SWR2 Cluster 09.07.2013, Musikmarkt: CD

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SWR2 Cluster 09.07.2013, Musikmarkt: CD-Tipp
„Maximale Transparenz und Klarheit“
Gioseffo Zarlino
„Modulationes sex vocum“
Singer Pur
Oehms classics OC 873
Autorin: Ines Pasz
In principio Deus (Ausschnitt)
0‘45
Dass Gioseffo Zarlino vor allem Musikgelehrter ist, und sogar einer der maßgeblichen seiner Zeit,
merkt man seiner Musik nicht an, sie hat das Feuer und die sinnliche Kraft des Praktikers.
Trotzdem kennt die Musikwissenschaft bis heute von Zarlino hauptsächlich theoretische Traktate,
das berühmteste und wichtigste „Le Istitutioni Harmoniche“.
Wie vollendet der Kapellmeister am Markusdom aber nicht nur über Musik reflektieren, sondern sie
auch selbst komponieren kann, das beweist jetzt die neue CD von Singer Pur. Nach zwei
Produktionen mit Werken vom franko-flämischen Meister Adrian Willaert widmet sich das
erfolgreiche Gesangsensemble mit seiner aktuellen Einspielung „Modulationes sex vocum“ jetzt
seinem erfolgreichsten Schüler, eben jenem Gioseffo Zarlino. Der macht vor allem Karriere als
Domkapellmeister in Venedig, dem wohl begehrtesten Amt in der Musik zwischen Renaissance
und Frühbarock, und verfasst in dieser Zeit neben seinen zahlreichen Theorien noch mehrere
Bände kunstvoller Motetten. Gleich im ersten Jahr nach seinem Stellenantritt „Modulationes sex
vocum“ mit 12 Werken für sechs Stimmen, am Schluss ein monumentales Pater noster ave maria.
Pater noster (Ausschnitt)
1‘00
Gioseffo Zarlino hat genau aufgepasst bei seinem Lehrer und Amtsvorgänger Adriaan Willaert.
Dessen kunstvoll-polyphoner Stimmführung nach einem komplizierten kontrapunktischen System
fügt er sogar noch eine weitere Stimme hinzu, das vereinfacht zwar nicht gerade den kanonischen
Aufbau der Motetten, verstärkt aber die Pracht ihres Klangs.
Singer Pur lässt die Stimmen ruhig und ebenmäßig fließen und hält trotzdem die enorme
Spannung der weiten Bögen. Das alles bei maximaler Transparenz und Klarheit. So kann man die
komplexe Struktur der polyphonen Stimmführung verfolgen und gleichzeitig den wunderbaren
Klang dieses vokalen Kunstwerks genießen. Immer präsent scheint dabei die berühmte
Raumakustik des Markusdoms, sie hat die Phantasie der Komponisten dieser Zeit beflügelt und
inspiriert. Unter anderem ihr verdanken auch wir die Entwicklung der Mehrchörigkeit und des
alternierenden Instrumentalspiels, mit dem Zweck, so Zarlino, „einen großen Klang zu erzielen,
aber in diesem Klang auch Abwechslung zu schaffen“.
Doch auch ein Gioseffo Zarlino scheint es nicht leicht gehabt zu haben in dem intriganten Venedig,
üble Nachrede setzt ihm zu und heftige Kritik an seinem Werk. „Fort mit dem Pöbelhaufen der
Lästerer“ fordert deshalb sein Freund Zusberti von dem Rat der Lagunenstadt, „ich dachte, es
wäre am besten, Schutz bei Euch zu suchen, ehrwürdige Senatoren, damit Ihr mit Eurer
unübertroffenen Amtsgewalt und mit meiner Hilfe denselben Mann vor der gehässigen Krittelei
dieser Leute beschützt.“
Es scheint funktioniert zu haben, immerhin ein halbes Jahrhundert lang bleibt Zarlino als
Domkapellmeister im Amt und schreibt weiterhin seine Traktate und Motteten – jetzt zum Glück,
nach der Wiederveröffentlichung durch einen britischen Musikwissenschaftler, für uns auch wieder
hörbar gemacht mit dieser Aufnahme von Singer Pur.
O quam Gloriosum (Ausschnitt)
0‘45
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