Der Himmel der Kelten

Werbung
Reinhard Gunst
Der Himmel der Kelten
Manuela Kinzel Verlag
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
01 – Nekropole Magdalenenberg
02 – Nürtingen, Hügelgräber im Kirchert
03 – Göppingen, Hügelgräber im Oberholz
04 – Die Bestattungskultur der Hügelgräber
05 – Fürstengrab Hochdorf und Grabhügel Eberdingen
06 – Der Fürstenwagen von Hochdorf
07 – Oppidum Heidengraben und die Grabhügel
Burrenhof
08 – Die Heuneburg und Grabhügel Hohmichele
09 – Der Zeremonialberg Ipf
10 – Die Umgebung des Ipf
11 – Oppidum Tarodunum
12 – Oppidum Manching
13 – Oppidum Finsterlohr
14 – Oppidum Kehlheim
15 – Oppidum Heidenmauer – Bad Dürkheim
16 – Oppidum Donnersberg
17 – Oppidum Glauberg
18 – Oppidum Alesia
19 – Oppidum Bibracte
20 – Oppidum Mont Lassois
21 – Oppidum Gergovia
22 – Oppidum Reims
23 – Astrologie und Astronomie
24 – Mystik der Zahl
3
Vorwort
Das Bild der keltischen Kultur Mitteleuropas wird zum großen
Teil durch römische Aufzeichnungen geprägt, die sie aus dem
Blickwinkel des Gegners schildern.
Nur wenige antike Autoren wie Cäsar, der die keltische Kultur
während seines Feldzuges in Gallien in seinen Berichten `De
bello Gallico´ beschrieb, waren direkt vor Ort. Cäsars Beschreibung zahlreicher Schlachten, die bis zur Niederlage des keltischen Anführers Vercingetorix reichen, formten das Bild einer
streitbaren, aber rückständigen Ackerbaukultur, die von der
Macht zauberkundiger Druiden bestimmt wurde.
Die Funde in zahlreichen Prunkgräbern zeigen jedoch auch die
andere Seite der keltischen Kultur, die von der Hallstattzeit bis
zur Latènezeit reichte. Die Bezeichnung Kelten, die durch antike
Autoren wie Herodot im Laufe des 6. Jahrhunderts v. Chr. geprägt wurde, leitete sich aus den indogermanischen Worten
`kel-1´ ab, das mit hochragen und `g[h]al´, das mit können übersetzt wird. Zusammengefasst ergibt dies die sinngemäße Bedeutung: die Mächtigen, Erhabenen, Starken. Die Kultur, die heute
nach den beiden wichtigen Fundorten in Hallstatt im Salzkammergut und La Tène am Neuenburgersee in der Schweiz zeitlich
unterschieden wird, entstand nach Wanderungsbewegungen
von Völkern aus Mittelasien, die mit der bronzezeitlichen Kultur
Europas verschmolzen. Im Laufe der Zeit erstreckte sie sich bis
an die Grenzen von Süd- und Nordeuropa, aber ohne hier ein
einheitliches Staatssystem wie die Länder des Mittelmeerraumes
zu entwickeln. Zahlreiche Funde zeigen aber, dass die Kultur
weitreichende Handelsbeziehungen zum Mittelmeerraum besaß. Gerade an diesem Punkt stellte sich eine der Fragen, ob diese Verbindungen vielleicht viel enger waren, als dies antike Berichte nahelegen?
5
Während bei Keramiken die Einflüsse aus dem Mittelmeerraum
zu erkennen sind, scheinen sich diese auf den ersten Blick nicht
in den Bauwerken niedergeschlagen zu haben. Die Gestalt der
Wallanlagen einstiger keltischer Siedlungen blieb rätselhaft.
Während griechische und römische Stadtanlagen einer Geometrie folgten, die vom rechten Winkel bestimmt und nach klaren
Proportionen gegliedert wurden, erscheinen keltische Anlagen
mit ihren polygonalen Umrissen scheinbar regellos. War aber
dieses Erscheinungsbild nur der nordischen Bauweise des `Murus Gallicus´ geschuldet, einer Wandkonstruktion aus Bruchsteinen im Verbund mit Baumstämmen? Gerade diese scheinbare Regellosigkeit in vielen Anlagen erschien mir ein Widerspruch zur Perfektion zu sein, die in allen Handwerkserzeugnissen dieser Epoche zum Ausdruck kam. Außer den Resten der
Wälle blieben auf Grund der Holzbauweise nur noch Bodenspuren übrig, die die Ausmaße von Wohn- und Kultgebäuden im
Innern keltischer Anlagen erahnen lassen.
Spätesten nach dem Besuch einer Ausstellung über den Magdalenenberg bei Villingen, einem Großgrabhügel aus der HallstattEpoche, wurde mir klar, dass die keltische Welt eine weitaus
differenzierte Formensprache besessen haben musste, als dies in
Überlieferungen zum Ausdruck kam. Eine Kultur, die eine
Grabanlage nach den Sternbilder eines bestimmten Zeitpunktes
anlegen konnte und ein Kalendersystem besaß, das in 500 Jahren nur einen Fehler von einem Tag aufwies, musste auch Bauwerke geschaffen haben, die exakten Regeln folgten. Noch während des 19. Jahrhunderts wurden die unerklärlichen Mauerreste, die nicht mit denen der römischen Ruinen vergleichbar waren, als Hunnenmauern oder Schwedenschanzen bezeichnet.
Auch in diesen Bezeichnungen schien noch immer das Bild einer barbarischen Kultur durch, das von antiken Autoren geprägt wurde. Beim Besuch des Heidengrabens bei Grabenstetten
und der Betrachtung der Überreste des einstigen Walles musste
6
ich an eine Aussage des griechischen Universalgelehrten Pythagoras denken, der die Zahl als das Wesen aller Dinge sieht.
Verbarg sich am Ende hinter den scheinbar willkürlich verlaufenden Linien der Wälle am Ende doch eine geometrische Struktur, die diese Zahlenwelt offenbarte? Aus diesem Blickwinkel
betrachtet, könnte die geometrische Struktur dieser Bauwerke
auch als Schlüssel für eine bislang unbekannte Vorstellungswelt
der Kelten dienen.
Die damalige Bedeutung der Geometrie zeigt ein Schild, das im
4. Jahrhundert v. Chr. über dem Zugang zu Platons Akademie
im Nordwesten Athens. Auf ihm stand der Spruch: `Es trete
niemand hier ein, der nicht der Geometrie kundig ist.´ Pythagoras fasste als Erster zusammen, was bislang nur in einzelnen
Überlieferungen existierte. Er glaubte an eine allumfassende
Harmonie der Sphären, in denen sich der Kosmos in Schalen um
die Erde legte, deren Abstände den ganzzahligen Verhältnissen
harmonikaler Töne entsprachen. Nur mit Hilfe der Geometrie
war es möglich, diese Gesetzmäßigkeiten in einem Bauwerk
nachzuahmen, um es damit Teil des Ganzen werden zu lassen.
Jede Epoche versuchte diesen Ansatz auf ihre Weise. Während
die Gotik das Motiv des Quadrates zugrunde legte, über dessen
Diagonale innerhalb einer Spirale verwandte Maße entstanden,
besann sich die Renaissance zurück auf die rationalen Teilungsverhältnisse harmonischer Proportionen der Antike. Ganz im
Sinne von Pythagoras schreibt auch der rheinische Universalgelehrte Agrippa von Nettesheim im 15. Jahrhundert: `Alles von
Anbeginn der Dinge Erschaffene ist nach Zahlenverhältnissen
geformt, die als Vorbild in dem Geiste des Schöpfers lagen. Es
wohnen deshalb den Zahlen große und erhabene Kräfte inne.
Alles, was ist und wird, besteht durch bestimmte Zahlen und
erhält von ihnen seine Kraft. Vor allem aber ist hier zu bemerken, dass die einfachen Zahlen die göttlichen Dinge bezeichnen.´ In ähnlicher Weise beschrieb der Astronom Johannes Kep-
7
ständnis der Antike dar. Mit seinen 5 Sinnen war der Mensch
eingebunden in eine Welt, deren Aufbau durch die 5 platonischen Grundkörper und der 5 Elemente-Theorie erklärt wurde.
02 – Nürtingen, Hügelgräber im Kirchert
Die erste Erwähnung Nürtingens erfolgte in einer Urkunde des
staufischen König Konrads II. zwischen 1024 und 1039. In der
Folgezeit wurde der Name mehrmals abgewandelt, doch im Kern
blieb seine Botschaft dennoch erhalten.
Ohne die geometrischen Zusammenhänge von Orten zu kennen,
gerät aber jede Ableitung eines Namens unweigerlich zu einem
Ratespiel. Im Zuge von Lautverschiebungen, wechselnden
Spracheinflüssen und auch den nicht zu unterschätzenden grammatikalischen Fehlern verlieren sich nur allzu leicht die entscheidenden Spuren. Zahlreiche Funde aus der Hallstatt Epoche
belegen in Nürtingen nicht nur eine frühe Besiedlung, sondern
verweisen auch auf fernräumliche Beziehungen zu weithin sichtbaren Landmarken, auf denen Kultplätze lagen. Diese Beziehungen sind bei vielen keltischen Ansiedlungen oder Hügelgrabfeldern rekonstruierbar. Ebenso ist auch in Nürtingen auf dem Ersberg die Einbindung in ein übergeordnetes System von Orten
erkennbar. Die im Süd-Westen des Zentrums liegende Anhöhe
hat ein Plateau in Gestalt eines Fisches, das sich in OstWestrichtung der Tag- und Nachtgleiche erstreckt. Auf exakt
dem gleichen Breitengrad erhebt sich in 11,5 Kilometern Entfernung der wesentliche höhere Egelsberg bei Weilheim. Da der
Egelsberg Teil eines gleichschenkligen Dreiecks von Sonnenbeobachtungspunkten mit der Limburg an der Spitze ist, verdient
die Ausrichtung des Ersberges eine besondere Beachtung. Jedenfalls ist das Plateau des Ersberges ein hervorragender Ort, um
über dem Brucker Fels den Aufgang der Sonne zum Zeitpunkt
23
der Wintersonnenwende und alle 19 Jahre den Aufgang des
Mondes über dem Beurener Fels zum Zeitpunkt der kleinen
südlichen Mondwende zu beobachten.
Zur Entwicklung des Stadtnamens schreibt im Jahr 1848 das
Oberamt Nürtingen in seiner Darstellung der Landschaft: `Nürtingen, welchem Namen das altdeutsche Niurât, Niuwirât, d. h.
Neurath, zu Grunde liegt, heißt bei seinem erstmaligen Vorkommen: Niordinge zwischen 1024 bis 1039 in einer Urkunde
König Konrads II., welche bloß aus der Anführung Kaiser Friedrichs I. von 1157 bekannt ist.´
Das entsprechende Substantiv `niuwī´, das sich aus dem indogermanischen Wort `neuios´ entwickelte, wird entsprechend
dazu ebenfalls mit Erneuerung übersetzt. Auch wurde es gerne,
wie im Wort `des manīn niuwi´ ersichtlich ist, im Zusammengang mit dem Neumond gebraucht. Das neue Jahr, das mit der
Wintersonnenwende Einzug hielt, dürfte also der eigentliche
Hintergrund des heutigen Namens Nürtingen gebildet haben.
Nur im Namen des Ersberges verliert sich dieses Wissen, denn
sein Wortstamm gleicht dem germanischen Wort `erzeþō´, das
mit Irrlehre übersetzt wird. An den beiden Bergen Ersberg und
Egelsberg, der von Geologen fälschlicher Weise als Überrest eines Ausbruches des schwäbischen Vulkanes gesehen wird, zeigt
sich auch, dass beide Orte bereits lange vor der Hallstattkultur
eine Bedeutung besessen haben mussten. Im heutigen Quermaß
des Esbergplateaus lässt sich keine Auffälligkeit oder symbolische Bedeutung mehr erkennen. Erst die Umrechnung in das
vom schottischen Ingenieur und Archäologen Alexander Thom
entdeckte Maß des Megalithischen Yards von 0,8285m weist der
Länge, aber auch der Entfernung zum Egelsberg eine Bedeutung
zu. Das Quermaß des Ersbergs ergibt dann 400 MY, während
die Entfernung zum Egelsberg 14.000 MY beträgt.
Der kulturelle Wandel während der Christianisierung bedingte
nicht nur die Umbenennung von Jahrtausende lang vertrauten
24
Orten, sondern auch die Umdeutung bestehender Symbole. Wie
sich der Inhalt bestehender Symbole veränderte, lässt sich im
Wappen der Stadt erkennen, in dem sie alle noch erhalten sind,
wenn auch mit verändertem Inhalt. Auf ihm sind eine querlie-
gende schwarze Hirschstange, das Symbol Württembergs, und
drei goldene Hifthörner dargestellt. Beides sind Elemente des
alten Sonnen- und Mondkultes. Am Beispiel der römischen Göttin Diana oder auch Lucina, die Leuchtende genannt, wird dies
deutlich.
Die Göttin Diana, ein Erbe der griechischen Mythologie, war die
Schwester des Sonnengottes Apollon. Ihr bedeutendes Heiligtum befand sich in den Albaner Bergen am Nemisee, in dessen
unmittelbarer Nähe sich heute die Sommerresidenz des Papstes
befindet. Diana war Göttin der Jagd, des Mondes und der Frauen. Ihre Attribute waren Pfeil und Bogen sowie ein junger
Hirsch, als Symbol der Fruchtbarkeit. Erst durch das Aufblühen
der Sagen im 19. Jahrhundert erhielt sie in Darstellungen auch
ein Jagdhorn. Die Hirschstange verweist also keinesfalls auf den
reichen Rotwildbestand im Südwesten, sondern auf die Symbole
der gallorömischen Fruchtbarkeitskulte. Ähnlich wie die Anlage
der Stadt in ein System von Blickbeziehungen eingebunden war,
sind auch die Hügelgräber am Kirchert in einem übergeordneten Kontext zu sehen. Bei dieser Anlage scheint jedoch die Bedeutung der Mondwenden überwogen zu haben, denn von hier
aus erscheint die kleine südliche Mondwende über dem Beurener Fels.
In einer Beschreibung des Oberamtes Nürtingen von 1848 wird
der markante Fels auch als Wetterscheide oder als Kalbssprung
bezeichnet. Diese Bezeichnung geht auf eine Sage zurück, von
der Pfarrer Jeremias Höslins in seinem Buch `Beschreibung der
Wirtembergischen Alp´ berichtet. Die Erzählung schildert, wie
hier vor langer Zeit einmal ein Kalb zusammen mit einem Zauberer über das Tal gesprungen sein soll. Auch in dieser Erzäh-
25
lung verbirgt sich eine Symbolik, die nicht auf den ersten Blick
zu erkennen ist. Seit den Sumerern kam dem Kult eines Mondgottes eine herausragende Bedeutung zu. Dort galt Nanna als
Tochter des Sonnengottes Utu und hatte damit eine Vorrangstellung. Auch der Name der späteren Mondgöttin `Nin.gal´, die
große Herrin, lässt auf die einstige Bedeutung der Mondgottheit
schließen. Aus jener Zeit stammt auch die populäre Dichtung
vom „Mondgott und der Kuh“, einer mythischer Erzählung, die
am Ende in einer Geburtsbeschwörung mündet. Noch in römischer Zeit wird in Palmyra der Mondgott `Aglibō´, der Jungstier
des Gottes Bōl, verehrt. Doch in dieser Zeit hatte der Sonnengott
längst die Vorrangstellung unter den Göttern eingenommen.
Eine ähnliche Konstellation zeigt sich auch in der keltischen Mythologie. Nur in der nordischen Göttersage lebt als Mondgott
Mani weiter. Durch seine Lage bot der Ersberg einen guten
Standort für die Kalenderrechnung mittels der Beobachtung von
Sonnen- und Mondaufgängen über markanten Landschaftspunkten. Von hier aus betrachtet ist der Sonnenaufgang am Tag
der Wintersonnenwende über dem Brucker Fels und am keltischen Lichterfest über dem Gipfel der Teck zu sehen. Ebenso ist
vom Ersberg aus der Mondaufgang zum Zeitpunkt der großen
Mondwende Süd über dem Marienfels bei Erkenbrechtsweiler
zu beobachten. Doch nicht nur der Abgleich des solaren und des
lunaren Kalenders war durch die beiden Fixpunkte möglich,
sondern auch die Vorhersage von Finsternissen. Eine exakte Bestimmung dieser Serie von Finsternissen war erst durch den Saroszyklus möglich, der mit dem Zeitraum der großen Mondwende verbunden war. Die ältesten Aufzeichnungen von Finsternissen sind auf babylonischen Keilschrifttafeln aus dem Jahr
748 v. Chr. erhalten. Erst einige Jahrhunderte später wird der
Zyklus, der im Mittel 72 Finsternisse enthält, auch von griechischen und römischen Geschichtsschreibern erwähnt. Der Zyklus
erhielt seinen Namen von dem englischen Astronomen Edmund
26
Halley, der sich dabei auf die mangelhafte Übersetzung des babylonisch-sumerischen Begriffes SAR durch den römischen Gelehrten Plinius stützte. In der Antike riefen Mondfinsternisse
nicht nur große Beunruhigung hervor, sondern wurden oft als
Vorboten wichtiger Ereignisse gedeutet.
Auf Grund einer Mondfinsternis verschoben im Jahr 413 v. Chr.
die Griechen nach ihrem gescheiterten Angriff auf Syrakus ihre
Heimreise, weil die Finsternis als schlechtes Omen gedeutet
wurde. Dies gab jedoch dem Gegner Zeit zur Gegenwehr, was
zur Vernichtung der Athener Flotte führte. Auch das Ableben
von Herrschern wie Herodes oder Kaiser Augustus war jeweils
mit Mondfinsternissen verknüpft. Auch am 3. April im Jahr 33
n. Chr. war in Jerusalem während des Mondaufganges eine
Mondfinsternis zu beobachten. Hinweise in der Apostelgeschichte deuten daraufhin, dass dieses Datum der Tag der
Kreuzigung gewesen sein könnte.
Wie einst das Siedlungsgebiet muss auch die Fläche der Hügelgräber sorgfältig geplant worden sein, denn sie liegt im Schnittpunkt von gleich drei Mondrichtungen. Im Süd-Westen ist der
Ort über die Untergangsrichtung des Mondes zum Zeitpunkt
der großen südlichen Mondwende mit dem 361 m hohen Grafenberg bei Reutlingen verknüpft. Er gilt als einer von mehreren
Vulkanschloten, die während eines Ausbruches vor ungefähr 15
Millionen Jahren entstanden. Im Nord-Osten ist der Ort über die
Aufgangsrichtungen der kleinen Mondwende mit dem Hohenstaufen und im Süd-Osten wieder mit dem Beurener Fels verbunden.
Die eigentliche Anlage der Hügelgräber im Kirchert gliedert
sich in drei Bildmotive mit jeweils vier kleineren Hügeln und
drei großen, die um ein gemeinsames Zentrum gruppiert sind.
In dieser Anordnung entsprechen die beiden ersten Gruppen
am westlichen Rand dem Sternbild des Schwanes. In beiden
Gruppen ist er hier in unterschiedlichen Positionen dargestellt.
27
In der westlichen in einer absteigenden und der zweiten in der
aufsteigenden Position am Tag der Wintersonnenwende. Die
dritte Gruppe liegt knapp überhalb des südlichen, weitaus größeren Hügelgrabes. In ihrer Verteilung und dem Abstand entsprechen sie dem Sternbild Adler. Die drei größeren Grabhügel
gruppieren sich um ein Zentrum nördlich der Schwäne, das im
Schnittpunkt der dargestellten Mondrichtungen liegt. Zwei von
ihnen liegen auf diesen Visuren, während der mittlere Hügel
einen Winkelabstand von 1/12 des Jahreskreises aufweist. Auf
den mythologischen Hintergrund des Sternbildes Schwan wurde bereits bei der Darstellung der Hügelgräber im Oberholz
eingegangen, so dass hier die Betrachtung des Adlers im Vordergrund stehen kann.
28
11 – Oppidum Tarodunum
Das 200 Hektar große Oppidum erstreckt sich auf einer Hochfläche am Beginn des Dreisambeckens auf Gemarkung der Gemeinden Kirchzarten und Buchenbach. Erstmals wird es im Jahr
765 n. Chr. in einer Urkunde in St. Gallen als Zarduna bezeichnet.
Ebenso wie das Oppidum Heidengraben oder Ruisavia war die
Gemarkung bereits in der Antike bekannt, wo sie der Geograph
Claudius Ptolemäus unter dem Namen Tarodunum in seinem
Atlas erwähnt. Lange Zeit war es ungewiss, ob sich auf dieser
Hochfläche tatsächlich die von Ptolemäus erwähnte Siedlung
befunden hatte. Hier gab es nur wenige Lesefunde, die keine
stichhaltigen Beweise lieferten und vereinzelte Grabungen zeigten, dass während der Besiedelung auch ein Verteidigungswall
nicht vollständig beendet wurde.
Erst das Forschungsprojekt `Tarodunum´ der Universität Tübingen erbrachte neue Erkenntnisse. Anhand von Münzfunden
konnte nachgewiesen werden, dass in der Siedlung eine Münzprägung stattfand. Funde von Eisenschlacken, die aus Rennöfen
stammten, waren Indizien für einen Wohlstand innerhalb der
Siedlung, der durch die Gewinnung und die Weiterverarbeitung
von Eisenerz entstanden sein musste. Diese Annahme unterstützen auch mehrere Funde von Schmiedewerkzeugen. Die
überregionale Bedeutung als Handelszentrum an einem Weg,
der später auch von Römern benutzt wurde, war wahrscheinlich
mit ein Grund, weshalb Ptolemäus dieses Oppidum in sein
Werk aufnahm.
Unklarheit herrscht aber weiterhin über die Ursprünge des Namens `Tarodunum´. Während der Prähistoriker Rolf Nierhaus
vermutet, dass `Tara´ ein Eigenname sei, sah die Namensforscherin Ilse Haenel den Namen `Tarodunum´ als Summe einzelner Eigenschaften des Ortes. Die Silben tar- o – dun übersetz-
117
te sie in Anlehnung an die keltisch-irische Sprache als Passstraße bei einer Festung. Heute wird die Existenz einer befestigten
römischen Straße, die von `Tarodunum´ nach `Brigobanne´, dem
jetzigen Hüfingen, durch den südlichen Schwarzwald führte,
nicht mehr abgestritten. Über diesen Verkehrsweg berichtete
Johannes Humpert erstmals in seinem Artikel `Eine römische
Straße´ in den Archäologischen Nachrichten aus Baden.
Angesichts ihrer überregionalen Bedeutung kann der Ort bei
Kirchzarten wohl kaum den wenig prägnanten Namen `Passstrasse bei einer Festung´ getragen haben. Eine schlüssigere Erklärung bietet der Wortstamm `taro´, der eine Verwandtschaft
zur keltischen Bezeichnung des Stieres aufweist. Hier existieren
gleich mehrere Schreibweisen, die von `tarwo´, dem irischen
`tarbh´, bis zu dem `kymrischen` tarwo´ reichen. Doch in den
unterschiedlichen Bezeichnungen sieht der Historiker Bernhard
Meier dennoch eine Entwicklung hin zur Schreibweise taro.
Doch nur noch im Norden existiert diese Schreibweise, da sie
durch die in der indogermanischen wie in der griechischen
Sprache ähnliche Bezeichnung `taûros´ verdrängt wurde. Zusammen mit der lateinischen Endung `unum´, das frei übersetzt
bedeutet `aus vieles eines´, wäre der Name folgerichtig aus einer
Reihe von Stieren abgeleitet, die eine Einheit ergaben.
Die Geradlinigkeit der einstigen Grenzen Tarodunums unterscheidet sich von zahlreichen anderen Oppidien, die oft konzentrische oder ovale Grundrisse besaßen. Auch in dieser spezifischen Geometrie zeigt sich eine Nähe zum Sternbild des Tauros,
das sehr geradlinig verläuft. Dabei zeigt ein Vergleich mit den
Grenzen Tarodunums, dass zwei unterschiedliche Positionen
des Sternbildes am Tag der Wintersonnenwende das Grundgerüst für den Umriss bildeten. Einen Teil des Umrisses bestimmte
die Lage des Sternbildes während der Kulmination um Mitternacht, wie sie um 800 v. Chr. beim Blick nach Süden zu sehen
war. Der zweite Teil war wenige Stunden später zu sehen, als
118
das Sternbild beim Blick nach Westen knapp über dem Horizont
stand. Die beiden Bilder der Kulmination und des Untergang
des Sternbildes Stiers vereinten sich so zu einem Bild, das der
Übersetzung `aus vieles eines´ gerecht wird.
Zu dieser Zeit blickte die mythologische Verehrung des Stieres
bereits auf eine knapp 4000-jährige Geschichte zurück. Sie begann mit der Verlagerung des Frühlingspunktes vom Sternbild
Zwilling im Jahr 4460 v. Chr. zum Sternbild des Stieres.
Bereits im 9. Jahrtausend v. Chr. gehörten die aus dem indoeuropäischen Auerochsen gezüchteten Hausrinder in Europa zum
Alltag der bäuerlichen Kultur. Zu dieser Zeit waren sie aber
weniger die Milch- und Fleischlieferanten wie wir sie heute
kennen, sondern der Stier wurde hauptsächlich wegen seiner
Arbeitskraft geschätzt. Der Wandel innerhalb der Viehwirtschaft wird auch in der Sage des Herakles thematisiert, wo er in
119
Herunterladen