597 I 2 Infektionen des ZNS Trotz großer Erfolge der antimikrobiellen Chemotherapie kommt der Prävention übertragbarer Krankheiten eine unüberschätzbare Rolle zu. Durch gezielte Intervention in der Umgebung von Gesunden können Infektketten unterbrochen werden, sodass es erst gar nicht zur Erregerübertragung kommt. Auch Maßnahmen wie (z. B. Impfung, Tragen von Atemmasken und Handschuhen) sind einfach, wenig belastend, effizient und kostengünstig. 2 Infektionen des ZNS Bei der Therapiewahl müssen die direkte antimikrobielle Wirkung, die pharmakologischen Eigenschaften und die möglichen Interaktionen der jeweiligen Substanz berücksichtigt werden. Die Prävention durch Unterbrechung der Infektkette und andere Schutzmaßnahmen (z.B. Impfung) spielt eine große Rolle bei der Eindämmung von Infektionskrankheiten. 2 Infektionen des ZNS ▶ Definition: Meningitis: Entzündung der Hirnhäute. Enzephalitis: Entzündung von Hirnparenchym. Meningoenzephalitis: Oft besteht eine Kombination aus Meningitis und Enzephalitis. Hirnabszess: Umschriebene bzw. abgekapselte eitrige Infektion des Hirnparenchyms. ◀ Definition Erreger: s. Tab. I-2.1. Erreger: s. Tab. I-2.1. ▶ Merke: Bakterien induzieren ganz überwiegend eine Meningitis und keine Enzephalitis (Ausnahme: Listeria, die sowohl Meningitis als auch Enzephalitis erzeugt). Viren können beides hervorrufen. ◀ Merke Klinik: Kopfschmerzen, Erbrechen, Fieber, bei Enzephalitis ggf. zusätzlich Orientierungs- und Bewusstseinsstörungen, neurologische Ausfälle. Klinik: Kopfschmerzen, Erbrechen, Fieber, bei Enzephalitis ggf. Bewusstseinsstörungen. Allgemeine Diagnostik: Klinisch: Bei Meningitis: Kopfschmerzen, Nackensteifigkeit, positives Lasègueund Bragard-Zeichen. Bei tuberkulöser Meningitis ist der Verlauf schleichend und betrifft in erster Linie die Hirnbasis. Bei Enzephalitis: Ausfälle je nach Lokalisation, z. B. Ataxie bei Kleinhirnbefall, Orientierungsstörungen, Bewusstlosigkeit; in einigen Fällen (z. B. Toxoplasmose, CMV-Infektion) kann man auch eine Beteiligung der Retina, die entwicklungsgeschichtlich zum Gehirn gehört, in Form von Entzündungsherden erkennen. Bei Hirnabszess: Der neurologische Ausfall ist abhängig von Lokalisation und Ausdehnung des Abszesses. Als Ursache kann eine hämatogene Streuung (Staphylococcus aureus, Enterobacteriaceen) vorliegen. Weitaus häufiger sind fortgeleitete Entzündungen (z. B. bei Otitis, Mastoiditis, Sinusitis oder odontogen). Bei odontogener Herkunft sind zumeist Anaerobier (Porphyromonas, Prevotella, Bacteroides,, Streptokokken – auch als Mischinfektion) nachweisbar. Weiterhin kommen traumatische Ereignisse (Schädelverletzungen) als Ursache infrage, durch die eine Einschleppung von Keimen ermöglicht wird. Hier können sich auch sog. Spätabszesse (noch Monate bis Jahre nach dem Ereignis) entwickeln. Die Anamnese kann Hinweise auf die Erreger bringen, z. B. Auslandsaufenthalt, Epidemien oder Kontakt mit Erkrankten, Grundkrankheiten (z. B. Malignom bei Listerien). Zur typischen Altersverteilung bei Meningitis s. Tab. I-2.2. Bildgebende Verfahren: CTund MRT können auch kleine, lokale Veränderungen erfassen, ohne jedoch die Ätiologie zu klären. Als Differenzialdiagnose kommt immer auch ein Hirntumor in Frage. Labor: Im Blut findet man die charakteristischen Entzündungszeichen wie erhöhtes CRP, niedriges Eisen und Leukozytose. Bei einer Zystizerkose wäre nach einer Eosinophilie im Blutbild zu suchen. Allgemeine Diagnostik: Klinisch: Fieber, Kopfschmerzen und Nackensteifigkeit sind typische Zeichen einer Meningitis; Nervenausfälle, Desorientierung bis hin zu Bewusstlosigkeit sind Hinweise auf eine Enzephalitis. Beim Hirnabszess kommt es zu neurologischen Ausfällen, in Abhängigkeit von der Abszesslokalisation. Ursächlich sind fortgeleitete Entzündungen (z. B. Sinusitis, odontogen), eine hämatogene Streuung oder Traumen. Anamnese: Auslandsaufenthalt, Epidemien, Kontakt, Grundkrankheiten? Bildgebende Verfahren: Bereits kleine, lokale Veränderungen können mit CT und MRT dargestellt werden. Labor: Erhöhtes CRP, niedrige Eisenkonzentration und Leukozytose, bei Zystizerkose auch Eosinophilie. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Bei der Wahl der besten Therapie muss man neben der direkten antimikrobiellen Wirkung einer Substanz auch ihre Pharmakologie, Verträglichkeit und Interaktionen mit Begleitmedikamenten berücksichtigen. 598 I 2 Infektionen des ZNS I-2.1 I-2.1 Erreger von Enzephalitis bzw. Meningitis Erreger Meningitis Prionen: BSE Enzephalitis ++ Viren: Entero Varizellen +++1 +++1 Mumps Masern +++1 +++1 +2 Herpes + +++ FSME JC ++ +++ HIV Corona +++ +++ CMV ++ (chronisch) Bunya Rabies +++ +++ Bakterien: Meningokokken +++ Pneumokokken +++ Streptococcus agalactiae Haemophilus influenzae ++ +++3 Borrelia burgdorferi Mycobacterium tuberculosis + +++ (chronisch) Staphylococcus aureus ++ (postoperativ) ++ Listeria monocytogenes Treponema pallidum +++ + +++ ++ Mycoplasma pneumoniae Anaerobier (oft als Mischinfektion) + ++ +++ (Hirnabszess) Brucella melitensis + Leptospira icterohaemorrhagica E. coli (K1) ++ ++ Pilze: Cryptococcus neoformans ++ ++ Histoplasma capsulatum ++ Coccidioides immitis Aspergillus (bei Abwehrschwäche) ++ + Encephalitozoon bieneusii + Protozoen: Toxoplasma gondii Plasmodium falciparum + ++ ++ Trypanosoma + ++ Naegleria fowleri Acanthamoeba + + ++ + Würmer: 1 2 3 Taenia solium (Zystizerkose) + (chronisch) Toxocara canis + (chronisch) Gehören zu den häufigsten Erregern von Meningitis; die Verläufe sind aber meist blande. Bei Masern kann gelegentlich bei akuter Infektion ein schwerer Verlauf beobachtet werden; Jahre später kann die gefürchtete SSPE (subakut sklerosierende Panenzephalitis) auftreten. Seit Einführung der Impfung von Kleinkindern ist diese Infektion fast verschwunden. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. + 599 I 2 Infektionen des ZNS Typische Altersverteilung bei Meningitis I-2.2 Erreger typisches Alter Listeria Neugeborene, alte Menschen > 60 Jahre Meningokokken 1–4 Jahre, ein zweiter Gipfel 14–20 Jahre Masern, Mumps, Varizellen Kinder (ungeimpft) I-2.3 Typische Liquorbefunde bei bakterieller und viraler Meningitis Parameter bakterielle Meningitis virale Meningitis Zellzahl ↑↑↑ in der akuten Phase überwiegen die polymorphkernigen Granulozyten; nach einigen Tagen und vor allem nach Überwindung der Infektion erscheinen Makrophagen bei der chronisch verlaufenden tuberkulösen Meningitis sind weniger Granulozyten und dafür relativ mehr Makrophagen ↑ überwiegend Lymphozyten Eiweiß ↑ ↑ Glukose ↓ – Laktat ↑ – Liquordiagnostik: Zu Befunden bei Meningitis s. Tab. I-2.3. Bei enzephalitischen Herden tritt – wenn überhaupt – meist nur eine leichte mononukleäre, lymphozytäre Reaktion auf. I-2.3 Liquordiagnostik: s. Tab. I-2.3. Mikrobiologische Diagnostik: Die mikroskopische Erkennung von manchen Erregern im Liquor (Meningokokken, Pneumokokken, Listerien, Haemophilus, Kryptokokken, Amöben) bringt eine schnelle Hilfe; der Nachweis von Antigen ist in einigen solcher Fälle (Meningokokken, Pneumokokken, Kryptokokken) möglich, ist aber der sorgfältigen mikroskopischen Diagnose kaum überlegen. Der kulturelle Befund ist für die Bestätigung wichtig. Der PCR kommt zunehmend Bedeutung zu, vor allem bei viralen Infektionen. Der Quotient aus spezifischen Antikörpern in Liquor und Serum (bei gleichzeitigem Vergleich von Albumin in beiden Kompartimenten) ist sehr hilfreich. Die mikroskopische Untersuchung von Liquor bringt in vielen Fällen eine rasche Klärung, die dann noch durch die Kultur bestätigt wird. PCR und Serologie sind hilfreich. Differenzialdiagnose: Neben den klassischen Erregern von ZNS-Infektionen kommt es bei mehreren anderen Infektionen im Rahmen einer Disseminierung zu Meningismus und zu zentralnervösen Ausfallserscheinungen. Verwirrend ist auch die Tatsache, dass bei einigen Patienten chronische, aseptische, idiopathische Meningitiden, z. B. die Mollaret-Meningitis, auftreten, deren pathophysiologische Ursachen ungeklärt sind. Auch Metastasen von Malignomen erzeugen oft ähnliche Symptome wie eine Enzephalitis. Degenerative Erkrankungen, wie etwa die multiple Sklerose, müssen abgegrenzt werden. Differenzialdiagnose: Als DD für eine infektiöse Meningitis bzw. Enzephalitis kommen degenerative Erkrankungen und Malignome infrage. Therapie: Bakterielle Infektionen: Bei der Auswahl der Medikamente muss neben der direkten antibakteriellen Wirkung auch die Liquorgängigkeit berücksichtigt werden. Die Betalaktamantibiotika z. B. gehen im Prinzip nur schlecht über eine intakte Blut-Hirn-Schranke. Bei einer Schrankenstörung dagegen – erkennbar an einem hohen Albumingehalt im Liquor – ist die Penetration deutlich besser. Oft wird eine Kombination von mehreren Antibiotika verabreicht. Virale Infektionen: Hier stehen nur wenige Medikamente zur Verfügung. Bei einer Herpes-Enzephalitis kann Aciclovir lebensrettend sein. Die gut wirksamen antiretroviralen Medikamente penetrieren z. T. schlecht in das ZNS, so dass sich trotz einer guten systemischen Wirkung während einer rationalen Therapie eine HIV-Enzephalitis entwickeln kann. Bei ganz akuten, schweren Entzündungen des ZNS werden additiv Kortikoide zur Senkung der überschießenden, zytokinbedingten Reaktionen verordnet, Therapie: Bei der kalkulierten Antibiotikatherapie von bakteriellen Infektionen wird oft eine Kombination verwendet. Auch für virale Infektionen stehen einige wirksame Präparate zur Verfügung, z. B. Aciclovir bei Herpes-simplex-Enzephalitis. Kortikoide tragen dazu bei, eine überschießende entzündliche Reaktion zu drosseln. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. I-2.2 Die chirurgische Entlastung kann bei Hirnabszess helfen. Prophylaxe: Die medikamentöse Prophylaxe einer Meningokokkenmeningitis, z. B. mittels Ciprofloxacin, ist für Kontaktpersonen essenziell. Impfungen schützen gegen Meningitiden durch Mumps-/Masern-Viren, FSME, Pneumokokken, Haemophilus und manche Meningokokken. Prognose: Trotz guter antimikrobieller Medikamente gegen manche Erreger bleibt die Bedrohung vieler manifester Erkrankungen ernst. Einige virale Infektionen verlaufen dagegen meist blande. Infektionen des Auges 3 Je nach Lokalisation verlaufen die Infektionen des Auges unterschiedlich. 3.1 Infektionen der Augenlider ▶ Definition Diagnostik: klinischer Befund (Inspektion, Spaltlampenuntersuchung; Tab. I-3.1). I 3 Infektionen des Auges weil dadurch auch die Spätfolgen in Form von narbigen Verklebungen reduziert werden. Dies stellt eine Gratwanderung dar, denn die körpereigene Infektabwehr wird dadurch behindert. Bei Hirnabszess kann eine chirurgische Entlastung eine schnelle Heilung bringen. Erstaunlicherweise bilden sich danach auch große entzündete Areale ohne wesentliche Defekte rasch zurück. Prophylaxe: Medikamentös: Patienten mit einer manifesten Meningokokkenerkrankung scheiden mit ihrem Trachealsekret große Mengen von Bakterien in Form von Tröpfchen aus. Personen, die damit Kontakt haben, also Angehörige, Kameraden, medizinisches Personal, haben ein etwa 1000fach höheres Risiko an einer Meningitis zu erkranken als sonst und können als Träger die Erreger auch auf weitere Personen übertragen. (Eine Krankenschwester, die Kontakt hatte, kann die Meningokokken mit nach Hause bringen und ihre Kinder, die ja weitaus anfälliger sind, damit gefährden.) Eine frühzeitige, kurzfristige Antibiotikabehandlung kann schon die Besiedelung der Schleimhäute effektiv unterbinden und die Infektion natürlich auch ein Trägerstadium und eine Übertragung verhindern. Obwohl Penicillin gut gegen Meningokokken wirkt, ist es als Prophylaktikum nicht geeignet, da es nicht in den Schleim der oberen Luftwege penetriert und somit ein Trägerstadium nicht unterbindet. Dagegen ist eine einmalige Gabe von Ciprofloxacin ausreichend, weil dieses Medikament sehr niedrige MHK-Werte gegen Meningokokken hat und in hoher Konzentration in der epithelial lining fluid der Trachea erscheint. Alternativ käme Rifampicin oder auch Tetrazyklin in Frage, die aber 2 Tage lang verabreicht werden müssen. Impfung: Imfungen gegen Mumps, Masern, (Röteln) sowie Poliomyelitis und auch gegen Haemophilus influenzae b (Hib) gehören heute zur Standardversorgung von Kindern, so dass die zentralnervösen Folgen vermieden werden können. Die FSME-Impfung ist zumindest sinnvoll vor Aufenthalten in Hochrisikogebieten. In bestimmten Situationen verhindert auch eine Impfung gegen Meningokokken (Serogruppe A und C) und Pneumokokken eine kritische Situation. Prognose: Die hohe Sterblichkeit, die früher bei bakteriellen Meningitiden beobachtet wurde, ist heute wegen Impfungen und antimikrobieller Therapie deutlich gesunken. Andererseits bleibt diese Lokalisation eine schwere Bedrohung und in vielen Fällen, z. B. Malaria, fatal. Die meisten viralen ZNS-Infektionen, wie Mumps, Masern und Varizellen und auch FSME, verlaufen dagegen blande vor allem im Kindesalter. 3 Infektionen des Auges Die Infektionen des Auges verlaufen in Abhängigkeit von der Lokalisation ganz unterschiedlich. Die einzelnen Strukturen können isoliert, häufig jedoch auch in Kombination betroffen sein. 3.1 Infektionen der Augenlider ▶ Definition: Infektiöse Erkrankungen der Augenlider können die Lidhaut, vor allem die Lidränder (Blepharitis) und die Liddrüsen betreffen (Tab. I-3.1). Diagnostik: Die Diagnose ergibt sich meist aus dem klinischen Befund (Inspektion, Spaltlampenuntersuchung; Tab. I-3.1); in Zweifelsfällen wird ein Abstrich entnommen. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 600 601 I 3.2 Infektionen der Bindehaut Infektionen der Augenlider Lokalisation Erkrankung Ätiologie/Erreger Klinik Therapie Zoster ophthalmicus VZV starke neuralgiforme Schmerzen und wenige Tage später einsetzende Bläschenbildung in Gruppen angeordnet mit Hautrötung Aciclovir (systemisch) Lidherpes HSV kleine schmerzende Bläschen umschriebene Rötung und Schwellung Aciclovir (lokal) Lidabszess/phlegmone nach lokaler Infektion im Zusammenhang mit Verletzungen, Insektenstich oder fortgeleitet, z. B. bei Sinusitis starke Rötung und Schwellung Fieber antibakterielle Therapie (systemisch und lokal) nach Antibiogramm Lidrand Blepharitis meist Staphylokokken, aber z. B. auch Läuse (Phthiriasis, s. S. 587) und Haarbalgmilben (Demodex) entzündlich veränderte und schuppende Lidränder, gelbliche Krusten und ggf. Nissen/ Läuse am Wimpernschaft, z. T. Juckreiz Lidrandhygiene und je nach Erreger lokale antiinfektiöse Therapie Liddrüsen Hordeolum (Gerstenkorn) meist staphylokkokken-, seltener streptokokkenbedingte Entzündung von: schmerzhafte, gerötete Schwellung mit zentralem Eiterpunkt (DD: druckindolentes Chalazion = granulomatöse chronische Entzündung der Meibom-Drüsen bei Sekretstau) Spannungs- und Druckgefühl trockene Wärme, desinfizierende und antibiotische Salben Lidhaut I-3.1 externum Zeis- oder Moll-Drüsen am äußeren Lidrand internum (Abb. I-3.1) Meibom-Drüsen an der Lidinnenseite Hordeolum internum 3.2 Infektionen der Bindehaut I-3.1 3.2 Infektionen der Bindehaut ▶ Definition: Konjunktivitis ist eine Entzündung der Bindehaut (Konjunktiva), eine durchsichtige, gefäßreiche Schleimhaut, die sich auf der Innenseite der Augenlider und dem anliegenden Augapfel befindet. ◀ Definition Epidemiologie und Ätiologie: Die Konjunktivitis ist insgesamt eine der häufigsten Augenerkrankungen. Neben zahlreichen infektiösen Ursachen (Tab. I-3.2) muss differenzialdiagnostisch auch an ein nichtinfektiöses Geschehen gedacht werden (z. B. bei permanentem Reizzustand, Allergien oder im Rahmen anderer Erkrankungen bzw. als Zweiterkrankung; z. B. Reiter-Syndrom, s. S. 391). Die bakterielle Entzündung kann durch physiologisch vorkommende Keime bei Schwächung der körpereigenen Abwehr oder mechanischen Schädigungen entstehen, aber auch durch Neuinfektion mit pathogenen Keimen von außen. Die Erreger werden meist durch Schmier- oder Tröpfcheninfektion übertragen. Die Übertragung erfolgt von Mensch zu Mensch über das Augensekret oder über kontaminierte Gegenstände. Insbesondere bei epidemischer Ausbreitung muss an hochkontagiöse Erreger, wie z. B. Adenoviren (Keratokonjunctivitis epidemica), gedacht werden. Chlamydieninfektionen werden okulogenital übertragen; bei Erwachsenen entweder durch sexuelle Kontakte oder über kontaminiertes Wasser (z. B. in Schwimmbädern), bei Neugeborenen während der Geburt. Das Trachom, eine der häufigsten Augenerkrankungen und Hauptursache von Erblindung weltweit, ist vorwiegend in Ländern mit schlechten hygienischen Verhältnissen anzutreffen und wird dort hauptsächlich durch Fliegen verbreitet. Epidemiologie und Ätiologie: Die häufige Augenerkrankung kann neben infektiösen Ursachen (Tab. I-3.2) auch nicht-infektiös bedingt sein. Bakterielle Infektionen sind endogen oder exogen. Die Erreger werden meist durch Schmieroder Tröpfcheninfektion übertragen. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. I-3.1 I 3 Infektionen des Auges Konjunktividen bei Neugeborenen (Ophthalmia neonatorum) sind Folge einer Übertragung von der Mutter während der Geburt. Konjunktividen bei Neugeborenen (Ophthalmia neonatorum, z. B. durch Gonokokken, Chlamydien, Hämophilus, Staph. aureus, HSV) sind Folge einer Übertragung von der Mutter während der Geburt. Allerdings kann auch durch die postpartale Credé-Prophylaxe mit Silbernitrat (s. S. 371) passager eine toxische Konjunktivitis entstehen. Klinik: Es kommt zur akuten Rötung, schmerzhaften Reizung und verstärktem Tränenfluss. Eiteraustritt ist typisch für die gonokokkenbedingten NeugeborenenBlenorrhö. Das Trachom ist charakterisiert durch chronische, granulomatöse Entzündung, mit kleinen, follikulären Herden am tarsalen (Abb. D-2.97, s. S. 451) und bulbären Anteil der Konjunktiva. Klinik: Akut auftretende Rötung (Hyperämie) und schmerzhafte Reizung mit Brennen und verstärktem Tränenfluss sind typisch. Die Keratokonjunctivitis epidemica sowie die Einschluss- bzw. Schwimmbadkonjunktivitis sind hochkontagiös, heilen aber im Allgemeinen folgenlos aus. Während die vorgenannten Entzündungen meistens serös verlaufen, tritt bei einer gonokokkenbedingten Neugeborenen-Blenorrhö, (s. S. 371) eine eitrige Entzündung in Erscheinung. Chronische, granulomatöse Infektionen, bei denen viele kleine follikuläre Herde am tarsalen (Abb. D-2.97, s. S. 451) und am bulbären Anteil der Konjunktiva entstehen, sind typisch für das Trachom. Diagnostik: Eine mikrobiologische Abklärung ist bei epidemischen und eitrigen Infektionen notwendig. Diagnostik: Bei sporadischen Fällen von hyperämischen Infektionen ist eine mikrobiologische Klärung der Ursachen meist nicht notwendig, da die Infektionen selbstlimitiert verlaufen. Bei epidemisch auftretenden Fällen sollte eine mikrobiologische Verifizierung durch mikroskopische, kulturelle oder molekularbiologische Untersuchung von Abstrichen versucht werden. Auch bei eitrigen Infektionen sollte ein Abstrich ins Labor eingeschickt werden. Therapie: s. Tab. I-3.2 Therapie: siehe Tab. I-3.2. I-3.2 Infektiöse Ursachen der Konjunktivitis Erregergruppe Erreger Krankheitsbild Therapie akute oder subakute bakterielle Konjunktivitis, z. T. bei Neugeborenen: Blenorrhö* lokale Antibiose (Breitbandantibiotikum), evtl. in Kombination mit einem Kortikosteroid Neisseria gonorrhoeae Gonokokken-Konjunktivitis bei Neugeborenen: Gonoblenorrhö* (klassische Blennorrhoea neonatorum) lokale (Gentamicin) und systemische (Cephalosporin der 3. Generation) Antibiose Chlamydia trachomatis Serovare A–C Trachom (granulomatös) lokale und systemische Antibiose (Tetracyclin, Erythromycin) Chlamydia trachomatis Serovare D–K Einschluss- oder Schwimmbadkonjunktivitis (Paratrachom) Meist selbstlimitiert, evtl. supportive, antientzündliche Therapie, ggf. lokale und systemische (!) Antibiose (Tetracyclin, Erythromycin) Adenoviren 7, 8 und 19 Keratokonjunctivitis epidemica (hochkontagiös) symptomatisch: Tränenersatzmittel, kalte Auflagen Hygienemaßnahmen (!) Rubulaviren, Enteroviren, ECHO-Viren, Coxsackieviren, VZV, HSV, Masern- und Mumpsviren unspezifische Konjunktivitis, z. T. Mitbeteiligung anderer okulärer Strukturen symptomatisch HSV: lokal Aciclovir VZV: systemisch und lokal Aciclovir Pilze (selten) Candida und andere Hefepilze mykotische Konjunktivitis, häufig in Verbindung mit Keratitis lokale Antimykotika (Nystatin, Amphotericin B) Parasiten Onchocerca volvulus Loa loa chronische Konjunktivitis, z. T. als konjunktivale Mitbeteiligung bei Skleritis/Keratitis Onchocerca volvulus: systemisch mit Ivermectin Loa loa: chirurgische Entfernung des Parasiten Bakterien meist Staphylokokken, Pneumokokken (am häufigsten) und andere Streptokokken daneben auch andere, wie Pseudomonas , Haemophilus oder Moraxella Viren * Blenorrhö = Eiterabsonderung aus der Lidspalte, meist im Zusammenhang mit Neugeborenen verwendeter Begriff 3.3 Infektionen der Hornhaut ▶ Definition 3.3 Infektionen der Hornhaut ▶ Definition: Keratitis ist eine Entzündung der Hornhaut des Auges (Cornea). Aufgrund der ausgeprägten Innervation der Hornhaut verläuft sie meist sehr schmerzhaft. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 602 603 Ätiologie: Nach Trauma und Operation oder durch Tragen von Kontaktlinsen kann es zu einer mechanischen Schädigung der Hornhaut kommen, was dann eine Eintrittspforte für diverse bakterielle Erreger, sowohl grampositive wie gramnegative, aber auch für freilebende Ämoben (Akanthamöben, s. S. 515) sein kann. Die sog. Akanthamöben-Keratitis ist meistens auf eine mangelhafte Hygiene im Umgang mit Kontaktlinsen zurückzuführen. Virusinfektionen der Konjunktiva, meistens bedingt durch Adenoviren, können auf die Kornea übergreifen. Herpes-simplex-Virus (HSV, s. S. 241) und seltener Varizella-Zoster-Virus (VZV, s. S. 245), der sog. Zoster ophthalmicus, können direkt und solitär – meist einseitig – die Hornhaut befallen. Keratitiden durch Pilze werden heute neben einer Immunschwäche insbesondere durch lang andauernde Therapien mit Antibiotika oder Kortikosteroiden begünstigt. Ätiologie: Eine Schädigung der Hornhaut entsteht durch Trauma, Operation oder Tragen von Kontaktlinsen und geht dem Eintritt von Bakterien und Amöben voraus. Auch ein Übergreifen einer viralen Konjunktivitis auf die Hornhaut ist möglich. Hinzu kommt eine direkte Infektion der Hornhaut mit HSV oder VZV. Keratitiden durch Pilze werden durch Langzeittherapien mit Antibiotika oder Kortikosteroiden begünstigt. Klinik: Fremdkörpergefühl, Schmerzen, Photophobie, evtl. Rötung des Auges und Sehverschlechterung sind die Klagen des Betroffenen, was dann zu einer augenärztlichen Untersuchung veranlassen sollte. Klinik: Fremdkörpergefühl, Schmerzen, Photophobie, evtl. Rötung und Sehverschlechterung. Diagnostik: An der Spaltlampe sind die typischen Läsionen erkennbar: Der Befall der Hornhaut kann zu einer oberflächlichen Ulzeration führen, ohne die Bowman-Schicht zu zerstören. Wenn allerdings auch diese letzte Barriere durchbrochen ist, droht eine Invasion mit Hypopyonbildung (Eiteransammlung am Boden der vorderen Augenkammer, Abb. I-3.2). Bei lang anhaltendem Defekt kann eine narbige Ausheilung sichtbar sein. Bei der Überprüfung der Hornhautsensibilität zeigt sich insbesondere bei viralen Entzündungen (HSV, VZV) eine stark herabgesetzte Sensibilität. Zur Erregerbestimmung ist ein Abstrich oder eine Gewebeprobe (Abkratztechnik inbesondere bei V. a. Mykosen oder Akanthamöben, ggf. von Kontaktlinsen) erforderlich. Diagnostik: Mit der Spaltlampe können nachgewiesen werden: oberflächliche Ulzerationen bei Zerstörung der Bowman-Schicht, ggf. Hypopyon (Abb. I-3.2) bei lang anhaltendem Defekt Narben. Bei viralen Infektionen findet man eine herabgesetze Hornhautsensibilität. Zur Erregerbestimmung sollte ein Abstrich genommen werden. Therapie: Bei oberflächlichen Hornhautläsionen muss je nach Verdacht umgehend mit einer topischen antimikrobiellen Therapie begonnen werden (Antibiotika, Virustatika, Antimykotika). Bei Hornhautperforation oder bei Narbenbildung mit schwerem Visusverlust bleibt schließlich nur noch die Transplantation (Keratoplastik). Therapie: Bei oberflächlicher Schädigung topische antiinfektiöse Behandlung; bei Perforation und Narbenbildung Transplantation. I-3.2 Bakterielles Hornhautulkus mit Hypopyon (→) I-3.2 3.4 Intraokuläre Infektionen 3.4 3.4.1 Uveitis 3.4.1 Uveitis ▶ Definition: Die Uvea setzt sich zusammen aus Iris (Regenbogenhaut), Ziliarkörper und Choroidea (Aderhaut). Je nach Lokalisation der Entzündung unterscheidet man: Uveitis anterior: Entzündung der Iris (Iritis), auch in Kombination mit dem Ziliarkörper (Iridozyklitis) Uveitis intermedia: Entzündung des Ziliarkörpers (Zyklitis) Uveitis posterior: Entzündungen der Choroidea (Choroiditis) unter Mitbeteiligung der Netzhaut (Chorioretinitis) oder Entzündung primär der Netzhaut mit Ausbreitung auf die Uvea (Retinochorioiditis). Eine Entzündung der gesamten Uvea heißt Panuveitis. ◀ Definition Intraokuläre Infektionen Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. I 3.4 Intraokuläre Infektionen I 3 Infektionen des Auges Ätiopathogenese: Eine infektiöse Genese ist selten. Die Erreger können entweder durch direkte Inokulation oder hämatogene Streuung in die Uvea gelangen. Häufige Erreger sind u. a. Viren (z. B. VZV, CMV), Bakterien (z. B. Borrelia, Treponema), Candida-Arten, Toxoplasma gondii. Ätiopathogenese: Eine infektiöse Genese ist bei Uveitis eher selten zu sehen. Diverse Erreger können entweder durch direkte Inokulation (z. B. perforierende Verletzungen) oder im Rahmen von systemischen Infektionen hämatogen in die Uvea gelangen und dort infektiöse Metastasen setzen. Häufige Erreger sind: Viren: z. B. VZV, CMV (CMV-Retinitis, insbesondere bei AIDS-Patienen) Bakterien: z. B. Borrelia, Treponema Candida-Arten (Candida-Retinitis mit typischen „Cotton wool“-Herden) Protozoen: Toxoplasma gondii (Retinochorioiditis nach angeborener Infektion). Klinik: Die Iritis/Iridozyklitis ist schmerzhaft, die Chorioiditis dagegen schmerzfrei. Die Sehstörungen können je nach Manifestation unterschiedlich ausfallen. Klinik: Klinisch von Bedeutung ist, dass eine Iritis/Iridozyklitis, schmerzhaft, eine Chorioiditis dagegen schmerzfrei verläuft, da die Aderhaut keine sensiblen Nervenfasern enthält. Das Ausmaß der Sehstörung ist von der Lokalisation bzw. der Ausdehnung der entzündlichen Läsion abhängig. Oft wird die Erkrankung manifest, wenn die Fovea centralis betroffen ist. Diagnose: Untersuchung mit der Spaltlampe und dem Ophthalmoskop, Blutkultur, Serologie. Diagnose: Bei Untersuchungen mit der Spaltlampe und dem Ophthalmoskop sind häufig typische Erscheinungen erkennbar, die bereits eine grobe Einordnung des Krankheitsbildes zulassen. Mittels einer Blutkultur kann man die ursächliche, systemische Infektion durch Bakterien und Pilze eruieren. Eine Toxoplasma-Infektion wird serologisch bestätigt, wobei der lokale Herd so minimal sein kann, dass ein Titeranstieg im Serum dadurch nicht immer erfolgt. Eine CMV-Infektion wird mittels PCR oder durch Nachweis eines Virusproteins (pp65) in Granulozyten erkannt. Therapie: gezielte antimikrobielle Therapie, ggf. Mydriatika zur Ruhigstellung der Pupille. Therapie: Je nach zugrunde liegender Ursache wird eine gezielte antimikrobielle Therapie eingeleitet, nicht zuletzt wegen der drohenden bleibenden Sehstörung. Zur Ruhigstellung und Erweiterung der Pupille werden vorwiegend bei vorderer Uveitis Mydriatika verabreicht (Maßnahme zur Vorbeugung von Verklebungen zwischen Iris und Linse). 3.4.2 Endophthalmitis 3.4.2 Endophthalmitis ▶ Definition ▶ Definition: Akut oder chronisch verlaufende Entzündungen in den Augeninnenräumen einschließlich des Ziliarkörpers und des Glaskörpers (Corpus vitreum) werden Endophthalmitis genannt. Ätiologie: Sie entsteht entweder durch direkte Inokulation von Erregern (lokale Infektion, Trauma, Operation), fortgeleitet oder durch hämatogene Streuung. Erreger können bakteriell (häufig), viral, mykotisch oder parasitär sein. Ätiologie: Diese Entzündungen können entweder durch direkte Inokulation von Erregern (z. B. durch lokale Infektion, perforierende Verletzung, Operation), fortgeleitet oder durch hämatogene Streuung bei immungeschwächten Patienten (z. B. Diabetiker, Neutropeniker) entstehen. Als Erreger finden sich meist Bakterien (Staphylococcus epidermidis/ aureus, Proteus, Pseudomonas), aber auch Viren (CMV, HSV, VZV), Pilze (meist Candida) oder Parasiten (Toxoplasma, Onchocerca). Klinik: Symptome der Endophthalmitis sind ein akut rotes Auge, Schmerzen und eine akute Sehverschlechterung. Bei Bakterien und Viren, setzt die Symptomatik meist akut ein, bei Pilzen ist ein milderer, chronischer Verlauf typisch. Klinik: Symptome der Endophthalmitis sind ein akut rotes Auge, Schmerzen und eine akute Sehverschlechterung. Während die Symptomatik bei bakteriellen und viralen Erregern akut einsetzt und z. T. foudroyant verläuft, ist bei mykotisch bedingter Endophthalmitis meist ein milderer, chronischer Verlauf mit schleichendem Beginn zu beobachten. Es handelt sich um eine sehr ernste Erkrankung, die den Verlust des Sehvermögens oder sogar des gesamten Auges nach sich ziehen kann. ▶ Merke Diagnostik: Die Erreger werden direkt kulturell oder serologisch nachgewiesen. Bei der Spaltlampenuntersuchung und der Funduskopie finden sich Zeichen einer schweren Entzündung (Chemosis, Hypopyon, Glaskörpertrübungen). ▶ Merke: Insbesondere die akut bakterielle Endophthalmitis ist ein ophthalmologischer Notfall, der einer sofortige Behandlung bedarf! Diagnostik: Die Anamnese oder bestimmte Begleitkrankheiten können Hinweise auf eventuelle Ursachen erbringen. Die Erreger werden durch direkten kulturellen Nachweis (aus Glaskörper oder Vorderkammer) oder durch serologische Methoden nachgewiesen. Bei der Spaltlampenuntersuchung finden sich Zeichen einer schweren Entzündung (Lidödem, Chemosis, Bindehauthyperämie, Hypopyon etc.), bei der Funduskopie zeigen sich Glaskörpertrübungen (evtl. mit fehlendem Rotreflex). Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 604 605 I 3.6 Infektionen der Tränenorgane Therapie: Die Therapie richtet sich nach dem spezifischen Erreger. Die antimikrobiellen Medikamente werden lokal, systemisch und auch intravitreal verabreicht. Bei ausgeprägter Entzündung kann eine Entfernung des Glaskörpers (Vitrektomie) notwendig werden. Therapie: Erregerspezifische antimikrobielle Therapie (lokal, systemisch, intravitreal), ggf. Entfernung des Glaskörpers (Vitrektomie). 3.5 Infektionen der Orbita 3.5 ▶ Definition: Die wichtigste und schwerste Infektion im Orbitabereich ist die Orbitaphlegmone. Es handelt sich um eine akute Entzündung der Weichteilgewebe in der Augenhöhle. ◀ Definition Ätiologie: Die Orbitaphlegmone entsteht meist durch eine fortgeleitet Entzündung aus der Umgebung (meist aus den Nasennebenhöhlen bei Sinusitis); sie kann aber auch infolge einer iatrogenen bzw. traumatische Inokulation auftreten. Häufig ist sie bakteriell bedingt (z. B. Staphylococcus aureus), selten sind Schimmelpilze auslösend (z. B. Aspergillus fumigatus, s. Abb. E-2.9, S. 481 oder Zygomyzeten). Ätiologie: Die Orbitaphlegmone entsteht meist durch eine fortgeleitet Entzündung (Sinusitis). Verursacher sind Bakterien oder Schimmelpilze. Klinik: Die Orbitaphlegmone ist gekennzeichnet durch ein schweres Krankheitsgefühl mit Fieber und Schmerzen, die durch Augenbewegungen verstärkt werden. Die Bulbusbeweglichkeit ist deutlich eingeschränkt und neben einem Exophthalmus sind Bindehaut (Chemosis) und Augenlider geschwollen. Durch eine Fortleitung der Entzündung ins ZNS kann es zu lebensbedrohlichen Komplikationen kommen (Sinus-cavernosus-Thrombose, Meningitis, Hirnabszess, Sepsis). Klinik: Die Orbitaphlegmone ist durch schweres Krankheitsgefühl, eingeschränkte Bulbusbeweglichkeit und Exophthalmus gekennzeichnet. Lebensbedrohliche Komplikationen können durch intrazerebrale Fortleitung entstehen. Diagnostik: Bestimmung von Körpertemperatur, Entzündungsparametern (CRP, BSG) und Blutbild, ggf. auch Anfertigung einer Blutkultur bei fehlendem Ansprechen der Therapie. Zur Erfassung der Entzündungsausdehnung (prä- oder postseptal) und der Ursache (Sinusitis) kann eine CT hilfreich sein. Diagnostik: Bestimmung von Körpertemperatur, Entzündungsparametern und Blutbild; ggf. Blutkultur und CT. ◀ Merke ▶ Merke: Aufgrund der möglichen intrakraniellen Komplikationen sollte eine sofortige Antibiose eingeleitet werden. Therapie: Wichtig ist eine sofortige stationäre antimikrobielle Therapie; ggf. muss eine Sanierung des Entzündungsherdes (Nasennebenhöhlen) erfolgen. Therapie: Wichtig ist eine sofortige stationäre antimikrobielle Therapie. 3.6 Infektionen der Tränenorgane 3.6 ▶ Definition: Entzündungen der Tränenwege können die Tränendrüse (Dakryoadenitis), die Tränenkanälchen (Kanalikulitis) oder den Tränensack (Dakryozystitis) betreffen (Tab. I-3.3). I-3.3 Infektionen der Tränenorgane ◀ Definition Infektionen der Tränenorgane Ätiologie Klinik Therapie Dakryoadenitis akut: Virusinfektionen (z. B. Masern, Mumps, Röteln), Pneumokokken, Staphylokokken chronisch: Lues, Tbc akut: schmerzhafte Rötung und Schwellung des Oberlids chronisch: geringere Symptomatik symptomatisch (desinfizierende Umschläge) ggf. Antibiose oder Behandlung der Grunderkrankung Kanalikulitis häufig Aktinomyzeten (Konkrementbildung), auch Chlamydien, Candida und Aspergillus Rötung und Schwellung im Bereich des Kanals, evtl. Eiteraustritt am Tränenpünktchen lokale Antibiose ggf. Entfernung der Konkremente Dakryozystitis akut: Tränenwegsstenose mit nachfolgender bakterieller Superinfektion (Staphylokokken, Pneumokokken, Pseudomonas) chronisch: Folge der akuten Dakryozystitis akut: nasale schmerzhafte Rötung und Schwellung chronisch: Tränenträufeln (Epiphora) akut: lokale und systemische Antibiose, ggf. Inzision (Eiterabfluss), nach akuter Phase: Operation chronisch: ggf. lokale Antibiose, Operation Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Infektionen der Orbita I 4 Infektionen des Ohres Infektionen des Ohres 4 Infektionen des Ohres 4 4.1 Infektionen des äußeren Gehörgangs 4.1 Infektionen des äußeren Gehörgangs ▶ Definition ▶ Definition: Infektionen des äußeren Gehörgangs werden als Otitis externa bezeichnet. Sie können lokal begrenzt sein (Gehörgangfurunkel, sog. Otitis externa circumscripta) oder den gesamten Gehörgang betreffen (Otitis externa diffusa). ▶ Merke ▶ Merke: Eine besonders schwer verlaufende Form ist die Otitis externa maligna, die durch eine Infektion mit Pseudomonas aeruginosa verursacht wird. Sie tritt meist bei Diabetikern oder Immusuppression auf. Eine Gewebsinvasion führt zu Korpel- und Knochendestruktion ggf. sogar zu Sepsis, Meningitis, Hirnabszess). Ätiologie: Durch Störung der Schutzbarriere (mechnische Manipulation, Chlorwasser, Diabetes) können Infektionen durch Keime der Umwelt bzw. der menschlichen Flora auftreten. Hinzu kommen virale Infektionen. Ätiologie: Im Prinzip ist der äußere Gehörgang durch die dicke Epithelbarriere sowie durch humorale Schutzfaktoren, wie etwa dem Cerumen (Ohrenschmalz), vor Infektionen weitgehend geschützt. Kommt es zu einer Störung dieser Schutzbarriere, z. B. durch mechanische Manipulation (Wattestäbchen, Kratzspuren), können Infektionen durch Umweltkeime (Pseudomonas aeruginosa, Aspergillus niger) oder Keime der menschlichen Flora (Staphylococcus aureus, Enterobacteriaceen) auftreten. Auch häufiges Schwimmen in Chlorwasser (Austrocknung der Gehörgangshaut), anhaltende Feuchtigkeit (häufiges Baden) oder insbesondere das Vorliegen eines Diabetes mellitus können eine Infektion begünstigen. Schließlich kann auch im Rahmen einer Reaktivierung von VZV (Herpes zoster oticus) und HSV die Gehörgangshaut betroffen sein. Klinik: Oberflächliche Infektionen verlaufen blande. Tiefere Infektionen führen zu Juckreiz und brennenden Schmerzen, evtl. mit Ausfluss. Klinik: Oberflächliche Infektionen können unbemerkt verlaufen. Wenn die Entzündung tiefer in die Haut vordringt und stärker wird, spürt der Patient Juckreiz und brennende Schmerzen. Außerdem kann es zu einem verstärkten Ausfluss („nässendes Ohr“) und evtl. einer Minderung der Hörleistung kommen. Diagnostik: Bei der Inspektion sieht man je nach Intensität Rötung und Eiterung, bei einer Otomykose evtl. einen Pilzrasen. Eine mikrobiologische Untersuchung (mikroskopisch, kulturell, molekularbiologisch) kann die Ätiologie klären. Diagnostik: Bei der Inspektion sieht man abhängig von der Intensität der Entzündung eine Rötung und evtl. Eiterung. Bei einer Otomykose ist häufig ein regelrechter „Pilzrasen“ auf der Haut des Gehörgangs zu erkennen; bei Aspergillus niger als Ursache erscheinen die betroffenen Areale schwarz. Eine mikrobiologische Untersuchung (mikroskopisch, kulturell und ggf. molekularbiologisch mittels PCR) von Abstrichen der Gehörgangshaut ist zur Klärung der Ätiologie sinnvoll. Bei der malignen Otitis externa kann zur Erfassung der Knochendestruktion eine CT hilfreich sein. Therapie: Reinigung des Gehörgangs, lokale Desinfektion ist oft ausreichend, ggf. lokale antimikrobielle Therapie je nach Ursache. Systemische Therapie ist selten indiziert (z. B. Diabetiker). Therapie: Oft reicht eine Reinigung des Gehörgangs und die Anwendung von lokalen Desinfektionsmitteln (z. B. Jodophoren, Octenisept bzw. Polyhexanid, s. auch S. 692) aus. Die lokale antimikrobielle Behandlung richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache; selten ist eine systemische Therapie indiziert (z. B. bei Diabetikern). Die Therapie der Otitis externa maligna muss stationär erfolgen (u. a. mit lokaler und hochdosierter systemischer Antibiose, ggf. operative Therapie mit Abtragung des betroffenen Knochens). 4.2 Infektionen des Mittelohrs ▶ Definition Ätiopathogenese: Durch die Schleimhautschwellung bei Rhinitis wird das Mittelohr nicht ausreichend belüftet und das Sekret kann nicht abfließen. Dies begünstigt eine 4.2 Infektionen des Mittelohrs ▶ Definition: Die akute Mittelohrentzündung (Otitis media acuta) ist eine der häufigsten Erkrankungen im Kindesalter; sie tritt aber auch bei Jugendlichen und Erwachsenen auf. Bis zum 3. Lebensjahr haben etwa ⅔ aller Kinder diese Erkrankung durchgemacht. Ätiopathogenese: Die akute Mittelohrentzündung entsteht meist im Rahmen eines viralen Infekts der oberen Luftwege (Rhinitis) unter Beteiligung der Schleimhaut der Tuba auditiva Eustachii, selten infolge eines Trommelfelldefekts. Gerade bei Kindern, bei denen die Tuba mehr horizontal gestellt ist, führt die Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 606 607 Schwellung der Schleimhaut zu einer Obstruktion, welche noch durch vergrößerte Rachenmandeln begünstigt wird. Die Belüftung des Mittelohrs und der Sekretabfluss sind dadurch empfindlich gestört, was eine bakterielle Infektion begünstigt. Zu den häufigsten Erregern zählen Pneumokokken, Staphylococcus aureus, Haemophilus influenzae, Moraxella catarrhalis und gelegentlich auch Enterobacteriaceaen (z. B. Klebsiella pneumoniae). Auch mit anaeroben Bakterien muss gerechnet werden (u. a. Peptostreptococcus, Fusobacterium, Prevotella und Porphyromonas). Seltener sind Viren für die Entzündung des Mittelohres direkt verantwortlich (z. B. Masernvirus, Enteroviren, RSV, Rhinoviren, Influenza- und Parainfluenza- sowie Adenoviren). Infektion mit Bakterien (meist Pneumokokken, Staphylococcus aureus, Haemophilus influenzae, Moraxella catarrhalis, selten mit anaeroben Bakterien). Auch virale Infektionen können direkt für die Mittelohrentzündung verantwortlich sein. Klinik und Komplikationen: Typische Symptome der akuten Otitis media sind starke Ohrenschmerzen, Druckgefühl, Fieber und Allgemeinbeschwerden (Kopf- und Gliederschmerzen), evtl. auch Hörminderung. Charakteristisch ist auch ein sog. Tragusschmerz bei Druck auf diesen Ohrknorpel. Insbesondere bei kleinen Kindern stehen häufig nicht die Ohrenbeschwerden, sondern unspezifische Symptome wie Appetitlosigkeit und Bauchschmerzen im Vordergrund. Komplikationen entstehen durch eine Fortleitung der eitrigen Infektion auf benachbarte Strukturen. Es kann zu Mastoiditis, Labyrinthitis (Innenohrbeteiligung mit Drehschwindel, Übelkeit, Gleichgewichtstörungen) und zu lebensbedrohlichen endokraniellen Komplikationen (Meningitis, Hirnabszess) kommen. Heilt eine akute Mittelohrentzündung nicht vollständig aus, kann sich eine chronische Otitis media entwickeln. Klinik und Komplikationen: Typische Symptome sind starke Schmerzen, Druckgefühl, Fieber und Allgemeinbeschwerden. ▶ Merke: Die chronische Otitits media ist im Vergleich zur akuten Form auf einen permanten Defekt des Trommelfells zurückzuführen. Auch das Erregerspektrum sieht hier etwas anders aus (häufig Pseudomonas aeruginosa, aber auch Staphylococcus aureus, Enterobacteriaceae). Klinisch steht die Hörminderung im Vordergrund. Diagnostik: Bei der Otoskopie (Abb. I-4.1) zeigt sich ein gerötetes und vorgewölbtes Trommelfell, evtl. ist auch eine Spontanperforation mit Eiterentleerung in den Gehörgang sichtbar (Abstrich). Eine Parazentese (Einschnitt des Trommelfells), um gezielt Material für eine mikrobiologische Untersuchung zu gewinnen, ist nur bei schweren Verlaufsformen, z. B. einem stark eitrigen Erguss, sinnvoll. Der Hörverlust kann ggf. im Rahmen einer Hörprüfung quantifiziert werden. I-4.1 Otoskopischer Befund bei akuter Otitis media Therapie: Die Spontanheilungsrate ist insbesondere bei Kinder relativ hoch. Daher sind bei geringer Beeinträchtigung Maßnahmen wie Bettruhe, analgetische/antientzündliche Therapie (NSAR), abschwellende Nasentropfen oder auch feuchte Ohrwickel ausreichend. Bei Verdacht auf eine bakterielle Infektion kann eine Antibiotikatherapie, z. B. Makrolide, Ampicillin (evtl. kombiniert mit einem β-Laktamaseinhibitor) oder Cephalosporine der 2. Generation, den Heilungsprozess beschleunigen und evtl. eine Chronifizierung verhindern. Komplikationen entstehen durch eine Fortleitung der Entzündung auf benachbarte Strukturen (Mastoiditis, Labyrinthitis, Meningitis, Hirnabszess). ◀ Merke Diagnostik: Charakteristisch ist der sog. Tragusschmerz. Bei der Otoskopie (Abb. I-4.1) sieht man eine Rötung und Vorwölbung des Trommelfells. I-4.1 Therapie: Aufgrund der hohen Spontanheilungsrate sind Maßnahmen wie Bettruhe, analgetische/antientzündliche Therapie, abschwellende Nasentropfen oder auch feuchte Ohrwickel ausreichend. Bei bakterieller Infektion kann eine Antibiotikatherapie in Erwägung gezogen werden. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. I 4.2 Infektionen des Mittelohrs 608 I 5 Infektionen der oberen Luftwege Der seröse Erguss kann nicht auf natürlichem Wege drainiert werden, solange die Abflussstörung anhält. Vielmehr muss eine Trommelfellperforation Entlastung bringen und Schmerz und Druckgefühl vermindern. Infektionen der oberen Luftwege 5.1 Infektionen von Nase und Nasennebenhöhlen Ätiologie: Meist sind Viren Erreger von Rhinitis oder Sinusitis (Tab. I-5.1). Eine bakterielle Superinfektion (z. B. mit Pneumokokken, Haemophilus influenzae oder Staphylokokken) ist möglich. Auch Schimmelpilze können bei vorgeschädigter Schleimhaut die Nebenhöhlen kolonisieren und ein Pilzgeflecht („fungus ball“, Abb. I-5.1) hervorrufen. Die Entzündung der Kiefernhöhlen kann auch dentogen bedingt sein. I-5.1 5 Infektionen der oberen Luftwege 5.1 Infektionen von Nase und Nasennebenhöhlen Ätiologie: Vor allem virale Erreger (Tab. I-5.1) können akute, seröse Entzündungen der Nasenschleimhaut (Rhinitis) und der Nebenhöhlen (Sinusitis) hervorrufen. Differenzialdiagnostisch muss an eine allergische Ursache der Rhinitis gedacht werden, was durch gezielte Anamnese und ggf. Allergietestung geklärt werden sollte. Bakterielle Superinfektion (z. B. mit Pneumokokken, Haemophilus influenzae oder Staphylokokken) sind möglich. Bei Chronifizierung können ganz verschiedene Bakterien beteiligt sein. Ein spezielles Problem können Schimmelpilze (v. a. Aspergillus fumigatus und Zygomyzeten) erzeugen: Wenn die Pilzsporen eingeatmet werden, können sie bei vorgeschädigter Schleimhaut der unspezifischen Abwehr entgehen und die Nebenhöhlen kolonisieren, wobei sich lokal ein dichtes Pilzgeflecht („fungus ball“, s. Abb. I-5.1) entwickelt, das dann weder von der körpereigenen Abwehr noch von Antimykotika beseitigt werden kann. Dentogene Infektionen der Kieferhöhlen sind ebenfalls möglich. I-5.1 Typische Erreger von katarrhalischen Entzündungen der oberen Luftwege („common cold“) Adenoviren Coronaviren Coxsackieviren ECHO-Viren Enteroviren Influenzavirus Rhinoviren RSV Pneumovirus Paramyxovirus Klinik: Typisch für Rhinitis und Sinusitis sind die vermehrte Sekretproduktion, das eingeschränkte Riechvermögen und die mangelnde Belüftung der Nebenhöhlen und des Mittelohres. Das Auftreten von Heiserkeit, Husten, Schnupfen und Augenträufeln ist charakteristisch für einen katarrhalischen Infekt. Wenn mehrere Nebenhöhlen betroffen sind (Pansinusitis), kann die Entzündung durch bakterielle Superinfektion aggravieren und eitrig werden. Kopfschmerzen, Unwohlsein und Fieber nehmen zu. Narbige Veränderungen der Schleimhäute führen zur Chronifizierung. Eine Schimmelpilzinfektion kann Orbita oder ZNS befallen. Klinik: Bei Rhinitis und Sinusitis kommt es zur vermehrten Sekretproduktion. Die Atmung, das Riechvermögen und die Belüftung der Nasennebenhöhlen sowie des Mittelohres sind mehr oder weniger stark betroffen. Andere Schleimhautareale (z. B. Rachen und Konjunktiven) sind meistens gleichzeitig betroffen. Schnupfen, Heiserkeit, Husten und Augenträufeln sind also die klassischen Symptome bei diesen katarrhalischen Infekten (im Volksmund auch Erkältung = „common cold“ genannt). Wenn die Blockade der Belüftung der Nebenhöhlen anhält, steigt die Gefahr, dass mehrere Nebenhöhlen in Mitleidenschaft gezogen werden (Pansinusitis) und durch bakterielle Superinfektion die Entzündung noch aggraviert und eitrig wird. Dann verstärken sich auch die Beschwerden des Patienten wie Kopfschmerzen, Unwohlsein und Fieber. Bei ineffizienter antibiotischer Therapie können die Schleimhäute geschädigt werden. Es kommt zu narbigen Veränderungen, welche eine Chronifizierung bahnen, wobei auch eine Invasion in die umgebenden Knochen droht. Liegt eine Infektion durch Schimmelpilze vor, kann es zu dramatische Konsequenzen kommen, wenn die Pilze in die Umgebung auswandern. Die Orbita (s. S. 605) oder sogar das ZNS können befallen werden. Abwehrgeschwächte Patienten (z. B. mit Neutropenie bei Leukämie oder unter chemotherapeutischer Behandlung) sind in hohem Maße bedroht. Diagnostik: Die akute Rhinosinusitis ist meist eine klinische Diagnose. Bildgebende Verfahren und eine Erregerbestimmung können bei komplizierten Fällen oder bei Chronifizierung indiziert sein. Diagnostik: Die Diagnostik der akuten Rhinosinusitis stützt sich auf den typischen klinischen Befund; bei Unklarheit oder zur Erfassung von Komplikationen können bildgebende Verfahren (Endoskopie, Röntgen, CT) hilfreich sein. Eine Erregerbestimmung (Punktion der Nasennebenhöhlen) ist meist nur bei Chronifizierung oder komplizierten Fällen indiziert. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 5 609 I 5.2 Infektionen von Rachen und Larynx I-5.1 Schädel-CT einer 18-jährigen Patientin mit Aspergillusinfektion der linken Kieferhöhle Therapie: Schleimhautabschwellende Mittel können Linderung bringen. Bei bakterieller Superinfektion muss eine kalkulierte antibiotische Therapie mit Aminopenicillinen (evtl. in Kombination mit Betalaktamase-Inhibitoren), Oralcephalosporinen, Makroliden oder Chinolonen verordnet werden. Bei einer Infektion der Nebenhöhlen durch Schimmelpilze kann nur die rechtzeitige chirurgische Intervention verhindern, dass die Pilze in die Umgebung invadieren. Eine Ausbreitung der Infektion auf andere Organe muss durch die Gabe systemischer Antimykotika (z. B. Voriconazol) verhindert werden. Therapie: Schleimhautabschwellende Mittel sind hilfreich. Die Gabe von Antibiotika (Aminopenicilline, Oralcephalosporine, Makrolide oder Chinolone) ist bei bakterieller Superinfektion angebracht. Bei Schimmelpilzinfektion sollte chirurgisch eingegriffen werden und zusätzlich eine antimykotische Therapie erfolgen. ▶ Klinischer Fall: Eine 18-jährige Patientin klagt schon seit geraumer Zeit über eine „blockierte Nase“. Sonst fühlt sie sich allerdings völlig gesund. Am Freitagnachmittag bemerkt sie unter dem linken Auge eine Rötung und Schwellung, die innerhalb von Stunden progressiv zunimmt. Der Notarzt überweist sie in die Klinik; das Schädel-CT zeigt eine Verschattung in der Kieferhöhle, die bereits den Knochen zur Orbita und zur Schädelbasis durchbrochen hat (Abb. I-5.1). Deswegen wird noch in derselben Nacht der „Tumor“ operativ entfernt, wobei die weiche Konsistenz des Probenmaterials auffällt. Eine mikroskopische Untersuchung zeigt Pilzhyphen und am nächsten Tag ist in der Kultur Aspergillus fumigatus gewachsen. Die Patientin erhält zusätzlich systemisch Voriconazol. ◀ Klinischer Fall 5.2 Infektionen von Rachen und Larynx Ätiopathogenese und Klinik: Die Tonsillen, die zum lymphatischen System zählen, spielen einerseits eine wichtige Rolle bei der lokalen Abwehr. Andererseits ist die Angina tonsillaris eine häufige Komplikation bei Infektionen mit Viren (Tab. I-5.1), die meist eine seröse Entzündung induzieren (Ausnahme Herpangina, d. h. Bläschenbildung durch Coxsackie A), und Bakterien (Tab. I-5.2), die eine eitrige Entzündung hervorrufen. Häufig besteht nicht nur eine Tonsillitis, sondern auch eine Tonsillopharyngitis, weil das umliegende weiche Gewebe, das leicht zu Ödembildung neigt, mitbetroffen ist und die Symptome verstärkt. I-5.2 5.2 Infektionen von Rachen und Larynx Ätiopathogenese und Klinik: Bei bakterieller Superinfektion einer viral (Tab. I-5.1) verursachten „common cold“ kommt es zur eitrigen Angina tonsillaris (Tab. I-5.2). Es entsteht eine Tonsillopharyngitis oder als lokale Komplikation eine Peritonsillarabszess bzw. eine Seitenstrangangina. Auch systemische Folgen sind möglich. Spezifische Ursachen von eitriger Angina tonsillaris Erreger Klinik Streptococcus pyogenes einige, kleine, weiche, schmierige Eiterherde auf den Tonsillen (Stippchen) mit starker Rötung ggf. Scharlachexanthem der Haut (bei Produktion erythrogener Toxine durch die Streptokokken, s. S. 320) Corynebacterium diphtheriae Diphtherie mit großflächigen Eiterherden auf den Tonsillen, die hart sind und bei Entfernung bluten; starke, ausgedehnte Rötung; Foetor Fusobacterium/Borrelia Angina Plaut Vincenti (ulzeröse Angina), einseitig gelegentlich auch: Neisserien, Haemophilus, Bordetella, Chlamydien, Mycoplasmen, Anaerobier kleine, weiche, eitrige Herde auf den Tonsillen Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Man sieht eine kompakte Masse in den Nasenebenhöhlen (Pfeile), die bereits den Knochen zur Orbita und zur Schädelbasis durchbrochen hat. Bei akuter Laryngitis ist zudem die Trachea betroffen, was zu verstärktem Hustenreiz führt. Die Epiglottitis kann durch ödematöse Entzündung zum Ersticken führen. I 6 Infektionen der unteren Luftwege Lokale Komplikationen können entstehen, wenn sich ein Peritonsillarabszess bzw. eine Seitenstrangangina entwickeln, wobei man dann auch an Mischinfektion möglicherweise mit Anaerobiern denken muss. Da auch systemische Folgen (z. B. durch Diphtherietoxin oder durch eine Immunreaktion gegen Streptokokkenantigen wie z. B. in Form des akuten rheumatischen Fiebers) auftreten können, ist eine Diagnose und baldige Therapie dringend. Eine akute Laryngitis, die meistens durch Viren (Tab. I-5.1), seltener durch Bakterien (Pneumokokken, Moraxella, Haemophilus) bedingt ist, greift meistens auf die Trachea über, was den Hustenreiz noch verstärkt. Vor allem Patienten mit Begleiterkrankungen wie COPD, Asthma und Herzinsuffizienz leiden darunter stark. Eine isolierte akute, ödematöse Entzündung der Epiglottis (Epiglottitis, v. a. durch Haemophilus influenzae) kann zum Ersticken führen. Diagnostik: Mikroskopie und Kultur. Das Material gewinnt man durch einen Abstrich. Diagnostik: Zur Diagnose der eitrigen Tonsillitis eignet sich die Mikroskopie (die Angina Plaut Vincenti ist ausschließlich mikroskopisch nachweisbar, weil die anaeroben Bakterien schlecht anzüchtbar sind) und die Kultur. Das Material gewinnt man durch einen Abstrich. Therapie: Bei bakterieller Infektion sollten Penicillin, Cephalosporine der 2. Generation oder Makrolide gegeben werden; unterstützend lokal Gramicidin und zum Gurgeln schleimhautverträgliche Antiseptika. Bei Epiglottitis muss vor Antibiotikagabe sofort intubiert werden. Therapie: Zur antimikrobiellen Therapie geeignet sind Penicillin, Cephalosporine der 2. Generation und Makrolide. Evtl. kann die Therapie noch unterstützt werden durch lokale Gabe von Gramicidin (z. B. Lemocin Lutschtabletten) und Gurgeln mit schleimhautverträglichen Antiseptika (jodhaltige Verbindungen, Chlorhexidin oder Cetylpyridiniumchlorid). Eine Epiglottitis erfordert eine rasche Intubation bzw. sogar eine Tracheotomie gefolgt von einer Antibiotikatherapie (z. B. Ampicillin). Infektionen der unteren Luftwege 6 Infektionen der unteren Luftwege 6 6.1 Infektionen von Trachea und Bronchien 6.1 Infektionen von Trachea und Bronchien 6.1.1 Akute Tracheobronchitis 6.1.1 Akute Tracheobronchitis Ätiologie: Verursacher sind Viren (Tab. I-5.1, S. 608) oder Bakterien (auch als Superinfektion). Differenzialdiagnostisch kommen eine akute Exazerbation obstruktiver Lungenerkrankungen und andere nichtinfektiöse Ursachen (Gase, Allergene) in Betracht. Ätiologie: Die akute Tracheitis und Bronchitis werden durch diverse Viren (Tab. I-5.1, S. 608) die das Flimmerepithel schädigen, verursacht. Möglich sind auch bakterielle Infektionen bzw. Superinfektionen, die typischerweise nach anfänglicher Besserung der Symptome auftreten. Differenzialdiagnostisch muss an eine akute Exazerbation einer obstruktiven Lungenerkrankung wie Asthma und COPD und andere nichtinfektiöse Ursachen (z. B. Reizung durch Gase oder Allergene) gedacht werden. Klinik: Bei der akuten Tracheitis und Bronchitis dominiert das Symptom Husten mit Auswurf unterschiedlicher Farbe und Konsistenz. Zunächst ist die Farbe weiß und kann bei Hämoptysen rötlich eingefärbt sein. Bei bakterieller Infektion wird der Auswurf eitrig und gelb-grünlich. Diagnostik: Bei der Auskultation hört man neben einem verschärften Atemgeräusch auch mittel- bis grobblasige Rasselgeräusche. Oft kommen noch obstruktive Atemnebengeräusche, wie Giemen und Pfeifen, dazu. Röntgenologisch kann man die Veränderungen nicht erfassen. Eine kulturelle Untersuchung von Sputum auf Bakterien ist sinnvoll. Enterokokken sind zwar öfters im Sputum nachweisbar, kommen aber praktisch nie als Erreger in Frage. Klinik: Husten mit Auswurf unterschiedlicher Konsistenz und Farbe ist typisch. Diagnostik: Bei der Auskultation sind verschärfte Atemgeräusche, mittel- bis grobblasige Rasselgeräusche und evtl. obstruktive Atemnebengeräusche zu hören. Das Sputum sollte auf Bakterien untersucht werden. ▶ Merke Ein Antigennachweis dient zur Erfassung von Influenzaviren. Mit PCR können Erreger von Infektionen der oberen Luftwege nachgewiesen werden. Sonst ist der indirekte ▶ Merke: Bei der Gewinnung von Sputum ist streng darauf zu achten, dass Sputum und nicht Speichel abgeliefert wird. Influenzaviren können mittels eines Antigennachweises erfasst werden. Mehrere Erreger von Infektionen der oberen Luftwege – inklusive des humanen Metapneumovirus (s. S. 229), das vor allem bei Kindern recht häufig ist – können in einigen Labors mittels PCR nachgewiesen werden. Sonst bleibt der indirekte Nachweis Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 610 611 I 6.1 Infektionen von Trachea und Bronchien 6.1.2 Chronische Bronchitis bzw. akute Exazerbation/ Infektexazerbation der COPD Nachweis spezifischer Antikörper im Blut möglich (auch bei V. a. auf Pertussis). Therapie: Bakterielle Infektionen werden mit Aminopenicillin (+ Belataktamase-Inhibitor), Cephalosporinen der 2. Generation, Makroliden oder Tetrazyklin behandelt. In schweren Fällen können Chinolone gegeben werden. 6.1.2 Chronische Bronchitis bzw. akute Exazerbation/ Infektexazerbation der COPD ▶ Definition: Die Rekonvaleszenz einer akuten Tracheobronchitis kann sich – je nach Abwehrlage – lange hinziehen. Von einer chronischen Bronchitis spricht man bei Husten und produktivem Auswurf an den meisten Tagen innerhalb von mindestens 3 Monaten in 2 aufeinander folgenden Jahren. ◀ Definition Ätiopathogenese und Klinik: Bei einer chronischen Bronchitis, muss nach einer obstruktiven Lungenerkrankung (meist durch langjähriges Zigarettenrauchen), nach Neoplasien und auch nach Tuberkulose gesucht werden. Im Prinzip sollte man die einfache chronische Bronchitis (ohne Obstruktion) von der obstruktiven Verlaufsform (COPD) unterscheiden (Tab. I-6.1). Ätiopathogenese und Klinik: Bei chronischer Bronchitis kommen eine obstruktive Lungenerkrankung, Neoplasien oder eine Tuberkulose in Betracht. Man unterscheidet zwischen chronischer Bronchitis und COPD (Tab. I-6.1). I-6.1 Unterschiede zwischen chronischer Bronchitis und COPD chronische Bronchitis COPD Lokalisation der Erkrankung zentrale Atemwege periphere Atemwege Obstruktion Nein Ja Reversibilität Ja Nein produktiver Auswurf Ständig Intermittierend Emphysem Nein häufig I-6.1 Ursachen für eine Exazerbation einer COPD, die durch Zunahme der Dyspnoe, der Auswurfmenge und der Purulenz des Auswurfs gekennzeichnet ist, sind meistens Bakterien, die auch normalerweise diese Areale besiedeln (z. B. Haemophilus influenzae und Pneumokokken). Bei vorgeschädigten Flimmerepithelien (z. B. durch Rauchen) ist die Barrierefunktion nicht mehr intakt (s. Abb. D-2.82, S. 425). Solche Schwachstellen können von den kolonisierenden Bakterien leicht penetriert werden (s. Abb. D-2.81, S. 422). Durch abgelaufene Infektionen können weitere lokale Narben im Epithel entstehen. Es entsteht so ein Teufelskreis. Die Exazerbation einer COPD wird meist durch Haemophilus influenzae und Pneumokokken verursacht. Sie dringen bei vorgeschädigten Flimmerepithelien ein. Abgelaufene Infektionen verursachen zudem weitere Narben. Diagnostik: Dyspnoe, Sputummenge, Purulenz des Sputums und Temperaturerhöhung sind zu bewerten. Eine mikrobiologische Untersuchung des Sputums ist nur dann sinnvoll, wenn das Material zügig verarbeitet werden kann, weil sich sonst die Bakterienflora rasch ändert. Eine Tuberkulose sollte ausgeschlossen werden. Diagnostik: Dyspnoe, Sputummenge, Purulenz des Sputums und Temperaturerhöhung sind wichtige Kriterien. Die mikrobiologische Untersuchung von Sputum ist zweitrangig. Therapie: Die antimikrobielle Therapie richtet sich nach dem Schweregrad der Erkrankung, wobei im Prinzip ähnliche Antibiotika wie bei der akuten Bronchitis eingesetzt werden. Obwohl bei der mikrobiologischen Untersuchung Sprosspilze gefunden werden, ist deren pathogenetische Bedeutung gering, so dass keine antimykotische Therapie nötig ist. Therapie: Es wird mit ähnlichen Antibiotika wie bei der akuten Form behandelt. Prophylaxe: Impfung gegen Pneumokokken. Prophylaxe: Ratsam ist eine Impfung gegen Pneumokokken (s. S. 707), nicht zuletzt, um schwerwiegende Komplikationen (Pneumonie, Sepsis) zu unterbinden. Prophylaxe: Pneumokokkenimpfung. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. durch spezifische Antikörper im Blut. Dies sollte auch bei V. a. auf Bordetella pertussis gemacht werden, da der Erreger im Stadium convulsivum nicht mehr kulturell nachweisbar ist (s. S. 412). Therapie: Die kalkulierte Therapie einer bakteriellen Infektion bzw. Superinfektion kann mit Aminopenicillin (kombiniert mit einem Belataktamaseinhibitor), einem Cephalosporin der 2. Generation, Makroliden oder Tetrazyklin erfolgen. Chinolone sind ebenfalls meistens wirksam, sollten aber für besonders schwere Fälle und Begleiterkrankungen vorbehalten bleiben. 612 I 6 Infektionen der unteren Luftwege 6.1.3 Bronchiolitis 6.1.3 Bronchiolitis Ätiopathogenese: Im Säuglings- und Kleinkindalter kommt es zu Infektionen durch RSV, Parainfluenzaviren, Masernviren, selten auch Mykoplasmen oder Chlamydien. Es droht eine proliferative, fibroblastenreiche Entzündung mit Kollaps der nachgeschalteten Luftwege. Klinik: Obstruktion und Hypoxämie nehmen mit Fortschreiten der Krankheit zu. ▶ Definition: Akute obstruierende Entzündung in den terminalen luftleitenden Bronchiolen sowie der Übergangszone zu den gasaustauschenden Bronchiolen. Ätiopathogenese: Ursächlich sind Infektionen z. B. mit RSV, Parainfluenzaviren, Masernviren, seltener auch mit Mykoplasmen oder Chlamydien, die meistens Säuglinge und Kleinkinder betreffen und gehäuft in den Wintermonaten auftreten. Die Infektion in den Bronchiolen kann zu einer proliferativen, fibroblastenreichen Entzündung führen, sodass die nachgeschalteten Lufträume kollabieren. Klinik: Während anfangs die Beschwerden wie Schnupfen, Husten mit Auswurf und leichte Dyspnoe noch wenig typisch sind, kommt es zunehmend zu Obstruktion und Hypoxämie. Diagnostik: Die klinische Beurteilung ist primär. Eine mikrobiologische Untersuchung von Trachealsekret kann versucht werden. Diagnostik: Die Beurteilung der Einschränkung der Atemfunktionen und deren Folgen steht im Vordergrund. Eine mikrobiologische Klärung gelingt durch Virusnachweis im Trachealsekret. Therapie: Es sollte symptomatisch und evtl. mit Steroiden therapiert werden. Bei bakteriellem Erregernachweis werden Antibiotika gegeben. Therapie: Neben symptomatischer Therapie (Sauerstoffgabe, evtl. inhalative Gabe von β2-Sympathomimetika) kann die orale Gabe von Steroiden die Intensität der entzündlichen Reaktion hemmen und somit den Heilungsprozess begünstigen. Nur bei Nachweis eines bakteriellen Erregers werden ggf. Antibiotika gegeben. 6.2 Infektionen des Lungenparenchyms und der Pleura 6.2.1 Pneumonie ▶ Definition 6.2 Infektionen des Lungenparenchyms und der Pleura 6.2.1 Pneumonie ▶ Definition: Ambulant erworbene Pneumonie (community acquired pneumonia, CAP), auch eine innerhalb von < 48 Stunden nach stationärer Aufnahmen auftretende Pneumonie. Nosokomiale Pneumonie: Im Krankenhaus erworbene Pneumonie (hospital acquired pneumonia, HAP), die > 48 Stunden nach Aufnahme auftritt. Epidemiologie: Die Pneumonie ist laut WHO weltweit eine der häufigsten Todesursachen. Meist tritt sie nur sporadisch auf. Von zunehmender Bedeutung sind Aspirationspneumonien und nosokomiale Pneumonien nach künstlicher Beatmung. Epidemiologie: Nach Angaben der WHO ist die Pneumonie eine der häufigsten Todesursachen weltweit. In den industrialisierten Ländern ist die Sterblichkeit gering außer in Zeiten von Epidemien, z. B. der Influenzaepidemie von 1957, bei der in den USA ca. 70 000 Personen verstarben. Meistens treten aber solche Infektionen sporadisch auf oder allenfalls in Cluster. Bei uns gewinnt das Risiko einer Aspirationspneumonie bzw. einer nosokomialen Pneumonie postoperativ bei künstlicher Beatmung zunehmend an Bedeutung. Erreger und Pathophysiologie: Die entzündliche Reaktion führt zu einer Verschlechterung des Gasaustausches in der Lunge. Das Erregerspektrum ist bei der ambulant erworbenen Pneumonie (community acquired pneumonia) anders als bei der im Krankenhaus erworbenen (nosokomialen) Pneumonie. Erreger und Pathophysiologie: Bei den unterschiedlichen Pneumonie-Arten sind auch ganz unterschiedliche Erreger beteiligt (Tab. I-6.2, I-6.3). Im klassischen Fall führt die entzündliche Reaktion zu einer Invasion von Entzündungszellen – je nach Erregerart können Granulozyten oder Lymphozyten überwiegen. Ein gleichzeitig bestehendes variabel ausgeprägtes Ödem erschwert die Diffusion von Sauerstoff aus den Lungenalveolen in die Arterien. Außerdem entwickelt sich zusätzlich noch ein seröses oder mehr eitriges Exsudat in den Lungenalveolen, was die Hyperkapnie und die Hypoxämie noch verstärkt. Im fortgeschrittenen Stadium enthält die Lunge kaum mehr luftgefüllte Alveolen, sondern erscheint als massives Organ; man spricht deshalb auch von einer „Hepatisation“. Manche dieser Erreger, wie z. B. Haemophilus, Branhamella, S. aureus und Pneumocystis, sind schon als Kommensalen aufden Schleimhäuten der Luftwegevorhanden und können sich bei günstiger Gelegenheit, d. h. bei Vorschädigung, zunächst lokal z. B. eine Bronchitis induzieren und sich dann ausbreiten. Die akute Exazerbation einer COPD (chronic obstructive pulmonary disease) durch H. influenzae ist geradezu klassisch. Andere Erreger, wie Influenza, Mycoplasma und M. tuberculosis Die Erreger erreichen die Lunge entweder hämatogen oder durch Aszension nach Einatmen, wobei zunächst meist eine Bronchitis vorausgeht. Manche gehören zur physiologischen Flora der Atemwegsschleimhaut und können exazerbieren, wie bei der akuten Exazerbation einer COPD. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. ▶ Definition 613 I 6.2 Infektionen des Lungenparenchyms und der Pleura I-6.2 Erreger der ambulant erworbenen Pneumonie Bakterien häufig: Diplococcus pneumoniae, Mycoplasma pneumoniae, Chlamydia pneumoniae mäßig: Klebsiella pneumoniae (bei Alkoholikern!), Staphylococcus aureus (meist nach vorausgegangener Virusinfektion) selten: Mycobacterium tuberculosis, Legionella pneumophila, B. catarrhalis, H. influenzae, Chlamydia psittaci, atyp. Mykobakterien*, Coxiella burneti, Francisella tularensis, Nocardia spp. Pilze selten*: Candida albicans, Aspergillus fumigatus, Pneumocystis jiroveci, Cryptococcus neoformans; nach Auslandsaufenthalt: Coccidiodes immitis, Histoplasma capsulatum Viren Influenza, Masern, RSV, CMV* Parasiten Amöbenabszesse Würmer Ascaris lumbricoides (passager), Echinococcus multilocularis (zystische Veränderungen) * eigentlich nur bei Abwehrschwäche Erreger der nosokomialen Pneumonie gramnegative Bakterien Enterobacteriaceae, Pseudomonas aeruginosa, Acinetobacter spp., Xanthomonas maltophilia bei Aspirationspneumonie muss mit Anaerobiern gerechnet werden grampositive Bakterien Staphylococcous aureus (darunter auch MRSA) Enterokokken werden oft gefunden, haben aber fast nie Krankheitswert werden bei schicksalhafter Exposition aus der gewohnheitsmäßigen Umgebung aufgenommen („community acquired“, Tab. I-6.2). Bei stationärem Aufenthalt eines Patienten, speziell bei der Verwendung von Beatmungshilfen, ist besonders damit zu rechnen, dass Keime aus der Flora des Menschen, sogar aus der Darmflora, mechanisch in die Atemwege verschleppt werden. Daneben sind aber bei diesen nosokomialen Pneumonien auch Keime aus der Flora von benachbarten Patienten oder aus der unbelebten Umgebung, besonders aus Feuchtbereichen, beteiligt (Tab. I-6.3). Neben der aszendierenden Infektion, wo die Eintrittspforte eben nach Aspiration über die Atemwege erfolgt, gibt es auch eine Absiedelung von Erregern in der Lunge während einer hämatogenen Aussaat. Klinik: Die typischen Symptome einer Pneumonie sind Husten und Auswurf begleitet von hohem Fieber und Tachypnoe (s. auch Abb. I-6.1). Gelegentlich klagt der Patient über Pleuraschmerzen. Klinik: Typisch sind Husten, Auswurf, hohes Fieber und Tachypnoe (s. auch Abb. I-6.1). Allgemeine Diagnostik: Klinisch: Der hochfieberhafte Patient klagt über Atemnot evtl. begleitet von schmerzhaften Atembewegungen. Beim tachypnoischen Patienten sind verstärkte Atemgeräusche zu hören und bei der Auskultation sind feuchte Rasselgeräusche zu vernehmen (ein Zeichen für Flüssigkeit in den Alveolen). Allgemeine Diagnostik: Klinisch: Der Patient klagt über Atemnot. Bei der Auskultation sind die feuchten Rasselgeräusche typisch. ▶ Merke: Häufig kommt es während einer fieberhaften Pneumonie zu einer Reaktivierung von Herpes-simplex-Viren in Form von Herpesbläschen an den Lippen, den sog. „Fieberbläschen“. ◀ Merke Bildgebende Verfahren: Röntgenbilder und besser noch computertomographische Aufnahmen zeigen klassische Bilder von sog. typischer bzw. atypischer Pneumonie (Abb. I-6.1). In Spezialfällen, etwa einer Aspergilluspneumonie (Abb. I-6.2), kann man mithilfe des HR-CT (High-Resolution-Computertomografie) noch genauere Hinweise über die Ätiologie erhalten. Bildgebende Verfahren zeigen das Ausmaß der Infiltration der Lunge. Neben der „typischen“, zumeist bakteriellen Pneumonie, wird die „atypische“ Pneumonie beschrieben (Abb. I-6.1 und I-6.2). Mikrobiologische Diagnostik: Da es im Rahmen einer Pneumonie oft auch zu einer Bakteriämie kommt, gehört eine Blutkultur unbedingt zur Abklärung einer Pneumonie. Daneben sind natürlich auch Sputum bzw. Trachealsekret oder bronchoalveoläre Lavage oder sogar Materialgewinnung mittels geschützter Bürste zur Mikrobiologische Diagnostik: Der Nachweis der Erreger gelingt kulturell aus Blut und Bronchialsekret. Der mikroskopische Nachweis ist nur supportiv. Manchmal gelingt ein Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. I-6.3 614 I-6.1 I 6 Infektionen der unteren Luftwege Typische und atypische Pneumonie typische Pneumonie (meist Bakterien) atypische Pneumonie (Viren, Mykoplasmen, Chlamydien, Pilze, Protozoen) Symptome Beginn schlagartig schleichend Fieber hoch mäßig Husten stark mäßig Dyspnoe deutlich mäßig Auswurf rostfarben mäßig Leukozytose stark mäßig BSG hoch mäßig Krankheitsgefühl ausgeprägt mäßig Röntgen lobäre Verschattung (Abb. I-6.1a) streifige Verschattung (broncholobulär) (Abb. I-6.1b) Histologie alveoläre, leukozytäre, mononukleäre Infiltration interstitielle, plasmazelluläre Infiltration a b I-6.2 Aspergillus-Pneumonie HR-CT einer Aspergillusfumigatus-Pneumonie bei einem Leukämie Patienten. a Anfangs sieht man eine pleuranahe Verschattung mit milchglasartigem Randsaum („Halo“), der auf eine Infarzierung des Gewebes durch Penetration der Pilze in die Gefäße zurückzuführen ist. b Später entsteht als Restfolge durch Nekrosenresorption ein Aspergillom mit einer Luftsichelbildung („air crescent sign“). a Antigennachweis oder die Diagnose beruht indirekt auf dem Nachweis von Antikörpern. b mikroskopischen und kulturellen Untersuchung geeignet. Für einzelne Erreger, wie etwa Influenza, RSV, Mycoplasma, Legionella, Pneumokokken und Pneumocystis, gibt es auch Antigennachweise in diesen Untersuchungsproben. Pilzpneumonie durch Candida ist sehr selten. Dagegen muss man beim Abwehrgeschwächten an eine Aspergilluspneumonie denken. (Legionella-Antigen lässt sich im Urin eines Erkrankten feststellen). Ein Antikörpernachweis spielt eine additive Rolle. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Diagnostik 615 I 6.2 Infektionen des Lungenparenchyms und der Pleura Therapie: Allgemein: Die symptomatische Therapie versucht den Sauerstoffmangel zu beheben, was durch pflegerische oder durch maschinelle Assistenz bis hin zur ECMO (extrakorporale Membranoxygenierung) erfolgt. Ohne eine antimikrobielle Therapie verläuft eine schwere Pneumonie oft tödlich, vor allem beim vorgeschädigten Patienten. Deswegen wäre eine exakte Erregerdiagnose wichtig für eine gezielte Therapie. Ambulant erworbene Pneumonie: Die Therapie richtet sich nach dem Alter, den Begleitumständen (ggf. Hinweis auf eine bestimmte Ätiologie, Reiseanamnese), dem Schweregrad (als kritische Grenze gelten Fieber > 39,5°C, Atemfrequenz > 39/min; Pulsfrequenz > 125/min) und den Komplikationen (Tumor, Organinsuffizienz). Schwere Formen sollten stationär behandelt werden (Tab. I-6.4). Nosokomiale Pneumonie: Eine initiale, kalkulierte Therapie muss die Umstände der Erkrankung berücksichtigen und evtl. auch Resistenzdaten der jeweiligen Klinik (Tab. I-6.5). I-6.4 ◀ Merke Therapie: Zunächst muss der Sauerstoffmangel behoben werden. Für die ambulant erworbene und nosokomiale Pneumonie gibt es jeweils unterschiedliche Strategien für die kalkulierte Antibiotikatherapie (Tab. I-6.4, I-6.5). Empfehlungen der Paul-Ehrlich-Gesellschaft (PEG) für die Therapie der ambulant erworbenen Pneumonie Klinik Erreger kalkulierte Initialtherapie Dauer Patient < 65 Jahre ohne Begleiterkrankungen leichte Pneumonie Pneumokokken Mykoplasmen Chlamydien Haemophilus Cephalsoporine 2. Generation Ampicillin + Sulbactam Makrolid (Azithomycin) Chinolon (Moxifloxacin) 7–10 Tage Patient > 65 Jahre mit Begleiterkrankung leichte Pneumonie Pneumokokken Haemophilus Enterobakterien Staphylokokken Cephalosporine der 3. Gen. Ampicillin + Sulbactam Chinolon (Moxifloxacin) 7–10 Tage Patient > 65 Jahre mit Begleiterkrankung schwere Pneumonie Pneumokokken Haemophilus Staphylokokken Enterobakterien Legionella Cephalosporin 3. Gen. + Makrolid Chinolon + Clindamycin Carbapenem + Makrolid 7–10 Tage I-6.5 Empfehlungen der Paul-Ehrlich-Gesellschaft (PEG) zur kalkulierten Antibiotikatherapie von nosokomialen Pneumonien je nach Schweregrad Schweregrad Definition kalkulierte Therapie Kategorie I leichte bis mittelschwere Pneumonie ohne Risikosituation Amoxicillin/Clavulansäure oder Cefuroxim oder Moxifloxacin Kategorie II leichte bis mittelschwere Pneumonie bei einzelnen Risikosituationen (Störungen des Schluckaktes, Koma, antibiotische Vorbehandlung, langer Aufenthalt auf Intensivstation, Abwehrschwäche, Organversagen) Piperacillin/Tazobactam oder Cefotaxim oder Levofloxacin oder Imipenem Kategorie III schwere Pneumonie > 5 Tage bei schwerwiegender Risikosituation Kombination von Piperacillin/Tazobactam oder Cefotaxim oder Imipenem plus Levofloxacin bzw. Ciprofloxacin oder Aminoglykosid Bei Infektionen mit MRSA wäre am besten mit Linezolid zu behandeln Paul-Ehrlich-Gesellschaft im Internet: www.p-e-g.de Prophylaxe: Die sozio-ökonomische Situation beeinflusst die Exposition mit Erregern. In Ballungsgebieten wird sich die Influenza eher ausbreiten, eine Fahrt in öffentlichen Transportmitteln oder das Arbeiten in einem Großraumbüro erhöht das Risiko der Aufnahme von aerogen übertragenen Erregern. Dagegen schützt die Separation von solchen Quellen oder auch das Tragen von Atemschutz (s. Hygiene Prophylaxe: Die Expositionsprophylaxe, z. B. Tragen von Atemschutzmasken, schützt vor einer aerogenen Infektion. Eine Impfung ist in wenigen Fällen möglich (z. B. Influenza, Pneumokokken). Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. ▶ Merke: Einige Erreger sind so anspruchsvoll und „raffiniert“, dass ihr Nachweis nicht gelingt und die Ursache unbekannt bleibt. 616 I 6 Infektionen der unteren Luftwege Zur Verhinderung der nosokomialen Pneumonie kommt der Pflege eine besondere Bedeutung zu. Aufbereitung und Handling von Intubationsmaterialien, evtl. Verwendung von Beatmungsfiltern, reduziert die Häufigkeit für nosokomiale Pneumonien. S. 677). Eine individuelle Impfung, z. B. gegen Influenza oder gegen Pneumokokken, ist für Risikogruppen angebracht. Ein Hygienekonzept mit einer Optimierung der baulichen Situation und Aufbereitung und Handling von Intubationsmaterialien, evtl. Verwendung von Beatmungsfiltern, reduziert die Häufigkeit für nosokomiale Pneumonien. Auch der Pflege kommt eine erhebliche Bedeutung zu; Maßnahmen wie Händedesinfektion, eine frühzeitige enterale Ernährung oder eine aufrechte Lagerung bzw. Bauchlagerung des Patienten helfen, Atemwegsinfektionen zu verhindern. Dagegen sind Maßnahmen wie die orale Dekontamination oder selektive Darmdekontamination nur in einzelnen Zentren erfolgreich. 6.2.2 Lungenabszess 6.2.2 Lungenabszess ▶ Definition: Eitrige Infektion durch bakterielle Besiedelung vorgeschädigter Lungenareale mit oder ohne Anschluss zum Bronchialsystem. Ätiopathogenese: Nach diversen Vorschädigungen können Bakterien die betroffenen Areale besiedeln und eine eitrige Infektion erzeugen. Ätiopathogenese: Nach diversen Vorschädigungen (tumorös, traumatisch, hämorrhagisch, infektiös [z. B. Aspirationspneumonie]) können Bakterien die betroffenen Areale besiedeln und an diesem Locus minoris resistentiae eine eitrige Infektion erzeugen. Charakteristisch ist die Ausbildung einer Abszessmembran. Klinik: Schüttelfrost, intermittierendes Fieber, schmerzhafte Dyspnoe und blutiger, „maulvoller“ Auswurf. Diagnostik: Lokalisation und Ausbreitung sowie Darstellung der Abszessmembran durch CT. Feinnadelbiopsie zur Klärung der infektiösen Ursache. Bei Anschluss an das Bronchialsystem können Erreger im Trachealsekret enthalten sein. Klinik: Charakteristische Symptome sind Schüttelfrost, intermittierendes Fieber, schmerzhafte Dyspnoe und blutiger, „maulvoller“ Auswurf. Diagnostik: Die Lokalisation und Ausbreitung sowie die Bildung einer Abszessmembran lassen sich am besten im CT bestimmen. Eine Feinnadelbiopsie kann die infektiöse Ursache klären. Ggf. kann auch Trachealsekret die Erreger enthalten, wenn Anschluss an das Bronchialsystem besteht. Als mikrobiologische Ursachen findet man im Punktat Staphylococcus aureus (speziell an cMRSA denken), Streptokokken, Pseudomonas aeruginosa und Anaerobier. Therapie: Bei Staphylokokken- und Streptokokkeninfektion antibiotische Therapie mit Linezolid. Therapie: Als antibiotische Therapie kommt bei Staphylokokken- und Streptokokkeninfektion Linezolid in Frage. Weiterhin können ggf. Imipenem oder eine Kombination von Cefotaxim + Metronidazol oder Levofloxacin + Metronidazol gegeben werden. 6.2.3 Pleuritis und Pleuraempyem 6.2.3 Pleuritis und Pleuraempyem ▶ Definition Ätiopathogenese: Die infektiöse Pleuritis entsteht meist sekundär im Rahmen bakterieller Pneumonien; ggf. bildet sich ein Pleuraerguss, der im weiteren Verlauf „eitrig“ werden kann (Peuraempyem). ▶ Merke Primäre infektiöse Entzündungen der Pleura sind selten und kommen z. B. im Rahmen von Virusinfektionen (z. B. Coxsackie-B-VirusInfektion) vor. ▶ Definition: Unter Pleuritis versteht man eine entzündliche Veränderung der Pleura, das Pleuraempyem dagegen ist eine Eiteransammlung in der Pleurahöhle. Ätiopathogenese: Die infektiöse Pleuritis entsteht meist sekundär im Rahmen bakterieller Pneumonien (parapneumonische Pleuritis), wenn sich das entzündliche Geschehen vom Lungenparenchym auf die Pleura ausbreitet. Im weiteren Verlauf bildet sich häufig ein Pleuraerguss (zunächst exsudativ), der durch die massive Einwanderung von Granulozyten in ein Empyem übergehen kann. Es droht die Gefahr, dass solche Prozesse narbig abheilen und sich Schwarten bilden, welche die Entfaltung der Lunge beim atmen stören. ▶ Merke: Das Pleuraempyem ist eine schwerwiegende Komplikation der Pleuritis und tritt meist nach bakteriellen Pneumonien und Lungenabszess auf. Seltener wird das Empyem durch eine Sepsis oder thoraxchirurgische Eingriffe verursacht. Häufige Erreger insbesondere des parapneumonischen Empyems sind S. pneumoniae, S. aureus und S. pyogenes. Primäre infektiöse Entzündungen der Pleura sind selten und können zum Beispiel im Rahmen von Virusinfektionen (z. B. Coxsackie-B-Virus-Infektion) auftreten. Sie verlaufen meist recht mild, so dass die entzündliche Reaktion gering ist und nur eine trockene Pleuritis (ohne Ergussbildung) entsteht. Gelegentlich kommt es auch bei einer bakteriellen Infektion (z. B. mit Mycobacterium tuberculosis, s. S. 358) primär zu einer Pleuritis. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. ▶ Definition 617 Klinik: Zu starken atemabhängigen Thoraxschmerzen (Pleurodynie) kommt es insbesondere bei Pleuritis ohne ausgeprägten Begleiterguss, sie können aber auch beim Pleuraempyem auftreten. Je nach Größe des Empyems geht es mit zunehmender Dyspnoe einher. Weitere Symptome (u. a. Fieber, Schüttelfrost, Husten) unterscheiden sich nicht von denen bei einer Pneumonie. Klinik: Es kommt zu Fieber und starken atemabhängigen Schmerzen (Pleurodynie), ggf. begleitet von Dyspnoe. Diagnostik: Der Pleuraerguss kann durch Perkussion und Auskultation (abgeschwächtes Atemgeräusch, Klopfschalldämpfung) erfasst sowie im Röntgenbild (s. Abb. I-7.1, S. 617) bzw. mittels der Sonografie (bereits geringe Ergussmengen erkennbar) nachgewiesen werden. Zur Klärung der Ätiologie ist ggf. eine Pleurapunktion indiziert. Das Exsudat ist sehr eiweißreich (enthält LDH) und ggf. – bei bakterieller Genese – sind auch vermehrt Leukozyten nachweisbar. Diagnostik: Durch Perkusssion, Auskultation, Röntgen (Abb. ) oder Sonografie kann ein Pleuraerguss erfasst werden. Im Pleurapunktat sind ggf. Entzündungsparameter und mikrobielle Erreger nachzuweisen. Therapie: Bei der Pleuritis steht die Therapie der Grunderkrankung im Vordergrund. Bei gleichzeitiger Pneumonie ist eine antibiotische Therapie angebracht (z. B. Amoxicillin + Clavulansäure, Cephalosporine der 2. Generation, Moxifloxacin oder Levofloxacin); bei Ergussbildung kann ggf. eine Drainage Entlastung bringen. Bei Vorliegen eines Pleuraempyems muss eine Drainage angelegt werden und eine möglichst gezielte Antibiose erfolgen. Therapie: Bei der parapneumonischer Pleuritis ist eine Antibiose angebracht, bei Ergussbildung kann ggf. eine Drainage Entlastung bringen. Das Pleuraempyem wird mit Drainage und möglichst gezielter Antibiose therapiert. 7 Infektionen des Herzens 7.1 Perikarditis 7 Infektionen des Herzens 7.1 Perikarditis ▶ Definition: Als Perikarditis wird die Entzündung des Herzbeutels bezeichnet. Bei einer Mitbeteiligung der subepikardialen Myokardschichten spricht man von Perimyokarditis. ◀ Definition Ätiopathogenese: Die Ätiologie einer akuten Perikarditis bleibt oft ungeklärt („idiopathisch”). Vermutlich sind häufig Viren (z. B. Coxsackie-, ECHO- und Myxoviren) beteiligt, wobei dann oft gleichzeitig auch eine Myokarditis besteht (Perimyokarditis). Gelegentlich können auch Bakterien wie Pneumokokken, andere Streptokokken, Staphylokokken oder Meningokokken ursächlich sein (Abb. I-7.1). Meistens entsteht ein Perikarderguss (Cave: Herzbeuteltamponade), der bei bakteriellen Infektionen eitrig ist. Im Rahmen von immunpathologischen Ätiopathogenese: Diese bleibt oft ungeklärt. Verursacher können Viren, aber auch Bakterien sei (Abb. I-7.1). Seröse oder fibrinöse Entzündungen sind auch bei immunpathologischen Reaktionen oder postinfektiös nach Yersinieninfektionen möglich. Meist entsteht ein Erguss, bei chronischem Verlauf kann eine konstruktive Perikarditis eintreten. I-7.1 Perikarditis durch Meningokokken I-7.1 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. I 7.1 Perikarditis 618 I 7 Infektionen des Herzens Klinik: Neben Fieber klagt der Patient über thorakale Schmerzen. Die Herzleistung ist mehr oder weniger stark eingeschränkt. Klinik: Der Patient klagt über thorakale Schmerzen und Fieber. Je nach Volumen des Perikardergusses ist die Herzleistung mehr oder weniger stark eingeschränkt. Eine chronische, konstriktive oder sogar verkalkende Entzündung hat massive Auswirkung auf den Kreislauf mit verminderter Auswurfmenge und Rechtsherzinsuffizienz (Stauung der Jugularvenen). Diagnostik: Auskultation (abgeschwächte Herztöne, ggf. Perikardreiben), EKG, Echokardiographie (Exsudatnachweis), ggf. mikrobiologische Untersuchung des Punktats. Diagnostik: Die Herztöne sind abgeschwächt, bei fehlendem oder geringem Erguss kann ein Perikardreiben auskultiert werden. Das EKG zeigt typische Veränderungen. Bildgebende Verfahren (Echokardiographie) zeigen die Exsudatmengen und die Veränderungen der Wandschichten des Perikards. Im Punktat können ggf. bakterielle Erreger kultiviert werden. Therapie: Wichtig ist die mechanische Entlastung durch Punktion. Bei eitrigem Exsudat gezielte Antibiose. Therapie: Die Punktion des Exsudats entlastet den Kreislauf. Bei bakterieller Infektion ist eine gezielte Antibiose notwendig. Eine konstruktive Perikarditis kann nur operativ (Perikardektomie) kuriert werden. 7.2 7.2 Myokarditis Myokarditis ▶ Definition ▶ Definition: Entzündung des Herzmuskelgewebes (Myokard). Ätiopathogenese: Die meist virale Infektion (Tab. I-7.1) führt zu herdförmiger oder diffuser entzündlicher Infiltration des Myokards. I-7.1 Ätiopathogenese: Die Ursachen sind zumeist viraler Natur und nur in Ausnahmefällen durch Bakterien, Pilze oder Parasiten bedingt (Tab. I-7.1). Infiltrationen des Myokards mit Entzündungszellen können herdförmig oder auch diffus auftreten. Infektiöse Ursachen einer Myokarditis Viren (am häufigsten) Enteroviren (v. a. Coxsackie- BViren und Echoviren), seltener Myxoviren, Paramyxoviren, Togaviren, Adenoviren, Viren der Herpesgruppe, CMV,VZV, Parvovirus B19 Bakterien Salmonella, Chlamydia, Borrelia, Rickettsia, Mycoplasma Pilze Histoplasma, Coccidioides, Cryptococcus, Candida, Aspergillus Protozoen Trypanosoma cruzi, Toxoplasma gondii, Plasmodium falciparum Würmer (selten) Trichinella, Echinococcus Klinik: Oft verläuft die Infektion inapparent, ggf. treten Herzklopfen (Palpitationen), Tachykardie und Herzrhythmusstörungen auf. Schwere und chronische Verläufe entwickeln sich eher selten. Klinik: In vielen Fällen verläuft eine solche Infektion inapparent und wird im Rahmen der Allgemeinerkrankung (Müdigkeit, Schwäche, Gliederschmerzen, Leistungsminderung) nicht registriert. Allenfalls weisen Herzklopfen (Palpitationen), Tachykardie und Herzrhythmusstörungen darauf hin. Selten treten schwere Verläufe mit fortschreitender Herzinsuffizienz und Herzversagen auf. Bei längerem und ausgedehntem Verlauf kann sich eine dilatative Kardiomyopathie entwickeln. Diagnostik: Im EKG sind häufig pathologische Veränderungen erkennbar. Die virale Ätiologie kann durch eine Myokardbiopsie und ggf. durch serologische Untersuchungen erhärtet werden (nur bei schweren Fällen indiziert). Diagnostik: Anamnestisch tritt die Erkrankung einige Tage nach einer viralen Infektion auf. Im EKG sind häufig pathologische Veränderungen erkennbar (z. B. Arrhythmien, v. a. Extrasystolen, Sinustachykardie). Die virale Ätiologie kann durch eine Myokardbiopsie (mit PCR) und ggf. durch serologische Untersuchungen erhärtet werden. Auch Borrelien und Trypanosomen sind serologisch nachweisbar. Wenn bei einer bestehenden, geklärten Infektion die Myokarditis nur begleitend auftritt, wird meistens auf den Erreger lediglich rückgeschlossen. Therapie: symptomatisch (v. a. körperliche Schonung), ggf. antiviral und antientzündlich. Therapie: Neben symptomatischer Therapie (v. a. körperliche Schonung) können antivirale und antientzündliche Medikamente den Schweregrad beeinflussen. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Reaktionen wie Lupus erythematodes und rheumatioder Arthritis, aber auch postinfektiös nach Yersinieninfektionen kann es zu serösen oder fibrinösen Entzündungen kommen. Chronische Verläufe mit Narbenbildungen können zu einer konstriktiven Perikarditis, evtl. mit Kalkeinlagerungen, führen. 619 I 7.3 Endokarditis 7.3 Endokarditis ▶ Definition: Akute oder subakute infektiöse Entzündung des Endokards, vorwiegend von vorgeschädigten oder künstlichen Klappen. ◀ Definition Ätiopathogenese: Eine transitorische Bakteriämie steht in den meistens Fällen am Anfang einer Endokarditis. Dieses Ereignis kann nach Verletzungen der Schleimhäute sowie der Haut geschehen, die oftmals unbeachtet bleiben, z. B. nach dem Zähneputzen bzw. Kauen von harten Gegenständen, im Verlauf von zahnärztlichen, bauchchirurgischen, gynäkologischen oder urologischen Eingriffen; Risiken bestehen auch bei Dialysepatienten und bei i. v.-Drogenabhängigen. Eingeschwemmte Bakterien werden im Normalfall durch die unspezifische Infektabwehr innerhalb von wenigen Minuten eliminiert; bei vorliegender Prädisposition (Tab. I-7.2) dagegen können die Endokardklappen kolonisiert werden. Folge ist die Vermehrung der Bakterien und Thrombenbildung. Bei großen Auflagerungen können immer wieder Anteile mit vielen Bakterien (sog. Vegetationen) abreißen und schubweise in die Blutbahn geschwemmt werden. Je nach Ausgangsort dominieren vergrünende Streptokokken (aus dem Oropharynx), Enterokokken (aus dem Darm- und Urogenitaltrakt) oder Staphylokokken (von der Haut). Während die akute Endokarditis durch Bakterien mit hoher Virulenz ausgelöst wird (z. B. Staphylococcus aureus), findet man bei der subakuten Form (Endokarditis lenta) häufig Infektionen mit vergrünenden Streptokokken. Ätiopathogenese: Durch transitorische Bakteriämie kann es zur Endokarditis kommen. Bei vorliegender Prädisposition (Tab. I-7.2) können die Bakterien die Endokardklappen besiedeln und von dort immer wieder in die Blutbahn geschwemmt werden. ▶ Merke: HACEK, eine heterogene Gruppe von Bakterien, kommen gelegentlich als Erreger der Endokarditis vor: Hämophilus parainfluenzae und aphrophlius (s. S. 422), Actinobacillus actinomycetemcomitans (s. S. 424), Cardiobacterium hominis (s. S. 425), Eikenella corrodens (s. S. 424) und Kingella kingae (s. S. 369). I-7.2 Lokale Faktoren für ein erhöhtes Endokarditisrisiko Je nach Ausgangsort dominieren vergrünende Streptokokken, Enterokokken oder Staphylokokken. Je nach Keimspektrum entwickelt sich eine akute oder subakute Verlaufsform. ◀ Merke I-7.2 Herzklappenprothesen angeborene Herzfehler, vor allem kongenitale, zyanotische Vitien erworbene Herzklappenfehler (z. B. rheumatische Veränderungen, Verkalkungen) frisch operierte Herzfehler (< 1 Jahr) hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie I-7.2 Opfer einer Endocarditis lenta I-7.2 Der Komponist Gustav Mahler ist 1911 im Alter von 51 Jahren vermutlich an einer Endocarditis lenta verstorben. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 7.3 Endokarditis I 8 Infektionen des Verdauungstraktes Klinik Beim Einschwemmen der Bakterien in die Blutbahn kommt es zu Fieberschüben und septischen Metastasen. Betroffene Organsysteme sind u. a. Haut (Petechien), Niere (Löhlein-Herdnephritis), Gehirn (embolische Herdenzephalitis) und Milz (Splenomegalie). Klinik: Beim Einschwemmen der Bakterien in die Blutbahn werden durch die bakteriellen Pyrogene Fieberschübe ausgelöst und in der Gefäßperipherie entstehen septische Metastasen. Diese werden z. B. in der Haut oder unter den Fingernägeln als Punktblutungen erkennbar (u. a. Petechien, Osler-Knötchen). Auch Organe wie Niere (Löhlein-Herdnephritis), Gehirn (embolische Herdenzephalitis) und Milz (Splenomegalie) können beteiligt sein. Durch diese sich ständig wiederholenden septischen Schübe sind das Allgemeinbefinden und die Leistungskraft auf Dauer stark in Mitleidenschaft gezogen. Diagnostik: Neben o. g. klinischen Befunden ist ein neu aufgetretenes oder verändertes Herzgeräusch wegweisend. Im TEE sind Endokardauflagerungen zu sehen. Keime werden in Blutkulturen nachgewiesen und im peripheren Blut sind Entzündungsmarker erhöht. Diagnostik: Neben den genannten charakteristischen klinischen Befunden ist auskultatorisch ein neu aufgetretenes oder bei bekanntem Klappenfehler gegenüber dem Vorbefund verändertes Herzgeräusch wegweisend. Große Auflagerungen auf dem Endokard sind im transösophagealen Echokardiogramm (TEE) gut erkennbar. Der Erregernachweis erfolgt aus Blutkulturen, die mehrfach abgenommen werden müssen (wenn möglich zu Beginn eines Fieberschubes), weil die Keime nur intermittierend in der Blutbahn sind. Weiterhin sind labordiagnostisch unspezifische Parameter zu erfassen (CRP- und BSG-Erhöhung sowie Blutbildveränderungen). Therapie: Penicillin sollte hochdosiert (bis zu 80 Millionen IE/Tag) und längerfristig gegeben werden. Eine Kombination mit bakteriziden Aminoglykosiden ist möglich. Alternativen sind Linezolid oder Glykopeptide. Therapie: Die antibiotische Therapie sollte nach Antibiogramm erfolgen; in vielen Fällen kann Penicillin (z. B. Benzylpenicillin; hochdosiert (bis zu 80 Millionen IE/ Tag) und längerfristig (für ca. 6 Wochen) verabreicht werden. Evtl. kann eine Kombination mit bakteriziden Aminoglykosiden den Therapieerfolg verbessern. Linezolid oder Glykopeptide können als Alternative verwendet werden. Unbehandelt endet diese Infektion tödlich. Kann das Ergebnis des Antibiogramms nicht abgewartet werden, sollte eine kalkulierte Therapie begonnen werden (bei Infektion von Nativklappen: Kombination von Aminopenicillin + Gentamicin; bei Klappenprothesen: Kombination von Glykopeptid + Gentamicin + Rifampicin). Bei Risikopersonen (z. B. bei Personen mit Herzklappenprothese oder angeborenen Herzfehlern) einer infekiösen Endokarditis ist eine Antibiotikaprophylaxe bei bestimmten diagnostischen und operativen Eingriffen notwendig. Empfohlen werden z. B. Penicillin oral bei Eingriffen im Mund-Rachen-Raum, Ampicillin i. v. bei Eingriffen am Gastrointestinal- und Urogenitaltrakt (s. auch Leitlinien der AWMF). Im Rahmen einer kalkulierten Therapie wird je nach Ausgangsituation mit unterschiedlichen Antibiotikakombinationen behandelt. Bei Prädisposition sollten bei bestimmten diagnostischen und operativen Eingriffen Antibiotika prophylaktisch gegeben werden. 8 8 Infektionen des Verdauungstraktes 8.1 Infektionen von Mund und Zähnen Ätiologie: Oralstreptokokken verursachen Karies, Herpes- oder Coxsackieviren rufen Gingivitis hervor. Die Infektion mit mehreren anaeroben Bakterien führt zur Parodontitis. Bei systemische Infektionen kann die Mundschleimhaut befallen sein, z. B. das pathognomonische Enanthem bei Masern (KoplikFlecken) oder die Mund-Hand-Fuß-Krankheit bei Infektion mit Coxsackie-A- und Enteroviren (s. S. 193). Soor entsteht durch Befall mit Hefepilzen. Mehrere Bakterien verursachen eine Papillitis der Zunge. Wenn sich Bakterien in den blockierten Ausführungsgängen vermehren, kommt es zur Sialadenitis. Infektionen des Verdauungstraktes 8.1 Infektionen von Mund und Zähnen Ätiologie: Karies wird durch eine Symbiose von verschiedenen Oralstreptokokken (darunter Streptococcus mutans, s. S. 329) hervorgerufen und ist in den industrialisierten Ländern mit hohem Zuckerverbrauch eine der häufigsten Infektionen. Die Gingivitis kann beispielsweise durch Herpes- oder Coxsackieviren bedingt sein. Die akute Parodontitis wird durch mehrere anaerobe Bakterien (darunter als Leitkeim Porphyromonas) hervorgerufen. Die Mundschleimhaut ist oft bei systemischen Infektionen mitbefallen. Geradezu klassisch ist das pathognomonische Enanthem bei Masern (Koplik-Flecken). Aber auch viele andere Viren (Herpes, Coxsackie) können zu serösen oder auch ulzerösen (aphthösen) Veränderungen führen. Ganz typisch ist die Mund-Hand-FußKrankheit (nicht zu verwechseln mit dem Begriff Maul- und Klauenseuche bei Tieren) bei Kleinkindern bedingt durch Coxsackie-A-Viren und Enterovirus 71 (s. S. 193). Hefepilze, in erster Linie Candida albicans, erzeugen den Soor. Begünstigt wird das Auftreten durch bestimmte lokale Veränderungen (z. B. schlecht sitzende Gebisse), Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 620 621 I 8.2 Ösophagitis Klinik: Bei Karies droht eine Invasion der umliegenden Weichteile und des Knochens, was bedrohliche Folgen haben kann. Die Gingivitis kann als Begleiterscheinung einer Karies, aber auch unabhängig davon auftreten und ihrerseits wieder die Karies begünstigen. Ein chronischer Verlauf kann zu einer Parodontose führen, wobei früher oder später mit einem Zahnverlust gerechnet werden muss. Gelegentlich – auch bei jungen, sonst gesunden Menschen – kann eine Parodontitis die Zähne gefährden. Weiterhin besteht ein Risiko, dass von diesen Infektionsherden Keime verschleppt werden. Ein Hirnabszess (s. S. 597) kann z. B. davon ausgehen. Bei der Mund-Hand-Fuß-Krankheit entstehen zunächst an den 3 Orten gleichzeitig Bläschen, die später platzen und Ulzera hinterlassen. Auch eine Lues im 2. Stadium kann solche Aphthen verursachen. Durch sekundäre bakterielle Infektion werden die Beschwerden wie Brennen beim Essen von kalten, heißen, sauren und salzigen Speisen noch verstärkt. Soor ist charakterisiert durch flächenhafte, weiße Beläge auf der Schleimhaut, die gerötet ist. Auch auf der Zunge kann sich der Soor ausbreiten. Im Rahmen vieler Krankheiten kann die Schleimhaut der Zunge mitreagieren, z. B. bei Masern und bei Scharlach. Eine Sialadenitis führt zu einer heftigen, schmerzhaften Entzündung. Wenn diese nicht rechtzeitig durch gleichzeitige operative und antibiotische Therapie behoben wird, kann sich eine Mundbodenphlegmone ausbilden. Klinik: Karies kann zur Invasion der umliegende Weichteile und Knochen führen. Eine chronische Gingivitis kann Parodontose verursachen. Die Parodontitis gefährdet als Infektionsherd die Zähne. Keime können sogar ins ZNS verschleppt werden. Bei der Mund-Hand-Fuß-Krankheit kommt es zu Bläschen an Mund, Hand und Fuß. Diese platzen und hinterlassen Ulzera. Flächenhafte, weiße Beläge auf der Schleimhaut und der Zunge sind typisch für den Soor. Bei der Sialadenitis kommt es zur heftigen, schmerz-haften Entzündung, die bei mangelnder Behandlung zur Ausbildung einer Mundbodenphlegmone führt. Diagnostik: Neben der Inspektion kommt der mikrobiologischen Untersuchung (Mikroskopie und Kultur von Abstrichen) ein gewisser Stellenwert zu. Diagnostik: An erster Stelle steht die Inspektion; eine mikrobiologische Untersuchung kann versucht werden. Therapie: Bei Karies, Parodontose und Sialadenitis spielt die mechanische Beseitigung der Ursachen die größte Rolle; eine Antibiotikatherapie soll Fortschreiten und Komplikationen verhindern. Den Soor kann man lokal mit Polyenen oder systemisch mit Fluconazol behandeln. Therapie: Bei der Karies ist allein die mechanische Beseitigung der Läsion hilfreich. Nur durch eine chirurgische und antibakterielle Therapie bei Parodontitis kann eine fulminante Entzündung gestoppt werden. Bei einem fulminanten Verlauf einer Paradontose ist neben der chirurgischen Intervention auch eine kalkulierte antibakterielle Therapie, z. B. mit Amoxicillin plus Clavulansäure oder Moxifloxacin, notwendig, um die Progression zu stoppen und um eine Streuung von Keimen zu verhindern. Ähnlich gilt bei einer Sialadenitis zuerst die Beseitigung der Obstruktion und dann ggf. – bei eitriger Entzündung – eine Antibiotikatherapie, wobei die gleichen Mittel wie bei der Paradontose verabreicht werden können. Ein Soor kann mit lokal applizierten Polyenen oder mit oraler Gabe von Fluconazol behandelt werden. Begleitend sollte möglichst auch die prädisponierende Ursache behoben werden. Da für Infektionen mit Coxsackie- und Enteroviren keine ursächliche Therapie existiert, erfolgt die Therapie symptomatisch mit Bekämpfung der Entzündung und der Schmerzen. 8.2 Ösophagitis 8.2 Ösophagitis Ätiopathogenese: Durch das mehrschichtige Plattenepithel ist die Speiseröhre relativ gut vor Infektionen geschützt. Letztere treten daher meist auf dem Boden lokaler Störungen (Verletzungen, Reizungen und Veränderungen des lokalen Milieus; die Herde können dann sekundär infiziert werden und lokal umschrieben bleiben) oder bei allgemeiner Abwehrschwäche auf (z.B. im Rahmen von AIDS, Tumorerkrankungen oder unter immunsuppressiver Therapie; die Entzündungen können dann ausgedehnt sein). Die Soorösophagitis (s. S. 475) ist eine häufige Komplikation solcher Systemerkrankungen. Ätiopathogenese: Infektionen wie z.B. die relativ häufige Soorösophagitis entstehen meist auf dem Boden lokaler Veränderungen oder allgemeiner Abwehrschwäche. Klinik: Während leichte Infektionen asymptomatisch bleiben können, ist bei subjektiven Beschwerden die Dysphagie (Schluckbeschwerden) das Hauptsymptom ggf. begleitet von retrosternalen Schmerzen. Klinik: Dysphagie (Schluckbeschwerden) steht im Vordergrund evtl. begleitet von retrosternalen Schmerzen. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. aber auch durch generelle Abwehrschwäche (z. B. bei Neugeborenen, bei AIDS oder bei Leukämie). Durch mehrere Bakterien kann an einzelnen Stellen der Zunge eine Papillitis entstehen. Eine Sialadenitis wird durch eine akute bakterielle Vermehrung in blockierten Ausführungsgängen der Speicheldrüsen verursacht. 622 I 8 Infektionen des Verdauungstraktes Diagnostik: Die Ösophagoskopie dient der Feststellung der Ausdehnung und der Entnahme von Proben. Kultur von Candida und Bakterien sichern die Ätiologie. Ein Antikörpernachweis gegen Herpes- und Zytomegalieviren ist angebracht. Diagnostik: Mittels Ösophagoskopie können Ausdehnung und Intensität der Erkrankung festgestellt und Materialien (Biopsie, Abstrich) für die histologische und mikrobiologische Untersuchung abgenommen werden. Bakterien und Hefepilze lassen sich daraus anzüchten. Eine Infektion mit dem Zytomegalievirus oder Herpers simplex Virus lässt sich auch durch eine serologische Untersuchung erkennen. Therapie: Die Candida-Infektion wird systemisch mit Azolen bzw. Echinocandinen behandelt, unterstützt durch Amphotericin B Lutschtabletten. Eine Herpesinfektion wird mit Aciclovir, eine Zytomegalievirus-Infektion mit Ganciclovir behandelt. Therapie: Die Beseitigung der eigentlichen Ursache steht im Vordergrund. Leichte Formen heilen spontan aus. Eine systemische antimikrobielle Therapie bei Soorösophagitis mit Azolen bzw. Echinocandinen ist wirksam; dagegen ist die lokale Behandlung mit Amphotericin B Lutschtabletten allenfalls zusätzlich hilfreich. Bei einer Herpes simplex-Infektion ist die Gabe von Aciclovir, bei einer Zytomegalievirus-Infektion ist Ganciclovir (oral) indiziert. Enteritis ▶ Definition 8.3 Enteritis ▶ Definition: Durch eine Infektion hervorgerufene akute (< 14 Tage) oder chronische (> 4 Wochen) Durchfallerkrankung. Mehr als 3 ungeformte Stuhlentleerungen täglich gelten als Durchfall (Diarrhö). Epidemiologie: Der Infektionsort (Ausland/ zu Hause), die mögliche Infektionsquelle (Essen, Kontakt mit Erkrankten) und die bisherige Dauer (akut/chronisch) sollten anamnestisch erfragt werden. Epidemiologie: Schon die Anamnese klärt, ob diese Erkrankung von einer Auslandsreise, etwa unter eingeschränkten hygienischen Verhältnissen, mitgebracht wurde oder ob sie zu Hause entstanden ist. Dann könnte sie akut, evtl. nach einem Essen oder auch Kontakten mit Erkrankten, aufgetreten sein oder auch evtl. schon länger andauern, wobei in diesem Fall verstärkt nach nicht infektiösen Ursachen gesucht werden muss. Formen: Intoxikation (durch von den Erregern produzierte Toxine). Infektion (Vermehrung der Erreger im Intestinaltrakt). Je nach Art des Erregers sind unterschiedliche Darmabschnitte betroffen (Tab. I-8.1). Formen: Prinzipiell müssen folgende Formen unterschieden werden: Intoxikation: Nur die Toxine werden aufgenommen. Infektion: Die Erreger vermehren sich im Intestinalrakt. In Einzelfällen, etwa bei Infektion mit EHEC, C. botulinum und C. perfringens, besteht eine Kombination aus beiden Phänomenen. Je nach Art der Erreger sind jeweils unterschiedliche Darmabschnitte betroffen (Tab. I-8.1). Ätiologie: Meist diverse Lebensmittel und Wasser. Ätiologie: Ursachen sind meist Lebensmittel und Wasser, seltener Fäkalien von Mensch und Tier. Klinik: s. Tab. I-8.2. Nach einer akuten Gastroenteritis kann als Folgeschaden ein Reizdarmsyndrom bleiben. Klinik: siehe Tab. I-8.2. Selbst bei einer transienten Entzündung während einer bakteriellen Gastroenteritis kann es zu einer Schädigung des enteralen Nervensystems kommen, die zu einer anhaltenden Funktionsstörung führen kann – bei 14 % der Patienten tritt danach das sog. Reizdarmsyndrom auf. Allgemeine Diagnostik: Allgemeine Diagnostik: ▶ Merke ▶ Merke: Aufgrund der zahlreichen möglichen Ursachen dieses Symptomenkomplexes muss man vorab überlegen, um die ökonomisch vertretbaren und die richtigen diagnostischen und therapeutischen Schritte einzuleiten. Zu Anamnese und klinischer Untersuchung s. Tab. I-8.3. Zu Anamnese und klinischer Untersuchung s. Tab. I-8.3. Mikrobiologische Diagnostik: Tab. I-8.4. Mikrobiologische Diagnostik: Erregersuche: s. Tab. I-8.4. Differenzialdiagnose: Tab. I-8.5. Differenzialdiagnose: siehe Tab. I-8.5. Die symptomatische Therapie wie etwa die Ruhigstellung des Darmes oder der Ausgleich des Wasserverlustes (Rehydratation) stehen meist im Vordergrund. Symptomatische Therapie: Allgemein: Antiemetika, Peristaltikhemmer (z. B. Loperamid; Vorsicht: eine längere Verweildauer von Darminhalt kann eher schädlich sein; Gefahr von Ileus), Adstringenzien, Perenterol. Adsorbierende Präparate, die Toxine binden sollen (z. B. Pektin, Carbo medicinalis [Aktivkohle], Kaolin) sind wenig wirksam. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 8.3 I 8.3 Enteritis I-8.1 623 Enteritis Lokalisation Erreger Ösophagus Candida Magen Helicobacter Dünndarm Salmonella, Yersinia, Plesiomonas, ETEC, EPEC, Vibrio, Rotaviren, Norovirus, Enteroviren, Coxsackievirus, ECHO-Viren, Lamblia, Ankylostoma, Ascaris Kolon Shigella, EHEC, Campylobacter, Clostridium, Amoeba, Balantidium, Cryptosporidia, Enterobius Appendix vergrünende Streptokokken (!), Pneumokokken, Anaerobier, Mischinfektion Erreger typische Quellen Enteroviren, Coxsackie, ECHO-Viren Fäkalien, seltener Lebensmittel bzw. Wasser Rotaviren, Noroviren, Adenoviren, Astroviren, Salmonella Eier, Fleisch, Wurst, andere Lebensmittel, selten Fäkalien von Mensch und Echsentieren Campylobacter Geflügelleber, Fleisch, Haustiere Yersinia Fleisch, Gemüse Vibrio Wasser, Lebensmittel Shigella Fäkalien Clostridium Staub, Fäkalien Escherichia Milch, Lebensmittel, Fäkalien Helicobacter Kontakt mit anderen Menschen Candida (selten) endogen Lamblia Wasser Amoeba Wasser, Lebensmittel Cryptosporidia Fäkalien von Tieren Balantidium Fäkalien von Schweinen Ascaris Salat Taenia Fleisch (Rind, Schwein) I-8.2 Klinische Manifestationen bei Enteritis Symptome, Befunde Fieber, Bauchkrämpfe (Tenesmen) Übelkeit Dehydratation (Wasser- und Elektrolytverluste): Hypokaliämie mit Muskelhypotonie, Somnolenz, Krampfanfall, Rhythmusstörungen ±± ±± ±± ±± ± ±± ±± ±± ± typische Erreger Symptome bei Infektionen mit allen unten aufgeführten Erregern Diarrhö wässrig Cholera, ETEC breiig Salmonella, Yersinia schleimig Clostridium blutig Amöben, Balantidium, Shigella, Campylobacter (Salmonella) voluminös, fettglänzend, stinkend Lamblien extraintestinale Manifestationen mesenteriale Lymphadenitis Yersinia, Salmonella Osteomyelitis Salmonella Leberabszesse Amoeba perniziöse Anämie Taenia Arthritis Yersinia, Campylobacter, Shigella Guillain-Barré-Syndrom Campylobacter Erythema nodosum Yersinia, Campylobacter Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Durchfälle treten auch bei einer Vielzahl von extraintestinalen Infektionen (Otitis, Pyelonephritis, ZNS) auf. 624 I 8 Infektionen des Verdauungstraktes Klinische Diagnostik bei Enteritis Anamnese Auslandsaufenthalt, Vorliegen einer Epidemie, ähnliche Erkrankungen in der Umgebung Verzehr bestimmter Speisen, Essgewohnheiten, Trinkwasserversorgung, soziale Verhältnisse, Jahreszeit (Grillfeste) Zeitpunkt des Auftretens der Erkrankung nach Exposition Art der Beschwerden (z. B. Brechdurchfall, Übelkeit, Krämpfe) Aussehen von Erbrochenem Häufigkeit des Stuhlgangs, Schmerzen beim Stuhlgang (Tenesmen), Flatulenz Aussehen des Stuhls: – Konsistenz: dünnflüssig, wässrig, trüb, breiig, schaumig, geformt, mit Schleim, mit Schleimhautfetzen, mit Blut auf bzw. im Kot – Farbe: weiß, hell, grau, braun, schwarz – Geruch: ekelhaft, stinkend, aromatisch klinische Untersuchung Allgemeinzustand, Bewusstseinslage (unauffällig, somnolent, soporös, Koma?) gespanntes Abdomen, geblähter Bauch Austrocknung, Hautturgor I-8.4 Erregersuche bei Enteritis Methode Beispiele makroskopisch adulte Würmer bzw. Proglottiden mikroskopisch Wurmeier, vegetative Parasitenformen bzw. Zysten elektronenmikroskopisch (kaum routinemäßig, eher für Forschung: Viren) Antigennachweise mittels IFT bzw. ELISA Amöben, Lamblien, Rotaviren, Helicobacter molekularbiologisch/PCR Norovirus Verwendung von Elektivnährböden für Salmonellen, Shigellen, E.coli, etc. bzw. Selektivnährböden z. B. für Choleravibrionen oder Campylobacter oder Helicobacter oder E.coli O157H7 Toxinnachweis: im Stuhl (z. B. C.-difficile-Toxin), in Lebensmitteln (z. B. EHEC-Toxin), im Erbrochenen (z. B. Botulinustoxin) serologisch: spezifische Antikörper, z. B. Yersinia, Helicobacter, Salmonella, Amöben kulturell I-8.5 Differenzialdiagnose bei Enteritis mögliche Ursache wegweisende Befunde/Diagnostik Colitis ulcerosa, Morbus Crohn (chronisch entzündliche Darmerkrankungen) chronische Diarrhö (bei Kolitis häufig blutig), Bauchschmerzen, Endoskopie, Biopsie (Histologie) Reizdarmsyndrom Wechsel von Obstipation und Diarrhö, Bauchschmerzen, Anamnese Sprue (tropisch; heimisch = Zöliakie) voluminöse Duchfälle, Fettstühle (Steatorrhö), Mangelerscheinungen, Anamnese, Serologie, Biopsie Lebensmittelvergiftungen Anamnese Hyperthyreose Anamnese, Labor (TSH) Karzinoid chronische wässrige Durchfälle Laxanzienabusus Anamnese Rehydratation (oral oder ggf. parenteral): Für die orale Rehydratation empfiehlt die WHO eine Lösung mit 2,6 g/l NaCl, 1,5 g/l KCl, 13,5 g/l Glukose und 2,9 g/l Natriumcitrat. Für die Praxis gibt es entsprechende vorgefertigte Präparate, die in Wasser aufgelöst werden (z. B. Oralpädon 240 bzw. Elotrans-Beutel). Im Notfall hilft gesüßter Tee oder Coca Cola (classic), da die Glukose im Dünndarm resorbiert wird und Wasser nachströmt. Wasser alleine (ohne Zucker) wird nicht gut resorbiert und verstärkt sogar das Durchfallvolumen. Bei schwerer Dehydratation muss eine intravenöse Zufuhr von Volumen und Elektrolyten erfolgen. Nach erreichter Rehydratation wird unverzüglich auch eine Realimentation begonnen. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. I-8.3 Kausale Therapie: Antibiotika: Ciprofloxacin (nicht bei Kindern), Metronidazol. Antihelminthika Antiparasitär: Metronidazol. Kausale Therapie: Gegen die meisten bakteriellen Infektionserreger hilft Ciprofloxacin, gegen Anaerobier und manche Parasiten Metronidazol. Evtl. Wurmmittel. Prophylaxe: In vielen Fällen, bei denen die Erreger über Fäkalien bzw. Lebensmittel übertragen werden, hängt das Risiko vom Hygieneverhalten bzw. den Essgewohnheiten ab (z. B. „blutiges“ Steak, Tartar). Die wichtigste Prophylaxe liegt in der strikten Vermeidung ungekochter Nahrung, die mit fremden Händen in Berührung gekommen ist („cook it, peel it or forget it“). Hierzu gehören Salate, Eis (auch Eiswürfel zur Kühlung von Getränken!), ungeschältes Obst, Süßspeisen etc. Trinkwasser sollte nur nach entsprechender Aufbereitung durch Erhitzen, Filtrieren oder chemische Desinfektion (z. B. mit Micropur) verwendet werden. Ein Aperitif oder eine heiße Suppe kann die Magensäureproduktion anregen, wodurch einige Erreger abgetötet werden, bevor sie in den Darm gelangen. Vor dem Essen sollte man nicht allzu viel trinken, weil dadurch die Magensäure verdünnt wird und damit die Anfälligkeit gegenüber oralen Infektionen steigt. Der Kontakt zu infizierten Menschen und Tieren sollte vermieden werden bzw. sollte nach Kontakt zumindest eine intensive Reinigung (besser Desinfektion) der Hände erfolgen. Eine Chemoprophylaxe der Reisediarrhö ist nicht sinnvoll. Prophylaxe: Quellen für Enteritiserreger, d. h. hauptsächlich Nahrungsmittel inklusive Wasser, seltener infizierte Menschen oder Tiere, sollten gemieden werden. 8.4 Peritonitis 8.4 Peritonitis ▶ Definition: Eitrige Entzündung des Bauchfells und damit der Bauchhöhle. Primäre Peritonitis: ohne Perforation eines intraabdominellen Hohlorgans. Sekundäre Peritonitis: nach Perforation eines intraabdominellen Hohlorgans. Tertiäre Peritonitis: Verselbständigung der Inflammation in der Peritonealhöhle. ◀ Definition Ausdehnung: Eine Peritonitis kann diffus die gesamte Fläche betreffen („4-Quadranten-Peritonitis“) oder durch das Omentum lokal begrenzt sein. Im Prinzip ist auch der Douglas-Abszess eine lokale Peritonitis. Ausdehnung: Die Peritonitis kann diffus auftreten oder lokal begrenzt sein. Einteilung: Eine geläufige Einteilung beruht auf der Pathogenese (Tab. I-8.6). Spontan: Als Folge einer perforierten Appendizitis, Divertikulitis oder Cholezystitis können massenhaft Keime der gesamten Darmflora in großer Menge in die Bauchhöhle gelangen, wenn der Defekt nicht durch das Omentum gedeckt werden kann. Zumeist findet man also eine Mischinfektion aus vorwiegend Enterobacteriaceae, Enterokokken und Anaerobiern. Im Laufe der Infektion setzen sich die virulentesten Keime durch und andere werden verdrängt. Bei Durchblutungsstörungen (Ischämie), z. B. im Rahmen einer Mesenterialvenenthrombose, kann die Barrierenfunktion der Darmwand gestört sein und eine Translokation von Keimen der Darmflora nicht nur in die Zirkulation sondern auch in die Bauchhöhle geschehen (Durchwanderungsperitonitis). Einteilung: Einteilung aufgrund der Pathogenese (Tab. I-8.6). I-8.6 Einteilung der Peritonitis nach der Pathogenese Form I-8.6 mögliche Ursachen spontan Leberzirrhose mit portaler Hypertension und Aszites Tuberkulose Salpingitis (z. B. Gonokokken, Chlamydien) Durchwanderungsperitonitis perforierte Appendizitis, Divertikulitis, Cholezystitis traumatisch postoperative Peritonitis nach Anastomosen-Insuffizienz chronisch ambulante Peritonealdialyse (CAPD) perforierende Verletzung Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 625 I 8.4 Peritonitis I 8 Infektionen des Verdauungstraktes Die Erreger einer Salpingitis, also hauptsächlich Neisseria gonorrhoeae oder Chlamydia trachomatis, können die anatomischen Strukturen zerstören und in die Bauchhöhle gelangen. In ganz seltenen Fällen findet man heute noch bei einer Disseminierung von Mycobacterium tuberculosis eine Peritonealtuberkulose. Traumatisch: Bei einer penetrierenden Verletzung der Bauchwand können Keime aus der Hautflora (v. a. S. aureus) sowie Umweltkeime in die Bauchhöhle gelangen; während die meisten apathogen sind und nach kurzer Zeit durch das unspezifische Abwehrsystem eliminiert sind, können andere Erreger eine Infektion auslösen. Bei einer zusätzlichen Verletzung der Darmwand muss man mit einer breiten Anzahl von Keimen der Darmflora rechnen. CAPD-assoziiert: Bei der chronisch ambulatorischen Peritonealdialyse besteht das Risiko, dass durch Hygienefehler Hautkeime vom Patienten selbst oder vom Pflegepersonal über den Katheter in die Bauchhöhle gelangen. In erster Linie ist mit S. aureus zu rechnen, seltener mit Umweltkeimen, darunter auch Schimmelpilzen. Postoperativ: Bei Dehiszenzen nach abdominalchirurgischen oder auch gynäkologischen Operationen kann Kot mit diversen Bakterien – darunter Enterobacteriaceae, Enterokokken sowie Anaerobier – in die Bauchhöhle gelangen und eine Peritonitis verursachen „kotige Peritonitis“. Bei persistierenden Nahtinsuffizienzen oder wiederholten Leckagen entwickeln sich sekundäre oder tertiäre Peritonitiden, die dann oft nicht mehr durch ein Potpourri von diversen Erregern bedingt sind, sondern wo einige wenige selektionierte Keime, darunter auch Sprosspilze, sich durchsetzen. Klinik, allgemeine Diagnostik: Klinisch: lokaler Schmerz, Abwehrspannung, oft hohes Fieber und Hypotension. Darüber hinaus kommt es zu einer Darmatonie. Labor: Infektionsparameter im Blut (CRP ↑ Serumeisen ↓ Leukozytenzahl ↑) Klinik, allgemeine Diagnostik: Die Art und Menge der eingeschleppten bakteriellen Produkte und die Dauer des anschließenden inflammatorischen Geschehens bestimmen die Symptomatik. Klinisch imponiert eine Peritonitis durch lokalen Schmerz und eine Abwehrspannung bei Druck auf die Bauchdecken. Da in den meisten Fällen bakterielle Pyrogene (Endotoxin, Peptidoglykan, Teichonsäuren und Lipoteichonsäuren) in den Organismus gelangen bestehen oft hohes Fieber und Hypotension. Darüber hinaus kommt es zu einer Darmatonie bzw. einem Subileus. Durch Translokation gelangen noch mehr Keime in das Kreislaufsystem, wodurch eine Sepsis entsteht. Labor: Selbst bei einer lokalisierten Peritonitis sind im Blut die Infektionsparameter wie hohes CRP, niedriges Serumeisen und Leukozytose zu erheben. Mikrobiologische Diagnostik: Die mikroskopische Untersuchung bringt schnell wertvolle Hinweise über die Art und Menge der beteiligten Erreger. Die Kultur (auch von Blut), wobei man an Anaerobier und Sprosspilze denken muss, bringt die exakte Klärung. Mit einer Mischinfektion muss gerechnet werden. Bei sekundärer Peritonitis muss auch mit Sprosspilzen gerechnet werden. Mikrobiologische Diagnostik: Die mikroskopische Untersuchung von Abstrichen ergibt schnell einen wertvollen Hinweis auf das Vorliegen von Eiterzellen (deren Zusammensetzung sagt etwas aus über die Dauer der Infektion) und von Mikroorganismen, darunter Bakterien (Form, Färbbarkeit) und ggf. Sprosspilze. Die Kultur (auch von Blut), wobei man auch an Anaerobier und Sprosspilze denken muss, bringt die eigentliche Aufklärung. Ein Antibiogramm gibt Aufschluss über die Wirksamkeit der Antibiotika. Allerdings liegt das Ergebnis erst nach 2–3 Tagen vor. Der Nachweis von Candida-Antigen im Blut ist in einigen Fällen ein frühzeitiger Beleg für eine Komplikation durch Pilze, speziell bei sekundärer und tertiärer Peritonitis. Therapie: Im Vordergrund steht die chirurgische Sanierung. Die kalkulierteAntibiotikatherapie besteht oft in einer Kombination von verschiedenen Medikamenten. Therapie: Wichtigstes Ziel ist eine möglichst kausale Therapie, d.h. eine chirurgische Sanierung, um die „Erregerzufuhr“ zu stoppen. Eine zunächst kalkulierte Antibiotikatherapie muss ganz breit angelegt sein, damit möglichst alle denkbaren Bakterien erreicht werden. Enterokokken und Anaerobier sind zwar häufig beteiligt, ihre „Durchsetzungskraft“ ist jedoch begrenzt. Deshalb müssen vor allem die Enterobacteriaceae bekämpft werden. Entweder Imipenem oder eine Kombination von Cefotaxim bzw. Ciprofloxacin mit Metronidazol wäre empfehlenswert. Bei Sprosspilzinfektionen wäre zunächst Fluconazol Mittel der Wahl. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 626 627 I 9.1 Hepatitis Infektionen von Leber, Galle und Pankreas 9 Prognose: Wenn die Ausheilung nicht gelingt, droht entweder eine schwere lokale Nekrose oder auch eine Sepsis. Die resorbierten Bakterienprodukte können den Kreislauf schwer belasten und Allgemeinreaktionen hervorrufen. 9 Infektionen von Leber, Galle und Pankreas 9.1 Hepatitis 9.1 Hepatitis ▶ Definition: Entzündung des Lebergewebes. ◀ Definition Ätiologie: Neben den eigentlichen „Hepatitisviren“, von denen derzeit 5 (Typ A–E) charakterisiert sind (Tab. I-9.1), können noch viele andere Viren und andere Mikroorganismen eine Entzündung der Leber hervorrufen (Tab. I-9.2). Während die Hepatitisviren primär die Leber befallen, ist die Hepatitis durch andere Erreger eher eine Begleiterscheinung. Auch manche Autoimmunerkrankungen sowie Intoxikationen können unter dem Bild einer Hepatitis verlaufen. Ätiologie: Neben den eigentlichen Hepatitisviren A–E (Tab. I-9.1) gibt es noch andere Ursachen für eine Begleithepatitis (Tab. I-9.2). ▶ Merke: Die Hepatitisviren gehören in ganz verschiedene Virusgruppen und unterscheiden sich in Übertragungsweg, Inkubationszeit, Verlauf und Prognose (Tab. I-9.1). I-9.1 ◀ Merke Charakteristika der Hepatitis-Viren Virus Gruppe (Genom) A Picorna (RNA) B Hepadna (DNA) C Flavi (RNA) D E Transmission Inkubationszeit Verlauf Prognose fäkal-oral 4(–6) Wochen akut gut Touristen parenteral, vertikal (2–)3 Monate oft chronisch kritisch Drogenabusus, HWG, Touristen, Heilberufe parenteral, vertikalx 2 Monate schleichend kritisch Drogenabusus, Heilberufe Virusoid (RNA) parenteral, vertikal 3 Monate chronisch kritisch Hämophile Calici (RNA) fäkal-oral 1 Monat akut meist gut außer während Schwangerschaft Touristen (Indien) Kontakt mit Schweinen akut = 0–6 Monate; chronisch = länger als 6 Monate I-9.2 Weitere, unkonventionelle Hepatitis-Erreger Viren CMV, EBV, Gelbfieber, Enterovirus Bakterien Listerien, Mykobakterien, Leptospiren, Treponemen, Aktinomyzeten, Anaerobier Pilze Candida, Histoplasma, selten Aspergillus Protozoen Amöben, Toxoplasmen, Plasmodien, Leishmanien Würmer Echinokokken, Ascaris (Gallengänge), Schistosomen, Toxocara I-9.2 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Risikogruppen Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Prognose: Die lokale entzündliche Reaktion kann schwere Nekrosen auslösen, die zu lokalen Komplikationen führen. In vielen Fällen kommt es auch zu einer septischen Ausbreitung, was die Mortalität deutlich steigert. Allein aber die großen Mengen von anfallenden Bakterienprodukten verursachen hohes Fieber und belasten den Kreislauf, was mit SIRS (systemic inflammatory response syndrome; s. Sepsis S. 649) beantwortet wird, so dass oft eine intensivmedizinische Überwachung nötig ist, vor allem wenn die Erregerquellen nicht schnell beseitigt werden. Als Spätfolge können sich Briden ausbilden, die dann narbig schrumpfen und Störungen der Peristaltik nach sich ziehen. I 9 Infektionen von Leber, Galle und Pankreas Pathophysiologie: Meistens erfolgt die Schädigung der Leberzellen nicht durch eine direkte Attacke sondern durch die Immunreaktion gegen den Erreger. Bei einer anhaltenden Entzündung erfolgt ein bindegewebiger Umbau, eine Leberzirrhose. Pathophysiologie: In einigen Fällen kommt es zu einer direkten Schädigung der Leberzellen durch den Erreger. Bei den typischen Hepatitisviren ist es die Immunreaktion gegen die Viren, gekennzeichnet durch eine Invasion von Lymphoyzten, die zur eigentlichen Leberzellschädigung führt (dabei kommt es zur Freisetzung von intrazellulären Enzymen – vor allem ALT und AST – die für diagnostische Zwecke gemessen werden können). Während es meistens zu einer Regeneration der Leberzellen kommt, sind schwere Verläufe bis zum Leberversagen möglich. Dabei sind die wichtigen Syntheseleistungen der Leber reduziert, z. B. die Produktion der Gerinnungsfaktoren mit erhöhter Blutungsgefahr. Die Hyperbilirubinämie ist ein frühes Zeichen einer Leberschädigung; diese Gallenfarbstoffe werden dann vermehrt in die Haut und Schleimhäute (speziell im weichen Gaumen) abgelagert und führen zum Ikterus. Bei Beeinträchtigung des intrahepatischen Galleflusses kommt es zur sog. Cholestase, wobei auch Gallensalze nicht mehr in den Darm ausgeschieden, sondern in der Haut abgelagert werden, was Juckreiz (Pruritus) auslöst. Der Mangel an Gallensalzen im Dünndarm führt zu einer verminderten Aufschlüsselung der Nahrungsbestandteile (Maldigestion). Eine chronische Hepatitis (länger als 6 Monate) kann durch den anhaltenden entzündlichen Reiz zu einem narbigen Umbau des Organs bis hin zur Leberzirrhose führen. Klinik: Ikterus (Abb. I-9.1a) ist nicht immer das führende Zeichen; oft bestimmen nur uncharakteristische Oberbauchbeschwerden das Bild. Bei Cholestase: der Stuhl wird weiß (Abb. I-9.1b) und der Urin dunkel. Klinik : Bereits in der Inkubationszeit können Prodromalerscheinungen, wie Fieber, Inappetenz, Druckgefühl im Oberbauch, Übelkeit und Durchfall auftreten, oft auch Gelenkbeschwerden. Bei der akuten Erkrankung ist der Ikterus das klassische Zeichen (Abb. I-9.1a), das jedoch nicht immer auftritt – anikterische Verläufe sind vor allem im Kindesalter nicht selten. Ein starker Pruritus spricht für eine Cholestase. Durch den Mangel an Gallenfarbstoffen verliert der Stuhl an Farbe und wird grau bis weiß (Abb. I-9.1b). Der Urin dagegen wird dunkel, weil diese Pigmente vermehrt über die Niere eliminiert werden müssen. Die reduzierte Leberfunktion kann verschiedene Folgeschäden haben (z. B. Gerinnungsstörung). Allgemeine Diagnostik: Entscheidend ist der Nachweis von Enzymen (ALT und AST) und Bilirubin im Blut. Allgemeine Diagnostik: Bei der klinischen Untersuchung findet man in der akuten Phase eine vergrößerte Leber und eine leichte Splenomegalie. (Bei einem chronischen Umbau ist die Leber hart und verkleinert). Labor – erhöhte Serumenzyme: leberspezifische ALT (Alanin-Aminotransferase, früher GPT) und AST (Aspartat-Aminotransferase, früher GOT), Bilirubin. Eine Leberbiopsie mit histologischer Untersuchung ist im Allgemeinen nicht erforderlich; im Einzelfall können aber die entzündlichen Infiltrate sowie die Leberzellnekrosen die ätiologische Einteilung und die Prognoseschätzung erleichtern. Mikrobiologische Diagnostik: Die Bestimmung von mikrobiellen Antigenen und spezifischen Antikörpern beweist die Ätiologie. Mikrobiologische Diagnostik: Der Nachweis von mikrobiellen Antigenen und spezifischen Antikörpern erlaubt in vielen Fällen eine exakte Diagnose. Zusätzlich kann bei Hepatitis B und C eine quantitative Bestimmung der Viruslast mittels PCR (s. S. 36) eine prognostische Aussage erlauben. I-9.1 I-9.1 a Ikterus. Typische klinische Befunde bei akuter Hepatitis b Acholischer Stuhl. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 628 Therapie: Hepatitis A und E: Eine gezielte antivirale Therapie ist nicht möglich und auch nicht (unbedingt) erforderlich, weil sie fast immer spontan ausheilt. Hepatitis B und D: Antivirale Substanzen, wie Vidarabin, sind nur mäßig wirksam und allenfalls in Kombination mit Interferon sinnvoll. Lamivudin, ein Nukleosid-Analogon (vgl. S. 181), welches die reverse Transkriptase des Hepatitis B-Virus hemmt, kann die Viruslast senken, aber keine Heilung herbeiführen. Hepatitis C: Ribavirin in Kombination mit (pegyliertem) Interferon kann in vielen Fällen den Verlauf günstig beeinflussen. Interferon hemmt dabei kaum die Virusvermehrung aber die Proliferation von Fibroblasten, so dass der fibrotische Umbau der Leber unterbleibt bzw. verzögert wird. Durch eine Stimulation der Lymphozyten kann die Virusvermehrung reduziert werden. Durch die Einführung von z. B. Hemmstoffen der viralen Transkriptase sind zukünftig Fortschritte zu erwarten. Bei nicht durch Viren hervorgerufenen infektiösen Hepatitiden muss gezielt eine antibakterielle, antimykotische oder antiparasitäre Therapie eingeleitet werden. Ansonsten zielt die Therapie auf die Milderung der Symptome, z. B. durch körperliche Schonung und ggf. Bettruhe und die Behebung von Schäden, z. B. Bekämpfung von Gerinnungsdefiziten. Therapie: Bei Hepatitis B und C gibt es heute eine spezifische Therapiemöglichkeit. Prognose: Eine Hepatitis A heilt normalerweise immer aus und hinterlässt dann eine lebenslange Immunität. Nur wenn große Teile der Leber ausgefallen sind, droht ein Koma. Bei lang anhaltenden entzündlichen Reizen, etwa bei einer Erregerpersistenz von Hepatitis-B-, -D- und -C-Viren, kommt es im Laufe von Jahren zu einem narbigen Umbau des Parenchyms. Das Endstadium ist eine Leberzirrhose. Nach vielen (> 20) Jahren, vor allem wenn zusätzliche Belastungen wie Alkohol oder Toxine dazukommen, kann auf dem Boden einer chronischen Hepatitis auch ein primäres Leberzellkarzinom entstehen. Die gezielte antivirale Therapie führt nicht in allen Fällen zu einer kompletten Ausheilung, aber doch häufig zumindest zu einer Remission. Die Prognose kann je nach Ätiologie recht unterschiedlich sein. Fulminante Verläufe mit Leberversagen sind eher selten. Manche Erreger neigen zur Induktion von chronischen Verläufen, was dann zu einem Gewebsumbau führt bis hin zur Leberzirrhose. Auf einem solchen Boden kann dann auch nach Jahren sogar ein primäres Leberzellkarzinom entstehen. Prophylaxe: Da die verschiedenen Hepatitiden unterschiedliche Entstehungsweisen haben, ist auch die Prävention von Fall zu Fall unterschiedlich. Aufgrund der fäkal-oralen Übertragung von Hepatitis A und E verhindert die strikte Einhaltung der Hygieneregeln (z. B. Händedesinfektion, kein direkter körperlicher Kontakt, getrennte Toiletten) eine Ausbreitung. Bei Übertragung durch Lebensmittel gilt der Spruch „cook it, peel it or forget it“. Bei anderen Infektionswegen ist die Expositionsprophylaxe entscheidend, z. B. die Verwendung eines Kondoms bei Sexualkontakten bzw. neuer Injektionskanülen durch i. v. Drogenabhängige (kein „needle-sharing“). Der aktiven bzw. passiven Impfung gegen Hepatitis A und B kommt eine ganz entscheidende Rolle zu (zu Details siehe auch www.rki.de). Prophylaxe: Die Prävention richtet sich nach den Übertragungswegen. Gegen Hepatitis A und B gibt es die Möglichkeit der Impfprophylaxe. 9.2 Bakterielle Cholezystitis und Cholangitis Ätiopathogenese: Ursache einer akuten Cholezystitis bzw. Cholangitis ist in den meisten Fällen ein bestehendes Galleabflusshinderniss bedingt durch ein Steinleiden in Verbindung mit einer sekundär ablaufenden bakteriellen Infektion. Seltene prädisponierende Faktoren sind Tumore, postoperative Strikturen, entzündliche Veränderungen in Leber und Pankreaskopf oder Parasiten (speziell Askariden). Betroffen sind vor allem Menschen im mittleren Lebensalter, insbesondere Frauen und Adipöse. Verantwortliche Erreger der akuten Entzündungsreaktion sind zumeist Darmkeime (Enterobacteriaceen und Anaerobier), die durch Aszension in diese Region gelangen. 9.2 Bakterielle Cholezystitis und Cholangitis Ätiopathogenese: In den meisten Fällen sind Gallensteine und sekundär aszendierende Darmkeime Auslöser. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 629 I 9.2 Bakterielle Cholezystitis und Cholangitis 630 I 9 Infektionen von Leber, Galle und Pankreas Klinik: Typisch sind plötzlich auftretende Schmerzen im rechten Oberbauch mit Fieber, Schüttelfrost, Übelkeit und Erbrechen sowie Ikterus (v.a. bei Cholangitis). Klinik: Eine akute Entzündung der Gallenblasenwand (Cholezystitis) bzw. der Gallengangswege (Cholangitis) äußert sich durch plötzlich auftretende Schmerzen im rechten Oberbauch (die bei der akuten Gallenkolik in die rechte Schulter ausstrahlen können) und von Fieber mit Schüttelfrost, Juckreiz, Übelkeit und Erbrechen sowie Ikterus (v.a. bei Cholangitis) begleitet werden. Nur bei alten Menschen ist die Symptomatik oft verschleiert, sodass erst Komplikationen (z. B. Perforation und eine nachfolgende gallige Peritonitis) auffallen. ▶ Merke: Für die Cholangitis ist die sog. Charcot-Trias kennzeichnend: Schmerzen im rechten Oberbauch, Ikterus und Fieber. Diagnostik: Entzündungswerte und ggf. Cholesatseparameter wie auch Leberwerte sind erhöht. Eine kulturelle Untersuchung von Galle bzw. von Blut kann die bakteriologische Ursache klären; meisten sind Darmkeime (vor allem E. coli) beteiligt. Sonografie und ERCP sichern meist die Diagnose (bei Cholangitis ist die ERCP auch gleich therapeutisch einsetzbar). Diagnostik: Laborchemisch finden sich erhöhte Entzündungsparameter (CRP, Leukozytose), bei Verschluss des Ducuts choledochus bzw. bei Cholangitis steigen die cholestaseanzeigenden Enzyme (Gamma-GT, Bilirubin, AP) sowie die Transaminasen an. Oberbauchsonografie und ERCP (endoskopische retrograde CholangioPankreatikographie) sichern meist die Diagnose. Bei Vorliegen einer Choledocholithiasis kann ggf. gleich eine therapeutische Sphinkterotomie mit Steinextraktion erfolgen. Die mikrobielle Ätiologie lässt sich durch endoskopisch gewonne Galle klären; da oft eine septische Ausbreitung (s. S. 649) erfolgt, ist auch eine Blutkultur sinnvoll. Am häufigsten werden Kolibakterien gefunden. Auch andere Enterobacteriaceen und Enterokokken können ursächlich oder auch nur zusätzlich beteiligt sein. Therapie: Neben der symptomatischen Therapie (Nahrungskarenz, Analgesie) ist die Gabe von Breitspektrumantibiotika nötig (die mit der Galle ausgeschieden werden können, z.B. Ceftriaxon und Ciprofloxacin). Symptomatische Steine müssen entfernt werden. Therapie: Neben symptomatischer Therapie (Analgesie, Nahrungskarenz) müssen die aufsteigenden Erreger durch Breitspektrumantibiotika (evtl. Kombinationstherapie) bekämpft werden, da ansonsten eine septische Ausbreitung droht. Für eine kalkulierte Therapie stehen primär solche Antibiotika zur Wahl, welche einerseits ein breites Spektrum haben und gegen die vermutlich beteiligten Darmbakterien wirken und andererseits in der Galle ausgeschieden werden, z.B. Ceftriaxon und Ciprofloxacin. Sobald die akute Symptomatik einer akuten Cholezystitis abgeklungen ist, steht eine operative (in der Regel laparoskopische) Steinentfernung an. Die Steinentfernung als Ursache einer Cholangitis erfolgt i.d.R. mittels ERCP (s.o.). 9.3 Akute Pankreatitis 9.3 Akute Pankreatitis Ätiopathogenese: Primär infektiöse Ursachen sind selten. Eine Sekundärinfektion von Pankreasläsionen mit Enterobacteriaceen, Pseudomonaden und Sprosspilzen verschlimmert den Verlauf. Ätiopathogenese: Die Pankreatitis ist nur selten primär infektiös bedingt (z. B. durch Mumps- und Enteroviren). Sekundäre mikrobielle Besiedelungen von primär sterilen Läsionen wie Nekrosen, Pseudozysten und peripankreatischen Verschorfungen können jedoch den Verlauf einer Pankreatitis erheblich beeinträchtigen. Neben Enterobacteriaceen sind – vor allem bei langwierigen Verläufen – speziell Pseudomonaden und Sprosspilze beteiligt, was dann eine gezielte antimikrobielle Therapie erfordert. Klinik: Schwere Verläufe sind durch gürtelförmige Oberbauchschmerzen charakterisiert. Übelkeit, Erbrechen und Meteorismus kommen hinzu. Akute Verläufe können lebensbedrohlich sein. Klinik: Viele sog. Begleitpankreatitiden sind asymptomatisch und heilen auch wieder spontan ab. Ansonsten stehen diffuse Oberbauchschmerzen, die gürtelförmig ausstrahlen können, im Vordergrund. Zusätzlich kommen noch Übelkeit, Erbrechen, abgeschwächte Darmperistaltik und Meteorismus hinzu. Akute Verläufe können dramatische Folgen wie akutes Abdomen, respiratorische Insuffizienz und Schock zur Folge haben. Vor allem wenn eine mikrobielle Superinfektion erfolgt, kann sich eine fortschreitende Pankreasnekrose entwickeln, die evtl nach außen dräniert. Diagnostik: Die Oberbauchsonografie zeigt die Ausdehnung an. Im Blut sind Lipase- und Amylsaewerte erhöht, bei bakterieller Infektion auch die Entzündungsparameter. Aus Nekosematerial können Bakterien bzw. Sprosspilze angezüchtet werden. Diagnostik: Eine Oberbauchsonografie kann entzündliche Schwellungen objektivieren. Im Blut sind erhöhte Lipase- und Amylasewerte festzustellen. Bei bakterieller Superinfektion steigen auch die Entzündungsparameter an. In Abstrichen von den Nekrosegebieten können Bakterien bzw. Hefepilze nachgewiesen werden. Therapie: Im Vordergrund steht die symptomatische Therapie. Antimikrobielle Wirkstoffe sind nur bei Superinfektion angezeigt. Therapie: Symptomatische Therapie bestehend aus Schmerzmitteln, Nahrungskarenz, und Volumensubstitution. Antibiotika bzw. Antimykotika sind nur bei Superinfektion angezeigt. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. ▶ Merke 631 I 10.1 Harnwegsinfektion – Zystitis und Pyelonephritis ableitenden Harnwege Die mit Abstand häufigste Infektion im Bereich des harnproduzierenden und -ableitenden Systems ist die „klassische“ Harnwegsinfektion. Da es sich hierbei in den meisten Fällen um eine aszendierende Infektion von Keimen der Darm- und Hautflora handelt, bei der z. B. eine Zystitis in eine Pyelonephritis übergehen kann, werden diese beiden Hauptformen hier gemeinsam abgehandelt. Einzelne Abschnitte der ableitenden Harnwege können durch spezielle andere Erreger infiziert werden. So kommen als Ursache der Urethritis verschiedene Bakterien oder Viren infrage, die hauptsächlich sexuell übertragen werden (s. S. 635). Für eine Zystitis können z. B. Schistosomen (s. S. 552) oder BK-Viren (s. S. 256) verantwortlich sein, und lokale entzündliche Veränderungen in den Ureteren treten z. B. infolge von bakteriellen Infektionen nach Nierensteinen oder interventionellen Eingriffen auf. An den Nieren können einzelne Viren zum Nierenversagen führen (s. Hantavirus, S. 218) oder es kommt v. a. unter Immunsuppression nach Nierentransplantation zu einer Reaktivierung von BKV oder CMV mit lokalen Infektionen, die sekundär die Bildung von Nierensteinen fördern können. Abzugrenzen von direkt infektiösen Erkrankungen ist z. B. die Glomerulonephritis als immunpathologische Reaktion nach Streptokokkeninfektion (s. S. 324). 10.1 Harnwegsinfektion – Zystitis und Pyelonephritis Ätiopathogenese und Epidemiologie: In der überwiegenden Mehrzahl entsteht eine Harnwegsinfektion durch Aszension von Keimen meist aus dem Darm (Tab. I-10.1) oder von der Haut, nur selten geht eine solche Infektion von einer hämatogenen Streuung aus. Prädisponierende Faktoren für Harnwegsinfektionen können struktureller oder funktioneller Natur sein und z. T. auch den Verlauf komplizieren. Zum einen wird die Keimvermehrung und -aszension durch lokale Faktoren begünstigt: Abflusshindernisse (z. B. bei Prostatahyperplasie, Urolithiasis, Malformation der ableitenden Harnwege, Tumoren oder Radiatio der Harnblase mit nachfolgenden Strikturen, durch fortgeschrittene Schwangerschaft speziell Mehrlingsschwangerschaft) Fremdkörper (z. B. Blasenkatheter) Kürze der weiblichen Harnröhre. Zum anderen spielt auch eine allgemein herabgesetzte Abwehrlage (z. B. im Alter, in der Schwangerschaft, bei Diabetes mellitus) oder eine geringe Urinmenge (z. B. bei Herz- und Niereninsuffizienz) eine Rolle. I-10.1 Erreger von Harnwegsinfektionen 10 Infektionen der Niere und der ableitenden Harnwege Die mit Abstand häufigste Infektion im Bereich des harnproduzierenden und -ableitenden Systems ist die „klassische“ Harnwegsinfektion. Einzelne Abschnitte der ableitenden Harnwege können durch spezielle andere Erreger infiziert werden (s. Urethritis, S. 635). Für eine Zystitis können z. B. Schistosomen (s. S. 552) oder BK-Viren (s. S. 256) verantwortlich sein. An den Nieren können einzelne Viren zum Nierenversagen führen (s. Hantavirus, S. 218) oder es kommt v. a. unter Immunsuppression nach Nierentransplantation zu einer Reaktivierung von BKV oder CMV mit lokalen Infektionen, die sekundär die Bildung von Nierensteinen fördern können. 10.1 Harnwegsinfektion – Zystitis und Pyelonephritis Ätiopathogenese und Epidemiologie: Die häufigste Ursache ist die Aszension von Keimen aus dem Darm (Tab. I-10.1). Zu den prädisponierenden Faktoren gehören die kurze weibliche Urethra, Abflusshindernisse, Fremdkörper, allgemein herabgesetzte Abwehrlage und geringe Urinmenge. I-10.1 Erreger Anteil in % Quelle/Infektionsweg Escherichia coli 50–70 aus der Darmflora andere gramnegative Enterobacteriaceen 10 aus der Darmflora Enterokokken 20 aus der Darmflora Pseudomonas aeruginosa 5 aus Wasser Staphylococcus aureus 5 von der Hautflora; hämatogen Pilze* <5 von der Haut; aus der Darmflora Enterobius <1 aus dem Darm * Pilze im Urin sind meist nur Zeichen einer bloßen Hohlraumbesiedelung Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 10 Infektionen der Niere und der I 10 Infektionen der Niere und der ableitenden Harnwege Formen: Man unterscheidet eine Zystitis (auf Blase beschränkt) von einer Pyelonephritis (auch Nierenbecken und -parenchym betroffen). Auch die Ureteren können beteiligt sein. Formen: Im Prinzip kann man eine Blasenentzündung (Zystitis) von einer Pyelonephritis mit einer Invasion der Bakterien ins Nierenbecken und -parenchym unterscheiden. Das Nierenmark ist dabei anfälliger als die Rinde, weil im hypertonen Milieu des Markes die Funktion der Granulozyten herabgesetzt ist. Je nach Ausdehnung der Keimaszension können die Ureteren mitbeteiligt sein. Klinik: Die Leitsymptome bei akuter Zystitis sind Pollakisurie und Dysurie; dazu kommen evtl. auch Fieber und Übelkeit und Schwäche. Klinik: Eine akute Zystitis ist begleitet von heftigen, krampfartigen Schmerzen im Unterbauch (Achtung: diese können mit einer Divertikulitis, Appendizitis oder Adnexitis verwechselt werden!). Der Harndrang ist verstärkt – der Patient hat das Gefühl, häufig Wasser lassen zu müssen (Pollakisurie) und klagt dabei über Schmerzen bzw. Brennen (Dysurie). Darüber hinaus können Allgemeinsymptome wie Schwäche, Übelkeit und evtl. auch Fieber auftreten. Die Pyelonephritis geht mit deutlich stärkeren entzündlichen Reaktionen einher: Leitsymptome sind Fieber, Schüttelfrost und Flankenschmerzen (verstärkt durch Klopfen!). Die Pyelonephritis ist gekennzeichnet durch Fieber, Schüttelfrost und Flankenschmerzen. ▶ Merke Diagnostik: Die Diagnose stützt sich auf die typischen Symptome und die Ergebnisse der Urinuntersuchung. ▶ Exkurs Die Urindiagnostik beinhaltet verschiedene Methoden: Inspektion: Sichtprüfung auf Trübungen oder Blutbeimengungen. Mikroskopische Untersuchung: Der Nachweis von Leukozyten und von Nitrit ist neben dem Keimnachweis ein wichtiges Kriterium für die Diagnose einer Harnwegsinfektion. Teststreifen: V. a. Harnwegsinfekt bei Nachweis von Nitrit. Kulturelle Nachweisverfahren: Eine semiquantitative Keimzahlbestimmung (Abb. I-10.1) im Morgenurin erhöht die Aussagekraft. ▶ Merke: Die Unterscheidung von Zystitis und Pyelonephritis ist rein klinisch nicht immer möglich; klopfschmerzhafte Nierenlager sind ein Zeichen für Beteiligung des Nierenparenchyms. Diagnostik: Die Diagnose stützt sich auf die typischen Symptome und die Ergebnisse der Urinuntersuchung. Für die Untersuchung wird in der Regel Mittelstrahlurin verwendet (s. Exkurs). ▶ Exkurs: Uringewinnung Mittelstrahlurin (Spontanurin): Die Koloniezahl im Urin spielt für die Diagnose der Harnwegsinfektionen eine erhebliche Rolle. Eine korrekte Entnahmetechnik der Urinprobe ist für die richtige Interpretation von großer Bedeutung. Vor allem bei Frauen wird der Urin leicht durch Bakterien der Hautflora kontaminiert. Deshalb sollten die Patienten eine detaillierte Anleitung erhalten: Spreizen der Labien bzw. Zurückziehen der Vorhaut Reinigung der äußeren Harnröhrenöffnung Verwerfen der ersten Portion des Urins Sammeln des Mittelstrahlurins in einem sterilen Gefäß. Der Urin sollte möglichst schnell untersucht werden, da sonst nachträglich eine Keimvermehrung stattfinden und das Ergebnis verfälschen könnte. Besser ist die Verwendung von Eintauchobjektträgern (Abb. I-10.1). Ein Harnwegsinfekt wird erst bei Koloniezahlen ab 105/ml im Morgenurin angenommen. Kleinere Koloniezahlen gelten als Kontamination. Transurethraler Katheterurin: Bei der Entnahme wird die Kontamination mit passagerer Hautflora vermindert, allerdings steigt die Gefahr der Verschleppung von Keimen von der äußeren Harnröhrenöffnung in die Blase. Diese Probenentnahme sollte also unter strenger Sorgfalt erfolgen. Suprapubischer Punktionsurin: Diese Form der Uringewinnung unter sterilen Kautelen ist zur Klärung von Problemfällen notwendig. Der Urin ist nicht immer steril, daher sind geringe Keimmengen nicht aussagekräftig. Zur Urindiagnostik werden verschiedene Methoden angewendet: Inspektion: Trübungen oder sogar Blutbeimengungen sind Hinweise auf Infektionen. Mikroskopische Untersuchung: Eine quantitative Bestimmung der Leukozyten, z. B. in der Zählkammer, zeigt das Ausmaß der entzündlichen Reaktion an. Bei einer Leukozyturie ist eine Harnwegsinfektion recht wahrscheinlich. Das Vorliegen von Leukozytenzylindern im Urinsediment ist ebenfalls ein deutlicher Hinweis. Oft kommt es bei einer akuten Zystitis zu einer Schleimhautschädigung mit Erosionsblutungen, so dass dann Erythrozyten im Urin zu finden sind. Auch eine Abschätzung der Menge und der Art der Bakterien ist möglich. Teststreifen: Da viele der uropathogenen Bakterien in der Lage sind, Nitrit aus Nitrat im Urin zu bilden, ist die Nitritprobe hilfreich; Voraussetzung ist allerdings, dass die Bakterien ausreichend Zeit hatten für diese Umsetzung. Kulturelle Nachweisverfahren: Speziell der semi-quantitativen Keimzahlbestimmung (Abb. I-10.1) kommt eine große Bedeutung zu; praktisch ist das Eintauchverfahren von agarbeschichteten Objektträgern (s. S. 632). Die Keimdifferenzierung erlaubt eine Wertung der Ursache bzw. der Prognose. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 632 633 I 10.1 Harnwegsinfektion – Zystitis und Pyelonephritis Semiquantitative Keimzahlbestimmung im Urin ▶ Merke: Meistens ist ein einziger, spezieller Keim der Erreger einer Harnwegsinfektion. Wenn gleichzeitig mehr als 3 verschiedene Keimarten gefunden werden, muss im Allgemeinen eine falsche Probenentnahme unterstellt werden! Eine Resistenzbestimmung der Erreger ist bei ambulanten Patienten und einem unkomplizierten Harnwegsinfekt nicht unbedingt angezeigt, aber erforderlich, wenn Rezidive auftreten, um dann eine gezielte Antibiotikatherapie einzuleiten. Bei stationären Patienten, z. B. mit Blasenkatheter, sollte in jedem Fall eine mikrobiologische Untersuchung erfolgen, da mit resistenten Hospitalkeimen zu rechnen ist. ▶ Merke: Kriterien für das Vorliegen einer Harnwegsinfektion sind: typische Klinik (Miktionsbeschwerden) signifikante Bakteriurie (bei Mittelstrahlurin: > 105 Keime/ml im Morgenurin) Leukozyturie. Therapie: Eine erste, unkomplizierte Harnwegsinfektion, die sich auf eine Zystitis beschränkt, heilt oft schon spontan ohne antibiotische Therapie aus; durch reichliche Flüssigkeitszufuhr (> 2 Liter täglich) kann der Heilungsprozess begünstigt und durch Ansäuerung des Urins das Bakterienwachstum gehemmt werden. Zur I-10.1 ◀ Merke Eine Resistenzbestimmung der Erreger ist auf jeden Fall bei einem Rezidiv sinnvoll. ◀ Merke Therapie: Eine unkomplizierte Zystitis heilt oft spontan aus (reichlich Flüssigkeitszufuhr). Zur Besserung der Symptomatik kann eine 1- bis 3-tägige antibiotische Therapie verabreicht werden (Tab. I-10.2). Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. I-10.1 634 I 10 Infektionen der Niere und der ableitenden Harnwege Überlegungen zur kalkulierten Antibiotikatherapie einer Harnwegsinfektion Antibiotikum Überlegung Cotrimoxazol 30–40 % aller E.-coli-Stämme sind bereits vorn vornherein resistent, v. a. bei Patienten, die schon zuvor im Krankenhaus waren. Enterokokken sind teilweise resistent. Cotrimoxazol wird zum Großteil renal ausgeschieden. Chinolone 30–40 % aller Stämme von E. coli sind bereits von vornherein resistent (bei Personen > 50 Jahre steigt die Resistenzrate auf 60 %). Enterokokken sind z. T. resistent. Ciprofloxacin wird zu einem Großteil über Darm und Galle ausgeschieden, während Levofloxacin überwiegend renal eliminiert wird. Vor allem ältere Patienten haben ZNS-Nebenwirkungen. Aminopenicilline 60 % aller E.-coli-Stämme sind bereits von vornherein resistent. Enterococcus faecalis ist noch immer zu 90 % empfindlich. Dagegen ist Enterococcus faecium zu 90 % resistent. Cephalosporine der 2. und 3. Generation 95 % aller E.-coli-Stämme sind empfindlich. Jedoch sind Enterokokken intrinsisch resistent. Während Ceftriaxon über den Darm ausgeschieden wird, was die Darmflora erheblich stören kann, erreichen Cefuroxim, Cefotaxim und orale Cephalosporine hohe Urinkonzentrationen. Fosfomycin Der Trometanolester von Fosfomycin hat eine gute Bioverfügbarkeit. Bereits mit einer einzigen Gabe (single dose!) können die meisten Infektionen mit E. coli und Enterokokken kuriert werden. Bei akuter Pyelonephritis und Rezidiven ist eine längere Antibiotikatherapie indiziert. ▶ Merke Besserung der Symptomatik kann eine kurzfristige, 1- bis 3-tägige antibiotische Therapie verabreicht werden. Zur Wahl stehen Amoxicillin, orale Cephalosporine, Cotrimoxazol, Chinolone, z. B. Levofloxacin, und Fosfomycin-Trometanol. Mit Resistenzen der Erreger gegen Amoxicillin, Chinolon und Cotrimoxazol muss jedoch gerechnet werden, vor allem bei hospitalisierten Patienten (Tab. I-10.2). Bei akuter Pyelonephritis und rezidivierenden Harnwegsinfektionen ist eine längere Antibiotikatherapie angebracht. Da die Erregerdiagnose und die Resistenzbestimmung meist erst verzögert vorliegen, muss zunächst mit einer kalkulierten Therapie begonnen werden. ▶ Merke: Ein ideales Antibiotikum für die kalkulierte Therapie bei Harnwegsinfektion gibt es nicht. Man sollte die Wahl gut begründen (Tab. I-10.2). Prognose: Es kann sich eine Urosepsis entwickeln. Eine chronisch entzündliche Reaktion kann zu Narbenbildungen führen, was schlussendlich zu einem bindegewebigen Umbau der Blase und Niere führen kann. Prognose: Während eine unkomplizierte Zystitis wenig Beschwerden macht und meist spontan wieder aus heilt, droht bei einer Pyelonephritis eine septische Streuung (sog. Urosepsis). Bei Rezidivneigung muss nach anatomischen bzw. funktionellen Ursachen gefahndet werden. Bei einer Pyelonephritis ist mit einer Defektheilung zu rechnen. Chronische Grunderkrankungen wie z. B. eine chronische Entzündung durch Schistosoma oder eine Querschnittlähmung führen oft zu einer fortschreitenden, destruierenden Entzündung mit Gefahr einer narbigen Schrumpfblase bzw. -niere. Prophylaxe: Prädisponierende Faktoren sollten soweit möglich beseitigt werden. Körperhygiene verhindert die Aszension; ein großes Harnvolumen sowie eine Ansäuerung des Urins verhindern eine massive Keimvermehrung. Prophylaxe: In jedem Fall ist eine Behebung der prädisponierenden Faktoren, speziell einer Abflussstörung, wichtig, um rekurrierende Harnwegsinfektionen zu unterbinden. Da die meisten Erreger von Harnwegsinfektionen aus der Darmflora stammen, sollte nach dem Stuhlgang von vorne nach hinten gewischt werden, um die Darmflora nicht in die Nähe des Orificium urethrae zu bringen. Darüber hinaus tragen auch eine regelmäßige Körperhygiene und das Tragen von sauberer Unterwäsche zu einer Verhinderung der Keimvermehrung bei. Während einer Infektion, aber auch zur Verhinderung von Rezidiven, gilt der Rat: viel trinken! Oft ist gerade in der heißen Jahreszeit die Urinmenge aufgrund anderweitiger Feuchtigkeitsabgabe vermindert. Auch die Ansäuerung des Harns mittels oraler Gabe von Mandelamin trägt dazu bei, die Keimvermehrung zu stoppen. Nitrofurantoine können über lange Zeit gegeben werden und verhindern eine bakterielle Kolonisierung. Dagegen erscheint die angebotene Impfung mit toten Colibakterien (z. B. Uro-Vaxom) wenig aussichtsreich, Rezidive zu verhindern. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. I-10.2 635 I 11.1 Infektionen der männlichen Geschlechtsorgane 10.2 Urethritis Ätiopathogenese: Eine akute Entzündung kann im Rahmen einer Infektion der übrigen Harnwege auftreten aber auch unabhängig davon, z. B. bei der Frau nach exzessivem Geschlechtsverkehr. Daneben gibt es aber auch spezifische Infektionen, die durch Gonokokken, Chlamydien, Mycoplasma bzw. Ureaplasma, Trichomonaden oder Viren (HSV Typ 2) hervorgerufen und sexuell übertragbar sind. Die genaue Ursachenfindung ist für die Therapie erforderlich. Eine nichtbakterielle Ursache (z. B. Morbus Reiter beim Mann) muss differenzialdiagnostisch bedacht werden. Auch Verletzungen, z. B. nach Katheterisierung, führen zu lokalen Entzündungen. Eine starke Entzündung der Schleimhaut der Urethra erzeugt Arosionen, die durch Blut im Urin erkennbar werden. Ätiopathogenese: Neben einer Mitbeteiligung bei Infektionen der übrigen Harnwege gibt es spezifische, sexuell übertragbare Infektionen durch Gonokokken, Chlamydien, Mycoplasma bzw. Ureaplasma, Trichomonaden oder Viren (HSV Typ 2). Durch eine starke Entzündung der urethralen Schleimhaut kommt es zu Arosionen. Klinik: Typischerweise kommt es zu brennenden Schmerzen beim Wasserlassen, schleimigem oder eitrigem Ausfluss und Juckreiz, aber auch asymptomatische Verläufe sind möglich. Klinik: Schmerzen beim Wasserlassen, Ausfluss und Juckreiz. Diagnostik: Zur ätiologischen Klärung kann eine mikroskopische bzw. kulturelle Untersuchung von Eiter bzw. Sekret dienen. Eine Untersuchung von „first void urine“, d. h. der ersten Portion beim Wasserlassen, wo noch Eiter und Epithelzellen der Urethra enthalten sind (also nicht Mittelstrahlurin!) mittels PCR oder mittels Gensonden kann den Beweis einer Chlamydieninfektion bringen. Diagnostik: Eiter bzw. Sekret werden mikroskopisch bzw. kulturell untersucht. Der „first void urine“ kann durch PCR auf Chlamydien getestet werden. ▶ Merke: Da die spezifischen Erreger einer Urethritis meistens nur beim Geschlechtsverkehr übertragen werden, sollten auch die Partner untersucht und ggf. behandelt werden. Therapie: Jeder der Erreger benötigt eine spezifische Therapie, z. B. Cefotaxim für Gononokken, Makrolide, Tetrazykline bzw. Chinolone für Chlamydien und Mykoplasmen und Metronidazol für Trichomonaden. ◀ Merke Therapie: Die Behandlung erfolgt erregerspezifisch. 11 Infektionen der Geschlechtsorgane 11.1 Infektionen der männlichen Geschlechtsorgane 11 11.1 Infektionen der Geschlechtsorgane Infektionen der männlichen Geschlechtsorgane 11.1.1 Orchitis 11.1.1 Orchitis Ätiopathogenese: Meist sind Virusinfektionen die Ursache einer Orchitis. Mumps- (s. S. 224) und Enteroviren können im Rahmen einer disseminierten Infektion auch die Hoden (einseitig oder beidseitig) infizieren. Bakterielle Infektionen, z. B. durch Gonokokken oder Mykobakterien, kommen seltener vor. Gelegentlich sollte man mit exotischen Infektionen durch Pilze, wie Coccidioides und Histoplasma rechnen, wenn ein Aufenthalt in Endemiegebieten stattgefunden hat. Ätiopathogenese: Meist führen Virusinfektionen (Mumps- oder Enteroviren) zu einer Orchitis. Bakterielle Infektionen sind selten. Klinik: Häufig kommt es in Verbindung mit Fieber akut zu einer Schwellung und Rötung des Hodensacks. Als eine mögliche Konsequenz von Vernarbungen nach der akuten Infektion kann es zu einer Störung der Spermatogenese und damit zur Sterilität des Mannes kommen. Klinik: Typisch ist ein geschwollener und geröteter Hodensack in Verbindung mit Fieber. Vernarbungen nach Infektion können zu Sterilität führen. Diagnostik: Die Diagnostik erfolgt serologisch (Antikörpernachweis im Serum) und kulturell aus Biopsien oder Ejakulat. Die eigentliche Ursache bleibt oft ungeklärt. Diagnostik: serologisch und kulturell. Therapie: Als symptomatische Therapie sind eine Hochlagerung des Hodens und Bettruhe zu empfehlen. Bei bakterieller Infektion wird antibiotisch behandelt. Eine spezifische antivirale Therapie ist nicht möglich. Therapie: symptomatisch (Hochlagerung des Hodens und Bettruhe), antibiotisch bei bakterieller Infektion. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 10.2 Urethritis I 11 Infektionen der Geschlechtsorgane 11.1.2 Epididymitis 11.1.2 Epididymitis Ätiopathogenese: Ursächlich sind meist Infektionen mit Neisserien, Chlamydien, selten mit Darmkeimen oder uropathogenen Erregern. Ätiopathogenese: Die meist einseitige Infektion des Nebenhodens tritt oft bei risikohaftem Sexualverhalten (z. B. häufig wechselnden Partnern) auf. In vielen Fällen sind gleichzeitig auch die Hoden bzw. die Prostata mitbetroffen. Neisserien und Chlamydien sind die häufigsten Erreger; aber Darmkeime und uropathogene Erreger sind ebenfalls möglich. Klinik: Die akute eitrige Entzündung ist v. a. durch schmerzhafte Schwellung gekennzeichnet. Es kann zu chronischen Verläufen mit Abszessen oder narbigem Umbau kommen. Klinik: Es kommt typischerweise zu einer akut eitrigen Entzündung, bei der die schmerzhafte Nebenhodenschwellung im Vordergrund steht und evtl. durch Fieber begleitet wird. Ohne Behandlung neigt die Erkrankung zu chronischen Verläufen. Es kann zu Abszessen oder zu ausgedehntem narbigen Umbau mit nachfolgender Funktionsstörung kommen. Diagnostik: ggf. Erregernachweis im Ejakulat. Diagnostik: Die Ursachenfindung ist schwierig. Man kann versuchen aus dem Ejakulat die bakteriellen Erreger zu züchten. Therapie: sofortige Antibiose (Chinolone oder Cotrimoxazol), Bettruhe, Kühlung und Hochlagerung des Hodens. Therapie: Es sollte eine sofortige antibiotische Behandlung (Notfall!) z. B. mit Chinolonen oder Cotrimoxazol erfolgen. Maßnahmen wie Bettruhe sowie Kühlung und Hochlagerung des Hodens unterstützen den Heilungsprozess. 11.1.3 Prostatitis 11.1.3 Prostatitis Ätiologie: Erreger sind meist E. coli, Enterokokken, und Staphylokokken evtl. auch Chlamydien, Mykoplasmen bzw. Ureaplasmen. Ätiologie: Als Ursache einer Infektion der Prostata kommen in erster Linie E. coli, Enterokokken, und Staphylokokken in Frage. In zweiter Linie können auch Chlamydien und Mykoplasmen bzw. Ureaplasmen beteiligt sein. Kryptokokken können in der Prostata Jahre lang überleben (v. a. bei HIV-Infizierten), ohne dabei eine heftige Entzündung zu induzieren. Klinik: Es kommt zu Fieber, Schmerzen im Bereich von Becken und Rektum, Blasenentleerungsstörungen und einer sexuellen Funktionsstörung. Die Prostatitis verläuft oft chronisch. Klinik: Die akute bakterielle Prostatitis geht mit Fieber, Schmerzen im Bereich von Becken und Rektum sowie mit Blasenentleerungsstörungen einher. Zusätzlich kommt es zu einer sexuellen Funktionsstörung (Libidoverlust, Erektions- und Ejakulationsstörungen sowie Schmerzen nach dem Orgasmus). Eine Neigung zu chronischen Verlaufen besteht ganz häufig, da aufgrund der schweren Erreichbarkeit des festen Prostatagewebes selbst bei sofortiger und gezielter Antibiotikatherapie eine Ausheilung manchmal nicht möglich ist. Diagnostik: Mittels rektaler Untersuchung ist die geschwollene, schmerzhafte Prostata tastbar. Im Prostatasekret finden sich Leukozyten und Bakterien. Ggf. Biopsie. Diagnostik: Bei der rektalen Untersuchung tastet man eine geschwollene Prostata, die infolge der Entzündung druckschmerzhaft ist. Bei der Laboruntersuchung findet man im Prostatasekret Leukozyten und Bakterien. Ggf. ist auch eine Biopsie zur histologischen und mikrobiologischen Klärung angezeigt. Eine Kryptokokkeninfektion kann man durch Antigennachweis im Serum belegen. Therapie: Chinolone oder Ampicillin + Aminoglykosid. Therapie: Geeignet sind Chinolone oder Ampicillin in Kombination mit Aminoglykosiden. Die Exazerbation einer Pilzinfektion kann mit einer langjährigen Fluconazolprophylaxe verhindert werden. 11.2 Infektionen der weiblichen Geschlechtsorgane 11.2.1 Vulvitis ▶ Definition Ätiopathogenese: Die Erreger werden sexuell oder über Schmierinfektion übertragen. Ursachen sind meist Bakterien (Staphylokokken, Streptokokken), aber auch Pilze, Parasiten und Viren. 11.2 Infektionen der weiblichen Geschlechtsorgane 11.2.1 Vulvitis ▶ Definition: Entzündliche Veränderungen am äußeren Genitale der Frau. Ätiopathogenese: Das äußere Genitale der Frau ist häufig bei einer Vaginitis mitbetroffen (Vulvovaginitis). Gelegentlich dehnt sich auch eine Bartholinitis auf die Vulva aus. Während einige Erreger sexuell übertragen werden, entstehen andere über Schmierinfektionen. Ursachen sind meistens Bakterien (Staphylococcus aureus, Streptokokken, Enterobacteriaceae, selten: Haemophilus ducreyi, Treponema pallidum), aber auch Hefepilze (Candida spp.), Parasiten (Phthirus pubis, Scabies) sowie Viren, z. B. Herpes-simplex-Viren (v. a. Typ 2) und humane Papilloma-Viren (HPV). Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 636 Klinik: Subjektive Beschwerden sind Juckreiz und Brennen im Genitalbereich. Klinik: Typisch sind Juckreiz und Brennen. Diagnostik: Bei der Inspektion dominiert zunächst eine Rötung, die sich je nach Erreger in Knötchen, Bläschen oder Ulzera weiterentwickeln kann. Die ätiologische Klärung erfolgt durch mikroskopische bzw. kulturelle Untersuchung eines Abstrichs oder durch Serologie. HSV kann durch PCR nachgewiesen werden, wobei auch der Typ bestimmt werden kann. Diagnostik: Bei der Inspektion ist eine Rötung (evtl. Knötchen, Bläschen) erkennbar. Mikroskopische bzw. kulturelle Untersuchung eines Abstrichs, Serologie, PCR. Therapie: Eine antientzündliche Therapie und eine lokale Gabe von Antiseptika kann helfen. Eine gezielte antimikrobielle Therapie richtet sich nach der Ätiologie. Gegen Scabies und Läuse wirken Lindan oder Pyrethrum. Therapie: Antientzündliche und antiseptische Therapie, Antibiose je nach Ätiologie. 11.2.2 Vaginitis 11.2.2 Vaginitis ▶ Synonym: Kolpitis ◀ Synonym ▶ Definition: Entzündliche Veränderungen in der Scheide. ◀ Definition Ätiopathogenese: Laktobazillen (Döderlein-Bakterien) sorgen in der gesunden Vagina für einen sauren pH-Wert (s. S. 290), der einen weitgehenden Schutz vor der Invasion pathogener Mikroorganismen bietet. Bei einer Störung der normalen Scheidenflora kann es daher zu einer Kolpitis kommen, entweder primär (große Menge pathogener Keime dringt in die Scheide ein und stört dort das physiologische Scheidenmilieu) oder sekundär (pathogene Keime entwickeln sich auf dem Boden eines bereits gestörten Scheidenmilieus). Faktoren, welche die protektive Laktobazillenflora stören (Anstieg des pH-Wertes), sind z. B. Östrogenmangel (z. B. Wechseljahre), Antibiotikatherapie, übermäßige Genitalhygiene (Seife). Auch häufig wechselnde Geschlechtspartner führen zu einer Inzidenzsteigerung. Häufige Erreger sind Bakterien (Gardnerella, Mobiluncus, andere Anaerobier, Atopobium vaginae), Pilze (Candida albicans und C. glabrata), Protozoen (Trichomonas) und Viren (HSV Typ 2). Ätiopathogenese: Bei einer Störung der normalen Scheidenflora kann eine Kolpitis entstehen (primär oder sekundär). Begünstigende Faktoren sind Östrogenmangel, Antibiotikatherapie, übermäßige Genitalhygiene. Klinik: Typisch sind Juckreiz und ein vermehrter Ausfluss (Fluor vaginalis). Klinik: Juckreiz und vermehrter Ausfluss. Diagnostik: Sie besteht in einer Untersuchung des Fluor vaginalis (Menge, Konsistenz, Farbe und Geruch). Bei Infektion mit Gardnerella entsteht durch Zugabe von 10 % KOH-Lösung zum Fluor ein fischartiger Geruch (sog. Aminkolpitis). Unter dem Mikroskop können bereits einige Erreger identifiziert werden, z. B. Hefepilze, Trichomonaden und auch sog. „Clue cells“ (Plattenepithelzellen), an denen sehr viele Stäbchenbakterien hängen (typisch für bakterielle Vaginitis durch Gardnerella, Abb. I-11.1). Die lokale Infektion führt nicht zu einer Erhöhung von BSG, CRP bzw. zu Leukozytose im Blut. Die verschiedenen Erreger lassen sich mittels Kultur oder PCR verifizieren. Diagnostik: Der Fluor vaginalis muss hinsichtlich Menge, Konsistenz, Farbe und Geruch untersucht werden. Durch mikroskopische (Abb. I-11.1) und kulturelle Untersuchungen sowie PCR können die Erreger identifiziert werden. Therapie: Die antimikrobielle Therapie richtet sich nach der Ursache. Die Vaginalmykose wird lokal mit Polyenen (Amphotericin B oder Nystatin) oder mit Azolen (Clotrimazol, Miconazol) behandelt; bei schweren Fällen kann auch eine orale Therapie erfolgen (z. B. Fluconazol; meist reicht eine Einzelgabe). Bei bakterieller Infektion und gegen Trichomonas wirkt Metronidazol (oral), bei Herpesviren Aciclovir. Auch eine lokale Anwendung von Antiseptika (Jodverbindungen, Polihexanid, Octenisept) ist hilfreich. Eine lokale Ansäuerung durch Laktobazillen-, Milchsäureund Vitamin-C-Präparate wirkt supportiv. Therapie: Die antimikrobielle Therapie richtet sich nach der Ursache. Auch lokale Maßnahmen wie Antiseptika oder Ansäuerung durch Laktobazillen-, Milchsäure- und Vitamin-C-Präparate sind allenfalls supportivreich. Häufige Erreger sind Bakterien (Gardnerella), Pilze (Candida), Protozoen (Trichomonas) und Viren. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 637 I 11.2 Infektionen der weiblichen Geschlechtsorgane I-11.1 I 11 Infektionen der Geschlechtsorgane I-11.1 „Clue cells“ bei bakterieller Vaginitis (Nativpräparat) Die Plattenepithelzellen sind dicht mit Stäbchenbakterien (vermutlich Gardnerella) belegt. 11.2.3 Infektionen des inneren Genitales 11.2.3 Infektionen des inneren Genitales ▶ Definition ▶ Definition: Infektionen des Uterus werden in Infektionen der Zervix (Zervizitis) und des Endometriums (Endometritis) unterteilt. Als Adnexitis wird eine einoder beidseitige Entzündung des oberen Genitaltrakts mit Beteiligung der Eileiter (Salpingitis) und der Eierstöcke (Oophoritis) einschließlich der umgebenden Gewebe bezeichnet. ▶ Merke ▶ Merke: Da Zervizitis, Endometritis und Adnexitis oft kombiniert vorkommen und auch auf die umgebenden Strukturen/Organe (Peritoneum, Douglasraum, Darm) im Becken übergreifen können, wird dafür international der Begriff Pelvic inflammatory disease (PID) verwendet. Ätiopathogenese: Meist handelt es sich eine aszendierende Infektion; die Erreger werden sexuell übertragen (häufig Chlamydia trachomatis, Gonokokken). Auch puerpale oder postoperative Infektionen sind möglich. Selten treten hämatogene oder deszendierende Infektionen auf. Ätiopathogenese: In vielen Fällen entstehen die Erkrankung durch Aszension von Erregern, die beim Geschlechtsverkehr übertragen werden (sog. STD = Sexually transmitted disease), z. B. Chlamydia trachomatis, Gonokokken, Streptococcus pyogenes (Serogruppe A), Herpes-simplex-Viren (Typ 2), humane PapillomaViren (HPV), Zytomegalievirus (CMV). Weitere Ursachen können eine puerpale (im Wochenbett) oder postoperative Infektion mit Staphylococcus aureus oder Enterobacteriaceae sein. In seltenen Fällen treten hämatogene (z. B. durch Mykobakterien) oder deszendierende (z. B. bei einer Appendizitis) Infektionen auf. Klinik: Zervizitis: meist symptomlos, ggf. Ausfluss Endometritis: Ausfluss, evtl. Fieber, Schmerzen, Blutungsstörungen Adnexitis: plötzlicher Beginn mit starken Schmerzen und Fieber. Klinik: Eine Zervizitis verläuft meist symptomlos, manchmal wird ein gelblicher, klebriger Ausfluss bemerkt. Bei der Endometritis können Blutungsstörungen (z. B. Zwischenblutungen) auftreten, evtl. auch unspezifische Unterbauchschmerzen, Fieber und abnormer Ausfluss. Typische Symptome einer akuten Adnexitis sind ein plötzlicher Beginn mit z. T. starken Unterbauchschmerzen (v. a. bei gonorrhoischen Infektion), Fieber, Übelkeit und Erbrechen. In manchen Fällen bestehen Regelblutungsstörungen und Ausfluss. Komplikationen: bei Adnexitis: Tuboovarialabszess, Peritonitis, Sterilität, Extrauteringravidität. Komplikationen: Bei der Adnexitis kann sich der Entzündungsprozess auf die umliegenden Strukturen/Organe ausdehnen (z. B. Parametritis, Tuboovarialabszess, Peritonitis). Gefürchtete Spätkomplikationen sind Sterilität (Verklebung der Eileiter), die Entstehung einer Extrauteringravidität und chronische Unterbauchschmerzen durch Verwachsungen. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 638 639 Diagnostik: Im Rahmen der gynäkologischen Untersuchung imponieren bei Zervizitis eine vulnerable (Kontaktblutung), gerötete Zervix mit gelblich, eitrigem Ausfluss. Auch bei Endometritis zeigt sich ein eitriger Ausfluss, zudem ist der Uterus häufig druckdolent. Zur Bestimmung des verursachenden Erregers wird ein Abstrich aus der Zervix entnommen. Neben Untersuchung des Nativpräparats und Kultur ist auch eine PCR geeignet (speziell für den Nachweis von Chlamydien, HSV und CMV). Typisch für die Adnexitis ist eine Druck- und Schiebeschmerz des Uterus, je nach Ausmaß mit Peritonealreizung. Laborchemisch zeigen sich erhöhte Entzündungsparameter (Leukozyten ↑, BSG ↑, CRP ↑). Weitere diagnostische Maßnahmen sind Erregernachweis (Abstrich aus Zervix), Sonografie und ggf. Laparoskopie (Beurteilung der Adnexe, Erregernachweis). Diagnostik: Zervizitis: vulnerable, gerötete Zervix mit Ausfluss Endometritis: Ausfluss, druckdolenter Unterus Adnexitis: Druck- und Schiebeschmerz des Uterus (ggf. Peritonealreizung), erhöhte Entzündungsparameter, Sonografie. Zum Erregernachweis wird ein Abstrich der Zervix entnommen (Nativpräparat, Kultur, PCR). Therapie: Hat sich der Verdacht auf eine Infektion bestätigt, wird eine AntibiotikaTherapie eingeleitet. Chinolone (Moxifloxacin, Levofloxacin), Makrolide (z. B. Azithromycin), und Doxycyclin sind gegen die meistens bakteriellen Erreger wirksam. Nach Erhalt der Abstrichresultate kann die Therapie ggf. angepasst werden. Bei Infektion mit Gonokokken ist Cefotaxim bzw. Ceftriaxon indiziert. Bei Tbc müssen spezielle Kombinationen eingesetzt werden. Gegen HSV hilft Aciclovir. Bei Fortschreiten der Entzündung kann eine operative Intervention notwendig werden. Therapie: Die Behandlung erfolgt antibiotisch (Chinolone, Makrolide, Doxycyclin), ggf. je nach Erreger. Bei Fortschreiten der Entzündung kann eine operative Intervention notwendig werden. ▶ Merke: Bei Gonokokken- und Chlamydieninfektion ist auch eine Partnerbehandlung notwendig. Prävention: „Safer Sex“ (Kondome) und eine richtige Genitalhygiene wirken vorbeugend gegen Infektionen im Genitalbereich. ◀ Merke Prävention: „Safer Sex“ (Kondome), richtige Genitalhygiene. 12 Infektionen von Knochen und Gelenken 12.1 Osteomyelitis 12 Infektionen von Knochen und Gelenken 12.1 Osteomyelitis ▶ Definition: Entzündung des Knochenmarks, in den meisten Fällen verbunden mit einer Ostitis bzw. Periostitis. ◀ Definition Ätiologie: Die Entstehungsweise ermöglicht Rückschlüsse auf die Ätiologie (Tab. I-12.1). Ätiologie: Die Entstehungsweise ermöglicht Rückschlüsse auf die Ätiologie (Tab. I-12.1). ▶ Klinischer Fall: Ein 43-jähriger Polizeibeamter stellte sich zunächst beim Hausarzt wegen Rückenschmerzen vor. Da diese Symptome im Laufe von wenigen Tagen ständig zunahmen und auch noch Fieber, Schüttelfrost und Gewichtsabnahme hinzukamen, wurde er stationär aufgenommen. Im Röntgenbild zeigten sich im Bereich der Lendenwirbelsäule osteolytische Herde. Bei der Operation konnte daraus Eiter entnommen werden, der Haemophilus aphrophilus enthielt. Es wurde anamnestisch geklärt, dass der Polizist 4 Wochen zuvor bei der Festnahme eines Kriminellen von diesem an der Hand gekratzt und gebissen worden war. Die oberflächlichen Entzündungen wurden damals nicht ernst genommen. ◀ Klilnischer Fall Klinik: Fieber, Schmerzen (v. a. wenn das Periost befallen ist), Funktionseinschränkungen. Klinik: Fieber, Schmerzen. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. I 12.1 Osteomyelitis 640 I 12 Infektionen von Knochen und Gelenken I-12.1 ▶ Exkurs a Entstehungsweise Ätiologie (Erreger) traumatisch Staphylokokken, Enterokokken, Enterobacteriaceae, Pseudomonas, Anaerobier, Mischinfektionen septisch Staphylococcus aureus, Tbc, Salmonella, Brucella, Haemophilus, Pasteurella, Eikenella, Candida per continuitatem Staphylokokken, Enterobacteriaceae, Anaerobier, Mischinfektionen iatrogen/postoperativ Staphylococcus aureus, Mischinfektionen ▶ Exkurs: Spondylitis, Spondylodiszitis. Die Spondylitis ist die Osteomyelitis der Wirbelkörper, von Spondylodiszitis spricht man bei einem Befall der Bandscheiben. Beide Formen können primär auftreten und sekundär ineinander übergehen. Im klinischen Alltag sind sie meist nicht sicher zu unterscheiden. Der Befall des Wirbelkörpers bzw. der Bandscheiben erfolgt meist durch endogene Streuung von einem entfernten, lokalen Entzündungsherd (z. B. einer Wunde). Das Erregerspektrum entspricht dem der Osteomyelitis. Klinisch stehen hier neben Fieber und Einschränkung des Allgemeinbefindens insbesondere Rückenschmerzen im Vordergrund. Im weiteren Verlauf der Infektion kann es zu Destruktion der Wirbelkörper (Abb. I-12.1) und ausgedehnter Abszessbildung kommen. Bei Einbruch in den Wirbelkanal zeigen sich neurologische Ausfälle bis hin zur Querschnittslähmung. Allgemeine Diagnostik: Zur Diagnose tragen vor allem der klinische Befund, Laboruntersuchungen und bildgebende Verfahren (Abb. I-12.1) bei. I-12.1 Osteomyelitis Allgemeine Diagnostik: Klinisch: Fieber, evtl. Destabilisierung und Funktionseinschränkung mit neuronalen Schäden, evtl. Fistelung nach außen. Labor: Entzündungsparameter wie CRP bzw. BSG sind erhöht, evtl. besteht auch eine Leukozytose und Hyposiderinämie. Bildgebende Verfahren: Im Röntgenbild, MRT (Abb. I-12.1) oder in der Szintigraphie mit 99mTc kann man einen knöchernen Umbau der Knochenstruktur, Fistelgänge oder Sequester erkennen, die sich bei chronischen Prozessen bilden. MRT einer frischen bakteriellen Spondylodiszitis im Segment LWK ½ b c Bei einem 1½-jährigen Jungen mit einer bakteriellen Infektion – ausgehend von der Wirbelzwischenscheibe – kam es zu einer Destruktion der Bandscheibe LWK 1/2 unter Beteiligung der angrenzenden Grund- und Deckplatten (Aufnahmen von Prof. Düber/Mannheim). a T1-gewichtete Sequenz vor Gabe eines MRT-Kontrastmittels. b T1-gewichtete Sequenz nach Gabe eines MRT-Kontrastmittels (Zunahme der Signalintensität in den angrenzenden Wirbelkörpern als Zeichen der entzündungsbedingten Hyperämie). c T2-gewichtete Sequenz (wasserhaltige Bandscheibenscheiben stellen sich signalreich = weiß dar). Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. I-12.1 Mikrobiologische Diagnostik: Erregernachweis durch Blutkultur, evtl. Abstrich bzw. Punktion (Biopsien sind auch sinnvoll, um die Differenzialdiagnose, wie Sarkom, abzuklären). Serologie – Nachweis von spezifischen Antikörpern, z. B. gegen Brucella oder Staphylolysin. Mikrobiologische Diagnostik: Erregernachweis, Serologie. Therapie: Operativ: Entlastung, Entfernung von Sequestern soweit möglich, Stabilisierung. Antimikrobiell: Am besten ist eine gezielte Antibiotikatherapie nach Erreger und Austestung der Empfindlichkeit; ansonsten kalkulierte Therapie, wobei Staphylococcus aureus bei weitem der häufigste Erreger ist. Diese Bakterien können mit Oxacillin oder Cephalosporin der 1. Generation (z. B. Cefazolin) behandelt werden. Da Fosfomycin hervorragend in den Knochen penetriert, wäre es als Kombinationspartner mit einem der Betalaktamantibiotika gut geeignet. Alternativ käme Clindamycin oder ein Makrolid in Frage. Bei resistenten Erregern, z. B. MRSA, evtl. Linezolid. Vancomycin dagegen ist zwar nominell gut gegen Staphylokokken wirksam, aber das „sperrige“ Molekül penetriert nur schlecht ins Gewebe und speziell in den Knochen. Therapie: Neben der operativen Behandlung kommt der richtigen Antibiotikatherapie ein hoher Stellenwert zu. ▶ Merke: Insgesamt muss eine lange Behandlungszeit eingehalten und mit einer relativ großen Wahrscheinlichkeit eines Rezidivs gerechnet werden. Kontrollen sind also erforderlich. ◀ Merke Bei spezieller Genese, z. B. nach Menschenbiss, muss mit anderen Keimen, etwa Pasteurella oder Haemophilus, gerechnet werden und entsprechend auch die Therapie angepasst werden, z. B. Ciprofloxacin bzw. Doxycyclin bei Brucella. Bei Annahme oder Beleg einer Mischinfektion müssen Antibiotika kombiniert werden, um das Spektrum zu erweitern, z. B. Cephalosporin der 2. Generation (z. B. Cefuroxim) plus Clindamycin oder Levofloxacin plus Clindamycin. Die Einlage von antibiotikagetränkten Kugeln/Fäden in das infizierte Gebiet ist wenig wirksam, weil die Diffusionsstrecke von Antibiotika nur sehr kurz ist. Prognose: Vor allem bei chronischen Verläufen muss mit einer Defektheilung gerechnet werden. ▶ Exkurs: Ausgehend von einer Osteomyelitis kommt es gelegentlich zu einer Entzündung der benachbarten Gelenke. 12.2 Arthritis ▶ Definition: Eine Arthritis ist die Entzündung eines Gelenks und beruht entweder auf einer Infektion (meist eine akut eitrige, bakterielle Entzündung, Tab. I-12.2) oder auf einer immunpathologischen Ursache, die meist chronisch verläuft und mit einem serösen Infiltrat einhergeht (Tab. I-12.3). ▶ Merke: Im Gegensatz dazu ist die Arthrose Folge einer degenerativen Veränderung eines Gelenks. Prognose: v. a. bei chronischen Verläufen drohen Defektheilungen. ◀ Exkurs 12.2 Arthritis ◀ Definition ◀ Merke Epidemiologie: Das Geschlecht hat einen ganz erheblichen Einfluss auf solche Immunreaktionen; besonders Frauen im Alter > 40 Jahre sind betroffen. Im Norden Europas (Finnland) sind manche dieser Komplikationen viel häufiger als in den Mittelmeerländern. Die Inzidenz beträgt etwa 2–10/100 000 Einwohner jährlich. Epidemiologie: Besonders Frauen im Alter > 40 Jahre sind von immunpathologischer Arthritis betroffen. Ätiologie: Für die akute eitrige Arthritis sind meist Bakterien verantwortlich. Mögliche Erregerquellen sind vorausgegangene Infektionen des Gastrointestinal-, Urogenital- und Respirationstraktes sowie der Haut, wobei jeweils charakteristische Er- Ätiologie: Eine Entzündung der Gelenke kann durch eine zumeist bakterielle Infektion oder durch eine kreuzreagierende Immunreaktion bedingt sein. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 641 I 12.2 Arthritis I-12.2 I-12.3 I 12 Infektionen von Knochen und Gelenken I-12.2 Akute, eitrige Arthritis (Arthritis purulenta) Erreger Ursachen S. aureus posttraumatisch, postoperativ, fortgeleitet von Osteomyelitis bzw. Weichteilinfektion Borrelia burgdorferi Zeckenstich Pasteurella Menschen- und Tierbiss Haemophilus Menschen- und Tierbiss N. gonorrhoeae septische Streuung Enterobacteriaceen posttraumatisch, postoperativ Pseudomonas posttraumatisch, postoperativ Streptococcus pneumoniae (nach) Sinusitis, Otitis media, Pneumonie Mischinfektion (Anaerobier) posttraumatisch Candida postoperativ, i.v. Drogenabusus I-12.3 Reaktive, seröse Arthritis als häufige postinfektiöse Komplikation Erreger asoziierte Erkrankung Diagnose S. pyogenes Rheumatisches Fieber Serologie Yersinia Frauen > 40 Jahre, Erythema nodosum Serologie Shigella frühere Enteritis Anamnese Salmonella frühere Enteritis Anamnese, Serologie Campylobacter Guillain-Barré-Syndrom Anamnese Borrelia Erythema migrans Anamnese, Serologie Mykoplasma Urethritis, Uveitis Anamnese, Serologie Chlamydia Urethritis, Uveitis Anamnese, PCR Arboviren Meningitis Anamnese, PCR Coxsackievirus Herpangina Anamnese, Serologie Parvovirus B19 Exanthem Anamnese, Serologie Rötelvirus Exanthem Anamnese, Serologie Mumps Parotitis, Meningitis Anamnese, Serologie EBV Angina, Hepatitis Anamnese, Serologie Alphaviren Enzephalitis, Exanthem Anamnese, Serologie reger als Auslöser in Frage kommen (Tab. I-12.2). Ca. 60 % entstehen hämatogen, 30 % postoperativ und 10 % posttraumatisch. Beider reaktiven, serösen Arthritis istdie GelenkkapselOrteinerImmunreaktion mit kreuzreagierenden Antigenen zwischen Erregern und humanem Gewebe. Mögliche Ursachen sind in Tab. I-12.3 aufgeführt; darüber hinaus gibt es noch viele andere Ursachen z. B. Autoimmunkrankheiten aus dem „rheumatischen Formenkreis“: Morbus Still, chronische Polyarthritis, Psoriasis, Spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew), Kollagenose, Morbus Wegener. Klinik: v. a. Schmerzen, Funktionseinschränkung, Schwellung, Rötung. Klinik: Schmerzen, Funktionseinschränkung, Rötung, Schwellung, Überwärmung, ggf. Fieber. Allgemeine Diagnostik: Anamnese: z. B. Anzahl der Gelenke, Verlauf, Vorerkrankungen? Klinisch: typische Symptomatik (s. o.). Radiologisch: Im Röntgenbild sieht man einen verbreiterten Gelenkspalt als Folge Allgemeine Diagnostik: Anamnese: Ist nur ein Gelenk (Monarthritis) oder sind mehrere Gelenke (Polyarthritis) gleichzeitig betroffen (gelegentlich „springt“ die Entzündung von einem zum anderen Gelenk)? Sind die großen oder die kleinen Gelenke entzündet? Auch die zeitlichen Verhältnisse (chronisch/akut) müssen eruiert werden. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 642 643 I 12.2 Arthritis Mikrobiologische Diagnostik: Mikroskopische Untersuchung: Bei der mikroskopischen Untersuchung von Gelenkpunktat erkennt man Entzündungszellen (entweder polymorphkernige Granulozyten bei einer akut eitrigen Infektion bzw. Lymphozyten bei immunologischer Genese) und ggf. im Grampräparat auch Bakterien. Kulturelle Nachweisverfahren: Zum kulturellen Nachweis von Borrelien, Gonokokken und Anaerobiern müssen ggf. Spezialnährböden verwendet werden; sonst reichen die Standardverfahren aus. Evtl. kann auch die Blutkultur positiv sein. Serologische Nachweisverfahren: Serologische Tests gibt es für den Nachweis von früheren Infektionen mit Streptokokken („Rheuma-Serologie“), Yersinia, Mykoplasma, Shigella, Salmonella, Campylobacter und virale Erreger. ▶ Merke: Insgesamt bleibt in vielen Fällen die Ursache vage. der Ergussbildung, später Arrosionen des Knorpels und knöcherne Veränderungen (Abb. I-12.2). Mikrobiologische Diagnostik: Bei der mikroskopischen Untersuchung sieht man die für eine akute Entzündung typischen Granulozyten und ggf. auch Bakterien. Bei chronischen Entzündungen und bei immunpathologischen Reaktionen dominieren die Lymphozyten. Die Kultur von Bakterien erlaubt eine exakte Diagnose. Die Bestimmung von spezifischen Antikörpern im Serum gibt indirekte Hinweise auf die Ätiologie. ◀ Merke Therapie: Bei der akuten eitrigen Arthritis ist die Kombination aus chirurgischer und antibiotischer Therapie wesentlich. Eine geeignete kalkulierte parenterale Therapie bei einer akuten eitrigen Arthritis wäre z. B. Amoxicillin plus Clavulansäure, Flucloxacillin oder Clindamycin. Oft werden auch Antibiotika-Kombinationen verabreicht, z. B. ein Chinolon (Moxifloxacin) plus Rifampicin. Sonst muss die Wahl gezielt nach Empfindlichkeit der Erreger getroffen werden. Die lokale Instillation von Antibiotika ist nicht sinnvoll. Operative Maßnahmen sind – abhängig vom Schweregrad der Infektion – die arthroskopische Spülung, Spül-Saug-Drainage, u. U. Synovektomie. Meist reicht eine antibiotische Therapie über 4–6 Wochen aus. Bei infizierten Gelenkprothesen muss eine Therapie über viele Wochen und selbst Monate erfolgen. Parallel dazu kann die überschießende entzündliche Reaktion mit steroidalen oder nichtsteroidalen Antiphlogistika in Schach gehalten werden, weil sonst irreversible Gewebeschäden die Folge sein können. Bei einer reaktiven serösen Arthritis ist eine Antibiotikatherapie nicht hilfreich. Therapie: Bei der akuten eitrigen Arthritis erfolgt immer die Kombination aus chirurgischer (Gelenkspülung, Drainage) und antibiotischer Therapie (zunächst kalkuliert, dann gezielt)! Bei einer reaktiven serösen Arthritis sind Antibiotika nutzlos. Prognose: Frühzeitig muss eine kausale Therapie einsetzen, damit nicht eine Destruktion von Knorpelgewebe und ein Umbau von Knochen eintritt; Folge ist sonst eine dauerhafte Funktionseinschränkung. Prognose: Bei chronischen Verläufen kommt es zu irreversiblen Schäden an Knorpel und Knochen. I-12.2 a Akute eitrige Arthritis I-12.2 b a Röntgenbild eines arthritisch veränderten Kniegelenks nach postoperativer Infektion. b Zum Vergleich das gleiche Kniegelenk präoperativ. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Begleitumstände (Erkrankungen/Eingriffe wie etwa Gelenkersatz, Punktion, vorangegangene Infektionen), Alter, Beruf und Lebensverhältnisse? Klinisch: s. Symptomatik; das Gelenk ist gerötet und geschwollen; evtl. ist ein Gelenkerguss tastbar. Röntgenologisch: Der Gelenkspalt erscheint verbreitert und evtl. ist bereits eine Arrosion der Knorpel und angrenzenden Knochen festzustellen (Abb. I-12.2a). 644 I 13 Infektionen der Haut und der Weichteile 13 Infektionen der Haut und der Weichteile 13.1 Allgemeines Weichteile Die normale Keimflora der Haut bietet einen Schutz gegenüber pathogenen Keimen (Tab. I-13.2). Infektionen der Haut können durch Störungen der Hautbarriere (Verletzung, Immunschwäche) begünstig werden oder auch im Rahmen systemischer Infektionskrankheiten (z. B. Masern, Röteln) auftreten. Wegweisend für die Diagnose sind die pathologischen Hautveränderungen (Effloreszenzen, Abb. I-13.1). Manche Erreger können z. T. typische Effloreszenzen erzeugen (z. B. Bläschen bei HSV und VZV). Man unterscheidet oberflächliche (Epidermis, Dermis) und tiefe (Subkutis und tiefer) Infektionen (Tab. I-13.3). Die Haut ist eine anatomische, physikalische, chemische und immunologische Barriere, die einen wirksamen Schutz vor dem Eindringen von Umweltkeimen und Keimen der körpereigenen Flora bietet (Tab. I-13.1, s. S. 644). Die Haut ist von einer dichten Keimflora aus apathogenen und fakultativ pathogenen Keimen besiedelt (sog. Kommensalen, Tab. I-13.2). Im Normalfall hat diese residente Flora keinen Krankheitswert, sondern sogar einen protektiven Effekt gegenüber pathogenen Keimen. Unter entsprechenden Voraussetzungen (z. B. verminderte Infektabwehr) können die residenten Keime aber auch zu Infektionen der Haut führen. Störungen der physiologischen Hautbarriere können zu Infektionen der Hautund Weichteile führen. Die meisten Infektionen entstehen durch Verletzungen der Haut (Mikro- oder Makrotraumen). Auch mangelnde oder übermäßige Hygiene, Störung der Immunabwehr (z. B. bei Diabetes mellitus, Kinder) oder chronische Ekzeme (v. a. atopische Dermatitis) können ein Ausbreiten der Keime begünstigen. Darüber hinaus kann bei vielen systemischen Infektionskrankheiten (z. B. Masern, Röteln) die Haut unter Ausbildung eines Hautausschlags (Exanthem) mitbeteiligt sein. Wegweisend für die Diagnose einer Hautinfektionen (bzw. auch aller dermatologischer Erkrankungen) ist die sichtbare pathologische Hautveränderung, die je nach vorliegender Effloreszenz (Abb. I-13.1) oder auch deren Größe, Lokalisation und Anordnung typisch sein kann. So induzieren einige Viren spezifische Effloreszenzen, z. B. Masern- und Rötelnviren erythematöse/papulöse Reaktionen, Herpessimplex-Virus typischerweise Bläschen. Bei Windpocken (Varicellavirus) dagegen ist ein polymorphes Bild charakteristisch (Flecken, Papeln, Bläschen, Krusten). Entsprechend dem Aufbau der Haut aus Epidermis, Dermis (Corium) und Subkutis lassen sich die Infektionen in oberflächliche (Epidermis, Dermis) und tiefe (zusätzlich Subkutis, Faszie und darunter liegende Weichteile) Infektionen einteilen (Tab. I-13.3). Barrierefunktion der Haut physikalisch verhorntes, mehrschichtiges Plattenepithel der Epidermins als mechanisches Hindernis chemisch Sekrete auf der Haut (z. B. Talg und Schweiß) verhindern die übermäßige Vermehrung vieler Keime auf der Haut, entweder durch einen niedrigen pH-Wert (Säuremantel der Haut) oder durch antimikrobielle Oligopeptide (z. B. Dermcidin) und Proteine (z. B. Lysozym); manche Keime (z. B. Staphylococcus aureus) sind jedoch dagegen geschützt immunologisch Abwehrzellen in der Subkutis (Granulozyten, dendritische Zellen, Lymphozyten) I-13.2 Normalflora der Haut residente Flora Diese Keime leben permanent auf der Haut (im Gleichgewicht mit dem Organismus) und wehren pathogene Keime ab. v. a. Staphylococcus epidermidis, Staphylococcus aureus, koryneforme Bakterien, auch Mikrokokken, Malassezia furfur (Pilz) transiente Flora Sie besteht aus Keimen der Umwelt und von anderen Körperteilen (Anflugkeime), die sich aufgrund der residenten Flora nur für kurze Zeit auf der Hautoberfläche behaupten können. z. B. Staphylococcus aureus, Streptococcus pyogenes, Enterobakterien, Pseudomonas, Clostridien, Sprosspilze, Viren Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 13.1 Allgemeines Die Haut stellt eine effektive Barriere dar und verhindert das Eindringen von Keimen (Tab. I-13.1). I-13.1 13 Infektionen der Haut und der 645 I 13.2 Phlegmone Typische Effloreszenzen bei Hautinfektionen I-13.3 Wichtige Hautinfektionen oberflächliche Infektionen tiefe Infektionen I-13.1 Erkrankung Erreger Follikulitis, Furunkel, Karbunkel, Abszess (s. S. 313) Staphylokokken, Streptokokken Impetigo (s. S. 313) Impetigo follicularis Impetigo contagiosa Staphylokokken Streptokokken Erysipel (s. S. 322) Streptococcus pyogenes Erythrasma Korynebakterien Abszess, Phlegmone (s. u.) meist Streptokokken und/oder Staphylokokken, auch Mischinfektionen diabetisches Fußsyndrom (s. S. 646) Mischinfektion aus aeroben (grampositiv und gramnegativ) und anaeroben Keimen nekrotisierende Fasziitis (s. S. 647) meist Mischinfektion, auch Streptococcus pyogenes Gasbrand (s. S. 354) Clostridium perfringens 13.2 Phlegmone 13.2 Phlegmone ▶ Definition: Die Phlegmone ist eine akute, abszedierende Entzündung der Dermis und Subkutis. Im Gegensatz zum Abszess ist die Phlemone aber nicht durch eine Kapsel begrenzt, sondern durch eine diffuse Ausbreitung (auch über Organgrenzen hinweg) charakterisiert. ◀ Definition Ätiopathogenese: Eintrittspforte sind meist kleine Verletzungen, insbesondere bei vorliegender Immunschwäche (z. B. Diabetes mellitus). Klassische Erreger sind v. a. Staphylokokken und Streptokokken, aber auch Enterokokken, Enterobacteriaceae, Pseudomonas aeruginosa, Anaerobier, Mycobacterium tuberculosis, Candida spp. Auch Mischinfektionen kommen vor. Ätiopathogenese: Eintrittspforte sind meist kleine Verletzungen. Klinik: Häufig zeigt sich ein reduzierter Allgemeinzustand mit Fieber und Schüttelfrost. Die Haut ist schmerzhaft geschwollen, überwärmt und flächenhaft gerötet (s. Abb. D-2.16, S. 323). Die Extremitäten sind bei Erwachsenen besonders häufig betroffen. Klinik: Reduzierter Allgemeinzustand mit Fieber; schmerzhaft geschwollene, überwärmte, gerötete Haut. Diagnostik: Die Diagnose wird meist klinisch gestellt. Zusätzlich zeigen sich typische Entzündungszeichen im Blut (Leukozytose, erhöhte BSG), ggf. können auch Streptokokkenantikörper nachgewiesen werden. Zur Bestimmung des Erregers kann Biopsiematerial entnommen sowie mikroskopisch und kulturell untersucht werden. Diagnostik: Neben der typischen Klinik, können im Blut die Entzündungsparameter erhöht sein. Erregerbestimmung durch Hautbiopsie (mikroskopisch, kulturell). Therapie: Die Kombination von Amoxillin plus Clavulansäure hat ein breites Wirkspektrum inklusive Anaerobier (häufig Produktion von Betalaktamasen) und ist daher zur kalkulierten Therapie geeignet. Cefotaxim plus Metronidazol erfassen die Enterobacteriazeen und Anaerobier, hat aber eine Lücke bei Enterokok- Therapie: Die Kombination von Amoxillin plus Clavulansäure ist zur kalkulierten Therapie geeignet. Klassische Erreger sind v. a. Staphylokokken und Streptokokken. Auch Mischinfektionen kommen vor. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. I-13.1 646 I 13 Infektionen der Haut und der Weichteile ken und eine Schwäche bei Staphylokokken und Streptokokken, so dass zusätzlich noch Linezolid verabreicht werden sollte. Auch Daptomycin erreicht hohe Gewebespiegel und ist gegen die grampositiven Erreger wirksam. Tigecyclin hat ein ganz breites Spektrum, inklusive den nosokomialen Problemkeimen (MRSA, VRE und ESBL). Diabetisches Fußsyndrom ▶ Definition Ätiopathogenese: Durch Angiopathie, Neuropathie und Einschränkungen des Immunsystems können Hautläsion leicht sekundär infizieren. Oft besteht eine Mischinfektion aus aeroben und anaeroben Keimen. 13.3 Diabetisches Fußsyndrom ▶ Definition: Im Rahmen eines Diabetes mellitus können Folgeschäden am Fuß auftreten, die oft mit einer bakteriellen Infektion einhergehen. Ätiopathogenese: Ein lang bestehender, schlecht eingestellter Diabetes geht oft mit Angiopathien (Mikro- und Makroangiopathie) und/oder Neuropathien einher. Dies hat zur Folge, dass aufgrund der verminderten Sensibilität Verletzungen am Fuß nicht oder zu spät bemerkt werden und Keime in die Wunden eindringen können. Die Einschränkung des Immunsystems und die Durchblutungsstörungen wiederum führen dazu, dass Verletzungen nur schlecht heilen und dann superinfizieren. Es entstehen ausgedehnte, entzündete Wundflächen, die eine Gefährdung der gesamten Extremität darstellen. Oft besteht eine Mischinfektion aus grampositiven Bakterien der Hautflora (Staphylokokken, darunter evtl. auch MRSA; Streptokokken, Corynebakterien), aus Keimen der Darmflora (Escherichia coli, Klebsiellen, Proteus), Umweltkeimen (Pseudomonas, Acinetobacter) und Anaerobiern. Klinik: ausgedehnte, eitrig belegte Wundflächen meistens in der Knöchelgegend. Klinik: Ein- oder beidseitig treten meistens in der Knöchelgegend ausgedehnte nekrotische Hautareale auf, die stark gerötet und eitrig belegt sind. Diagnostik: Die Intensität und Ausdehnung der entzündlichen Prozesse muss erfasst und dokumentiert werden. Eine bakteriologische Abklärung (Kultur) ist sinnvoll. Diagnostik: Die Intensität und die Ausdehnung der entzündlichen Prozesse muss erfasst und dokumentiert werden. Dazu gehören regelmäßige Inspektion, Erfassung des Gefäß- und Neuropathiestatus (Doppler, Angiographie, Vibrationsempfinden etc.), Abklärung einer ossären Beteiligung (Röntgen, MRT). Eine Klärung der Erregernatur durch Kultur ist anzuraten. Therapie: Neben der lokalen Wundbehandlung sollte eine Antibiotikatherapie durchgeführt werden. Therapie: Ziel der Behandlung ist, die Wunden zur kompletten Abheilung zu bringen und die drohenden (Teil)Amputationen zu vermeiden. Dazu müssen die Wunden regelmäßig gereinigt (ggf. chirurgischen Debridement), desinfiziert und ggf. drainiert werden. Zusätzlich ist die Infektion mit Antibiotika zu bekämpfen. Moxifloxacin und Levofloxacin (beide i. v. oder oral) haben ein breites Wirkspektrum gegenüber den meisten der möglichen Erreger; sie wirken bakterizid und haben eine relativ gute Gewebegängigkeit, obwohl bei der Angiopathie generell die Penetration von Stoffen aus der Blutbahn erschwert ist. Cefotaxim plus Metronidazol (i. v.) oder Co-trimoxazol (oral) oder Doxycyclin (oral) können alternativ eingesetzt werden (Resistenzen gegen Clindamycin sind bei Staphylokokken und Anaerobiern schon häufig zu finden). Bei MRSA wäre Linezolid (i. v. oder oral) angebracht. I-13.2 I-13.2 Diabetisches Fußsyndrom Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 13.3 647 I 13.5 Wundinfektionen 13.4 Nekrotisierende Fasziitis Prävention: Druckentlastung, regelmäßige Fußkontrollen, optimale Blutzuckereinstellung und Tetanusprophylaxe. 13.4 Nekrotisierende Fasziitis ▶ Definition: Eine lebensbedrohliche Weichteilinfektion entsteht, wenn Erreger progrediente Nekrosen der Faszien und der umliegenden Gewebe (Muskulatur nur wenig mitbeteiligt) verursachen, was von einer schweren Systemintoxikation begleitet wird. Eine Sonderform stellt die Fournier-Gangrän der Faszien des Beckens dar. ◀ Definition Ätiopathogenese: Meistens ist die Haut die Eintrittspforte. Ausgangspunkt können schon banale Verletzungen sein, aber auch Operationswunden kommen in Frage. Erreger können ausschließlich hämolysierende Streptokokken der Serogruppe A (Streptococcus pyogenes) sein. Meistens ist die Erkrankung aber Folge von Mischinfektionen mit aeroben und anaeroben Bakterien. Ätiopathogenese: Banale Verletzungen, auch Operationswunden. Klinik: Zu Beginn zeigen sich starke Schmerzen (lassen nach, wenn das Nervengewebe zerstört ist) und ein sich diffus ausbreitendes Erythem. Im weiteren Verlauf entwickeln sich livide bis bräunliche Hautveränderungen mit Hautnekrosen und Blasen (s. Abb. D-2.17, S. 323). Eine Lymphknotenschwellung fehlt oft. Zusätzlich ist der Patient zunehmend desorientiert bis somnolent. Klinik: Zu Beginn kommt es zu starken Schmerzen und einem Erythem, das sich im weiteren Verlauf livide verfärbt (Hautnekrosen und Blasen, s. Abb. D-2.17, S. 323?). Zunehmende Somnolenz. Diagnostik: Bildgebende Verfahren (Sonografie, Röntgen, MRT) lassen die Ausdehnung des Prozesses erkennen. Auch eine chirurgische Exploration ist angebracht. Mikrobiologische Untersuchungen (Mikroskopie und Kultur) können die Ätiologie klären, wobei vor allem Gasbranderreger (Clostridium perfringens) ausgeschlossen werden müssen. Diagnostik: Bildgebende Verfahren (Ausdehnung des Prozesses), chirurgische Exploration und Mikrobiologie (Nachweis des Erregers). Therapie: Neben der frühzeitigen, radikalen Exzision der Faszie sollte ein gründliches chirurgisches Debridement erfolgen. Zur antibiotischen Therapie ist Piperacillin plus Tazobactam oder Cefotaxim plus Metronidazol oder Tigecyclin (v. a. bei Beteiligung von multiresistenten, nosokomialen Infektionserregern) geeignet. Therapie: Neben der chirurgischen Intervention (Faszienspaltung, Debridement) ist eine antibiotische Therapie notwendig. I-13.3 Erreger sind hämolysierende Streptokokken; meist liegen aber Mischinfektionen vor. Nekrotisierende Faszitiis 13.5 Wundinfektionen ▶ Definition: Epitheldefekte begünstigen das Eindringen von Erregern, so dass sekundär Infektionen mit diversen Bakterien und Pilzen auftreten. Die Ausdehnung kann je nach Vorschädigung variieren. I-13.3 13.5 Wundinfektionen ◀ Definition Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Prävention: Wichtigste Präventivmaßnahmen sind Druckentlastung (Hochlagerung; geeignetes Schuhwerk!), regelmäßige Fußkontrollen durch den Patienten und eine optimale Blutzuckereinstellung. Der Impfstatus bezüglich Tetanus sollte überprüft werden. 648 I 13 Infektionen der Haut und der Weichteile I-13.4 endogen Erreger von Wundinfektionen Keime der Hautflora: Staphylococcus aureus, Staphylococcus epidermidis, Corynebakterien andere körpereigene Keime: Enterobacteriaceae (E. coli, Klebsiella spp., Enterobacter spp., Proteus spp., Morganella spp., Enterokokken - darunter auch VRE, Anaerobier, Streptococcus pyogenes (Serogruppe A), Streptococcus agalactiae (Serogruppe B), andere Streptokokken, Candida spp. Keime aus der Umgebung: Staphylococcus aureus (speziell auch MRSA), Escherichia coli (speziell auch ESBL), Klebsiella spp. (speziell auch ESBL), Pseudomonas aeruginosa, Stenotrophomonas maltophilia, Acinetobacter baumannii, Clostridium tetani, Clostridium perfringens., Schimmelpilze Ätiopathogenese: Es kommen endogene (körpereigene) und exogene (Umgebung) Erreger in Frage (Tab. I-13.4). Ätiopathogenese: Einerseits sind die normalen Hautkeime häufig Erreger von Wundinfektionen, andererseits können andere körpereigene Keime, z. B. aus der Flora des Darms oder der oberen Luftwege, übertragen werden. Eine weitere Quelle für Wundinfektionen ist die Umgebung (z. B. Natur, Krankenhaus, Tab. I-13.4). Klinik: Rötung und Eiterung sind die hauptsächlichen Merkmale. Klinik: Die Schwere hängt von der Ausdehnung in die Fläche und Tiefe ab. Meistens kommt zur Rötung auch noch eine Eiterung hinzu. Diagnostik: Inspektion und mikrobiologische Untersuchung (Abstrich, Biopsie). Diagnostik: Farbe, Konsistenz und Geruch des Eiters geben Hinweise auf die ursächlichen Erreger. Zur mikrobiologischen Untersuchung sollten Abstriche oder Biopsien entnommen werden. Therapie: Die Therapie beinhaltet ein chirurgisches Wunddebridement, eine lokale Applikation von Antiseptika sowie eine systemische Antibiotikagabe. Therapie: Das chirurgische Wunddebridement steht an erster Stelle, um eine primäre Heilung zu erreichen. Eine lokale Desinfektion mit gewebeverträglichen Antiseptika (Polihexanid, PVP-Jod oder Octenidin) ist wichtig, um eine Reduktion der Keimlast zu erreichen. Außerdem muss eine systemische Antibiotikatherapie erfolgen. Die Wahl des Antibiotikums/Antimykotikums richtet sich nach dem antimikrobiellen Spektrum sowie der Penetrationsfähigkeit der Substanz. Für eine kalkulierte Therapie eignen sich z. B. Amoxicillin plus Clavulansäure oder ein Cephalosporin der 2. Generation oder ein Chinolon, wie Moxifloxacin oder Levofloxacin. Ggf. muss mit multiresistenten Hospitalkeimen gerechnet werden, so dass man Imipenem plus Linezolid verordnen muss. Prävention: Wundschutz (Verband), Hygiene, ggf. Tetanusprophylaxe. Prävention: Die Keimverschleppung kann durch einen Verband verhindert werden. Beim Verbandswechsel und bei der Wundreinigung sollten hygienische Aspekte berücksichtigt werden. Da Wunden Eintrittspforte für Sporen von Anaerobiern (z. B. von Clostridium tetani) sein können, sollte der Impfstatus bezüglich Tetanus überprüft werden. 13.6 Bissverletzungen ▶ Definition Ätiopathogenese: In der Mundhöhle von Mensch und Tier sind viele pathogene Keime, die sich nach einem Biss in der Wunde vermehren können. Leitkeime sind: Mensch: Haemophilus, Capnocytophaga, Eikenella Tiere: Pasteurella multocida (Hund und Katze), Rabiesvirus, Spirillum minus und Leptospiren (Ratte). Oft bestehen auch Mischinfektionen. 13.6 Bissverletzungen ▶ Definition: Spitze Zähne von Mensch oder Tier können Stich- und Risswunden verursachen, Mahlzähne dagegen eher Quetschwunden. Ätiopathogenese: In der Mundhöhle von Mensch und Tier sind potentielle Erreger, die sich in der Wunde bei niedriger Sauerstoffversorgung rasch vermehren können. Das Risiko einer Infektion hängt von der Tiefe und dem Ausmaß der Verletzung ab. Zusätzlich muss an die Gefahr von Tollwut und Tetanus gedacht werden. Bei Menschenbiss dominieren Haemophilus aphrophilus, Capnocytophaga und Eikenella corrodens. Auch die Übertragung viraler Infektionen, z. B. Hepatitis B und C bzw. HIV ist möglich. Pasteurella multocida ist der Leitkeim bei Hund- und Katzenbiss. Bei auffälligen Tieren sowie in Tollwut gefährdeten Gebieten (Indien, Ecuador) muss man an die Übertragung dieser tödlichen Viren (Rabiesvirus) denken. Bei Rattenbiss ist Spirillum minus zu erwarten, aber auch Leptospiren können übertragen werden. Oft bestehen Mischinfektionen mit diversen Keimen: Streptokokken und vor allem Anaerobiern, z. B. Clostridium tetani. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. exogen 649 Klinik: Die lokale Manifestation hängt einerseits von dem Ausmaß der Verletzung ab und andererseits von der Art der Erreger. Eine Verschleppung der Erreger in andere, entfernte Organe ist möglich, wobei insbesondere Osteomyelitis (s. S. 639) und Spondylodiszitis drohen. Klinik: Das Ausmaß der Verletzung und die Art der Erreger bestimmen den Schweregrad. Eine Verschleppung der Erreger in andere Organe ist möglich (Osteomyelitis). Diagnostik: Bei der Inspektion bzw. bei der chirurgischen Revision muss das Ausmaß der Schädigung festgestellt und evtl. Läsionen der Nerven, Sehnen und Knochenstrukturen ausgeschlossen werden. Aus Abstrichen sollte eine Anzüchtung versucht werden, um eine gezielte Therapie zu ermöglichen. Diagnostik: Zunächst muss bei der Inspektion das Ausmaß der Verletzung festgestellt werden. Die Erreger sollten möglichst aus Abstrichen angezüchtet werden. Therapie: Die Bisswunde sollte sofort antiseptisch gespült werden. Je nach Ausmaß der Verletzung erfolgt eine gründliche chirurgische Revision. Der primäre Verschluss von Bisswunden wird immer noch kontrovers diskutiert und sollte nur nach gründlicher Risikoabschätzung in Erwägung gezogen werden. Eine antibiotische Therapie bei manifester Entzündung ist dringend geraten, um eine Verschleppung zu erhindern. Bei kalkulierter Therapie sind für wenige Tage Amoxicillin plus Clavulansäure, Makrolide oder Moxifloxacin möglich. Bei bekanntem Erreger ist eine gezielte Therapie sinnvoll. P. multocida (obwohl gramnegatives Stäbchenbakterium) ist sogar gegen Penicillin empfindlich. Therapie: Neben der antiseptischen Spülung und der chirurgische Versorgung sollte man eine kurzzeitige antibiotische Therapie (Amoxicillin + Clavulansäure) verabreichen. Prävention: Da eine Bisswunde immer als potentiell kontaminiert angesehen werden muss, ist auch eine Prophylaxe mit Amoxicillin plus Clavulansäure zur Verhinderung nachfolgender Entzündungen anzuraten. Alternativ kann auch Moxifloxacin oder Levofloxacin zum Einsatz kommen. Zusätzlich sollte man eine Tetanusund ggf. Tollwutimpfung überdenken. Prävention: Antibiotikaprophylaxe, ggf. Tetanus- und Tollwutimpfung. 14 Weitere Infektionen 14 Weitere Infektionen 14.1 Sepsis 14.1 Sepsis ▶ Definition: SIRS: Systemisch-entzündliches Reaktions-Syndrom (systemic inflammatory response syndrome) mit Veränderungen der Körpertemperatur (> 38 °C oder < 36 °C), erhöhter Herzfrequenz (> 90/min), erhöhter Atemfrequenz (> 20/min oder pCO2 < 32 mmHg) Veränderung der Leukozytenzahl (> 12/nl oder < 4/nl oder < 10 % Stabkernige) Ein SIRS entsteht, wenn eine Reaktion auf einen lokalen Gewebeschaden eskaliert bzw. entgleist und kann verschiedene Ursachen haben. Sepsis = 2 der bei SIRS genannten Kriterien + Infektion! Beide Verläufe können zu einem Multiorganversagen (MODS = multi organ dysfunction syndrome) führen. ◀ Definition Erreger: Solange die Erregernatur noch nicht bekannt ist, kann man je nach Lokalisation der Infektionsquelle mit bestimmten Keimen rechnen. Die Prävalenz bestimmter Keime hängt auch von der Art der Grundkrankheit bzw. der Aufgabenstellung des Krankenhauses ab (Tab. I-14.1 und I-14.2). Erreger: Je nach Lokalisation der Infektionsquelle sind bestimmte Keime beteiligt (Tab. I-14.1 und I-14.2). ▶ Merke: Das sog. OPSI (overwhelming post splenectomy infection) stellt eine spezielle Situation dar: Wenn ein Teil des phagozytierenden Systems nach Splenektomie ausfällt, so sind die Personen in den ersten Jahren danach sehr anfällig gegen bekapselte Bakterien, vor allem gegen Pneumokokken, Klebsiella pneumoniae, und Haemophilus influenzae. Es kann sich eine fulminante Sepsis entwickeln. Deshalb sollte man rechtzeitig an eine Impfung gegen Pneumokokken und H. influenzae denken! Klinik: s. o. Definition SIRS. ◀ Merke Klinik: s. Definition SIRS. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. I 14.1 Sepsis 650 I 14 Weitere Infektionen Sepsis-„Herde“ und Erregerspektrum Ursprung Erreger Harnwege E. coli, andere Enterobacteriaceae, P. aeruginosa, Enterokokken Gallenwege E. coli, andere Enterobacteriaceae, Enterokokken, Candida Lunge Pneumokokken, S. aureus, Klebsiella, P.aeruginosa, Anaerobier Darm E. coli, Salmonella, andere Enterobacteriaceae, Enterokokken, Anaerobier, Listeria, Candida Katheter koagulasenegative Staphylokokken, S. aureus, Enterobacteriaceae, Enterokokken, Candida, Corynebakterien, Propionibakterien (man muss ggf. nach der Entfernung von infizierten Kathetern noch einmal kontrollieren) Haut S.aureus, S. pyogenes, S. agalactiae Herz (Endokarditis) „vergrünende“ Streptokokken, S. aureus Eiterherd entsprechende Eitererreger Fremdkörper Mischinfektion I-14.2 I-14.2 Häufigkeit von Sepsis-Erregern Erreger Anteil in % Escherichia coli 15–20 Staphylococcus aureus 10–15 Pseudomonas aeruginosa 5–10 Streptococcus pneumoniae 5–10 Enterokokken 5–10 Enterobacteriaceae 5 koagulasenegative Staphylokokken 5 Anaerobier 3 Pilze 2 Allgemeine Diagnostik: Klinische Untersuchung und Labor. Allgemeine Diagnostik: Klinisch: Regelmäßig Blutdruck und Herzrhythmus messen; ggf. APACHE-Score bestimmen. Labor: CRP quantitativ, Procalcitonin, Laktat, pH, pO2, Zytokine. Mikrobiologische Diagnostik: Blutkulturen. Mikrobiologische Diagnostik: Blutkulturen (s. folgendes „Merke“), Endotoxinmessungen (nicht Standard). ▶ Merke ▶ Merke: Eine venöse Blutentnahme ist genauso gut wie eine arterielle. Die Punktionsstelle muss sorgfältig desinfiziert werden – Einwirkzeit der Desinfektionsmittel beachten! Man sollte möglichst nicht aus liegenden Kathetern Blut entnehmen, da hierbei oft Kontaminationen auftreten. Mehr als 3 Probenentnahmen pro Tag sind selten gerechtfertigt (auf dem Begleitschein sollte die Uhrzeit angegeben werden). Am besten untersucht man das Blut bei Beginn eines Fieberschubes. Im Allgemeinen sollte man gleichzeitig eine aerobe und eine anaerobe Kultur entnehmen. Pro Kultur sollte man 5ml (bei Kindern, wo die Bakteriendichte meist höher ist, reichen 2ml) verwenden. Wenn ein Transport ins Labor nicht unmittelbar möglich ist, sollten die Flaschen zwischenzeitlich bei Zimmertemperatur gelagert werden. Die Standardverfahren sind für sehr anspruchsvolle Bakterien nicht geeignet; u. U. kann man durch Verlängerung der Bebrütungsdauer über die üblichen 7 Tage hinaus noch Erfolg haben, indem z. B. vorgeschädigte Bakterien „aufgeweckt“ werden. Auch Mykobakterien können in den üblichen Nährmedien nicht wachsen – dafür stehen Spezialflaschen zur Verfügung. Pilze können auch in den bakteriellen Nährböden angezüchtet werden. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. I-14.1 651 I 14.2 Infektionen während der Schwangerschaft/Geburt Die Anzucht wird durch Antibiotika im Blut behindert. Zwar wird durch Verdünnung mit dem Nährmedium eine Reduktion der Konzentration erzielt, aber die Zugabe von Kunstharzen, welche eine Reihe von Antibiotika – aber nicht alle – binden, erhöht die Ausbeute. Wenn klinisch vertretbar, sollte deswegen die antibiotische Therapie vor Blutentnahme eine Zeit lang ausgesetzt werden. Das Lysis-Zentrifugationssystem (Isolator) hat den Vorteil, dass in einem ersten Schritt die partikulären Bakterien von den Flüssigkeiten getrennt werden; danach können die Bakterien dann ohne Antibiotika auf entsprechende Nährböden – auch auf Spezialnährböden – aufgebracht werden. Nach Anwachsen ist sogar eine Quantifizierung möglich. ◀ Merke Therapie: Intensivmedizinische Maßnahmen zur Sicherung der Vitalfunktionen stehen im Vordergrund. Eine kalkulierte Antibiotikatherapie muss die Infektionsquelle und Umstände berücksichtigen. Die gezielte Therapie nach Erreger und Antibiogramm muss hoch dosiert werden. Therapie: Sicherung der Vitalfunktionen durch intensivmedizinische Maßnahmen unter antibiotischer Therapie. Prognose: Der septische Schock ausgelöst durch mikrobielle Bestandteile, wie Endotoxin, Peptidoglykan, Teichonsäuren, Lipoteichonsäuren und Toxine ist die gefürchtete Folge und entscheidet oft über Leben und Tod. Multiorganversagen kann mit aufwendigen, modernen Verfahren der Intensivmedizin überbrückt werden. Prognose: Ein septischer Schock ist eine gefürchtete Komplikation und vital gefährdend. ▶ Klinischer Fall: Eine 42-jährige Augenärztin – Landesmeisterin im Tennis – kommt sonntagabends wegen akuter Unterbauchbeschwerden ins Krankenhaus. Der Frauenarzt entfernt die intrauterine Spirale, findet dabei eine starke Eiterbildung und ordnet eine bakteriologische Untersuchung an. Das Ergebnis der mikroskopischen Untersuchung liegt am Montag um 12.00 Uhr vor, das der kulturellen Untersuchung erst am Dienstag um 12.00 Uhr. Es handelt sich um Streptococcus pyogenes. (14 Tage später liegt die Typisierung aus dem Referenzlabor vor: Der Keim bildet MProtein Typ 1 – welches sehr wirksam vor Phagozytose schützt – und STSS-Toxin, ein Streptokokken-toxic-shock-Toxin (Superantigen), das eine intensive Zytokinstimulierung induziert.) Am nächsten Morgen sind mehrere periphere Blutgefäße thrombotisch verschlossen und es bilden sich blutige, gangränöse Flecken auf der Haut, speziell an den Akren, die sich schwarz verfärben. Die Patientin entwickelt einen septischen Schock mit Multiorganversagen. Bakterien können aus dem Blut, aus dem Peritonealexsudat und den peripheren Nekrosen kultiviert werden. Unter einer massiven Antibiotikatherapie mit Penicillin G, Imipenem und Linezolid gelingt erst nach 8 Tagen eine allmähliche Entfieberung. Die Patientin ist so geschwächt, dass sie für mehrere Wochen eine Kur benötigt. ◀ Klinischer Fall 14.2 Infektionen während der Schwangerschaft/Geburt Veränderungen, Risiko: Die Infektanfälligkeit von Schwangeren ist nicht generell erhöht. Die Auseinandersetzung mit den meisten Krankheitserregern, z. B. mit Staphylokokken und Streptokokken, verläuft regelrecht. Die Einschränkungen der Infektabwehr sind eher dezent und werden nur in manchen Situationen relevant: Mit Fortschreiten der Schwangerschaft kommt es durch Kompression der Ureteren zu einer rein mechanischen Behinderung des Harnabflusses. Darüber hinaus führt die hormonelle Umstellung dazu, dass die glatte Muskulatur erschlafft und Hohlorgane (z. B. die Harnblase) sich nicht mehr kräftig entleeren können; es entsteht eine erhöhte Restharnmenge und damit das Risiko einer Harnwegsinfektion. Auch die spezifische, zelluläre Abwehr wird durch die hormonellen Veränderungen während der Gravidität geschwächt, was von bestimmten Erregern ausgenutzt wird. 14.2 Infektionen während der Schwangerschaft/Geburt Veränderungen, Risiko: Das Risiko für manche Infektionskrankheiten – aber nicht generell für alle – ist in der Schwangerschaft erhöht. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. ▶ Merke: Ein negativer Befund schließt eine Sepsis nicht aus, weil die Streuung in die Blutbahn nicht kontinuierlich, sondern intermittierend sein kann und die Keimdichte variiert. Ein positiver Befund muss kritisch interpretiert werden: der Nachweis von koagulasenegativen Staphylokokken, Propionibakterien, Corynebakterien, vergrünenden Streptokokken sowie von Mischinfektionen ist zunächst verdächtig auf eine Kontamination. I 14 Weitere Infektionen Gefahren für die Mutter: Vor allem Harnwegsinfektionen treten gehäuft auf. Gefahren für die Mutter: Harnwegsinfektionen treten gehäuft auf, verlaufen schwerer und sind schwer zu therapieren, weil sie zu Rezidiven neigen. Malaria verläuft sehr viel schwerer, oft tödlich. Hepatitis E: fulminante Verläufe sind beschrieben worden. Amnioninfektionen und auch manche Keimbesiedelungen mit potenziell pathogenen Bakterien führen zu Infektionen post partum. Gefahren für das Kind: Frühgeburtlichkeit. Gefahren für das Kind: Die Frühgeburtlichkeit ist ein sehr ernstes Problem, weil Frühgeborene aus vielerlei Gründen ein erhöhtes Krankheitsrisiko haben. Eine veränderte Scheidenflora – wenn die physiologischen Laktobazillen von Gardnerella, Mobiluncus, Bacteroides und anderen Bakterien zurückgedrängt und evtl. lokal Entzündungen ausgelöst werden – führt zu einem erhöhten Frühgeburts-Risiko. Auch schwere Allgemeininfektionen mit Sepsis und Fieber können eine frühzeitige Wehentätigkeit auslösen. Intrauterine Infektionen: Verschiedene Mikroorganismen (Tab. I-14.3) können über die Plazenta hinweg in den Fetus eindringen und sich in diesem immunkompromittierten Wirt vermehren, wodurch je nach Entwicklungszustand Defekte drohen. Perinatale Infektionen: Wenn ein Kind direkt während der Geburt bzw. kurz danach („peri-natal“) mit potenziell pathogenen Keimen (Tab. I-14.3) exponiert wird und keine Leihimmunität durch vorausgegangene Immunreaktionen der Intrauterine Infektionen (Tab. I-14.3). Perinatale Infektionen (Tab. I-14.3). I-14.3 Intrauterine und perinatale Infektionen Erreger Quelle Zeitpunkt Folgen 1. Trimenon Embryopathien intrauterine Infektionen Röteln erkrankte Menschen Parvovirus erkrankte Menschen jederzeit Hydrops fetalis, Abort Varizellen erkrankte Menschen 1. Trimenon Embryopathien Zytomegalie erkrankte Menschen, Träger 1. Trimenon Embryopathien Lues Geschlechtsverkehr jederzeit Abort, konnatale Infektion Listeria Lebensmittel jederzeit Abort, konnatale Infektion Coxiella Tierkontakt jederzeit Abort Toxoplasma Lebensmittel, Tierkontakt jederzeit Abort, konnatale Infektion perinatale Infektionen Hepatitis B Mutter unter der Geburt chronische Hepatitis Hepatitis C Mutter (sehr selten) unter und nach der Geburt chronische Hepatitis HIV Mutter unter der Geburt systemische Infektion Herpes erkrankte Menschen variabel Meningitis, Enzephalitis Varizellen erkrankte Menschen kurz nach Geburt Meningitis, systemisch Zytomegalie erkrankte Menschen, Träger unter der Geburt diverse Manifestationen Tetanus Umwelt Nabelinfektion Tetanus neonatorum Listeria Mutter, nosokomial kurz nach Geburt Sepsis, Meningitis B-Streptokokken Mutter unter der Geburt Sepsis, Meningitis E. coli (K1*) Mutter unter der Geburt Meningitis Gonokokken Mutter unter der Geburt Blennorrhö Chlamydia Mutter unter der Geburt Blennorrhö Salmonellen Unterwassergeburt unter der Geburt Enteritis Candida Mutter unter der Geburt Soor * K1 = Kapselantigen 1 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 652 653 I 14.2 Infektionen während der Schwangerschaft/Geburt Häufigkeit und Meldepflicht einiger konnataler Infektionen in Deutschland Erreger/Erkrankung Häufigkeit pro Jahr Meldepflicht Listerien 30–40 ja Toxoplasmose 18–33 ja Zytomegalie 15–30 nein Lues 3–7 ja Röteln 1–7 ja Mutter besteht, so verlaufen solche Infektionen bei dem Neugeborenen möglicherweise viel schwerer. Einige dieser – eher seltenen – konnatalen Infektionen sind meldepflichtig (Tab. I-14.4). I-14.4 Zur Meldepflicht s. Tab. I-14.4. Mikrobiologische Diagnostik: Vorsorgeuntersuchungen der Schwangeren schließen den Nachweis von Antikörpern gegen Röteln, Treponema pallidum sowie Hepatitis B ein. Darüber hinaus kann bei Verdacht eine serologische Untersuchung auf Toxoplasma, Parvoviren, HIV und Hepatitis C sinnvoll sein. Antikörperbestimmungen gegen Listerien sind unsinnig (s. S. 332)! Der Nachweis von Antigen bzw. Nukleinsäure von Chlamydia trachomatis ist ebenfalls in den Mutterschaftsrichtlinien vorgesehen. Surveillance-Kulturen von B-Streptokokken und Candida im Vaginalabstrich am Ende der Schwangerschaft erscheinen ebenfalls sinnvoll, um ein Risiko der Infektion des Kindes unter der Geburt bzw. kurz danach abzuschätzen. Mikrobiologische Diagnostik: In den Mutterschaftsrichtlinien sind bestimmte Vorsorgeuntersuchungen empfohlen. Prophylaxe: Am wichtigsten ist die Expositionsprophylaxe, indem man durch richtiges Verhalten das Risiko z. B. einer Toxoplasmose und Listeriose (Tab. I-14.5) reduziert. Durch rechtzeitige Impfungen der Mutter gegen Röteln kann eine intrauterine Infektion und eine Embryopathie mit Sicherheit verhindert werden. Der Tetanus neonatorum, der in Afrika immer noch an erster Stelle der Todesursachen von Neugeborenen steht, kann durch die Tetanusimpfung der Mutter (Leihimmunität durch mütterliche Antikörper) verhindert werden. Prophylaxe: Der Expositionsprophylaxe kommt eine entscheidende Rolle zu (Tab. I-14.5). I-14.5 Die Impfprophylaxe schützt vor einigen, gefährlichen Krankheiten, darunter Röteln und Tetanus. Maßnahmen zur Vermeidung intrauteriner Infektionen Toxoplasma gondii Umgang mit Katzen meiden (v. a. junge Kätzchen, denn alte Katzen sind meist schon immun, ggf. den Immunstatus beim Tierarzt prüfen lassen) Katzentoilette mit Handschuhen leeren Katzen nur mit Dosenfutter bzw. gekochtem Fleisch füttern (nicht mausen lassen) kein rohes Fleisch essen oder das Fleisch vorher bei –18 °C einfrieren (Schweine sind heute nur noch selten mit Toxoplasma infiziert, weil sie nicht freilaufend sind, sondern im Stall mit industriell gefertigter Nahrung gefüttert werden) Listeria monocytogenes möglicherweise mit Listerien kontaminierte Lebensmittel meiden: Frischwurst, Aufschnitt, Fleischpasteten, Sandwich rohes Fleisch (Tartar), speziell Hühnerfleisch grüner Salat, rohe Pilze angebrochene Proben von Mayonnaise und Salatdressing Speisen, die nach dem Kochen lange (> 24 h) aufbewahrt wurden rohe Milch und deren Produkte Weichkäse wie Romadur, Münster, Roquefort, Camembert, Brie (v. a. die Rinde davon) Muscheln und andere Meeresfrüchte wie Lachs weitgehend listerienfreie Lebensmittel bevorzugen: frisch geöffnete Konserven frisch abgekochte und erhitzte Speisen frisch pasteurisierte Milch Hartkäse Joghurt (aus Industrieproduktion) Schokolade, Kekse, Marmelade rohe Karotten, Tomaten, Äpfel Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. I-14.4 I 14 Weitere Infektionen Eine Frühdiagnostik hilft, Komplikationen zu minimieren. Eine weitere Maßnahme ist die frühzeitige Diagnose, damit eine Ausbreitung der Infektion durch antimikrobielle Medikamente unterbunden werden kann, wie z. B. bei der Toxoplasmose (auch ein Abbruch der Schwangerschaft muss u. U. in Betracht gezogen werden). Bei einer Besiedelung der Geburtswege mit B-Streptokokken oder Candida kann eine entsprechende antimikrobielle Chemotherapie die Gefahr beseitigen. Bei Varizellenverdacht kann die Geburt verzögert werden bis die Mutter Antikörper entwickelt hat, die dann das Kind passiv schützen. Durch eine Sectio caesarea (Kaiserschnitt) kann die Übertragung von HI-, Hepatitis-B-, Hepatitis-C-Virus sowie von Salmonella von der Mutter auf das Kind während der Geburt vermieden werden. Die Einhaltung der Grundregeln der Hygiene kann die Übertragung von potenziell pathogenen Keimen (z. B. Listerien) auf das Kind im Kreißsaal bzw. in der neonatologischen Station weitgehend verhindern. Therapie: Die Wahl eines Antibiotikums unterliegt während einer Schwangerschaft besonderen Überlegungen bezüglich Nebenwirkungen und Wirksamkeit (Tab. I-14.6). Therapie: Die Auswahl eines geeigneten Antibiotikums zur Anwendung bei einer Schwangeren ist erschwert: Einige Wirkstoffe sind aufgrund evtl. embryotoxischer Nebenwirkungen kontraindiziert (Tab. I-14.6). Normalerweise tolerierte Nebenwirkungen können während der Schwangerschaft zu einer Gefährdung des Kindes führen. So kann es z. B. bei einer durch Ampicillin gestörten Scheidenflora (Lactobazillen) zu einer Vermehrung von Sprosspilzen kommen, die das Kind bei der Geburt gefährden können. Das Antibiotikum muss transplazentar übertragen werden können, damit es überhaupt für die Therapie einer kindlichen Infektion angewendet werden kann. I-14.6 I-14.6 Antibiotika in der Schwangerschaft möglich Penicillin Ampicillin Tazobactam Cephalosporine Meropenem Makrolide INH, Pyrazinamid 14.3 Infektionen im Alter kontraindiziert Aminoglykosid Cotrimoxazol Chinolone Tetracycline Chloramphenicol Metronidazol Rifampicin 14.3 Infektionen im Alter Grundlagen: Häufigkeit, Symptome, Verlauf und Prognose von Infektionskrankheiten können im Alter variieren. Grundlagen: Die Lebenserwartung ist zumindest in den industrialisierten Ländern stark angestiegen, folglich wird in den nächsten Jahrzehnten voraussichtlich auch die Zahl der alten Menschen noch weiter zunehmen. Damit wird die Konstellation „Infektion im Alter“ an Bedeutung gewinnen. Im Laufe des Lebens verändern sich viele Parameter im Körper, die Einfluss nehmen auf die Körperabwehr und damit auf die Infektanfälligkeit und den Verlauf von Infektionen. Altersabhängige Veränderungen des Immunsystems: Komorbidität und veränderte Körperabwehr begünstigen in vielen Fällen den Verlauf von Infektionen bei alten Menschen. Altersabhängige Veränderungen des Immunsystems: Die Infektionsabwehr besteht aus einem komplexen, gestaffelten System aus vielen Einzelkomponenten. Nicht alle, aber zumindest einzelne davon unterliegen einem Alterungsprozess, der in individuell unterschiedlicher Ausprägung zumeist eine Deaktivierung der unspezifischen und spezifischen Abwehr beinhaltet: Einschränkung der zellulären Infektabwehr, z. B. die Phagozytoseleistung der Granulozyten oder die Zytokinproduktion der Makrophagen. Veränderte humorale Immunreaktion im Sinne einer veränderten Zusammensetzung der Immunglobulinklassen im Serum, z. B. erhöhte IgA-Spiegel. Die Reagibilität der peripheren Lymphozyten gegenüber primären und auch sekundären Antigenexpositionen kann reduziert sein, obwohl deren Gesamtzahl sowie die Relationen von Untergruppen, wie etwa CD4- und CD8-T-Lymphozyten, normalerweise nicht auffällig verändert ist. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 654 655 I 14.3 Infektionen im Alter Darüber hinaus gibt es weitere körperliche und soziale Faktoren mit Einfluss auf die Infektionsabwehr: reduzierte Sekretproduktion, erhöhter pH. eingeschränkte Integrität der Epithelien, die normalerweise eine wesentliche Infektbarriere darstellen. zunehmende Komorbidität. familiäre und soziale Situation: Armut, Vernachlässigung und nicht zuletzt eine falsche Ernährung, etwa Protein- oder Selenmangel, fördern oft die Entstehung bzw. Ausbreitung von Infektionen. ◀ Merke Beispiel Salmonellainfektion: Bei Kindern und jungen Menschen manifestiert sie sich meistens als banale Enteritis mit Spontanheilung. Bei alten Menschen jedoch, wo durch Mangel an Magensäure die Anfälligkeit gegenüber oral aufgenommenen Salmonellen steigt, entwickelt sich häufig eine systemische Ausbreitung mit einem typhösen Verlauf (Abb. I-14.1), der oft tödlich endet. Bei der Indikationsstellung für eine Antibiotikatherapie müssen diese Veränderungen berücksichtigt werden: während junge Menschen nach kurzzeitigem Brechdurchfall die Infektion spontan überwinden, so dass eine Antibiotikatherapie nicht immer indiziert ist, benötigen alte Menschen diese externe Hilfe. ▶ Klinischer Fall: In einem Altenheim erkrankten fast alle Bewohner nach einem sommerlichen Grillfest an einer akuten Gastroenteritis, während das Pflegepersonal fast ganz verschont blieb, obwohl auch dieses von den nicht ausreichend erhitzten Bratwürsten gegessen hatte. Etwa die Hälfte der über 70-Jährigen musste hospitalisiert werden. Mehrere der Erkrankten starben an einer Sepsis – bedingt durch Salmonella enteritidis Serovar Hadar –, da eine gezielte Antibiotikatherapie zu spät begonnen wurde. Dagegen überlebten alle Erkrankten, wenn sofort mit einer parenteralen Therapie mit Ciprofloxacin die Disseminierung unterbunden wurde. I-14.1 Häufigkeit von Todesfällen an Salmonellose abhängig vom Alter ◀ Klinischer Fall I-14.1 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. ▶ Merke: Eine generelle Verschlechterung der Abwehrleistung im Alter kann nicht konstatiert werden; zum einen hängt die individuelle Situation nicht nur vom kalendarischen Alter ab, zum anderen kann das Alter in Bezug auf einzelne Infektionskrankheiten sogar von Vorteil sein: dann nämlich, wenn durch eine vorausgegangene Exposition bereits eine tragfähige Immunität erworben wurde. In vielen Fällen ist jedoch eine deutliche Risikosteigerung zu beobachten, weil z. B. eine frühere Exposition zu einer latenten Erkrankung geführt hat, die erst im Alter ausbricht. Symptomatik, Verlauf und Prognose können unterschiedlich sein – mit entsprechenden Konsequenzen für Diagnostik und Therapie. I 14 Weitere Infektionen Im Alter besonders häufige Infektionen: Haut- und Weichteilinfektionen. Infektionen im Mund und an Zähnen. Infektionen der Atemwege, problematisch sind v. a. die chronische Bronchitis und Pneumonie. Enteritis. Harnwegsinfektionen. Entwicklung einer Sepsis. Listeriose. Katheterinfektionen. Im Alter besonders häufige Infektionen: Haut- und Weichteilinfektionen, besonders bei Altersdiabetes, verlaufen oft chronisch und sind therapieresistent, weil die Durchblutung vermindert und somit die lokale Infektabwehr geschwächt ist. Nicht zuletzt weil alte Menschen sich nicht mehr gut bücken können und das Sehvermögen nachlässt, ist die Nagelmykose der Zehen eine häufige Erkrankung. Infektionen im Mund und an Zähnen sind vor allem bei unterernährten, verwahrlosten Menschen häufig und können zu Komplikationen führen. Zahninfektionen werden häufig erst in fortgeschrittenem Stadium bemerkt. Die Funktion der Atemwege ist physiologischerweise im Alter zunehmend eingeschränkt, stark beeinflusst durch einen evtl. langjährigen Nikotinabusus. Chronische Bronchitis und Pneumonie (speziell eine Pneumokokken-Pneumonie) sind im Alter problematisch. Speziell die Tuberkulose ist heute ein Problem der alten Menschen. Enteritiden durch pathogene Darmkeime sind häufiger und vor allem auch schwerwiegender. Daneben sind Cholangitis und Divertikulitis – ausgelöst durch die residente Flora des Darmes – oft gravierend, nicht zuletzt wegen atypischer Verläufe. Die Appendizitis beginnt oft schleichend mit der Gefahr einer Perityphlitis, bei der die Entzündung auch noch auf das Zökum und Colon ascendens übergreift und sich ggf. eine Peritonitis entwickeln kann. Harnwegsinfektionen zeigen häufig einen atypischen Verlauf. Da Infektionserreger offensichtlich von alten Menschen nicht effektiv eingedämmt werden, entwickelt sich schnell eine Sepsis, gegen die dann die Abwehr versagt. Die Listeriose ist eine typische Erkrankung im hohen Alter (Abb. I-14.2). Nicht zuletzt eben wegen der Multimorbidität und der dadurch bedingten häufigen Hospitalisation sind natürlich auch Katheterinfektionen relativ häufig. Andere Krankheiten, wie etwa Tetanus, treten heute fast nur noch bei alten Menschen auf. Klinik, Diagnostik: Das klinische Erscheinungsbild einer Infektion im Alter kann atypisch sein. Die Diagnose ist dadurch erschwert. Klinik, Diagnostik: Aufgrund der im Alter veränderten Reaktion des Körpers auf die Herausforderung durch Keime treten oft asymptomatische oder atypische Verläufe auf. So ist oftmals z. B. trotz ausgedehnter mikrobieller Infiltrationen, z. B. bei nekrotisierender Cholezystitis oder Typhlitis, kein Fieber als Warnhinweis auf eine Infektion zu beobachten. Man darf also Zeichen des veränderten Allgemeinzustandes nicht als eine Alterserscheinung abtun, sondern muss u. U. gezielt nach Infektionserregern suchen. I-14.2 Inzidenz der Listeriose in Deutschland in Abhängigkeit vom Alter (2001) Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 656 657 I 14.3 Infektionen im Alter Therapie: Einerseits ist der alte Mensch in erhöhtem Maße von therapeutischen Eingriffen abhängig, wenn sein körpereigenes Abwehrsystem schwächer ist, und andererseits muss man mit einem anderen Wirkungsgrad der antimikrobiellen Chemotherapie rechnen. Die allgemein verfügbaren pharmakologischen Daten basieren auf Untersuchungen an jungen Probanden. Die Bioverfügbarkeit z. B. von oral verabreichten Medikamenten ist bei den physiologischen Veränderungen des pH und der Schleimhautaktivitäten möglicherweise modifiziert. Die Menge des Körperfetts und die intra-/extrazelluläre Wasserverteilung ist im Alter oft verschoben, so dass auch die Pharmakologie von fett- bzw. wasserlöslichen Medikamenten betroffen ist. Auch der Metabolismus von Antibiotika in Leber und Niere ist von der Organfunktion abhängig. ▶ Merke: Da evidenzbasierte Angaben zur optimalen Dosierung bei alten Menschen weitgehend fehlen, muss man die Therapie individuell und mit „Fingerspitzengefühl“ steuern! Auch auf die Verträglichkeit von Antibiotika, nicht zuletzt wegen der Interaktion mit anderen Medikamenten bei Multimorbidität, muss besonders geachtet werden. Prophylaxe: Eine ausgewogene Ernährung mit qualitativ hochwertigen Produkten wäre wünschenswert, denn Mangelernährung, etwa Zink- und Selenmangel, erhöht die Anfälligkeit. Schlechte Nahrungsmittel, die z. B. lange und falsch gelagert sind, können gefährliche Krankheitserreger oder deren Toxine enthalten. Eine adäquate Körperpflege inklusive der Haut und der Mundschleimhaut verhindert diverse Infektionen. Die gesamten sozialen Umstände, vor allem die Wohnverhältnisse, haben einen entscheidenden Einfluss auf das Infektionsrisiko. Auch Impfungen haben einen besonderen Stellenwert. Während bei jungen Menschen eine Pneumokokkeninfektion meist glimpflich verläuft, sind alte Menschen stark gefährdet (Abb. I-14.3); aus diesem Grund wäre eine entsprechende Impfung im höheren Lebensalter besonders wichtig. Dasselbe gilt für die jährliche Grippeimpfung. Die Tetanusimpfung wäre einerseits ganz wichtig, weil gerade im hohen Alter die Mortalität und auch die Letalität am größten ist, aber andererseits ist die Immunantwort von alten Menschen auf diesen Impfstoff deutlich reduziert, so dass man wiederholt impfen muss, ggf. mit einer Überprüfung des Impferfolges mittels Antikörperbestimmung. I-14.3 Altersabhängiges Mortalitätsrisiko bei einer ambulant erworbenen Pneumonie ◀ Merke Therapie: Bei der Antibiotikatherapie im Alter ist bereits schon die Indikationsstellung anders, dann kommt noch die veränderte Pharmakologie (Resorption, Verteilung, Metabolisierung) und Verträglichkeit dazu, wobei vor allem die Überlegungen wegen möglicher Interaktionen mit anderen Medikamenten bei diversen Begleiterkrankungen komplex sind. ◀ Merke Prophylaxe: Das gesamte Repertoire der Infektionsprophylaxe sollte genutzt werden. Dennoch greifen manche Maßnahmen, wie etwa Impfung, nicht immer mit der gewohnten Zuverlässigkeit. I-14.3 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. ▶ Merke: Fieber als Leitsymptom für Infektionen kann im Alter fehlen. 658 Infektionen bei Abwehrschwäche Grundlagen: Bei einer angeborenen oder erworbenen Abwehrschwäche nutzen opportunistische Keime die Chance, sich in einem solchen Wirt zu vermehren (Tab. I-14.7). I-14.7 14.4 Infektionen bei Abwehrschwäche Grundlagen: Neben den wenigen obligat pathogenen Keimen, die schon im normalen, abwehrtüchtigen Wirt eine Infektion auslösen können, gibt es noch die große Gruppe der Opportunisten, die sich bei „passender Gelegenheit“ ausbreiten und Schaden anrichten können. Angeborene, genetisch determinierte Immundefekte sind eher selten (Tab. I-14.7). Dagegen gibt es mehrere klinische Situationen mit erworbenener Abwehrschwäche: Gefährdet sind vor allem Frühgeborene und Alte, aber auch durch Krankheit (z. B. Leukämie) bzw. moderne immunsuppressive Therapieverfahren (Kortisontherapie von Autoimmunkrankheiten, zytostatische und strahlentherapeutische Therapie bei onkologischen Erkrankungen, Immunsuppression von Organtransplantierten) geschwächte Personen. Auch im Verlauf von Infektionen, z. B. mit HIV, EBV oder Tbc, kann sich eine Immunschwäche entwickeln. Der Grad der Abwehrschwäche kann stark variieren – von einer selektiven Schwäche einer einzelnen Infektabwehrmaßnahme, z. B. ein Defekt im Komplementfaktor C3 oder eine lokale Störung der Barriere, bis hin zu einer generellen Schwäche, die mehrere Mechanismen der unspezifischen wie der spezifischen Abwehr gleichzeitig betrifft. Selbst prinzipiell völlig harmlose Erreger können dann den Körper befallen („wie einen lebenden Nährboden“). Ursachen von Immundefekten angeborene, primäre Defekte unspezifische Abwehr Komplementdefekte: erhöhte Anfälligkeit gegen Meningokokken und bekapselte Erreger Phagozytendefekte, z. B. Chédiak-Higashi und chronische Granulomatose: erhöhte Anfälligkeit gegenüber intrazellulären Erregern, z. B. S. aureus. spezifische Abwehr B-Zell-Mangel, z. B. IgA-Mangel: erhöhte Anfälligkeit gegenüber Schleimhautinfektionen T-Zell-Mangel, severe immunodeficiency syndrome: erhöhte Anfälligkeit gegenüber diversen Erregern erworbene, sekundäre Störungen unspezifische Abwehr vor allem nach Bestrahlung und zytostatischer Chemotherapie tritt häufig eine Neutropenie (< 500 Granulozyten/ mm3) auf. Vor allem bakterielle und mykotische Infektionen treten dann (low risk < 10 Tage; high risk > 10 Tage) gehäuft auf. auch andere Medikamente (z. B. hochdosierte und lang anhaltende Steroidtherapie) erzeugen eine iatrogene Abwehrschwäche. nach Splenektomie fehlt ein Teil der phagozytierenden Kapazität, sodass eine hohe Anfälligkeit gegenüber bekapselten Bakterien auftritt (Gefahr der OPSI*) in bestimmten Lebensabschnitten (Frühgeborene, Alter) sowie im Verlauf verschiedener Krankheiten (z. B. konsumierende Tumorleiden, Diabetes, Leberzirrhose, Niereninsuffizienz oder chronische Infektionen) kommt es zum Verlust mehrerer unspezifischer Abwehrmechanismen, der kaum noch kompensiert werden kann. Patienten mit Leukämie etwa haben trotz erhöhter Zahl an Granulozyten oft eine funktionelle Schwäche dieser Infektabwehr und sind somit anfällig gegen verschiedene Erreger (Viren: z.B. Herpesviren und Zytomegalievirus, Bakterien: grampositive und gramnegative, Pilze: z.B. Cryptococcus, Candida, Aspergillus). spezifische Abwehr vor allem nach allogener Transplantation, wenn eine Abstoßungsreaktion durch Immunsuppressiva erzwungen wird, oder bei einer Autoimmunkrankheit das Abwehrsystem lahmgelegt wird, ist auch die Infektabwehr betroffen. als Folge von Infektionen mit lymphotropen Viren, z. B. HIV und HHV 4, kommt es zu einer Funktionsschwäche der Lymphozyten. * OPSI = overwhelming post-splenectomy infection Ätiologie: Erreger aus allen Gruppen von Mikroorganismen stellen eine Bedrohung dar. Auch solche, die sonst als apathogen gelten (Abb. I-14.4). Ätiologie: Verschiedene opportunistische Keime – Viren (Herpes simplex, EBV, CMV, VZV), Bakterien (Legionellen, Listerien, Nocardien), Pilze (Aspergillen, Zygomyzeten), Protozoen (Toxoplasmen) und Würmer (Strongyloides) – sind eine Bedrohung für abwehrgeschwächte Patienten. Der Zeitpunkt des Erscheinens von infektiösen Komplikationen ist von Erreger zu Erreger verschieden (Abb. I-14.4). Diagnostik: Durch die große Vielfalt der in Frage kommenden Erreger kommen die verschiedensten Tests und Untersuchungsmaterialien zum Einsatz. Diagnostik: Einer breiten Palette von Erregern ist es möglich, in den abwehrgeschwächten Patienten eine Infektion auszulösen, so dass auch die anzufordernden Tests aus ganz unterschiedlichen Untersuchungsmaterialien umfangreich sind. Bei hochgefährdeten Patienten wird sogar vorsorglich und regelmäßig eine Surveillance – bestehend aus klinischen, röntgenologischen, laborchemischen und mikrobiologischen Methoden – gefordert. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 14.4 I 14 Weitere Infektionen 659 I 14.4 Infektionen bei Abwehrschwäche Häufigkeit und Zeitpunkt des Auftretens von Infektionen nach allogener Stammzelltransplantation I-14.4 Therapie: Empirische (kalkulierte) Therapie: Schon bei den ersten, oft uncharakteristischen Zeichen einer Infektion und noch vor einer endgültigen Diagnose werden antimikrobielle Medikamente verabreicht. Ziel ist, eine Infektion im „Keime zu ersticken“, die Auswahl der Wirkstoffe erfolgt entsprechend der klinischen Erfahrung. Die Indikation für eine solche aufwendige und möglicherweise auch nebenwirkungsreiche Maßnahme muss jedoch gut abgewogen werden. (In der Praxis gehen die präemptive und empirische Therapie sowie die Chemoprophylaxe [s. u.] fließend ineinander über). Präemptive Therapie: Ziel ist, das Aufflackern von Infektionen frühzeitig zu bekämpfen, d. h. noch bevor überhaupt Symptome voll ausgeprägt sind, aber schon einige Laborergebnisse Hinweise für einen bestimmten Erreger bringen, oder die Reaktivierung einer Infektion zu verhindern. Gezielte Therapie: bei exakter Klärung der Ätiologie und beim Vorliegen eines Antibiogramms kann man die Therapie optimieren; wenn das Risiko, das von einer bestimmten Infektion ausgeht, abschätzbar ist, so kann eine nebenwirkungsreiche, belastende und teure Therapie gerechtfertigt sein. Therapie: Die empirische (kalkulierte) Therapie beruht auf einer generellen Erfahrung. Die präemptive Therapie hat das Ziel, eine Infektion im Keim zu ersticken. Die gezielte Therapie wäre die optimale Behandlung. Prophylaxe: Eine aufwendige Umkehrisolation schützt den abwehrgeschwächten Patienten nicht vor der eigenen Flora, aber vor der Umwelt. Auch einfache aber hilfreiche Maßnahmen, wie etwa die Entfernung von Topfpflanzen, müssen ergriffen werden. Prophylaxe: Umkehrisolation. ▶ Definition: Gesunde Menschen müssen durch Isolation eines infizierten, kontagiösen Patienten vor einer Krankheit geschützt werden. Eine Umkehrisolation hat das Ziel, gesunde aber infektanfällige Personen vor den Gefahren durch Umweltkeime und Mikroorganismen von Mitmenschen zu bewahren. ◀ Definition Eine „barrier isolation“, d. h. Kittelpflege, Mundschutz bei Kontaktpersonen, ist gedacht als Schutz vor resistenten Keimen. Eine antimikrobielle Prophylaxe (Chemoprophylaxe) zielt darauf ab, eine Infektion von vornherein zu verhindern, indem die Anflugkeime – aber auch Keime der endogenen Flora – in Schach gehalten werden. Einerseits werden nicht absorbierbare Antibiotika (z. B. Aminoglykoside, Vancomycin, Polymyxin) oral verabreicht, andererseits werden auch systemisch wirksame Präparate (z. B. Cotrimoxazol und Chinolone) zur Darmdekontamination eingesetzt. Auch Antimykotika und antivirale Mittel kommen zum Einsatz. Impfungen sollten – soweit möglich – immer rechtzeitig aufgefrischt werden. Einzelne Impfstoffe sind speziell bei Abwehrgeschwächten zu empfehlen z. B. eine aktive Impfung gegen Pneumokokken oder auch passive Impfungen mit Gammaglobulin als Ersatz bzw. Hyperimmunglobuline. „Barrier isolation“ Chemoprophylaxe Impfungen Immunmodulatoren. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. I-14.4 660 I 14 Weitere Infektionen Die Gabe von Immunmodulatoren (z. B. Zytokine) zur Stärkung des Immunsystems hat allenfalls supportiven Charakter. 14.5 STD (sexually transmitted diseases) ▶ Merke 14.5 STD (sexually transmitted diseases) ▶ Merke: Mit Einführung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) wurde das Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten abgeschafft, in dem 4 Krankheiten aufgeführt waren. Seitdem trifft der Begriff „Geschlechtskrankheiten“ eigentlich nicht mehr zu. Erreger: s. Tab. I-14.8. Erreger: s. Tab. I-14.8. Allgemeine Diagnostik: Anamnese, klinischer Befund. Allgemeine Diagnostik: Anamnese: Angaben über Familienstand, Sexualverhalten, Reisegewohnheiten, etc. zeigen auf Risiken hin. Klinisch: Die Manifestationen sind sehr variabel und nicht immer auf die Geschlechtsorgane beschränkt. I-14.8 I-14.8 Erreger von STD Viren Papilloma, Herpes simplex, Hepatitis B, HIV, Molluscum contagiosum Bakterien Treponema pallidum, Neisseria gonorrhoeae, Haemophilus ducreyi, Gardnerella vaginalis, Calymmatobacterium granulomatis, Chlamydia trachomatis, Ureaplasma, Mycoplasma Pilze Candida Protozoen Trichomonas vaginalis Mikrobiologische Diagnostik: Direktnachweis: Tab. I-14.9. Serologisch. Mikrobiologische Diagnostik: Direktnachweis: s. Tab. I-14.9. Serologisch: Der Nachweis von Infektionen vor allem mit Treponemen, HIV, Hepatitis-B-Virus und Herpes-simplex-Virus erfolgt über den Nachweis von spezifischen Antikörpern im Blut. Therapie: Sie ist je nach Erregerart unterschiedlich. Therapie: Je nach Erregerart erfolgt eine entsprechende Therapie, soweit möglich. Prävention: Information und Erziehung können helfen, das Risiko zu meiden. Kondome und manche Chemikalien können die Übertragung von Erregern verhindern. Prävention: Vor allem bei außergewöhnlichen Sexpraktiken und bei unbekannten und wechselnden Partnern muss man mit einem erhöhten Risiko rechnen. Information und Erziehung sind ein erster Schritt zur Vermeidung solcher Situationen. Bei sachgemäßer Verwendung von Kondomen kann das Risiko deutlich minimiert werden. Manche spermizide Chemikalien haben auch eine zumindest mäßige antimikrobielle Wirkung, I-14.9 I-14.9 Direktnachweis von Erregern bei STD mikroskopisch Candida und Trichomonas erkennt man meist schon bei der mikroskopischen Untersuchung der Nativpräparate; in gefärbten Präparaten lassen sich dann auch Gonokokken, Haemophilus, Gardnerella und Calymmatobacterium vermuten kulturell Im Routinelabor ist der kulturelle Nachweis von Viren nur selten möglich; auch Trichomonaden, die zwar prinzipiell gut anzüchtbar sind, werden im Routinelabor so kaum nachgewiesen. Candida und die Bakterien außer Treponema und Calymmatobacterium sind gut zu erfassen molekularbiologisch zunehmend gibt es PCR-Verfahren zum Nachweis einzelner oder auch von Gruppen der Erreger Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Dagegen gibt es zahlreiche „beim Geschlechtsverkehr übertragene Krankheiten“. 661 I 14.6 Importierte Infektionen 14.6 Importierte Infektionen ▶ Definition: Einige Infektionserreger sind bei uns so unbekannt, dass man an einen „Import“ dieser Erreger aus dem Ausland denken muss (Reisende, Einwanderer), wenn sie hier auftreten. ◀ Definition Erreger: siehe Tab. I-14.10. Erreger: s. Tab. I-14.10. Diagnostik: Auf Grund der Anamnese und mancher klinischer Zeichen können Verdachtsdiagnosen gestellt werden, die dann durch Laboruntersuchungen bestätigt werden müssen. Die Reiseanamnese wird oft vernachlässigt; dabei können allein schon Angaben über den Aufenthaltsort und die Jahreszeit Klarheit über den Erreger verschaffen, da die geographische Verteilung bzw. die Klimaabhängigkeit von manchen Vektoren bzw. Mikroorganismen ganz charakteristisch sind. Darüber hinaus sind der zeitliche Abstand zur Reise, die Dauer des Aufenthaltes, die „Luxuskategorie“ sowie das Verhalten (Essgewohnheiten) zu erfragen. Diagnostik: Wenn ein Verdacht vorliegt, kann eine gezielte Untersuchung einsetzen. Eine gezielte Anamnese trägt hier wesentlich zur Klärung bei. ▶ Merke: Sowohl für die gezielte Therapie als auch für die Prognose und evtl. auch für die Abschätzung des Risikos für die Umgebung ist die rechtzeitige Erkennung dieser außergewöhnlichen Krankheiten von großer Bedeutung. ◀ Merke Therapie: Neben einer symptomatischen Behandlung der Beschwerden gibt es bei einer Reihe von Infektionen auch gezielte kausale Therapiemöglichkeiten. Therapie: Eine effektive Therapie hängt von einer exakten Diagnose ab. Prophylaxe: Eine gute Reisevorbereitung beinhaltet eine Risikoabschätzung; wenn das Problem erkannt ist, kann eine Expositionsprophylaxe die Akquirierung verhindern. Für die Vermeidung von lebensmittelbedingten Infektionen gilt: „cook it, peel it or forget it.“ An erster Stelle steht die Impfprophylaxe. Neben den Standardimpfungen, wie Tetanus, Diphtherie und Poliomyelitis (bei Kindern auch noch Mumps, Masern, Röteln), sollten Reisende aus den Industrieländern noch gegen Hepatitis A und ggf. auch gegen Hepatitis B geimpft sein. Bei Reisen in bestimmte Länder von Zentralafrika und Lateinamerika ist die Gelbfieberimpfung vorgeschrieben (eine Lebendvakzine, die nur in ermächtigten Impfzentren vorgehalten wird) und muss im gelben, internationalen Impfbuch dokumentiert sein. Die Indikation für andere Impfungen gegen Typhus, Cholera, Meningokokken, Japan B-Meningitis müssen im Einzelfall besprochen bzw. gestellt werden. Darüber hinaus sollten in einer Reiseapotheke essenzielle Medikamente mitgeführt werden, um evtl. auch eine Chemoprophylaxe durchzuführen oder die Krankheit im Keim zu ersticken. Bei „pressewirksamen“ Epidemien wird von den Behörden gelegentlich eine Einschränkung der Reisemöglichkeiten empfohlen oder auch verordnet. Zumindest aber das individuelle Verhalten, wie etwa Tragen von Mundschutz (Abb. J-2.5, S. 677) oder das Meiden bestimmter Getränke und Speisen, sollte die möglichen Gefahren berücksichtigen. Prophylaxe: Solche exotischen Infektionen können durch Expositionsprophylaxe, Impfprophylaxe, Chemoprophylaxe und Quarantäne verhindert werden. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 14.6 Importierte Infektionen 662 I 14 Weitere Infektionen I-14.10 Typische Erreger importierter Infektionen Erreger klinische Manifestationen Viren Ikterus (4 Wochen nach Aufenthalt) Dengue Fieber, „Grippe“, Exanthem Gelbfieber Fieber, Ikterus, Enzephalitis Bunyaviren Fieber, Enzephaltis hämorrhagisches Fieber (Filo-, Bunya- und Arenaviren) Fieber, schlechter AZ, hämorraghische Blutungen Japan-B-Enzephalitis Fieber, Enzephalitis Hepatitis C Ikterus (mehrere Monate nach Aufenthalt), dunkler Urin, heller Stuhl, Appetitlosigkeit Hepatitis E Ikterus (4 Wochen nach Aufenthalt), dunkler Urin, heller Stuhl, Appetitlosigkeit Hantavirus Fieber, Muskelschmerzen, Dyspnoe, Nierenversagen Poliomyelitis Durchfall, Meningitis, Paralysen Coronaviren schweres akutes respiratorisches Syndrom (SARS) Affenpocken Fieber, vesikuläres Exanthem Bakterien Salmonella typhi und paratyphi Husten (!), Obstipation, Durchfall erst später, Fieber (Continua), Benommenheit, relative Bradykardie, Leukopenie, Hepatosplenomegalie Shigellen Fieber, Tenesmen, blutige Stühle Brucellen lange Inkubationszeit; Fieber, Hepatosplenomegalie, Osteomyelitis Vibrio cholerae massive wässrige Stühle, Dehydratation Tbc nach Exposition (im Flugzeug, bei Umgang mit Erkrankten), monatelange Inkubationszeit, Fieber, Nachtschweiß, Gewichtsabnahme, Lungenherde (Vorsicht: Multiresistenz!) Meningokokken A und C hohes Fieber, Meningitis, Sepsis, Schock (nach Aufenthalt im „Meningitisgürtel“ oder nach Mekkapilgerreise) Pilze Histoplasma Hautgranulome, Organmanifestationen ähnlich Tbc, nur nach Reisen in bestimmte Länder Coccidioides Hautgranulome, Organmanifestationen ähnlich Tbc, nur nach Reisen in bestimmte Länder Cryptococcus neoformans var. gattii Lungenherde nach Tropenaufenthalt, Meningitis, Enzephalitis Protozoen Plasmodium spp. Malaria, Fieberanfälle, Kopfschmerzen, Gliederschmerzen, („komische, schwere Grippe“), ggf. Durchfall Entamoeba histolytica ähnlich Shigellenruhr Lamblia intestinalis voluminöse, fettreiche, stinkende Stühle, Bauchgrimmen, Gewichtsverlust Leishmania donovani Fieber, Hepatosplenomegalie Monate nach Aufenthalt. Würmer Ankylostoma Enteritis, allmählich Gewichtsverlust, Anämie Strongyloides wie Ankylostomiasis, bei Abwehrschwäche (z. B. HIV) droht Disseminierung Schistosoma lange nach Aufenthalt: Blut im Urin, Darmentleerungsstörungen, erhöhte Leberwerte Trichinella Schluckbeschwerden, Atembeschwerden, Muskelschmerzen Taenia leichte Beschwerden, später perniziöse Anämie; ggf. Zystizerkose Ascaris anfangs Fieber und Husten, später Darmbeschwerden. Evtl. Komplikationen als Gallenstau und/oder Pankreatitis Ektoparasiten Tunga Maden in Haut Dasselfliege Maden in Haut und Schleimhaut (z. B. Konjunktiva) Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Hepatitis A 3 Sterilisation und Desinfektion . . . . . . . . 687 3.1 3.2 Sterilisation . . . . . . . . . . . . . 687 Desinfektion . . . . . . . . . . . . 691 4 Impfungen . . . . . . . . . . . . . . 704 672 673 673 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 678 4.7 Passive Immunisierung . . Aktive Immunisierung . . . Impfpflicht . . . . . . . . . . . . . . Impfempfehlungen . . . . . . Impfdokumentation . . . . . Unkonventionelle Impfungen . . . . . . . . . . . . . . Zukünftige Entwicklungen Einführung . . . . . . . . . . . . . . 664 1.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . 664 2 Aufgabengebiete der Hygiene . . . . . . . . . . . . . 666 2.1 2.2 2.3 2.4 Gesundheitserziehung . . . Lebensmittelhygiene . . . . Trinkwasserhygiene . . . . . Hygiene von Badewasser und Abwasser . . . . . . . . . . . Umwelthygiene . . . . . . . . . Epidemiologie . . . . . . . . . . . Infektionsschutzgesetz (IfSG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Krankenhaushygiene bzw. nosokomiale Infektionen 2.5 2.6 2.7 683 5 705 706 711 711 712 712 712 Biologische Kriegführung bzw. Bioterrorismus . . . . . 713 J Hygiene 2.8 666 667 669 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 1 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart J 1 Einführung Einführung 1 Einführung 1 1.1 Grundlagen 1.1 Grundlagen ▶ Definition ▶ Definition: Die Hauptaufgabe der Feuerwehr ist nicht, Feuer zu löschen, sondern dafür Vorbereitungen zu treffen, dass es erst gar nicht ausbricht. Der Mediziner sieht heute seine eigentliche Aufgabe in der Diagnostik und Behandlung von Krankheit. Ziel der Hygiene ist es dagegen, die Gesundheit zu erhalten und Krankheit zu verhüten. Die Prävention setzt dabei nicht nur am Menschen selbst an, sondern auch in seiner Umgebung. Durch die Behebung von Risiken werden nicht nur Einzelne profitieren, sondern auch ganze Kollektive. Im engeren Sinne kümmert sich die Hygiene um die Prävention von übertragbaren Krankheiten, d. h. Infektionskrankheiten. Im weiteren Sinne ist diese Grundhaltung anwendbar auf andere Gebiete der Medizin, z. B. Verhinderung von Asthma oder Leberkrebs durch Verminderung der Exposition gegen Allergene bzw. Mykotoxin, Schadstoffen etc. (sog. Umwelthygiene). Hygiene ist also eine interdisziplinäre Aufgabe. Eigentlich ist es die vornehmliche Aufgabe eines Arztes, die Gesundheit der Menschen zu erhalten und zu pflegen. In der Praxis jedoch kümmert sich ein Arzt in erster Linie um die Diagnostik und Therapie von Krankheiten. ▶ Merke J-1.1 Formen der Prävention: primäre Prävention. sekundäre Prävention. tertiäre Prävention. Die Hygiene vermittelt vornehmlich eine Haltung („attitude“), weniger dagegen Fähigkeiten („skills“) und Wissen („knowledge“). Erfolge durch Hygiene: Während in den Tropen Infektionen die führenden Todesursachen sind, spielen Infektionen bei uns als Todesursache heute eine untergeordnete ▶ Merke: Die Hauptaufgabe der Hygiene ist die Prävention von Infektionskrankheiten (Abb. J-1.1). Insofern unterscheidet sich dieses Fachgebiet von den meisten anderen Gebieten in der medizinischen Ausbildung. J-1.1 Chinesischer Leitspruch Formen der Prävention (hier angewendet auf die Hygiene): Primäre Prävention: Verhinderung des erstmaligen Auftretens von Krankheiten, z. B. von Infektionskrankheiten. Sekundäre Prävention: Verhinderung des erneuten Auftretens von Krankheiten, z. B. von Infektionskrankheiten. Tertiäre Prävention: (zumindest) Unterbindung weiterer Risiken, um eine Verschlimmerung zu vermeiden. Während sich ein Medizinstudent in den anderen Fächern in erster Linie Fachwissen („knowledge“) und erst nachgeordnet Fertigkeiten („skills“) und eine innere Einstellung/Haltung („attitude“) aneignet, hängt der Erfolg der Hygiene vor allem von der Einsicht des Arztes in die Notwendigkeit des präventiven Denkens ab. Die hierfür zu erlernenden Fakten erscheinen gegenüber anderen Fächern, darunter auch der Medizinischen Mikrobiologie, wenig umfangreich. „Die Hygiene ist die Anwendung des gesunden Menschenverstandes“ (Kantz, München). Man muss nicht viel lernen, aber man muss sich an die Grundregeln halten und diese auch umsetzen! Erfolge durch Hygiene: Die Erfolge durch hygienische Maßnahmen sind kaum zu überbieten. Die Bedeutung von Infektionskrankheiten als Todesursache ist in den modernen Industrienationen deutlich zurückgegangen – noch vor 100 Jahren standen sie an erster Stelle der Todesursachen wie heute noch in Ländern der Drit- Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 664 665 J 1.1 Grundlagen J-1.1 Anteil von ausgewählten Todesursachen J-1.1 Länder der Dritten Welt (in %) Industrienationen (in %) Gefäßerkrankungen* 5 45 Tumoren 5 25 Verkehr/Unfälle 3 5 Unterernährung 40 ca. 1 Infektionen 40 ca. 1 * bei vielen dieser Krankheiten spielt Überernährung (Hypercholesterinämie) eine Rolle 1.1.1 Grundvoraussetzungen für eine hohe Lebenserwartung Rolle, weil viele Ziele der Hygiene verwirklicht sind (Tab. J-1.1). 1.1.1 Grundvoraussetzungen für eine hohe Lebenserwartung Die hohe Lebenserwartung in den hoch entwickelten Industrienationen von ca. 70 Jahren ist wesentlich auf den Rückgang der Infektionskrankheiten (Tab. J-1.1) zurückzuführen. Neben der Hygiene haben dazu aber auch Leistungen außerhalb der Medizin beigetragen; der hohe Lebensstandard in diesen privilegierten Ländern beruht auch auf klimatischen und geographischen Gegebenheiten sowie auf gesellschaftlichen und technischen Errungenschaften. Die Hygiene hat durch die Reduktion der Morbidität von Infektionskrankheiten wesentlich zur höheren Lebenserwartung in den industrialisierten Ländern beigetragen (Tab. J-1.1). Lebensmittel: Die Versorgung mit ausreichend qualitativ und hygienisch einwandfreier Nahrung ist eine Grundvoraussetzung für diesen Erfolg, wobei Trinkwasser das wichtigste Nahrungsmittel darstellt. Nicht nur bei der Herstellung, sondern auch bei einer unsachgemäßen Lagerung von Lebensmitteln kommt es zu einer mikrobiellen Kontamination und zur Belastung mit gesundheitsschädigenden Giften, darunter solche mikrobiellen Ursprungs, Schwermetallen oder Pestiziden. Lebensmittel: Ein wesentlicher Faktor für Gesundheit ist ausreichende, hochwertige und hygienisch einwandfreie Nahrung. Trinkwasser ist das wichtigste Lebensmittel! ▶ Klinischer Fall: Im Sommer 1892 erkrankten in Hamburg während einer verheerenden Epidemie mehr als 17 000 Menschen an der Cholera und 8605 verstarben. Das Elbwasser, das in Hamburg – als einziger Großstadt in Europa – aus Gründen der Kostenersparnis ohne vorherige Aufbereitung über Sandfilter in die öffentliche Versorgung eingespeist wurde, war durch russische Emigranten, die auf Schiffen in der Elbe auf die Überfahrt nach Amerika warteten, mit Choleravibrionen verseucht worden. In den Stadtteilen mit niedriger sozialer Struktur, etwa in der Altstadt, Billwärder Ausschlag, St. Georg, Hamm und Barmbek traten die meisten Fälle auf, weil die Menschen dort dieses Oberflächenwasser aus der städtischen Wasserleitung als Trinkwasser nutzten; in den vornehmen Stadtgebieten wie Harvestehude und Rotherbaum waren dagegen deutlich weniger Opfer zu beklagen; diese Haushalte verwendeten das Leitungswasser allenfalls als Brauchwasser, als Trinkwasser wurde einwandfreies Mineralwasser zugekauft. ◀ Klinischer Fall ▶ Merke: In Afrika ist das primäre Leberzellkarzinom – hervorgerufen durch Aflatoxin B – die häufigste Karzinomart. Aflatoxin kann z. B. in verschimmelten Erdnüssen und Pistazien in hoher Konzentration vorkommen, weil die Lebensmittel vor Verbrauch nicht sachgerecht (d. h. gekühlt) gelagert werden können und diese Menschen auf den Verzehr selbst von verschimmelten Nahrungsmitteln angewiesen sind. ◀ Merke Wohnverhältnisse: Die Bereitstellung von ausreichend und geeignetem Wohnraum trägt ganz wesentlich zu einer gehobenen Lebensqualität bei. Wohnverhältnisse: sie bestimmen das Risiko für manche Infektionskrankheiten, wie etwa Tuberkulose. ▶ Klinischer Fall: Friedrich Ebert, als Sohn eines Schneidermeisters 1871 geboren, lebte in ganz beengten Wohnverhältnissen in der Heidelberger Altstadt, nämlich mit seinen Eltern, seinen 5 Geschwistern und 3 Gesellen in einer Wohnung mit 46 m2 und einer Raumhöhe von nur 2 m, die nur über einen Hinterhof erreichbar war. ◀ Klinischer Fall Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. ten Welt (Tab. J-1.1). Neben der Politik, den Ingenieur- und den Agrarwissenschaften ist diese Entwicklung zu einem Großteil der Hygiene zu verdanken – der Rückgang war nämlich schon lange vor den Fortschritten der Medizin im Wissen um die Pathogenese von Infektionen und deren medikamentöser Bekämpfung eingeleitet. Aber auch technisch nicht einwandfreie Klimaanlagen sind ein Risiko für aerogene Infektionen und starke Antigenexposition. J 2 Aufgabengebiete der Hygiene Bei solchen Wohnverhältnissen können sich aerogen übertragene Erreger (z. B. Mycobacterium tuberculosis ) rasch ausbreiten. Wenn die Eltern an einer offenen Tuberkulose erkrankten und – wie früher üblich – im selben Zimmer schliefen wie die Kinder, dann wurden diese meist ebenfalls infiziert. Heute treten andere Probleme auf, wenn z. B. über eine Klimaanlage mikrobielle Erreger (z. B. Legionella pneumophila) oder nur Antigene (z. B. von Schimmelpilzen) aerogen verstreut werden und zu Pneumonien bzw. Asthma führen. Öffentliche Gesundheit: Die Lebensverhältnisse im sozialen Umfeld sind entscheidend für die Erhaltung der Gesundheit. Öffentliche Gesundheit: Die Lebensverhältnisse sowie der Zugang zu medizinischer Versorgung sind in starkem Maße abhängig von Arbeit, Verdienst und sozialer Sicherheit („Public health“). Die soziale Verelendung, das Leben in Slums und Arbeitslosigkeit gehen in vielen Fällen den Infektionen voraus und bahnen sie. Katastrophen und Kriege: In diesen Situationen gehen die Errungenschaften der Hygiene verloren. Katastrophen und Kriege: Die etablierten Standards der Hygiene sind unter chaotischen äußeren Verhältnissen gefährdet; Infektionserreger können dann wieder ihre wahre Gefährlichkeit zurückerlangen. 1.1.2 Aktueller Stellenwert der Hygiene 1.1.2 Aktueller Stellenwert der Hygiene Viele Erkenntnisse und Forderungen der Hygiene sind bei uns schon längst umgesetzt. Die wichtigsten Erkenntnisse und Regeln der Hygiene werden heute in den entwickelten Industrienationen schon routinemäßig umgesetzt. In Standardsituationen sind Mediziner bzw. Hygieniker meist nicht mehr involviert – hier entscheiden Handwerker, Ingenieure und Verwaltungen über die praktische Anwendung. Es gibt aber immer noch mehrere Bereiche, wo durch neue Entwicklungen Fortschritte zu erwarten sind oder eine Nichteinhaltung der Regeln zu Komplikationen führt, so dass dann auch Hygieniker gefordert sind. Die Effizienz von Hygienemaßnahmen ist auch in solchen Situationen immer noch unübertroffen, weil diese Aufwendungen eben nicht nur Einzelnen zu Gute kommen, sondern ganzen Bevölkerungsgruppen (Kollektiven). Dieses hohe Niveau muss ständig aufrechterhalten werden, um nicht nur dem Einzelnen damit zu helfen, sondern ganzen Bevölkerungskollektiven. ▶ Merke ▶ Merke: Ein guter Teil der öffentlichen Gesundheitsvorsorge („public health“) besteht in der Anwendung von Hygienegrundsätzen. Die Akzeptanz der Hygiene leidet darunter, dass die Präventionsmaßnahmen zunächst Kosten verursachen, ohne dass sich die positiven Auswirkungen unmittelbar zeigen. Eine erfolgreiche Prävention wird aber nicht automatisch auf die Hygiene-Maßnahmen zurückgeführt, weil – so das Argument – das Risiko ja auch ohne diese Aufwendungen gar nicht reell geworden wäre. Darüber hinaus macht sich der Erfolg häufig erst spät bemerkbar, so dass der kausale Zusammenhang nicht mehr erkannt wird. (Die vornehmliche Aufgabe der Feuerwehr ist es, einen Brand zu verhüten; wenn es jedoch zum Brand kommt, so kann man doch der Feuerwehr dies nicht anlasten.) Aufgabengebiete der Hygiene 2 Aufgabengebiete der Hygiene 2 2.1 Gesundheitserziehung 2.1 Gesundheitserziehung Gesundheitserziehung von Erwachsenen ist schwierig; allenfalls unter einem Leidensdruck besteht erhöhte Bereitschaft. Erziehung beinhaltet neben der reinen Sachinformation auch noch die Notwendigkeit der Überzeugungskraft (Tab. J-2.1). Erziehung gelingt am leichtesten bei Kindern, deshalb sollte die Gesundheitserziehung möglichst frühzeitig in Familie oder Schule beginnen. Krankheit und Leid machen den Menschen selbst im Erwachsenenalter noch offen für solche Anliegen. Diese Notlage sollten Ärzte im Sinne des Patienten nutzen! Gerade Mediziner sind am besten dafür geeignet, weil vor allem sie die richtige Sachinformation als ersten wesentlichen Schritt jeder Erziehung liefern können (Tab. J-2.1). Dieser ersten kognitiven Phase sollte immer eine Phase der Vertiefung erfolgen, indem der Patient auch emotional gefordert wird. Durch Darstellung der Biologie und Epidemiologie von Krankheitserregern sowie durch Schilderung der Vorteile, die eine rationale Unterbindung der Ausbreitung Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 666 667 J 2.2 Lebensmittelhygiene Phasen der Gesundheitserziehung kognitiv-intellektuell Interesse wecken informieren: aufklären (allgemeine Information) beraten (individuelle Information) emotional-affektiv überzeugen (Einsichten und Einstellungen erzeugen) motivieren zum Handeln stabilisieren (Gewohnheiten prägen) erbringen, können Einzelpersonen, Organisationen aber auch ganze Bevölkerungsgruppen zu Verhaltensänderungen gebracht werden. Eine dauerhafte Veränderung von Verhaltensweisen ist aber mitunter nur sehr schwierig zu erreichen. In einer liberalen Gesellschaft ist das Verhalten weitgehend von der Wertung des Individuums abhängig, obwohl dies durchaus Konsequenzen für andere oder sogar für Kollektive haben kann. Beispiel: Die Solidargemeinschaft einer Krankenversicherung erzwingt keine erhöhten Beitragsleistungen für Mitglieder mit erkennbarem Risikoverhalten, z. B. bei längeren Rucksackreisen durch malariagefährdete Urwaldgebiete ohne medikamentöse Prophylaxe. In anderen Gesellschaftsformen gibt es häufig stringente Normen für gesundheitsrelevantes Verhalten und ggf. Sanktionen bei Verstoß gegen diese Regeln. 2.2 Lebensmittelhygiene Schon bei der Entstehung, Prozessierung oder Lagerung eines Lebensmittels kann über die Umwelt, über Tiere oder über Menschen ein Keimeintrag erfolgen. Bei manchen Produkten muss man immer mit einer mehr oder weniger starken Kontamination rechnen (Tab. J-2.2). Manche Spezialitäten, z. B. Sauerkraut, Blauschimmelkäse etc., sind typischerweise mit Mikroorganismen vergesellschaftet, und diese verfeinern die Qualität und den Geschmack. In manchen Fällen können sie allerdings das Produkt verderben (Lebensmittelverderb). Zumeist sind diese Besiedler jedoch nur apathogene, harmlose Keime. Bei Unachtsamkeit und Fehlern können sich jedoch ausnahmsweise Krankheitserreger darunter mischen. Weitere mögliche Ursachen für den Verderb von Lebensmitteln sind chemische Prozesse (z. B. Oxidation – „ranziges Fett“), physikalische Vorgänge (z. B. Austrocknung), biologische Vorgänge (z. B. Fraß von Insekten, Ratten). Durch Wachstumsbedingungen oder durch nachträgliche Behandlung können Schadstoffe (Kadmium, Blei, Pflanzenschutzmittel, Konservierungsstoffe) eingetragen werden. J-2.2 Natürliche Keimbelastung im Lebensmittelbereich Lebensmittel Keimzahl/cm2 Kopfsalat (ungewaschen) 104–106 Kopfsalat (gewaschen) 103–105 Frischfleisch ca. 105 Fleisch abgehangen ca. 108 (!) Waagschale in Metzgerei ca. 103 J-2.1 Manche Gesellschaftsformen schreiben auch allgemeinverbindliche Normen vor und verhängen sogar Sanktionen. 2.2 Lebensmittelhygiene Lebensmittel können schon bei der Entstehung, der Prozessierung oder der Lagerung mit Keimen kontaminiert werden, darunter können auch potenziell pathogene Keime sein (Tab. J-2.2). J-2.2 Keimzahl/g Pfeffer, gemahlen 104–107 Currypulver ca. 106 Zwiebel, gehackt ca. 104 Milch (pasteurisiert) < 103 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. J-2.1 668 J 2 Aufgabengebiete der Hygiene ▶ Merke Verschiedene Konservierungsmethoden bewahren die Lebensmittel vor Kontamination (Tab. J-2.3). Methoden zur Lebensmittelkonservierung: Schon die Naturvölker haben Methoden entwickelt, Nahrung zu konservieren. Heute stehen darüber hinaus moderne, industrielle Verfahren zur Verfügung (Tab. J-2.3). In erster Linie soll dadurch der Verderb durch ein Überwuchern der Kontaminanten verhindert, außerdem auch die Vermehrung von gesundheitsschädlichen Keimen unterdrückt werden. Für einzelne Lebensmittel, wie etwa Hühnereier, gibt es spezielle amtliche Verordnungen. Sonstige Hygienemaßnahmen: Für einzelne Lebensmittel, von denen in besonderem Ausmaß Gefahren ausgehen könnten, sind detaillierte Verordnungen für Herstellung, Umgang und Handel erlassen worden. Beispielsweise fordert die Hühnereiverordnung eine Kennzeichnung mit dem Legedatum und eine Lagerungshaltung bei Zimmertemperatur allenfalls bis zum 18. Tag, danach muss eine Kühllagerung erfolgen. Aufgrund der Möglichkeit einer Salmonellen-Kontamination (hier liegen die Keime hauptsächlich unter der Schale) sollte die Eischale nicht mit dem Finger ausgewischt werden, die Eier sollten in Kantinen in einem separaten Raum getrennt von anderen Prozessen aufgeschlagen werden, die Schalen müssen sorgfältig entsorgt und die Hände müssen gründlich gewaschen werden. Großküchen, speziell auch in Krankenhäusern, unterliegen rigorosen Auflagen im Umgang mit Lebensmitteln. So genannte Rückstellproben von den angebotenen Speisen sollten im Falle eines Ausbruchs die Ursachenklärung ermöglichen. Zum Schutz der Verbraucher kontrollieren Hersteller regelmäßig die Lebensmittel und zwar nicht nur in Form von Stichproben des Endprodukts, sondern mittels der HACCP (Hazard Analysis of Critical Care Points) bereits während des Herstellungsprozesses. Dabei werden an kritischen Stellen Proben entnommen, um einen möglichen Keimeintrag zu erfassen. Auch das mit den Lebensmitteln in Kontakt tretende Personal wird regelmäßig untersucht. Großküchen, von denen im Prinzip für breite Bevölkerungsschichten potenzielle Risiken ausgehen, unterliegen strengen Auflagen. Bei der Risikokontrolle von Lebensmitteln wird nicht nur das Endprodukt untersucht, sondern auch verschiedene, kritische Punkte im Herstellungsprozess (HACCP). J-2.3 Methoden zur Lebensmittelkonservierung Technik Wirkungsweise Vorteil/Nutzen Nachteile/Beschränkung Pasteurisierung (60–100 °C) Schäden an Membran, Enzymen und DNA geringe Veränderung nicht steril, Sporen überleben, muss gekühlt gelagert werden; Verfallsdatum! Sterilisation (100–140 °C) Schäden an Membran, Enzymen und DNA tötet auch Sporen, lange Haltbarkeit Qualitätsänderung Ansäuerung pH, Homöostase kostengünstig, gewünschte Geschmacksänderung Nicht für alle Lebensmittel geeignet Einsalzen Osmoregulation ohne technischen Aufwand geschmackliche Veränderung Zugabe von Chemikalien unterschiedlich oft lange Haltbarkeit geschmackliche Veränderung, Toxizität, gesetzliche Grenzwerte Trocknung, Räuchern Osmoregulation, Homöostase ohne technischen Aufwand Qualitätsänderung, manche Erreger überleben; Mykotoxin Kühlen reduzierter Stoffwechsel weit verfügbar; kaum Qualitätsänderungen kurzfristig; manche Erreger überleben Gefrieren Unterbindung des Stoffwechsels wenig Qualitätsänderung, lange Haltbarkeit manche Produkte werden durch Eiskristalle verändert Bestrahlung DNA-Schäden keine Qualitätsänderung technisch aufwendig, gesetzliche Beschränkungen Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. ▶ Merke: Von kontaminierten Lebensmitteln können ganz unterschiedliche Gefahren ausgehen: Intoxikation: Nicht die Erreger selbst, sondern nur ihre giftigen Produkte sind präsent und stellen eine Gefahr dar, z. B. Mykotoxine von diversen Schimmelpilzen oder bakterielle Toxine von Clostridium botulinum, Staphylococcus aureus, Bacillus cereus, Escherichia coli. Infektion: Die Erreger sind in vermehrungsfähigem Zustand präsent, z. B. Prionen, Hepatitis A, Salmonella, Listeria, Yersinia, Vibrio cholerae, Brucella, Tuberkelbakterien, Toxoplasma, Taenia, Ascaris, Anisakis. 669 J 2.3 Trinkwasserhygiene 2.3 Trinkwasserhygiene 2.3 Trinkwasserhygiene Der allergrößte Teil des „Trinkwassers“ wird in der Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft sowie für Reinigungszwecke im privaten Haushalt als sog. Brauchwasser verwendet. Nur ein kleiner Anteil wird wirklich als Trinkwasser, d. h. also als Nahrungsmittel, aufgenommen. Der tägliche Bedarf (Minimum zwischen 1,5 und 2,5 l pro Person) ist abhägnig vom Alter und von den gesundheitlichen Bedingungen sowie vom Klima. Den größten Teil des Wasserbedarfs macht Brauchwasser aus, nur ein kleiner Anteil wird als Nahrungsmittel verwendet. 2.3.1 Natürliche Wasserquellen 2.3.1 Natürliche Wasserquellen ▶ Merke: Natürliche Wasserquellen sind nicht automatisch als TrinkwasserQuellen geeignet (Abb. J-2.1). Siegfrieds Ermordung J-2.1 Als Siegfried sich im Odenwald nach einer anstrengenden Jagd zur Quelle neigte, um Wasser zu trinken, war er mehreren Risiken ausgesetzt, denn Quellwasser genügt unseren heutigen Ansprüchen auf hygienische Sicherheit bei Weitem nicht, selbst wenn es schmackhaft, geruchlos, kühl und klar, d. h. ohne Schwebstoffe, ist. Regenwasser ist mikrobiologisch nicht immer einwandfrei, denn es kann Staub aus der Luft mitnehmen und mit dem Staub eben auch Mikroorganismen. Wenn es dann im Boden versickert, so werden je nach Bodenbeschaffenheit die Keime und gelösten Stoffe mehr oder weniger schnell absorbiert. In tieferen Schichten, im Bereich des Grundwassers, sind die Problembestandteile weitgehend entfernt und gegen andere Mineralstoffe ausgetauscht. Auf dem Weg zu einer natürlichen Quelle kann das Wasser wieder verkeimen. Durch künstlich angelegte Brunnen droht die Gefahr der nachträglichen Kontamination – (pathogene) Keime können von oben (bei einer defekten Abdeckung) oder von der Seite (Sickerwasser bei defekter Anlage) eindringen. Regenwasser kann Keime enthalten. ▶ Klinischer Fall: In Afrika gibt es noch viele Dorfbrunnen. Wenn diese nicht ganz dicht mit einem Deckel verschlossen sind können sich die Agamen (Eidechsen) auf der Suche nach Feuchtigkeit darunter zwängen; sie fallen in den Brunnen und kommen nicht mehr heraus. Da solche Echsentiere in ihrem Darm immer (!) Träger von Salmonellen sind, gelangen auf diese Weise pathogene Keime in das Brunnenwasser. ◀ Klinischer Fall Mit hoher Wahrscheinlichkeit kommen unter natürlichen Bedingungen im Oberflächenwasser von Flüssen und Seen Krankheitserreger vor. Oberflächenwasser aus Seen und Flüssen gelten prinzipiell nicht als sicher. 2.3.2 Trinkwasser 2.3.2 Trinkwasser Die oben beschriebenen natürlichen Wasserquellen genügen also unseren heutigen Ansprüchen nach einer zuverlässigen, konstant risikoarmen Wasserversorgung nicht. In aufwendigen, mehrstufigen Aufbereitungsschritten wird unser Trinkwasser heute im Wasserwerk an den geforderten Qualitätsstandard angepasst, welcher in der Trinkwasserverordnung (TVO) festgelegt ist (Tab. J-2.4). Nach Trinkwasserverordnung (TVO) gelten für Bakterien wie für chemische Stoffe bestimmte Grenzwerte (Tab. J-2.4). Grundwasser ist im Allgemeinen durch Filtration keimarm. Bei Brunnenwasser muss sorgfältig darauf geachtet werden, dass nicht nachträglich von außen ein Keimeintrag erfolgt. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. J-2.1 ◀ Merke 670 J-2.4 J 2 Aufgabengebiete der Hygiene J-2.4 Qualitätsmerkmale für Trinkwasser Parameter Grenzwerte mikrobiologisch: Gesamtkeimzahl 100 KBE/ml Escherichia coli in 100 ml nicht vorhanden Pseudomonas aeruginosa in 100 ml nicht vorhanden Enterokokken in 100 ml nicht vorhanden Legionella pneumophila in 100 ml nicht vorhanden* Nitrat 50 mg/l Nitrit 0,1 mg/l polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe 0,0001 mg/l organische Chlorverbindungen 0,01 mg/l Fluorid 1,5 mg/l Cadmium 0,005 mg/l Pflanzenschutzmittel insgesamt 0,0005 mg/l * für Intensiv-, Transplantations- und Verbrennungseinheiten gelten niedrigere Grenzwerte: in 1 ml nicht vorhanden KBE = Koloniebildende Einheit Für die Beurteilung der technischen Wasserqualität werden außerdem noch der pH (Sollwert 6,5–9,5), der Eisengehalt (Grenzwert 0,2 mg/l) und die Wasserhärte bestimmt. Für die Beurteilung der technischen Qualität von Wasser werden noch weitere Eigenschaften bestimmt, wie etwa der pH (Sollwert 6,5–9,5), Eisengehalt (Grenzwert 0,2 mg/l) und Härte (bedingt durch den Gehalt an Ca- und Mg-Salzen von Kohlen und Schwefelsäure). Durch besondere Aufbereitungsmethoden wie Entsäuerung, Enteisung, Enthärtung kann die Qualität verbessert werden. Wenn z. B. durch Ionenaustauscher die Ca-Ionen gebunden und durch Na-Ionen ersetzt werden, so steigt dabei der NaCl-Gehalt an, sollte aber den Wert von 200 mg/l nicht überschreiten. Trinkwasser-Quellen Trinkwasser-Quellen Quellwasser. Grundwasser und Oberflächenwasser (Tab. J-2.5 S. 672). Mineralwasser. Tafelwasser. Erreger im Trinkwasser Die Herkunft des Trinkwassers ist je nach Standort verschieden. Quellwasser steht heute kaum mehr in ausreichender Menge zur Verfügung, zumindest nicht in den Ballungsgebieten. Alternativen sind Grundwasser und Oberflächenwasser (z. B. aus Flüssen, natürlichen Seen, Stauseen), die in mehreren Schritten aufbereitet werden (Tab. J-2.5 S. 672). Mineralwasser ist ein Grundwasser mit einem erhöhten Gehalt an gelösten geogenen Stoffen, nämlich > 1 g/kg. Tafelwasser ist Trinkwasser, welches noch Zutaten enthält, z. B. Carbonate oder Kohlenstoffdioxid. Erreger im Trinkwasser In den Industriestaaten ist das Trinkwasser, das in den öffentlichen Leitungen verteilt wird, stets kontrolliert und einwandfrei; nur gelegentlich, bei Pannen, wird diese Sicherheit durchbrochen. Nur durch hohen technischen Aufwand, durch ständige Aufsicht und Qualitätskontrolle ist dieser Standard zu halten! ▶ Klinischer Fall ▶ Klinischer Fall: In Ismaning im Jahre 1978. Kurz vor Pfingsten kommt ein Ehepaar von einer Indonesienreise mit schwerem Durchfall nach Hause; wie sich später herausstellt war Shigella dysenteriae die Ursache. Aus Versehen hat ein Techniker im Wasserwerk einen Schieber geöffnet, der Abwasser von der Zuleitung trennt; so konnte für kurze Zeit bakterienhaltiges Abwasser in die Trinkwasserversorgung gelangen. Wenige Stunden später erkrankten schlagartig 1324 Bürger an Ruhr. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. chemisch: 671 J 2.3 Trinkwasserhygiene J-2.2 Wasserrohr J-2.2 Vor allem nachträgliche fäkale Verunreinigungen müssen verhindert werden. Bei den regelmäßigen Kontrolluntersuchungen gilt dafür vor allem Escherichia coli als Indikatorkeim, aber auch Enterokokken und Clostridien können darauf hinweisen. Wenn eine solche Gefahr droht, dann muss z. B. durch Chlorierung oder Ozonisierung in den Wasserleitungen eine Keimarmut erzwungen werden. ▶ Exkurs: Im Einzelfall, z. B. im Urlaub in Ländern der Dritten Welt oder beim Camping, ist u. U. eine Desinfektion des Trink- und Brauchwassers sinnvoll. Abkochen ist immer richtig; aber auch eine Filtrierung mit geeigneten Geräten ist möglich, aber aufwendig und es droht die Gefahr der Verkeimung der Filter! Auch mit Hilfe von chemischen Zusätzen wie Chlor (Clorina) oder Silbersalzen (Micropur) ist eine Gefahrenabwehr möglich – vorausgesetzt, dass das Wasser nicht allzu stark mit organischen Stoffen belastet ist. Chlor wirkt schnell, die Wirkung lässt aber auch wieder schnell nach. Silber benötigt eine Einwirkzeit von > ½ Stunde, wirkt dann aber 1 Woche. Deswegen ist die Kombination (Certisil Argento) vorteilhaft. In der Endstrecke zum Verbraucher droht jedoch in stagnierendem Wasser in Totleitungen oder in verrosteten Rohren (Abb. J-2.2) oder bei verkalkten Wasserhähnen eine Kontamination mit typischen sog. Pfützenkeimen, wie Pseudomonas, Burkholderia, Acinetobacter und Legionella. Bakterien vermehren sich aber nicht nur in Suspension, also planktonisch, sondern auch in Biofilmen, wo sie vor widrigen Umwelteinflüssen geschützt sind; dort leben sie vergesellschaftet mit anderen. In Warmwasser verbreiten sich die anspruchslosen Legionellen. Die Trinkwasserverordnung (TVO) enthält Vorschriften, die diese Risiken verhindern sollen. Escherichia coli im Wasser gelten als Indikator für die Verunreinigung mit Fäkalien. Solches Wasser muss vor der Nutzung durch Ozon oder Chlor aufbereitet werden. ◀ Exkurs In stehendem Wasser können sich nachträglich manche Keime vermehren, vor allem sog. Pfützenkeime, wie Pseudomonas, Acinetobacter und Legionella (Abb. J-2.2). Schadstoffe im Trinkwasser Schadstoffe im Trinkwasser Schadstoffe im Trinkwasser lassen sich nicht ganz vermeiden; allerdings sind bestimmte Grenzwerte für viele einzelne Stoffe festgelegt, darunter Nitrat, Schwermetalle, Tenside. Gerade umweltstabile Verbindungen, wie polyzyklische bzw. halogenierte Kohlenwasserstoffe, können über Luft und Boden ins Trinkwasser gelangen (Tab. J-2.4). Nitrate, die entweder aus natürlicher Produktion im Boden, meistens aber aus übermäßiger Düngung der Felder stammen, sind vor allem für Säuglinge schädlich. Nach Umwandlung in Nitrit, welche spontan oder durch Bakterien in der Nahrung oder im Körper selbst erfolgt, entsteht bei diesen Personen akut dadurch Methämoglobin, so dass die Sauerstoffversorgung der Gewebe abnimmt. Darüber hinaus stehen Nitrat bzw. Nitrit im Verdacht, im Magen eines Menschen in Nitrosamin, ein starkes Kanzerogen, umgewandelt zu werden. Die Qualität von Trinkwasser hängt neben den mikrobiellen Belastungen auch noch von dem Gehalt an chemischen Schadstoffen ab (Tab. J-2.4). Die TVO sieht dafür jeweils Grenzwerte vor. ▶ Merke: In gefährdeten Gebieten sollte die Nahrung für Säuglinge und Kleinkinder besser mit Mineral- oder Tafelwasser zubereitet werden, wofür geringere Grenzwert (0,02 mg/l) für Nitrat gelten. ◀ Merke Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Dieses Wasserrohr aus verzinktem Eisen war wenige Jahre nach Installation bereits ziemlich verrostet und hat das Lumen fast verschlossen. Aus dem Wasserhahn floss braunes, rostiges Wasser, in dem Pseudomonas und Legionella gezüchtet wurden, denn in diesen zerklüfteten Oberflächen bilden sich leicht Biofilme. Wasserrohre aus Kupfer oder Edelstahl sind dagegen weniger anfällig. 672 J 2 Aufgabengebiete der Hygiene Die anderen Schadstoffe haben vor allem bei längerfristiger Aufnahme – selbst bei nur geringen Mengen – vor allem Spätfolgen an unterschiedlichen Organen. Zudem besteht die Gefahr, dass solche Stoffe über Tiere in die Nahrungskette gelangen, z. B. in die Milch. J-2.5 2.4 Hygiene von Badewasser und Abwasser Aufbereitungsmethoden J-2.5 Trinkwasser-Aufbereitungsverfahren Verfahren Merkmale Flockung nach Einleitung von Aluminium- oder Eisensalzen bilden sich Flocken aus organischen bzw. anorganischen Trübstoffen; diese können als Schlamm entfernt werden Filtration Trennung von festen (z. T. auch gelösten) Stoffen mit Sandfiltern, Aktivkohlefiltern Desinfektion mit Chlor, Ozon, UV-Bestrahlung Ionenaustauschverfahren zur Enthärtung des Wassers 2.4 Hygiene von Badewasser und Abwasser 2.4.1 Badewasserhygiene 2.4.1 Badewasserhygiene Auch für Badewasser gibt es Qualitätsstandards In den Richtlinien über die Qualität von Badegewässern sind Leitwerte bezüglich der mikrobiellen und chemischen Beschaffenheit festgelegt, um eine Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung auszuschließen. ▶ Exkurs ▶ Exkurs: Über den Rundfunk wird alljährlich davor gewarnt, in Baggerseen zu baden, wo bei routinemäßigen Kontrollen durch das Gesundheitsamt ein erhöhter Coli-Titer oder sogar pathogene Keime, wie etwa Salmonellen und Norwalkviren, festgestellt wurden. In der Tat können sich in den warmen Jahrszeiten bei erheblicher organischer Belastung der Oberflächengewässer Fäkalkeime, die durch Mensch oder Tier ins Wasser gelangt sind, rasch vermehren und dann beim Baden übertragen werden. In Schwimm- und Therapiebädern muss der Chlorgehalt zwischen 0,2 und 0,6 mg/l liegen. Für Schwimmbäder sowie für Therapiebäder werden noch höhere Ansprüche gestellt. Um eine Keimbesiedelung zu unterbinden, wird das Wasser durch Ozon und Chlor vorbehandelt. Jedoch muss hinterher ggf. mehrmals am Tag kontrolliert werden, dass Ozon vollständig wieder entfernt ist und der Gehalt an freiem und gebundenem Chlor innerhalb einer Untergrenze von 0,2/0,3 mg/l und einer Höchstgrenze von 0,5/0,6 mg/l liegt. Speziell in den Warmsprudelbecken (Whirlpool, Jaccuzzi) droht sonst die Gefahr, dass sich pathogene Keime, wie etwa Staphylococcus aureus und Legionella pneumophila, gut vermehren und dann per Kontakt oder Aerosol auf die Benutzer übertragen werden. So genannte Thermalbäder werden aus Quellen gespeist, die schon natürlicherweise eine Temperatur > 20 °C haben. 2.4.2 Abwasserhygiene 2.4.2 Abwasserhygiene Auch im Abwasser können pathogene Keime verbreitet werden; deswegen muss es in einer Kläranlage gereinigt werden, bevor es in Oberflächengewässer eingeleitet wird. Eine weitere Quelle für Infektionen kann das Abwasser werden, wenn es durch pathogene Keime wie etwa Salmonellen oder vancomycinresistente Enterokokken (VRE) kontaminiert ist. Mögliche Quellen sind Abfälle z. B. aus Schlachthöfen. In Kläranlagen muss deshalb solches Abwasser von pathogenen Keimen (und zusätzlich von bestimmten organisch-chemischen Belastungen) befreit werden, bevor dieses Abwasser in natürliche Oberflächengewässer, die sog. Vorfluter, eingeleitet werden darf. Viele Schadstoffe wie Schwermetalle und Pestizidrückstände gelangen mit Abwasser in den Wasserkreislauf und sollten deswegen vorsorglich eliminiert werden. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Aufbereitungsmethoden 673 J 2.6 Epidemiologie 2.5 Umwelthygiene ▶ Definition: Umwelthygiene ist ein Teil der Umweltmedizin bzw. des ökologischen Stoffgebietes. Das Ziel dieser interdisziplinären Fachrichtung ist, für die Gesundheit schädliche Faktoren physikalischen, chemischen, biologischen oder sozialen Ursprungs aus dem Umfeld des Menschen zu vermindern oder zu vermeiden. ◀ Definition Bei uns werden die meisten Umweltprobleme heutzutage durch chemische und physikalische (Lärm, Strahlung) Faktoren verursacht. Die Beseitigung von Abfällen und Müll aus Haushalten – vor allem aber aus Industrieanlagen – muss unter geordneten Bedingungen erfolgen und kontrolliert werden, um Umweltschäden zu vermeiden. Das Immissionsschutzgesetz setzt dafür den gesetzlichen Rahmen. In den Ländern der Dritten Welt sind Infektionskrankheiten neben der Unterernährung immer noch das größte medizinische Problem (s. Tab. J-1.1, S. 665), weil die klimatischen Bedingungen und auch die sanitären und sozialen Verhältnisse eine Ausbreitung von Infektionserregern in der Umgebung des Menschen begünstigen. Wenn die Standards in den Hygienevorschriften nicht eingehalten werden, kommt es zu – begrenzten – Katastrophen. Viele Mikroorganismen, und zwar nicht nur pathogene Keime, sondern manchmal auch ganz harmlose Arten, können durch ihre antigene Wirkung Folgen für die Gesundheit haben. Bakterien und Pilze finden speziell in den Befeuchtungsanlagen von Klimaanlagen günstige Bedingungen, wodurch hohe Belastungen auftreten, die dann das Sick-building-Syndrom (Tab. J-2.6) auslösen können. Während die Gesundheitsrisiken durch Mikroorganismen aus der Umwelt vermindert sind, wachsen die Belastungen durch physikalische und chemische Faktoren. J-2.6 Selbst harmlose, d. h. nicht-infektiöse Umweltkeime können wegen ihrer toxigenen und allergenen Wirkung der Gesundheit Schaden zufügen (Tab. J-2.6). Sick-building-Syndrom Symptome Irritationen der Schleimhäute von Mund, Rachen, Nase und Auge Kopfschmerzen, Müdigkeit Konzentrationsschwäche Ursachen/Begleitumstände Allergische Reaktion gegen Milben, Bakterien- und Pilzantigene Intoxikation durch Gase, Lösungsmittel, Aldehyde, Zigarettenrauch, flüchtige Stoffe von Mikroorganismen. Irritationen durch physikalische Einflüsse wie Lärm, Vibrationen, Licht, Zugluft Psychogen durch Stress, Unzufriedenheit, Überforderung 2.6 Epidemiologie 2.6 2.6.1 Grundlagen 2.6.1 Grundlagen ▶ Definition: Epidemiologie ist die Lehre vom Auftreten häufiger Krankheiten (Volkskrankheiten) – infektiöser aber auch nichtinfektiöser Natur – innerhalb festgelegter Zeiträume, bezogen auf eine definierte Bevölkerungsgruppe. Die Infektionsepidemiologie (Seuchenlehre) beschäftigt sich mit den geographischen und zeitlichen Ausbreitungen von Infektionskrankheiten. Neben dem sporadischen Auftreten von Infektionskrankheiten können diese als Endemie, Epidemie oder Pandemie in Erscheinung treten. ◀ Definition Endemie: Eine Infektionskrankheit ist endemisch, wenn sie innerhalb einer Region dauernd anzutreffen ist (nur örtlich begrenzt, nicht aber zeitlich). Durch nachträgliche Bestimmung von Antikörpern lässt sich die Durchseuchung einer Bevölkerung feststellen (z. B. Masern, Toxoplasma, Chlamydia pneumoniae, Abb. J-2.3). Endemie: Geographisch, nicht aber zeitlich begrenzt auftretende Infektionskrankheit (Abb. J-2.3). ▶ Merke: Das Wissen um Endemiegebiete (z. B. Malariagebiete) ist im Zuge des internationalen Tourismus von entscheidender hygienischer Bedeutung geworden – Expositionsrisiko! Epidemie: Bei einer Epidemie tritt eine Infektionskrankheit innerhalb einer begrenzten geographischen Region in einem begrenzten Zeitraum auf. Zwei Arten der Epidemie werden unterschieden: Epidemiologie ◀ Merke Epidemie: Geographisch und zeitlich begrenzt auftretende Infektionskrankheit. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 2.5 Umwelthygiene 674 J-2.3 J 2 Aufgabengebiete der Hygiene J-2.3 Durchseuchung der Bevölkerung mit einigen Krankheitserregern Explosivepidemie: Explosionsartiges Auftreten einer Infektionskrankheit in einer Bevölkerung Tardivepidemie: Schleichende Vermehrung augenscheinlich sporadischer Krankheitsfälle. Pandemie: weltweit, aber zeitlich begrenzt auftretende Infektionskrankheit. Kontagiosität: Maß für die Ansteckungsfähigkeit. Morbidität: Anzahl der an einer bestimmten Krankheit leidenden Personen pro Bevölkerung in einem bestimmten Zeitraum. Prävalenz: Anzahl an einer definierten Krankheit leidenden Personen an einem Stichtag. Inzidenz: Anzahl an Personen, die innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens erstmals eine bestimmte Krankheit erlitten. Explosivepidemie: Der Krankheitserreger wird so gestreut, dass ihn eine große Bevölkerungsgruppe zur gleichen Zeit aufnimmt (z. B. Cholera-Erreger im Trinkwasser) und die Erkrankung explosionsartig bemerkbar wird. Tardivepidemie: Der Krankheitserreger wird durch persönlichen Kontakt des Infizierten mit anderen Menschen gestreut, so dass die Erkrankungen längere Zeit als sporadisch angesehen werden, bevor der Epidemiecharakter erkannt wird. Pandemie: Weitet sich eine Epidemie weltweit aus, so spricht man von einer Pandemie. Es handelt sich um das zwar zeitlich, nicht aber örtlich begrenzte Auftreten einer bestimmten Infektionskrankheit. Unabhängig von diesen Einteilungen kann man Seuchen dadurch charakterisieren, mit welcher Extensität (wie viele Menschen erkranken) und mit welcher Intensität (wie viele Erkrankte sterben) sie auftreten. Bei der Beobachtung von Seuchen ist weiterhin die jahreszeitliche Häufung von großem Interesse (FrühsommerMeningoenzephalitis etc.). Ein besonderes Phänomen stellen säkulare Schwankungen beim Auftreten von Seuchen dar. Das „Kommen und Gehen“ von Infektionskrankheiten über Jahre hinweg kann dabei nicht durch ärztliche oder allgemeinhygienische Maßnahmen allein erklärt werden; so spielen z. B. klimatische Veränderungen eine Rolle. Zur Beschreibung der epidemiologischen Situation einer Krankheit werden folgende Termini verwendet: Kontagiosität (contingere = berühren): Die Ansteckungsfähigkeit eines Erregers hängt von mehreren, verschiedenen biologischen Eigenschaften ab, wie etwa die Beständigkeit in der Umwelt („Fitness“), Übertragungswege, Virulenz (Aggressivität). Kontagiosität ist also ein Maß für die Wahrscheinlichkeit, mit der eine Krankheit bei Exposition übertragen wird. Morbidität (morbus = die Krankheit): Anzahl der an einer bestimmten Erkrankung leidenden Personen einer Bevölkerung innerhalb eines definierten Zeitraumes (z. B. innerhalb eines Kalenderjahres) bezogen auf 10 000 oder 100 000 Personen dieser Bevölkerung. Es können zusätzliche Kriterien eingeführt werden, etwa Geschlecht und bestimmte Altersgruppen. Morbidität ist also ein Maß für die Häufigkeit und Bedeutung einer Krankheit. Prävalenz: Anzahl aller von einer bestimmten Erkrankung Betroffenen an einem festgelegten Stichtag (in der Praxis bezogen auf 10 000 oder 100 000 Einwohner). Inzidenz: Anzahl der Personen, die innerhalb des Beobachtungszeitraumes eine bestimmte Erkrankung erstmals erlitten (wird in der Praxis oftmals auf 1000, 10 000 oder 100 000 Einwohner bezogen). Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Masernviren sind hochkontagiös; sie werden schon im Kindergarten oder spätestens in der Schule übertragen. Deswegen sind Erwachsene zum Großteil immun. Chlamydia pneumoniae wird weitaus weniger effektiv übertragen. Die Durchseuchung beginnt im Kindesalter und steigt mit zunehmendem Alter stetig an. Toxoplasma gondii wird vor allem durch rohes Fleisch übertragen. Folglich sind Kinder nur wenig betroffen, und selbst unter Erwachsenen ist der Verzehr von rohem Fleisch nicht allgemein üblich, so dass ein Teil der Bevölkerung keinen Kontakt mit diesen Erregern hat. J 2.6 Epidemiologie 675 Mortalität (mortalitas = das Sterben): Anzahl der an einer bestimmten Erkrankung verstorbenen Personen einer Bevölkerung innerhalb eines definierten Zeitraums (z. B. innerhalb eines Kalenderjahres), bezogen auf 10 000 oder 100 000 Personen dieser Bevölkerung. Es können zusätzliche Kriterien eingeführt werden, etwa Geschlecht und bestimmte Altersgruppen. Eine Untergruppe der Mortalität stellt die Säuglingssterblichkeit dar. Man versteht darunter die Mortalität der Säuglinge innerhalb des ersten Lebensjahrs, bezogen auf 1000 Lebendgeborene einer Bevölkerung innerhalb des Beobachtungszeitraumes (z. B. verstarben 1950 von 1000 Lebendgeborenen innerhalb des ersten Lebensjahres in Baden-Württemberg im statistischen Mittel 50,9, im Jahr 1975 nur 16,9 und im Jahr 2000 nur noch 3,9). Letalität (letalis = tödlich): Dieser Begriff beinhaltet die Sterberate (in Prozent) der von einer bestimmten Erkrankung betroffenen Personen. Beispiel: Die Mortalität der Listeriainfektion ist niedrig, denn weit unter 0,1 % der Bevölkerung sterben an dieser Infektionskrankheit, weil selbst nach Exposition nur wenige Individuen wirklich krank werden. Die Listeriose ist also keine Volksseuche. Aber eine Listeriose ist sehr gefährlich, d. h. die Letalität ist sehr hoch, immerhin erliegen 30 % derjenigen Personen, die eine manifeste Krankheit entwickeln, dieser Infektion. Mortalität: Zahl der an einer bestimmten Krankheit gestorbenenen Personen einer Bevölkerung innerhalb eines bestimmten Zeitraumes. Die Säuglingssterblichkeit, d. h. die Zahl der innerhalb des ersten Lebensjahres verstorbenen Kinder, bezogen auf 1000 Lebendgeborene. Reservoire Umwelt und spezielle Reservoire Das Überleben von lebenden Mikroorganismen in der unbelebten Umwelt ist begrenzt und hängt ganz wesentlich von den Bedingungen ab. Einige Spezialisten haben sich selbst an extreme Situationen angepasst: so gibt es Keime, die im siedenden Wasser eines Geysirs überleben und sich vermehren können, und andere, die im Gletschereis leben. Die Biodiversität ist immens groß. Solche Umweltspezialisten sind jedoch praktisch immer apathogen. Unter für den Keim günstigen Verhältnissen können aber auch pathogene Keime in der unbelebten Umwelt, z. B. in Wasser, Lebensmitteln, Staub, Erde oder Luft persistieren. 2.6.3 Infektionsquellen bzw. Übertragungswege Andere pathogene Keime haben jedoch auch Nischen in der belebten Umwelt außerhalb des Menschen gefunden; sie können in Insekten (z. B. Borrelien), in Amphibien (z. B. Salmonellen) oder in Säugetieren (Toxoplasma gondii) überleben. Gegebenenfalls ist also eine Ausrottung dieser Quelle (z. B. eine Mückenbekämpfung) oder zumindest ein Schutz (z. B. durch ein Moskitonetz) oder die Verwendung von Repellents sinnvoll. Pflanzenpathogene Keime sind nur selten auch humanpathogen. Typischerweise sind manche Keime speziell auf den Menschen adaptiert, wie etwa das Varicella-Zoster-Virus, Treponema pallidum und Neisseria gonorrhoeae und werden also nur von Mensch zu Mensch übertragen. Auf der Haut und auf den Schleimhäuten des Menschen existiert eine für das Individuum recht typische Flora, die wenig Schaden anrichtet und sogar eine Reihe von wichtigen, physiologischen Funktionen erfüllt, solange sie nur am autochthonen Standort residieren. Aber wenn die Keime dieser körpereigenen Flora in andere Körperteile oder auf andere Menschen verschleppt werden, können sie Quelle für eine endogene Infektion werden. Im Prinzip gibt es also diverse Übertragungswege – Luft, Wasser, Lebensmittel sowie Tiere können von Fall zu Fall Quelle sein (Tab. J-2.7). Eine spezielle Situation J-2.7 2.6.2 Persistenz von Erregern in der Die Biodiversität der Mikroorganismen ist gewaltig. Manche der unzähligen Keime haben sich an spezielle, auch extreme Bedingungen angepasst. Die meisten dieser Keime der unbelebten Umwelt sind für den Menschen apathogen. 2.6.3 Infektionsquellen bzw. Übertragungswege Einige Keime haben sich an Tiere adaptiert und können ggf. auch einen Menschen befallen. Einige Keime, wie etwa das VZV, T. pallidum und N. gonorrhoeae, kommen ausschließlich nur beim Menschen vor. Auch von der körpereigenen Flora kann Gefahr für das Individuum selbst wie für Mitmenschen ausgehen. Infektionen gehen also von verschiedenen Quellen der unbelebten wie der belebten Beispiele für bevorzugte Übertragungswege einiger Infektionserreger aerogen Influenza Mykobakterien Meningokokken Bordetella Aspergillus Coccidioides Kontakt/Schmierinfektion Herpesviren HIV Gonokokken Treponema Staphylokokken Ch. trachomatis Lebensmittel Hepatitis A Salmonella Campylobacter Listeria Toxoplasma Taenia Wasser Enteroviren Vibrio Pseudomonas Legionella Leptospira Lamblia Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Tier Rabies Ch. psitacci Bartonella Borrelia Toxoplasma Plasmodium Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 2.6.2 Persistenz von Erregern in der Umwelt und spezielle Letalität: Sterberate (in %) der von einer bestimmten Krankheit betroffenen Personen. J 2 Aufgabengebiete der Hygiene Umwelt sowie von anderen Menschen wie auch vom Individuum selbst aus (Tab. J-2.7). Gelegentlich treten Vektoren ins Spiel, die selber gar nicht primär die Quelle darstellen. besteht bei Aufenthalten in Gemeinschaftseinrichtungen (Kindergärten, Schulen, Kasernen, Heime, Gefängnisse, Camping, öffentliche Verkehrsmittel, Kneipen, Diskotheken), wo zwangsweise ein enger Kontakt zwischen vielen Menschen besteht. Dabei können oft Krankheitserreger übertragen werden, was dann zu gehäufte Fällen einer Infektion führt. Gelegentlich sind nicht die ursprünglichen Quellen direkt Ausgangspunkt für Infektionen, manchmal schalten sich noch belebte oder unbelebte Vektoren bzw. Vehikel dazwischen. In anderen Fällen ist dagegen der Mensch selbst oder sein Mitmensch die hauptsächliche Infektquelle. Infektionswege und Infektionsketten Infektionswege und Infektionsketten ▶ Merke ▶ Merke: Die genaue Kenntnis der Infektionswege ist der erste Schlüssel für eine sinnvolle Bekämpfung von Infektionskrankheiten. ▶ Definition ▶ Definition: Unter einem Infektionsweg versteht man die Übertragung von der Infektionsquelle auf den Patienten, der Begriff Infektionskette beinhaltet daneben noch die weitere Übertragung von Patienten zu Patienten. Homogener Infektionsweg: Ein Infektionsweg wird als homogen bezeichnet, wenn an der Ausbreitung der Infektion nur Wirbeltiere und Menschen beteiligt sind, keine Insekten oder Spinnentiere. Heterogener Infektionsweg: Wirken auch Insekten oder Spinnentiere bei der Ausbreitung einer Infektionskrankheit mit, bezeichnet man dies als einen heterogenen Infektionsweg. Homonome Infektionskette: Sind von der Infektionskrankheit nur Menschen betroffen, spricht man von einer homonomen Infektionskette. Heteronome Infektionskette: Sind von der Infektion neben dem Menschen auch noch Tiere betroffen, so liegt eine heteronome Infektionskette vor. Homogen-homonome Infektionskette: Übertragung von Mensch zu Mensch, nur der Mensch ist betroffen (z. B. sexuell übertragbare Krankheiten). Homogen-heteronome Infektionskette: Übertragung von Tier zu Mensch, beide sind betroffen (z. B. Tollwut). Heterogen-homonome Infektionskette: Übertragung von Mensch zu Mensch mit Zwischenschaltung eines Insekts, das als Vektor nicht selbst erkrankt (z. B. Malaria). Heterogen-heteronome Infektionskette: Übertragung von Tier zu Mensch unter Einschaltung eines Insekts als Vektor (z. B. Pest). ▶ Merke Aerogen ▶ Definition Hygienemaßnahmen: Aerogene Infektionen werden durch Isolation der Infizierten (Quarantäne) oder durch Fernbleiben vom Infektionsherd vermieden. Aus der Kombination dieser vier Definitionen lässt sich eine Zuordnung der bekannten Infektionskrankheiten zu folgenden vier Infektionsketten vornehmen: Homogen-homonome Infektionskette: Übertragung von Mensch zu Mensch: Nur der Mensch ist betroffen. Beispiele: alle sexuell übertragbaren Krankheiten, alle durch Tröpfcheninfektion übertragbaren Krankheiten, aber auch viele Infektionskrankheiten, die durch kontaminierte Lebensmittel oder Trinkwasser verbreitet werden. Auch nosokomiale Infektionen durch infizierte Blutprodukte oder Instrumente (Endoskope) zählen dazu. Homogen-heteronome Infektionskette: Übertragung von Tier zu Mensch (ohne Insektenbeteiligung). Von der Krankheit betroffen sind Mensch und Tier. Beispiel: Tollwut; Wildtier (z. B. Fuchs) infiziert Haustier (z. B. Hund). Dieses infiziert den Mensch. Alle Beteiligten erkranken. Heterogen-homonome Infektionskette: Übertragung einer Infektionskrankheit von Mensch zu Mensch, wobei ein Insekt oder Spinnentier, das selbst nicht erkrankt, als Überträger (Vektor) fungiert. Beispiel: Malaria, FSME. Heterogen-heteronome Infektionskette: Übertragung einer Infektionskrankheit von Tier zu Mensch unter Einschaltung eines Insekts. Beispiel: Pest. An einer erkrankten Ratte infiziert sich der Rattenfloh, der seinerseits als Vektor einen Menschen infizieren kann. ▶ Merke: Ein ganz wichtiger Schritt in der Prävention von Epidemien ist die Unterbrechung der Infektionskette. Aerogen ▶ Definition: Übertragung von Erregern über in der Luft schwebende Staubpartikel, Dunst- oder Sekrettröpfchen (Abb. J-2.4). Hygienemaßnahmen: Eine aerogene Übertragung kann primär dadurch verhindert werden, dass gar keine Ausbreitung stattfindet, indem man die Quelle von der Umgebung trennt. Eine Quarantäne, d. h. die räumliche Trennung (Isolation oder Absonderung) der Infizierten von anderen Menschen einerseits oder die Flucht vor der Gefahr andererseits sind erste wichtige Schritte. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 676 677 J 2.6 Epidemiologie J-2.4 Tröpfcheninfektion J-2.4 Eine aerogene Keimverbreitung wird durch raumlufttechnische (RLT-)Anlagen unterbunden. Mit großem technischen Aufwand wird die Luft gefiltert und dann mit Überdruck in Op-Säle bzw. Isolierstationen für infektgefährdete Patienten abgegeben. Dadurch wird der Zustrom von erregerhaltiger Luft verhindert. Umgekehrt kann ein Unterdurck in den Patientenzimmern auf Infektionsstationen erzeugt werden, um das Entweichen von gefährlichen Infektionserregern zu vermeiden. Im Krankenhaus sind Kehren und Staubsaugen grundsätzlich verpönt, denn normalerweise findet dabei nur eine Verwirbelung statt – die enthaltenen Keime werden nicht beseitigt, sondern nur verteilt. Besser ist feuchtes Wischen, weil hier die Keime mit dem Wischwasser beseitigt werden. In kritischen Bereichen, wie etwa Intensiv- und Infektionsstationen, ist zusätzlich noch die Zugabe von Desinfektionsmittel in ausreichender Konzentration (nach DGHM- bzw. RKI-Liste, s. S. 697) sinnvoll, um vegetative Keime und Sporen zu eliminieren. Eine weitere wirksame Maßnahme zur Prävention von aerogenen Infektionen ist der Atemschutz von Personal und Patienten. Das Tragen von Mundschutz, im Chargon oft „OP-Maske“ genannt, wobei zusätzlich möglichst auch die Nase bedeckt sein sollte, ist kein sicherer Schutz, denn bis zu 80 % der Atemluft gehen im Bypass am Filter vorbei (Abb. J-2.5).Und auch der Filter selbst ist kein unüberJ-2.5 a c Raumlufttechnische (RLT) Anlagen schaffen in bestimmten Bereichen (z. B. Op) günstige Verhältnisse. Während beim Kehren und Staubsaugen der bakterienhaltige Staub nur aufgewirbelt wird, werden beim feuchten Wischen potenzielle Erreger entfernt, was durch Zugabe von Desinfektionsmittel noch verstärkt wird. Atemschutzmasken, sofern sie richtig eingesetzt werden, sind hilfreich (Abb. J-2.5). Atemschutzmaske b a Beim Tragen von Op-Masken, die nur leicht hängen, selbst wenn Mund und Nase bedeckt sind, geht bis zu 80 % der Atemluft am Filter vorbei! b Die Filterwirkung ist wesentlich besser, wenn die Maske fest aufsitzt und den Konturen angepasst ist. c Noch besser ist das Tragen von FFP2-Masken um Bakterien, Pilze und Sporen oder FFP3-Masken um sogar Viren zurückzuhalten. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Beim Husten (aber auch beim Niesen und Sprechen) werden keimhaltige Sekrettröpfchen meterweit verbreitet. Die größeren fallen schnell zu Boden, die kleineren (Durchmesser < 4 μm) halten sich stundenlang in der Schwebe. 678 J 2 Aufgabengebiete der Hygiene windliches Hindernis für Bakterien und Viren, vor allem wenn der Stoff mit der Zeit durchfeuchtet ist. Der relativ beste Schutz ist eine sog. „high risk“-Maske. Ein Äquivalent ist die Feinstaubmaske, die primär von der Industrie entwickelt wurde, wobei es Masken mit verschiedenen Abscheidegraden gibt, nämlich die FFP-1-, -2- und -3-Masken. Voraussetzung ist aber immer, dass sie dicht auf der Haut aufsitzen. Ein Nachteil dieser Masken ist ein starker Ausatemwiderstand. Dieser Atemschutz kann gesunden Personen deshalb nur nach vorausgegangener betriebsärztlicher Prüfung zugemutet werden. Normalerweise werden die eingeatmeten Erreger durch die unspezifischen Abwehrmechanismen der Schleimhäute der oberen Luftwege eliminiert. Bei Vorschädigung aber, z. B. bei Rauchern, gelingt dies weniger gut. ▶ Definition Kontakt(Schmier)infektionen gehen von verschiedenen Quellen aus: kontaminierte, unbelebte Gegenstände besiedelte Körperteile von Mensch und Tier speziell Hände (Abb. J-2.6) Geschlechtsverkehr Kontakt ▶ Definition: Keimübertragung durch direkten Kontakt mit dem Erreger. Ursachen: Kontaminierte Gegenstände der Umwelt, darunter auch medizinische Instrumente, sind eine bedeutende Infektionsquelle. Die Finger der Hände sind die „10 wichtigsten Risikofaktoren“ bei der Verbreitung von Keimen, z. B. von Staphylococcus aureus, von einem Menschen auf den anderen, speziell bei nosokomialen und iatrogenen Infektionen (Abb. J-2.6). Manche Erreger haben sich so spezialisiert, dass sie praktisch nur bei engem körperlichem Kontakt also z. B. beim Geschlechtsverkehr von einem Menschen auf einen nächsten übertragen werden, z. B. Treponema pallidum, Neisseria gonorrhoeae, HIV, Trichomonas vaginalis. Von Körperteilen, die normalerweise mit einer mikrobiellen Flora besiedelt sind, kann bei einem Individuum eine Verschleppung von Krankheitserregern auf andere, nicht besiedelte Gebiete erfolgen. Vor allem die oro-anale Schmierinfektion spielt eine immense Rolle, häufig bei Kindern und alten Menschen. Manche Erreger residieren primär in der Tierwelt und werden von dort bei passender Gelegenheit auf den Menschen übertragen. Hygienemaßnahmen: Von entscheidender Bedeutung vor allem zur Prävention von Infektionen durch Gegenstände und Hände sind die Desinfektion und – besser noch – die Sterilisation (S. 687). J-2.6 J-2.6 Die 10 wichtigsten Risikofaktoren für nosokomiale Infektionen Auch „gepflegte“ Hände sind eine wichtige Infektionsquelle. 2.7 Infektionsschutzgesetz (IfSG) Zur Definition der unterschiedlichen Regelungen s. Tab. J-2.8. 2.7 Infektionsschutzgesetz (IfSG) Zur Verhütung bzw. Bekämpfung von Epidemien, die die Gesundheit ganzer Bevölkerungskollektive bedrohen, gibt es eine Reihe von Regelungen, die in ihrer Stringenz und Bedeutung stark differieren (Tab. J-2.8). Das alte Bundesseuchengesetz von 1962 sowie das Gesetz zur Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten von 1953 wurden am 1. Januar 2001 durch das neue IfSG abgelöst. Ziel ist die Verhinderung der Verbreitung von übertragbaren Krankheiten. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Kontakt 679 J 2.7 Infektionsschutzgesetz (IfSG) Übersicht über Regelungen Gesetze gehen vom Staatssouverän aus; Pflicht; strafbewehrt Verordnungen amtliche Verfügungen; Überschreitungen werden geahndet Richtlinien gehen von Behörden oder Institutionen aus; müssen nicht unbedingt eingehalten werden, wenn man eine Alternative gut begründen kann Empfehlungen z. B. Leitlinien; gehen von Expertengruppen aus; sind evidenzbasiert; sollen Richtschnur sein, sind aber rechtlich nicht verbindlich Lehrmeinungen gehen von Einzelnen aus; sind zunächst plausibel, aber ändern sich, müssen kritisch hinterfragt werden; „auch Experten können sich täuschen“ J-2.8 ▶ Definition: Das Infektionsschutzgesetz ist ein bundesweit geltendes Gesetz mit dem Ziel, die Verbreitung von übertragbaren Krankheiten zu verhindern. ◀ Definition Im Internet ist der gesamte Gesetzestext nachlesbar unter http://bundesrecht. juris.de/bundesrecht/ifsg. Details und Formulare sind unter www.rki.de zusammengestellt. Diesbezügliche Internetadressen: http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/ ifsg und www.rki.de 2.7.1 Meldepflicht 2.7.1 Meldepflicht Die frühzeitige Erkennung von Risiken soll durch die Zusammenarbeit von Behörden und Einrichtungen des Gesundheitswesens verbessert werden. Die Meldepflicht soll helfen, die Häufigkeit von bestimmten Infektionen und ihre Verbreitung zu erfassen und in Einzelfällen gezielt zu intervenieren. Um Missverständnissen vorzubeugen, sind Begriffsbestimmungen eingeführt worden (Tab. J-2.9). Die ansonsten übliche Schweigepflicht des Arztes (§ 203 StGB) wird durch dieses Gesetz punktuell aufgehoben und in eine Offenbarungspflicht umgewandelt, weil das Recht der Allgemeinheit auf Schutz vor übertragbaren Krankheiten höher gewertet wird als das Interesse des Einzelnen an der Geheimhaltung seines Gesundheitszustandes. Die Meldepflicht soll helfen, die Häufigkeit von bestimmten Infektionen und ihre Verbreitung zu erfassen und in Einzelfällen gezielt zu intervenieren. Zu Begriffen s. Tab. J-2.9. J-2.9 Die ärztliche Schweigepflicht (§ 203 StGB) wird durch die Bestimmungen des IfSG aufgehoben und in eine Offenbarungspflicht umgewandelt! Begriffsbestimmungen im IfSG Krankheitserreger ein vermehrungsfähiges Agens (Virus, Bakterium, Pilz, Parasit) oder ein sonstiges biologisches transmissibles Agens, das bei Menschen eine Infektion oder übertragbare Krankheit verursachen kann Infektion die Aufnahme eines Krankheitserregers und seine nachfolgende Entwicklung und Vermehrung im menschlichen Organismus übertragbare Krankheit eine durch Krankheitserreger oder deren toxische Produkte, die unmittelbar oder mittelbar auf den Menschen übertragen werden, verursachte Krankheit Kranker eine Person, die an einer übertragbaren Krankheit erkrankt ist Krankheitsverdächtiger eine Person, bei der Symptome bestehen, welche das Vorliegen einer bestimmten Krankheit vermuten lassen Ausscheider eine Person, die Krankheitserreger ausscheidet und dadurch eine Ansteckungsquelle für die Allgemeinheit sein kann, ohne krank zu sein Ansteckungsverdächtiger eine Person, von der anzunehmen ist, dass sie Krankheitserreger aufgenommen hat, ohne krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider zu sein nosokomiale Infektion eine Infektion mit lokalen oder systemischen Infektionszeichen als Reaktion auf das Vorhandensein von Erregern oder ihrer Toxine, die in zeitlichem Zusammenhang mit einem Krankenhausaufenthalt oder einer ambulanten medizinischen Maßnahme steht, soweit die Infektion nicht bereits schon vorher bestand Schutzimpfung die Gabe eines Impfstoffes mit dem Ziel, vor einer übertragbaren Krankheit zu schützen andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe die Gabe von Antikörpern (passive Immunprophylaxe) oder die Gabe von Medikamenten (Chemoprophylaxe) zum Schutz vor Weiterverbreitung bestimmter übertragbarer Krankheiten Impfschaden die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung; ein Impfschaden liegt auch vor, wenn mit vermehrungsfähigen Erregern geimpft wurde und eine andere als die geimpfte Person geschädigt wurde Gesundheitsschädling ein Tier, durch das Krankheitserreger auf Menschen übertragen werden können Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. J-2.8 ▶ Merke J 2 Aufgabengebiete der Hygiene ▶ Merke: Das Meldesystem basiert auf 3 Säulen: Meldung von Krankheiten, die in § 6 IfSG (Abb. J-2.7) aufgeführt sind (einschließlich Verdachtsfällen bzw. Tod oder z. B. eine Verletzung durch ein tollwutverdächtiges Tier oder Verdacht auf einen Impfschaden), durch den feststellenden Arzt oder sonstige meldepflichtige Personen. Diese Meldungen erfolgen namentlich an das zuständige Gesundheitsamt innerhalb von 24 Stunden auf einem speziellen Formular. Meldung von direktem oder auch indirektem Nachweis von Krankheitserregern, die in § 7 IfSG aufgeführt sind, in bestimmten Materialien durch das Laboratorium. Auch das gehäufte Auftreten von nicht gelisteten Erregern ist zu melden. Diese Meldungen erfolgen in den meisten Fällen namentlich an das Gesundheitsamt, bei einigen Infektionen, wie z. B. mit HIV oder konnatal erworbenen Röteln oder Toxoplasmen, jedoch nicht namentlich an das Robert-Koch-Institut (RKI). Meldung von gehäuft auftretenden, nosokomialen Infektionen, bei denen ein epidemiologischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird. Diese Information soll unverzüglich nicht namentlich dem Gesundheitsamt mitgeteilt werden. Anleitungen für die Meldung und aktuelle Berichte über die gemeldeten Infektionskrankheiten findet man unter www.rki.de. 2.7.2 Zuständigkeit bei der Behandlung von übertragbaren Krankheiten 2.7.2 Zuständigkeit bei der Behandlung von übertragbaren Krankheiten Nur Ärzte haben die Erlaubnis, übertragbare Krankheiten zu behandeln. Im § 24 des IfSG ist festgehalten, dass nur approbierte Ärzte (also z. B. keine Heilpraktiker) die Erlaubnis haben, übertragbare Krankheiten, die nicht nur das Individuum sondern ganze Bevölkerungsgruppen bedrohen, zu behandeln. 2.7.3 Gemeinschaftseinrichtungen 2.7.3 Gemeinschaftseinrichtungen Das Auftreten von bestimmten Infektionserregern bzw. -krankheiten in Gemeinschaftseinrichtungen ist meldepflichtig (Tab. J-2.10); das Gesundheitsamt kann einschneidende Schutzmaßnahmen anordnen. Bei Verdacht bzw. Nachweis bestimmter Infektionskrankheiten (Tab. J-2.10) bei Betreuern oder Betreuten in Gemeinschaftseinrichtungen besteht nach § 33 des IfSG Meldepflicht. Das Gesundheitsamt kann notwendige Schutzmaßnahmen, z. B. Verbote, anordnen. Somit können bürgerliche Grundrechte eingeschränkt werden. J-2.10 J-2.10 Infektionserreger bzw. -krankheiten mit Meldepflicht beim Auftreten in Gemeinschaftseinrichtungen Läuse Lungentuberkulose Keuchhusten Masern Meningokokken Skabies Scharlach Hepatitis A Windpocken 2.7.4 Umgang und Transport von infektiösem Material Wer mit pathogenen Keimen arbeiten will, braucht eine behördliche Umgangsgenehmigung. Um versehentliche Verschleppung von pathogenen Keimen zu verhindern, müssen beim Transport von potenziell infektiösen Proben bestimmte Vorschriften über Kennzeichnung und Verpackung eingehalten werden. 2.7.4 Umgang und Transport von infektiösem Material Da bei unsachgemäßem Umgang mit infektiösem Material – vor allem bei der Kultivierung – riesige Mengen von hochpathogenen Keimen produziert werden können, ist eine behördliche Anmeldung bzw. Genehmigung erforderlich. Die Behörde erteilt dann eine Umgangsgenehmigung (§ 44 IfSG). Da im Falle eines Missgeschickes beim Transport von menschlichem Untersuchungsmaterial eine Gefahr für die Umgebung durch vorhandene Infektionserreger entstehen kann, gibt es genaue postalische Vorschriften für den Versand; sowohl die Verpackung als auch die Kennzeichnung muss dieser möglichen Gefahr Rechnung tragen. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 680 J 2.7 Infektionsschutzgesetz (IfSG) Meldeformular für meldepflichtige Krankheiten (Mustervorschlag des RKI)* Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. J-2.7 681 * Die gültigen Meldebögen sind länderspezifisch abrufbar unter www.rki.de/DE/Content/Infekt/IfSG/Meldeboegen/Meldungen_node.html. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart 682 Meldeformular für meldepflichtige Krankheiten (Mustervorschlag des RKI)* (Fortsetzung) Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. J-2.7 J 2 Aufgabengebiete der Hygiene * Die gültigen Meldebögen sind länderspezifisch abrufbar unter www.rki.de/DE/Content/Infekt/IfSG/Meldeboegen/Meldungen_node.html. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart 2.7.5 Quarantänekrankheiten 2.7.5 Quarantänekrankheiten Seit Juni 2007 gelten völkerrechtsverbindlich die neuen Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV), welche Aufgaben und Rechte der Gesundheitsbehörden, z. B. bei einer Influenzapandemie, beschreiben. Der Begriff „Quarantäne“ ist im § 30 des IfSG geregelt. Danach kann in der Regel der für den Aufenthaltsort zuständige Amtsarzt vom Gesundheitsamt auf Beschluss der Gesundheitsbehörden, z. B. bei Pest oder hämorrhagischem Fieber, die zwangsweise Absonderung einer Person anordnen. Das bedeutet also praktisch Freiheitsentzug ohne gerichtliche Verurteilung! Solche Infektionsfälle müssen der WHO gemeldet werden. Die internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) regeln die Maßnahmen bei Pandemien. Der § 30 des IfSG regelt die Quarantäne bei Pest und hämorrhagischem Fieber. 2.7.6 Weitere Bestimmungen 2.7.6 Weitere Bestimmungen Das IfSG enthält auch Ausführungen zu Impfungen und zur Regulation von Impfschäden. Die Behörde kann außerdem auch ein berufliches Tätigkeitsverbot erlassen (§ 31 IfSG), wenn eine Person z. B. Salmonellenausscheider ist und im Gaststättengewerbe arbeitet oder Hepatitis-B-Träger ist und als Zahnarzt arbeitet. Wer selbst Träger von pathogenen Keimen ist, muss mit einem beruflichen Tätigkeitsverbot rechnen. 2.8 Krankenhaushygiene bzw. nosokomiale Infektionen 2.8 Krankenhaushygiene bzw. nosokomiale Infektionen 2.8.1 Grundlagen 2.8.1 Grundlagen ▶ Definition: Nosokomiale Infektionen sind im Krankenhaus erworbene Infektionen, die als Folge und in zeitlich engem Zusammenhang mit einer medizinischen Maßnahme entstehen. ◀ Definition Mehr als 500 000 Fälle treten in Deutschland pro Jahr auf, wovon etwa 30 % durch hygienische Maßnahmen vermeidbar wären. Etwa 30 % der jährlich 500 000 Fälle in Deutschland wären vermeidbar. Erregerquellen (Tab. J-2.11): Exogen: Die Erreger stammen aus der Umgebung und zwar aus der unbelebten Umwelt, aber auch von Keimträgern. Endogen: Quelle ist hier die körpereigene Flora. Da gerade im Krankenhaus häufig Antibiotika verwendet werden, existiert dort ein Selektionsdruck, bei dem die empfindlichen Keime vernichtet werden, die resistenten Keime aber überleben. Deshalb muss im Krankenhaus mit solchen, oft multiresistenten Keimen gerechnet werden. Wenn diese Resistenzeigenschaften plasmidkodiert sind, droht eine explosionsartige Ausbreitung. Erregerquellen: Entweder die körpereigene Flora des Menschen (endogen) oder exogen erworben (Tab. J-2.11). J-2.11 Häufigste nosokomiale Infektionen Manifestation Erreger Quelle Harnwegsinfektion E. coli, Enterokokken, P. aeruginosa endogen, Katheter Wundinfektion S. aureus, Enterobacteriaceae, P. aeruginosa, Acinetobacter, Enterokokken, S. pyogenes, Sprosspilze, Schimmelpilze endogen, Personal, Wasser, Instrumente, Verbände, Luft Pneumonie S. aureus, Enterobacteriaceae, P. aeruginosa, Legionella endogen, Beatmungssystem, Wasser Katheterinfektion/Sepsis S. aureus, S. epidermidis, Enterokokken Hautflora des Patienten, Hände des Personals; Infusionen Peritonitis (nach Darmoperation bzw. CAPD) Enterobacteriaceae, Anaerobier, S. aureus, Enterokokken endogen (Haut- bzw. Darmflora), Katheter, Instrumente, Infusion Meningitis (nach Operation, Shunt, endogener Ventrikeldrainage) S. aureus, S. epidermidis, Enterokokken, P. aeruginosa, Enterobacteriaceae, Candida Hautflora, Haare, Katheter CAPD = chronische ambulatorische Peritonealdialyse Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 683 J 2.8 Krankenhaushygiene bzw. nosokomiale Infektionen J 2 Aufgabengebiete der Hygiene ▶ Klinischer Fall: Nach einem Autounfall kommt ein 67-jähriger Mann mit einer Rippenserienfraktur, Lungenkontusion und einer offenen Unterschenkelfraktur zunächst auf die Intensivstation eines Krankenhauses der Maximalversorgung, wo er 4 Tage behandelt wird, bevor er auf eine chirurgische Allgemeinstation verlegt werden kann. Dort wird eine eitrige Wundheilungsstörung am Unterschenkel festgestellt; die mikrobiologische Untersuchung ergibt eine Besiedlung mit einem methicillinresistenten Staphylococcus aureus (MRSA), der gleichzeitig auch gegen viele andere Antibiotika unempfindlich ist und dasselbe Resistenzmuster aufweist wie der typische Hospitalkeim auf der Intensivstation. Als der Patient dann wenige Tage später ein septisches Krank- heitsbild entwickelt, kann dieser ORSA auch aus mehreren Blutkulturen isoliert werden. Obwohl der Patient bereits Einschränkungen der Nierenfunktion und eine geringgradige Schwerhörigkeit hat, wird eine Antibiotikatherapie mit Vancomycin begonnen. Als sich nach 14 Tagen die Nierenwerte deutlich verschlechtern und im Röntgenbild auch eine Osteomyelitis erkennbar ist, wird auf Linezolid umgestellt, was nach 20-tägiger Behandlung schließlich zu einer klinischen Heilung führt. Allerdings wird auch danach in einzelnen Abstrichen von Nase und Rachen ORSA isoliert. Wegen dieser Besiedlung lehnen zunächst viele Pflegeheime ab, diesen Keimträger zu übernehmen. Insgesamt entstehen dem Krankenhaus erhebliche Kosten durch diese nosokomiale Infektion. 2.8.2 Prophylaxe 2.8.2 Prophylaxe Die wirksamen Maßnahmen zur Vermeidung nosokomialer Infektion müssen umgesetzt werden. Hygiene ist die Anwendung des gesunden Menschenverstandes, viele Probleme sind recht banal und eigentlich leicht einsichtig. Wenn man sich der Gefahr bewusst ist und die Infektketten kennt, kann man – mit dem Willen zur Umsetzung – wirkungsvoll intervenieren. ▶ Merke ▶ Merke: Trägheit, Schlamperei, Disziplinlosigkeit und Desinteresse sind die gefährlichsten Quellen für Infektionen im Krankenhaus! Bauliche Maßnahmen Bauliche Maßnahmen Der Qualität des Wassers im Krankenhaus kommt ein hoher Stellenwert zu. Wasserqualität: Die Qualität des Wassers hängt stark vom technischen Zustand des Leitungssystems in einem Krankenhaus ab. Die Materialbeschaffenheit der Rohre, die Zusammensetzung des Leitungswassers sowie die Nutzung haben Einfluss auf die Qualität. Rostige und verkalkte Rohre (Abb. J-2.2) neigen zur bakteriellen Besiedlung. Auch stagnierendes Wasser, z. B. in selten benutzten Rohrstrecken oder gar in Totleitungen, sind besonders anfällig. Nach der Trinkwasserverordnung (aus dem Jahr 2001) muss das Brauchwasser, egal ob es zum Trinken oder zu sonstigem Gebrauch im Krankenhaus, wie Duschen oder Toilettenspülen, verwendet wird, gewissen Ansprüchen genügen und regelmäßig daraufhin kontrolliert werden. Bei Überschreiten bestimmter Grenzwerte von mikrobiellen und chemischen Parametern muss entsprechend reagiert werden. Speziell geachtet wird auf die Indikatorkeime oder gefährliche Hospitalerreger E. coli, Enterokokken, Pseudomonas aeruginosa und Legionella pneumophila. Der räumlichen Unterbringung kommt ebenfalls Bedeutung zu. So sollen z. B. die Betten im Mehrbettzimmer mind. 80 cm voneinander entfernt sein. Räumliche Unterbringung der Patienten: Früher waren die Krankenzimmer große Säle, wo Patienten mit ganz unterschiedlichen, auch infektiösen Krankheiten auf engem Raum zusammen untergebracht waren, so dass Krankheitserreger leicht durch direkten Kontakt oder über die Luft übertragen werden konnten. Nach den Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention des RKI (www.rki.de) sollen Betten im Mehrbettzimmer einen Mindestabstand von 80 cm haben. Die räumliche Unterbringung beeinflusst also wesentlich das Übertragungsrisiko. Heute sollten kontagiöse Patienten isoliert werden, allein oder in Kohorten. Auch die sanitären Einrichtungen sollten – je nach Risiko – individuell nutzbar sein. Bei besonders gefährdeten Patienten wie z. B. Knochenmarktransplantierten muss ggf. auch die Luft durch Filter von pathogenen Keimen weitgehend befreit werden. Neben der Gestaltung der Krankenzimmer ist die bauliche Struktur sowie die Organisation der Funktionsräume wichtig. Manche operativen Eingriffe sollen in einem Op-Saal erfolgen, die eine besondere, d.h 3-stufige Luftfilteranlage mit Laminarstrom, haben, während andere auch in sog. Eingriffsräumen ausgeführt werden dürfen (Abb. J-2.8). Funktionsräume: Nicht nur die Krankenzimmer, sondern auch die Funktionsräume unterliegen hohen Anforderungen an die Bausubstanz sowie an die organisatorische Verwendung. Ganz speziell ist in Op-Bereichen ein erheblicher baulicher Aufwand erforderlich, um postoperative Infektionen zu verhüten. Diese Sterilbereiche müssen klar von den anderen Hospitalräumen abgetrennt sein. Neben dem eigentlich Operationssaal sind noch andere Räume notwendig, wo das Personal sich einschleusen und vorbereiten kann, die Patienten umgelagert werden und die Op-Tische wieder aufbereitet werden. Im Prinzip unterscheidet man zwei Risikokategorien : so genannte Eingriffsräume mit 2 Luft-Filterstufen zur Reinigung der Luft. eigentliche Op-Säale mit einer 3fachen Filterung der Raumluft, wodurch die Reinheit der Luft verbessert wird und im Prinzip nahezu keimfrei ist Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 684 685 J 2.8 Krankenhaushygiene bzw. nosokomiale Infektionen J-2.8 Filter und Luftführung im OP J-2.8 (Abb. J-2.8). Der laminare Luftstrom, der mit Überdruck aus der Op-Decke austritt, soll evtl. noch vorhandene Keime, die vom Personal eingeschleppt oder vom Patienten freigesetzt werden, verdrängen. Aus diesem Grund sollte das Operationsgebiet immer unter dem Laminarstrom liegen. Durch Gegenstände im Luftstrom, z. B. Op-Lampen, können jedoch Turbulenzen entstehen. Auch der Instrumentiertisch liegt bei kleinen Decken gelegentlich außerhalb der Sicherheitszone. Eine genaue Definition derjenigen operativen Maßnahmen, die in dem einen oder dem anderen Bereich erfolgen dürfen, ist in den RKI-Richtlinien festgelegt. ▶ Klinischer Fall: Nach Glaukom-Operationen in einem neuen, technisch einwandfreien Op-Saal der Augenklinik traten gehäuft Fälle von intraokularen Schimmelpilzinfektionen auf. Wie sich herausstellte, war die Laminardecke vom Architekten in der Mitte des Raumes angebracht, weil dieser Saal zunächst für die Abdominalchirurgie vorgesehen war; erst später wurde dann dieser Raum der Augenklinik zugeordnet. Mit großem Aufwand musste der Op-Tisch versetzt werden, damit der Kopfbereich des Patienten unter dem Laminarstrom positioniert war. ◀ Klinischer Fall Organisatorische Maßnahmen Organisatorische Maßnahmen Ausreichend Personal: Die finanzielle Situation eines Krankenhauses hat großen Einfluss auf die Häufigkeit des Auftretens nosokomialer Infektionen; allein die Anzahl der Pflegekräfte ist ein Gütesiegel: Wenn aus Eile – bei einer zu dünnen Personaldecke – die Sorgfalt bei der Ausübung der notwendigen Arbeiten nachlässt, steigt das Infektionsrisiko für die Patienten. Schulung des Personals: ständige Schulungsmaßnahmen erhöhen die Aufmerksamkeit, wodurch Gefahren frühzeitig erkannt werden. Entscheidend sind verbindliche Standards, z. B. in Form eines Hygieneplans (s. u.), deren Einhaltung kontrolliert werden muss, denn das Wissen allein ist noch kein Garant für richtiges Handeln. Die technischen Regeln für Biologische Arbeitsstoffe (TRBA 250 vom November 2003), die vom Ausschuss für Biologische Arbeitsstoffe (ABAS) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit aufgestellt wurden, sowie die Vorschriften der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW), dem Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für nichtstaatliche Einrichtungen im Gesundheitsdienst und in der Wohlfahrtspflege, nämlich die BGV A1 (Grundsätze der Prävention) vom 1. 1. 2004 enthalten Anweisungen, die befolgt werden sollten, um Infektionen des Personals im Labor, in der Arztpraxis sowie auf Station zu verhüten. Ein Bestandteil der organisatorischen Maßnahmen der Infektionsverhütung im Krankenhaus ist der Hygieneplan. TRBA 250 und BGV A1 enthalten Vorschriften zur Verhütung von Infektionen beim medizinischen Personal. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Außerhalb des Feldes mit Laminarstrom entstehen Luftwirbel, die möglicherweise Partikel und Bakterien von der Umgebung enthalten. Oft ist z. B. der Instrumententisch außerhalb des Sicherheitsbereiches. ▶ Merke J 2 Aufgabengebiete der Hygiene ▶ Merke: Wegen Verletzungsgefahr Injektionskanülen niemals in die Schutzhülle zurückstecken, sondern sofort in einen durchstichsicheren und unzerbrechlichen Behälter abwerfen. In der Kantine eines Krankenhauses ist der Zugang für Personal in Arbeitskleidung kaum zu verhindern; gerade hier kommt es jedoch zu einem Austausch von Hospitalkeimen. Der Zugang zu den Op-Sälen ist eigentlich nur in Bereichskleidung gestattet, weil an Straßenkleidung immer zahlreiche Pilzsporen und Bakterien in den Sterilbereich eingeschleppt werden können; die spezielle Bereichskleidung wird durch Hitzebehandlung keimreduziert. Falsches Verhalten im Op kann den großen technischen Aufwand zunichte machen: wenn z. B. Außenluft durch offene Türen eindringen kann oder der Laminarstrom (s. o.) durch ständiges Kommen und Gehen gestört wird. Die Hygiene-Kommission ist ein wesentlicher Teil des Qualitätsmanagements. Hygiene-Kommission: Diese Kommission als Teil des Qualitätsmanagements in der Klinik ist für die Struktur der Hygiene im Krankenhaus unablässig. Sie besteht aus dem ärztlichen Direktor, dem Hygienearzt, den Hygienebeauftragten der einzelnen Klinikbereiche, den Hygienefachkräften und der Verwaltung. Ihre Aufgabe ist es, einen maßgeschneiderten Hygieneplan zu entwerfen, worin festgelegt wird, wie im Einzelnen mit der Umsetzung der Maßnahmen verfahren werden soll – im Normalfall wie in speziellen Situationen. Surveillance: Mithilfe von gezielten Untersuchungen und mittels der Statistik können Schwachstellen und Trends ermittelt werden. Surveillance: Durch mangelnde Aufmerksamkeit werden Hygieneprobleme oft übersehen. Deshalb ist es ratsam, in bestimmten gefährdeten Bereichen regelmäßig gezielte Inspektionen vorzunehmen und ggf. auch Untersuchungsproben (z. B. Abklatsche) an kritischen Stellen zu entnehmen. Durch die Führung einer Keimund Resistenzstatistik ist es möglich, Entwicklungen objektiv zu dokumentieren und Trends festzustellen. Wenn die Erfassung von Hospitalinfektionen systematisch und nach allgemein verbindlichen Vorgaben betrieben wird, kann man die Qualität der Hygiene daran messen. Gehäuftes Auftreten von Hospitalinfektionen ist nach IfSG sogar meldepflichtig. ▶ Klinischer Fall Abfall: Müll im Krankenhaus wird in verschiedene Kategorien (A,B,C) eingeteilt. Die Beseitigung des infektiösen Mülls (Kategorie C) erfordert besondere Aufmerksamkeit. ▶ Klinischer Fall: Eine 42-jährige Frau aus Kuweit wurde zur strahlentherapeutischen Behandlung eines Mammakarzinoms in ein Universitätsklinikum nach Deutschland verlegt. Da sie bei Aufnahme eine manifeste Harnwegsinfektion hatte, wurde der Mittelstrahlurin mikrobiologisch untersucht, wobei Escherichia coli und Enterococcus faecium als Ursache dingfest gemacht wurden. In der Resistenzbestimmung zeigten diese Keime ein ganz auffälliges Muster: die Colibakterien waren resistent gegen Cefotaxim – bedingt durch ESBL (extended spectrum betalactamase) – und die Enterokkoken Vancomycin resistent (VRE). Solche Erreger, die in Deutschland im Gegensatz zu manchen anderen Ländern noch relativ selten sind, neigen zur raschen Ausbreitung in einem Hospital. Aus diesem Grund ist ein Screening auf nosokomiale Keime bei Patienten aus exotischen Ländern – aber auch aus USA und Japan – angebracht, um gegebenenfalls strenge Isolierungen anzuordnen. Abfall: Eine spezielle Situation ist beispielsweise die Beseitigung des infektiösen Mülls. Papier, Verpackungsmaterialien und Küchenabfälle (also Hausmüll = Abfallkategorie A) sowie Verbandsmaterial und z. B. blutige Tupfer (= Abfallkategorie B) können mit der städtischen Müllabfuhr entsorgt werden, weil davon kaum eine Infektionsgefahr ausgeht; Voraussetzung ist allerdings, dass sorgfältig damit umgegangen wird. Dagegen muss die Müllkategorie C, zu der z. B. hochkontagiöse Tuberkuloseerreger gehören, in speziellen Sicherheitsbehältern als Gefahrgut transportiert und danach verbrannt werden. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hof, H., R. Dörries: Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie (ISBN 9783131253149) © 2009 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 686