Die plastische Versorgung von Weichteildefekten

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Originalarbeit
Die plastische Versorgung von Weichteildefekten
nach Endoprothetik an der unteren Extremität
The Plastic Coverage of Soft-Tissue Defects
after Endoprosthesis on the Lower Limb
Autoren
S. Altmann, H.-G. Damert
Institut
Plastische, Ästhetische und Handchirurgie, Otto-von-Guericke Universität, Magdeburg, Deutschland
Schlüsselwörter
" Knieendoprothese
l
" Sprunggelenksprothese
l
" Protheseninfektion
l
" Weichteildefekte
l
" Lappenplastik
l
Zusammenfassung
Abstract
!
!
Hintergrund: Die Implantation von Endoprothesen zählt mittlerweile zu den häufigsten orthopädischen Operationen. Auch in der Unfallchirurgie werden nach Trauma Endoprothesen häufig
implantiert. Aufgrund der schlechteren Weichteilbedeckung sind besonders die Knie- und
Sprunggelenksprothesen prädisponiert für Wundheilungsstörungen und Infektionen. Dringendes
Ziel zur Vermeidung von Implantatverlust oder
Amputation ist daher nach radikalem Débridement die suffiziente Weichteildeckung.
Patienten: In den letzten 10 Jahren wurde bei
38 Patienten mit freiliegender Knieprothese eine
Defektdeckung durch einen ein- oder beidseitigen
Gastrocnemiuslappen mit Spalthauttransplantation durchgeführt. In Ausnahmefällen ist die Defektdeckung auch mit freien Lappen möglich. Im
gleichen Zeitraum wurden 14 Patienten mit Defekten nach Implantation einer OSG-Prothese
behandelt. In 8 Fällen konnte der Defekt durch
einen M.-peroneus-brevis-Lappen gedeckt werden. Da lokale Lappenplastiken im Bereich des
Sprunggelenks häufig (57%) problematisch sind,
musste hier jedoch häufiger (35%) eine freie Lappenplastik vorgenommen werden. Es erfolgte in
3 Fällen eine Defektdeckung durch einen Latissimus-dorsi-Lappen, in 2 Fällen durch einen freien
Oberarmlappen und einmal durch einen „anterio
lateral tight“-Lappen.
Ergebnisse: In unserem Patientengut waren in
fast allen Fällen stabile Weichteildeckungen möglich. Aufgrund der multiplen Vorerkrankungen
zeigte sich jedoch häufig ein prolongierter Verlauf
mit Wundheilungsstörungen. Diese konnten entweder konservativ oder durch kleinere Zweiteingriffe beherrscht werden.
Schlussfolgerung: Bei Weichteildefekten und Infektionen nach Endoprothetik ist zunächst ein radikales Débridement notwendig. Durch eine enge
interdisziplinäre Zusammenarbeit kann in den
Background: The implantation of endoprostheses
is an established procedure in orthopaedic and
trauma surgery. However, the techniques are
often associated with a high risk of postinterventional infections and wound healing disorders
that can result in loss of the prosthesis or the limb
– most likely based on an insufficient debridement and poor soft-tissue coverage. The purpose
of this study was to evaluate the efficacy of the
coverage methods in our patient population.
Patients: In the past 10 years 38 patients with exposed knee prostheses and 14 patients following
an ankle endoprosthesis were included in this
retrospective study over the period from 2001 to
2011. Soft-tissue reconstructions around the
knee were mostly performed by unilateral or bilateral gastrocnemius flaps combined with splitskin grafts. One defect was covered with a free
flap. 57 % of the soft-tissue defects around the ankle are often problematic and were closed by a
pedicled peroneus brevis muscle flap and 35% by
a free flap (3 with a latissimus dorsi muscle flap,
2 with a free lateral upper arm flap and one with
an anterolateral tight flap).
Results: In our patient population we achieved
stable soft-tissue coverage in most of the cases using the above-mentioned flaps. Due to multiple
preexisting comorbidities, it was observed that
the course was frequently prolonged and wound
healing difficulties occurred. These, however,
could be controlled by conservative means or
small secondary procedures.
Conclusion: A radical debridement and an early
appropriate defect coverage of the exposed prosthesis is crucial in the reconstruction process.
Through a close interdisciplinary collaboration a
stable soft-tissue covering can be achieved. Consequently it is possible to avoid a loss of the endoprosthesis, marked functional deficits or even
amputations.
Key words
" knee endoprosthesis
l
" ankle endoprosthesis
l
" prosthesis infection
l
" soft‑tissue defects
l
" flaps
l
Bibliografie
DOI http://dx.doi.org/
10.1055/s-0032-1315113
Online-publiziert 12. 11. 2012
Zentralbl Chir 2013; 138:
e36–e40 © Georg Thieme
Verlag KG Stuttgart · New York ·
ISSN 0044‑409X
Korrespondenzadresse
Dr. Silke Altmann
Otto-von-Guericke Universität
Plastische, Ästhetische und
Handchirurgie
Leipziger Straße 44
39120 Magdeburg
Deutschland
Tel.: 03 91/6 71 55 99
Fax: 03 91/6 71 55 88
[email protected]
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Originalarbeit
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Einleitung
!
Die Implantation von Endoprothesen ist heutzutage einer der
häufigsten Routineeingriffe in chirurgischen und orthopädischen
Kliniken. Durch eine Zunahme des Alters und der Komorbidität
der Patienten kommt es jedoch auch zu einer höheren Komplikationsrate. Da gerade im Bereich der Knie- und Sprunggelenke der
Weichteilmantel gering ist, besteht hier ein hohes Risiko für
Weichteildefekte und damit Exposition der Implantate. Diese Defektwunden stellen deshalb einen hohen Anspruch an eine suffiziente Weichteildeckung. Bei Auftreten von Wundheilungsstörungen und Infektionen ist ein promptes interdisziplinäres
Wundmanagement unabdingbar. Zunächst sollte ein radikales
Débridement des nekrotischen oder infizierten Gewebes erfolgen. Gegebenenfalls muss auch ein Prothesenwechsel oder eine
temporäre Arthrodese durchgeführt werden. In vielen Fällen hat
sich ein zweizeitiges Vorgehen mit Wundkonditionierung durch
VAC-Therapie bewährt. Nach erfolgten Abstrichen muss der Patient eine resistenzgerechte systemische Antibiose erhalten. Zur
Defektdeckung werden dann in der Regel lokale oder freie fasziokutane und myokutane Lappen oder reine Muskellappen, welche
mit Spalthaut gedeckt werden, verwendet. Die Verwendung von
Spalthauttransplantaten ist nur bei oberflächlichen Defekten
möglich und Sekundärnähte scheitern in der Regel aufgrund der
hohen Spannung. Die folgende Arbeit zeigt Möglichkeiten und
Ergebnisse der plastischen Weichteildeckung für Defekte am
Knie- und Sprunggelenk. Wir möchten mit unserer Arbeit die unfallchirurgischen und orthopädischen Kollegen sensibilisieren,
frühzeitig einen plastischen Chirurgen zu konsultieren, um durch
ein interdisziplinäres Konzept eine stabile Defektdeckung mit Erhalt der Endoprothese zu erreichen.
Patienten
!
Anhand einer retrospektiven Untersuchung zeigte sich, dass in
den letzten 10 Jahren in unserer Klinik insgesamt 38 Patienten
mit ausgedehnten Weichteildefekten und freiliegender Knieendoprothese sowie 14 Patienten mit freiliegender OSG-Endoprothese operativ versorgt wurden. Das durchschnittliche Alter
lag bei den Patienten mit Knieendoprothese bei 67 Jahren (Range:
39–80 Jahre). Es handelte sich um 19 weibliche und 19 männliche Patienten. In der Patientengruppe nach Sprunggelenksimplantation lag das durchschnittliche Alter bei 65 Jahren (Range:
39–79 Jahre), 9 Patienten waren männlich und 5 weiblich. Die
Implantation der Prothesen erfolgte vorrangig wegen degenerativer Arthrosen, posttraumatischer Arthrosen und rheumatoider
Arthritis. Die häufigsten Komorbiditäten waren Diabetes mellitus, Adipositas, pAVK und Rheuma. Alle zu uns überwiesenen Patienten zeigten ausgedehnte Weichteildefekte mit freiliegenden
funktionellen Strukturen und zum Teil mit manifester Infektion.
Das präoperative Keimspektrum umfasste vorrangig Staphylokokken, Pseudomonas aeruginosa und Fäkalkeime. Ein Zusammenhang zwischen Keimspektrum, Komorbidität und Dauer der
Prothesenexposition bestand nicht. In 4 Fällen erfolgte die Isolierung der Patienten aufgrund einer Multiresistenz.
Zunächst wurde bei allen Patienten ein radikales Débridement
durchgeführt. Bei septischer Prothesenlockerung erfolgte interdisziplinär mit den Orthopäden der Prothesenwechsel. Je nach
Weichteilsituation erfolgte gegebenenfalls ein zweizeitiges Vorgehen mit temporärer Vakuumversiegelung. Bei den Patienten
nach Knie-TEP wurde in 6 Fällen und bei den OSG‑TEP-Patienten
wurde in 5 Fällen eine temporäre VAC-Konditionierung mit 2–
3‑maligem VAC-Wechsel durchgeführt. Die Intervalle zwischen
den Eingriffen betrugen zwischen 3–7 Tage. Die Defektdeckung
am Knie erfolgte in 18 Fällen durch einen gestielten medialen
Gastrocnemiuslappen, in 15 Fällen durch einen lateralen Gastrocnemiuslappen und in 4 Fällen durch einen beidseitigen Gastrocnemiuslappen. Die Muskellappen wurden mit Spalthaut gedeckt. Bei 1 Patientin konnte durch lokale Lappen keine Defektdeckung erreicht werden, hier wurde primär ein freier Latissimus-dorsi-Lappen mit Spalthaut transplantiert. Bei 6 Patienten
mit nekrotischem Lig. patellae wurde gleichzeitig eine Rekonstruktion des Bandes durch den sehnigen Anteil des Gastrocnemiusmuskels durchgeführt.
Postoperativ erfolgte in der Regel die Ruhigstellung in einer Oberschenkelschiene für insgesamt 10 d. In einzelnen Fällen war je
nach Weichteilstabilität auch früher eine Beübung in einer Motorschiene möglich.
Bei den Patienten mit Defekten am Sprunggelenk nach OSG-Prothese wurde zur Defektdeckung in 8 Fällen eine lokale Defektdeckung durch einen M.-peroneus-brevis-Lappen mit Spalthaut
durchgeführt. Bei den anderen 6 Patienten war eine lokale Sanierung nicht möglich. Die Weichteilsanierung musste hier durch
freie Lappenplastiken erfolgen. Zur Planung der freien Lappenplastiken erfolgte zunächst eine Abklärung des lokalen Gefäßstatus durch eine DSA-Untersuchung oder durch eine Angio-CT. Bei
ausreichendem Gefäßstatus wurde in 3 Fällen ein Latissimusdorsi-Lappen mit Spalthaut, in 2 Fällen ein freier Oberarmlappen
und einmal ein ALT (Anterior lateral tight-flap)-Lappen zur Defektdeckung verwendet. Die postoperative Immobilisierung erfolgte entweder durch eine Unterschenkelschiene oder durch einen temporären Fixateur externe für 10 d. Anschließend wurde
mit einem Lappentraining und der steigenden Mobilisierung der
Patienten begonnen.
Die intravenöse Antibiose erfolgte bei allen Patienten resistenzgerecht und wurde je nach Infektsituation zwischen 14 d und 6
Wochen verabreicht. Die Evaluierung der Ergebnisse erfolgte anhand des klinischen Erfolgs und der laut Aktenlage bestandenen
Komplikationen.
Ergebnisse
!
Durch die plastisch-chirurgische Defektdeckung konnte in fast
allen Fällen eine suffiziente Weichteildeckung erreicht werden.
Die Hospitalisierungsdauer in unserer Abteilung lag zwischen 8
und 51 Tagen (Durchschnitt: 24 Tage). Es wurden einige Patienten auch konsiliarisch behandelt, sodass über deren Aufenthaltsdauer und weiteren Verlauf keine Daten vorliegen. Die Dauer
zwischen Prothesenexposition und Defektdauer lässt sich nicht
genau evaluieren, da uns viele Patienten mit Wundheilungsstö-
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meisten Fällen eine stabile Weichteildeckung erzielt werden. Somit können nachhaltig Verluste der Endoprothese, ausgeprägte
Funktionseinschränkungen oder sogar Amputationen vermieden
werden.
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rungen erst Tage oder Wochen später vorgestellt wurden. Teilweise wurde auch bereits ein erfolgloser Deckungsversuch auswärts durchgeführt. Je länger die Prothese freilag, desto öfter
musste ein Prothesenwechsel oder sogar die Explantation erfolgen. Bei septischer Lockerung erfolgte in 1 Fall am Knie eine septische Arthrodese und in 3 weiteren Fällen ein Prothesenwechsel.
Am Fuß wurde bei 6 Patienten die Prothese explantiert und eine
Arthrodese des OSG durchgeführt. Wundheilungsstörungen oder
partielle Lappennekrosen traten vorrangig bei Rauchern und Patienten mit pAVK auf. In der Patientengruppe mit Defekten am
Knie kam es in 6 Fällen zu Wundheilungsstörungen, die in 2 Fällen durch eine Spalthautnachtransplantation gedeckt werden
konnten. Zweimal erfolgte zusätzlich ein lokaler Transpositionslappen zur endgültigen Defektdeckung. Bei einer schwereren
Wundheilungsstörung war zusätzlich ein freier Latissimus-dorsi-Lappen zur Weichteilsanierung notwendig. Bei einer 80-jährigen Patientin kam es nach Entlassung in die Häuslichkeit zur
Ausbildung einer Fistel, welche durch eine Fistelexzision und Sekundärnaht zur Ausheilung gebracht werden konnte.
Das Hebeareal der Gastrocnemiusmuskeln heilte problemlos ab
und keiner der Patienten beklagte postoperativ ausgeprägte
Schmerzen, eine Schwäche oder Bewegungseinschränkungen
aufgrund der Muskeltransposition. Eine aktive Streckung des Unterschenkels gegen die Schwerkraft war bei allen Patienten möglich und die aktive Beugung im Kniegelenk lag zwischen 60–90°.
" Abb. 1) zeigte sich eine schwer beherrschbare
Bei 1 Patientin (l
Infektion ohne Keimnachweis. Nach weiterer Diagnostik fand
sich hier eine Autoimmunerkrankung im Sinne eines Pyoderma
gangraenosum. Es wurde eine Autoimmuntherapie mit Kortison
und CellCept® eingeleitet. Darunter stabilisierte sich die Weichteilsituation und es erfolgte die Defektdeckung mit einem beidseitigen Gastrocnemiuslappen und Spalthaut. Das Knie heilte
unter Erhalt der Prothese komplett ab. Ein Jahr später stürzte die
Patientin und es kam zu einem Ausbrechen der Prothese. Darunter flammte die Autoimmunerkrankung wieder auf. Das Angebot
der Defektdeckung durch einen freien Lappen wurde dann von
der Patientin abgelehnt und es erfolgte auf Wunsch der Patientin
die Amputation.
Im Patientenkollektiv mit Defekten am oberen Sprunggelenk
konnte in allen Fällen eine stabile Weichteilsituation erreicht
werden. In 4 Fällen wurde die Prothese durch die orthopädischen
Kollegen explantiert und eine Arthrodese durchgeführt. Bei 3 Patienten nach Peroneus-brevis-Lappen und Spalthaut kam es zu
einer Wundranddehiszenz, welche durch einen zusätzlichen lokalen Transpositionslappen behoben wurde. Ein Patient wies im
Spalthautbereich nach Latissimus-dorsi-Transfer eine Wundheilungsstörung auf. Diese konnte durch einen weiteren Spalthauttransfer zur Ausheilung gebracht werden. Die freien fasziokuta" Abb. 2 und 3). Die Henen Lappen heilten alle problemlos ein (l
bemorbidität sowohl der Peroneus-brevis-Lappen als auch der
freien Lappen zeigte sich vernachlässigbar. Die verbliebene Beweglichkeit bei erhaltener OSG-Prothese war zufriedenstellend.
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Abb. 1 a 69-jährige Patientin mit Z. n. Implantation einer Knieendoprothese links und schwerer Wundheilungsstörung, Pyoderma gangraenosum.
a Präoperativer Befund vor Diagnosestellung. b Postoperativer Befund
nach Defektdeckung durch beidseitigen Gastrocnemiuslappen und Spalthauttransplantation. c Erneutes Aufflammen der Pyoderma gangraenosum 1 Jahr später nach Prothesenausbruch nach Sturz.
Diskussion
!
Die Implantation von Endoprothesen an Knie und Sprunggelenk
ist mittlerweile in der Orthopädie/Unfallchirurgie ein Routineeingriff, dessen Inzidenz jährlich ansteigt. Typische Indikationen
für den Einsatz von künstlichen Gelenken sind die posttraumatische oder degenerative Arthrose beziehungsweise die rheumatoide Arthritis [1]. Aufgrund von erheblichen Komorbiditäten steigt
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jedoch auch die Anzahl an Komplikationen wie Wundheilungsstörungen und Infektionen [2, 3]. Zu den häufigsten Komplikationen zählen die Früh- und Spätinfektion der Prothese, Wundheilungsstörungen, Dislokationen, Instabilität und Lockerung
der Prothese. Protheseninfektionen werden mit ca. 1–2,5 % bei
primärer Implantation von Knieendoprothesen und mit erhöhter
Infektionsrate nach Revisionseingriffen angegeben. Die Rate an
Abb. 2 a 67-jähriger Patient mit Z. n. Implantation einer OSG-Prothese
rechts und Wundheilungsstörung; Resektion der avitalen Tibialis-anteriorSehne, Explantation der Prothese, Defektdeckung durch freien ALT-Lappen.
a Präoperativer Befund nach Übernahme des Patienten aus der Orthopädie. b Ergebnis nach 6 Monaten.
Wundheilungsstörungen wird nach Knieendoprothesen mit bis
zu 20% und nach Sprunggelenksendoprothesen sogar mit bis zu
28 % beziffert [3, 4]. Prädisponierende Faktoren sind Diabetes
mellitus, Nikotinabusus, Durchblutungsstörungen, rheumatoide
Arthritis und Kortisoneinnahme [2]. Aber auch lokale Faktoren
wie Narben im Operationsgebiet, posttraumatische dystrophe
Haut, Hämatome oder die Implantatgröße spielen eine Rolle [4,
5]. Ausgedehnte Weichteildefekte mit freiliegenden Strukturen
wie Sehnen, Knochen oder Metall sind ein typisches Einsatzgebiet
für den plastischen Chirurgen. Ziel der Weichteildeckung ist eine
stabile und dauerhafte Weichteilsituation mit guten funktionellen Ergebnissen, möglichst unter Erhalt des Gelenkersatzes und
ebenso eine ästhetisch befriedigende Rekonstruktion.
Bei einer begleitenden Früh- oder Spätinfektion der betroffenen
Regionen muss zunächst ein radikales Débridement erfolgen. Interdisziplinär sollte über den Verbleib der Prothese, einen Prothesenwechsel oder ggf. die Prothesenexplantation entschieden
werden. In der Regel muss bei schweren Infektionen oder septischer Lockerung eine Prothesenexplantation erfolgen. Bei Deckung des Implantats durch einen gut durchbluteten Muskellappen besteht aber auch ein positiver Effekt auf die Infektsanierung.
Deshalb können manche Infektionen nach intensivem Débridement und Deckung durch Muskellappen zur Ausheilung gebracht
werden. Bei frühzeitigem Eingriff ist deshalb meist ein Erhalt der
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Abb. 3 a 56-jähriger Patient. Z. n. Implantation einer OSG-Prothese links
und Wundheilungsstörung; Defektdeckung durch freien Oberarmlappen
unter Prothesenerhalt. a Intraoperativ freiliegende Prothese. b Hebung
des Oberarmlappens. c Ergebnis nach 12 Monaten.
Prothese möglich. Zur Defektdeckung steht uns dann eine große
Bandbreite an lokalen und freien Lappen zur Verfügung. Je nach
Größe des Defekts, Weichteilsituation und patientenspezifischen
Faktoren wie Alter und Begleiterkrankungen sollte dann das geeignete Verfahren gewählt werden [6–8]. Bei oberflächlichen Defekten ohne Infektion und ohne freiliegende Strukturen ist gegebenenfalls eine konservative Wundbehandlung mit Gel- oder
Hydrokolloidverbänden denkbar. Bei spannungsfreien und sau-
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beren Wundrändern ist in Einzelfällen auch eine Sekundärnaht
oder Spalthauttransplantation möglich. In den meisten Fällen
müssen jedoch lokale oder freie Lappen zum Einsatz kommen,
um eine suffiziente Weichteilsituation zu erreichen.
Am Knie hat sich in unserem Patientengut die Defektdeckung
durch den Gastrocnemiuslappen bewährt. Hierbei handelt es sich
um eine komplikationsarme Operation mit geringer Hebemorbidität [5, 9, 10]. Durch seine gute, definierte Durchblutung und den
großen Transpositionsradius ist eine sichere Deckung auch
größerer Defekte möglich. Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit
der gleichzeitigen Rekonstruktion des Lig. patellae durch den
Sehnenspiegel. Sollte eine Weichteilsanierung durch lokale Lappen nicht möglich sein, stehen uns diverse freie Lappen zur Verfügung. Durch die Verwendung von freien Muskellappen wie z. B.
dem Latissimus-dorsi-Lappen ist auch die Deckung von sehr ausgedehnten Defekten möglich. Aufgrund der guten Muskeldurchblutung besteht auch ein positiver Effekt auf die Infektsanierung.
Cetrulo et al. [11] berichten in ihrer Arbeit über 11 Patienten mit
freiem, mikrovaskulärem Gewebetransfer (5 Latissimuslappen
und 6 Rectus-abdominis-Muskellappen). Trotz der sehr guten Ergebnisse sollte dieses Verfahren jedoch nicht die erste Wahl sein,
da in den meisten Fällen ähnliche Ergebnisse mit lokalen Lappen
zu erzielen sind und auch hierbei die Rettung der Extremität bzw.
Prothese möglich wäre [1, 3, 9, 12, 13]. Weiterhin kommt auch die
Verwendung von freien fasziokutanen Lappen in Betracht. Die
Hebemorbidität dieser Lappen ist geringer bei besserem ästhetischen Ergebnis. Der Nachteil liegt jedoch in der höheren Komplikationsrate an Wundheilungsstörungen oder Lappennekrosen.
In unserem Patientengut war in nur 1 Fall primär die Verwendung eines freien Latissimus-dorsi-Lappens notwendig. Kleinere
Wundheilungsstörungen nach Gastrocnemiuslappen konnten
entweder konservativ oder durch eine Zweitoperation zur Ausheilung gebracht werden. Auch bei der Patientin mit einer Pyoderma gangraenosum konnte nach adäquater Immuntherapie
eine stabile Defektdeckung durch einen beidseitigen Gastrocnemiuslappen erreicht werden. Fatal war hier jedoch, dass es nach
1 Jahr durch erneuten Sturz zum Ausbrechen der Knieprothese
und im weiteren Verlauf zur Reaktivierung der Immunerkrankung kam. Jegliche Versuche, das Bein zu erhalten, wurden dann
von der Patientin abgelehnt.
Im Bereich des Fußes und distalen Unterschenkels sind ausgedehnte Weichteildefekte aufgrund der häufig schlechten Durchblutung problematisch zu decken. Transpositionslappen oder
Spalthauttransplantation führen in dieser anatomischen Region
nur selten zum Erfolg. Bei kleineren Defekten ist der Peroneusbrevis-Lappen als Muskellappen mit Spalthaut ein einfaches und
sicheres Verfahren zur lokalen Wundsanierung. Das Hebeareal
kann in der Regel primär verschlossen werden und die funktionelle Hebemorbidität ist vernachlässigbar. Leider ist dieses Verfahren nur für kleine Defekte geeignet. Eine weitere Möglichkeit
der lokalen Sanierung ist der Suralislappen. Der Hebedefekt muss
hier durch ein Spalthauttransplantat verschlossen werden und
die Rate an Lappennekrosen ist im Vergleich zu anderen Verfahren hoch. Bei größeren Defekten sind damit die lokalen Möglichkeiten ausgeschöpft und es kommen freie Lappen in Betracht.
Durch freie fasziokutane Lappen oder Propellerlappen ist in der
Regel ein sicherer Defektverschluss mit gutem ästhetischen Ergebnis möglich [14]. Wulstige Deformierungen der Fuß- und Unterschenkelregion können in der Regel vermieden werden. Damit
ist auch im Verlauf die Anpassung von Schuhwerk erleichtert.
Freie Muskellappen sind zwar in der Regel sehr sicher, sollten je-
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doch aufgrund der ästhetisch unschönen Ergebnisse nur ausgewählten sehr großen und tiefen Defekten vorbehalten bleiben,
wenn alle anderen Verfahren ausgeschöpft sind.
Fazit für die Praxis
!
Die plastische Chirurgie bietet diverse Möglichkeiten zur Defektdeckung bei Patienten nach Endoprothetik. Wichtig ist eine rasche interdisziplinäre Zusammenarbeit, um möglichst eine Infektion mit gegebenenfalls Verlust der Endoprothese zu vermeiden.
Deshalb sollte bereits bei beginnenden Wundheilungsstörungen
ein plastischer Chirurg konsultiert werden. Gemeinsam kann
dann ein Behandlungsplan erstellt werden. Ein ausgeprägtes Débridement aller nekrotischen oder infizierten Areale ist essenziell. Das weitere Vorgehen richtet sich dann nach dem lokalen
Wundstatus und individuell nach dem Patienten. Sowohl Begleiterkrankungen als auch individuelle Bedürfnisse des Patienten
spielen in die Entscheidungsfindung mit eine Rolle. Die Defektdeckung sollte möglichst mit dem sichersten zum Erfolg führenden und für den Patienten schonenden Verfahren durchgeführt
werden. So können in den meisten Fällen schwere Funktionseinschränkungen der betroffenen Extremität oder sogar Amputationen vermieden werden.
Interessenkonflikt: Nein
Literatur
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