Originalarbeit Die plastische Versorgung von Weichteildefekten nach Endoprothetik an der unteren Extremität The Plastic Coverage of Soft-Tissue Defects after Endoprosthesis on the Lower Limb Autoren S. Altmann, H.-G. Damert Institut Plastische, Ästhetische und Handchirurgie, Otto-von-Guericke Universität, Magdeburg, Deutschland Schlüsselwörter " Knieendoprothese l " Sprunggelenksprothese l " Protheseninfektion l " Weichteildefekte l " Lappenplastik l Zusammenfassung Abstract ! ! Hintergrund: Die Implantation von Endoprothesen zählt mittlerweile zu den häufigsten orthopädischen Operationen. Auch in der Unfallchirurgie werden nach Trauma Endoprothesen häufig implantiert. Aufgrund der schlechteren Weichteilbedeckung sind besonders die Knie- und Sprunggelenksprothesen prädisponiert für Wundheilungsstörungen und Infektionen. Dringendes Ziel zur Vermeidung von Implantatverlust oder Amputation ist daher nach radikalem Débridement die suffiziente Weichteildeckung. Patienten: In den letzten 10 Jahren wurde bei 38 Patienten mit freiliegender Knieprothese eine Defektdeckung durch einen ein- oder beidseitigen Gastrocnemiuslappen mit Spalthauttransplantation durchgeführt. In Ausnahmefällen ist die Defektdeckung auch mit freien Lappen möglich. Im gleichen Zeitraum wurden 14 Patienten mit Defekten nach Implantation einer OSG-Prothese behandelt. In 8 Fällen konnte der Defekt durch einen M.-peroneus-brevis-Lappen gedeckt werden. Da lokale Lappenplastiken im Bereich des Sprunggelenks häufig (57%) problematisch sind, musste hier jedoch häufiger (35%) eine freie Lappenplastik vorgenommen werden. Es erfolgte in 3 Fällen eine Defektdeckung durch einen Latissimus-dorsi-Lappen, in 2 Fällen durch einen freien Oberarmlappen und einmal durch einen „anterio lateral tight“-Lappen. Ergebnisse: In unserem Patientengut waren in fast allen Fällen stabile Weichteildeckungen möglich. Aufgrund der multiplen Vorerkrankungen zeigte sich jedoch häufig ein prolongierter Verlauf mit Wundheilungsstörungen. Diese konnten entweder konservativ oder durch kleinere Zweiteingriffe beherrscht werden. Schlussfolgerung: Bei Weichteildefekten und Infektionen nach Endoprothetik ist zunächst ein radikales Débridement notwendig. Durch eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit kann in den Background: The implantation of endoprostheses is an established procedure in orthopaedic and trauma surgery. However, the techniques are often associated with a high risk of postinterventional infections and wound healing disorders that can result in loss of the prosthesis or the limb – most likely based on an insufficient debridement and poor soft-tissue coverage. The purpose of this study was to evaluate the efficacy of the coverage methods in our patient population. Patients: In the past 10 years 38 patients with exposed knee prostheses and 14 patients following an ankle endoprosthesis were included in this retrospective study over the period from 2001 to 2011. Soft-tissue reconstructions around the knee were mostly performed by unilateral or bilateral gastrocnemius flaps combined with splitskin grafts. One defect was covered with a free flap. 57 % of the soft-tissue defects around the ankle are often problematic and were closed by a pedicled peroneus brevis muscle flap and 35% by a free flap (3 with a latissimus dorsi muscle flap, 2 with a free lateral upper arm flap and one with an anterolateral tight flap). Results: In our patient population we achieved stable soft-tissue coverage in most of the cases using the above-mentioned flaps. Due to multiple preexisting comorbidities, it was observed that the course was frequently prolonged and wound healing difficulties occurred. These, however, could be controlled by conservative means or small secondary procedures. Conclusion: A radical debridement and an early appropriate defect coverage of the exposed prosthesis is crucial in the reconstruction process. Through a close interdisciplinary collaboration a stable soft-tissue covering can be achieved. Consequently it is possible to avoid a loss of the endoprosthesis, marked functional deficits or even amputations. Key words " knee endoprosthesis l " ankle endoprosthesis l " prosthesis infection l " soft‑tissue defects l " flaps l Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0032-1315113 Online-publiziert 12. 11. 2012 Zentralbl Chir 2013; 138: e36–e40 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York · ISSN 0044‑409X Korrespondenzadresse Dr. Silke Altmann Otto-von-Guericke Universität Plastische, Ästhetische und Handchirurgie Leipziger Straße 44 39120 Magdeburg Deutschland Tel.: 03 91/6 71 55 99 Fax: 03 91/6 71 55 88 [email protected] Altmann S et al. Die plastische Versorgung … Zentralbl Chir 2013; 138: e36–e40 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. e36 Originalarbeit e37 Einleitung ! Die Implantation von Endoprothesen ist heutzutage einer der häufigsten Routineeingriffe in chirurgischen und orthopädischen Kliniken. Durch eine Zunahme des Alters und der Komorbidität der Patienten kommt es jedoch auch zu einer höheren Komplikationsrate. Da gerade im Bereich der Knie- und Sprunggelenke der Weichteilmantel gering ist, besteht hier ein hohes Risiko für Weichteildefekte und damit Exposition der Implantate. Diese Defektwunden stellen deshalb einen hohen Anspruch an eine suffiziente Weichteildeckung. Bei Auftreten von Wundheilungsstörungen und Infektionen ist ein promptes interdisziplinäres Wundmanagement unabdingbar. Zunächst sollte ein radikales Débridement des nekrotischen oder infizierten Gewebes erfolgen. Gegebenenfalls muss auch ein Prothesenwechsel oder eine temporäre Arthrodese durchgeführt werden. In vielen Fällen hat sich ein zweizeitiges Vorgehen mit Wundkonditionierung durch VAC-Therapie bewährt. Nach erfolgten Abstrichen muss der Patient eine resistenzgerechte systemische Antibiose erhalten. Zur Defektdeckung werden dann in der Regel lokale oder freie fasziokutane und myokutane Lappen oder reine Muskellappen, welche mit Spalthaut gedeckt werden, verwendet. Die Verwendung von Spalthauttransplantaten ist nur bei oberflächlichen Defekten möglich und Sekundärnähte scheitern in der Regel aufgrund der hohen Spannung. Die folgende Arbeit zeigt Möglichkeiten und Ergebnisse der plastischen Weichteildeckung für Defekte am Knie- und Sprunggelenk. Wir möchten mit unserer Arbeit die unfallchirurgischen und orthopädischen Kollegen sensibilisieren, frühzeitig einen plastischen Chirurgen zu konsultieren, um durch ein interdisziplinäres Konzept eine stabile Defektdeckung mit Erhalt der Endoprothese zu erreichen. Patienten ! Anhand einer retrospektiven Untersuchung zeigte sich, dass in den letzten 10 Jahren in unserer Klinik insgesamt 38 Patienten mit ausgedehnten Weichteildefekten und freiliegender Knieendoprothese sowie 14 Patienten mit freiliegender OSG-Endoprothese operativ versorgt wurden. Das durchschnittliche Alter lag bei den Patienten mit Knieendoprothese bei 67 Jahren (Range: 39–80 Jahre). Es handelte sich um 19 weibliche und 19 männliche Patienten. In der Patientengruppe nach Sprunggelenksimplantation lag das durchschnittliche Alter bei 65 Jahren (Range: 39–79 Jahre), 9 Patienten waren männlich und 5 weiblich. Die Implantation der Prothesen erfolgte vorrangig wegen degenerativer Arthrosen, posttraumatischer Arthrosen und rheumatoider Arthritis. Die häufigsten Komorbiditäten waren Diabetes mellitus, Adipositas, pAVK und Rheuma. Alle zu uns überwiesenen Patienten zeigten ausgedehnte Weichteildefekte mit freiliegenden funktionellen Strukturen und zum Teil mit manifester Infektion. Das präoperative Keimspektrum umfasste vorrangig Staphylokokken, Pseudomonas aeruginosa und Fäkalkeime. Ein Zusammenhang zwischen Keimspektrum, Komorbidität und Dauer der Prothesenexposition bestand nicht. In 4 Fällen erfolgte die Isolierung der Patienten aufgrund einer Multiresistenz. Zunächst wurde bei allen Patienten ein radikales Débridement durchgeführt. Bei septischer Prothesenlockerung erfolgte interdisziplinär mit den Orthopäden der Prothesenwechsel. Je nach Weichteilsituation erfolgte gegebenenfalls ein zweizeitiges Vorgehen mit temporärer Vakuumversiegelung. Bei den Patienten nach Knie-TEP wurde in 6 Fällen und bei den OSG‑TEP-Patienten wurde in 5 Fällen eine temporäre VAC-Konditionierung mit 2– 3‑maligem VAC-Wechsel durchgeführt. Die Intervalle zwischen den Eingriffen betrugen zwischen 3–7 Tage. Die Defektdeckung am Knie erfolgte in 18 Fällen durch einen gestielten medialen Gastrocnemiuslappen, in 15 Fällen durch einen lateralen Gastrocnemiuslappen und in 4 Fällen durch einen beidseitigen Gastrocnemiuslappen. Die Muskellappen wurden mit Spalthaut gedeckt. Bei 1 Patientin konnte durch lokale Lappen keine Defektdeckung erreicht werden, hier wurde primär ein freier Latissimus-dorsi-Lappen mit Spalthaut transplantiert. Bei 6 Patienten mit nekrotischem Lig. patellae wurde gleichzeitig eine Rekonstruktion des Bandes durch den sehnigen Anteil des Gastrocnemiusmuskels durchgeführt. Postoperativ erfolgte in der Regel die Ruhigstellung in einer Oberschenkelschiene für insgesamt 10 d. In einzelnen Fällen war je nach Weichteilstabilität auch früher eine Beübung in einer Motorschiene möglich. Bei den Patienten mit Defekten am Sprunggelenk nach OSG-Prothese wurde zur Defektdeckung in 8 Fällen eine lokale Defektdeckung durch einen M.-peroneus-brevis-Lappen mit Spalthaut durchgeführt. Bei den anderen 6 Patienten war eine lokale Sanierung nicht möglich. Die Weichteilsanierung musste hier durch freie Lappenplastiken erfolgen. Zur Planung der freien Lappenplastiken erfolgte zunächst eine Abklärung des lokalen Gefäßstatus durch eine DSA-Untersuchung oder durch eine Angio-CT. Bei ausreichendem Gefäßstatus wurde in 3 Fällen ein Latissimusdorsi-Lappen mit Spalthaut, in 2 Fällen ein freier Oberarmlappen und einmal ein ALT (Anterior lateral tight-flap)-Lappen zur Defektdeckung verwendet. Die postoperative Immobilisierung erfolgte entweder durch eine Unterschenkelschiene oder durch einen temporären Fixateur externe für 10 d. Anschließend wurde mit einem Lappentraining und der steigenden Mobilisierung der Patienten begonnen. Die intravenöse Antibiose erfolgte bei allen Patienten resistenzgerecht und wurde je nach Infektsituation zwischen 14 d und 6 Wochen verabreicht. Die Evaluierung der Ergebnisse erfolgte anhand des klinischen Erfolgs und der laut Aktenlage bestandenen Komplikationen. Ergebnisse ! Durch die plastisch-chirurgische Defektdeckung konnte in fast allen Fällen eine suffiziente Weichteildeckung erreicht werden. Die Hospitalisierungsdauer in unserer Abteilung lag zwischen 8 und 51 Tagen (Durchschnitt: 24 Tage). Es wurden einige Patienten auch konsiliarisch behandelt, sodass über deren Aufenthaltsdauer und weiteren Verlauf keine Daten vorliegen. Die Dauer zwischen Prothesenexposition und Defektdauer lässt sich nicht genau evaluieren, da uns viele Patienten mit Wundheilungsstö- Altmann S et al. Die plastische Versorgung … Zentralbl Chir 2013; 138: e36–e40 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. meisten Fällen eine stabile Weichteildeckung erzielt werden. Somit können nachhaltig Verluste der Endoprothese, ausgeprägte Funktionseinschränkungen oder sogar Amputationen vermieden werden. Originalarbeit rungen erst Tage oder Wochen später vorgestellt wurden. Teilweise wurde auch bereits ein erfolgloser Deckungsversuch auswärts durchgeführt. Je länger die Prothese freilag, desto öfter musste ein Prothesenwechsel oder sogar die Explantation erfolgen. Bei septischer Lockerung erfolgte in 1 Fall am Knie eine septische Arthrodese und in 3 weiteren Fällen ein Prothesenwechsel. Am Fuß wurde bei 6 Patienten die Prothese explantiert und eine Arthrodese des OSG durchgeführt. Wundheilungsstörungen oder partielle Lappennekrosen traten vorrangig bei Rauchern und Patienten mit pAVK auf. In der Patientengruppe mit Defekten am Knie kam es in 6 Fällen zu Wundheilungsstörungen, die in 2 Fällen durch eine Spalthautnachtransplantation gedeckt werden konnten. Zweimal erfolgte zusätzlich ein lokaler Transpositionslappen zur endgültigen Defektdeckung. Bei einer schwereren Wundheilungsstörung war zusätzlich ein freier Latissimus-dorsi-Lappen zur Weichteilsanierung notwendig. Bei einer 80-jährigen Patientin kam es nach Entlassung in die Häuslichkeit zur Ausbildung einer Fistel, welche durch eine Fistelexzision und Sekundärnaht zur Ausheilung gebracht werden konnte. Das Hebeareal der Gastrocnemiusmuskeln heilte problemlos ab und keiner der Patienten beklagte postoperativ ausgeprägte Schmerzen, eine Schwäche oder Bewegungseinschränkungen aufgrund der Muskeltransposition. Eine aktive Streckung des Unterschenkels gegen die Schwerkraft war bei allen Patienten möglich und die aktive Beugung im Kniegelenk lag zwischen 60–90°. " Abb. 1) zeigte sich eine schwer beherrschbare Bei 1 Patientin (l Infektion ohne Keimnachweis. Nach weiterer Diagnostik fand sich hier eine Autoimmunerkrankung im Sinne eines Pyoderma gangraenosum. Es wurde eine Autoimmuntherapie mit Kortison und CellCept® eingeleitet. Darunter stabilisierte sich die Weichteilsituation und es erfolgte die Defektdeckung mit einem beidseitigen Gastrocnemiuslappen und Spalthaut. Das Knie heilte unter Erhalt der Prothese komplett ab. Ein Jahr später stürzte die Patientin und es kam zu einem Ausbrechen der Prothese. Darunter flammte die Autoimmunerkrankung wieder auf. Das Angebot der Defektdeckung durch einen freien Lappen wurde dann von der Patientin abgelehnt und es erfolgte auf Wunsch der Patientin die Amputation. Im Patientenkollektiv mit Defekten am oberen Sprunggelenk konnte in allen Fällen eine stabile Weichteilsituation erreicht werden. In 4 Fällen wurde die Prothese durch die orthopädischen Kollegen explantiert und eine Arthrodese durchgeführt. Bei 3 Patienten nach Peroneus-brevis-Lappen und Spalthaut kam es zu einer Wundranddehiszenz, welche durch einen zusätzlichen lokalen Transpositionslappen behoben wurde. Ein Patient wies im Spalthautbereich nach Latissimus-dorsi-Transfer eine Wundheilungsstörung auf. Diese konnte durch einen weiteren Spalthauttransfer zur Ausheilung gebracht werden. Die freien fasziokuta" Abb. 2 und 3). Die Henen Lappen heilten alle problemlos ein (l bemorbidität sowohl der Peroneus-brevis-Lappen als auch der freien Lappen zeigte sich vernachlässigbar. Die verbliebene Beweglichkeit bei erhaltener OSG-Prothese war zufriedenstellend. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. e38 Abb. 1 a 69-jährige Patientin mit Z. n. Implantation einer Knieendoprothese links und schwerer Wundheilungsstörung, Pyoderma gangraenosum. a Präoperativer Befund vor Diagnosestellung. b Postoperativer Befund nach Defektdeckung durch beidseitigen Gastrocnemiuslappen und Spalthauttransplantation. c Erneutes Aufflammen der Pyoderma gangraenosum 1 Jahr später nach Prothesenausbruch nach Sturz. Diskussion ! Die Implantation von Endoprothesen an Knie und Sprunggelenk ist mittlerweile in der Orthopädie/Unfallchirurgie ein Routineeingriff, dessen Inzidenz jährlich ansteigt. Typische Indikationen für den Einsatz von künstlichen Gelenken sind die posttraumatische oder degenerative Arthrose beziehungsweise die rheumatoide Arthritis [1]. Aufgrund von erheblichen Komorbiditäten steigt Altmann S et al. Die plastische Versorgung … Zentralbl Chir 2013; 138: e36–e40 jedoch auch die Anzahl an Komplikationen wie Wundheilungsstörungen und Infektionen [2, 3]. Zu den häufigsten Komplikationen zählen die Früh- und Spätinfektion der Prothese, Wundheilungsstörungen, Dislokationen, Instabilität und Lockerung der Prothese. Protheseninfektionen werden mit ca. 1–2,5 % bei primärer Implantation von Knieendoprothesen und mit erhöhter Infektionsrate nach Revisionseingriffen angegeben. Die Rate an Abb. 2 a 67-jähriger Patient mit Z. n. Implantation einer OSG-Prothese rechts und Wundheilungsstörung; Resektion der avitalen Tibialis-anteriorSehne, Explantation der Prothese, Defektdeckung durch freien ALT-Lappen. a Präoperativer Befund nach Übernahme des Patienten aus der Orthopädie. b Ergebnis nach 6 Monaten. Wundheilungsstörungen wird nach Knieendoprothesen mit bis zu 20% und nach Sprunggelenksendoprothesen sogar mit bis zu 28 % beziffert [3, 4]. Prädisponierende Faktoren sind Diabetes mellitus, Nikotinabusus, Durchblutungsstörungen, rheumatoide Arthritis und Kortisoneinnahme [2]. Aber auch lokale Faktoren wie Narben im Operationsgebiet, posttraumatische dystrophe Haut, Hämatome oder die Implantatgröße spielen eine Rolle [4, 5]. Ausgedehnte Weichteildefekte mit freiliegenden Strukturen wie Sehnen, Knochen oder Metall sind ein typisches Einsatzgebiet für den plastischen Chirurgen. Ziel der Weichteildeckung ist eine stabile und dauerhafte Weichteilsituation mit guten funktionellen Ergebnissen, möglichst unter Erhalt des Gelenkersatzes und ebenso eine ästhetisch befriedigende Rekonstruktion. Bei einer begleitenden Früh- oder Spätinfektion der betroffenen Regionen muss zunächst ein radikales Débridement erfolgen. Interdisziplinär sollte über den Verbleib der Prothese, einen Prothesenwechsel oder ggf. die Prothesenexplantation entschieden werden. In der Regel muss bei schweren Infektionen oder septischer Lockerung eine Prothesenexplantation erfolgen. Bei Deckung des Implantats durch einen gut durchbluteten Muskellappen besteht aber auch ein positiver Effekt auf die Infektsanierung. Deshalb können manche Infektionen nach intensivem Débridement und Deckung durch Muskellappen zur Ausheilung gebracht werden. Bei frühzeitigem Eingriff ist deshalb meist ein Erhalt der e39 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Originalarbeit Abb. 3 a 56-jähriger Patient. Z. n. Implantation einer OSG-Prothese links und Wundheilungsstörung; Defektdeckung durch freien Oberarmlappen unter Prothesenerhalt. a Intraoperativ freiliegende Prothese. b Hebung des Oberarmlappens. c Ergebnis nach 12 Monaten. Prothese möglich. Zur Defektdeckung steht uns dann eine große Bandbreite an lokalen und freien Lappen zur Verfügung. Je nach Größe des Defekts, Weichteilsituation und patientenspezifischen Faktoren wie Alter und Begleiterkrankungen sollte dann das geeignete Verfahren gewählt werden [6–8]. Bei oberflächlichen Defekten ohne Infektion und ohne freiliegende Strukturen ist gegebenenfalls eine konservative Wundbehandlung mit Gel- oder Hydrokolloidverbänden denkbar. Bei spannungsfreien und sau- Altmann S et al. Die plastische Versorgung … Zentralbl Chir 2013; 138: e36–e40 Originalarbeit beren Wundrändern ist in Einzelfällen auch eine Sekundärnaht oder Spalthauttransplantation möglich. In den meisten Fällen müssen jedoch lokale oder freie Lappen zum Einsatz kommen, um eine suffiziente Weichteilsituation zu erreichen. Am Knie hat sich in unserem Patientengut die Defektdeckung durch den Gastrocnemiuslappen bewährt. Hierbei handelt es sich um eine komplikationsarme Operation mit geringer Hebemorbidität [5, 9, 10]. Durch seine gute, definierte Durchblutung und den großen Transpositionsradius ist eine sichere Deckung auch größerer Defekte möglich. Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit der gleichzeitigen Rekonstruktion des Lig. patellae durch den Sehnenspiegel. Sollte eine Weichteilsanierung durch lokale Lappen nicht möglich sein, stehen uns diverse freie Lappen zur Verfügung. Durch die Verwendung von freien Muskellappen wie z. B. dem Latissimus-dorsi-Lappen ist auch die Deckung von sehr ausgedehnten Defekten möglich. Aufgrund der guten Muskeldurchblutung besteht auch ein positiver Effekt auf die Infektsanierung. Cetrulo et al. [11] berichten in ihrer Arbeit über 11 Patienten mit freiem, mikrovaskulärem Gewebetransfer (5 Latissimuslappen und 6 Rectus-abdominis-Muskellappen). Trotz der sehr guten Ergebnisse sollte dieses Verfahren jedoch nicht die erste Wahl sein, da in den meisten Fällen ähnliche Ergebnisse mit lokalen Lappen zu erzielen sind und auch hierbei die Rettung der Extremität bzw. Prothese möglich wäre [1, 3, 9, 12, 13]. Weiterhin kommt auch die Verwendung von freien fasziokutanen Lappen in Betracht. Die Hebemorbidität dieser Lappen ist geringer bei besserem ästhetischen Ergebnis. Der Nachteil liegt jedoch in der höheren Komplikationsrate an Wundheilungsstörungen oder Lappennekrosen. In unserem Patientengut war in nur 1 Fall primär die Verwendung eines freien Latissimus-dorsi-Lappens notwendig. Kleinere Wundheilungsstörungen nach Gastrocnemiuslappen konnten entweder konservativ oder durch eine Zweitoperation zur Ausheilung gebracht werden. Auch bei der Patientin mit einer Pyoderma gangraenosum konnte nach adäquater Immuntherapie eine stabile Defektdeckung durch einen beidseitigen Gastrocnemiuslappen erreicht werden. Fatal war hier jedoch, dass es nach 1 Jahr durch erneuten Sturz zum Ausbrechen der Knieprothese und im weiteren Verlauf zur Reaktivierung der Immunerkrankung kam. Jegliche Versuche, das Bein zu erhalten, wurden dann von der Patientin abgelehnt. Im Bereich des Fußes und distalen Unterschenkels sind ausgedehnte Weichteildefekte aufgrund der häufig schlechten Durchblutung problematisch zu decken. Transpositionslappen oder Spalthauttransplantation führen in dieser anatomischen Region nur selten zum Erfolg. Bei kleineren Defekten ist der Peroneusbrevis-Lappen als Muskellappen mit Spalthaut ein einfaches und sicheres Verfahren zur lokalen Wundsanierung. Das Hebeareal kann in der Regel primär verschlossen werden und die funktionelle Hebemorbidität ist vernachlässigbar. Leider ist dieses Verfahren nur für kleine Defekte geeignet. Eine weitere Möglichkeit der lokalen Sanierung ist der Suralislappen. Der Hebedefekt muss hier durch ein Spalthauttransplantat verschlossen werden und die Rate an Lappennekrosen ist im Vergleich zu anderen Verfahren hoch. Bei größeren Defekten sind damit die lokalen Möglichkeiten ausgeschöpft und es kommen freie Lappen in Betracht. Durch freie fasziokutane Lappen oder Propellerlappen ist in der Regel ein sicherer Defektverschluss mit gutem ästhetischen Ergebnis möglich [14]. Wulstige Deformierungen der Fuß- und Unterschenkelregion können in der Regel vermieden werden. Damit ist auch im Verlauf die Anpassung von Schuhwerk erleichtert. Freie Muskellappen sind zwar in der Regel sehr sicher, sollten je- Altmann S et al. Die plastische Versorgung … Zentralbl Chir 2013; 138: e36–e40 doch aufgrund der ästhetisch unschönen Ergebnisse nur ausgewählten sehr großen und tiefen Defekten vorbehalten bleiben, wenn alle anderen Verfahren ausgeschöpft sind. Fazit für die Praxis ! Die plastische Chirurgie bietet diverse Möglichkeiten zur Defektdeckung bei Patienten nach Endoprothetik. Wichtig ist eine rasche interdisziplinäre Zusammenarbeit, um möglichst eine Infektion mit gegebenenfalls Verlust der Endoprothese zu vermeiden. Deshalb sollte bereits bei beginnenden Wundheilungsstörungen ein plastischer Chirurg konsultiert werden. Gemeinsam kann dann ein Behandlungsplan erstellt werden. Ein ausgeprägtes Débridement aller nekrotischen oder infizierten Areale ist essenziell. Das weitere Vorgehen richtet sich dann nach dem lokalen Wundstatus und individuell nach dem Patienten. Sowohl Begleiterkrankungen als auch individuelle Bedürfnisse des Patienten spielen in die Entscheidungsfindung mit eine Rolle. Die Defektdeckung sollte möglichst mit dem sichersten zum Erfolg führenden und für den Patienten schonenden Verfahren durchgeführt werden. So können in den meisten Fällen schwere Funktionseinschränkungen der betroffenen Extremität oder sogar Amputationen vermieden werden. Interessenkonflikt: Nein Literatur 1 Kim BS, Knupp M, Zwicky L et al. Total ankle replacement in association with hindfoot fusion. Outcome and Complications. J Bone Joint Surg (Br) 2010; 92-B: 1540–1547 2 Raikin SM, Kane J, Ciminiello ME. Risk factors for incision-healing complications following total ankle arthroplasty. J Bone Joint Surg Am 2010; 92: 2150–2155 3 Whalen JL, Spelsberg SC, Murray P. Wound breakdown after total ankle arthroplasty. 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