B Dritter Sonntag d.österl. Bußzeit 15.03.09 : Joh 2, 13 – 25: Reiz-voller Jesus Hinter Konflikten stecken Energien. Wenn sie erkannt und genutzt werden, ist eine Korrektur des auslösenden Fehlers oder des Missstandes möglich, bislang zu wenig beachtete Aspekte werden deutlicher, eine neue Sichtweise wird gewonnen, Umkehr ist möglich. Auch Jesus hat Missstände benannt und wurde dabei, um der Wahrheit willen, sehr deutlich. Dafür steht die Tempelreinigung im Johannesevangelium am Anfang seines Weges, gleich im zweiten Kapitel. Eigentlich entstammt sie dem Passionsbericht, wo sie auch bei den drei synoptischen Evangelien ihren Platz hat. Der Evangelist Johannes aber schließt sie als einen Kontrast der Erzählung von der Hochzeit zu Kana an, wo die Herrlichkeit Jesu offenbart wird. Ein unharmonischer Auftakt. So stellt die Tempelreinigung das gesamte öffentliche Wirken Jesu in das Licht von Leiden, Tod und Auferstehung – und damit in die Auseinandersetzung mit seinen Gegnern. In der Auslegungsgeschichte wurde der Konflikt Jesu im Tempel dramatisiert wurde. Mit ein paar herumliegenden Strickstücken – hochtrabend als „Geißel“ bezeichnet – treibt Jesus einige Tiere von ihrem Platz und stürzt im Zorn irgendeinen von den Geldwechslertischen um. Das Bild vom peitschenschwingenden Jesus, der die Missstände im Tempel umfassend beseitigen und dort eine neue Ordnung aufrichten würde, entspringt der Phantasie. Jesus ist gerade kein politischer Messias, wie man einen im Volk erwartet hat. Ganz abgesehen davon, dass die Tempelwache und die Römer in der nahen Burg Antonia bei einem Tumult wohl sofort eingeschritten wären. Doch ist ihm, dem frommen Juden ist der Anblick der Kommerzialisierung unerträglich gewesen. Sein Zorn richtet sich gegen Händler im Tempel, nicht gegen die Priester. Jesu Verhalten ist aber kein grundsätzlicher Angriff auf den Tempelkult. Wir lernen vom Evangelium her, Missstände beim Namen zu nennen, Konflikte nicht zu scheuen, sondern dort, wo es um einen wichtigen Sachverhalt geht, ihn auch offen auszutragen. Wer sich drauf einlässt, wird dabei die Reflexe erleben, mit denen man Konflikten begegnet. Sie werden als unerwünsche Störung abgelehnt, oder sie werden als Generalangriff hochgespielt, so wie die Szene der Tempelreinigung in ihrer Deutung. Durch die Aufhebung der Exkommunikation von vier Bischöfen der Piusbruderschaft ist die Kirche in einen Konflikt geraten. Die Entscheidung des Papstes hat sehr viel Widerspruch ausgelöst, innerkirchlich und auch außerhalb der Kirche. Natürlich kann sich nicht jeder Konflikt auf die Tempelreinigung Jesu beziehen. Es ist auch sehr zu bedauern, dass manche Kritik auch offensichtlich von unlauteren Motiven getrieben war, die Kirche und das Leitungsamt in Bausch und Bogen zu verunglimpfen. Dazu hat die Piusbruderschaft bereitwillig Munition geliefert. Aber dort, wo in der Sorge um die Kirche in aller Deutlichkeit in den vergangenen Wochen Kritik an der Aufhebung der Exkommunikation formuliert wurde, muss das zunächst einmal gehört und ernst genommen werden. Doch hat der Vorgang auch gezeigt, dass es innerkirchlich an einer gesunden Konflikt- und Streitkultur fehlt. Von manchem wurde die Diskussion flott beendet erklärt, als sie noch gar nicht richtig begonnen hatte, sachliche Kritik wurde zum persönlichen Angriff stilisiert, als Angriff auf den Papst oder die Kirche. Dahinter steht das Unvermögen, Widerspruch und Spannung, zu sehen, anzunehmen und auszuhalten, im eigenen Leben, aber auch in der Kirche. Viele zu lange schon entfernt sich unsere Kirche von theologischer und inhaltlicher Rede und Auseinandersetzung. Wir sind ermutigt, unser Jesus-Bild zu erweitern. Um das Gesicht des reizvollen Jesus. Er ist im Tempel ausgerastet. Wir lernen, wie Leidenschaft, Eifer und Widerspruch im Heiligen Raum ihren Platz haben. Dazugehören dürfen oder müssen. So gesehen, ist die gesuchte und gewagte Auseinandersetzung ein Zeichen seiner Nachfolge.