Reinhard Gunst Der Himmel der Kelten Manuela Kinzel Verlag Inhaltsverzeichnis Vorwort 01 – Nekropole Magdalenenberg 02 – Nürtingen, Hügelgräber im Kirchert 03 – Göppingen, Hügelgräber im Oberholz 04 – Die Bestattungskultur der Hügelgräber 05 – Fürstengrab Hochdorf und Grabhügel Eberdingen 06 – Der Fürstenwagen von Hochdorf 07 – Oppidum Heidengraben und die Grabhügel Burrenhof 08 – Die Heuneburg und Grabhügel Hohmichele 09 – Der Zeremonialberg Ipf 10 – Die Umgebung des Ipf 11 – Oppidum Tarodunum 12 – Oppidum Manching 13 – Oppidum Finsterlohr 14 – Oppidum Kehlheim 15 – Oppidum Heidenmauer – Bad Dürkheim 16 – Oppidum Donnersberg 17 – Oppidum Glauberg 18 – Oppidum Alesia 19 – Oppidum Bibracte 20 – Oppidum Mont Lassois 21 – Oppidum Gergovia 22 – Oppidum Reims 23 – Astrologie und Astronomie 24 – Mystik der Zahl 3 Vorwort Das Bild der keltischen Kultur Mitteleuropas wird zum großen Teil durch römische Aufzeichnungen geprägt, die sie aus dem Blickwinkel des Gegners schildern. Nur wenige antike Autoren wie Cäsar, der die keltische Kultur während seines Feldzuges in Gallien in seinen Berichten `De bello Gallico´ beschrieb, waren direkt vor Ort. Cäsars Beschreibung zahlreicher Schlachten, die bis zur Niederlage des keltischen Anführers Vercingetorix reichen, formten das Bild einer streitbaren, aber rückständigen Ackerbaukultur, die von der Macht zauberkundiger Druiden bestimmt wurde. Die Funde in zahlreichen Prunkgräbern zeigen jedoch auch die andere Seite der keltischen Kultur, die von der Hallstattzeit bis zur Latènezeit reichte. Die Bezeichnung Kelten, die durch antike Autoren wie Herodot im Laufe des 6. Jahrhunderts v. Chr. geprägt wurde, leitete sich aus den indogermanischen Worten `kel-1´ ab, das mit hochragen und `g[h]al´, das mit können übersetzt wird. Zusammengefasst ergibt dies die sinngemäße Bedeutung: die Mächtigen, Erhabenen, Starken. Die Kultur, die heute nach den beiden wichtigen Fundorten in Hallstatt im Salzkammergut und La Tène am Neuenburgersee in der Schweiz zeitlich unterschieden wird, entstand nach Wanderungsbewegungen von Völkern aus Mittelasien, die mit der bronzezeitlichen Kultur Europas verschmolzen. Im Laufe der Zeit erstreckte sie sich bis an die Grenzen von Süd- und Nordeuropa, aber ohne hier ein einheitliches Staatssystem wie die Länder des Mittelmeerraumes zu entwickeln. Zahlreiche Funde zeigen aber, dass die Kultur weitreichende Handelsbeziehungen zum Mittelmeerraum besaß. Gerade an diesem Punkt stellte sich eine der Fragen, ob diese Verbindungen vielleicht viel enger waren, als dies antike Berichte nahelegen? 5 Während bei Keramiken die Einflüsse aus dem Mittelmeerraum zu erkennen sind, scheinen sich diese auf den ersten Blick nicht in den Bauwerken niedergeschlagen zu haben. Die Gestalt der Wallanlagen einstiger keltischer Siedlungen blieb rätselhaft. Während griechische und römische Stadtanlagen einer Geometrie folgten, die vom rechten Winkel bestimmt und nach klaren Proportionen gegliedert wurden, erscheinen keltische Anlagen mit ihren polygonalen Umrissen scheinbar regellos. War aber dieses Erscheinungsbild nur der nordischen Bauweise des `Murus Gallicus´ geschuldet, einer Wandkonstruktion aus Bruchsteinen im Verbund mit Baumstämmen? Gerade diese scheinbare Regellosigkeit in vielen Anlagen erschien mir ein Widerspruch zur Perfektion zu sein, die in allen Handwerkserzeugnissen dieser Epoche zum Ausdruck kam. Außer den Resten der Wälle blieben auf Grund der Holzbauweise nur noch Bodenspuren übrig, die die Ausmaße von Wohn- und Kultgebäuden im Innern keltischer Anlagen erahnen lassen. Spätesten nach dem Besuch einer Ausstellung über den Magdalenenberg bei Villingen, einem Großgrabhügel aus der HallstattEpoche, wurde mir klar, dass die keltische Welt eine weitaus differenzierte Formensprache besessen haben musste, als dies in Überlieferungen zum Ausdruck kam. Eine Kultur, die eine Grabanlage nach den Sternbilder eines bestimmten Zeitpunktes anlegen konnte und ein Kalendersystem besaß, das in 500 Jahren nur einen Fehler von einem Tag aufwies, musste auch Bauwerke geschaffen haben, die exakten Regeln folgten. Noch während des 19. Jahrhunderts wurden die unerklärlichen Mauerreste, die nicht mit denen der römischen Ruinen vergleichbar waren, als Hunnenmauern oder Schwedenschanzen bezeichnet. Auch in diesen Bezeichnungen schien noch immer das Bild einer barbarischen Kultur durch, das von antiken Autoren geprägt wurde. Beim Besuch des Heidengrabens bei Grabenstetten und der Betrachtung der Überreste des einstigen Walles musste 6 ich an eine Aussage des griechischen Universalgelehrten Pythagoras denken, der die Zahl als das Wesen aller Dinge sieht. Verbarg sich am Ende hinter den scheinbar willkürlich verlaufenden Linien der Wälle am Ende doch eine geometrische Struktur, die diese Zahlenwelt offenbarte? Aus diesem Blickwinkel betrachtet, könnte die geometrische Struktur dieser Bauwerke auch als Schlüssel für eine bislang unbekannte Vorstellungswelt der Kelten dienen. Die damalige Bedeutung der Geometrie zeigt ein Schild, das im 4. Jahrhundert v. Chr. über dem Zugang zu Platons Akademie im Nordwesten Athens. Auf ihm stand der Spruch: `Es trete niemand hier ein, der nicht der Geometrie kundig ist.´ Pythagoras fasste als Erster zusammen, was bislang nur in einzelnen Überlieferungen existierte. Er glaubte an eine allumfassende Harmonie der Sphären, in denen sich der Kosmos in Schalen um die Erde legte, deren Abstände den ganzzahligen Verhältnissen harmonikaler Töne entsprachen. Nur mit Hilfe der Geometrie war es möglich, diese Gesetzmäßigkeiten in einem Bauwerk nachzuahmen, um es damit Teil des Ganzen werden zu lassen. Jede Epoche versuchte diesen Ansatz auf ihre Weise. Während die Gotik das Motiv des Quadrates zugrunde legte, über dessen Diagonale innerhalb einer Spirale verwandte Maße entstanden, besann sich die Renaissance zurück auf die rationalen Teilungsverhältnisse harmonischer Proportionen der Antike. Ganz im Sinne von Pythagoras schreibt auch der rheinische Universalgelehrte Agrippa von Nettesheim im 15. Jahrhundert: `Alles von Anbeginn der Dinge Erschaffene ist nach Zahlenverhältnissen geformt, die als Vorbild in dem Geiste des Schöpfers lagen. Es wohnen deshalb den Zahlen große und erhabene Kräfte inne. Alles, was ist und wird, besteht durch bestimmte Zahlen und erhält von ihnen seine Kraft. Vor allem aber ist hier zu bemerken, dass die einfachen Zahlen die göttlichen Dinge bezeichnen.´ In ähnlicher Weise beschrieb der Astronom Johannes Kep- 7 ständnis der Antike dar. Mit seinen 5 Sinnen war der Mensch eingebunden in eine Welt, deren Aufbau durch die 5 platonischen Grundkörper und der 5 Elemente-Theorie erklärt wurde. 02 – Nürtingen, Hügelgräber im Kirchert Die erste Erwähnung Nürtingens erfolgte in einer Urkunde des staufischen König Konrads II. zwischen 1024 und 1039. In der Folgezeit wurde der Name mehrmals abgewandelt, doch im Kern blieb seine Botschaft dennoch erhalten. Ohne die geometrischen Zusammenhänge von Orten zu kennen, gerät aber jede Ableitung eines Namens unweigerlich zu einem Ratespiel. Im Zuge von Lautverschiebungen, wechselnden Spracheinflüssen und auch den nicht zu unterschätzenden grammatikalischen Fehlern verlieren sich nur allzu leicht die entscheidenden Spuren. Zahlreiche Funde aus der Hallstatt Epoche belegen in Nürtingen nicht nur eine frühe Besiedlung, sondern verweisen auch auf fernräumliche Beziehungen zu weithin sichtbaren Landmarken, auf denen Kultplätze lagen. Diese Beziehungen sind bei vielen keltischen Ansiedlungen oder Hügelgrabfeldern rekonstruierbar. Ebenso ist auch in Nürtingen auf dem Ersberg die Einbindung in ein übergeordnetes System von Orten erkennbar. Die im Süd-Westen des Zentrums liegende Anhöhe hat ein Plateau in Gestalt eines Fisches, das sich in OstWestrichtung der Tag- und Nachtgleiche erstreckt. Auf exakt dem gleichen Breitengrad erhebt sich in 11,5 Kilometern Entfernung der wesentliche höhere Egelsberg bei Weilheim. Da der Egelsberg Teil eines gleichschenkligen Dreiecks von Sonnenbeobachtungspunkten mit der Limburg an der Spitze ist, verdient die Ausrichtung des Ersberges eine besondere Beachtung. Jedenfalls ist das Plateau des Ersberges ein hervorragender Ort, um über dem Brucker Fels den Aufgang der Sonne zum Zeitpunkt 23 der Wintersonnenwende und alle 19 Jahre den Aufgang des Mondes über dem Beurener Fels zum Zeitpunkt der kleinen südlichen Mondwende zu beobachten. Zur Entwicklung des Stadtnamens schreibt im Jahr 1848 das Oberamt Nürtingen in seiner Darstellung der Landschaft: `Nürtingen, welchem Namen das altdeutsche Niurât, Niuwirât, d. h. Neurath, zu Grunde liegt, heißt bei seinem erstmaligen Vorkommen: Niordinge zwischen 1024 bis 1039 in einer Urkunde König Konrads II., welche bloß aus der Anführung Kaiser Friedrichs I. von 1157 bekannt ist.´ Das entsprechende Substantiv `niuwī´, das sich aus dem indogermanischen Wort `neuios´ entwickelte, wird entsprechend dazu ebenfalls mit Erneuerung übersetzt. Auch wurde es gerne, wie im Wort `des manīn niuwi´ ersichtlich ist, im Zusammengang mit dem Neumond gebraucht. Das neue Jahr, das mit der Wintersonnenwende Einzug hielt, dürfte also der eigentliche Hintergrund des heutigen Namens Nürtingen gebildet haben. Nur im Namen des Ersberges verliert sich dieses Wissen, denn sein Wortstamm gleicht dem germanischen Wort `erzeþō´, das mit Irrlehre übersetzt wird. An den beiden Bergen Ersberg und Egelsberg, der von Geologen fälschlicher Weise als Überrest eines Ausbruches des schwäbischen Vulkanes gesehen wird, zeigt sich auch, dass beide Orte bereits lange vor der Hallstattkultur eine Bedeutung besessen haben mussten. Im heutigen Quermaß des Esbergplateaus lässt sich keine Auffälligkeit oder symbolische Bedeutung mehr erkennen. Erst die Umrechnung in das vom schottischen Ingenieur und Archäologen Alexander Thom entdeckte Maß des Megalithischen Yards von 0,8285m weist der Länge, aber auch der Entfernung zum Egelsberg eine Bedeutung zu. Das Quermaß des Ersbergs ergibt dann 400 MY, während die Entfernung zum Egelsberg 14.000 MY beträgt. Der kulturelle Wandel während der Christianisierung bedingte nicht nur die Umbenennung von Jahrtausende lang vertrauten 24 Orten, sondern auch die Umdeutung bestehender Symbole. Wie sich der Inhalt bestehender Symbole veränderte, lässt sich im Wappen der Stadt erkennen, in dem sie alle noch erhalten sind, wenn auch mit verändertem Inhalt. Auf ihm sind eine querlie- gende schwarze Hirschstange, das Symbol Württembergs, und drei goldene Hifthörner dargestellt. Beides sind Elemente des alten Sonnen- und Mondkultes. Am Beispiel der römischen Göttin Diana oder auch Lucina, die Leuchtende genannt, wird dies deutlich. Die Göttin Diana, ein Erbe der griechischen Mythologie, war die Schwester des Sonnengottes Apollon. Ihr bedeutendes Heiligtum befand sich in den Albaner Bergen am Nemisee, in dessen unmittelbarer Nähe sich heute die Sommerresidenz des Papstes befindet. Diana war Göttin der Jagd, des Mondes und der Frauen. Ihre Attribute waren Pfeil und Bogen sowie ein junger Hirsch, als Symbol der Fruchtbarkeit. Erst durch das Aufblühen der Sagen im 19. Jahrhundert erhielt sie in Darstellungen auch ein Jagdhorn. Die Hirschstange verweist also keinesfalls auf den reichen Rotwildbestand im Südwesten, sondern auf die Symbole der gallorömischen Fruchtbarkeitskulte. Ähnlich wie die Anlage der Stadt in ein System von Blickbeziehungen eingebunden war, sind auch die Hügelgräber am Kirchert in einem übergeordneten Kontext zu sehen. Bei dieser Anlage scheint jedoch die Bedeutung der Mondwenden überwogen zu haben, denn von hier aus erscheint die kleine südliche Mondwende über dem Beurener Fels. In einer Beschreibung des Oberamtes Nürtingen von 1848 wird der markante Fels auch als Wetterscheide oder als Kalbssprung bezeichnet. Diese Bezeichnung geht auf eine Sage zurück, von der Pfarrer Jeremias Höslins in seinem Buch `Beschreibung der Wirtembergischen Alp´ berichtet. Die Erzählung schildert, wie hier vor langer Zeit einmal ein Kalb zusammen mit einem Zauberer über das Tal gesprungen sein soll. Auch in dieser Erzäh- 25 lung verbirgt sich eine Symbolik, die nicht auf den ersten Blick zu erkennen ist. Seit den Sumerern kam dem Kult eines Mondgottes eine herausragende Bedeutung zu. Dort galt Nanna als Tochter des Sonnengottes Utu und hatte damit eine Vorrangstellung. Auch der Name der späteren Mondgöttin `Nin.gal´, die große Herrin, lässt auf die einstige Bedeutung der Mondgottheit schließen. Aus jener Zeit stammt auch die populäre Dichtung vom „Mondgott und der Kuh“, einer mythischer Erzählung, die am Ende in einer Geburtsbeschwörung mündet. Noch in römischer Zeit wird in Palmyra der Mondgott `Aglibō´, der Jungstier des Gottes Bōl, verehrt. Doch in dieser Zeit hatte der Sonnengott längst die Vorrangstellung unter den Göttern eingenommen. Eine ähnliche Konstellation zeigt sich auch in der keltischen Mythologie. Nur in der nordischen Göttersage lebt als Mondgott Mani weiter. Durch seine Lage bot der Ersberg einen guten Standort für die Kalenderrechnung mittels der Beobachtung von Sonnen- und Mondaufgängen über markanten Landschaftspunkten. Von hier aus betrachtet ist der Sonnenaufgang am Tag der Wintersonnenwende über dem Brucker Fels und am keltischen Lichterfest über dem Gipfel der Teck zu sehen. Ebenso ist vom Ersberg aus der Mondaufgang zum Zeitpunkt der großen Mondwende Süd über dem Marienfels bei Erkenbrechtsweiler zu beobachten. Doch nicht nur der Abgleich des solaren und des lunaren Kalenders war durch die beiden Fixpunkte möglich, sondern auch die Vorhersage von Finsternissen. Eine exakte Bestimmung dieser Serie von Finsternissen war erst durch den Saroszyklus möglich, der mit dem Zeitraum der großen Mondwende verbunden war. Die ältesten Aufzeichnungen von Finsternissen sind auf babylonischen Keilschrifttafeln aus dem Jahr 748 v. Chr. erhalten. Erst einige Jahrhunderte später wird der Zyklus, der im Mittel 72 Finsternisse enthält, auch von griechischen und römischen Geschichtsschreibern erwähnt. Der Zyklus erhielt seinen Namen von dem englischen Astronomen Edmund 26 Halley, der sich dabei auf die mangelhafte Übersetzung des babylonisch-sumerischen Begriffes SAR durch den römischen Gelehrten Plinius stützte. In der Antike riefen Mondfinsternisse nicht nur große Beunruhigung hervor, sondern wurden oft als Vorboten wichtiger Ereignisse gedeutet. Auf Grund einer Mondfinsternis verschoben im Jahr 413 v. Chr. die Griechen nach ihrem gescheiterten Angriff auf Syrakus ihre Heimreise, weil die Finsternis als schlechtes Omen gedeutet wurde. Dies gab jedoch dem Gegner Zeit zur Gegenwehr, was zur Vernichtung der Athener Flotte führte. Auch das Ableben von Herrschern wie Herodes oder Kaiser Augustus war jeweils mit Mondfinsternissen verknüpft. Auch am 3. April im Jahr 33 n. Chr. war in Jerusalem während des Mondaufganges eine Mondfinsternis zu beobachten. Hinweise in der Apostelgeschichte deuten daraufhin, dass dieses Datum der Tag der Kreuzigung gewesen sein könnte. Wie einst das Siedlungsgebiet muss auch die Fläche der Hügelgräber sorgfältig geplant worden sein, denn sie liegt im Schnittpunkt von gleich drei Mondrichtungen. Im Süd-Westen ist der Ort über die Untergangsrichtung des Mondes zum Zeitpunkt der großen südlichen Mondwende mit dem 361 m hohen Grafenberg bei Reutlingen verknüpft. Er gilt als einer von mehreren Vulkanschloten, die während eines Ausbruches vor ungefähr 15 Millionen Jahren entstanden. Im Nord-Osten ist der Ort über die Aufgangsrichtungen der kleinen Mondwende mit dem Hohenstaufen und im Süd-Osten wieder mit dem Beurener Fels verbunden. Die eigentliche Anlage der Hügelgräber im Kirchert gliedert sich in drei Bildmotive mit jeweils vier kleineren Hügeln und drei großen, die um ein gemeinsames Zentrum gruppiert sind. In dieser Anordnung entsprechen die beiden ersten Gruppen am westlichen Rand dem Sternbild des Schwanes. In beiden Gruppen ist er hier in unterschiedlichen Positionen dargestellt. 27 In der westlichen in einer absteigenden und der zweiten in der aufsteigenden Position am Tag der Wintersonnenwende. Die dritte Gruppe liegt knapp überhalb des südlichen, weitaus größeren Hügelgrabes. In ihrer Verteilung und dem Abstand entsprechen sie dem Sternbild Adler. Die drei größeren Grabhügel gruppieren sich um ein Zentrum nördlich der Schwäne, das im Schnittpunkt der dargestellten Mondrichtungen liegt. Zwei von ihnen liegen auf diesen Visuren, während der mittlere Hügel einen Winkelabstand von 1/12 des Jahreskreises aufweist. Auf den mythologischen Hintergrund des Sternbildes Schwan wurde bereits bei der Darstellung der Hügelgräber im Oberholz eingegangen, so dass hier die Betrachtung des Adlers im Vordergrund stehen kann. 28 11 – Oppidum Tarodunum Das 200 Hektar große Oppidum erstreckt sich auf einer Hochfläche am Beginn des Dreisambeckens auf Gemarkung der Gemeinden Kirchzarten und Buchenbach. Erstmals wird es im Jahr 765 n. Chr. in einer Urkunde in St. Gallen als Zarduna bezeichnet. Ebenso wie das Oppidum Heidengraben oder Ruisavia war die Gemarkung bereits in der Antike bekannt, wo sie der Geograph Claudius Ptolemäus unter dem Namen Tarodunum in seinem Atlas erwähnt. Lange Zeit war es ungewiss, ob sich auf dieser Hochfläche tatsächlich die von Ptolemäus erwähnte Siedlung befunden hatte. Hier gab es nur wenige Lesefunde, die keine stichhaltigen Beweise lieferten und vereinzelte Grabungen zeigten, dass während der Besiedelung auch ein Verteidigungswall nicht vollständig beendet wurde. Erst das Forschungsprojekt `Tarodunum´ der Universität Tübingen erbrachte neue Erkenntnisse. Anhand von Münzfunden konnte nachgewiesen werden, dass in der Siedlung eine Münzprägung stattfand. Funde von Eisenschlacken, die aus Rennöfen stammten, waren Indizien für einen Wohlstand innerhalb der Siedlung, der durch die Gewinnung und die Weiterverarbeitung von Eisenerz entstanden sein musste. Diese Annahme unterstützen auch mehrere Funde von Schmiedewerkzeugen. Die überregionale Bedeutung als Handelszentrum an einem Weg, der später auch von Römern benutzt wurde, war wahrscheinlich mit ein Grund, weshalb Ptolemäus dieses Oppidum in sein Werk aufnahm. Unklarheit herrscht aber weiterhin über die Ursprünge des Namens `Tarodunum´. Während der Prähistoriker Rolf Nierhaus vermutet, dass `Tara´ ein Eigenname sei, sah die Namensforscherin Ilse Haenel den Namen `Tarodunum´ als Summe einzelner Eigenschaften des Ortes. Die Silben tar- o – dun übersetz- 117 te sie in Anlehnung an die keltisch-irische Sprache als Passstraße bei einer Festung. Heute wird die Existenz einer befestigten römischen Straße, die von `Tarodunum´ nach `Brigobanne´, dem jetzigen Hüfingen, durch den südlichen Schwarzwald führte, nicht mehr abgestritten. Über diesen Verkehrsweg berichtete Johannes Humpert erstmals in seinem Artikel `Eine römische Straße´ in den Archäologischen Nachrichten aus Baden. Angesichts ihrer überregionalen Bedeutung kann der Ort bei Kirchzarten wohl kaum den wenig prägnanten Namen `Passstrasse bei einer Festung´ getragen haben. Eine schlüssigere Erklärung bietet der Wortstamm `taro´, der eine Verwandtschaft zur keltischen Bezeichnung des Stieres aufweist. Hier existieren gleich mehrere Schreibweisen, die von `tarwo´, dem irischen `tarbh´, bis zu dem `kymrischen` tarwo´ reichen. Doch in den unterschiedlichen Bezeichnungen sieht der Historiker Bernhard Meier dennoch eine Entwicklung hin zur Schreibweise taro. Doch nur noch im Norden existiert diese Schreibweise, da sie durch die in der indogermanischen wie in der griechischen Sprache ähnliche Bezeichnung `taûros´ verdrängt wurde. Zusammen mit der lateinischen Endung `unum´, das frei übersetzt bedeutet `aus vieles eines´, wäre der Name folgerichtig aus einer Reihe von Stieren abgeleitet, die eine Einheit ergaben. Die Geradlinigkeit der einstigen Grenzen Tarodunums unterscheidet sich von zahlreichen anderen Oppidien, die oft konzentrische oder ovale Grundrisse besaßen. Auch in dieser spezifischen Geometrie zeigt sich eine Nähe zum Sternbild des Tauros, das sehr geradlinig verläuft. Dabei zeigt ein Vergleich mit den Grenzen Tarodunums, dass zwei unterschiedliche Positionen des Sternbildes am Tag der Wintersonnenwende das Grundgerüst für den Umriss bildeten. Einen Teil des Umrisses bestimmte die Lage des Sternbildes während der Kulmination um Mitternacht, wie sie um 800 v. Chr. beim Blick nach Süden zu sehen war. Der zweite Teil war wenige Stunden später zu sehen, als 118 das Sternbild beim Blick nach Westen knapp über dem Horizont stand. Die beiden Bilder der Kulmination und des Untergang des Sternbildes Stiers vereinten sich so zu einem Bild, das der Übersetzung `aus vieles eines´ gerecht wird. Zu dieser Zeit blickte die mythologische Verehrung des Stieres bereits auf eine knapp 4000-jährige Geschichte zurück. Sie begann mit der Verlagerung des Frühlingspunktes vom Sternbild Zwilling im Jahr 4460 v. Chr. zum Sternbild des Stieres. Bereits im 9. Jahrtausend v. Chr. gehörten die aus dem indoeuropäischen Auerochsen gezüchteten Hausrinder in Europa zum Alltag der bäuerlichen Kultur. Zu dieser Zeit waren sie aber weniger die Milch- und Fleischlieferanten wie wir sie heute kennen, sondern der Stier wurde hauptsächlich wegen seiner Arbeitskraft geschätzt. Der Wandel innerhalb der Viehwirtschaft wird auch in der Sage des Herakles thematisiert, wo er in 119