Homilie zum 20. Sonntag im Jahreskreis A (Mt 14,22-33) Luis Gurndin Kurzexegese: Da Matthäus für (eine) judenchristliche Gemeinde(n) schreibt, kann die Perikope 14,22-33 eine Mahnung sein, nicht in ein falsches Erwählungsbewusstsein zu verfallen. Das „offizielle“ hatte den messianischen Anspruch Jesu zurückgewiesen, während „Heiden“ ihn anerkannt hatten (die Weisen: Mt 2,1-12; der Hauptmann: Mt 8,513). Nun stehen die ersten Christengemeinden, die sich ja aus Judenchristen gebildet haben, in der Gefahr einer falschen Heilssicherheit, die Heiden die Zugehörigkeit zum Volk Gottes verwehren möchte. Zugehörigkeit zu Christus entscheidet sich allein am Leben nach seinem Wort und Beispiel – bei Israel und bei allen Völkern. Zielsatz: Ich will die Zuhörenden zum beharrlichen Gebet ermutigen, weil Gott das Heil für alle Menschen will – niemand ist davon ausgeschlossen. Motivation: Bitten kann riskant sein. Wer um Hilfe bittet, kann erfahrungsgemäß auch abgewiesen werden und muss unter Umständen damit rechnen, bloßgestellt, gedemütigt, enttäuscht zu werden. Darum kann jemand auch schon nach der ersten Abweisung verletzt den Rückzug antreten. Dabei sind wir alle in vielfacher Weise aufeinander angewiesen, und in der Tiefe unseres Herzens lebt der Wunsch, uns gegebenenfalls angstlos bloßstellen zu können; dass jemand da sei, der/die ohne Hintergedanken zur Hilfe bereit ist. Ja, wir wissen: Wahres Leben ist anders gar nicht möglich. Offen oder versteckt sind wir alle wie die heidnische Frau im Evangelium irgendwann unterwegs auf der Suche nach einem Mitmenschen mit der Bitte: „Hab Erbarmen mit mir, hab Zeit und Verständnis für mich!“ Und es gibt Situationen, wo man dafür alle Ängste, Bedenken und Hemmungen aufzugeben bereit ist. Frauen sind hier uns Männern normalerweise voraus: Möglicherweise, weil sie von einer traditionellen Rollenzuweisung mehr daran gewöhnt sind, mit Demütigungen zu leben; sicher aber auch, weil sie, wie ich meine – von Natur aus? –, Not schneller und besser sehen und verstehen. Problemfrage: Kann ich – und kann jeder Mensch – Gott ohne Angst begegnen? Bei Kenntnis seines sonstigen Verhaltens Notleidenden gegenüber ist die Reaktion Jesu auf die Bitte der Frau ungewohnt, ja ärgerlich. Fast von selbst ergreifen wir innerlich Partei für die Frau. Dabei ist freilich zu bedenken, dass der Evangelist die Situation wohl absichtlich zuspitzt, um seinen judenchristlichen Adressaten klar zu machen, dass das Heil Gottes allen – eben auch den Heiden – zugedacht und angeboten ist. Das war für die ersten Christengemeinden alles andere als selbstverständlich, wie uns die in der Apostelgeschichte beschriebenen Auseinandersetzungen unter den Aposteln selbst zeigen. Sollte freilich die Begegnung Jesu mit der heidnischen Frau damals tatsächlich „eins zu eins“ so stattgefunden haben, wie sie das Evangelium darstellt, dann müsste man das Verhalten Jesu wohl so deuten, dass er den Glauben der Frau auf die Probe stellen wollte. Versuch und Irrtum: Das Wagnis eingehen und auf Gegenargumente eingehen Die Art, wie die Frau nach der Darstellung des Evangeliums sich restlos dem Wohlwollen Jesu ausliefert, ist zutiefst berührend: Sie läuft nicht empört protestierend weg, sondern gesteht ein: Ja, ich habe kein Recht, Forderungen zu stellen, aber trotzdem oder gerade deswegen komme ich ja bittend – es geht mir schließlich nicht um irgendwas, sondern um das Wohlergehen meiner Tochter. Und sie reagiert schlagfertig auf das harte Wort Jesu, das die Beziehung Juden-Heiden auf die Ebene Kinder-Hunde stuft: „In Ordnung“, akzeptiert sie, „aber selbst die Hunde bekommen die Brosamen, die vom Tisch ihrer Herren fallen“. Soviel Schlagfertigkeit bringt der Frau aus dem Mund Jesu das Kompliment: „Frau, dein Glaube ist groß“, und die Rechtfertigung ihrer Beharrlichkeit: „Was du willst, soll geschehen.“ Und „die Moral von der Geschicht´? Lösungsangebot 1: Gott will und wirkt mein Heil. Der Glaube dieser Frau ist modellhaft: Rechter Glaube will nicht über Gott verfügen, sondern bittet mit dem Vorzeichen: „Dein Wille geschehe“, liefert sich also Gott aus und kann dann erfahren: Gott will und wirkt mein Heil. Dies ist auch ermutigend und tröstlich: Vor Gott ist es möglich, klein zu sein, ohne mit Enttäuschung, Missbrauch oder Ausnutzung rechnen zu müssen. Lösungsangebot 2: Gott will und wirkt das Heil für alle Menschen Das Evangelium macht uns neu bewusst: In jedem – vor allem in jedem Not leidenden – Menschen begegnet uns Gott. Darum gibt es vor Gott keine Menschen zweiter Kategorie, die unseres Mitgefühls, unseres Verständnisses und unserer Hilfe nicht würdig wären. Lösungsverstärkung: Kurzgeschichte In einer modernen Kurzgeschichte stellt sich das so dar: Der „fromme“ Rassist wird von Petrus am Himmelstor abgewiesen mit der Begründung: „Gott ist eine Negerin!“