiss Issues Branchen 37 Economic Research Abbildung 32 CHF-Wechselkursindizes Abbildung 33 Entwicklung der nominalen Wechselkursvolatilität Index Januar 1999 = 100; Total entspricht den exportgewichteten Wechselkur- Standardabweichung der monatlichen Differenzen zwischen den logarithmierten sen gegenüber 40 Handelspartnern; der Anstieg eines Indexes bedeutet eine Wechselkursen Aufwertung des CHF gegenüber der Referenzwährung 150 Total real Total nominal EUR nominal USD nominal 0.016 140 0.014 130 0.012 120 0.010 110 0.008 100 0.006 90 0.004 80 0.002 70 0 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Quelle: Schweizerische Nationalbank Total EUR USD 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Quelle: Schweizerische Nationalbank, Credit Suisse Economic Research Vermeintliche Folge des Frankenhochs: Rückgang der Erträge aus Exporten… Welche Auswirkungen hat der starke Schweizer Franken auf den Aussenhandel? Um in Schweizer Franken konstante Erträge zu generieren, müssen Schweizer Exporteure bei einer Aufwertung der Heimwährung die Preise in Fremdwährungen erhöhen können. Die Möglichkeit von Preiserhöhungen hängt jedoch wesentlich von deren Auswirkungen auf die Nachfrage ab, also von der Preiselastizität der Güter. Anbieter, die sich im Preiswettbewerb befinden, können sich Preiserhöhungen kaum leisten, während im Qualitätswettbewerb Preiserhöhungen geringere Auswirkungen auf die Nachfrage haben (vgl. Kapitel 2.2). … und Vergünstigung der Importe Erwartungsgemäss müssten sich zudem die Importe vergünstigen, wobei kurzfristige Wechselkursschwankungen typischerweise nicht vollständig auf die Importpreise durchschlagen. Übergangslösung Margenreduktion Umfragen bei Unternehmen deuten an, dass sich das Frankenhoch Ende 2010 respektive Anfang 2011 erwartungsgemäss negativ auf zahlreiche Exporteure auswirkt.30 Gemäss Schweizerischer Nationalbank beklagen Exporteure eher gesunkene Gewinnmargen als rückgängige Verkaufszahlen. Dies ist angesichts einer gut vier- bis fünfmal höheren Mengen- als Preiselastizität auch nicht weiter verwunderlich. Zunahme der Wechselkursvolatilität… Betrachtet man die Volatilität aller Währungen und gewichtet sie mit dem jeweiligen Exportanteil, so zeigt sich, dass Wechselkursschwankungen selbst relativ volatil sind (Abbildung 33). Zwischen 2005 und 2006 waren die Schwankungen gering. Darauf folgten starke Schwankungen, insbesondere 2008. Insgesamt zeigt sich eine Zunahme der Wechselkursvolatilität seit 2006. Parallel zur Aufwertung des Schweizer Frankens hat auch die Wechselkursvolatilität zugenommen. Bemerkenswert ist zudem, dass die Volatilität des Euros unter jener des US-Dollars liegt. … wobei deren Einfluss auf das Exportvolumen nicht restlos geklärt ist Welche Auswirkungen Wechselkursschwankungen auf das Exportvolumen haben, vermögen weder Theorie noch Empirie restlos zu klären. In der Theorie wird einerseits argumentiert, dass die Volatilität ein Risiko darstellt, gegen das sich ein risikoaverser Exporteur versichert. Diese Versicherung verursacht jedoch Kosten, wodurch der Angebotspreis entsprechend steigt und die Nachfrage sinkt. Andererseits gibt es auch Argumente, welche gegen einen Einfluss sprechen. Wechselkursrisiken verschiedener Währungen können sich gegenseitig kompensieren. Exporteure können zudem Wechselkursrisiken auch auf Importeure abwälzen, indem sie den Verkaufspreis in der Heimwährung festlegen. Demnach stellen Wechselkursschwankungen nicht bloss ein Risiko, sondern auch eine Chance dar. Können Inputfaktoren zudem aus unterschiedlichen Ländern bezogen werden, entstehen daraus allenfalls Möglichkeiten für Einsparun- 30 Vgl. Credit Suisse und Osec (2011), Schweizerische Nationalbank (2010a, 2010b); zudem befragte die Credit Suisse auch zahlreiche Unternehmen im Rahmen ihrer PMIUmfrage vom Januar 2011. Swiss Issues Branchen 38 Economic Research gen. Nebst der Theorie liefert auch die Empirie keine einheitlichen Ergebnisse. Gewisse Studien finden keinen Einfluss, andere einen negativen und einzelne gar einen positiven Einfluss der Wechselkursvolatilität auf das Exportvolumen.31 Um negative Auswirkungen des Frankenhochs zu vermeiden, stehen Exporteuren Massnahmen zur Steigerung der Erträge und zur Senkung der Kosten zur Verfügung. In erstgenannte Kategorie fallen u.a. Erhöhung der Verkaufspreise, Ausbau der Vermarktung und Investitionen in die Erschliessung neuer Märkte sowie in Forschung und Entwicklung. Die Ergebnisse der von der Credit Suisse im Januar 2011 durchgeführten PMI-Umfrage deuten an, dass Investitionen in die Erschliessung neuer Märkte sowie die Absicherung durch Finanzprodukte die häufigste Reaktion zur Steigerung der Einnahmen darstellen (Abbildung 34). Fast 40% der befragten Unternehmen investieren in neue Märkte, um der Frankenstärke Herr zu werden. Häufiger als Massnahmen zur Ertragssteigerung scheinen jedoch solche zur Kostensenkung ergriffen zu werden. Am weitesten verbreitet sind Einkäufe in Fremdwährungen sowie natürliches Hedging (Abbildung 35). Beim natürlichen Hedging handelt es sich um die Strategie, die Höhe der Einnahmen und Ausgaben in Fremdwährungen einander möglichst anzugleichen und gegenseitig zu verrechnen, in dem unter anderem in verschiedenen Währungsgebieten produziert wird. Je nach Branche sind die Möglichkeiten für natürliches Hedging jedoch begrenzt. So beispielsweise in der Uhrenindustrie, welche auf das Label Swiss-made angewiesen ist. Seltener als die zwei genannten Massnahmen sind Reduktionen von Produktionskapazitäten oder deren Auslagerung ins Ausland. Das Währungsrisiko dürfte bei Standortentscheiden kein entscheidendes Kriterium darstellen. Dem Frankenhoch begegnen Exporteure mit Massnahmen zur Steigerung der Erträge und/oder Senkung der Kosten Abbildung 34 Massnahmen, um Erträge zu steigern Abbildung 35 Massnahmen, um Kosten einzusparen In Prozent der befragten Unternehmen In Prozent der befragten Unternehmen Investitionen in die Erschliessung neuer Märkte Einkäufe in Fremdwährungen Keine Reaktion Natürliches Hedging Absicherung durch Finanzprodukte Effizienzsteigerungen Erhöhung der Verkaufspreise Auslagerung (eines Teils) der Produktion Ausbau der Vermarktung Keine Reaktion Investitionen in Forschung und Entwicklung Reduktion der Produktionskapazitäten 0% 20% Ja 40% 60% 80% 100% Nein Quelle: Credit Suisse Economic Research, Schweizerischer Verband für Materialwirtschaft und Einkauf (SVME) Fazit: Kurzfristige Überbewertung des CHF zeigt kaum Wirkung auf die Exporte, längerfristig hingegen schon 0% 20% Ja 40% 60% 80% 100% Nein Quelle: Credit Suisse Economic Research, Schweizerischer Verband für Materialwirtschaft und Einkauf (SVME) Zusammenfassend lässt sich Folgendes festhalten: Flexible Wechselkurse schwanken; dies liegt in der Natur der Sache. Wie sich die Volatilität auf das Exportvolumen auswirkt, ist nicht restlos geklärt. Dass hingegen eine (temporäre) Überbewertung des Schweizer Frankens den Exporten zumindest nicht zuträglich ist, liegt auf der Hand. Das Exportwachstum 2010, welches trotz starkem Franken realisiert wurde, bestätigt hingegen zweierlei. Einerseits befinden sich zahlreiche Schweizer Exporteure in einem Qualitätswettbewerb, bei dem Produkte weniger preiselastisch sind und der Wechselkurs eine untergeordnete Rolle spielt. Andererseits hängt die Exportnachfrage zumindest kurzfristig viel stärker von der Weltkonjunktur als von der preislichen Wettbewerbsfähigkeit ab (vgl. Box 4). Solange der Schweizer Franken nicht dauerhaft überbewertet ist, wird er daher keinen bedeutenden Einfluss auf das Exportvolumen der Schweiz haben. 31 Vgl. Hondroyiannis et al. (2010). Swiss Issues Branchen 39 Economic Research Box 4: Wie stark wirken die Entwicklung der ausländische Nachfrage und der Wechselkurse auf die Schweizer Exporte? Ein schwächerer Franken erhöht tendenziell die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Exporteure, während ein stärkerer Franken sich negativ auf diese auswirkt. Nebst dem Wechselkurs ist aber vor allem die Konjunktur im jeweiligen Abnehmerland für die Nachfrage nach Schweizer Produkten entscheidend. Die Exportelastizitäten zeigen an, wie sich die ausländische Konjunktur und die Wechselkursentwicklung auf die Schweizer Exporte auswirken. Sie sind definiert als prozentuale Veränderung des Schweizer Exportvolumens a) bei einem einprozentigen Anstieg des Bruttoinlandprodukts (BIP) des Abnehmerlandes, b) bei einer einprozentigen Aufwertung des Wechselkurses zum Schweizer Franken. Die untenstehende Tabelle zeigt, dass in allen Ländern die wirtschaftliche Entwicklung respektive die ausländische Nachfrage eine wesentlich wichtigere Rolle spielt als die Entwicklung des Wechselkurses. Ein 1% höheres Wachstum erhöht die Nachfrage nach Schweizer Exportprodukten um 1.4–3.4%. Eine Wechselkursaufwertung von 1% lässt die Schweizer Exporte um 0.6–1.1% zurückgehen. Die Schweizer Exporte hängen stark von der Konjunktur, sprich dem Wachstum in ihrem wichtigsten Abnehmermarkt Deutschland ab. Die konjunkturelle Entwicklung der EU-15 insgesamt scheint etwas wichtiger zu sein als diejenige der USA. Exportelastizität der Schweizer Exporte Land gegenüber der ausländischen Nachfrage gegenüber dem Wechselkurs zum CHF* Deutschland 3.4 –0.7 Frankreich 2.3 –0.6 Italien 3.3 –1.1 Grossbritannien 1.5 0.04** USA 2.0 –0.3 EU-15 2.3 –0.7 Quelle: Eidgenössische Zollverwaltung, OECD, Credit Suisse Economic Research * Für Länder des Euro-Raumes wird die Entwicklung vor Einführung des Euro mit der Entwicklung der Landeswährung zurückgeschrieben. Für das Aggregat EU-15 wird vereinfachend der EUR-Wechselkurs verwendet, für das Aggregat Welt der handelsgewichtete Wechselkursindex der SNB. ** Dieser Wert ist statistisch nicht signifikant. Alle anderen Werte sind auf dem 1%-Niveau signifikant. Technisch versiertere Modelle (wie bspw. Fehlerkorrekturmodelle) berücksichtigen die nichtstationäre Beschaffenheit der Variablen und unterscheiden zwischen der langfristigen und der kurzfristigen Beziehung der Variablen. Die Ergebnisse sind jedoch ähnlich. Das Seco schätzt die Elastizität der preislichen Wettbewerbsfähigkeit kurzfristig je nach Handelspartner auf 0.3– 0.8, diejenige der Nachfrage auf 1.5–4.4.32 Langfristig spielen Nachfrageentwicklungen eine weniger wichtige Rolle; die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Exporte gewinnt hingegen an Bedeutung. Die beiden Einflüsse nähern sich einander an. 3.2.3 Protektionismus Marktzugang zentral für Exporteure Um im Ausland erfolgreich ihre Produkte feilzubieten, sind Schweizer Exporteure auf einen möglichst freien Marktzugang angewiesen. Protektionismus, d.h. Massnahmen zur Abschottung der (Heim-)Märkte zum Schutze inländischer Produzenten, stellt daher eine Gefahr für sie dar. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten sind immer wieder protektionistische Tendenzen zu erkennen; so auch in der jüngsten Krise. Tarifäre und nichttarifäre Handelshemmnisse… Beim Protektionismus wird zwischen tarifären und nichttarifären Handelshemmnissen unterschieden. Bei ersteren handelt es sich um Zölle. Durch die Handelsliberalisierung hat deren Höhe und damit Bedeutung in den letzten Jahrzehnten abgenommen. Drastische Zollerhöhungen wie in den 1930er Jahren sind denn auch aufgrund internationaler Abkommen heute gar nicht mehr zulässig. Einzig wo die Zölle unter den ausgehandelten Höchstgrenzen liegen, besteht Raum für deren Anhebung. Nebst Zöllen gibt es aber auch zahlreiche andere Möglichkeiten, den Handel zu behindern. Diese werden unter dem Begriff nichttarifäre Handelshemmnisse 32 Vgl. dazu Staatssekretariat für Wirtschaft (2010) und (2007). Swiss Issues Branchen 40 Economic Research zusammengefasst und beinhalten beispielsweise Quoten, Subventionen und technische Vorschriften. Doch auch hier wird der Spielraum für Handelshemmnisse durch internationale Freihandelsabkommen eingeschränkt. … haben negative Auswirkungen auf die Volkswirtschaft Während Handelshemmnisse für die Volkswirtschaft als Ganzes schädlich sind und darüber weitgehend Einigkeit herrscht, können sie für einzelne Gruppen durchaus Vorteile bergen. Da sich Partikularinteressen oftmals leichter organisieren lassen als übergeordnete Interessen, werden Handelshemmnisse wohl auch heute noch immer wieder errichtet. Sie wirken sowohl direkt als auch indirekt auf Schweizer Exporte Massnahmen wie Importzölle und Quoten diskriminieren Schweizer Waren auf ausländischen Märkten und wirken damit direkt auf Schweizer Exporte. Auf der anderen Seite gibt es auch Interventionen wie Exportsubventionen und Staatshilfen, welche ausländischen Konkurrenten zugute kommen. Diese wirken indirekt auf Schweizer Exporte, indem ihre Wettbewerbsposition gegenüber ausländischen Mitbewerbern geschwächt wird. Direkt betroffen sind Ende 2010 2.9% des Schweizer Exportvolumens In welchem Umfang sind in der jüngsten Krise die Schweizer Exporte von Handelshemmnissen betroffen? Diese Vielfalt sowie die mangelnde Transparenz verunmöglichen zwar eine genaue Bestimmung der Auswirkungen. Eine Schätzung der betroffenen Exportvolumen ist aber möglich. Wie in Abbildung 36 ersichtlich, ist der Anteil des Schweizer Exportvolumens, welcher direkt von protektionistischen Massnahmen betroffen ist, seit November 2008 relativ kontinuierlich gestiegen. Seit März 2010 verharrt er um rund 2.75%. Ende 2010 waren Schweizer Waren von 44 protektionistischen Massnahmen direkt betroffen. Am zahlreichsten sind dabei die Marktinterventionen Argentiniens (5), Russlands, Indonesiens sowie Spaniens (je 4). Abbildung 36 Von protektionistischen Massnahmen direkt betroffene Schweizer Warenexporte In Prozent der Gesamtexporte 3.5 3.0 2.5 2.0 1.5 1.0 0.5 0 11/2008 05/2009 11/2009 05/2010 11/2010 Quelle: Global Trade Alert33, Eidgenössische Zollverwaltung, Credit Suisse Economic Research Indirekt betroffen sind beinahe alle Schweizer Exporte Indirekt sind fast alle Schweizer Exporte von protektionistischen Massnahmen betroffen, da sich für beinahe jedes Schweizer Exportgut ein Land findet, das die inländische Produktion dieses Gutes durch eine heimische Firma fördert. Insgesamt waren Ende 2010 48 solcher Massnahmen implementiert, wobei Russland mit 6 und Indien mit 5 Interventionen an der Spitze liegen.34 Der angerichtete Schaden lässt sich nicht beziffern Protektionistische Massnahmen, von welchen Schweizer Exporteure betroffen sind, haben somit seit Ende 2008 zugenommen. Direkt betroffen ist aber nur ein kleiner Teil des Exportvolumens. Indirekt tangieren die staatlichen Interventionen hingegen beinahe die gesamten Schweizer Exporte. Wie gross der dadurch angerichtete Schaden effektiv ist, bleibt jedoch ungewiss. 33 Global Trade Alert (www.globaltradealert.org) ist eine von mehreren Forschungsinstituten und internationalen Organisationen getragene Initiative zur Erfassung und Einschätzung von protektionistischen Massnahmen. Die Massnahmen werden seit dem G-20-Gipfel von Washington im November 2008 erfasst. 34 Berücksichtig sind Handelshemmnisse, die in der Terminologie von Global Trade Alert als fast sicher diskriminierend eingestuft werden. Von diesen Handelshemmnissen sind einzig jene nicht berücksichtigt, denen keine betroffenen Güter zugeordnet sind (7 Massnahmen). Swiss Issues Branchen 41 Economic Research 4 Schlussfolgerungen Die Waren- und Dienstleistungsexporte waren – abgesehen vom Krisenjahr 2009 – in den vergangenen Jahren die Triebfedern des Schweizer Wachstums. Ohne die Exportwirtschaft wäre die Schweizer Volkswirtschaft in den meisten Jahren geschrumpft. Unter der jüngsten Rezession haben die exportierenden Schweizer Unternehmen zwar stark gelitten, ein Vergleich mit den grossen Nachbarländern sowie mit Grossbritannien und den USA zeigt aber, dass sie die Krise besser gemeistert haben als ihre Konkurrenten. Worin liegen die Gründe? Und wie werden sich die heimischen Ausfuhren in Zukunft entwickeln? Unsere Untersuchungen zeigen, dass die Schweiz ein vergleichsweise konjunkturresistentes Exportportfolio aufweist. Dies verdankt sie allerdings grösstenteils der traditionell schwach zyklischen Pharmaindustrie. Die für die Exportwirtschaft ebenfalls bedeutende, stark zyklische Uhrenindustrie wirkte zwar eher destabilisierend, aufgrund ihrer breiten Diversifizierung und guten Positionierung im asiatischen Raum konnte sie dafür früh vom globalen Aufschwung profitieren. Dies zeigt, dass eine breite geographische Diversifizierung das Risiko einer schwankenden Auslandnachfrage durchaus lindern kann. Diesbezüglich weist die Schweizer Wirtschaft gegenüber den Vergleichsländern jedoch Nachholbedarf auf. Unsere Berechnungen zeigen, dass das aktuelle Exportportfolio der Schweiz in Zukunft zu einem tieferen Exportwachstum führen würde als das in unseren Konkurrenzländern. Eine hohe Präsenz in unterschiedlichen Wirtschaftsräumen hat den Vorteil, dass sie zu natürlichem Hedging führt und so das Wechselkursrisiko verringert. Kurzfristige Wechselkursschwankungen beeinflussen die Exportnachfrage aber weit weniger als die Weltkonjunktur. Was geschieht jedoch, wenn die europäischen Staaten es nicht schaffen, die Anleger von der europäischen Gemeinschaftswährung zu überzeugen und die EuroSchwäche anhält? Sind die Schweizer Exporteure dann gezwungen, Teile ihrer Produktion ins Ausland zu verlagern? Aktuell scheint bereits knapp ein Fünftel der von uns befragten Firmen solche Pläne zu hegen. Bei einer anhaltenden Frankenstärke dürfte dieser Anteil deutlich zunehmen, und die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Exporteure käme unter Druck. Dies hätte langfristig negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, denn Standortentscheide sind in der Regel langfristiger Natur. Ein Grundstein für den Erfolg der Schweizer Exporteure in den letzten Jahren ist die konsequente Qualitätsorientierung. So stehen heute etwa drei Fünftel der Schweizer Exporte im Qualitätswettbewerb. Qualitativ hochstehende Produkte sind weniger preiselastisch, was die Gefahr der geschilderten Standortverlegung ins Ausland zumindest kurz- bis mittelfristig verringert. Die konsequente Ausrichtung auf qualitativ hochwertige Produkte und Servicedienstleistungen verbunden mit Anstrengungen, sich an der vordersten technologischen Front zu bewegen, schützt teilweise vor Konkurrenz, insbesondere aus den Schwellenländern. Die ehemaligen Hersteller von Billigwaren wandeln sich immer mehr zu Hightech-Produzenten und konkurrenzieren damit die Unternehmen in den Industrieländern. Hier gilt es stets einen Schritt voraus zu sein. Der Trend von einer tripolaren Welt hin zu einem multipolaren Gebilde, in dem die Schwellenländern eine bedeutende wirtschaftliche und politische Rolle spielen, ist für die Firmen in den Industrieländern nicht nur eine Gefahr, sie stellt auch eine grosse Chance dar. Schätzungen gehen davon aus, dass in rund zwanzig Jahren weltweit jeder fünfte Dollar in China verdient wird. Mit dem ökonomischen Aufschwung steigt in diesen Ländern der Wohlstand immer breiterer Bevölkerungsschichten. Wie unsere Betrachtungen zeigen, bieten sich der Schweiz dadurch insbesondere in den BRIC-Staaten sowie in der Golfregion und den Ländern Südostasiens enorme Chancen. Die neuen Zukunftsmärkte stellen aber auch neue Ansprüche an hiesige Firmen und ihre Arbeitnehmer. Nur wer in der Lage ist, mit den in diesen Ländern instabileren Rahmenbedingungen umzugehen und sich auf lokal unterschiedliche Kundenbedürfnisse einzulassen, wird in den neuen Märkten Erfolg haben. Dies erfordert Flexibilität sowohl vom Management als auch von den Arbeitnehmern. Respekt vor anderen Kulturen und die Bereitschaft, neue Sprachkompetenzen zu entwickeln, bilden dabei nur den Anfang. Swiss Issues Branchen 42 Economic Research 5 Appendix 5.1 Definition der Länderaggregate In dieser Studie werden folgende Länderaggregate benutzt. Zu beachten ist, dass es zwischen den Länderaggregaten zum Teil Überschneidungen gibt. Zum Beispiel sind Vietnam und Indonesien sowohl Teile Südostasiens als auch Next 11-Staaten. EU-15 Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Grossbritannien, Italien, Irland, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden, Spanien EU-Osterweiterungsländer Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn, Zypern BRIC Brasilien, Russland, Indien, China (inklusive Hongkong) Next 11 Ägypten, Bangladesh, Indonesien, Iran, Korea, Mexiko, Nigeria, Pakistan, Philippinen, Türkei, Vietnam Golfstaaten Arabische Emirate, Bahrain, Irak, Iran, Jemen, Katar, Kuwait, Oman, Saudiarabien Südostasien Brunei, Indonesien, Kambodscha, Laos, Malaysia, Myanmar, Osttimor, Philippinen, Singapur, Thailand, Vietnam Swiss Issues Branchen 43 Economic Research 5.2 Literatur Aiginger, K. (1997): The use of unit values to discriminate between price and quality competition. Cambridge Journal of Economics 21, S. 571–592. Arvanitis, S., & Staib, D. 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Swiss Issues Branchen 44 Economic Research Notizen Swiss Issues Branchen 45 Economic Research Notizen Swiss Issues Branchen 46 44184_Credit-Suisse_Umschlag_de+4.indd 3 23.03.11 16:14 Erfolgreich exportieren. Hotline: 0844 811 812, www.osec.ch Die Osec unterstützt als offizielle Exportförderin Schweizer und Liechtensteiner KMU auf dem Weg in internationale Märkte. Mit einem umfassenden Netzwerk von Kompetenzpartnern und dem Beratungskonzept «Export Step-byStep» bieten wir unseren Kunden die Möglichkeit, ein nach Bedürfnis, Budget und Wissensstand individuell zugeschnittenes Massnahmenpaket für den Erfolg im Ausland zusammenzustellen. Rufen Sie uns an oder kontaktieren Sie uns über unsere Website – wir freuen uns auf Sie und helfen Ihnen gerne erfolgreich zu exportieren. D_Wegweiser_A4_110323.indd 1 44184_Credit-Suisse_Umschlag_de+4.indd 4 23.03.11 09:55 23.03.11 16:14