Predigt am Sonntag Reminiszere zu Matthäus 26,36-46, Pastor Marcus Antonioli, Die Gnade und die Güte Gottes sei mit uns allen. Amen Eben noch hatten sie ihrem Herrn und Meister Gefolgschaft bis in den Tod versprochen, nun aber übermannt sie der Schlaf. Und obwohl das Mord-Komplott gegen Jesus schon geschmiedet war, hatte es in Betanien Streit um das kostbare Öl gegeben, mit dem ihn eine Frau Jesus für seinen letzte Weg gesalbt hatte. Gerade noch hatte sie mit das letzte Mahl gefeiert, doch so wollten nicht wahrhaben, welchen Weg Jesus vor sich hatte. Warum schlafen die drei ständig ein - ausgerechnet Petrus und die beiden Söhne des Zebedäus, die wegen ihres Glaubensfeuers auch den Spitznamen Donnersöhne bekommen hatten!? Gleichgültigkeit gegenüber der Not Jesu war es wohl nicht. Vielleicht wollten sie nicht aus ihren Träumen gerissen werden, wollten glauben, dass doch noch alles gut wird. Jeden Tag hatten sie mit Jesus unglaubliches erlebt, jeden Tag hatte er ihnen eine neue Welt eröffnet. JA, es war eine intensive Zeit, die diese Männer aus Galiläa mit Jesus hatten. Und waren sie nicht wie träumenden, als sie mit Jesus vom See Genezareth nach Jerusalem gezogen waren? Wie er Männer und Frauen bewegte und Kinder segnete, die Kranken heilte. - - Wer möchte schon aus einem wunderschönen Traum erwachen. Bisher war ihr Weg mit Jesus wie ein Spaziergang in Gottes neue Welt gewesen. - Doch es war unübersehbar; die Gemeinschaft um Jesus hatte schon Risse bekommen, denn die Gegnerschaft aus Pharisäern und Sadduzäern war bedrohlich. Und es war wohl nicht nur Judas Iskariot, der sich mehr versprochen hatte und sich innerlich abgewendet hatte. Bald würden sie kommen und Jesus holen.- Die Spannung war, mit Händen und Füßen zu greifen, aber es war wohl alles zu viel für sie. Und Jesus? Und dunkel ward die Nacht, im grauen Meer schwamm eine tote Sonne, kaum zu schauen war noch des qualbewegten Hauptes Grauen, im Todeskampfe schwankend hin und her. (Annette Droste-Hülshoff) Er war mutterseelenallein, von allen guten Geistern verlassen, gottverlassen, in tiefer Not liegt er vor seinem Vater. Welchen Weg soll er gehen? Es läuft auf das Kreuz zu, hart und schrecklich. Soll er den bitteren Kelch annehmen? Der Verrat der Jünger und der Hass seiner Gegner verletzen Jesus tief, denn er wollte ihnen doch den liebenden Gott, den er Vater nannte, näher bringen. Er war tödlich verwundet, noch bevor er die erste Gewalttat erlitten hatte. - Jesus fragt sich, ob es das alles Wert ist. Er hat Angst und möchte das Unvermeidbare vermeiden! Die Versuchung ist groß, den Weg des geringsten Widerstands zu gehen. Nicht umsonst gab es immer wieder Gedanken, dass Jesus gar nicht gekreuzigt worden sei. Niko Kasanzakis, der griechische Autor, hat seine Version in seinem umstrittenen Roman: die letzte Versuchung Christi aufgetischt, auch der Koran spricht davon, aber zuerst waren es wohl (gnostische) Gruppen im Christentum selbst, die mit dem Leiden und Sterben Jesu nichts anfangen konnten. Es sollte nicht gewesen sein, was nicht sein durfte. Der Gerechte Gottes, ja vielleicht Gottessohn leidet und stirbt qualvoll am Kreuz? Doch Jesus hat den bitteren Kelch angenommen, um der Liebe willen. Denn die Liebe und die Wahrheit vertragen bestimmte Kompromisse nicht! - So führt Jesu Weg mit uns Menschen durch die tiefsten Täler; wenn alles auseinanderbricht, teilt er unser Schicksal. Dieser Weg Gottes bleibt aber verwirrend und widersprüchlich, denn er erscheint so schwach und verletzlich. Ich kann gut verstehen, dass manche Jünger sich das Eingreifen Gottes wünschten! - Doch können Gewalt- und Machtdemonstrationen die Sprache der Liebe Gottes sprechen? Schwer vorstellbar. Wie sollte der Teufelskreislauf aus Sünde und Gewalt aufgebrochen werden, wenn Gott sich in diese Logik eingefügt hätte? Jesu Weg konnte nur in der völligen Hingabe, in der grenzenlosen Güte ein neues und wahres Leben eröffnen. Ohne die Geburt und den Schmerz und das Leid, schließlich den Tod, kann es das wahre Leben nicht Gestalt gewinnen. Die Wahrheit und die Liebe Gottes können nicht bestehen, wenn wir den Weg des geringsten Widerstands gehen. Wie schmerzhaft das für Jesus gewesen sein muss - können wir nur erahnen. Und gerade in seiner Angst kommt er uns als echter Mensch nahe! - Er durchlebt auf grausame Weise, wie weit weg Gottes Wege von unseren eigenen Wünschen sind. - Wie oft beten wir im Vater unser: Dein Wille geschehe, aber worum bitten wir da eigentlich? Ist es nicht allzu oft gedankenlos, oder beten wir es in der Erwartung, irgendwie in unserem Tun bestätigt zu werden? Der vermeintliche Wille Gottes entpuppt sich allzu oft, als unserer eigenes Streben. Der Wille Gottes steht oft quer zu unseren Lösungen und Erwartungen. Bis heute erfahren Christinnen und Christen immer wieder Leid und Verfolgung, weil sie an ihrem Glauben festhalten. Die Tränen und der Schmerz Jesu, ist ihnen gegenwärtig und darum stehe sie nicht allein in ihrem Leid! Wenn wir heute von Christinnen und Christen hören, die um ihres Glaubens willen verfolgt, benachteiligt, ja wie jüngst sogar getötet werden, dann kann uns das nicht kalt lassen. Vielleicht sind wir schon abgestumpft, weil wir zu viel von den Greueltaten hörten. Doch gerade wir Christen hier im Osten haben doch einen Begriff davon, wie es sich anfühlt, zu einer ungewollten Minderheit zu gehören! Liebe Gemeinde, Jesus in Getsemane das ist ein häufig gestaltetes Motiv in unserer Kunstgeschichte, denn da kommt etwas von unseren Kämpfen, von unseren Zweifeln und unseren Nöten zum Ausdruck. Getsemani - wie es im hebräischen heißt - ist ein Ölberg über dem Kidrontal, an dem eine Öl-Presse stand. Bis heute ist es für viele Christinnen und Christen aus aller Welt, ein Ort der Erinnerung. Die alten Ölbäume geben einem die Anmutung, als habe Jesus genau hier gebetet und mit seinem Vater um seinen Weg gerungen. - In einer alten Tradition wird das Kreuz Jesu mit einer Kelter verglichen. Denn durch sein Leiden und Sterben ist Jesus Christus selbst zur Quelle unbesiegbarer Hoffnung geworden! Wenn wir heute im Abendmahl Brot und den Wein aus der Rebe miteinander teilen, dann sind wir Teil seiner weltweiten Tischgemeinschaft. Amen