Die Schweiz und der Islam

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Die Schweiz und der Islam
Mart in Vonäsc h
Autor:
Martin Vonäsch
Art:
Abschlussarbeit
Version:
-
Datum Erstellung:
August 2010
Seiten:
78 (inkl. Deckblatt)
Copyright:
IGW International
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Vorwort für Abschlussarbeiten
Vorwort
Theologische Arbeit ist Dienst an der Gemeinde, sie ist Hirtendienst. Die enge Verknüpfung von
theologischer Ausbildung und Gemeinde zeigt sich unter anderem in den Abschlussarbeiten der
IGW-Absolventen. Die intensive Beschäftigung mit einem Thema ist eine gewinnbringende
Erfahrung, bei der die Studierenden durch überraschende Entdeckungen und neue Erkenntnisse
ihren Horizont erweitern.
Auch die Gemeinde soll und darf von diesem Ertrag profitieren. Die Schulleitung von IGW
begrüsst darum die Veröffentlichung der vorliegenden Arbeit.
IGW International ist mit weit über 300 Studierenden die grösste evangelikale
Ausbildungsinstitution im deutschsprachigen Raum. Sie bietet verschiedene Studiengänge für
ehrenamtlichen, teil- oder vollzeitlichen Dienst an. In der Schweiz und in Deutschland existieren
Studienzentren in Zürich, Bern, Olten, Essen, Karlsruhe, Chemnitz und in Braunschweig. In
Österreich unterstützt IGW den Aufbau der Akademie für Theologie und Gemeindebau AThG.
Das IGW-Angebot umfasst eine grosse Vielfalt an Ausbildungen und Weiterbildungen: vom
Fernstudium (für ehrenamtliche und vollzeitliche Mitarbeiter und zur Vertiefung einzelner
Themen) über das Bachelor-Programm (als Vorbereitung auf eine vollzeitliche Tätigkeit als
Pastor) bis zum Master als Weiterbildung und für Quereinsteiger mit akademischer Vorbildung.
Im Anschluss an das Masterprogramm steht den IGW-Absolventinnen und Absolventen die
Möglichkeit zum Weiterstudium MTh und DTh (GBFE/UNISA) offen. Speziell für Gemeindeleiter
und Leitungsteams bieten wir eine 2-jährige Weiterbildung zum Thema Gemeindeerneuerung,
Turnaround an. Weitere Informationen finden Sie auf www.igw.edu.
Seit Herbst 2008 macht IGW alle Abschlussarbeiten online zugänglich, welche die Beurteilung
„gut“ oder „sehr gut“ erhalten haben. Die Arbeiten stehen kostenlos auf unserer Website zur
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Forschungstagen und IGW-Kongressen.
Für die Schulleitung
Dr. Fritz Peyer-Müller, Rektor IGW International; [email protected]
Vorwort.docx / Datum / Kürzel
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INHALTSVERZEICHNIS
1 VORWORT ..........................................................................................................................1 2 EINFÜHRUNG ....................................................................................................................2 2.1 Bezug zum gewählten Thema .........................................................................................2 2.2 Fragestellung und Ziel der Arbeit ...................................................................................3 2.3 Begriffserklärungen ........................................................................................................3 2.4 Abgrenzungen .................................................................................................................3 2.5 Methodik .........................................................................................................................4 2.6 Mein Wunsch ..................................................................................................................4 3 HERAUSFORDERUNGEN IN DER SCHWEIZ BETREFFEND DEM ISLAM ........5 3.1 Entwicklung der muslimischen Bevölkerung in der Schweiz ........................................5 3.1.1 Muslimische Eroberungsfeldzüge in Europa ...................................................... 6 3.1.2 Aktuelle Entwicklung der muslimischen Bevölkerung in Europa ........................ 6 3.2 Problemfelder für die Integration....................................................................................7 3.2.1 Ungenügende Sprachkenntnisse ........................................................................ 7 3.2.2 Die Rechte der muslimischen Frauen ................................................................ 8 3.2.3 Die Scharia als Rechtsnorm .............................................................................. 9 3.2.4 Parallelgesellschaften..................................................................................... 10 3.3 Grundlegende Problematik: Laizismus und Gottesstaat ...............................................11 3.4 Eigene Versäumnisse ....................................................................................................12 3.4.1 Imame in der Schweiz ..................................................................................... 12 3.4.2 Muslimische Organisationen in der Schweiz.................................................... 13 4 DER ISLAM – EINE EINFÜHRUNG .............................................................................14 4.1 Die Entstehung und Ausbreitung des Islam..................................................................14 4.1.1 Die arabische Halbinsel vor dem Auftreten Mohammeds ................................. 14 4.1.2 Geburt und Kindheit Mohammeds ................................................................... 17 4.1.3 Die Auswanderung von Mekka nach Medina.................................................... 18 4.1.4 Die Festigung Mohammeds als Führer ............................................................ 19 4.1.5 Die Ausbreitung des Islam nach Mohammeds Tod ........................................... 21 4.2 Wichtige Merkmale des Islam ......................................................................................23 4.2.1 Koran ............................................................................................................. 24 4.2.2 Allah .............................................................................................................. 26 © IGW International
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4.2.3 Djihad ............................................................................................................ 26 4.2.4 Haus des Friedens, Haus des Krieges.............................................................. 29 4.2.5 Dhimmitude .................................................................................................... 30 4.2.6 Die Scharia .................................................................................................... 31 4.2.7 Menschenrechte im Islam ................................................................................ 34 4.2.8 Freiheit im Islam ............................................................................................ 35 5 DIE ISLAMISIERUNG SPANIENS (711 – 1031) ..........................................................36 5.1 Das Westgotenreich in Spanien (507-711) ...................................................................36 5.1.1 Die Gesellschaft ............................................................................................. 37 5.1.2 Wirtschaft und Handel .................................................................................... 38 5.1.3 Kirchlich-religiöse Strukturen......................................................................... 38 5.1.4 Herrschaftliche Institutionen .......................................................................... 39 5.1.5 Der Niedergang des Westgotenreiches ............................................................ 39 5.2 Von der Eroberung al-Andalus bis zum Umayyaden-Emirat (711-756) ......................41 5.2.1 Die Schlacht am Guadalete von 711 ................................................................ 41 5.2.2 Die Eroberungswelle ...................................................................................... 42 5.2.3 Die Errichtung des Umayyaden-Emirates von 756 ........................................... 43 5.3 Vom Emirat bis zum Ende des Kalifates von Córdoba (756-1031) .............................44 5.3.1 Die Gründung des Kalifates von Córdoba 929................................................. 45 5.3.2 Der Niedergang des Kalifates von Córdoba 1031 ............................................ 46 6 ERKENNTNISSE AUS DEN UNTERSUCHUNGEN ...................................................47 6.1 Erkenntnisse aus der gegenwärtigen Situation in der Schweiz.....................................47 6.2 Erkenntnisse aus den allgemeinen Informationen des Islam ........................................49 6.3 Erkenntnisse aus den historischen Untersuchungen Spaniens......................................50 7 EMPFEHLUNGEN UND LÖSUNGSANSÄTZE...........................................................52 7.1 Empfehlungen und Lösungsansätze an den „Schweizer“ ................................................52 7.2 Empfehlungen und Lösungsansätze an die in der Schweiz lebenden Muslime ................53 7.3 Aussichten und Prognosen..............................................................................................53 8 ZUSAMMENFASSUNG ...................................................................................................55 BIBLIOGRAPHIE..................................................................................................................56 ANHANG.................................................................................................................................61 © IGW International
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1 VORWORT
Kaum ein Tag vergeht ohne Schlagzeilen über das angespannte Verhältnis zwischen Islam und den
Ländern des Westens. Einige Stichworte: heftige Aufschreie über Papstäusserungen in muslimischen
Ländern, Mohammed-Karikaturen, Islamdebatten in der Schweiz, Kruzifixverbot in Italien, Burkaverbot in Belgien, umstrittene Familiennachzugspraxis von Muslimen oder Ehrenmorde, weltweite
Terroranschläge von muslimischen Extremisten usw. Viele solche Meldungen verunsichern, lassen
Ängste aufkommen oder erhärten unsere Vorurteile gegenüber Muslimen. Meinungen werden polarisiert, Menschen gehen getrennte Wege infolge aufkommender Hilflosigkeit oder aus Angst- und
Hassgefühlen. Die Thematik rund um den Islam begegnet uns täglich und wühlt auf. Gibt es Antworten bezüglich eines friedvollen Nebeneinanders, die man angesichts solcher Entwicklungen geben
kann? Ist ein friedliches Zusammenleben zwischen Muslimen und dem Gastland in Anbetracht solcher Umstände überhaupt möglich? Die Geschichte lehrt uns, dass Antworten oft falsch, zu spät oder
überhaupt nicht gegeben wurden1. Krieg erzeugte Krieg und Hass erzeugte wiederum Hass. Zusätzlich erschwert wird der Dialog mit Muslimen, die den Koran wortgetreu ausleben (extreme Auslegung des Korans). Diese Tatsachen lassen gewisse muslimische Organisationen in einen fast unüberwindbaren Fundamentalismus verharren.
Hier möchte die vorliegende Arbeit einsetzen und aufzeigen, wodurch ein Zusammenleben von Muslimen und – in unserem Fall – von Schweizern (siehe 2.3) möglich sein kann. Historische Tatsachen
sind dabei dringend zu berücksichtigen. Grundlegend ist eine offene Begegnung von Mensch zu
Mensch, zwischen Christ und Muslim. Weder Rückzug und falsche Toleranz unserer Linken noch
Scharfmacherei unserer Rechten helfen weiter. Nur ein echtes und aufrichtiges Begegnen unterstützt
durch Gebet mit der Bereitschaft, diesen ersten Schritt zu tun und ein Erwarten von Gottes Wirken in
den Herzen der Beteiligten lassen Hoffnung aufkommen.
Beeindruckt hat mich der Losungstext am Tag nach der Minarettabstimmung vom 29. November
2009: „Die Fremdlinge sollt ihr nicht unterdrücken; denn ihr wisst um der Fremdlinge Herz, weil ihr
auch Fremdlinge in Ägypten gewesen seid“ (2.Mose 23,9). Eines steht für mich fest: Es ist eine
grosse Herausforderung, den Muslimen im Sinne dieses Verses zu begegnen, der Lehre des Islams
aber entschieden Grenzen zu setzen.
Ziel unserer pluralistischen Gesellschaft wäre, wenn Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund
in Frieden und Gerechtigkeit nebeneinander leben können. Friede und Gerechtigkeit sind gemäss den
alttestamentlichen Propheten (Jes 2,2-4; 42,1-4) ein Hauptmerkmal des Reiches Gottes! Darum gehört der Einsatz für Friede und soziale Gerechtigkeit auch nach neutestamentlichem Verständnis zu
einer der Hauptaufträge der Christen für die Welt (Mt 5,9; Röm 14,17).
1
Vgl. Bat Ye’or: Der Niedergang des orientalischen Christentums unter dem Islam. (siehe Bibliographie)
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2 EINFÜHRUNG
2.1 Bezug zum gewählten Thema
In meiner bisherigen achtjährigen beruflichen Tätigkeit als Sportlehrer an einer Berufsschule mit
einer Schüleranzahl von zeitweise mehr als 250 Schülern pro Woche wurde ich mit Themen wie das
Kopftuchtragen, Schwimmunterricht, Halten des Ramadan usw. immer wieder konfrontiert2. In meiner aktuellen Tätigkeit als Pflegevater einer Grossfamilie kommen ebenfalls Fragen auf, wenn ein
Kind aus muslimischem Hintergrund in eine Schweizer Pflegefamilie fremdplaziert werden soll.
Welche christlichen Rituale dürfen Kinder mitmachen? Welche uns fremden religiösen Elemente
dürfen von der Herkunftsfamilie des Pflegekindes in der Grossfamilie gefordert werden? Zudem
beschäftigt mich die Thematik des Islams auch in meiner eigenen christlichen Gemeinde. Die Not,
nicht zu wissen, wie man den Muslimen in der eigenen Stadt begegnen soll und kann, ist vorhanden.
Mich erschreckt die Tatsache, wie wenig man über die uns fremde Religion weiss. Ich stelle fest,
dass in vielen politischen Gemeinden eine unterschwellige Angst das Verhalten gegenüber Muslimen
diktiert. Diese Angst in Kombination mit einer schlechten Information über die andere Kultur und
Religion können zu einer falschen Haltung gegenüber den Muslimen in der Schweiz führen. Weiter
bringt der traditionelle Schweizer durch sein übertriebenes Ausgrenzen des Glaubens aus dem öffentlichen Leben den Dialog mit den Muslimen kaum mehr zustande! Sehen wir uns Fernsehdebatten
oder Zeitungsberichte an, wie sich Politiker oder andere Verantwortungsträger zum Thema Islam
geäussert haben! Oft sprach man aneinander vorbei. Hier können theologisch reflektierte Grundlagen
eine wertvolle Hilfe für Politik und Staat bieten. Die beschriebene Brisanz bewegt und beschäftigt
mich und soll in der vorliegenden Arbeit aufgenommen werden.
Sodann beschäftigt mich die unerträgliche Situation, wie wenig Rechte den religiösen Minderheiten
in islamischen Ländern heute zukommen! Folgender Gedanke stammt von Bruder Andrew (2008:6):
„Wer wissen will, was auf die Kirchen in Europa und Nordamerika in der Zukunft zukommen könnte, der muss das Leben dieser Kirche [gemeint sind die christlichen Kirchen in der islamischen Welt]
studieren; wir können von ihren Erfolgen und Niederlagen nur lernen.“ In seinem Buch nimmt er
Bezug auf seine Erfahrungen und auf seine Besuche in christlichen Gemeinden, die in muslimischen
Ländern zu Hause sind und dort eine religiöse Minderheit darstellen.
2
Für Lehrpersonen empfehle ich nachdrücklich die Schrift: „Islam in der Schweiz – wissen und glauben“.
Themen wie Religionsfreiheit, Integration, Missverständnisse und Unvereinbarkeiten werden aufgegriffen, die
eine gute Hilfe für den Unterricht geben (siehe Bibliographie). Sodann die Dissertation von Lukas Wick: „Islam und Verfassungsstaat – theologische Versöhnung mit der politischen Moderne?“ Der in Zürich lebende
Autor ist Islamwissenschafter und promovierte 2009 an der Universität Bern.
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2.2 Fragestellung und Ziel der Arbeit
In Anbetracht der einführenden Gedanken stellt sich mir die Frage, ob ein Zusammenleben von
Schweizern und Muslimen in der Schweiz überhaupt möglich ist. Wenn ja: Welche Empfehlungen
und Lösungsansätze gibt es um Parallelgesellschaften zu vermeiden? Wenn nein: Welche Konsequenzen hat es?
Das Hauptziel der Arbeit ist es, Lösungsansätze und Empfehlungen aufgrund von historischen Tatsachen auszuarbeiten, welche an die beiden Zielgruppen – an die Schweizer und an die moderat lebenden Muslime in der Schweiz – gerichtet werden können, damit ein erspriessliches Zusammenleben
möglich sein kann.
Ein Nebenziel der Arbeit ist es, Kenntnisse aus der Vergangenheit für Interessierte aufzubereiten, die
als Grundlage für einen Dialog zwischen Muslimen und Schweizern dienen können.
2.3 Begriffserklärungen
Der Einfachheit halber wird in der vorliegenden Arbeit auf die weiblichen Bezeichnungen wie „Muslima“ oder „Christin“ verzichtet. Stattdessen dient jeweils die männliche Form „Muslim“ oder
„Christ“ als Oberbegriff. Wenn der Begriff „Muslime“ genannt wird, sind die Schweizer, die zum
Islam konvertiert sind, immer mit eingeschlossen.
Mit „Schweizer“ meine ich Personen mit traditionellem christlichen oder säkularen Hintergrund. Ist
eine spezielle Zielgruppe von Schweizern gemeint, ist dies aus dem Text ersichtlich.
Arabische Namen werden in der gebräuchlichen deutschen Schreibweise nur kursiv angegeben. Arabische Begriffe hingegen stehen kursiv in Klammer. Sind die Begriffsinhalte aus dem Text nicht
erkennbar, werden sie in den jeweiligen Fussnoten kurz beschrieben.
Koranzitate sind aus der Koranübersetzung entnommen, die in der Bibliographie aufgeführt ist.
Der Begriff „Gott“ wird von Christen und von Moslems verschieden verstanden. Ich benutze den
Begriff „Allah“, wenn es sich um den muslimischen Kontext handelt und „Gott“, wenn es sich um
den christlichen Kontext handelt.
2.4 Abgrenzungen
Die vorliegende Arbeit behandelt die Thematik eines möglichen Zusammenlebens von Schweizern
und Muslimen in der Schweiz. Dabei werde ich nicht näher darauf eingehen, wie sich christliche
Gemeinden betreffend dem Erreichen von Muslimen ausrichten können. Die vorliegende Arbeit liefert – wie bereits erwähnt – lediglich Grundlagen, wie in der Vergangenheit Begegnungen zwischen
Muslimen und Christen stattgefunden haben. Im Weiteren gehe ich nicht näher darauf ein, wie Verantwortungsträger beider Parteien (von Schweizern oder von Muslimen) die erarbeiteten Empfeh© IGW International
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lungen und Lösungsansätze konkret umsetzen können. Dies wäre ein weiteres Thema für eine Diplomarbeit.
2.5 Methodik
Um die erwähnte Fragestellung zu beantworten, wende ich die Methodik der historischen Untersuchung sowie die Analyse des aktuellen Geschehens an. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse verwende ich, um geeignete Empfehlungen und Lösungsansätze für ein mögliches Zusammenleben
zwischen Schweizern und den in der Schweiz lebenden Muslimen abzuleiten.
2.6 Mein Wunsch
Mein Wunsch ist es, dass durch die vorliegende Arbeit der Dialog zwischen Muslimen und Schweizern hier in unserem Land unterstützt werden kann, um ein Zusammenleben in gegenseitiger Achtung zu fördern. Mit einem Blick in die Vergangenheit sollen auf mögliche Gefahren und Schwierigkeiten hingewiesen werden, die ein Zusammenleben zwischen Muslimen und der Bevölkerung in
den entsprechenden Ländern erschwert oder verunmöglicht haben. Meine Hoffnung ist es, dass die
einzigartige Chance, die das Schweizer Volk mit der direkten Demokratie besitzt, den Muslimen,
aber auch dem Islam so begegnen kann, dass ein erträgliches Nebeneinander längerfristig realisierbar
ist.
Nach biblischem Zeugnis gilt Gottes Liebe allen Menschen ungeachtet ihrer Religion und Herkunft,
die sich in Friede und Gerechtigkeit für alle Menschen zeigt (vgl. S.1). Mit dieser grundsätzlichen
Liebe rechne ich und wünsche mir, dass diese Arbeit das Ihrige zur Verständigung beitragen kann.
Ich wünsche mir weiter, dass die Christen in unserem Lande vermehrt den Kennzeichen des Reiches
Gottes Rechnung tragen und Verantwortung wahrnehmen, wenn es um die konkrete Umsetzung
eines möglichen Zusammenlebens zwischen Muslimen und Schweizern geht. Christen in der
Schweiz haben eine wichtige Mittlerfunktion zwischen Muslimen und säkularen Schweizern, da bei
ihnen Glaubens- und Gesellschaftsfragen ein wichtiger Aspekt ihres täglichen Lebens ist. Sodann
wünsche ich mir, dass die in der Schweiz lebenden Muslime erkennen, welch kostbares Gut es für
eine Bevölkerung ist, wenn persönliche Glaubens- Gewissens- und Meinungsfreiheit in der Bundesverfassung verankert sind. Dieses kostbare Gut entspringt nicht nur einer menschlichen Idee, sondern
ist von Gott, dem Schöpfer, vom Gott der Bibel in seinem Wort an alle Menschen auf der Welt gerichtet (1. Tim 2,1-4; Röm 13,1-7; Mt 22,15-22; Mk 12,13-17; Lk 20,20-26). Nach eingehender Beschäftigung mit der Thematik besteht die Hoffnung, dass es für ein Zusammenleben von Schweizern
und Muslimen in unserem Land unter entsprechenden Bedingungen noch nicht zu spät ist!
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3 HERAUSFORDERUNGEN IN DER SCHWEIZ BETREFFEND DEM ISLAM
Wie bereits dargelegt, sieht sich die Schweiz und auch Europa einer zunehmenden Islamisierung
gegenüber. Wie soll man sich verhalten, wenn nicht Gleichgültigkeit, Übertoleranz, Fremdenhass,
Rassismus oder Islamophobie3 unsere Motive im Umgang mit den Muslimen sein sollen? Im Jahr
2005 lebten nach Kaufmann (2009:13) in Europa zwischen 35 und 53 Millionen Muslime. Dies sind
etwa 5 bis 7,5% der über 700 Millionen Einwohner Europas. Innerhalb der EU haben aktuell Frankreich (5-6 Millionen) und Deutschland (über 4 Millionen) die grössten muslimischen Minderheitsanteile.
3.1 Entwicklung der muslimischen Bevölkerung in der Schweiz
In der Schweiz lässt sich eine ähnliche Entwicklung feststellen wie in Europa. Die Zahl der Muslime
hat sich in der Schweiz in den letzten 40 Jahren stark verändert. Anfang der 70er Jahre lebten nach
den Angaben von Maurer (2007:4) rund 16 300 Muslime in unserem Land. Im Jahr 2000 waren es
laut der Volkszählung mehr als 310 000 Muslime aus 146 Ländern. Heute schätzt man die Zahl auf
350 000 – 400 000 (Bieler Tagblatt vom 3. Nov 2009, S.3). Knapp 12% von ihnen sind Schweizer
Bürger geworden. Der Islam mit einem Bevölkerungsanteil von 4,3% bildet die grösste nichtchristliche Religion in der Schweiz. In Basel-Stadt leben 19 000 Muslime, d.h. ein Zehntel der Bevölkerung. (Quelle: DRS 1, Echo der Zeit vom 3. Mai 2010)
Es existieren heute rund 300 muslimische Organisationen, von denen die meisten als Vereine organisiert sind. Die Muslime in der Schweiz bilden keine homogene Gruppe. Unterschiedliche Sprachen,
Kulturen und Ethnien erschweren oft das Zusammenleben unter ihnen. Allein in der Stadt Biel existieren 8 Moscheen, die aus sprachlichen Gründen getrennte Wege gehen (Bieler Tagblatt vom 19.
Dez 2009, S.11). Im Jahr 2007 stammten schweizweit 50% der Muslime aus dem ehemaligen Jugoslawien, rund 20% aus der Türkei. Die restlichen 30% stammen aus den bereits erwähnten anderen
Ländern.
Maurer führt an (:4), dass die Zahl der in der Schweiz ständig ansässigen Personen aus Staaten mit
einer islamischen Bevölkerungsmehrheit4 zwischen 1990 und 2000 stark zugenommen hat. Der Balkankrieg bewirkte während den 90er Jahren höhere Asylgesuche in der Schweiz. Es zeichnet sich ab,
dass die meisten zugewanderten Muslime dauerhaft in der Schweiz bleiben werden. Einige Experten
3
Islamophobie, oder Islamphobie, abgeleitet aus Phobie (Griechisch φόβος „Furcht“), ist ein Neologismus, der
als soziologischer Begriff die feindselige Ablehnung des Islam als abstrakte Kategorie und der als Minderheit
in einer Mehrheitsgesellschaft lebenden Muslime als Personen bezeichnet.
4
Dies betrifft Länder wie Marokko, Afghanistan, Pakistan, Indonesien, Bangladesch, Albanien und den Irak.
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wie Samuel-Martin Behloul5 vertreten die Ansicht, dass der Zuwachs der Muslime abflachen wird.
Er begründet dies mit der einerseits schwierig gewordenen Einwanderung und andererseits würden
sich die hier lebenden Muslime an die Schweizer Bedingungen anpassen. Andere Fachleute sehen
den anhaltenden Zuwachs als eher zutreffend. Belegt wird dies mit der weitaus höheren Geburtenziffer. In Deutschland beispielsweise beträgt der Anteil von Kindern mit muslimischem Hintergrund
bereits mehr als 10% (Kaufmann 2009:17). In Nordrhein-Westfahlen ist sogar fast jeder vierte Schüler Muslim. In der Schweiz belegt das Bundesamt für Statistik6 folgende Feststellung: Im Jahr 2008
besass etwas mehr als ein Viertel der in der Schweiz geborenen Kinder eine ausländische Staatsbürgerschaft. Die Hauptgründe dafür lagen im hohen Anteil der Ausländerinnen im Alter zwischen 20
und 44 Jahren (50,1% gegenüber 30,7% bei den Schweizerinnen) und in der höheren Geburtenhäufigkeit der Ausländerinnen (1,9 Kinder je Frau im Gegensatz zu 1,4 bei den Schweizerinnen).
3.1.1 Muslimische Eroberungsfeldzüge in Europa
Die Ausbreitung des Islams in Europa vollzog sich in der Vergangenheit in zwei unabhängigen Geschichtsabläufen, die jeweils verschiedene Regionen Europas betrafen. Sie zeichneten sich vor allem
durch militärische Eroberungszüge aus, die ebenso militärisch wieder zurückgeschlagen wurden. Der
erste muslimische Eroberungsfeldzug in Europa vollzog sich um 700 n.Chr. von Westafrika über die
Meeresenge von Gibraltar nach Spanien bis nach Frankreich (Vgl. Kap 5). Erst bei Tours und Poitiers (732) besiegte Karl Martell den islamischen Vormarsch. Die Muslime wurden in den folgenden
Jahrhunderten durch die Reconquista immer weiter nach Süden zurückgedrängt bis zur vollständigen
Re-Christianisierung Südwesteuropas mit dem Sieg in Granada 1492.
Bei der zweiten Eroberungswelle nach Europa eroberten die Osmanen nach und nach das byzantinische oder oströmische Reich; im Mai 1453 siegten sie über Konstantinopel (heutiges Istanbul). Der
Vormarsch der Türken konnte erst vor den Toren Wiens gestoppt werden. Den beiden Belagerungen
von Wien (1529 und 1683) konnten die Habsburger mit Erfolg begegnen. Das letztere Datum gilt als
das Ende der Ausbreitung des Islams im Süd-Osten Europas. Das Osmanische Reich geriet in die
Defensive und wurde bis 1913 auf das heutige Staatsgebiet der Türkischen Republik zurückgedrängt.
Länder wie Bosnien blieben nach der Rückeroberung mehrheitlich muslimisch, da nach Uhlmann
(2003:49 Bd.2) die damaligen gnostisch ausgerichteten Bogomilen die islamische Herrschaft den
katholischen Bedrängern vorgezogen hatten.
3.1.2 Aktuelle Entwicklung der muslimischen Bevölkerung in Europa
5
Dozent und Forschungsmitarbeiter am Religionswissenschaftlichen Seminar an der Uni Luzern.
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Siehe Anhang A1 über die Angaben vom Bundesamt für Statistik (BfS) betreffend Migration und Integration
der ausländischen Bevölkerung in der Schweiz.
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Die aktuelle muslimische Expansionswelle nach Europa findet seit den 60-er Jahren in Form von
Zuwanderung in reiche Industriestaaten statt. Schirrmacher (2008:1) erwähnt konkret, dass in
Deutschland die starke Zuwanderung bereits seit der Nachkriegszeit begonnen hat. Weiter verstärkt
wurde die Zuwanderung durch Revolutionen (Iran 1979), den Algerienkrieg (1954-1962), den IranIrakkrieg (1980-1988) und den Balkankrieg (1993-1995). Die daraus resultierenden Flüchtlingsströme und die weitaus höhere Geburtenrate im Vergleich zur westlichen Bevölkerung hatten zur Folge,
dass die Zahl der Migranten auf rund 50 Mio. Muslime in Europa anstieg (dies sind ca. 8% der Bevölkerung Europas). Frankreich7 hat dabei eine enorm grosse Anzahl an Maghreb-Muslimen aufgenommen. In den letzten 20 Jahren taten sich die Einwanderländer jedoch schwer, sich überhaupt als
solche zu sehen oder die Problematik der Migration anzugehen (siehe Kap 3.4).
Die meisten Muslime in Europa werden in ihren neuen Heimatländern bleiben. Ihre Zahl wird nach
Schirrmacher (2008:1) weiter zunehmen, denn ihre ursprünglichen Heimatländer bieten ihnen politisch wie wirtschaftlich keine gute Perspektive. Die Kinder und Enkel der ersten Generation wachsen
zudem in Europa auf, was eine Rückkehr ins Heimatland zusätzlich erschwert. Daraus ergeben sich
mehrere Problemfelder, die es zu beachten gilt, möchte man ein erspriessliches Zusammenleben
zwischen Muslimen und dem Gastland erreichen.
3.2 Problemfelder für die Integration
3.2.1 Ungenügende Sprachkenntnisse
Viele junge Menschen der zweiten und dritten Generation sprechen die betreffenden Landessprachen
zu wenig, um beruflich Erfolg zu haben. Nicht wenige fühlen sich dabei von der hiesigen Gesellschaft kaum akzeptiert, sondern eher diskriminiert und ziehen sich demzufolge in ihr eigenes Umfeld
zurück. Wie aus dem Bieler Tagblatt (BT vom 19. Dez 2009) zu entnehmen ist, ist die Sprache selbst
unter den verschiedenen muslimischen Gruppen eine Hürde. Für das Vorhaben, beispielsweise in
Biel, eine gemeinsame Moschee einzurichten, wo alle muslimischen Gemeinschaften sich treffen
können, sei die Zeit noch nicht reif. Dies sagt der Bieler Nicolas Blancho8 (radikaler Konvertit), Vorstandsmitglied der kulturellen Gemeinschaft der Muslime in Biel (KGMB). Erst mit der nächsten
Generation könne dieses Vorhaben realisiert werden, da die unterschiedlichen Sprachen eine bis
heute kaum zu überwindende Barriere darstellte. Gemäss dem Bericht wäre eine gemeinsame Moschee gut, doch möchten alle muslimischen Gemeinschaften lieber dem Imam in ihrer Muttersprache
7
Frankreich erliess am 9. Dezember 1905 das Gesetz über die Trennung der Kirchen vom Staat (Trennungsge-
setz). Es ist laizistischen Ursprungs und war insbesondere gegen die Machtansprüche der römisch-katholischen
Kirche gerichtet. Bis heute führt Frankreich keine Statistik über eine Konfessionszugehörigkeit.
8
Siehe Weltwoche „Bin Laden in Biel“ Nr. 14.10 S. 28ff. Blancho ist Präsident des Islamischen Zentralrates
der Schweiz (IZRS) und gilt als radikaler Fundamentalist.
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zuhören. Der vom Schweizer Fernsehen ausgestrahlte DOK Film9 vom 1.4.2010 „Hinter dem Schleier“ zeigt auf, dass auf der Ebene der Integration hausgemachte Versäumnisse feststellbar sind. Bauer
sagt: „Die Probleme der Muslime sehe ich weniger bei der Religion als bei der Integration. Dort
zeigen sich die Fehler der Vergangenheit: Durch die Einwanderung unqualifizierter Arbeitskräfte
sind viele muslimische Frauen im Land, die auch nach 30 Jahren nicht deutsch sprechen. Die Bestimmung des revidierten Ausländergesetzes, Deutsch lernen zu müssen unter Androhung der Ausweisung, kommt für viele zu spät“. Nur infolge individueller Kontakte können Misstrauen und Vorurteile beidseits abgebaut werden. Nach Lingenfelter & Mayers (2004:23) beginnt ein Integrationsprozess mit dem Erlenen der jeweiligen Landessprache. Doch sei es ein Trugschluss zu glauben, dass
man mit dem Beherrschen der Sprache bereits Anschluss an die entsprechende Kultur gefunden habe. Denn die „Stumme Sprache“ einer Kultur hängt von weiteren Bereichen10 ab, die nur ein Beherrschen der Fremdsprache nicht geben kann. Das Erlernen der Fremdsprache stellt die wichtigste
Brücke dar, um die anderen Elemente der fremden Kultur erwerben zu können. Fehlen aber die
sprachlichen Kenntnisse eines Gastlandes gänzlich, ist Integration kaum möglich.
3.2.2 Die Rechte der muslimischen Frauen
Ein weiteres Problemfeld für die Muslime ist die Gleichstellung von Mann und Frau in der westlichen Welt. Die Stellung der Frau im Islam ist ein komplexes Thema. Sie unterscheidet sich von Land
zu Land, selbst innerhalb eines Landes ist ein Gefälle von Stadt zu Land feststellbar. Der Koran11
proklamiert die Überlegenheit des Mannes gegenüber der Frau, die diesem zum Gehorsam verpflichtet ist. Auf dieser starken Position baut das patriarchalische Familiensystem auf. Im Islam sind totalitärer Ausschluss vom öffentlichen Leben, Polygamie (mehrere Frauen eines Mannes), körperliche
Bestrafungen oder auch Zwangsheiraten Beispiele, die die Benachteiligung der Frau nach Maurer
(2007:9) deutlich belegen. Diese Minderbehandlung der Frau hindert die Integration muslimischer
Familien im westeuropäischen Familienkontext in starkem Mass. Jedem Muslim wird die Heirat
empfohlen, und auch viele Kinder zu haben. Ein Muslim darf in muslimischen Staaten bis zu vier
9
Der von Karin Bauer realisierte DOK Film zeigt eine eindrückliche Bestandsaufnahme, wie sich Muslime in
die Schweizer Gesellschaft integrieren können (Quelle: siehe Bibliographie).
10
Die anderen neun Bereiche sind: Bewusstsein von Zeit und Raum, Besitz, gesellschaftliche Verbindungen,
Arbeit, geschlechtsspezifisches Verhalten, Lernen, Spiel- und Schutzmechanismen. Die Sprache trägt nebst
diesen neun Hauptbereichen ein Schlüsselbereich zum Gesamtwesen einer Kultur bei.
11
Aus Sure 4,35 erfahren wir folgendes: „die Männer sind die Verantwortlichen über die Frauen, weil Allah
die einen vor den anderen ausgezeichnet hat und weil sie von ihrem Vermögen hingeben. Darum sind tugendhafte Frauen die Gehorsamen und die (ihrer Gatten) Geheimnisse mit Allahs Hilfe waren. Und jene, von denen
ihr Widerspenstigkeit befürchtet, ermahnt sie, lasst sie allein in ihren Betten und straft sie. Wenn sie euch dann
gehorchen, so sucht keine Ausrede gegen sie; Allah ist hoch erhaben, gross.“
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Frauen haben,12 vorausgesetzt, dass der Mann alle gleich behandelt. Maurer erwähnt weiter
(2008:121), dass der Mann zusätzlich so viele Konkubinen haben kann, wie er will. Die Bestimmung
des Korans, die ursprünglich die Ehe mit anderen Frauen aus anderen Religionen verbot (Sure
2,222), wurde später zugunsten der Männer verändert. Nach Sure 5,6 wurde einem Muslim später
erlaubt, jüdische oder christliche Frauen zu heiraten. Die Kinder müssen aber die Religion des Vaters
übernehmen.
Die Rechte der Frauen sind im Islam geringer als in den westlichen Ländern. Nach Maurer (2007:10)
treten Frauen in vielen islamischen Ländern im öffentlichen Leben kaum in Erscheinung. Oftmals
verlassen sie das Haus nach der Eheschliessung kaum mehr, weil es vom Mann für unschicklich
gehalten wird. Der Koran und die daraus abgeleitete Scharia (schari’a, vgl. 3.2.3) verlangen bei Vergehen der Frau körperliche Strafen, was nebst den anderen dargelegten Punkten mit dem schweizerischen Zivilrecht nicht vereinbar ist.
Betrachtet man die Stellung der Frau im Islam, verwundert es nicht, dass gerade die Integration der
in der Schweiz lebenden muslimischen Frauen meistens schlecht funktioniert. Schranz (2009:28-30)
weisst in ihrer Diplomarbeit darauf hin, dass muslimische Asylbewerberinnen in der Schweiz (am
Beispiel kurdischer Flüchtlingsfrauen) mit Unsicherheit, Sinnlosigkeit und einem Gefühl von Isolation zu kämpfen haben. Oftmals ist der Grund ihrer Asylbewerbung auf eine Minderbehandlung vom
Ehemann (oft Einschüchterung durch Züchtigung) in ihrem Herkunftsland oder vom Staat selbst
zurückzuführen. Diese Ungleichbehandlung stellt eine Hürde für die Integration in unsere westliche
Kultur dar.
3.2.3 Die Scharia als Rechtsnorm
Mit dem Begriff Scharia (schari’a) wird die Gesamtheit des islamischen Rechts bezeichnet (siehe
Kap 4.2.6). Anders als das Schweizerische Rechtsverständnis regelt die Scharia mehr als nur Rechtsfragen. Sie bestimmt nach Kaufmann (2009:5) das Zusammenleben zwischen den Menschen und
auch die Beziehung zwischen Allah und dem Menschen. Sie macht Vorschriften und Richtlinien für
Ethik, kulturelle Normen und das Zusammenleben innerhalb der muslimischen Gemeinschaft (umma). Mit Richtlinien sind in erster Linie nur Ge- und Verbote gemeint. Deshalb existieren im Islam
kaum Rechte für die Gläubigen. In westlichen Staaten ist das Rechtssystem zum Teil auf biblischchristlichen Prinzipien aufgebaut. Viele Bereiche unserer Rechtsprechung basieren auf den Zehn
Geboten und der alttestamentlichen Zivilgesetzgebung. In der Zeit der Aufklärung kämpften vor
allem Denker und Philosophen für die Verwirklichung der Demokratie, für die Menschenrechte und
für die Rechte der Frau sowie für die Abschaffung der Todesstrafe. Kennzeichen des westlichen
Rechtsverständnisses ist, dass das Recht nicht auf einer Offenbarung Gottes beruht, sondern auf de12
Sure 4,4: „Und wenn ihr fürchtet, ihr würdet nicht gerecht gegen die Waisen handeln, dann heiratet Frauen,
die euch genehm dünken, zwei oder drei oder vier…“.
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mokratischem Wege zustande kommt. Kaufmann (2009:8) führt aus, dass im muslimischen Kontext
keine Rechtsprechung unabhängig vom religiösen Hintergrund existiert. Der Kern der Scharia ist und
bleibt Allahs Offenbarung, die durch keine menschliche Gesetzgebung der Welt abgeändert werden
kann. Auch entzieht sich die Scharia jeder zeitlichen und kulturellen Anpassung.
Diese weitgehende Unvereinbarkeit der Vorgaben der Scharia stellt die in westlichen Ländern lebenden Muslimen vor grosse Herausforderungen. Sie müssen zwischen zwei Rechtssystemen wählen.
Scharia oder Verfassungsstaat. Nach Tibi (2008:61ff) steht Europa vor der gewaltigen Herausforderung, die Islam-Diaspora in ihr Gemeinwesen zu integrieren und einen europäischen Islam (EuroIslam) zu fördern. Das Ziel sei, den Euro-Islam ohne Scharia und Djihad (djihad, vgl. 4.2.3) zu installieren, damit er mit den westlichen Systemen nicht im Konflikt steht. Doch dabei werden von
wichtigen Geistlichen (ulama)13 der islamischen Welt Rufe stark, dass dieses Vorhaben Ketzerei und
nicht mit der Lehre des Islams zu vereinbaren sei. Man bekräftigt, dass der Islam nicht mit westlichen Werten vereinbar sei. Die Integration des Islam in die westlichen Wertvorstellungen ist demnach sehr fraglich. Die Politologin Elham Manea14 etwa, geboren im Jemen und heute wohnhaft in
Bern, fordert in ihrem Buch ebenfalls eine Reform des Islam (2009:113ff). Besonderes Augenmerk
legt sie auf die Gleichberechtigung der Frauen im Islam(:155ff). Für traditionelle Muslime ist sie
jedoch eine Ketzerin.
Beispiele von schweren Körperstrafen oder von Todesstrafen beim Abfall vom Islam steht die Scharia in starkem Widerspruch zur westlichen Rechtsnorm. Konsequenterweise darf die Scharia nie als
eine weitere Rechtsnorm neben westlichen Rechtsnormen zu stehen kommen. Die Forderung des
Sozialanthropologen an der Universität Freiburg, Prof. Giordano Christian (Tagesanzeiger vom
29.12.2008), der für eine teilweise Einführung der Scharia in den Schweizerischen Rechtsstaat aufgrund seines Rechtspluralismus plädiert, ist höchst fragwürdig. Es würde unser Rechtssystem aushebeln. Dieses Ringen, nach welchem Rechtssystem Muslime in der Schweiz leben wollen, erschwert
die Integration in die Schweizer Gesellschaft zusätzlich.
3.2.4 Parallelgesellschaften
Die ausländische Bevölkerung ist in der Schweiz seit den 70er Jahren ständig gewachsen (vgl. S.5).
Man unterscheidet generell zwei Migrationsphasen (BT vom 3.Nov. 2009, S.3). Die erste Phase setzte zu Beginn der 70er Jahre ein und wird als „Männer-Migration“ bezeichnet. Von der Schweizer
Wirtschaft angeworben, kamen diese Leute mit dem Ziel, nach einem vorübergehenden Arbeitsaufenthalt wieder in ihr Herkunftsland zu ihren Familien zurückzukehren. Doch sie blieben. In den 80er
und 90er Jahren setzte die zweite Migrationsphase ein. Türken, Bosnier und Albaner liessen sich
13
Al Ulama (arab.: die Wissenden) Dies sind die Gelehrten des islamischen Rechtes und der islamischen Reli-
gion; die Vertreter des religiösen Wissens; die Führer der muslimischen Gesellschaft (Maurer 2008:262).
14
Nähere Angaben sind im erwähnten SF1 DOK Film „Hinter dem Schleier“ zu entnehmen.
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dauerhaft nieder und brachten auch ihre Frauen und Kinder mit. Erst ab diesem Moment begann bei
den Muslimen das Bedürfnis, sich in Vereinen zu organisieren. Das Ausüben ihrer Religion (Islam)
wurde zunehmend zum festen Bestandteil ihres Alltags. In sogenannten Kulturzentren (Moscheen)
trifft man sich heute zu Gebet und zu gesellschaftlichen Anlässen. Für viele Muslime gibt es gute
Gründe, ihr Herkunftsland zu verlassen. Laut Maurer (2008:237) ist es für die Neuankömmlinge
schwierig, sich an den neuen Lebensstil des Gastlandes zu gewöhnen, geschweige sich der hiesigen
Kultur anzupassen. Praktizierende Muslime finden es schwerer, sich im Westen zu integrieren, als
diejenigen, die ihren Glauben nicht praktizieren. Es ist nachvollziehbar, dass sich praktizierende
Muslime in Anbetracht der westlichen Dekadenz nicht an einen solchen Lebensstil anpassen wollen.
Dabei geschieht ein Rückzug der Muslime in ihr eigenes Umfeld, was zu einer Parallelgesellschaft
führt. Werden nicht bestimmte Grundbedingungen an muslimische Einwanderer gestellt, werden sich
diese Parallelgesellschaften weiter verselbständigen. Erschreckende Beispiele aus dem nahen Ausland rütteln auf. Nach Kaufmann (2009:26) ist es infolge der enormen Zunahme von Muslimen in
England zu echten Parallelgesellschaften gekommen, die dem ortsüblichen Rechtsverständnis nicht
nachkommen, sondern nach den Rechten der Scharia leben. Diese Problematik kennt die Schweiz
erst in Ansätzen. So sind Beispiele auf individueller Ebene längst in politischen Debatten ein Thema,
wo muslimische Familien nach ihrem Rechtsverständnis handeln. (Beispiele von Zwangsbeschneidungen, Zwangsehen oder Ehrenmorde sind in unserem Land Gegenstand gerichtlicher Untersuchungen). Die Politik hat dieses Problem z.T. erkannt und man arbeitet an strafrechtlichen Bestimmungen, um Entgleisungen entgegen zu wirken.
3.3 Grundlegende Problematik: Laizismus 15 und Gottesstaat
Der Islam kennt seit seiner Entstehung durch Mohammed (siehe Kap 4) keine Trennung zwischen
Religion und Staat. Auch heute noch kennen islamische Länder keine Trennung zwischen diesen
beiden Bereichen (Ausnahme Türkei). Nach muslimischer Auffassung soll alles vom Islam und seinen Werten bestimmt werden. Die Regierungspraxis ist nach Maurer (2007:8) meist autoritär und oft
sehr diktatorisch ausgerichtet (Beispiele: Irak unter Saddam Hussein, Saudi-Arabien). In mehreren
islamischen Ländern existieren Formen von Parlamenten, doch nehmen sie lediglich eine beratende
Funktion war. Die gesamte Macht ist in den Händen der Exekutive, die meist von einer Person ange-
15
Der Begriff „Laizismus“ (laïcité) ist eine 1871 geprägte Wortschöpfung des französischen Pädagogen und
Friedensnobelpreisträgers Ferdinand Buisson, der sich für einen religionsfreien Schulunterricht einsetzte. Sie
geht auf den griechischen Begriff λαϊκισµός, von „Laie“ im Sinn von „Nicht-Geistlicher“, zurück. 1905 wurde
in Frankreich eine radikale Trennung von Religion und Staat vollzogen (vgl. S. 7). Laizismus ist das Bestreben, Religiöses von Nicht-religiösem zu trennen. (http://de.wikipedia.org/wiki/Laizismus)
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führt wird. Ein islamischer Staat ist alles andere als eine Demokratie16, da das Volk (Souverän) nicht
der eigentliche Träger der Staatsgewalt ist. Ein wichtiges Merkmal des demokratischen Staates ist
dessen Gewaltentrennung. Der Islam anerkennt die Grundlage der Demokratie nicht, nämlich die
Gleichheit und Freiheit der einzelnen Bürger, wie die Glaubens-, Gewissens- und Versammlungsfreiheit. Nach neutestamentlichem Verständnis ist eine klare Trennung zwischen dem geistlichen
Bereich der Gemeinde und dem weltlichen Bereich des Staates ersichtlich. Jesus und nach ihm auch
Paulus haben keine Staatskirche gegründet, sondern eine Bekenntniskirche, die folglich Nichtchristen respektiert. Altweg (2009:11) führt aus, dass es dem Staat nicht obliegt, Nichtchristen mit Gewalt zur Einhaltung der göttlichen Gebote zu zwingen. Dies belegen unter anderem die neutestamentlichen Aussagen Jesu vor dem weltlichen Herrscher Pilatus (Joh 18,36). Veränderungen sollen
in den Herzen der Menschen geschehen.
Infolge dieser grundsätzlich unterschiedlichen Staatssysteme – Demokratie und Laizismus in der
westlichen Welt und Gottesstaat in der muslimischen Welt – erscheint es nach Maurer (2007:8) fraglich, ob eine offene Gesellschaft mit politischen Freiheiten für die bei uns wohnhaften Muslime
überhaupt in Frage kommen kann. Aus Sicht der Muslime werden gerade diese Freiheiten, gepaart
mit Individualismus und Egoismus inklusive ihren negativen Auswirkungen, stark kritisiert.
3.4 Eigene Versäumnisse
3.4.1 Imame in der Schweiz
In der bereits erwähnten SF-Dokumentation „Hinter dem Schleier“ hat die Produzentin Karin Bauer
fünf Freitagspredigten von arabischen Moscheen in der Schweiz zu Beginn des Jahres 2010 ausgewertet. Drei davon waren ideologisch geprägt: In Genf wetterte beispielsweise ein Imam gegen die
Dekadenz des Westens. In Biel verglich ein Prediger die aktuelle Situation der Schweizer Muslime
mit jener von Muslimen in Palästina und Afghanistan. In Basel bezeichnete ein Imam Andersgläubige als Zitat: „…niedriger als das gläubige Tier“. Für die meisten Imame aus dem Ausland, die in der
Schweiz predigen, ist eine moderne Interpretation des Korans undenkbar. Sie fordern eine restriktive
und traditionelle Interpretation der 1400 Jahre alten Koranverse. Bedenklich ist, dass die Imame in
der Schweiz zur Zeit ungehindert und unkontrolliert politisch-islamistische Ideologien17 predigen
können und so eine ernst zu nehmende Gefahr Richtung Aufbau einer Parallelgesellschaft darstellen.
Weiter muss darauf hingewiesen werden, dass gerade Konvertiten oft eine extreme Auslegung des
Korans vertreten. Aktuelles Beispiel bildet der Schweizer Konvertit Nikolas Blancho in Biel. Bei
16
Demokratie bezeichnet (gr. Δηµοκρατία, von δῆµος (dēmos), „Volk“, und κρατία (kratía), „Herrschaft“,
heute die Herrschaft des Volkes nach westlichem Verständnis. (http://de.wikipedia.org/wiki/Demokratie)
17
Islamismus: Nach Gstrein (2008:14) neuere Bezeichnung für meist radikale politische Strömungen auf isla-
mischer Grundlage. Der Islam ist in Wirklichkeit mehr politische Ideologie als Religion.
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ihm und seiner Lehre finden einige Jugendliche eine attraktive Alternative zur Bewältigung ihrer
Alltagsprobleme (siehe Bericht vom Bieler Tagblatt, 27. April 2010).
3.4.2 Muslimische Organisationen 18 in der Schweiz
Die Schweiz sollte nach Saïda Keller Messahli19 vermehrt darauf achten, mit welchen islamischen
Organisationen (siehe Fussnote) sie verhandelt (Bund vom 31. März 2007). Nach Messahli sei es
wichtig, wen man als Gesprächspartner will und bei wem man sich informiere. Es gibt inzwischen
fragwürdige Organisationen, die an der grossen Mehrheit der Glaubensgemeinschaft (umma) vorbeireden, die sich gegen aussen salonfähig und liberal geben, in Wahrheit aber die wesentlichen Grundsätze der Schweizerischen Zivilgesellschaft weder achten noch gelten lassen. Beim Dialog mit den
Muslimen ist es wichtig, darauf zu achten, welches Rechtssystem in der Schweiz Geltung hat und in
Zukunft Geltung haben soll. Die grosse Herausforderung dabei ist, ob die entsprechenden Organisationen ihren Grundsätzen auch bei einem religiösen Mehrheitsanteil nachkommen werden.
Aufgrund der aufgeführten Herausforderungen, die die Schweiz einerseits mit den Muslimen, aber
andererseits auch mit der Lehre des Islam hat, ist ein Blick in die Entstehung und Ausbreitung des
Islam (Kap 4) nötig. Am nachfolgenden Beispiel der Islamisierung Spaniens (Kap 5) ist ersichtlich,
welch günstige Voraussetzungen für die Islamisierung der iberischen Halbinsel gegeben waren und
welche Auswirkung die Eroberung für die ortsansässige Bevölkerung gehabt hatte. Absicht ist es,
wichtige Erkenntnisse zu gewinnen, um daraus mögliche Empfehlungen und Lösungsansätze für ein
respektvolles Zusammenleben für heute abzuleiten.
18
Als Beispiele nenne ich: Föderation Islamischer Dachorganisation in der Schweiz (FIDS), Koordination
Islamischer Organisationen in der Schweiz (KIOS), Schweizerische Islamische Glaubensgemeinschaft (SIG),
Vereinigung der islamischen Organisationen in Zürich (VIOZ), Islamischer Zentralrat der Schweiz (IZRS)
usw.
19
Präsidentin vom Forum für einen fortschrittlichen Islam (FFI), Schweiz. (vgl.: http://forum-
islam.ch/index.php?option=com_frontpage&Itemid=1 [gefunden am 20.02.2010])
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4 DER ISLAM – EINE EINFÜHRUNG
4.1 Die Entstehung und Ausbreitung des Islam
Um die Entwicklungen zu verstehen, die den Islam prägen und die sich auch in den 850 Jahren arabischer Herrschaft über Spanien zeigten und uns heute im 21. Jahrhundert ebenfalls beschäftigen, ist
es wichtig, sich mit den Anfängen des Islam zu beschäftigen. Ich beziehe meine Informationen betreffend Entstehung des Islams auf der arabischen Halbinsel und dessen Ausbreitung in Spanien
vorwiegend aus den Angaben von Chr. Schirrmacher20 und A. Maurer21.Wer den heutigen Islam
verstehen will, muss sich mit einigen wichtigen Eckdaten des Islams aus der Vergangenheit beschäftigen. Heute fordern einige muslimische Bewegungen, dass man zu den Anfängen und Zuständen der
islamischen Urgemeinde zurückkehren soll! Deshalb werden anschliessend einige wichtige Informationen zur Entstehung und Ausbreitung des Islams aufgezeigt.
4.1.1 Die arabische Halbinsel vor dem Auftreten Mohammeds
Die Muslime nennen die Zeit vor Mohammed das Zeitalter der Unwissenheit (al Dschahiliyya), weil
man damals viele Geister und Götter (Götzen) anbetete und eben noch nicht wusste, dass es nur den
einen Gott (Allah) gibt. Die arabische Halbinsel war von nomadischen, seminomadischen und auch
von sesshaften Gruppierungen bewohnt. Die einzelnen Stämme züchteten Kamele, Schafe, Ziegen
oder betrieben Ackerbau in Oasen (Schirrmacher 2003:2). Doch welche gesellschaftlichen, politischen und religiösen Zustände waren damals vorhanden?
4.1.1.1 Die politische und gesellschaftliche Situation
Der vordere Orient wurde im 6. Jahrhundert vor allem von zwei grossen Weltmächten beherrscht.
Vom Reich der Byzantiner und der Sassaniden (vgl. dtv-Atlas S. 135). Im Sassanidenreich (226-651
n.Chr.) herrschte vor allem die Religion des Zoroastrismus22 vor. Das damalige Arabien war in starkem Masse und bedingt durch die grosse Wüste eine eigenständige und unabhängige Welt für sich
geblieben. Byzantiner und Sassaniden standen in einem Machtkampf, der beide Reiche stark
20
Dr. Christine Schirrmacher studierte Islamwissenschaft (Arabisch, Persisch, Türkisch), Geschichte und ver-
gleichende Religionswissenschaft in Giessen und Bonn und promovierte 1991 mit einer Arbeit zur christlichislamischen Kontroverse im 19. Und 20. Jahrhundert. Sie ist Leiterin des Institutes für Islamfragen in Deutschland. (www.islaminstitut.de)
21
Andreas Maurer, promovierter Theologe an der UNISA. Heute arbeitet er bei AWM (Arab World Mini-
stries) und seit 2000 ist er wissenschaftlicher Leiter des IfI-Schweiz (Institut für Islamfragen).
22
Eine dualistisch ausgerichtete Religion, die die Welt in Gut und Böse einteilt, benannt nach dem
Religionsstifter Zarathustra (griech.: Zoroaster).
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schwächte. Maurer (2008:20) beschreibt, dass ein ausgesprochen guter Handel zwischen Ostafrika,
Ostasien und Europa über die Weihrauchstrasse erfolgte, der Mekka zu einem wichtigen Handelszentrum gemacht hatte. Mekka war gleichzeitig zu einem religiösen Zentrum geworden, zu dem man
Wahlfahrten unternommen hatte. Abgesehen von den grossen Städten wie Mekka und Medina war
die arabische Halbinsel vorwiegend von Nomaden bevölkert, die sich oft in Stammesfehden bekämpften. Es galt das Gesetz des Stärkeren. Wie Schirrmacher (:2) und Maurer (:21) erwähnen, waren Überfälle und Raubzüge auf andere Stämme an der Tagesordnung. Gesellschaftliche Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten waren weit verbreitet. Die Menschen organisierten sich nach dem Familien-, Sippen- und Stammesprinzip, das patriarchalisch ausgerichtet war. Die einzelnen Stämme
liessen sich oft um Oasen nieder, die sich selber wieder zu wirtschaftlichen Zentren entwickelten.
Das religiöse Umfeld war von animistischen, jüdischen und christlich-gnostischen Elementen geprägt.
4.1.1.2 Die Juden
Die Juden zogen nach der Zerstörung des Tempels unter Titus 70 n.Chr. und der Niederschlagung
des jüdischen Aufstandes unter Bar Kochba 135 n. Chr. vermehrt auf die arabische Halbinsel. Sie
waren ebenfalls stammesmässig organisiert. Die drei bekanntesten jüdischen Stämme in Arabien
waren die Banu Qainuqa, die Banu Nadir und die Banu Quraiza, die vor allem um Medina ansässig
waren (Schirrmacher 2003:4). Es spricht einiges dafür, dass es sich bei den medinensischen Juden
auch um zahlreiche zum Judentum übergetretene Araber gehandelt haben könnte.
Interessant zu wissen ist, dass den jüdischen Stämmen nach uns bisher bekannten Quellen noch keine
neutestamentliche arabische Bibelübersetzung zur Verfügung stand. Der Talmud (jüdische Belehrung und Diskussionen) war bei den Juden zu Mohammeds Zeiten in dieser Region jedoch gegenwärtig, doch inwiefern die Inhalte Mohammed bekannt waren, bleibt nach Schirrmacher (:5) offen.
Dies bedeutet, dass den Moslems zu Mohammeds Zeiten der jüdische Glaube nur durch mündliche
Überlieferungen zukam. Schirrmacher weist auf die wichtige Tatsache hin, dass die jüdische Messiaserwartung für die Bereitschaft der Moslems, Mohammed als letzten Gesandten Gottes anzuerkennen, geholfen habe. Denn die Juden erwarteten den Messias und mit Mohammed sah man diese Erwartung nun erfüllt. Dies ist sicher ein bemerkenswerter Punkt, der zur Ausbreitung des Islams auf
der arabischen Halbinsel beigetragen hat.
4.1.1.3 Die Christen
Die damaligen Christen waren zum grösseren Teil gnostisch23 geprägt und verglichen mit den Juden
stärker vertreten. Staaten wie Byzanz, Syrien, Palästina, Ägypten und Äthiopien waren christlich
geprägt. Auch im arabischen Raum war der christliche Glaube weit verbreitet. Wichtige Zentren
23
Gnosis griech. = Erkenntnis. Die Gnosis lehrt unter anderem, dass Christus auf dieser Welt nur einen Schein-
leib gehabt habe (Doketismus). Die Welt wird in Gut (geistig) und Böse (materiell) eingeteilt.
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bildeten die Christen (Nestorianer, Griechen, Syrer) in Najran im heutigen Jemen und dem Hijaz
entlang dem Roten Meer bis zur Sinaihalbinsel. Schirrmacher (:6) geht davon aus, dass es zu Mohammeds Zeiten in mehreren arabischen Stämmen Christen gab und einige Stämme sogar überwiegend christlich waren. Doch auch hier findet man bis heute keine Quellen, die bestätigen würden,
dass eine neutestamentliche Bibelübersetzung auf Arabisch vorhanden gewesen wäre. Gstrein weist
darauf hin, dass nach Leszynsky (1910:40-56) lediglich folgende Teile einer arabischen Bibelübersetzung vorhanden gewesen waren: Der Pentateuch, die Psalmen und ein Evangelium. Unklar bleibt
jedoch, ob christliche Gemeinden auf einem fundierten neutestamentlichen Verständnis basierend
existiert hätten. Man muss folglich davon ausgehen, dass Mohammed ein lebendiges, neutestamentlich ausgerichtetes Christentum nie kennengelernt hat. Vielmehr kann der Einfluss vom Nestorianismus und von christlichen Sonderlehren auf Mohammed wie die eingangs erwähnte Gnosis oder
der Miaphysitismus24 als gesichert gelten.
Die Nestorianer gründen auf den Bischof Nestorius (um 430 n.Chr. Bischof von Konstantinopel), der
sich entschieden gegen den Ausdruck „Gottesgebärerin“ für Maria der katholisch-orthodoxen Kirche
entgegenstellte. Nach Uhlmann (2008:4) wandte sich Nestorius dagegen, Maria als „Gottesgebärerin“ zu bezeichnen, da sie vielmehr „Christusgebärerin“ (griech. Christotokos) genannt werden müsse. Er argumentierte, der Erlöser habe sowohl eine menschliche als auch eine göttliche Person, was
durch den Titel „Gottesgebärerin“ verwischt werde. Schliesslich kam es dann zum nestorianischen
Streit. Mohammeds späterer Protest gegen das Christentum richtete sich nebst anderen Gründen gegen die vergöttlichte Maria in den orthodoxen Kirchen! Welche Tragik, dass das Christentum indirekt zur Ausbreitung des Islams beigetragen hat.
Schirrmacher (2003:8) erwähnt weitere Gründe, welche die Ausbreitung des Islams von Seiten der
Christen begünstigt haben:
24
•
Die Zerrissenheit des Christentums.
•
Die daraus folgende Uneinigkeit in wichtigen Glaubensfragen (Nestorianischer Streit).
•
Das Fehlen einer arabisch-christlichen Kirche.
•
Wahrscheinlich keine arabische Bibelübersetzung.
•
Keine Missionare: die Aufnahmebereitschaft der Araber für das Evangelium wurde nicht erkannt. (Annahme)
•
Die in sich gekehrte Frömmigkeit vieler Christen (Mönchstum).
Nach Uhlmann (2008:4) ist der bis dahin übliche Ausdruck Monophysitismus (eine Natur) irreführend, im
Sinn dass Christus nur eine göttliche Natur gehabt habe. Die Orientalen gebrauchen den Ausdruck Miaphysitismus. Sie lehren, dass in Christus das Göttliche wie das Menschliche eine einzige Natur bilde, ohne Vermischung und ohne Trennung.
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Dem gespaltenen und zerstrittenen Christentum war es damals auf der arabischen Halbinsel nicht
gelungen, eine repräsentative arabisch-christliche Kirche zu errichten. Dieses Vakuum bot eine weitere günstige Voraussetzung zur Ausbreitung des Islams.
4.1.1.4 Der altarabische Animismus
Nebst den Juden und den Christen waren die meisten Araber Animisten25, die nur eine vage Vorstellung von einem all umfassenden Gott (Allah) hatten. Vielmehr verehrte man eine Vielzahl von heidnischen Göttern (Götzen). Vor allem drei wichtige Göttinnen waren damals rund um Mekka von
zentraler Bedeutung. Es waren dies: al-Lat, al-Ussa und Manat. Sodann glaubte der altarabische
Glaube an einen höchsten Gott. Schirrmacher (:15) erwähnt dabei den Schöpfer und Regierer der
Welt und den Spender des Regens und Gebieter des Sturms, dessen Name „der Gott“ (arab.: al-ilah
oder al-lah = der Gott, die Gottheit) lautete! An diese Vorstellung eines höchsten Gottes, welcher
aber nicht in Verbindung mit dem höchsten vorislamischen Heiligtum – der Kaaba26 – stand, knüpfte
Mohammed später bei seiner Verkündigung an einen einzigen Gott an! Die Kaaba hatte als wichtigstes vorislamisches Heiligtum eine enorme Bedeutung. Mohammed übernahm nach Schirrmachers
Ausführungen den Kaaba-Kult in etwas veränderter Art und Weise. Nebst dem schwarzen Stein
(man nimmt an, dass dies ein Meteorit ist) waren nach Maurer (2008: 21) noch weitere 360 Götter in
der Kaaba vorhanden, die Mohammed später zerstören liess, um den neuen monotheistischen Glauben des Islam zu errichten. Die Kaaba benutzte Mohammed weiterhin als zentrales Heiligtum, was in
unserem heutigen Verständnis als Synkretismus mit der damals vorhandenen heidnischen Religiosität betrachten werden kann.
4.1.2 Geburt und Kindheit Mohammeds
Mohammed ist der Begründer des Islam. Er wurde 570 n.Chr. als Sohn einer verarmten Kaufmannsfamilie aus dem Stamm der Kuraisch in Mekka geboren und wuchs bei seinem Onkel Abu Talib auf.
Dieser war ein Karawanenführer, der Mohammed als Lehrling auf seine langen Reisen mitnahm.
Sein Vater starb noch vor seiner Geburt und seine Mutter Amina verlor er im Alter von sechs Jahren.
Nach dem Tod des Onkels Abu Talib wurde Mohammed Hirte und ließ sich später als Händler nieder. Mohammed war zeitlebens Analphabet. Da er jedoch als rechtschaffen galt, bekam er von der
reichen, ihm verwandten Witwe Khadidscha das Amt eines Verwalters übertragen und heiratete sie.
Sie hatten mehrere Kinder, von denen aber nur die älteste Tochter Fatima überlebte und durch Heirat
mit Ali (vierter Kalif nach Mohammed) die Nachkommenschaft fortsetzte. Auf einer Reise hatte
25
Animisten sind Menschen, die in der Natur vorkommende Geister und Dämonen in Gegenständen wie Bäu-
men, Steinen, Quellen usw. anbeten, indem man ihnen Opfer darbrachte.
26
Die Kaaba (arab.: al-Kaaba = der Würfel) ist ein würfelförmiges Gebäude in Mekka, das zentrale Heiligtum
des Islam, das einen schwarzen Stein enthält. Bei der Wahlfahrt versuchen die Moslems, den Stein zu küssen.
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Mohammed 610 auf dem Berg Hira die erste Offenbarung, bei der ihm der Erzengel Gabriel den
Auftrag gab, jedem Volk die erhaltene Botschaft mitzuteilen (Kellerhals 1969:33). In den folgenden
23 Jahren gab es nach der Überlieferung noch viele weitere Offenbarungen während Mohammed in
der Wüste meditierte. Er war nach Schmeer (1999:1) ein weltoffener Mann, der auf seinen weiten
Reisen Kontakte zu gnostisch geprägten Christen und Juden pflegte. Mohammed, der zu Beginn
seines Predigtdienstes davon überzeugt war, dass sein Glaube derselbe sei wie der der Juden und
Christen, suchte die Unterstützung der jüdischen Stämme (Maurer 2008: 31). Die Juden lebten abgesondert in grossen Familienverbänden (banu) zusammen. Mohammed wusste um die Thora der Juden und lernte aus Diskussionen viele Inhalte aus dem jüdischen Talmud27 kennen. Der Talmud war
damals bereits verfasst (Schirrmacher 2003:5). Der neue Prophet kam auch in Kontakt mit Christen,
die sich ihm aber nicht einheitlich präsentierten. Sie hatten – wie bereits erwähnt – Streit untereinander. Er predigte auf den Straßen Mekkas, wo er schnell begeisterte Anhänger fand, aber auch auf
Ablehnung stiess. Schliesslich musste er die Stadt Mekka verlassen, weil er der örtlichen Regierung
zu mächtig geworden war.
4.1.3 Die Auswanderung von Mekka nach Medina
Mohammed floh mit 80 Anhängern im Jahr 622 n. Chr./ 1 AH nach Yathrib (Medina), wo er ungestört weiter predigen konnte. Vom sogenannten "Jahr der Hedschra" aus datiert jede islamische Zeitrechnung28. Sodann beginnt nach muslimischem Selbstverständnis auch die Geschichte jeder islamischen Kultur. Aus dem verachteten Prediger in Mekka wurde in Medina ein gefürchteter und verehrter Staatsmann. Mohammed wurde zu einem klugen und oft schlau entscheidenden politischen und
militärischen Führer (vgl. Kellerhals 1969:33). Aus einer anfänglich kleinen Gemeinde entsteht nun
eine Gemeinschaft (umma), die berufen ist, alle Völker der Erde unter die Herrschaft Gottes (Allahs)
zu bringen. Die Juden in Medina hingegen wurden nach Maurer (2008:31) nun bald gezwungen,
entweder auszuwandern oder den Islam anzunehmen. Kamen die Juden keinem dieser Entscheide
nach, wurden sie getötet, während die Frauen und Kinder versklavt wurden. Ab dieser Zeit werden
Juden und Christen, die in islamischen Gebieten lebten, als Unterworfene behandelt. Nach Ye’or
27
Der Talmud ist eine Aufzeichnung rabbinischer Diskussionen über das jüdische Gesetz, Ethik und Geschich-
te.
28
Die Zeitrechnung des islamischen Kalenders beginnt mit der Hedschra Mohammeds von Mekka nach Medi-
na. Yathrib war der alte Name der Stadt Medina. Der Name wurde in Medina (Stadt des Propheten) geändert,
nachdem Mohammed sich dort niedergelassen hatte. Die Abkürzung AH steht für „Anno Hegirae“ (lat. für Jahr
der Auswanderung). Man gibt nach Maurer das Jahr 622 n.Chr. mit 1 AH an, obwohl es das Jahr „Null“ bezeichnet.
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(2005:38) werden die Eroberten zu Kriegsgefangenen (harbis). Der Imam kann nun die Unterworfenen (dhimmis) zum Tode verurteilen, sie versklaven oder sie ins Exil schicken.29
4.1.4 Die Festigung Mohammeds als Führer
In Medina verpflichtete Mohammed nun seine schnell wachsende Gemeinde zu einem Vertrag, der
über den traditionellen arabischen Sippen- und Stammesschutz hinausging. Alle mußten einen Zusammenhalt untereinander und einen gegenseitigen Schutz ohne Ansehen von Herkunft und Stand
schwören. Die Gemeinschaft aller Gläubigen (umma), wurde nach Schmeer (1999:1) zu einer höheren Solidargemeinschaft, die sich als übernationale Idee in den folgenden Jahrhunderten als eine
besondere Stärke des Islam erweisen sollte. Ihre gemeinsamen äusserlichen Kennzeichen wurden in
späteren Jahren als die sogenannten "Fünf Säulen des Islam“ (arkan al-islam) zusammengefasst. Sie
bilden nach Schirrmacher (2003:141) die Grundpfeiler der islamischen Pflichtenlehre, die Moslems
aus allen Rechtsschulen anerkennen und betonen. Die vorsätzliche oder dauerhafte Vernachlässigung
dieser fünf Säulen gilt als schwere Sünde und kann auch als Abfall vom Islam interpretiert werden.
Die Fünf Säulen sind nach Mark A. Gabriel (2005:46):
1) Das Glaubensbekenntnis (schahada). Es lautet: „Es gibt keinen Gott ausser Allah, und Mohammed ist sein Prophet“ muss bei jedem Gebet gesprochen werden.
2) Das rituelle Gebet (salat). Muslime müssen fünfmal am Tag beten und
wenden dabei das Gesicht in Richtung Mekka, dem Geburtsort Mohammeds. Die Gebete finden zur Zeit der Morgendämmerung, am Nachmittag,
am Spätnachmittag, nach Sonnenuntergang und in der Nacht statt. An Freitagen gibt es besondere Gebete.
3) Almosen geben (zakat). Dies hat Ähnlichkeit mit einer Steuer. Sie wird
am Ende des Jahres entrichtet und unter die Armen verteilt.
4) Das Fasten (saum). Es findet im Monat Ramadan statt. während der Fastenzeit dürfen Muslime tagsüber nicht essen oder trinken. Nach Sonnenuntergang wird wieder reichlich gegessen und getrunken.
5) Die Pilgerfahrt nach Mekka (hadschj). Muslime sind angehalten, einmal
in ihrem Leben eine Pilgerfahrt nach Mekka zu unternehmen, wo sie ein
mehrtägiges Ritual vollziehen.
Während der zehnjährigen Regierung in Yathrib (Medina) baute Mohammed zum Teil mit Waffengewalt und zum Teil mit Diplomatie sein Reich auf. Ab 624 n.Chr. / 3AH beginnen nach Maurer
(2008:32) Mohammed und seine Nachfolger Karawanenzüge aus dem reichen Mekka zu überfallen
und teilten die Beute unter sich auf. Mohammed beendete die Annäherung an die Juden, da sie ihn
als falschen Propheten ablehnten. Er befahl nun seinen Anhängern, in Richtung Mekka zu beten und
nicht mehr in Richtung Jerusalem. Die zunehmenden Überfälle auf reich beladene Karawanen mün29
Nach Bat Ye’or hatten die unterworfenen Menschen (dhimmis) folgende drei Möglichkeiten: 1. sich zu un-
terwerfen und den Islam anzunehmen; 2. den eigenen Glauben beizubehalten, aber dafür eine Sondersteuer
(dschizya) zu bezahlen oder 3. mit dem Schwert getötet zu werden.
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deten in die bekannte Schlacht von Badr (624 n.Chr.), welche in der muslimischen Welt als ein herausragender Sieg bewertet wird. Nach Schirrmacher (2003:77) lieferte ein missglückter Beutezug
Mohammeds auf einen Karawanenzug den Grund für die Mekkaner, in die Schlacht gegen die Anhänger Mohammeds zu ziehen. Die Angreifer aus Mekka, die dreimal so gross waren wie Mohammeds Truppen, verloren die Schlacht von Badr. Durch diesen gewaltigen Sieg sah sich Mohammed
als Prophet Gottes und als Führer des Volkes bestätigt. Durch den Grabenkrieg (627) und den Vertrag von al-Hudaibiya (628) festigte Mohammed seine Position als geistlicher und politischer Führer
der Moslems. Er handelte im genannten Vertrag einen zehnjährigen Waffenstillstand mit den Mekkanern aus, was ihm im darauffolgenden Jahr eine Wallfahrt nach Mekka erlaubte. Damit hatten die
Muslime nach Schirrmacher (:79) einen diplomatischen Sieg errungen. Der Vertrag bedeutete eine
Anerkennung der Moslems als gleichwertige Partner. In den nächsten zwei Jahren nach der Unterzeichnung des Vertrages konnte Mohammed so seine Machtposition weiter ausbauen. Er schliesst
Bündnisse mit mächtigen arabischen Stämmen. Durch das Bündnis mit dem Stamm der Bani Khuza’a errang Mohammed wesentlich mehr Stärke im Vergleich zu den Koreischiten in Mekka. Die
Koreischiten hingegen gingen nach Maurer (2008:32) ein Bündnis mit dem Stamm der Bani Bakr
ein, welche einen Rachefeldzug gegen die Bani Khuza’a unternahmen.
Mohammed erfuhr von diesen Absichten und griff im Jahr 630 Mekka an. Angesichts der 10 000
Krieger ergaben sich die Bürger von Mekka ohne Widerstand Mohammeds Truppen und wurden
Muslime. Kurzerhand liess Mohammed den Götzenkult in der Kaaba entfernen. Die Kaaba war bereits wie eingangs erwähnt schon vor der Zeit Mohammeds existent.30 Nachfolgend gebe ich einen
Exkurs in Anlehnung an Uhlmann (2008:7) zu den Einflüssen des arabischen Animismus, die vor der
Zeit Mohammeds praktiziert wurden. Gut ersichtlich ist, was weiterhin unter Mohammed Verwendung fand:
In vorislamischer Zeit wurden rund um Mekka nebst anderen Götzen
drei Göttinnen verehrt. Al-Lat, Al-Ussa und Manat. Bemerkenswert
ist aber die Schreibweise! Allein durch Hinzufügen zweier Punkte im
Arabischen über dem letzten Buchstaben h von Allah wird aus dem h
ein t! Aus Allah wird Allat. Die drei Göttinnen werden in Sure 53,
19-20 erwähnt. Der schwarze Stein in der Kaaba stellt ein Symbol
der Göttin Al-Lat dar. Entsprechend der muslimischen Überliefe-
30
Der Stamm der Koreischiten, zu dem Mohammed gehörte, hatte nach Maurer (2008:21) Mekka zu einem
Zentrum animistisch-religiöser Aktivitäten gemacht. Besonders die Kaaba, die etwas 360 Götzen beherbergte,
war das Zentrum des heidnisch-animistischen Kultes. Animisten sind Menschen, die Objekte in der Natur als
von Geistern bewohnt ansehen. Die Kaaba war schon damals ein Kubus und hatte verschiedene heilige Steine
in sich, denen besondere Kräfte beigemessen wurden. Besondere Verehrung kam einem schwarzen Stein zu,
den die Moslems noch heute auf ihrer Wahlfahrt nach Mekka zu küssen versuchen.
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rung soll dieser Stein aus dem Paradies stammen. Abraham soll ihn
beim Bau der Kaaba als Geschenk vom Erzengel Gabriel empfangen
haben. Heute wie damals umschreiten die Pilger in Mekka siebenmal die Kaaba. Dieses Ritual steht in Verbindung mit der babylonischen Göttin Ischtar, welche durch die sieben Tore der Unterwelt
reiste, um zu ihrer Schwester zu gelangen, welche auch Allatu genannt wird. Die Kaaba in Mekka bestimmt noch heute die Gebetsrichtung für alle auf der Welt lebenden Moslems. Sie beugen sich auf
dem Teppich in Richtung Mekka hin. Die Frage stellt sich, ob die
Kaaba nun ein Überbleibsel des animistischen Götzenkultes von
damals ist und inwiefern dieser Kult sich mit dem monotheistischen
Glauben des Islam in Verbindung bringen lässt?
Mekka wurde nun für Nicht-Moslems zu einer verbotenen Stadt erklärt. Durch die Einnahme Mekkas kam eine Versöhnung zwischen Medina und Mekka zustande. In den verbleibenden zwei Lebensjahren konnte sich Mohammed nach Schirrmacher (2003:79) der Organisation und Festigung
seines neu entstandenen religiösen und politischen Systems widmen. Von 630-632 unternahm er
weitere Feldzüge auf der arabischen Halbinsel und unterwarf mehrere Stämme. Infolge Streitigkeiten
zwischen Byzanz und Persien im Norden überfiel Mohammed mit einer grossen Streitmacht gar
Grenzgebiete des byzantinischen Reichs. Im Jahr 632 konnte Mohammed selbst die Wallfahrt nach
Mekka durchführen, die als Abschiedswallfahrt bezeichnet wird. Im Alter von 63 Jahren starb Mohammed unerwartet, ohne einen Nachfolger bestimmt zu haben.
4.1.5 Die Ausbreitung des Islam nach Mohammeds Tod
Da der Prophet seine Nachfolge nicht geregelt hatte, wählten die Männer seiner nächsten Umgebung
zuerst Abu Bakr, der von Medina aus regierte; später gelangten die Mohammed nahestehenden
Freunde Umar und Uthman zu seinen Nachfolgern. Abu Bakr (632-634) wurde der erste Kalif31 der
islamischen Uumma. Er unterdrückte in seiner Regierungszeit mehrere Aufstände von arabischen
Stämmen, die sich nach dem Tod Mohammeds dem neuen Führer nicht mehr verpflichtet fühlten.
Abu Bakr eroberte bis zu seinem Tod immerhin die Stadt Hira im heutigen Irak und grössere Teile
von Syrien und Palästina.
Der zweite Kalif Umar (634-644) nahm Jerusalem ein, nachdem die Byzantiner Syrien und Palästina
freigegeben hatten. Kurz danach wurden Ägypten und Persien erobert. Nun musste nach Schirrma31
Kalif meint: Titel der Nachfolger des Propheten Mohammed als wirkliche oder nominelle Herrscher der
muslimischen Welt, die mit Ausnahme der Prophetie über die gleiche Stellung verfügen wie Mohammed. Der
Begriff kommt vom arabischen Wort (khalifa) und meint wörtlich nach Gabriel (2005:262): „einer, der an die
Stelle eines anderen tritt, der fortgegangen oder gestorben ist.“
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cher (2003:89) eine Verwaltung aufgebaut werden, die das Reich zusammen halten konnte. AltKairo (al-Fustat) und Basra (Kufa) entstanden. Eine Finanzverwaltung und eine Strafrechtsordnung
wurden eingeführt. Zudem sicherte Umar die neuen Gebiete militärisch gut ab.
Der dritte Kalif Uthman (644-656) ordnete die erste einheitliche Koranausgabe an. Der Koran, der
zuerst nur mündlich überliefert wurde, war aus der Erinnerung der letzten Ohrenzeugen in der neuen
Residenzstadt Kufa niedergeschrieben. Er wurde zu Suren und Versen der Länge nach zusammengefasst. Kalif Uthman legte fest, dass nur seine Version des Korans Gültigkeit hatte, alle anderen Versionen wurden vernichtet (diese Tatsache wird heute von Prof. Dr. Angelika Neuwirth32 aufgenommen, welche die Entstehung des Korans aus historisch-kritischer Sicht untersucht). Uthman wurde
von einer rivalisierenden Gruppe ermordet, die von Fatima, der Tochter Mohammeds, angestiftet
worden war. Fatima war mit Ali verheiratet.
Nach dem Tode Uthmans wurde Ali (656-661), der Neffe Mohammeds zum vierten Kalifen gewählt.
Im Gegensatz zum christlichen Kaiser besitzt der Kalif in der Umma keine Herrschaftsinsignien wie
Krone und Zepter, da er nach dem Koran nicht über der Gemeinde stehen darf, sondern lediglich Teil
von ihr ist. Mit der Wahl Alis konnte sich jene Fraktion innerhalb der Gemeinschaft durchsetzen, die
gegen die ersten Kalifen opponiert hatte, da sie behaupteten, Mohammed habe nur Ali allein das
Prophetentum übertragen. Deshalb seien nur Ali und seine leiblichen Nachkommen die wahren Kalifen. Diese Gruppe der Familie des Ali nannte sich Schiat Ali, was unserer heutigen Bezeichnung
Schiiten zugrunde liegt. Ali wurde als letzter der sogenannten vier rechtgeleiteten Kalifen (Schirrmacher 2003:89) im Jahr 661 ermordet. Die Frage nach der weiteren Nachfolge führte zur ersten Spaltung des Islam, denn die Parteigänger der Familie des Ali, verlangten nach Schmeer (1999:2), dass
nur die direkten Nachkommen des Propheten, also seine Enkel allein berechtigt seien, das Kalifat
anzutreten. Dagegen machten die Sunniten geltend, dass der Fähigste das Amt des Kalifats bekleiden
solle. Deshalb verhalfen sie der reichen Kaufmannsfamilie der Omaija in Damaskus an die Macht,
die das alte Wahlkalifat im Laufe der weiteren Geschichte erblich machte und an sich band.
Dieser Interessenskonflikt zwischen beiden Hauptrichtungen sollte nach den Angaben Schmeers im
Laufe der folgenden Entwicklungen aber immer wieder zum Ausbruch kommen. Mu'awiya (661680), aus der Familie der Umaija und Emir (Gouverneur) der Provinz Syria33, ernannte sich 661 mit
Billigung der Sunniten selbst zum Kalifen. Er verlegte seinen Regierungssitz aus dem schiitisch do32
Prof. Dr. Angelika Neureuth von der Freien Universität Berlin mit dem Forschungsprojekt „Corpus Corani-
kum“. Die Quelle stammt aus dem Dokumentationsfilm: „So entstand der Koran“ und aus:
(http://www.geschkult.fu-berlin.de/e/semiarab/arabistik/mitarbeiter/professoren/neuwirth/index.html [gefunden
am 26.03.10]).
33
Mu’awiya verwaltete den islamischen Staat nach Schirrmacher (2003:91) durch die Einsetzung von Emiren,
denen eine eigene Steuerbehörde unterstand. Diese mussten drei Ministerien einrichten, die aus Verwaltung,
Steuerwesen und Religionsangelegenheiten bestanden.
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minierten Kufa in das traditionell byzantinisch ausgerichtete Damaskus, wo er unter seinen Parteigängern sicher war. Unter der Regierung Mu’awiyas wurde das ganze persische Reich, im Osten bis
nach Indien und China und im Westen bis nach Tunesien erobert. Die Umayyaden unter Mu’awiya
verfolgten nach Schirrmacher (2003:91) in der Regel die Politik der Besteuerung der Eroberten anstelle der Zwangsislamisierung. Dadurch konnten, wie später ersichtlich wird, die Eroberungskriege
finanziert werden. Die Umayyaden stammten von Umyya ab und gehörten innerhalb des Koreischiten-Stammes zu einer anderen Sippe als Mohammed. Die Umayyadendynastie erlebte vor allem in
Nordafrika eine enorme territoriale Ausdehnung. Diese Ausdehnung bildete die Grundlage zur Eroberung Spaniens, welche im nächsten Kapitel genauer untersucht wird.
4.2 Wichtige Merkmale des Islam
Weshalb ist es für Muslime so wichtig, dass sie das tun, was Allah will? Die Antwort gibt Mark A.
Gabriel34 (2005:47) als ehemals praktizierender Moslem gleich selbst: „Der Islam ist eine Religion
der Werke.“ Der Eingang ins Paradies muss laut den Ausführungen Gabriels für Moslems verdient
werden. Moslems haben in ihrem Leben keine eigentliche Heilsgewissheit wie dies an Jesus Christus
gläubige Menschen kennen. Von daher erklärt sich Sure 101,6-9: „Der, dessen Gewicht in der Waage schwer ist, wird dann ein angenehmes Leben führen. Doch der, dessen Gewicht in der Waage
leicht ist, dessen Wohnort wird (hawiya = Hölle) sein.“ Es gibt, wie Gabriel (:48) beschreibt, keine
Garantie, dass ein Moslem ins Paradies gelangt, auch wenn er das ganze Leben gute Werke getan
hat. Alles hängt davon ab, wie Allah entscheiden wird.
Der Koran bezieht seinen Inhalt nicht ausschliesslich aus den Offenbarungen Mohammeds. Wie aus
den Korantexten selbst zu entnehmen ist, kommen nach Uhlmann (2008:6) weitere Quellen in Frage,
die Eingang in den Koran gefunden haben:
•
Es lassen sich Parallelen zum Alten Testament finden.
•
Es lassen sich Geschichten im Koran aus dem Neuen Testament finden.
•
Einige Stellen sind mit der frühchristlichen Gnosis verwoben worden.
•
Ferner finden wir auch Spuren des animistischen Götzenkultes aus vorislamischer Zeit.
Der Islam ist eine synkretistische (religionsvermischte) Religion. Da der Islam im Vergleich zu allen
anderen Weltreligionen spät entstanden ist, kann gut nachvollzogen werden, woher Mohammed sei-
34
Mark A. Gabriel (Pseudonym) war in Ägypten geboren und wurde Professor für islamische Geschichte und
Kultur an der Al-Azhar Universität in Kairo. Gleichzeitig war er Vorbeter (Imam) in einer Moschee. Sein zunehmender Zweifel an seiner Religion führte schliesslich zu Verfolgung, Gefängnis und Folterungen. Heute ist
er Christ und lebt unter seinem Pseudonym in den USA. Sein bekanntestes Buch lautet „Islam und Terrorismus“.
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ne Informationen bezog. Anschliessend finden einige wichtige Merkmale des Islams Erwähnung, die
für die Beantwortung der Fragestellung der vorliegenden Arbeit von Bedeutung sind.
4.2.1 Koran
Die Moslems bezeichnen ihr heiliges Buch als Koran35 (arab.: qur‘an). Darin finden sich Allahs
letzte und endgültige Offenbarungen für den Menschen. Diese Offenbarungen relativieren oder korrigieren andere Heilige Schriften, wie die Thora oder das Neue Testament, die früher als der Koran
entstanden sind. Der Koran ist aber nach der Meinung der Moslems unverfälscht und stellt das Wunder aller Wunder dar (Gstrein 2008:16). Es ist festzuhalten, dass der Koran nicht von Mohammed
selber geschrieben wurde. Mohammed war nach Schirrmacher (2003:47) ein ummi gewesen. Dieser
arabische Begriff bedeutet „des Lesens und Schreibens unkundig“. In mehreren Suren wird im Koran
auf den Analphabetismus Mohammeds hingewiesen (in Sure 7; 11; 28). Erst unter den ersten Kalifen
begann man die einzelnen Schriftstücke und Hinweise betreffend den Offenbarungen von Mohammed zu sammeln. Auch wurden Aussagen von Zeitzeugen Mohammeds in den Koran aufgenommen.
Erst später aber wurde der uns heute bekante Koran mit den 114 Suren zusammengestellt und festgelegt. Alle anderen Verse wurden wie bereits erwähnt durch Uthmann vernichtet. Gstrein hält fest,
dass eine Beurteilung des Korans nach historischen und textkritischen Gesichtspunkten für Moslems
undenkbar und auch unzulässig ist.
Der Koran ist in der Sprache der Kuraisch, der Muttersprache Mohammeds geschrieben worden.
Dadurch erhielt dieses sogenannte Hocharabisch nach Schirrmacher (:110) eine Schlüsselposition in
der gesamten arabischen Welt. Muslimische Theologen halten das im Koran verwendete Arabisch
als das Schönste und Vollkommenste! Das Heilige Buch der Moslems versteht sich selbst, so wie es
von Allah gegeben und Mohammed durch den Engel Gabriel übermittelt wurde. Es ist eine von Allah letztgültige und unverfälschte Offenbarung, die für alle Menschen von Urzeiten bis zum Ende der
Welt gültig ist. Diese Schrift bildet die Basis des moslemischen Glaubens und des islamischen Gesetzes (schari‘a). Mohammed erhielt die Offenbarungen in einem Zeitraum von 22 Jahren. Während
den ersten 12 Jahren in Mekka (610-622) und den nachfolgenden 10 Jahren in Medina (622-632)
empfing Mohammed Allahs Offenbarungen, welche in den 114 Suren des Korans zusammengetragen wurden.
35
Der Begriff Koran (arab. qur’an) leitet sich, wie man heute weitgehend übereinstimmend annimmt, als Sub-
stantiv vom Verb qara’a ab, was mit „er las, er trug vor, er rezitiert“ übersetzt werden kann. Der Koran kann
somit als das Vortragen oder das Rezitieren eines Textes verstanden werden (Schirrmacher 2003:109).
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4.2.1.1 Das Problem der Aufhebung einzelner Koranverse
Maurer (2008:61) erwähnt die wichtige Tatsache der „Abrogation“36, dass die islamische fiqh37 die
Praxis der Abrogation lehrt. Das heisst, dass früher offenbarte Koranverse durch die Offenbarung
späterer Verse aufgehoben werden. Bestätigt wird diese Praxis mit Sure 2, 107: „Welches Zeichen
wir auch aufheben oder dem Vergessen anheimgeben, wir bringen ein besseres dafür oder ein
gleichwertiges. Weisst du nicht, dass Allah die Macht hat, alles zu tun, was Er will?“ Eine wichtige
Änderung war die Veränderung der Gebetsrichtung (qibla) von Jerusalem nach Mekka (Sure 2, 143145). Zuerst beteten die Moslems in Richtung Jerusalem! Erst später änderte Mohammed die Gebetsrichtung nach Mekka. Das Problem wird nach Maurer weiter verschärft, dass in vielen Fällen sowohl
die abrogierten Verse (annullierten Verse = manshuk) als auch die Ersatzverse (ein Vers, der einen
anderen ersetzt = nasikh) im Koran stehen! In einigen Fällen ist nun unklar, welche manusk) und
welche nasikh sind. Beachtung findet Sure 9,6, welche besagt, dass dem Götzendiener Schutz gewährt werden soll. Doch dieser Vers wurde von 124 anderen Versen abrogiert. Die Doktrin der
Abrogation steht aber grundsätzlich im Gegensatz zur Tatsache, dass das Wort Allahs nicht verändert werden kann. Wie wir später sehen werden, kann die Abrogation eine wichtige Grundlage für
eine Neuausrichtung des Korans bilden.
4.2.1.2 Die satanischen Verse
Wie bereits erwähnt, waren al-Lat, al-Ussa und Manat die drei Göttinnen, welche die Menschen
rund um Mekka verehrten. Nach Maurer (2008:62ff) kam Mohammed infolge seines kompromisslosen Monotheismus in Schwierigkeiten, wollte er diese drei Göttinnen abschaffen. Deshalb sagte er,
dass diese drei Göttinnen Realität seien und die Fürbitten wirksam wären (in Sure 53,20.21 nachzulesen, welche vor der Hedschra empfangen wurde). Auf diese Botschaft Mohammeds reagierten die
Mekkaner mit Freuden und hörten auf, den Propheten zu verfolgen. Es wird nun berichtet, der Engel
Gabriel sei später dann zu Mohammed gekommen, um ihn zu tadeln, dass er die göttliche Schrift
verfälscht habe! In diesem Moment habe Allah die Sure 22, 53 (die Legitimation der Abrogation)
offenbart, in denen die drei Göttinnen herabgesetzt werden sollten. Mohammed sei von Satan mit
diesen Versen berieselt worden. Mohammed nahm seine Worte zurück, worauf die Verfolgung gegen ihn wieder einsetzte. Im Roman „die satanischen Verse“ beschreibt Salman Rushdie den Versuch Satans, Mohammed mit satanischen Versen zu beeinflussen. Der Roman war bei seiner Erscheinung in der muslimischen Welt äusserst umstritten, weil er angeblich gotteslästerliche Worte
enthält. Ayatollah Khomeini (Iran) erliess einen rechtlichen Urteilsspruch (fatwa)), die den Tod
Rushdies verlangte. Jedem Moslem auf der Welt war es nun erlaubt, Rushdie zu töten!
36
Abrogation heisst „ungültig machen, aufheben oder ablehnen“.
37
Fiqh (arab. Erkenntnis, Verstehen) ist die islamische Rechtswissenschaft (Gstrein 2008:11).
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4.2.2 Allah
Wichtig zu berücksichtigen ist, dass der Gott der Moslems (allah) wie er im Koran beschrieben ist
nichts mit dem Gott der Christen (Jahwe), wie er in der Bibel beschrieben wird, zu tun hat. Folgende
Erläuterung zum Begriff Allah entnehme ich aus dem kleinen Islamlexikon von Heinz Gstrein
(2008:6). Der islamische Name für Gott wird mit Allah bezeichnet. Übersetzt aus dem Arabischen
meint der Begriff „der Gott“. Im Arabischen sind dies die beiden Artikel al- und ilah! Mohammed
sah sich wie oben beschrieben in einem Mehrgötterglauben verstrickt, den er zunehmend ablehnte.
Der islamische Kampfruf „allahu akbar“ bedeutet nicht nur „Gott ist gross“, sondern „Gott ist der
Grössere“, grösser eben als alle anderen Götter. Für die Moslems ist Allah ein einziger Gott (absoluter Monotheismus). Er gibt sich nicht zu erkennen noch gibt er seine Geheimnisse preis. Allah
spricht nur durch Offenbarungen oder hinter einem Schleier zu den Menschen (Sure 42,50). Er bleibt
unnahbar und ausserhalb dieser für den Menschen geschaffene Welt. Alles wurde durch Allah erschaffen und ist immer seinem Willen unterworfen.
Laut Gstrein (:6) kennt der Islam von daher eigentlich keine Naturgesetze, wie es die klassische Physik lehrt. Ein Stein fällt nicht infolge der Schwerkraft, sondern weil Allah es will. Daraus folgt, dass
der Islam auch keine Mächte des Bösen wie Übel, Sünde oder Leid kennt, da Allah diese Dinge so
will. Das Verhältnis von Allah zu den Menschen ist wie das Verhältnis zwischen Herr und Sklave.
Alles ist direkt und stets dem Willen Allahs unterworfen. Von daher der Name „Islam“, was im Arabischen „Unterwerfung“ bedeutet (interessant in diesem Zusammenhang ist der Vergleich zu Mt 4,9
wo ebenfalls von „Unterwerfung“ die Rede ist!). Für den Moslem ist es deshalb undenkbar, in eine
persönliche Beziehung mit Allah treten zu können. Die Wahhabiten verfolgen sogar Moslems, die
die Lehre einer persönlichen Gottesbeziehung verbreiten.
Wenn Allah als Allerbarmer (arrahman ar rahim) bezeichnet wird, so meint dies nur den Aspekt als
Belohner der guten Taten, nicht aber als ein sich erbarmender Gott der sündigen, d.h. von Gott getrennten Menschen! Daraus ergibt sich, dass der Gott der Moslems (Allah) vom Inhalt her wie vom
Aspekt der Beziehung nicht mit dem Gott der Bibel (Jahwe) gleichgesetzt werden darf. Hierbei verweise ich auf die Schrift von Peter H. Uhlmann (Der dreieine Gott – die Grundlage jeglicher Beziehungsfähigkeit), der den Aspekt des dreieinen Gottes der Bibel untersucht hat.
4.2.3 Djihad
Zu den fünf Säulen des Islam (vgl. oben S. 5) wird oft noch eine sechste Säule hinzugefügt. Die Säule des Djihad. Der Begriff bedeutet gemäss Schirrmacher (2003:180) auf arabisch zunächst „Anstrengung“ oder „Bemühen“. Der Begriff meint ein „Bemühen, auf dem Weg Gottes zu bleiben“,
welcher zur Förderung und Ausbreitung des Islams dient. der Koran beschreibt den Begriff des Djihad wie folgt:
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„…tötet die Götzendiener, wo immer ihr sie auch findet, und ergreift sie
und belagert sie und lauert ihnen aus jedem Hinterhalt auf. Wenn sie jedoch
in Reue umkehren und das Gebet verrichten und die Steuer zahlen, lasst die
ihres Weges ziehen. Siehe, Allah ist verzeihend und barmherzig.“ (Sure
9,5)
Hier liegt der Schwerpunkt des Djihad in der gewaltsamen Ausdehnung des Islams. (Sure 9,5 wird
auch als Vers des Schwertes bezeichnet). Mohammed erhielt diese Verse in der medinensischen Zeit.
Zur Zeit Mekkas hingegen lag der Schwerpunkt des Djihad auf der friedlichen Überzeugung der
Andersgläubigen. Nach Gabriel (2005:51) waren die ersten Botschaften, welche Mohammed empfangen hatte, friedlich und freundlich, um Menschen anzuziehen. Doch wie wir bereits gesehen haben, änderten sich die Umstände. In Mekka traf Mohammed auf viel Widerstand, sodass er nach
Medina aufbrach. Dort veränderten sich seine Aussagen gegenüber den Menschen aus Mekka. Gabriel bestätigt, dass sechzig Prozent der Koranverse vom Djihad handeln, denn Mohammed erhielt
die meisten Offenbarungen nachdem er Mekka verlassen hatte. Hier entsteht oft ein Widerspruch.
Welche Verse sollen nun gelten? Die friedfertigen oder die gewaltbereiten Aussagen Mohammeds?
Islamische Gelehrte entschieden, dass in einem Fall von Widerspruch die neuere Offenbarung der
älteren vorzuziehen sei (Gabriel 2005:50). Dieses Prinzip der Aufhebung wird Naskh genannt, welches unter dem Kapitel 4.2.1.1 näher beschrieben wurde. Der Djihad wurde durch Mohammed zur
grundlegenden Triebkraft des Islam. Der Einzug Mohammeds in Mekka verstärkte den politischen
Anspruch des Islam stark. Der Islam wandelte sich von einer Religion hin in einer politischen Bewegung! Den Djihad finden wir im Koran als einen zwingenden Befehl an alle Muslime. Je mehr sich
ein Moslem dem Koran hingibt, desto grösser wird die Hingabe zum Djihad. Zur Zeit Mohammeds
wurde der Djihad vor allem gegen Juden und Christen wie auch gegen Menschen, welche Götzenkult
betrieben, praktiziert. Im Koran lässt sich folgende Sure betreffend den Andersgläubigen finden, die
als Sure des Schwertes genannt wird:
„…Nehmt euch daher keinen von ihnen zum Freund, ehe sie nicht auswandern auf Allahs Weg. Und wenn sie sich abkehren, dann ergreift sie und tötet sie, wo immer ihr sie auch findet; und nehmt euch keinen von ihnen zum
Freunde oder zum Helfer.“ (Sure 4,90)
Oder:
„Wenn ihr (in der Schlacht) auf die stosst, die ungläubig sind, trefft (ihre)
Nacken; und wenn ihr sie so überwältigt habt, dann schnürt die Bande fest.
Hernach dann entweder Gnade oder Lösegeld, bis der Krieg seine Waffen
niederlegt. Das ist so. Und hätte es Allah gewollt, er hätte sie selbst strafen
können, aber er wollte die einen von euch durch die anderen prüfen.“ (Sure
47,5)
Der Koran befiehlt den Muslimen mit äusserst starken und klaren Worten, Christen und Juden und
Nichtgläubige zur Bekehrung zu zwingen. Diese Tatsache wird in anderen Suren (Sure 4,89; 5,5257; 8,39;…) belegt. Mark A. Gabriel erwähnt als ehemaliger Imam und Dozent an der Al-Azhar Uni-
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versität in Kairo38 folgendes Ziel des Islam (:59): „Der Djihad wird geführt, um das letzte Ziel des
Islam zu erreichen – eine islamische Herrschaft über die ganze Welt!“ Dabei wird deutlich, dass der
Islam nicht nur Religion ist, sondern vor allem eine politische Ideologie darstellt. Staat und Religion
gehören im Islam zusammen und sind untrennbar, da der Koran lehrt, dass die einzige Autorität Allah ist. Daher müssen sich auch alle politischen Systeme dem Willen Allahs beugen. Als Erfolg gilt,
wenn eine Nation den Islam sowohl zu ihrer Religion als auch zu ihrer Staatsform erklärt. In einigen
Ländern wie in Saudi-Arabien (Wahhabismus), in Afghanistan (Taliban), Iran (Khommeini) und
Sudan (Hassan al Turabi) ist dies erreicht worden. Islamisten versuchen dies ebenfalls in Algerien,
Ägypten, Syrien, Türkei, Palästina, Libyen, Malaysia usw. zu erreichen! Doch nicht alle Muslime
verfolgen diesen fundamentalistischen Weg. Nach Gabriel (:60ff) gibt es drei verschiedene Arten
von Muslimen: Die säkularen, die traditionellen und die fundamentalistischen Muslime.
4.2.3.1 Die säkularen Muslime
Gabriel meint, dass dies die meisten Muslime sowohl im Westen wie im Orient betreffe, da diese
Gruppe an die angenehmen Aspekte des Islam glauben. Den Ruf zum „kleinen Djihad39“ lehnen sie
ab. Sie übernehmen die kulturellen Aspekte der Botschaft aus dem Koran, aber sie leben nicht vollständig danach. Sie vertreten einen Glauben, der – wenn überhaupt – nur auf den „grossen Djihad“
ausgerichtet ist.
4.2.3.2 Die traditionellen Muslime
Der erste Typ der traditionellen Ausrichtung studiert den Islam und kennt den Koran. Die Gedanken
des Djihad hingegen sind auch ihm fremd. Einige, wie der Sufismus,40 deuten den Djihad als eine
Art geistliche Auseinandersetzung. Zum zweiten Typ gehören diejenigen Gruppen, die um den Djihad wissen, aber sich Sorgen machen um ihre Familienangehörigen, falls sie sich einer fundamentalistischen Gruppe anschliessen oder sich einfach lieber ein schönes Leben auf Erden gönnen als für
den Glauben zu sterben.
38
Dieses bedeutendste islamische Studien- und Gelehrtenzentrum befindet sich heute in radikaler Hand, seit-
dem es sich den wahhabitischen Einflüssen aus Saudi-Arabien geöffnet hat. So sind die Studentinnen in der
Frauenfakultät regelrecht abgesondert (nach Gstrein 2008:5).
39
Kleiner Djihad: das Bemühen, den Islam weltweit zu propagieren und die Scharia in jedem Land einzufüh-
ren. Grosser Djihad: das von Koran und (Hadith) auferlegte innere Bemühen um persönliche Vervollkommnung (Maurer 2008:86).
40
Unter diesem Sammelbegriff wird die islamische Mystik verstanden. Diese hat sich als Gegenpol zum Islam
als eine Gesetzesreligion entwickelt, welche aus dem Inneren des Menschen entspringt. Der Sufismus wird von
der islamischen Orthodoxie (Lehre vom rechten Glauben) strikt abgelehnt (Gstrein 2008:24).
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4.2.3.3 Die fundamentalistischen Muslime
Diese Gruppe steht stellvertretend für die terroristischen Akte rund um den Erdball. Sie praktizieren
einen entschiedenen und hingebenden Islam, so wie es Mohammed getan hat. Charakteristisch für
diese Gruppe sind äussere Kennzeichen wie lange Bärte oder Kopfbedeckungen. Sie praktizieren
nach Gabriel den wahren Islam, welcher zum Ziel hat, die ganze Welt zu beherrschen!
Zugleich muss auf die oft ignorierte Tatsache hingewiesen werden, dass Lügen und Verleugnungen
ebenfalls zu erlaubten Mitteln des Djihad gehören. Für das westliche Denken kann diese Tatsache
schwierig zu akzeptieren sein (Erkennbar am Beispiel der Geisel-Affäre zwischen Libyen und der
Schweiz). Muslime glauben, dass Krieg auch Täuschung ist. Deshalb ist Lügen nach Gabriel ein
wichtiges Mittel für den Djihad – für den Heiligen Krieg eben. Diese Tatsache bestätigt ebenfalls
Maurer (2008:90), wenn er beschreibt, dass es für islamische Gemeinschaften möglich ist, gewisse
Tatsachen zu „verschleiern“, wenn sie der Ausbreitung des Islam dienen. Diese Taktik wird taqiyya
genannt.
Eine weitere Problematik stellen die Moscheen dar, in welchen die radikalen Muslime mit der Lehre
des wahren Islam ausgebildet werden. Das heisst, dass die Moscheen nicht nur für religiöse Zwecke
benutzt werden, sondern für politische Zwecke eingesetzt werden.
4.2.4 Haus des Friedens, Haus des Krieges
Wie wir gesehen haben, stellt der Djihad das eigentliche Mittel zur Ausbreitung des Islam dar. Als
Folge seines totalitären Anspruches unterscheidet der Islam zwei Bereiche auf der Welt. Zum einen
ist dies das Haus des Friedens (dar al-Islam) zum anderen das Haus des Krieges (dar al-Harb). Der
Islam strebt eine globale politische Ordnung an, in der alle Menschen entweder als Gläubige oder als
Untertanengemeinschaft (dhimmis) unter der Herrschaft des Islam leben. Um dieses Ziel zu erreichen
ist es nach Karsh (2007:98) die Pflicht jedes Muslims, einen bedingungslosen Kampf zur Erreichung
dieses Ziels zu führen. Das bedeutet, dass das Haus des Krieges alle Länder, die noch nicht vom
Islam erobert wurden, zu einem permanenten Platz der Auseinandersetzung machen. Diese Auseinandersetzung findet nur mit dem Triumpf des Islam ein Ende. Bis dahin kann es keinen Frieden geben zwischen den beiden Systemen.
Friede im Sinne des Islam bedeutet, dass Friede herrschen wird, wenn alle Länder vom Islam beherrscht werden. Dort, wo der Islam installiert ist, existiert „Friede“, da neben dem Islam weder andere Religionen noch westliche Demokratien geduldet werden. Das Verständnis von Frieden im islamischen Kontext hat eine andere Bedeutung als unser westliches Verständnis von Frieden im Sinne
eines respektvollen Nebeneinaders. Dieser dauernde Kriegszustand zwischen den beiden Häusern
braucht nicht eigens ausgerufen zu werden. Er existiert einfach. Doch aus praktischen Gründen wurde nach Gstrein (2008:9) ein Haus des Waffenstillstandes (dar al-Sulh) eingeführt. Dies bedeutet,
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dass alle Friedensverträge zwischen islamischen Staaten und nichtmoslemischen Staaten nur befristete Einstellungen der Kampfhandlungen bedeuten.
4.2.5 Dhimmitude 41
Gemäss der Djihaddoktrin hat die nichtmuslimische Bevölkerung unter islamischer Herrschaft drei
Möglichkeiten: Entweder sie konvertieren zum Islam und werden in die Moslemgemeinschaft (umma) aufgenommen oder falls sie den eigenen Glauben (nur die Schriftbesitzer d.h. Juden und Christen) behalten wollen, werden sie fortan als Bürger zweiter Klasse angesehen. Diese Art von Menschen bezeichnen die Moslems nun als „Schutzbürger“, was im arabischen als (dhimmi) bezeichnet
wird (Gstrein 2008:10). Die (dhimmis) müssen den moslemischen Machthabern nun die Kopfsteuer
(dschizya) und die Grundsteuer (charadsch) bezahlen. Werden beide Varianten ausgeschlagen – die
Konversion oder die Bezahlung der (dschizya) – so werden sie mit Krieg, Versklavung oder Tod
konfrontiert. Heiden (nicht einer Buchreligion angehörend) haben nur die Wahl zwischen der Annahme des Islam oder dem Tod! Nebst den Sondersteuern wurden den christlichen oder jüdischen
Schutzbefohlenen weitere Ordnungen auferlegt.
Gstrein erwähnt, dass ab dem 9. Jh. der islamische Rechtsgelehrte Mawerdi den Schutzbefohlenen42
sechs notwendige und sechs wünschenswerte Verpflichtungen auferlegt hat. Die sechs notwendigen
Verbote lauten: a) Lästerung Mohammeds, b) Respektlosigkeit gegenüber dem Islam, c) Berührung
oder Ehe mit einer islamischen Frau, d) Bekehrung von Moslems, e) Schädigung von Moslems an
Leben und Gut, f) Feindseligkeit gegenüber einem islamische Staat. Bei Vergehen dieser sechs Gebote steht die Todesstrafe!
Mit Züchtigung oder Verstümmelung werden folgende sechs Gebote geahndet: a) Tragen eines Juden- oder Christenzeichen, b) keine höheren Häuser als die der Moslems zu bauen, c) kein Glockengeläut, kein sichtbares Anbringen von Kreuzen, kein lautes Vorlesen oder Predigen von Bibelstellen,
d) kein Trinken von Alkohol in der Öffentlichkeit und kein Essen, Kochen oder Herzeigen von
Schweinefleisch, e) keine laute Trauer beim Begraben von Toten, f) kein Reiten von Pferden, nur
von Eseln oder Maultieren. Eine interessante Begebenheit erwähnt Ye’or (2005:133) bezüglich der
wirtschaftlichen Rolle der (dhimmis). Die wirtschaftliche Rolle dieser Nichtmuslime war seit Beginn
41
Darunter versteht man die sozialen Beziehungen zwischen Muslimen und Nichtmuslimen unter den Prämis-
sen der (Dhimma), des von der Scharia vorgeschriebenen „Schutzvertrages“. Diese Verhältnisse sind laut Bat
Ye'or durch die systematische Diskriminierung der Ungläubigen oder Nichtmuslime (Kuffar) geprägt.
42
Der Begriff „Schutzbefohlene“ (dhimmi) ist beschönigend, da Schutzbefohlene nach Ye’or (2005:82) bei der
Bezahlung ihrer Steuer oft gedemütigt und geschlagen wurden. Die beiden Worte (dhimma) „Schutzvertrag“
und (dhimmi) „Schutzbefohlener“ sind nach Uhlmann (2008:15) mit dem arab. (dhamma) „tadeln“ verwandt.
Dies macht deutlich, dass es sich bei (dhimmis) um Personen geringerer Klasse handelt.
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weg ein entscheidender Faktor zu Ausbreitung des Islams. Ursprung und Legitimation der Tributforderung gründeten auf folgender Sure:
„Kämpfet wider diejenigen aus dem Volk der Schrift, die nicht an Allah
und an den jüngsten Tag glauben und die nicht als unerlaubt erachten, was
Allah und sein Gesandter als unerlaubt erklärt haben, und die nicht dem
wahren Bekenntnis folgen, bis sie aus freien Stücken den Tribut entrichten
und ihre Unterwerfung anerkennen“. (Sure 9,29)
Dieser Tribut war die erste und wichtigste Einnahmequelle der (umma). Dieser enthob sie der damals
bestehenden Armut. Die Steuern, welche die Machthaber in Form von Geld, Naturalien oder Arbeit
einforderten, wurden in die Kriegs- und Eroberungsmaschinerie investiert. Die Schutzgeldforderung
gegen die (dhimmis) war ein wichtiger Teil des Vertrages. Über die Jahrhunderte hinweg wurden
diese Schutzgelder in vielfältiger Form aufrecht erhalten. Zwischen dem 7. und dem 19. Jahrhundert
wurde in islamischen Ländern tributpflichtigen Menschen das Schutzgeld abverlangt. Gegen Ende
dieser Praktiken oftmals ohne Wissen des Staates.
4.2.6 Die Scharia
Mit Scharia43 (arab.: schari’a) bezeichnet man das Gesetz für die weltweite Moslemgemeinschaft
(umma). Sie ordnet nach Gstrein (2008:22) das soziale, politische und kulturelle Leben eines Moslems von der Geburt an bis zum Tod. Eine Unterscheidung zwischen religiösen und weltlichen Gesetzen ist der Scharia wie überhaupt dem ganzen Islam fremd. Die daraus resultierende Staatsreligion
funktioniert als ein intolerantes Gebilde, das andere Glaubensrichtungen nicht zulässt (auch im Christentum stellt man solche Systeme fest wie zum Beispiel im römischen Katholizismus oder den orthodoxen Kirchen). In Europa wurde die Glaubens- und Gewissensfreiheit erst möglich, als die
Trennung von Kirche und Staat realisiert wurde. Maurits Berger bezeichnet die Scharia zutreffend
als: „…ein Regelwerk für alles, was sich im Leben eines Menschen ereignen kann, für all sein Verhalten und seine gesamte Lebensweise. Sie beschäftigt sich gleichermassen mit dem richtigen Verhalten im Badezimmer wie auf dem Schlachtfeld, auf dem Markt wie in der Moschee.“ (Christine
Schirrmacher zitiert nach Berger 1999:114).
Die Scharia geht auf den Gründer des Islam, Mohammed, zurück. Er war zeitlebens auch ein Verkünder ethischer Werte und brachte zum Teil echte Erneuerung zum altarabischen Gewohnheitsrecht. Die Scharia ist ein Regelwerk, das auf mehreren Quellen basiert, die interpretierbar sind und
nirgends je in einem einzigen Werk zusammengefasst wurde! Konkret basiert die Scharia nach
Schirrmacher (2009:20) aus drei Quellen: dem Koran, den Überlieferungen (hadith)44 sowie aus den
anerkannten Auslegungen von frühislamischen Juristen. Hauptinhalte der Scharia sind das Ehe- und
Familienrecht sowie das Strafrecht.
43
Vom arab. (schari’a) = „Weg zur Tränke“ oder „Wasserstelle“ (Schirrmacher 2003:277).
44
Vom arab. (hadith) = „Überlieferung, Tradition, Bericht“.
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Der Koran bildet die erste Quelle der Scharia. Obwohl der Koran selber zu einigen Themen wie dem
Vermögensrecht nur spärlich Auskunft gibt, lassen sich doch wenige aber wichtige Punkte beispielsweise aus dem Eherecht ableiten.
Die zweite Quelle stellen die Überlieferungen (hadith) dar. Sie entstanden aus Berichten und Erzählungen von und über Mohammed, von seiner Familie und von seinen Prophetengefährten. Nebst
diesen Angaben enthalten die Überlieferungen nach Schirrmacher (:21) detaillierte Anweisungen zur
Religionsausübung und zu Rechtsfragen. Diese beinhalten nach Maurer (2008:67) wichtige Regelungen in Glaubensfragen (Gebet, Wallfahrt, Fasten,…), im Familienleben, in wirtschaftlichen Angelegenheiten und in der Körperpflege.
Ein weiterer Aspekt bilden die Gewohnheiten (sunna)45, welche Mohammed ausübte. Die gläubigen
Moslems sind betreffend der (sunna) nur aufgefordert, ihr zu folgen, während dem die Einhaltung
der (hadith) unbedingte Pflicht ist. Eine weitere Quelle der Scharia bezieht sich auf anerkannte Auslegungen von Juristen aus der frühislamischen Zeit. Nach Schirrmacher (2003:21) wird ash-Shafi’i
als Begründer der islamischen Rechtswissenschaft bezeichnet. Er sagt, dass der Koran durch die
Überlieferungen ausgelegt werde. Erst durch die Auslegung islamischer Theologen werden Koran
und die Überlieferungen konkret fassbar und anwendbar. Zu bemerken ist, dass während einem Zeitraum von ca. 150 Jahren nach dem Tod von Mohammed keine eigentliche islamische Rechtslehre
existierte.
4.2.6.1 Die vier Rechtsschulen der Sunniten
Wie sollten Muslime für Probleme eine Entscheidung fällen können, wenn weder der Koran noch
eine Überlieferung dazu Auskunft gaben? Es entwickelten sich im sunnitischen Raum vier verschiedene Rechtsschulen (Auslegungstraditionen), welche sich grundsätzlich nach den vier Rechtsgelehrten etablierten. Maurer (2008:75) erwähnt die Hanafiten (Türkei, Balkan, Zentralasien, China, Indien
und Ägypten), die Hanbaliten (Arabien), die Schafiten (Indonesien, Malaysia, in Teilen Ägyptens,
Ostafrika, Jemen, Indien) und die Malakiten (Nordafrika, Westafrika). Die schiitisch geprägte JaferiSchule kommt vorwiegend im Iran, Irak, Libanon, Bahrain, Pakistan und Teilen Afghanistans vor.
Dies hat Auswirkungen bis heute. Es gibt keine einheitliche Scharia, die den ganzen Islam repräsentiert. Die Scharia ist also nach Schirrmacher kein allgemeingültig festgelegtes Recht. Sie kam in
keiner Zeit und an keinem Ort vollständig zur Anwendung. Heute kommt in vielen islamisch geprägten Ländern die Scharia verschärft oder nur moderat zur Anwendung.
45
Vom arab. (sunna) = „Gewohnheit, Brauch, Handlungsweise“. Bezeichnet die Summe der überlieferten
Handlungen Mohammeds während seines 23 Jahre dauernden Dienstes und stellt das umfassendste Material
für die islamische Rechtswissenschaft dar. Die Sunna wird in Hadithen (Erzählungen aus dem Leben Mohammeds) überliefert (Gstrein 2008:24).
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4.2.6.2 Das Ehe- und Familienrecht
Das Ehe- und Familienrecht bildet das Kernstück der Scharia. In diesem werden die Rechte der
Männer und Frauen bestimmt. Wir haben es hier mit einem ausgeprägten Patriarchalsystem zu tun
d.h. der Mann hat ein weitgehendes Verfügungsrecht über die Frau und die Kinder. Schirrmacher
(2003:41) zeigt auf, dass in den Bereichen Zeugenrecht, Züchtigungsrecht, Scheidungsrecht, Kindschaftssorgerecht, Erbrecht, der Polygamie, der Familienehre und bei der Heirat die Männer deutlich
bevorteilt sind. Islamische Frauenbewegungen fordern vermehrt Rechte ein und konnten bis heute
vereinzelt auch Erfolge erzielen. Aber solange das Familien- und Eherecht auf dem Fundament der
Scharia basiert, wird es in keinem islamischen Staat zu Frauenrechten kommen, die eine Gleichbehandlung vorsehen.
4.2.6.3 Das Strafrecht
Das Strafrecht bildet die zweite grosse Säule der Scharia. In diesem Bereich der Rechtsprechung
stellt man die grösste Differenz zur westlichen Menschenrechtsgesetzgebung fest! Das islamische
Strafrecht wird in eine Dreiteilung gegliedert: Es sind dies die Bereiche Grenz-, Wiedervergeltungsund Ermessensvergehen (Schirrmacher 2008:50ff).
Bei Grenzvergehen handelt es sich um Vergehen, die der Koran oder die Überlieferungen als Kapitalverbrechen definieren. Das Strafmass ist dementsprechend hoch und kann bis zur Todesstrafe
gehen. Grenzvergehen (Ehebruch, Verleumdung wegen Unzucht, schwerer Diebstahl, Raubmord und
Genuss von Wein) verstossen nicht gegen menschliches Recht, sondern gegen das Recht Allahs.
Die zweite Kategorie sind Verbrechen, die mit einer Wiedervergeltung zu tun haben. Beispielsweise
wird Vergeltung mit Mord oder Todschlag an anderen Menschen verübt. Solche Vergehen fallen
eigenartigerweise nicht unter die Verletzung von „Recht Allahs“, sondern unter menschliches Recht.
Die restlichen Verbrechen gelten als Ermessensvergehen, d.h. je nach Tat wird nach dem Ermessen
des Richters entschieden. Das islamische Strafrecht wird also durch mehrere Besonderheiten gekennzeichnet: Zum einen durch immens harte Strafen wie Todesstrafe, Auspeitschen, Amputationen,
Kreuzigungen, Steinigungen für Kapitalverbrechen. Hinzu kommt, dass auf Grund der Scharia eine
besondere Beweislage erforderlich ist. Aus Mangel an Beweisen oder an fehlenden Zeugen kommt
die Scharia oftmals gar nicht zur Anwendung.
Nach Auffassung muslimischer Apologeten46 sei das islamische Strafrecht viel wirkungsvoller als
das Strafrecht westlicher Länder, das vorwiegend Gefängnisstrafen verhängt. Die körperlichen
Strafmasse seien zur Abschreckung weitaus effektiver. Zudem falle ein Straftäter, der hingerichtet
wird, der Gesellschaft nicht zur finanziellen Last.
46
Ein Apologet (von gr. απολογηστής: Verteidiger, απολογία: Verteidigungsrede) ist eine Person, die die eige-
ne Religion als vernünftige Religion aufzeigt und gegen Angriffe anderer Religionen und Philosophien verteidigt.
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4.2.7 Menschenrechte im Islam
Das Thema der Menschenrechte wird auch in islamischen Ländern stark diskutiert. Es ist nicht so,
dass der Islam Menschenrechte nicht kennt. Doch werden die westlichen Menschenrechte47 von den
radikalen Moslems abgelehnt. Islamische Menschenrechte existieren, wohl aber mit einem anderen
Inhalt. Islamische Menschenrechtserklärungen stellen den Koran und die Scharia über die von den
Vereinten Nationen (damalige UNO) verabschiedete „Allgemeine Menschenrechtserklärung“
(AEMR) von 1948! Das Gesetz Allahs bleibt in allen islamischen Staaten die oberste und unangetastete Priorität ausser in der Türkei48. Bemerkenswert ist, dass alle islamischen Staaten die UN Menschenrechtserklärung unter Berücksichtigung der Unterordnung zur Scharia unterzeichnen konnten
mit Ausnahme von Saudi-Arabien. Die Saudis unterzeichneten die Erklärung nicht, da in ihr die freie
Ausübung der Religion unter Artikel 18 enthalten ist, was in den Augen der Saudis als Kreuzzugpropaganda gesehen wird (Schirrmacher 2003:104). Ein weiterer Konflikt entstand rund um die Thematik der Gleichstellung der Frau. Der AEMR liegt die Überzeugung zugrunde, dass der Mensch souverän (selbstbestimmend) ist – auch gegenüber seiner Beziehung zu Gott. Muslimische Rechtsgelehrte sind dagegen der Auffassung, dass „wahre“ Menschenrechte nur von Gott vergeben werden
können, weil er der Schöpfer sei. Diese Menschenrechte seien nach Khoury et.al (2006:420) nur
unter dem Islam zu realisieren. Im Übrigen lehnen viele muslimische Sprecher die AEMR als wichtiges Instrument zur Unterdrückung des Islams ab. Hingegen verweisen vermittelnde Positionen auf
die Tatsache hin, dass es den westlichen Vorstellungen von Menschenrechten wie den islamischen
Sichtweisen darum gehe, Gerechtigkeit und Schutz des Menschen zu garantieren. (Die Frage bleibt
dann nur, in welcher Weise dies geschehen würde?)
1981wurde vom Islamrat für Europa die allgemeine islamische Menschenrechtserklärung (AIME)
verabschiedet. Ein grundlegender Unterschied besteht darin, dass im Zweifelsfall nach den Regeln
des islamischen Rechtes gehandelt werden muss.
1990 wurde von der „Organisation der islamischen Konferenz“ die Kairoer Erklärung der Menschenrechte verabschiedet (vgl. Anhang A2). Sie ist repräsentativer als die AIME. So heisst es etwa in
Artikel 25: „Die Scharia ist die einzige zuständige Quelle für die Auslegung oder Erklärung jedes
einzelnen Artikels dieser Deklaration“. Nach Heine betont die Kairoer Erklärung demzufolge die
historische Rolle der islamischen umma, die von Allah geschaffen wurde. Die islamischen Gelehrten
sind sich einig, dass in erster Linie Allah gegenüber dem Menschen Rechte hat, jedoch der Mensch
47
Der Begriff der Menschenrechte ist eng verbunden mit dem Humanismus und dem Zeitalter der Aufklärung.
Die Menschenrechte wurden durch Aufklärungsphilosophen im Westen definiert. Die daraus entstandenen
westlichen Menschenrechte können von der islamischen Gemeinschaft (umma) traditionell nicht anerkannt
werden.
48
Eine Ausnahme bildet die Türkei, welche die Scharia als Grundlage der türkischen Staatsverfassung unter
Atatürk abgeschafft hat.
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gegenüber Allah nur Pflichten nachzukommen hat. Konkret existiert im Islam keine Menschenrechtsgesetze wie wir es nach unserem westlichen Verständnis her kennen. Im Kontext der Menschenrechte spielt der Begriff „Freiheit“ zudem eine wichtige Rolle.
4.2.8 Freiheit im Islam
Der Begriff „Freiheit“ wird im Islam als Qualität von gesellschaftlich-sozialer Freiheit verstanden.
Da der Islam von Beginn an einen starken Monotheismus kennt und seit je her keine Trennung von
Religion und Staat besteht, ist der Begriff der Freiheit im Sinne von einer Glaubens-, Gewissens- und
Kultusfreiheit den Muslimen fremd. Für uns säkularisierte „Westler“, die geprägt sind von Aufklärung sowie Trennung von Staat und Religion, ist es schwer nachzuvollziehen, dass in einem muslimischen Land das gesamte private und öffentliche Leben vom Islam geprägt ist. Schon die Wortbedeutung „Islam“ hat nicht viel mit gesellschaftlicher Freiheit zu tun. Aus den vorangegangenen Erläuterungen ist ebenfalls ersichtlich, dass die Begriffe Freiheit und Djihad im Sinne eines Nebeneinaders nicht vereinbar sind. Gerade in der Doktrin des Djihad wird deutlich, wie stark die Rechte der
Moslems die Freiheit von religiösen Minderheiten einschränkt. Im alten Persien, Syrien, Ägypten
usw. waren die Juden und Christen in der Mehrheit. Erst nach und nach wurden sie niedergerungen,
so dass sie heute zu Minderheiten geworden sind.
Festzustellen ist, dass dem Begriff „Freiheit“ aus muslimischer Sicht eine tragende und wichtige
Rolle zukommt, wie dieser Begriff in Zukunft gefüllt wird. Möglichkeiten einer neuen Begriffsdefinition bestehen. Auch sind Voraussetzungen in nicht islamischen Ländern wie beispielsweise der
Schweiz gegeben, die z.T. eine Trennung von Religion und Staat kennen, damit muslimische Organisationen zu einer neuen Interpretation vom Begriff „Freiheit“ gelangen können. Doch bis anhin
fehlt diesem Begriff, wie er im Sinne der westlichen Kultur verstanden wird, ein Pendant zur muslimischen Auffassung. Freiheit aus muslimischer Sicht existiert nur innerhalb der Lehre des Islam und
somit innerhalb der Allmacht Allahs. Zu erwähnen ist aber auch, dass unser westlicher Missbrauch
der Freiheit von politischen und staatlichen Machthabern eine Ablehnung in muslimischen Kreisen
hervorgerufen hat. Beispiele gibt es aus jüngster Zeit betreffend unserer freien Marktwirtschaft genügend, die muslimischen Verantwortungsträgern ihre Sichtweise von Freiheit gestärkt haben. Dies
zum Leidwesen einer möglichen Annäherung zwischen dem Islam und dem Westen.
Die Ausführungen zur Entstehung und Ausbreitung des Islam dienen nun als Grundlage dafür, mit
welcher Haltung und mit welcher Sichtweise das westgotische Spanien zu kämpfen hatte, als die
Muslime um 710 vor der iberischen Halbinsel standen, um ihrem unermüdlichen Expansionsdrang in
christliche Länder Europas einzudringen.
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5 DIE ISLAMISIERUNG SPANIENS (711 – 1031)
Um die erfolgreiche Eroberungswelle der Araber und Berber auf der iberischen Halbinsel besser
verstehen zu können, bedingt es, einen Blick auf die damalige Situation zu werfen. Bevor die Araber
unter Tarik 710 das erste Mal die Meeresenge zum heutigen Gibraltar überquerten, regierten die
Westgoten auf der Halbinsel. Welche Situation aber präsentierte sich den Eroberern im Westgotenreich?
5.1 Das Westgotenreich in Spanien (507-711)
Inmitten der grossen Völkerwanderung Europas (400-599) zu Beginn des Frühmittelalters brechen
die Westgoten (dtv Atlas 2006:117) aus dem heutigen Polen nach Süden auf und besetzen grosse
Teile Spaniens und den ganzen Südwesten Frankreichs. Hauptgrund für die damalige Wanderung
war eine dramatische Klimaverschlechterung und die daraus resultierenden Hungersnöte. Nachdem
das westgotische Heer Alarichs in Vouillé bei Poitiers 507 den fränkischen Truppen Chlodwigs unterlag, verschoben sich die Zentren des westgotischen Einflusses mehr und mehr nach Südgallien, in
die Narbonnensis und auf die iberische Halbinsel. Herbers (2003:38) präzisiert, dass sich der
Schwerpunkt der Herrschaft erst ab 569 nach Innerspanien verschoben hatte. Die Zeit zwischen 507
und 569 bildet demnach eine eigenständige Phase der Errichtung der westgotischen Herrschaft. Zudem zerfiel das Suevenreich im Nordwesten Spaniens, was weiter zur Konsolidierung des Westgotenreiches beitrug. Zudem wurde mit einer neuen Gesetzgebung das bisher bestehende Eheverbot
zwischen Goten und Römern aufgehoben. Um das Westgotenreich weiter innerlich zu stärken und
vor dem Zugriff der Franken im Norden und den Byzantinern im Osten besser zu schützen, trat König Rekkared I. (586-601) von der Arianischen Kirche49 zum Katholizismus über. Er versprach sich
den entsprechenden Schutz Roms. Das dritte Konzil von Toledo (589) erklärte den katholischen
Glauben nun zum einzigen Bekenntnis des Westgotenreiches. Zu den Konzilsbeschlüssen (Herbers:48) gehörten leider auch Massnahmen gegen die Juden. Ihnen wurde unter anderem verboten,
christliche Frauen zu heiraten oder christliche Konkubinen zu haben. Auch Kinder aus solchen bereits bestehenden Verbindungen mussten getauft werden. Das vierte Konzil von Toledo (633) leitete
Isidor von Sevilla, eine herausragende Persönlichkeit der damaligen Zeit. Wichtige kirchenpolitische
49
Arianische Kirche: Begründet durch den Priester Arius (ca. 260-336) in Alexandrien. Arius soll gelehrt ha-
ben, dass der Sohn Gottes das erste und höchste Geschöpf sei, welches der Vater aus dem Nichts erschaffen
habe. Demnach sei Christus dem Vater im Wesen nur ähnlich (gr. homoiousios), aber nicht gleich (gr. homoousios)! Über den Arianern wurde der Bannfluch auf dem Konzil von Nizäa 325 durch die katholische Kirche
verhängt.
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Weichenstellungen waren Bestimmungen zur Judenfrage und zur Wahlmonarchie50. Zu den wichtigsten Beschlüssen des Konzils gehörten nach Herbers (:49) konkret die Festigung der Einheit von
Kirche und Staat und die Bestimmung, dass der Bischofsring neben Mitra und Stab zu den Insignien
des Bischofs gehört. Das Konzil missbilligte zudem die von König Sisebut (612-621) angeordneten
Zwangstaufen der Juden, erklärte sie aber für kirchenrechtlich gültig. Den Juden, die bereits zwangsgetauft waren, verbot man, zu ihrem angestammten Glauben zurückzukehren. Weiter finden die Bücher von Isidor von Sevilla grosse Beachtung. Er schrieb wichtige Werke zu naturwissenschaftlichen, grammatischen, historischen und theologischen Themen, die nach Herbers (:49) als Bindeglied
von Antike zum Mittelalter angesehen werden können. Isidor beschrieb bildhaft, wie sehr sich das
westgotische Bewusstsein entwickelte, indem er die Goten mit dem auserwählten Volk Israels verglich, die bereits damals ins verheissene Land Kanaan einzogen. Zudem gingen nach ihm die römische Tradition und Gotenherrschaft eine harmonische Verschmelzung ein, die er in seinem Buch (De
origiene Gothorum) beschrieb und empor stilisierte.
5.1.1 Die Gesellschaft
Die Romanisierung der Westgoten ging nach Herbers (:42) sehr rasch vor sich. Am Beispiel der
Sprachentwicklung zeigt sich, wie schnell dieser Romanisierungsprozess von sich ging. Im Westgotenreich lebten zahlreiche ethnische Gruppen wie Iberer, Basken, Sappi und andere Völker nebeneinander, doch dominierten die Hispanoromanen und die zahlenmässig kleinere Bevölkerung der
Westgoten die Führungsschichten. Infolge einer gemeinsamen Religion, durch rechtliche Angleichungen und weitere günstige Rahmenbedingungen konnte die Einheit des Westgotenreiches gefördert werden. Doch seit Beginn des 7. Jahrhunderts deuten wichtige Bezeichnungen aus Quellentexten wie potentiores und humiliores auf einsetzende soziale Abstufungen hin (Herbers 2006:58). Mit
potentiores werden Mitglieder des alten senatorischen oder des gotischen Adels bezeichnet. Humiliores sind Menschen niedrigeren Ranges, meist in der Stellung von einfachen Freien. Wichtiger als
eine Erbfolge war die Ausübung bestimmter Ämter oder der materielle Reichtum. Die potentiores
gehörten zu den grossen Landbesitzern. Zunehmend verstärkte sich die Abhängigkeit der Landbevölkerung von den Landbesitzern. In der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts ist eine allgemeine Verschärfung der sozialen Probleme festzustellen. Der Begriff präfeudal51 charakterisiert treffend die
damalige soziale Struktur in der zweiten Hälfte des 7. Jh. Die Könige umgaben sich mit Getreuen
(fideles), die Gefolgschaft oder Dienste leisten mussten. Interessant ist, dass sich diese frühfeudalen
50
Wahlmonarchie bezeichnet eine Monarchie, deren Herrscher nicht durch Erbfolge, sondern durch eine Wahl
bestimmt werden. (http://de.wikipedia.org/wiki/Wahlmonarchie)
51
Feudal (lat. feudum = lehen) bedeutet wörtlich das Lehen betreffend oder verallgemeinernd aristokratisch.
(http://de.wikipedia.org/wiki/Feudal)
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Strukturen weiter festigten als die Regierungsschicht in Krisen geriet und weiterhin schwächer wurde.
5.1.2 Wirtschaft und Handel
Das Finanzwesen war immer noch nach römischem Vorbild der Spätantike aufgebaut, wonach die
Bischöfe die Abgaben kontrollieren mussten. Nicht zuletzt wegen diesen Einnahmen gelangten nach
Herbers (:54) die westgotischen Könige zu Reichtum. Das durch Saus und Braus gekennzeichnete
Leben zeigte sich unter anderem darin, dass zuweilen fränkische Könige und Königssöhne westgotische Prinzessinnen wegen der entsprechenden Aussteuer geheiratet haben. Folgt man den Ausführungen Kettermanns (2001:61ff), existierte im damaligen Westgotenreich eine hochentwickelte
Wirtschaft. Rohstoffe (Antimon, Schwefel, Ocker, Marmor, Salz, Quarzsand, Edelsteine) und Bodenschätze (Gold, Silber, Kupfer, Eisen, Blei, Zinn) waren reichlich vorhanden. Das Gewerbe mit
Glas, Papier und Keramik florierte. Beliebt waren zudem Textilprodukte wie Teppiche und Roben
oder auch Lederwaren aus Cordoba. Zu Weltberühmtheit gelangten die Klingen aus Cordoba und
Toledo, die aus dem Damaszener Stahl gefertigt wurden. Eine wichtige Grundlage für die hochentwickelte Wirtschaft war die differenzierte Infrastruktur. Handelswege, besonders Land- und Flusswege, waren gut und engmaschig ausgebaut. Zahlreiche gute Häfen bildeten Dreh- und Angelpunkt
wichtiger Absatzmärkte. Die Landwirtschaft brachte ein reichhaltiges Angebot hervor. Für Schafund Ziegenhaltung bot die topographische Begebenheit ideale Voraussetzung. Zudem begünstigten
die klimatischen Bedingungen das Wachstum der eingeführten Kultur- und Nutzpflanzen. Getreide,
wie Weizen und Roggen, war sehr gefragt. Zentren wie Malaga und Valencia arbeiteten mit Zuckerrohr, das zu einem wichtigen Exportprodukt avancierte. Nebst den Klöstern waren die Landbesitzer
die treibenden Kräfte der Wirtschaft. Zudem wurde das Geld weiterhin nach römischem System gehandhabt. Wie Herbers (2006:57) bemerkt, wurden zeitweise sogar Goldmünzen geschlagen, welche
auch den Namen damaliger Herrscher trugen. Die Münzstätten lagen im Norden. Das geprägte Geld
diente vorrangig zur Entlöhnung des Heeres.
5.1.3 Kirchlich-religiöse Strukturen
Nachdem der Übertritt zum Katholizismus nach dem 3. Konzil von Toledo (589) vollzogen wurde,
entwickelte sich die kirchliche Struktur mehr und mehr zu einer Landes- resp. Staatskirche. Die Einteilung in Bistümer orientierte sich wie Herbers ausführt(:54) an den Strukturen der vorausgehenden
spätantiken Provinzen. Zum wichtigsten Ort wurde Toledo, weil sich dort der Königshof befand. Im
Zentrum der iberischen Halbinsel fanden im 7. Jh. fast alle Konzile statt. Der Metropolit52 von Toledo erlangte eine patriarchatsähnliche Stellung, so dass Herbers gar einen Vergleich mit der byzanti-
52
Das Amt eines Metropoliten bezeichnet seit dem frühen Christentum einen Oberbischof, der einem Verbund
von Bistümern vorstand und seinen Sitz in einer Provinzhauptstadt (Metropolis) hatte.
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nischen Herrschaft anstellt. Das Mönchstum erlebte auf der Halbinsel seit dem 6. Jh. einen breiten
Aufschwung. Klostergründungen fanden vermehrt statt, wie beispielsweise das von Martin von Braga gegründete Kloster Dumio bei Braga. Das benediktinische Mönchstum war zwar teilweise bekannt, doch setzte sich das Regelwerk von Fructuosus von Braga (gest. 665) oder das von Isidor von
Sevilla für den monastischen Lebensstil von Spanien durch. Martin gilt als Apostel der Sueven, die
er vom arianischen Glauben zum Katholizismus bekehrte.
5.1.4 Herrschaftliche Institutionen
Das Westgotenreich zeichnete sich wie oben bereits erwähnt durch eine Wahlmonarchie aus. Man
lehnte sich an die römisch-kaiserliche Tradition an und liess vom Volk die Thronfolge bestimmen.
Vor allem aber waren an der Wahl nach Herbers (2006:59) und nach Dietrich (1971:48) der Adel
und der Klerus beteiligt. Demgegenüber versuchten die Könige immer wieder ihre eigenen Nachkommen als Thronfolger einzusetzen, was sich in verschiedenen Aufständen und Konflikten äusserte. Königsmorde53 waren im Westgotenreich häufige Tatsache. Gründe hierfür sieht Dietrich (:49ff)
in Blutrache, in Unzucht einzelner Könige mit Frauen oder in der Unfähigkeit der Regenten. Prägend
für die Spätzeit des Westgotenreiches wurden zudem die Bestimmungen des 8. Konzils von Toledo
von 653. Man begann zwischen Privatvermögen und dem Vermögen, das der Allgemeinheit zugute
kommen sollte, zu unterscheiden. Mit Beginn dieser institutionellen Einrichtungen wurde der König
von einer Gefolgschaft umgeben, die sich bald in eine sogenannt präfeudale Herrschaftsstruktur
einordnen lässt. Dieser Hofadel schränkte zuweilen die Macht des Königs ein. Gegen Ende des spanischen Westgotenreiches nahmen nach Herbers (:60) die Auseinandersetzungen zwischen König
und Adel zu. Auf den Konzilen trafen königliche und kirchliche Machthaber zusammen. Nebst
kirchlichen Fragen wurden zunehmend auch weltliche Angelegenheiten geregelt, was zur Einheit
aber auch zu Ausgrenzung führte. Im Bestreben zu einem einheitlichen Glauben entstand zunehmend
eine Unduldsamkeit gegenüber den Juden. Es kam zu Zwangstaufen unter König Sisebut (612-621).
Weiter erliess Rekkesvinth (653-672) stark ausgerichtete antijüdische Gesetze, die er mit roher Gewalt durchsetzen liess. Das Heer, die wichtigste Ordnungsmacht der Westgoten während der Wanderungszeit, zeigte im 7. Jh. gewisse Auflösungstendenzen.
5.1.5 Der Niedergang des Westgotenreiches
Infolge der beschriebenen herrschaftlichen Strukturen verdichteten sich gegen Ende des 7. Jahrhunderts die Auseinandersetzungen und Konflikte zwischen König und Adel. Revolten und Verschwörungen häuften sich. Genährt wurden diese Umstände durch den internen Zwist zwischen Adel und
Königtum, die sich um die Thronfolge stritten. Dietrich (1971:205) beschreibt, dass profilierte Herrscher wie Rekkared und Chindasvinth ihre Herrschaft von einem göttlichen Auftrag ableiteten. Der
53
Von den letzten 17 Westgotenkönigen (603-711) wurden deren 10 abgesetzt oder ermordet!
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Adel hingegen sah sich vom Volk (gens) legitimiert. Er erhob somit Anspruch auf die Thronfolge.
Der Streit um die Erbfolge oder um eine Wahl des Königs schwächte zunehmend die Herrschaft des
Westgotenreiches. Auffallend ist, dass am Ende des Reiches nur noch zwei Familien übrigblieben,
die für die Thronfolge in Frage kamen. Weiter schwächten zwei Pestepidemien 693/694 sowie 701
den königlichen Machtanspruch. Antijüdische Gesetze wurden weiter verschärft. Man vermutete bei
den Juden eine geheime Kooperation mit den Arabern aus Syrien (Herbers: 66). Deshalb lautete der
königliche Vorschlag auf dem 17. Toledanischen Konzil von (694), dass alle Juden aus dem Reich
vertrieben werden sollen.
Eine grundsätzliche Neustrukturierung des Heeres wäre zu diesem Zeitpunkt von grosser Wichtigkeit
gewesen. Der König konnte für einen allfälligen Kampf nur den Adel aufbieten, das Volk hingegen
stand nicht mehr hinter seinem König. Der Adel leistete dem Heeresaufgebot nur Folge, wenn es den
eigenen Interessen diente!
Mit König Witiza (702-710) regierte nochmals ein Herrscher, der sich durch die Entschärfung gewisser Gesetzt stark machte. Doch nach dessen Tod brach ein unerbittlicher Kampf um die Thronfolge aus. Zwei sich rivalisierende Familien rangen um die Macht: Die Anhänger Wambas und die
Anhänger Chindasvinths. Schliesslich wurde König Roderich (710-711) gewählt, ein Nachkomme
Chindasvinths. Dies entsprach aber nicht dem Willen der Witiza-Anhänger, der vor Roderich regierte. Während zwischenzeitlich die Araber in Afrika bis zur Meerenge von Gibraltar vorrückten, fochten die beiden Familien ihren Streit um die Herrschaft aus.
In dieser unerfreulichen Situation befand sich das Westgotenreich, als die Araber und Berber im
Jahre 711 eine ernsthafte Bedrohung für die iberische Halbinsel wurden. Folgende Gründe können
nach Herbers (2006:65) und nach Dietrich (1971:202-210) aus der Sicht der Westgoten zusammenfassend für den Untergang ihres Reiches genannt werden:
•
Konkurrierende und verfeindete Familienstreitigkeiten um den Thron infolge feudaler Strukturen und des Reichtums
•
Rückgang der wirtschaftlichen Tätigkeit, die an der zunehmenden Flucht von Sklaven sichtbar wurde
•
Scharfes Vorgehen gegen die Juden, die die Araber als Befreier sahen
•
Nie ganz überwundener Gegensatz zwischen Hispanoromanen und Westgoten, die innere
Streitigkeiten förderten
•
Zunehmend desolate Lage des Heeres bis hin zur Gefolgsverweigerung
•
Schwächung der Bevölkerung durch die Pest 693/694 und 701.
Im Jahr 710 n.Chr. formierten sich erste Truppen an der Meeresenge von Gibraltar unter dem Berberführer Tarik ibn Ziyad. König Roderich wurde im selben Jahr inthronisiert, vermochte aber die
Spannungen und Streitigkeiten der beiden rivalisierenden Familienclans nicht zu bändigen. Roderich
war stark in innere Streitigkeiten verwickelt.
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5.2 Von der Eroberung al-Andalus bis zum Umayyaden-Emirat
(711-756)
Aus den vorangehenden Informationen lässt sich gut entnehmen, wie sich nach Clot (2004:16) die
iberische Halbinsel um das Jahr 711 n.Chr. den herannahenden arabischen Truppen präsentierte: Als
sturmreifes Land! Der nordafrikanische Raum wurde vom Umayyadenherrscher Kalif Abd al Malik
(685-705) in mehreren Feld- und Raubzügen erobert. Erst der neue Kalif al Wadi (705-715) aus Damaskus setzte den Gouverneur des Maghreb, Musa ibn Nusair ein, welcher Expansionsgelüste in den
Norden hegte. Herbers (2006:76) weiss, dass es jedoch dem Unterfeldherrn Tarik ibn Ziyad zukam,
die Überfahrt vom afrikanischen Ceuta nach Gibraltar zu vollziehen. Die oben geschilderten misslichen Umstände, die sich im Westgotenreich präsentierten, konnten für einen Feldzug nicht besser
sein. Musa entsandte unter der Führung Tariks bereits im Jahr 710 einen Expetitionstrupp von 400
Mann auf das spanische Festland. Da jedoch kaum Widerstand zu spüren war, setzte Tarik, Gouverneur von Tanger, ein Jahr später erneut mit einer Seeflotte, die vermutlich der christliche Graf Julian
aus Ceuta zur Verfügung gestellt hatte, mit 7000 Mann nach Djabal Tarik (heutiges Gibraltar) über.
So kam es, dass die Betretung Spaniens zwischen April und Juni 711 der Muslime Tatsache wurde.
Sie sollten das Festland nun für mehrere Hundert Jahre nicht wieder verlassen. Der westgotische
König Roderich war bei dieser historischen Landbetretung im Norden Spaniens mit aufständischen
Basken beschäftigt. Er konnte die Gefahr nicht rechtzeitig erkennen und konnte erst spät den Truppen Tariks bei Arcos de la Frontera entgegentreten.
5.2.1 Die Schlacht am Guadalete von 711
Diese Schlacht sollte in die Geschichte eingehen, da sie als die grosse Entscheidungsschlacht zwischen den Moslems und den Westgoten in Spanien gilt. Am 23. Juli 711 erlitten die Westgoten eine
entscheidende Niederlage, in welcher auch König Roderich starb. Nach dieser Schlacht eroberten die
Muslime weitere grössere Gebiete und Städte von al-Andalus. Die iberische Halbinsel wird von den
Muslimen al-Andalus54 genannt. Eine bemerkenswerte Erzählung spiegelt die desolate moralische
und gesellschaftliche Situation der Westgoten wieder. Bossong (2007:15) beschreibt folgende überlieferte Geschichte:
Der westgotische Gouverneur von Ceuta, Graf Julian, schickte, wie
es Sitte war, seine Tochter Cava Florinda an den Hof von Toledo,
wo Roderich soeben zum König gewählt worden war. Der König
54
Der Name al-Andalus bezieht sich auf den islamischen Herrschaftsbereich auf der iberischen Halbinsel. Es
bezeichnet nicht primär ein bestimmtes geographisch definiertes Gebiet. Dieser Herrschaftsbereich umfasst
auch das heutige Andalusien. Der Name dieser spanischen Region ist natürlich aus dem maurischen al-Andalus
abgeleitet worden (Bossong 2007:9).
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entbrannt für die schöne junge Frau und vergewaltigte sie, was diese
ihrem Vater unverzüglich mitteilte. Der erzürnte Graf Julian wandte
sich an Tarik, seines Zeichens Gouverneur von Tanger, und schloss
einen Bund mit ihm, um Roderich zu stürzen. Vermutlich gehörte Julian zu den Witiza-Anhängern, welche Roderich nicht gerne als
westgotischen König sahen.
Bossong erwähnt, dass diese Geschichte sowohl in spanischen wie in arabischen Quellen genannt
wird, weshalb sie wohl einen historischen Kern hat. Die Tragik der Geschichte ist, dass ein christlicher Gouverneur einem muslimischen Feldherrn eine wichtige Hilfe war, um gegen den eigenen
christlichen Westgotenkönig vorzugehen. Dies repräsentiert auf eindrückliche Weise, wie tief die
Zerrissenheit der Westgoten gewesen sein muss.
5.2.2 Die Eroberungswelle
Im Jahr 712 setzte dann auch General Musa mit weiteren 18000 Mann nach al Andalus über und
konsolidierte die muslimische Macht in mehreren Schlachten. In atemberaubender Geschwindigkeit
konnten weite Teile der iberischen Halbinsel erobert werden. In nur drei Jahren fast die ganze Insel
erobert worden. Auch wenn die beiden wichtigen Heerführer – Tarik und Musa – (714) zur Berichterstattung nach Damaskus abgezogen wurden, konnten sich die maurischen Truppen weiter ausbreiten. Herbers beschreibt eindrücklich (2006:79), wie die Eroberer eine flexible und effektive Eroberungstaktik angewandt haben.
Die Mauren55 liessen zum Teil Adelsleuten ihr Königsgut, um sie für ihre Dienste zu gewinnen. Diese Art von Eroberung verhalf einer Minderheit über eine Mehrheit die Oberhand zu gewinnen. Herbers berichtet, dass etlichen Familien ihr Hab und Gut überlassen wurde, wenn von ihnen im Gegenzug die Herrschaft der Mauren anerkannt wurde. Dabei ist ein dokumentierter Vertrag von 713, welcher zwischen dem westgotischen Teudemir und Musa abgeschlossen wurde, von hohem Interesse.
Der Schutzbrief hatte den Inhalt, dass Teudemir das Patronat Allahs anerkennen solle und gewisse
Abgaben zu entrichten hatte. Im Gegenzug wurde seine lokale Herrschaft von den Mauren nicht
angetastet. Die Mauren sicherten sich auf diese Art und Weise wichtige Stützpunkte im ganzen alAndalus. Städte wie Toledo, Barcelona, Zaragoza, Leon, Astorga, Sevilla, Meride, Pamplona oder
Narbonne (Südfrankreich) wurden eingenommen. Im Weiteren sicherte in Anlehnung an die westgotische Normalität die Heirat zwischen Musas Sohn Abd al Aziz und der Witwe Roderichs eine gewisse Kontinuität der maurischen Herrschaft. Spannungen zwischen den eroberten Christen und den
Juden gab es eher weniger, denn nach Herbers (:80) liess man den Anhängern der Buchreligion (gemeint sind die Bücher der Thora für die Juden und die Bibel für die Christen) ihren Glauben. Wie
55
Der Begriff „Mauren“ leitet sich vom lat. maurus = Bewohner Mauretaniens ab und bezeichnet die islami-
schen Eroberer in al-Andalus.
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jedoch aus dem Beispiel von Teudemir zu entnehmen ist, gab es wirtschaftliche Gründe, den Glauben zu wechseln. Konvertierte man nicht zum Islam, so hatte man eine besondere Steuer zu bezahlen, die es erlaubte, die eigene Religion auszuüben. Bei einer Konversion entfiel diese Steuer (genauer die Kopfsteuer dschizya und die Grundsteuer charadsch). Dieses System der Dhimmitude (vgl.
4.2.5) bewog eine grosse Anzahl von Christen zum Übertritt zum Islam. Die zum Islam konvertierten
Christen nannte man Muladies (muwalladun), während die christlich gebliebenen Bewohner von alAndalus Mozaraber genannt wurden.
In dieser Zeit sind auch zwei Beispiele zu nennen, welche der Eroberungswelle standhalten konnten.
Das erste Beispiel, das sich im Nordreich Spaniens zugetragen hat, wird von Bossong (2007:17)
beschrieben. Im kantabrischen Gebirge begann sich unter Pelayo, einem gotischen Adligen, Widerstand gegen die maurischen Herrscher zu bilden. Pelayo stammte aus der Partei von Witiza und stand
in den Diensten der neuen Herren vom toledanischen Hof. Nach der Flucht in den Norden setzte ihm
der maurische Truppenführer al-Qama nach, um ihn umzustimmen. Begleitet wurde al-Qama gar
vom christlichen Bischof Oppa von Toledo, welcher klar auf der Seite der muslimischen Herrscher
stand! Pelayo verschanzte sich in der Höhle von Covadonga und lehnte das Angebot des Bischofs
zur Kapitulation ab. Trotz zahlenmässiger Überlegenheit erlitten die Mauren in der asturischen Picos
de Europa zum ersten Mal eine Niederlage. Pelayo wurde in der Folge zum Begründer der asturischen Dynastie, die sich der islamischen Herrschaft nicht unterwarf. Sie bildete die Keimzelle des
christlichen Widerstandes und bildete die Grundlage der Rückeroberung, der im 11. Jahrhundert
einsetzenden Reconquista.
Die andere Begebenheit trug sich im heutigen Frankreich zu, die bei Herbers (2006:82) Erwähnung
findet. In der Gegend von Tours und Poitiers besiegte der fränkische Hausmeier Karl Martell 732 die
islamischen Truppen Abd al Rahmans und stoppte so den Vormarsch der Mauren in Frankreich.
Nebst dieser Niederlage und dem späteren Berberaufstand von 740. im Maghreb kamen die Eroberungs- und Raubzüge vorerst zum Stillstand. Nach der Elimination des Westgotenreiches und während der Errichtung der arabischen Herrschaft regierten mehrere Gouverneure des Kalifen von Damaskus in al-Andalus. Nach Bossong (2007:19) war die Konsolidierung des Staatsgebildes mit weitaus grösseren Schwierigkeiten verbunden als die Unterwerfung der Goten. Hauptgründe sind die
Clan-Rivalitäten der Araber (Syrer, Yemeniten, Nordaraber), aber auch die zum Islam konvertierten
Berber, die grosse Unruhen mit sich brachten.
5.2.3 Die Errichtung des Umayyaden-Emirates von 756
Als 741 ein Kontingent Syrer in al-Andalus eintraf, nahmen nach der Niederschlagung der Berber
viele syrischen Machthaber wichtige Positionen im Militärwesen ein. Dazu kam der Umsturz der
Umayyaden in Damaskus durch die Abbasiden, welche den Hauptsitz des Kalifates nun nach Bagdad
verlegten. In der Folge geriet nach Herbers (2006:82) die iberische Halbinsel für das neue abbasidische Kalifat in Bagdad aus dem Kontrollbereich. Alle männlichen Familienmitglieder der Umayya© IGW International
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den wurden in Damaskus getötet ausser einem Nachfolger, welcher entkommen konnte. Sein Name
war Abd al Rahman. Er floh über den Maghreb mit dem Ziel, al-Andalus zu einigen und zu festigen.
Mit gutem Verhandlungsgeschick gelang es ihm, die Berberstämme auf seine Seite zu ziehen und er
setzte 755 nach Spanien über. Bossong (2007:20) sieht die syrische Präsenz im Lande der junge
Nachfolger mit seinem diplomatischen Geschick die Macht an sich zu nehmen. Die Syrer anerkannten die Legitimität als Nachfolger der Umayyadendynastie Abd al Rahmans. Er proklamierte sich
selbst zum Emir56. 756 war der Zeitpunkt gekommen, als Abd al Rahman siegreich in Cordoba einmarschierte und diese zur Hauptstadt von al-Andalus machte. Mit dieser Errichtung des umayyadischen Emirates wurde die islamische Herrschaft in al-Andalus in eine dauerhafte und feste Staatform
gebracht. Al Rahmans weitsichtige, kluge und geschickte Staatsführung war die Basis für den politischen und kulturellen Aufschwung des muslimischen Spaniens! Bossong schildert, dass Abd al
Rahman gar einen militärischen Angriff des Kalifen von Bagdad abwehren konnte. Ebenfalls hielt er
einem Angriff des fränkischen Karl des Grossen im Jahr 778 stand, welcher sich mit aufständischen
Arabern zusammentat.
5.3 Vom Emirat bis zum Ende des Kalifates von Córdoba (7561031)
Die Staatsform Abd al Rahmans hatte etwa für 200 Jahre Bestand, zuerst als Emirat, später dann als
Kalifat von Cordoba. Im Jahr 785 liess der Emir den Grundstein für den Bau der ersten Moschee von
Cordoba57 legen. Sie sollte lange als ein starkes und dauerhaftes Symbol der muslimischen Besitzergreiffung von Hispanien gelten. Herbers verweist aber auf eine wichtige Tatsache hin (2006:83),
dass in einer zwangsweise zusammengefügten Gesellschaft soziale Konflikte nie lange auf sich warten lassen. So lokalisiert er vor allem drei Bereiche, welche die Einheit des Staates gefährden konnten:
•
Unabhängigkeitstendenzen der nördlichen Regionen von al-Andalus
•
Diverse Aufstände der Muladis (zum Islam konvertierte Christen)
•
Zunehmend sozialreligiöse Auseinandersetzungen
Abd al Rahman versuchte in den drei Jahrzehnten seiner Regierungszeit von 756 bis788 die aus oben
genannten Gründen auseinanderstrebende Regionen der Halbinsel zusammen zu halten. Die Bevölkerung bestand nach wie vor mehrheitlich aus Christen und Juden, die Muslime waren gespalten in
56
Emir (von arabisch amīr und türk. emir) bedeutet Befehl, Fürst, Prinz, Gouverneur oder Befehlshaber. In
frühislamischer Zeit befehligte ein Emir eine muslimische Soldatentruppe; nach Eroberungen nahm er dann
den Platz des dortigen Gouverneurs ein. Mit zunehmender Macht herrschten später einige Emire mehr oder
weniger souverän, strebten aber meist eine Anerkennung durch den Kalifen an.
57
Diese Moschee ist heute noch als die Grosse Moschee von Cordoba bekannt und erfreut sich zahlreicher
Touristenbesucher aus dem In- und Ausland.
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Südaraber, Nordaraber und sonstige Orientale sowie die nordafrikanischen Berber. Die meisten waren stammesmässig organisiert und siedeln getrennt.
Ein typischer Konflikt in al-Andalus war der Aufstand von Umar ibn Hafsun, der von der Festung
Bobastro (bei Malaga) aus agierte. Zeitweise konnte er die Zentralmacht in Cordoba ernsthaft in
Gefahr bringen. Hafsun war ein Nachkomme eines westgotischen Grafen, der zum Islam übergetreten war. Ungefähr 40 Jahre hielt er die Machthaber in Atem. Erst als Hafsun Christ wurde, verlor er
einen Teil seiner Gefolgschaft und wurde 904 von Abd Allah besiegt. Die permanent vorhandene
sozireligiöse Spannung blieb ein Grundzug des Umayyadenemirates. Die extremen Ausrichtungen
einzelner Christen wie Alvarus und Eulogius58 und der streng ausgerichteten moslemischen Herrscher liess nach Herbers (:85) nur bedingt ein friedliches Zusammenleben zu. Mischehen beispielsweise wurden während des Emirates streng geregelt, da die maurische Führerschaft die Oberhand
hatte.
5.3.1 Die Gründung des Kalifates von Córdoba 929
Nachdem die Fatimiden59 in Kairuan (im heutigen Tunesien) im Jahr 909 n.Chr. ein eigenes Kalifat
ausgerufen hatten, wagte Abd al Rahman III., genannt al Nasir (der Sieger), schliesslich (929) einen
wichtigen Schritt in der Geschichte des muslimischen Spaniens. Er begründete das eigenständige
Kalifat von Cordoba und nahm den Titel des Kalifen an. Abd al Rahman III. löste sich nicht völlig
vom abbasidischen Kalifat in Bagdad. Herbers belegt, dass das Kalifat von Cordoba vielmehr ein
Gegengewicht zu den in Nordafrika dominierenden Fatimiden bot. Die Zeit dieses Kalifates in alAndalus gilt heute als eine der Blütezeiten auf der Halbinsel. Al Nasir (Abd al Rhaman III) besetzte
(931) das nordafrikanische Ceuta und schob so den expandierenden Fatimiden erstmals einen Riegel.
In dieser Zeit stieg Cordoba zur herrlichen Zierde Europas60 empor. Musik, Dichtung, Kunst und
Bildung nahmen zu. Allein die Palastbibliothek al Hakams II. in Cordoba umfasste mehr als 400 000
Bücher, welche viele philosophische oder wissenschaftliche Inhalte hatten.
laut Bossong (2007:36) beging al Hakam zwei einschneidende Fehler, welche die Keimzelle für den
raschen Untergang des Kalifates vorbereiteten. Zum einen setzte er seinen zwölfjährigen Sohn Hisham als Nachfolger ein, und zum anderen gab er berberischen Stämmen zu viel Macht am Hofleben.
Schon 977 übernahm der Berber al Mansur die Macht. Als frommer Muslim drehte er das Rad des
geistigen Fortschrittes wieder zurück und verbrannte viele wissenschaftliche und philosophische
Bücher aus der Bibliothek. al Mansur wurde berühmt durch seine militärischen Raub- und Beutezü-
58
Zwei christliche Märtyrer aus Cordoba und Toledo, welche das Martyrium geradezu aktiv suchten, um auf
ihre Sorge eines eigenständigen Christentums im Süden Spaniens aufmerksam zu machen (Herbers 2007:85).
59
Eine schiitische Dynastie, welche sich stark für die Führung der islamischen (umma) einsetzte.
60
Ein Ausdruck, welcher die deutsche Nonne Roswitha von Gandersheim geprägt hatte.
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ge, welche jeweils sehr erfolgreich verliefen. Am Bekanntesten wurde die Plünderung von Santiago
de Compostela 997. Die Stadt wurde nicht dauerhaft eingenommen, aber als Zeichen der Demütigung mussten die Christen die Glocke zu Fuss von Santiago nach Cordoba tragen! (Dieselbe Fussstrecke legten die Mauren unter König Ferdinand im Jahre 1236 ebenso zurück, als sie die Glocken
wieder nach Santiago zurücktragen mussten). Doch unter Al Mansur und seinem Sohn sowie dem
Nachfolger Abd al Malik war al-Andalus äusserlich stark wie nie zuvor, doch aus der eigenen Mitte
heraus begann es gewaltig zu brodeln. Bossong führt aus (:27), dass nach dem Tode Abd al Maliks
(1008) Revolten und Streitigkeiten um die Regentschaft heftig zunahmen. Diese waren der Anfang
vom Untergang des Kalifates von Cordoba.
5.3.2 Der Niedergang des Kalifates von Córdoba 1031
Die ethnischen Spannungen wurden bis 1008 von den Kalifen weitgehend im Zaum gehalten. Doch
nun brach der Streit in voller Schärfe aus. Die letzte Zeitperiode von 1009 bis 1031 heisst (fitna)
(arabisch: Verwirrung). Bürgerkriege und Palastrevolten waren an der Tagesordnung. Die Zierde
Europas verwandelte sich bald in einen Hexenkessel. Das Volk hatte im Jahr 1029 genug von der
Regentschaft und liess den letzten Kalifen einkerkern. Abu Hazm, Angehöriger einer alten arabischen Familie und hochangesehener Bürger von Córdoba erklärte am 30. November 1031 das Kalifat
von Córdoba für aufgelöst!
Woran ist das Kalifat von Córdoba nach 275 Jahren ruhmreicher Herrschaft der Emire und Kalifen
gescheitert? Bossong (2007:29) nennt einen Hauptgrund, der von Herbers (2006:101) und von Clot
(2004:159) bestätigt wird: Der rasche Untergang des Kalifates von Cordoba ist auf die katastrophalen und gehäuften ethnischen Konflikte zwischen Berbern, Arabern, Mozarabern und anderen Gruppen zurück zu führen. Es gelang den jeweiligen Kalifen nicht, die gewünschte Einheit zwischen den
afrikanischen Berbern und den orientalischen Arabern herzustellen. Auch der ständig spürbare
christliche Widerstand gegen die muslimischen Herrscher leistete Schützenhilfe zum Untergang des
Kalifates von Cordoba. Dieser Zerfall von 1031 bildet die eigentliche Keimzelle der Reconquista –
der christlichen Rückeroberung der iberischen Halbinsel mit dem Schwert.
Die muslimische Herrschaft auf der arabischen Halbinsel dauerte noch bis 1492. Die Zeit der Kleinkönige (1031-1086), der Almoraviden (1086-1147), der Almohaden (1147-1225) und der Nasriden
(1232-1492) bildeten weitere Dynastien, die eine Zeitlang ihre Herrschaft in Spanien ausübten. Da
Machtübernahmen und deren Verluste sich oft wiederholt haben, verweise ich auf Kettermanns Ausführungen (2001:63-67), in denen die Regentschaften der erwähnten Dynastien detailliert beschrieben sind.
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6 ERKENNTNISSE AUS DEN UNTERSUCHUNGEN
6.1 Erkenntnisse aus der gegenwärtigen Situation in der Schweiz
Gemäss den historischen Tatsachen und den aktuellen Begebenheiten rund um die Thematik „Islam
in der Schweiz“ lassen sich einige wichtige Erkenntnisse aus den vorhergehenden Kapiteln entnehmen, die für ein respektvolles Zusammenleben hinderlich oder förderlich wirken. Zusammenfassend
sind folgende Punkte zu nennen:
Hindernisse von muslimischer Seite:
• Die starke Zuwanderung in den letzten Jahrzehnten in der Schweiz und die weitaus höhere Geburtenziffer im Vergleich zu Schweizer Familien lassen aufhorchen.
• Die schlecht bis z.T. überhaupt nicht vollzogene Integration der zweiten und dritten Generation
infolge ungenügender Sprachkenntnis erschweren das Zusammenleben in starkem Mass.
• Die Herabstufung der Frau im Islam (gesellschaftlich wie religiös) erschwert die Integration in
unsere westliche Kultur. Grundsätzlich werden die Frauen von muslimischen Männern anders behandelt als Männer Männern begegnen.
• Der Anspruch auf die Scharia als eine weitere Rechtsnorm steht in krassem Widerspruch zur
westlichen Rechtsprechung.
• Aufgrund des unterschiedlichen Lebensstils ziehen sich Muslime vermehrt in ihr eigenes Umfeld
zurück, was unweigerlich zu Parallelgesellschaften führt (Beispiele aus Frankreich, England und
Deutschland sind beunruhigend).
• Infolge der unterschiedlichen Staatssysteme – Laizismus in der westlichen Welt und Gottesstaat
in der muslimischen Welt – ist es fraglich, ob für die bei uns wohnhaften Muslime eine offene
Gesellschaft mit politischen Freiheiten überhaupt in Frage kommen kann.
Hindernisse infolge eigener Versäumnisse:
• Durch das starke Ausgrenzen des Glaubens aus dem öffentlichen Leben kommt ein Dialog zwischen christlich ausgerichteten Schweizern und Muslimen kaum zustande.
• Bedenklich ist, dass ausländische Imame in der Schweiz oft ungehindert und unkontrolliert predigen dürfen, was die Radikalisierung begünstigt.
• Dadurch wird das Entstehen einer Parallelgesellschaft gefördert, was den Prinzipien der Bundesverfassung widerspricht.
• Erschwert wird der Dialog zusätzlich, dass kein Ansprechpartner der Muslime für Schweizer
Behörden zur Verfügung steht, der stellvertretend für alle Muslime in der Schweiz sprechen kann.
Es gibt bereits eine stattliche Anzahl von Organisationen in der Schweiz mit einer eigenen Führung, die sich z.T. lehrmässig völlig unterscheiden (Bsp. IZRS unter N. Blancho, vgl. S.7).
• Diffus bleibt, von wem die einzelnen muslimischen Organisationen in der Schweiz finanziert
werden und welches Gedankengut die Geldgeber verbreiten lassen.
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Eigene Beobachtungen und Erfahrungen betreffend Hindernisse:
• Aufgrund aktueller Zeitungsberichte und Medieninformationen aus dem Ausland stelle ich fest,
dass ein Zusammenleben mit fundamentalistisch ausgerichteten Muslimen kaum möglich ist. Diese organisieren sich in vermehrt aufkommenden Parallelgesellschaften. Diese Gruppen (oft in
städtischen Agglomerationen) lassen sich vom Staat kaum mehr kontrollieren (Bsp. von England
und Frankreich in Ulfkotte 2008:39).
• An Vortragveranstaltungen und Podiumsgesprächen stellte ich immer wieder dieselbe Frage:
„Gibt es ein Land in der Vergangenheit oder Gegenwart, das dem aufkommenden Islam im entsprechenden Land auf eine gut Art begegnen konnte, so dass ein Zusammenleben in gegenseitigem Respekt möglich wurde?“ Folgende Antwort bekam ich jeweils zu hören: „Nein!“. Es kann
kein Land in der Vergangenheit oder in der Gegenwart genannt werden, das dem Islam so begegnen konnte, dass ein erspriessliches Zusammenleben der Beteiligten möglich wurde.
• Das übliche Muster von der Einführung der Scharia in einem eroberten Land oder aber die Antwort mit militärischer Gewalt des entsprechenden Landes (Schwert) zog sich seit der Entstehung
des Islam durch die ganze Geschichte hindurch.
• Politische Entscheidungsträger in der Schweiz (berücksichtigt bis Frühjahr 2010) treffen oftmals
andere Entscheidungen bezüglich Integration von Muslimen als die Mehrzahl der schweizerischen Bevölkerung. Auch in der Schweiz gehen die Meinungen betreffend Umgang mit den Muslimen stark auseinander.
Für die Integration förderliche Punkte:
• Es gibt auch die gut integrierten muslimischen Gruppen in Gastländern. Es sind dies die säkularen
Muslime, die ihren Glauben nur auf privater und individueller Ebene praktizieren. Sie lassen ihr
Leben vom Koran nur bis zu einem gewissen Punkt bestimmen. Zu Bemerken ist aber, dass konvertierte Moslems in ständiger Lebensgefahr stehen, da sie von Islamisten Verfolgung zu erwarten haben. Oft leben sie unter einem Pseudonym wie bspw. Dr. Marc A. Gabriel (vgl. Bibliographie)
• Es gibt auch die muslimischen Organisationen, die sich für eine Neuinterpretation des Korans
einsetzen. Organisationen, die beispielsweise die Rechte der Frauen verbessern wollen, sich für
eine allgemeine Akzeptanz der Allgemeinen Menschenrechtserklärung der UNO einsetzen oder
die Anerkennung von der Trennung zwischen Religion und Staat fordern. Beispiele wie etwa das
Forum für einen fortschrittlichen Islam (FII) unter Saïda Keller-Messahli oder Bassam Tibi, Prof.
für Internationale Beziehungen an der Universität Göttingen, der regelmässig Lehr- und Forschungsaufträge an führenden Universitäten der Welt wahrnimmt.
Fazit:
Geschichte wie Gegenwart bestätigen, dass die Grundsätze des Islam und die der westlichen Demokratie sich gegenseitig ausschliessen. Es sind zwei unterschiedliche Systeme, die gesellschaftlich,
kulturell und religiös völlig voneinander abweichen. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass der freiheitliche Verfassungsstaat sich selbst schuldig ist, einer möglichen Ausnutzung unseres demokratisch-politischen Systems infolge einer bevorstehenden Verschiebung des religiösen Gleichgewichtes
entschieden entgegen zu treten.
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6.2 Erkenntnisse aus den allgemeinen Informationen des Islam
Die arabische Halbinsel im 6. Jahrhundert vor dem Auftreten Mohammeds präsentierte sich in einem
weitgehenden Machtvakuum zwischen den beiden grossen Reichen der Byzantiner und der Perser
(vgl. Kap 4.1.1). Nebst den animistischen Arabern und den Juden waren gnostisch geprägte Christen
Teil der Bevölkerung. Eine wichtige Erkenntnis hinsichtlich der Christen ist, dass sie unbeabsichtigt
zur Ausbreitung des Islam beigetragen haben. Nachfolgend einige wichtige Punkte:
• Der Zerrissenheit des damaligen Christentums (Nestorianer, oströmische Kirche, Jakobiten,
Maroniten, Kopten und Gnostiker).
• Eine daraus folgende Uneinigkeit in Glaubens- und Lehrfragen (nestorianischer Streit).
• Die in sich gekehrte Frömmigkeit vieler christlicher Gemeinschaften auf der Halbinsel.
• Die repressive byzantinische Religionspolitik trieb die orientalischen Christen ins arabischislamische Lager. In der Gestalt des Propheten Mohammed sahen die Christen primär den Befreier vom byzantinischen Joch.
Weiter lassen sich wichtige Erkenntnisse aus dem Leben Mohammed im Vergleich zu Jesus Christus
gewinnen. Nachfolgend einige wichtige Merkmale und Unterschiede der beiden Glaubensgründer in
Anlehnung an Maurer (2008:152):
Thema
Leben Jesu
Leben Mohammeds
Macht
Jesus Christus verkündete ein gewaltloses und
Der Bund, der Mohammed mit den Füh-
geistliches Reich, das auf Wahrheit und Liebe
rern von Medina schloss, war die Basis
mit Gott basiert und nicht die mil. Eroberung
seiner religiös-politischen und militäri-
der Welt zum Ziel hat (Joh 18,36). Die seit dem
schen Expansion. Das Ziel des Islam ist
5.Jh zunehmende Vermischung von Glaube und
es, die Welt unter die Herrschaft des
Macht steht im Gegensatz zu Jesu Aussagen!
Islam zu bringen. (Sure 8,40;…)
Durch die Liebe Gottes berührte Menschenher-
Durch militärische Eroberung  Djihad
zen (Eph 3,17).
(Sure 9,5) oder strategische Unterwande-
Mittel zur Ausbreitung
rung (Ferner Osten).
Sünde und Vollmacht
Jesus Christus hat die Macht und Vollmacht,
Im Koran gibt es keine Aussagen, nach-
den Menschen ihre Sünden (d.h. Trennung von
dem der Prophet Mohammed jemals
Gott) zu vergeben (Lk 23,34).
einem Menschen im Namen Allahs Sünden vergeben hat.
Nachfolge
Jesus berief zwölf Jünger um sich, die er auch
Mohammed ernannte keinen Nachfolger,
nach seiner Himmelfahrt nicht alleine zurück-
worauf sich die Kalifen stritten, wer der
lassen würde (Joh 14,16).
künftige Führer sein sollte.
An Jesus gläubig gewordene Menschen kennen
Muslime kennen grundsätzlich keine
durch den Heiligen Geist Heilsgewissheit infol-
Heilsgewissheit. Der Islam ist eine Reli-
ge der Sündenvergebung (Röm 8,15.16).
gion der Werke (Sure 101).
Vergebung, Umgang
Jesus fordert in der Bergpredigt seine Jünger
Mohammed praktizierte das Gesetz der
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Heilsgewissheit
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mit Feinden, Entschei-
auf, anderen Menschen zu vergeben und ihre
Blutrache „Auge um Auge, Zahn um
dungsfreiheit
Feinde zu lieben (Mt 6,15; 5,44) Es besteht kein
Zahn.“ Der Koran kennt keine Feindes-
Zwang, Christ zu werden (Joh 6,66.67).
liebe (Sure 4,90ff). Nach islamischem
Verständnis ist jeder Mensch von Natur
aus Muslim, da Adam der erste Muslim
war.
Gott
Grundüberzeugung
Dreieiniger Gott, der sich des von Gott getrenn-
Allah ist so fern und heilig (allahu akbar),
ten Menschen annimmt. Gott-Vater, der seinen
dass er für den Menschen unnahbar ist.
Sohn Jesus sandte, um für unsere Schuld zu
Muslime jeder Richtung kennen keine
sühnen. Der Heilige Geist führt den Menschen
persönliche Gotteserfahrung, keine durch
zur inneren Umkehr und zur Erneuerung.
Gott gewirkte Lebenserneuerung.
Jesus sagt: „Niemand hat grössere Liebe als die,
Allahu akbar fasst die Grundüberzeugung
dass er sein Leben lässt für seine Freunde“ (Joh
des Islam zusammen. Es ist der Schlacht-
15,13).
ruf zur Ausbreitung des Islam. Die Flaggen von Afghanistan, Irak und Iran tragen
die diese Worte.
Abschliessend nenne ich noch einige weitere wichtige Merkpunkte, die man festhalten kann:
• Der Djihad wird geführt, um das Hauptziel des Islam zu erreichen, nämlich die Errichtung der
islamischen Herrschaft über die ganze Welt (Sure 9,29).
• Die Scharia regelt das gesellschaftliche, politische und kulturelle Leben aller Muslime. Eine Unterscheidung zwischen religiösen und weltlichen Gesetzen kennt die Scharia nicht.
• Der Islam kennt keine Menschenrechte nach westlichem Verständnis. Islamische Menschenrechtserklärungen stellen Koran und Scharia über die Menschenrechtserklärungen der UNO.
• Eine Glaubens-, Gewissens- und volle Kultusfreiheit ist den Muslimen fremd. Der Begriff Freiheit wird im muslimischen Kontext anders verstanden. Freiheit existiert nur innerhalb der Lehre
des Islam und somit innerhalb der Allmacht Allahs.
Fazit:
Die Lehre des Islams in ihrem ursprünglichen und grundlegenden Selbstverständnis ist weder mit
westlichen Rechtsgrundlagen noch mit christlich-abendländischen Werten unserer Gesellschaft vereinbar!
6.3 Erkenntnisse aus den historischen Untersuchungen Spaniens
Für den Untergang des westgotischen Reiches kann man folgende zwei Hauptgründe anführen: Einerseits waren es die eigenen Versäumnisse der Westgoten gewesen, die zum raschen Zerfall des
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Reiches beigetragen haben, anderseits war es der geschickten Strategien der Muslime zuzuschreiben,
die eine gezielte und rasche Eroberung der spanischen Halbinsel ermöglicht hatte.
Die Schwachpunkte der Westgoten
• Konkurrierende und verfeindete Familienstreitigkeiten um die Thronfolge infolge eines Lebens in
„Saus und Braus“.
• Feudale Strukturen (Zweiklassengesellschaft) sowie Reichtum, was zu einer desolaten Lage des
Heeres führte.
• Scharfes Vorgehen gegen die Juden, die die Araber als Befreier gesehen haben.
• Schwächung der Bevölkerung durch die Pest.
• Die Mithilfe von christlichen Führungspersonen (Graf Julian von Ceuta), die die muslimische
Landbetretung und Eroberung Spaniens begünstigt haben.
• Grundsätzliche Widerstandslosigkeit gegen Aussen wegen Zerfallserscheinungen des Reiches.
Die strategischen und taktischen Stärken der muslimischen Eroberer
• Schnelle Eroberungsfeldzüge durch Einigkeit des Heeres und des Gehorsams gegenüber dem
Koran.
• Keine Tötung der Schriftbesitzer (Juden und Christen  dhimmis) durch die Eroberer. Sie wurden als sog. „Schutzbefohlene“ unterworfen. Die Schriftbesitzer hatten die Kopfsteuer (dschizya)
zu bezahlen.
• Aus den zum Teil überhöhten Kopfsteuergeldern wurden weitere Eroberungszüge finanziert.
• Durch die Errichtung eines eigenständigen Kalifats – unabhängig vom Kalifat in Bagdad – konnte
die Herrschaft weiter gefestigt werden.
• Durch geschickte Verbreitung von Bildung und Kulturgut gelangten die Eroberer zu Macht und
Ansehen im eroberten Land.
• Der vorhandene Reichtum (Rohstoffe usw.) und die bereits vorhandenen Institutionen wie Kirchen, Verwaltungen usw. erleichterte den Eroberern die Errichtung ihrer Herrschaft.
Fazit:
Die fast widerstandslose Einnahme des Westgotenreiches durch die muslimischen Eroberer ist einerseits der Dekadenz und der inneren Zerrissenheit der Westgoten zuzuschreiben und andererseits einer geschickt gewählten Kriegstaktik sowie einer gut ausgeführten Eroberungsstrategie der Muslime.
Bedenklich ist, dass die Muslime unter Beihilfe von christlicher Seite (Graf Julian von Ceuta) die
Eroberung effektiver durchführen konnten.
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7 EMPFEHLUNGEN UND LÖSUNGSANSÄTZE
7.1 Empfehlungen und Lösungsansätze an den „Schweizer“
Es muss zwischen den Verpflichtungen des Staates und der Gesellschaft sowie der Verantwortung von
Einzelpersonen und von christlichen Organisationen unterschieden werden.
Empfehlungen und Lösungsansätze für Staat und Gesellschaft
•
Schutz der Bevölkerung (Staatsschutz) vor der Ideologie des Islams durch Überwachung der in
der Schweiz tätigen Imame und den fundamental ausgerichteten muslimischen Organisationen.
Wer das Gastland mit der entsprechenden Rechtsgrundlage nicht akzeptieren will, wird zur Einreise nicht zugelassen oder muss das Land verlassen.
•
Staatsschutz heisst ebenso, adäquate Reaktionsmöglichkeiten zu entwickeln, wenn radikale Muslime gemeinsam in der Schweiz politisch aktiv werden und eine Unterwanderung der Bevölkerung zu befürchten ist.
•
Keine weiteren grossangelegten Neuaufnahmen von muslimischen Migranten. Die Neueinladung
grösserer Gruppen muslimischer Arbeitskräfte – wie es bei Türken, Bosniaken und Albanern der
Fall war – muss in engen Grenzen gehalten werden.
•
Die bei uns wohnhaften muslimischen Ausländer in der Schweiz dürfen nicht ausgewiesen werden ( keinen Dhimmistatus gegenüber Muslimen fördern). Eine stärkere Geburtenfreudigkeit
bei der einheimischen Bevölkerung könnte durch eine positive Familienpolitik gefördert werden.
•
Die konsequente Durchsetzung der rechtsstaatlichen Gesetze, um Parallelgesellschaften zu vermeiden und um ein erspriessliches Zusammenleben zu fördern.
•
Einrichtung einer nationalen Beratungsstelle für Islamfragen. Es ist darauf aufmerksam zu machen, dass sich die Lehre des Islam und die westliche Demokratie grundsätzlich nicht vertragen.
Es sind zwei unterschiedliche Systeme, die gesellschaftlich, kulturell und religiös völlig voneinander abweichen.
Empfehlungen und Lösungsansätze für den „Schweizer“
•
Auf der Suche nach der eigenen Identität (Selbstwertgefühl) haben sich die hiesigen Muslime
zum grösseren Teil stärker ihrem Glauben zugewendet, da man in ihnen nur billige Arbeitskräfte
und nicht in erster Linie Menschen sah. Die bei uns lebenden Ausländer sollen vor allem Respekt, Akzeptanz und Wertschätzung von unserer Seite erfahren können.
•
Die bei uns lebenden muslimischen Frauen sollen aus ihrer Isolation herausgeholt werden können. Grundlegend sind obligatorische Sprachkurse, die die Ausländer befähigen, sich angemessen verständlich zu machen. Es geht dabei um eine Integration und nicht um eine Assimilation.
Ausländer, die die betreffende Landessprache nicht kennen, können ihren Kindern bei Lern- und
Schulproblemen nicht helfen. So leiden oft auch die Jugendlichen unter der fehlenden Integration.
Empfehlungen und Lösungsansätze für christliche Organisationen:
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•
Information und Aufklärung für Behörden, Politik und Gemeinde betreffend den Islam sollte auf
nationaler Ebene betrieben werden. In Anlehnung an A. Maurer (Fokustag Herausforderung Islam in Zürich) sollte eine Beratungsstelle für Islamfragen angestrebt und installiert werden, die
sich den aktuellen Erfordernissen entsprechend positionieren kann. Die Beratungsstelle für Islamfragen muss sich nach christlich-ethischen Werten orientieren, d.h. christliche Organisationen
sollen bei der Installierung der bereits obenerwähnten Beratungsstelle mitwirken.
•
Grundlageninformationen für christliche Kirchen und politische Gemeinden bereitstellen, mit
dem Thema, wie man Muslimen begegnen kann: Möglichkeiten für ein friedliches Nebeneinander aufzeigen und wo sich Grenzen ergeben.
•
Im Dialog mit den Muslimen soll nach Gstrein (frühe Kirchenschriftsteller: Logos Spermatikos)
vermehrt das Prinzip von Paulus (Apg 17, 22-28) zum Tragen kommen, indem man den Samen
der Worte Gottes im Koran findet (vgl. Maurer 2008:206; die Methode der gemeinsamen Basis).
7.2 Empfehlungen und Lösungsansätze an die in der Schweiz lebenden
Muslime
Auch hier muss zwischen den Verpflichtungen der muslimischen Organisationen sowie der Verantwortung von muslimischen Einzelpersonen unterschieden werden.
Empfehlungen und Lösungsansätze für muslimische Organisationen:
•
Muslimische Organisationen verpflichten sich, ihre Ausrichtungen und Grundsätze offen zu legen. Ebenso sind die Quellen der finanziellen Ressourcen offen zu legen (Subventionen der jeweiligen Staaten, „Petrodollar“ usw.).
•
Moscheen und Gebetshäuser verpflichten sich zur Kontrolle der Imame.
•
Die Ausbildung der Imame muss mit den hiesigen Gegebenheiten abgestimmt werden, damit die
Imame aus dem Ausland nicht ungehindert predigen können. Auf die Forderung einer universitären Imamausbildung in der Schweiz ist hingegen zu verzichten.
•
Verzicht auf eigene muslimische Schulen, da es der Integration nicht dient und Religion und Politik im Islam nicht getrennt sind.
•
Die Anerkennung der Religionsfreiheit nach westlichem Prinzip sowie die Anerkennung der
Trennung von Kirche und Staat, die verfassungsmässig verankert sind, müssen auch bei einer
Verschiebung des religiösen Gleichgewichts respektiert werden (Anm.: Die Anerkennung der
Trennung von Kirche und Staat ist in der Schweiz nur teilweise Wirklichkeit, z.B. in Genf, Basel-Stadt, NE, FR. In den Kantonen Bern, Waadt und Zürich werden die Pfarrer und Priester von
allgemeinen Staatssteuern besoldet).
Empfehlungen und Lösungsansätze für die in der Schweiz lebenden Muslime:
•
Wer sich in der entsprechenden Landessprache nicht verständigen kann, muss möglichst rasch
die jeweilige Landessprache lernen, damit Parallelgesellschaften vermieden werden können.
•
Als einzelner praktizierender Muslim kann man muslimische Organisationen befürworten, die
einen fortschrittlichen Islam anstreben. Allenfalls sollte dabei mitgeholfen werden, diese Organisationen weiter aufzubauen.
7.3 Aussichten und Prognosen
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Die grosse Herausforderung rund um die Thematik des Islams in der Schweiz ist noch ausstehend. Die
aktuellen Probleme bilden erst den Anfang um das Ringen eines respektvollen Zusammenlebens zwischen Schweizern und Muslimen. Die grosse Prüfung islamischer Organisationen in westlichen Ländern
wird sein, wenn sich die religiöse Minderheit der Muslime allmählich in Richtung Mehrheit bewegen
wird. Dies wird unter Berücksichtigung der Geburtenziffer in verschiedenen europäischen Ländern in
absehbarer Zeit der Fall sein. Erreichen die Muslime im Westen etwa einen Bevölkerungsanteil von 30%40%, so entsteht eine Kampfsituation (nach Gstrein reichen bei einer passiven Haltung der Bevölkerung
bereits 20%-25%). Man wird versuchen, die demokratischen Grundrechte durch die Scharia zu ersetzen.
Es werden Situationen entstehen, wie wir sie heute in Indonesien, im Sudan oder in Nigeria erleben. Anhänger anderer Religionen werden bedrängt, eingeschüchtert oder mit Morddrohungen gefügig gemacht.
In einem weiteren Schritt wird es lokale kriegsähnliche Zustände geben, wie es in Frankreich rund um
Paris bereits heute der Fall ist. Nach Schirrmacher (Fokustag Herausforderung Islam) oder Ulfkotte
(2008:255ff) ist es in deutschen, englischen oder französischen muslimischen Wohnvierteln bereits zu
spät, um die Muslime in ihrem Siedlungsbereich zu überwachen oder schwerwiegende Vergehen polizeilich aufzuklären zu können.
In der Schweiz ist bis anhin ein guter sozialer Nährboden vorhanden, der den Islam bei uns ruhiger und
gemässigter wirken lässt, als dies in den erwähnten europäischen Ländern der Fall ist. Dies belegt auch
die Tatsache, dass die meisten Muslime in der Schweiz einigermassen integriert sind. Die christliche Substanz in der Schweiz ist zudem deutlicher vorhanden als im Ausland.
Ein weiterer Aspekt ist die direkte Demokratie der Schweiz, die einmalig ist. Sie erlaubt es, schneller auf
politisch bedingte Fehlentwicklungen Einfluss zu nehmen. Die Möglichkeit der direkten Demokratie
kann auf der einen Seite ein willkommenes Mittel zur Ausbreitung des Islam sein, auf der anderen Seite
kann sie aber als eine wirkungsvolle Massnahme gegen den politischen Anspruch des Islam eingesetzt
werden.
Nach den Untersuchungen und den daraus gewonnenen Erkenntnissen komme ich zum Schluss, dass es
für die Schweiz betreffend einem erspriesslichen Zusammenleben zwischen Schweizern und den in der
Schweiz lebenden Muslimen noch nicht zu spät ist. Wäre es nicht die Verantwortung von Christen und
Kirchen, dass wir den Muslimen in unserer Mitte – das ist auch die Chance der ganzen dramatischen
Angelegenheit – wirkliches Christsein vorleben und möglichst ohne Vorurteile auf sie zugehen müssen.
Auch von Seiten des Staates wären flankierende Massnahmen (vgl. S.52) wünschenswert, die ein friedvolles Nebeneinander fördern. Durch die Arbeit wurde mir bewusst, wie komplex das Thema für Europa
und für unser Land ist. Weiter erschwert wird die Situation durch aufstrebende radikale Konvertiten (N.
Blancho, P. Vogel usw.), die das Klima zwischen der ansässigen Bevölkerung und den Muslimen vergiften. Trotzdem sehe ich die Herausforderung des Islam in der Schweiz in verschiedener Hinsicht als eine
Chance.
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8 ZUSAMMENFASSUNG
In der vorliegenden Arbeit versuchte ich aufzuzeigen, ob es in der Vergangenheit Beispiele einzelner
Länder gab, wo Christen und Muslime in gegenseitigem Respekt zusammenleben konnten. Sodann ging
ich der Frage nach, ob in unserem Land eine erspriessliche Koexistenz möglich ist. Welche Faktoren
führen zu einer Parallelgesellschaft und welche Faktoren wirken einer solchen entgegen. Nach einer kurzen Einführung beleuchtete ich in Kapitel 3 die Problematik der Schweiz betreffend der aktuell stattfindenden Islamisierung. Zahlen und Statistiken zeigen auf, wie die Zunahme der Moslems in unserem Land
entstanden ist. Die aktuelle Islamisierung ist zudem eine europaweite Herausforderung.
In Kapitel 4 versuche ich wesentliche Elemente des Islam aufzuzeigen. Die Entstehung sowie die Ausbreitung des Islam durch den Propheten Mohammed sind dabei grundlegend. Sodann weise ich auf wichtige Merkmale der Lehre des Islam hin.
Das Kapitel 5 widmet sich ausschliesslich der Islamisierung Spaniens zu Beginn des 8. Jahrhunderts.
Ersichtlich ist, wie sich das damalig christlich geprägte Westgotenreich den islamischen Eroberern präsentiert hat und wie rasch die Eroberung vor sich ging.
Aus den aktuellen Begebenheiten (Kap 3) und den historischen Tatsachen (Kap 4+5) lassen sich einige
wichtige Erkenntnisse für ein mögliches Zusammenleben zwischen Schweizern und Muslimen gewinnen.
Diese werden in Kapitel 6 dargelegt. Grundsätzlich kann daraus gefolgert werden, dass die Lehre des
Islam mit dem westlichen Demokratieverständnis nicht kompatibel ist. Es sind zwei unterschiedliche
Systeme, die politisch, sozial, kulturell und religiös völlig voneinander abweichen. Sodann wird deutlich,
dass der Begriff Freiheit unterschiedlich verstanden wird.
Eine weitere grundlegende Tatsache ist die unterschiedliche Auffassung des Zusammenspiels von Religion und Staat. Die Theokratie des Islam steht zur Trennung von Kirche und Staat in den meisten westlichen Staaten im Widerspruch. Doch nebst diesen gewonnenen Erkenntnissen beunruhigt die Tatsache,
dass es leider kein historisches Beispiel eines Landes gibt, das ein friedvolles Nebeneinander zwischen
Muslimen und der jeweiligen Bevölkerung zustande gebracht hätte. Einerseits wurde jeweils die Scharia
eingeführt, oder die Muslime wurden mit dem Schwert vertrieben. Wie die Länder der Herausforderung
Islam heute begegnen, muss man offen lassen. Aktuelle Beispiele wie Frankreich, England oder Deutschland verdeutlichen die Problematik.
Im Kapitel 7 werden Empfehlungen und mögliche Lösungsansätze an den „Schweizer“ und an die in der
Schweiz lebenden Muslime bezüglich ihrem Zusammenleben gerichtet. Dabei stellt sich heraus, dass
sowohl flankierende Massnahmen von der Seite des Staates als auch ein aktives Begegnen beider Seiten
nötig sind, damit ein erspriessliches Zusammenleben möglich sein kann. Dafür ist es in der Schweiz noch
nicht zu spät.
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Vorträge:
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Prof. Dr. Gstrein, Heinz 2009. Islamisierung der Schweiz? Hotel Weisses Kreuz Lyss vom 9. November 2009.
Prof. Dr. Schirrmacher, Christine 2009. Islam in Europa als Herausforderung für Staat, Gesellschaft
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Prof. Tibi, Bassam 2009. Die Balance zwischen Religionsfreiheit, Toleranz und religiösem Pluralismus. ETH Zürich vom 24. Januar 2009; Fokustag der EVP Schweiz.
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Keller – Messahli, Saïda 2007. Forum für einen fortschrittlichen Islam. http://forumislam.ch/index.php?option=com_frontpage&Itemid=1 [10.01.2010]
Schmeer, Siegrid 1999. Die Mauren in Spanien – Geschichte einer islamischen Kultur im europäischen Mittelalter: http://www.students.uni-marburg.de/~Schmeer/mauren.html [22.01.2010]
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http://www.soziales.fhdortmund.de/Berger/Forschung/islam/Kairoer%20Erkl%C3%A4rung%20der%20OIC.pdf
[20.04.2010]
http://www.geschkult.fu-berlin.de/e/semiarab/arabistik/mitarbeiter/professoren/neuwirth/index.html
[26.03.10]
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http://www.islaminstitut.de
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http://www.britomu.org
http://www.zukunft-ch.ch/themen/
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Bovay, Claude 2004. Religionslandschaft in der Schweiz:
http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/01/22/publ.Document.50514.pdf
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ANHANG
A1: Die ausländische Bevölkerung in der Schweiz
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Quelle: Wanner, Philippe 2004. Migration und Integration:
http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/01/07/blank/dos/la_population_etrangere
/intro.html [04.02.2010]
Anstieg der ausländischen Wohnbevölkerung
Im Jahr 2008 stieg die ausländische Wohnbevölkerung gegenüber dem Vorjahr um 59'400 (+3,5%)
auf 1'763’600 Personen. Zudem arbeiteten 212’330 ausländische Grenzgänger in der Schweiz. Die
Zahl der Niedergelassenen stieg nur leicht an, jene der Aufenthalter deutlicher (+11,7%). Die Zahl
der Kurzaufenthalter war hingegen rückläufig: -36,4% für Aufenthalte von mind. einem Jahr, -13,0%
für Aufenthalte von weniger als einem Jahr. Ende 2008 hielten sich 40'800 Personen im Asylprozess
(2,3% aller Ausländer) in der Schweiz auf. Der Bestand der Asylsuchenden (Ausweis N) stieg infolge der Zunahme der eingereichten Asylgesuche um 1,2% auf 17'800 Personen. Die Anzahl der vorläufig Aufgenommenen (Ausweis F) sank um 2,1% und betrug Ende 2008 23'000 Personen.
Mehr Einwanderungen und weniger Auswanderungen
Die langfristigen Einwanderungen stiegen 2008 gegenüber dem Vorjahr um 17’800 auf 161’600
Personen (+12,4%). Zusätzlich reisten 99’000 Kurzaufenthalter (-8,7%), die sich weniger als ein Jahr
in der Schweiz aufhielten, sowie 15’900 Personen im Asylprozess (+61,3%) ein. Die Gesamteinwanderung stieg somit um 28’600 auf 240’800 Personen (+13,5%). Zwei Fünftel aller ausländischen
Immigranten kamen für einen bewilligten Aufenthalt von weniger als einem Jahr in die Schweiz. Auf
1000 Einwanderungen entfielen 2008 361 Rückwanderungen. Die Zahl der Auswanderungen der
ständigen ausländischen Wohnbevölkerung sank auf 58’300 Personen. Der grösste Anteil der Auswanderer verliess die Schweiz nach einer relativ kurzen Anwesenheitsdauer. Zwei Drittel (66,1%)
aller 2008 zurückgewanderten Personen reiste nach einem Aufenthalt von weniger als 5 Jahren wieder aus. Der Wanderungssaldo nahm 2008 gegenüber dem Vorjahr um 24,3% auf 103’400 Personen
zu, nachdem er sich im Jahr 2007 auf 83'200 belief.
Ein breites Nationalitätenspektrum
In der Wohnbevölkerung verblieb der Anteil der Staatsangehörigen eines aussereuropäischen Landes
(261’100 Personen) bei 14,8%. Der seit 1999 feststellbare Aufwärtstrend bei den Angehörigen eines
EU27-Mitgliedsstaates setzte sich weiter fort (+56’100 bzw. +5,5%). Die jährliche Zahl der Einwanderer aus Deutschland hat sich seit dem Inkrafttreten des Freizügigkeitsabkommens mit der EU 2002
mehr als verdreifacht und stieg von 14’100 im Jahr 2001 auf 46’300 im Jahr 2008. Fast zwei Drittel
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der Ausländer (61,3% bzw. 1'080’700 Personen) stammt aus einem Mitgliedsland der EU27 und der
EFTA. In dieser Beziehung unterscheidet sich die Schweiz von den meisten anderen europäischen
Staaten, in denen Personen aus der Türkei und aussereuropäischen Ländern dominieren. Mit 295’100
Personen repräsentierten die Italiener 2008 weiterhin die stärkste Einzelnationalität, gefolgt von den
Staatsangehörigen aus Deutschland (251'500 Personen). Die Zahl der Personen aus Serbien und
Montenegro (inkl. Kosovo), Bosnien und Herzegowina, Mazedonien und Kroatien war 2008 erneut
rückläufig. Letztes Jahr machten sie weniger als ein Fünftel (18,6%) der ausländischen Wohnbevölkerung der Schweiz aus.
Langjähriger Aufenthalt in der Schweiz
Nahezu ein Fünftel aller Ausländer (21,0%) ist in der Schweiz geboren und gehört somit zur zweiten
oder sogar dritten Ausländergeneration. Dabei gibt es aber beträchtliche Unterschiede zwischen den
einzelnen Nationalitäten. So sind beispielsweiseüber 30% der italienischen, aber nur 11,8% aller
französischen Staatsangehörigen und 8,9% aller deutschen Staatsangehörigen in der Schweiz geboren. Zwei Fünftel (39,8%) aller im Ausland Geborenen hält sich seit mindestens 15 Jahren in der
Schweiz auf; 14,9% davon seit mindestens 30 Jahren. Fast alle Personen mit einem italienischen
oder spanischen Pass (88,5% bzw. 88,0%) besitzen eine zeitlich unbeschränkte Niederlassungsbewilligung.
Leichte Zunahme bei den Geburten
Die Folgen der zunehmenden Multikulturalität der Bevölkerung zeigen sich auch bei der Entwicklung der Eheschliessungen und Geburten. Im Jahr 2008 wurden in der Schweiz 15’000 Ehen zwischen einem schweizerischen und einem ausländischen Partner geschlossen; jede dritte Eheschliessung (36,2%) war somit eine schweizerisch-ausländische Verbindung. Die Geburtenzahl 2008 stieg
gegenüber dem Vorjahr (von 74'500 auf 76’700). Die Zahl der Lebendgeburten mit einem schweizerischen und einem ausländischen Elternteil (30’500) stieg leicht – und entsprach fast der Hälfte
(47,9%) aller Geburten von verheirateten Frauen. Im Jahr 2008 besass etwas mehr als ein Viertel der
in der Schweiz geborenen Kinder eine ausländische Staatsbürgerschaft. Die Hauptgründe dafür lagen
im hohen Anteil der Ausländerinnen im Alter zwischen 20 und 44 Jahren (50,1% gegenüber 30,7%
bei den Schweizerinnen) und in der höheren Geburtenhäufigkeit der Ausländerinnen (1,9 Kinder je
Frau im Gegensatz zu 1,4 bei den Schweizerinnen).
Einbürgerungen rückläufig
44’400 in der Schweiz wohnhafte Personen erhielten im Jahr 2008 den Schweizer Pass (+500 bzw.
1,1% mehr als im Vorjahr). Die Einbürgerungen spielen die entscheidende Rolle bei der Entwicklung der Wohnbevölkerung schweizerischer Nationalität. Deren Zunahme im Jahr 2008 war grösstenteils auf diese Neubürger zurückzuführen, da ansonsten ein Geburten- und Auswanderungsüberschuss von insgesamt 4600 zu verzeichnen war. Jedoch blieb die rohe Einbürgerungsziffer auch
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2008 mit 2,8% auf einem im europäischen Vergleich tiefen Stand. Trotz den restriktiven Einbürgerungsbestimmungen könnten heute schätzungsweise 856’700 Ausländer mit einer langfristigen Anwesenheitsbewilligung das Schweizer Bürgerrecht erwerben. Auf einzelne Nationalitäten bezogen
würde dies z.B. 79,3% aller italienischen, 78,8% der spanischen, 74,6% der kroatischen und 70,8%
der Staatsangehörigen aus Bosnien und Herzegowina betreffen. Die Zugehörigkeit zu einem EUStaat und die zum Teil hohen Anforderungen halten zahlreiche Ausländer vom Erwerb des Schweizer Bürgerrechts ab.
Im internationalen Vergleich
Die Schweiz gehört zu den europäischen Ländern, in der im Verhältnis zur Bevölkerungszahl am
meisten Ausländer wohnen. Der Anteil der ausländischen Wohnbevölkerung in der Schweiz betrug
2008 22,6%. Werden Kurzaufenthalter und Personen im Asylprozess nicht berücksichtigt, reduziert
sich dieser Anteil auf 21,7%. Einzig Luxemburg und Liechtenstein weisen noch höhere Anteile auf.
Ein Viertel der Erwerbstätigen sind Ausländer
In der Jahresmitte 2008 waren 1,207 Mio. Ausländer in der Schweiz erwerbstätig, was im Vergleich
zu 2003 einer Zunahme um 15,9% entspricht. Da die Zahl der erwerbstätigen Schweizer im selben
Zeitraum nur um 5,9% auf 3,298 Mio. anstieg, vergrösserte sich der Ausländeranteil an der erwerbstätigen Bevölkerung von 25,1% auf 26,8%. Die standardisierte Erwerbstätigenquote (15 Jahre und
älter) betrug Mitte 2008 für die ausländischen Staatsangehörigen 69,8%. Aufgrund des deutlich höheren Rentneranteils in der Schweizer Bevölkerung lag die entsprechende Quote der Einheimischen
bei lediglich 64,9%. Bei der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (15-64 Jahre) lag die Erwerbstätigenquote der Schweizer (80,6%) indes über derjenigen der Ausländer (75,8%).
Ausländische Erwerbstätige sind jünger und arbeiten seltener Teilzeit
In verschiedener Hinsicht unterscheidet sich die Struktur der ausländischen Erwerbstätigen von derjenigen der Schweizer. So waren die ausländischen Erwerbstätigen im 2. Quartal 2008 in der Regel
jünger: 56% der Ausländer waren unter 40-jährig (Schweizer: 43%). Im Weiteren lag der Frauenanteil bei den Ausländern (39%) deutlich unter demjenigen der Schweizer (47%). Teilzeitarbeit ist bei
ausländischen Erwerbstätigen weniger verbreitet als bei schweizerischen Arbeitskräften. Mitte 2008
arbeiteten 23% der ausländischen und 36% der schweizerischen Erwerbstätigen Teilzeit. Diese Differenz manifestiert sich insbesondere bei den Frauen (Schweizerinnen: 61%; Ausländerinnen: 44%).
Auf Grund der tieferen Teilzeitquote leisteten die ausländischen Erwerbstätigen einen leicht überproportionalen Anteil am gesamten Arbeitsvolumen (2007: 27,8%). Allerdings existieren grosse
branchenspezifische Unterschiede: Im Gastgewerbe beispielsweise haben ausländische Arbeitskräfte
über die Hälfte (51,7%) zum Arbeitsvolumen beigetragen. Andererseits wurde in der öffentlichen
Verwaltung (8,9%) sowie in der Land- und Forstwirtschaft (8,1%) nur ein kleiner Teil des Arbeitsvolumens von Ausländern erbracht.
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Lohn- und Positionsunterschiede auch zwischen Ausländern
Was die ausgeübten Berufe betrifft, so sind nicht nur zwischen Schweizern und Ausländern, sondern
je nach Staatsangehörigkeit auch unter den Ausländern deutliche Unterschiede festzustellen. Im 2.
Quartal 2008 waren 49% der Nord- und Westeuropäer als Führungskräfte oder in akademischen
Berufen tätig. Bei den Schweizer Erwerbstätigen waren es 26%. Dagegen üben Arbeitskräfte aus
dem Westbalkan und der Türkei (30%) sowie aus Südeuropa (25%) zu einem beträchtlichen Anteil
handwerkliche Berufe aus.
Bei Nord- und Westeuropäern (7,9%) sowie bei den Schweizer Erwerbstätigen (13%) ist der entsprechende Anteil deutlich tiefer. Staatsangehörige nord- und westeuropäischer Staaten sind auch
überdurchschnittlich oft in Kaderpositionen anzutreffen. Bei ihnen betrug der Anteil der Arbeitnehmenden mit Vorgesetztenfunktion oder in Unternehmensleitung 43% gegenüber 30% bei den
schweizerischen Erwerbstätigen (Ausländer total: 32%).
2006 lag der monatliche Bruttomedianlohn der schweizerischen Arbeitnehmenden bei 5952 Franken
und der ausländischen Arbeitnehmenden bei 5140 Franken. Bedeutende Unterschiede sind bei den
Ausländern je nach Anwesenheitsbewilligung festzustellen. Während die Kurzaufenthalter mehrheitlich weniger als 4400 Franken im Monat verdienten, kam der Medianlohn der Aufenthalter und Niedergelassenen nahe an 5100 Franken heran und betrug bei den Grenzgängern fast 5500 Franken.
Deutlich höhere Arbeitslosigkeit bei Ausländern als bei Schweizern
Ausländische Arbeitskräfte bekommen die Auswirkungen wirtschaftlich schwieriger Situationen
deutlicher zu spüren als ihre Schweizer Kollegen. Im 2. Quartal 2008 waren in der Schweiz 61’400
Personen ausländischer Nationalität erwerbslos. Die Erwerbslosenquote der ausländischen Erwerbsbevölkerung betrug 6,2% und lag somit deutlich über jener der Schweizer (2,5%). Bei vielen Ausländern kumuliert sich das Risiko, arbeitslos zu werden: Sie sind oft wenig qualifiziert und arbeiten
häufiger in Branchen, die besonders vom Konjunkturverlauf abhängen.
Ausländer überdurchschnittlich von Armut betroffen
Ausländische Staatsangehörige sind bedeutend öfter von Armut betroffen als Schweizer und auch
öfter Working Poor. Diese Situation ist zu einem Grossteil darauf zurückzuführen, dass der Anteil an
Personen ohne nachobligatorische Ausbildung bei Ausländern überproportional hoch ist. Darüber
hinaus sind sie häufiger in Branchen mit allgemein niedrigem Lohnniveau tätig, nicht selten in atypischen Arbeitsverhältnissen.
Unterschiedliche Beteiligung ausländischer Jugendlicher in nachobligatorischen Ausbildungen
Nach der obligatorischen Schule ist die Berufslehre die wichtigste Bildungsform für die ausländischen Jugendlichen. Der Anteil an Jugendlichen, die aus neueren Einwanderungsländern stammen
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(ehemaliges Jugoslawien, Türkei und Portugal) ist in Maturitätsschulen vergleichsweise tief, dafür in
An- und Vorlehren vergleichsweise hoch. Deutlich höher als bei den schweizerischen Jugendlichen
ist bei den ausländischen auch der Anteil an frühzeitigen Schulabgängern. Von den gut 20% ausländischen Studierenden an den Hochschulen sind drei Viertel extra für das Studium in die Schweiz
gekommen. Es absolvieren also nur wenige Ausländer, die die Schule in der Schweiz besucht haben,
hier auch ein Hochschulstudium.
Hospitalisierungsraten zwischen Ausländern und Schweizern unterschiedlich
Die durchschnittlichen Kosten für schweizerische und ausländische Spitalpatienten sind etwa gleich.
Hingegen erkranken Schweizer und Ausländer an einzelnen Pathologien in ganz unterschiedlichem
Ausmass. Auch die altersbedingten Unterschiede variieren zwischen Schweizern und Ausländern.
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A2: Die Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam
Quelle: http://www.soziales.fhdortmund.de/Berger/Forschung/islam/Kairoer%20Erkl%C3%A4rung%20der%20OIC.pdf
[20.04.2010]
Die Mitglieder der Organisation der Islamischen Konferenz
betonen die kulturelle und historische Rolle der islamischen Umma, die von Gott als die beste Nation
geschaffen wurde und die der Menschheit eine universale und wohlausgewogene Zivilisation gebracht hat, in der zwischen dem Leben hier auf Erden und dem im Jenseits Harmonie besteht und in
der Wissen mit Glauben einhergeht; und sie betonen die Rolle, die diese Umma bei der Führung der
durch Konkurrenzstreben und Ideologien verwirrten Menschheit und bei der Lösung der ständigen
Probleme dieser materialistischen Zivilisation übernehmen sollte;
sie möchten ihren Beitrag zu dem Bemühen der Menschheit leisten, die Menschenrechte zu sichern,
den Menschen vor Ausbeutung und Verfolgung zu schützen und seine Freiheit und sein Recht auf
ein würdiges Leben in Einklang mit der islamischen Scharia zu bestätigen;
sie sind überzeugt, daß die Menschheit, die einen hohen Stand in der materialistischen Wissenschaft
erreicht hat, immer noch und auch in Zukunft dringend des Glaubens bedarf, um ihre Zivilisation zu
stützen, und daß sie eine Motivationskraft braucht, um ihre Rechte zu schützen;
sie glauben, daß die grundlegenden Rechte und Freiheiten im Islam ein integraler Bestandteil der
islamischen Religion sind und daß grundsätzlich niemand das Recht hat, sie ganz oder teilweise aufzuheben, sie zu verletzen oder zu mißachten, denn sie sind verbindliche Gebote Gottes, die in Gottes
offenbarter Schrift enthalten und durch Seinen letzten Propheten überbracht worden sind, um die
vorherigen göttlichen Botschaften zu vollenden. Ihre Einhaltung ist deshalb ein Akt der Verehrung
Gottes und ihre Mißachtung oder Verletzung eine schreckliche Sünde, und deshalb ist jeder Mensch
individuell dafür verantwortlich, sie einzuhalten - und die Umma trägt die Verantwortung für die
Gemeinschaft.
Aufgrund der oben genannten Grundsätze erklären sie deshalb:
Artikel 1:
a) Alle Menschen bilden eine Familie, deren Mitglieder durch die Unterwerfung unter Gott vereint
sind und alle von Adam abstammen. Alle Menschen sind gleich an Würde, Pflichten und Verantwortung; und das ohne Ansehen von Rasse, Hautfarbe, Sprache, Geschlecht, Religion, politischer Einstellung, sozialem Status oder anderen Gründen. Der wahrhafte Glaube ist die Garantie für das Erlangen solcher Würde auf dem Pfad zur menschlichen Vollkommenheit.
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b) Alle Menschen sind Untertanen Gottes, und er liebt die am meisten, die den übrigen Untertanen
am meisten nützen, und niemand ist den anderen überlegen, außer an Frömmigkeit oder guten Taten.
Artikel 2:
a) Das Leben ist ein Geschenk Gottes, und das Recht auf Leben wird jedem Menschen garantiert. Es
ist die Pflicht des einzelnen, der Gesellschaft und der Staaten, dieses Recht vor Verletzung zu schützen, und es ist verboten, einem anderen das Leben zu nehmen, außer wenn die Scharia es verlangt.
b) Es ist verboten, Mittel einzusetzen, die zur Vernichtung der Menschheit führen.
c) Solange Gott dem Menschen das Leben gewährt, muß es nach der Scharia geschützt werden.
d) Das Recht auf körperliche Unversehrtheit wird garantiert. Jeder Staat ist verpflichtet, dieses Recht
zu schützen, und es ist verboten, dieses Recht zu verletzen, außer wenn ein von der Scharia vorgeschriebener Grund vorliegt.
Artikel 3:
a) Bei Einsatz von Gewalt und im Fall einer bewaffneten Auseinandersetzung ist es nicht erlaubt, am
Krieg Unbeteiligte wie Alte, Frauen und Kinder zu töten. Verwundete und Kranke haben das Recht
auf medizinische Versorgung; Kriegsgefangene haben das Recht auf Nahrung, Unterkunft und Kleidung. Es ist verboten, Leichen zu verstümmeln. Es besteht die Pflicht, Kriegsgefangene auszutauschen und für die Familien, die durch die Kriegsumstände auseinandergerissen wurden, Besuche
oder Zusammenkünfte zu ermöglichen.
b) Es ist verboten, Bäume zu fällen, Ernten oder Viehbestand zu vernichten und die zivilen Gebäude
und Einrichtungen des Feindes durch Beschuß, Sprengung oder andere Mittel zu zerstören.
Artikel 4:
Jeder Mensch hat das Recht auf die Unverletzlichkeit und den Schutz seines guten Rufs und seiner
Ehre zu Lebzeiten und auch nach dem Tod. Staat und Gesellschaft müssen seine sterblichen Überreste und seine Grabstätte schützen.
Artikel 5:
a) Die Familie ist die Keimzelle der Gesellschaft, und die Ehe ist die Grundlage ihrer Bildung. Männer und Frauen haben das Recht zu heiraten, und sie dürfen durch keine Einschränkungen aufgrund
der Rasse, Hautfarbe oder Nationalität abgehalten werden, dieses Recht in Anspruch zu nehmen.
b) Die Gesellschaft und der Staat müssen alle Hindernisse, die einer Ehe im Wege stehen, beseitigen
und die Eheschließung erleichtern. Sie garantieren den Schutz und das Wohl der Familie.
Artikel 6:
a) Die Frau ist dem Mann an Würde gleich, sie hat Rechte und auch Pflichten; sie ist rechtsfähig und
finanziell unabhängig, und sie hat das Recht, ihren Namen und Ihre Abstammung beizubehalten.
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b) Der Ehemann ist für den Unterhalt und das Wohl der Familie verantwortlich.
Artikel 7:
a) Von Geburt an hat das Kind Anspruch darauf, daß seine Eltern und die Gesellschaft für seine richtige Pflege und Erziehung und für seine materielle, hygienische und moralische Versorgung Sorge
tragen. Das Kind im Mutterleib und die Mutter genießen Schutz und besondere Fürsorge.
b) Eltern und Personen, die Elternsteile vertreten, haben das Recht, für ihre Kinder die Erziehung zu
wählen, die sie wollen, vorausgesetzt, daß sie dabei das Interesse und die Zukunft der Kinder rnitberücksichtigen und daß die Erziehung mit den ethischen Werten und Grundsätzen der Scharia übereinstimmt.
c) In Einklang mit den Bestimmungen der Scharia haben beide Elternteile bestimmte Rechtsansprüche gegenüber ihren Kindern; und Verwandte haben Rechtsansprüche gegenüber ihren Nachkommen.
Artikel 8:
Jeder Mensch hat das Recht auf Rechtsfähigkeit als eine rechtliche und auch moralische Verpflichtung. Sollte er die Rechtsfähigkeit einbüßen oder nur eingeschränkt genießen, so wird er von seinem
Vormund vertreten.
Artikel 9:
a) Das Streben nach Wissen ist eine Verpflichtung, und die Gesellschaft und der Staat haben die
Pflicht, für Bildungsmöglichkeiten zu sorgen. Der Staat muß sicherstellen, daß Bildung verfügbar ist
und daß im Interesse der Gesellschaft ein vielfältiges Bildungsangebot garantiert wird. Die Menschen müssen die Möglichkeit haben, sich mit der Religion des Islams und den Dingen der Welt zum
Wohle der Menschheit auseinanderzusetzen.
b) Jeder Mensch hat das Recht auf eine sowohl religiöse als auch weltliche Erziehung durch die verschiedenen Bildungs- und Lehrinstitutionen. Dazu zählen die Familie, Schule, Universitäten, die
Medien usw. Alle zusammen sorgen sie ausgewogen dafür, daß sich seine Persönlichkeit entwickelt,
daß sein Glaube an Gott gestärkt wird und daß er sowohl seine Rechte wahrnimmt als auch seine
Pflichten beachtet.
Artikel 10:
Der Islam ist die Religion der reinen Wesensart. Es ist verboten, irgendeine Art von Druck auf einen
Menschen auszuüben oder seine Armut oder Unwissenheit auszunutzen, um ihn zu einer anderen
Religion oder zum Atheismus zu bekehren.
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Artikel 11:
a) Der Mensch wird frei geboren, und niemand hat das Recht, ihn zu versklaven, zu demütigen, zu
unterdrücken oder ihn auszubeuten. Unterwerfung gibt es nur unter Gott, den Allmächtigen.
b) Kolonialismus jeder Art ist eine der schlimmsten Formen der Sklaverei. Deshalb ist er absolut
verboten. Völker, die unter dem Kolonialismus leiden, haben das volle Recht auf Freiheit und
Selbstbestimmung. Es ist die Pflicht aller Staaten und Völker, den Kampf der Kolonialvölker für die
Abschaffung aller Formen von Kolonialismus und Besatzung zu unterstützen, und alle Staaten und
Völker haben das Recht, ihre unabhängige Identität zu wahren und die Kontrolle über ihren Reichtum und ihre natürlichen Ressourcen selber auszuüben.
Artikel 12:
Jeder Mensch hat innerhalb des Rahmens der Scharia das Recht auf Freizügigkeit und freie Wahl
seines Wohnortes, entweder innerhalb oder außerhalb seines Landes. Wer verfolgt wird, kann in
einem anderen Land um Asyl ersuchen. Das Zufluchtsland garantiert seinen Schutz, bis er sich in
Sicherheit befindet, es sei denn, sein Asyl beruht auf einer Tat, die nach der Scharia ein Verbrechen
darstellt.
Artikel 13:
Der Staat und die Gesellschaft garantieren jedem arbeitsfähigen Menschen das Recht auf Arbeit.
Jeder kann frei die Arbeit wählen, die ihm am besten entspricht und die sowohl seinen Interessen als
auch denen der Gesellschaft dient. Der Arbeitnehmer hat das Recht auf Schutz und Sicherheit sowie
auf alle anderen sozialen Garantien. Ihm darf weder eine Arbeit zugewiesen werden, die seine Kräfte
übersteigt, noch darf er in irgendeiner Weise unter Druck gesetzt, ausgebeutet oder geschädigt werden. Er hat - ohne jegliche Diskriminierung aufgrund des Geschlechts - Anspruch auf gerechten und
unverzüglich zu zahlenden Lohn für seine Arbeit, und er hat Anspruch auf Gewährung von Urlaub
und auf verdiente Beförderung. Vom Arbeitnehmer seinerseits wird erwartet, daß er seine Arbeit
gewissenhaft und genau verrichtet. Kommt es zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu Uneinigkeit in irgendeinem Punkt, so greift der Staat ein, um den Streit beizulegen und die Mißstände zu
beseitigen, die Rechte zu bestätigen und der Gerechtigkeit unvoreingenommen Geltung zu verschaffen.
Artikel 14:
Jeder Mensch hat das Recht auf rechtmäßige Einkünfte, sofern sie nicht durch Monopolisierung,
Betrug oder Schaden für sich oder andere erzielt wurden. Wucher (riba) ist absolut verboten.
Artikel 15:
a) Jeder Mensch hat das Recht auf rechtmäßig erworbenes Eigentum, und jeder hat Anspruch auf die
Besitzrechte ohne Nachteil für sich selber, andere oder die Gesellschaft im allgemeinen. Enteignung
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ist verboten, außer wenn ein öffentliches Interesse vorliegt und unverzüglich eine gerechte Entschädigung gezahlt wird.
b) Konfiszierung und Beschlagnahme von Eigentum ist verboten, außer wenn eine gesetzlich definierte Notwendigkeit vorliegt.
Artikel 16:
Jeder hat das Recht, den Erfolg seiner wissenschaftlichen, literarischen, künstlerischen oder technischen Arbeit zu genießen und die sich daraus herleitenden moralischen und materiellen Interessen zu
schützen, vorausgesetzt, daß die Werke nicht den Grundsätzen der Scharia widersprechen.
Artikel 17:
a) Jeder Mensch hat das Recht, in einer sauberen Umgebung zu leben, fern von Laster und moralischer Korruption, in einer Umgebung, die seiner Entwicklung förderlich ist. Es ist Aufgabe des Staates und der Gesellschaft im allgemeinen, dieses Recht zu gewährleisten.
b) Jeder Mensch hat das Recht auf soziale Versorgung und auf alle öffentlichen Leistungen, die der
Staat mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln erbringen kann.
c) Der Staat sichert dem einzelnen das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard, so daß er in
der Lage ist, seine Bedürfnisse und die seiner Familie zu befriedigen. Dazu gehören Nahrung, Kleidung, Wohnung, Erziehung, medizinische Versorgung und alle anderen grundlegenden Bedürfnisse.
Artikel 18:
a) Jeder Mensch hat das Recht auf persönliche Sicherheit, auf Sicherheit seiner Religion, seiner Angehörigen, seiner Ehre und seines Eigentums.
b) Jeder Mensch hat das Recht auf eine Privatsphäre, zu Hause, in der Familie und in bezug auf sein
Vermögen und sein privates Umfeld. Es ist verboten, ihn zu bespitzeln, zu überwachen oder seinen
guten Ruf zu beschmutzen. Der Staat muß den Bürger vor willkürlicher Beeinträchtigung schützen.
c) Die Unverletzlichkeit der Privatwohnung wird gewährleistet. Das Betreten einer Privatwohnung
darf nicht ohne die Erlaubnis der Bewohner oder auf irgendeine ungesetzliche Art geschehen. Die
Wohnung darf weder verwüstet noch beschlagnahmt werden, noch dürfen die Bewohner mit Gewalt
vertrieben werden.
Artikel 19:
a) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Es gibt keinen Unterschied zwischen Herrscher und
Untertan.
b) Jeder Mensch hat das Recht, sich an die Gerichte zu wenden.
c) Die Haftpflicht ist im Allgemeinen an die Person gebunden.
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d) Über Verbrechen oder Strafen wird ausschließlich nach den Bestimmungen der Scharia entschieden.
e) Ein Angeklagter gilt so lange als unschuldig, bis seine Schuld in einem fairen Gerichtsverfahren
erwiesen ist, und er muß sich umfassend verteidigen können.
Artikel 20:
Es ist verboten, jemanden ohne legitimen Grund zu verhaften, seine Freiheit einzuschränken, ihn zu
verbannen oder zu bestrafen. Es ist verboten, jemanden körperlich oder seelisch zu foltern, ihn zu
demütigen oder grausam oder entwürdigend zu behandeln. Ebenso ist es verboten, an einem Menschen ohne dessen Einwilligung oder ohne akute Gefahr für seine Gesundheit oder sein Leben medizinische oder wissenschaftliche Versuche zu unternehmen. Desgleichen ist es verboten, Notstandsgesetze zu verabschieden, durch die ein solches Vorgehen gerechtfertigt würde.
Artikel 21:
Geiselnahme in jeder Form und ganz gleich zu welchem Zweck ist ausdrücklich verboten.
Artikel 22:
a) Jeder Mensch hat das Recht auf freie Meinungsäußerung, soweit er damit nicht die Grundsätze der
Scharia verletzt.
b) Jeder Mensch hat das Recht, in Einklang mit den Normen der Scharia für das Recht einzutreten,
das Gute zu verfechten und vor dem Unrecht und dem Bösen zu warnen.
c) Information ist lebensnotwendig für die Gesellschaft. Sie darf jedoch nicht dafür eingesetzt und
mißbraucht werden, die Heiligkeit und Würde der Propheten zu verletzen, die moralischen und ethischen Werte auszuhöhlen und die Gesellschaft zu entzweien, sie zu korrumpieren, ihr zu schaden
oder ihren Glauben zu schwächen.
d) Es ist verboten, nationalistischen oder doktrinären Haß zu schüren oder irgend etwas zu tun, das in
irgendeiner Weise zu Rassendiskriminierung führen könnte.
Artikel 23:
a) Autorität bedeutet Verantwortung; es ist deshalb absolut verboten, Autorität zu mißbrauchen oder
böswillig auszunutzen. Nur so können die grundlegenden Menschenrechte garantiert werden.
b) Jeder Mensch hat das Recht, sich direkt oder indirekt an der Verwaltung der Staatsangelegenheiten in seinem Land zu beteiligen. Er hat auch das Recht, in Einklang mit den Bestimmungen der
Scharia ein öffentliches Amt zu bekleiden.
Artikel 24:
Alle Rechte und Freiheiten, die in dieser Erklärung genannt wurden, unterstehen der islamischen
Scharia.
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Artikel 25:
Die islamische Scharia ist die einzig zuständige Quelle für die Auslegung oder Erklärung jedes einzelnen Artikels dieser Erklärung.
Kairo, 14 Muharram 1411 AH (5. August 1990)
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PUBLIREPORTAGE
37/2010 l ideaSchweiz 13
Erfolgreich nachhaltige Veränderungsprozesse in Kirchen initiieren und durchführen
Turn around!
In immer mehr Gemeinden wird es immer deutlicher: Es kann nicht mehr so weitergehen wie bisher. Menschen und auch
Gemeinden befinden sich im Umbruch. Was hat Gott mit uns vor? Viele reden von tiefgreifenden Veränderungen, die umgesetzt werden müssten. Doch was genau? Und vor allem: Wie? Wie können die notwendigen Veränderungsprozesse eingeleitet sowie erfolgreich und nachhaltig durchgeführt werden? Wie erkennt man miteinander den Wind von Gottes Geist
und wie setzt man dann die Segel?
Um auf diese Fragen wirkungsvolle Antworten zu finden, hat
sich ein Projektteam intensiv
mit dieser Thematik auseinandergesetzt und ein Angebot für
Pastoren, Pfarrer und ihre Leitungsteams entwickelt.
„Neue
Erfahrungen,
geistliche
Achtsamkeit und systemisches
Denken werden einander dabei so
ergänzen, dass Gemeinden Jesus
Christus so zur Verfügung stehen
können, dass er durch sie in dieser
Welt ‚verkörpert’ wird“, sagt Marc
Nussbaumer, Pfarrer der 3x3
emk-Gemeinde in HunzenschZielsetzung
Der neu konzipierte, zweijährige wil, der seit Juli 2010 teilzeitlich
Studiengang „CAS Turnaround“ als Studienleiter des CAS Turnasoll leitende Personen und ihre rounds arbeitet. „Wo Gemeinden
Leitungsteams in Gemeinden ihren Mittelpunkt Jesus Christus
und Kirchen unterstützen, den überlassen, da werden sie erneuert.
Wandel in der eigenen Organi- Solche Gemeinden habe ich schon
sation als geistlichen Prozess erlebt und ich selber lebe in so einer
zu gestalten und wirkungsvoll mutiger werdenden Gemeinde. Dahinter steckt Jesus Christus selber.
durchzuführen.
Es ist meine Motivation, mich einzusetzen, dass noch mehr Gemeinden • mehrtägige Studienreise
Erfolgreich und nachhaltig
Veränderungsprozesse
in seinem Sinn für die heutige Zeit • Projektbesuche vor Ort
Jetzt anmelden!
in Gemeinden und Kirchen
gestalten
• Intervision, Coaching und
erneuert werden.“
Supervision
Für weitere interessierte Ge• Fachliteraturstudium
meinden besteht die MöglichKonzept
keit, sich in den nächsten zwei
Der Kurs verbindet die aktuelle • Lerntagebuch
Gemeindesituation mit den In- • Begleitete Umsetzung des
Monaten anzumelden. Das
Prozesses in der eigenen
halten der Weiterbildung. Der
Anmeldeformular steht unter
Gemeinde
Veränderungsprozess in der eiwww.cas-turnaround.ch
zum
genen Institution wird individuDownload bereit oder kann per
ell gestaltet und parallel laufend 3, 2, 1 ... los!
Telefon oder Email bestellt werumgesetzt. Coaching und Inter- Das Startmodul (Assessment)
den.
vision unterstützen die Umset- der ersten Durchführung finDer übernächste Start wird
zung in der eigenen Praxis. Das det in rund zwei Monaten statt,
erst nach Abschluss der ersten
Ziel ist, den Prozess in den zwei und zwar vom 12.-14. NovemDurchführung im Sept. 2012 erJahren soweit voranzutreiben, ber 2010. Wir erwarten bis zu 10
folgen.
dass er nach Abschluss des Stu- teilnehmende Gemeindeteams,
dienganges eigenständig weiter sprich rund 40 bis 50 TeilnehWeitere Informationen
umgesetzt werden kann.
mer. Die meisten Anmeldungen
Detaillierte Informationen zum
sind bereits eingetroffen.
Turnaround
CAS Turnaround sind zu finden
unter www.cas-turnaround.ch
oder per Telefon oder Email.
Lernformen
•
10 Kursmodule mit Referenten aus verschiedenen
Kirchen und Gemeinden
Schlusswort
Das positive Echo und die Rückmeldungen aus den verschie-
densten Ecken der Schweiz
stimmen uns sehr zuversichtlich. Wir sind überzeugt, dass die
Thematik “Turnaround” - nachhaltige Veränderungsprozesse
in Gemeinden und Kirchen zu
initiieren und durchzuführen ein sehr wichtiges und aktuelles
Bedürfnis in der kirchlichen
Landschaft darstellt.
Mögen die Impulse dieses Studienganges dazu beitragen, dass
Gemeinden und Kirchen erneuert werden. Turn around! Dreh
um! Wende! Denn: Wer in eine
neue Richtung blickt, kann auch
in eine neue Richtung gehen!
Möge Gott uns viele
Aufbrüche
und
hoffnungsvolle Erneuerungsprozesse
schenken.
Co-Rektor IGW
Partnerschaften
Turnaround
Marc Nussbaumer
Telefon: +41 (0)62 892 23 71
[email protected]
IGW International
Michael Girgis, Mathias Burri
Telefon: +41 (0)44 272 48 08
[email protected], [email protected]
Michael Girgis
Der Studiengang CAS Turnaround wird in Zusammenarbeit mit folgenden Partnern
konzipiert und durchgeführt:
Bund der Evangelischen
Täufergemeinden /
Gemeinden Evangelisch
Prof. Dr. Ralph Kunz, als Mitglied des
IGW International ist edu-
Zentrums für Kirchenentwicklung (ZKE)
Qua-zertifiziert.
Taufgesinnter (ETG)
Weitere Partnerschaften in Abklärung (angefragt).
PUBLIREPORTAGE
10
ideaSchweiz l 14/2008
Kirche und Sozialarbeit
Virtuelle Sozialdiakonie?
«Wenn die Kirchen mehr
leben würden, was sie predigen, dann würden Leute
wie ich auch wieder hinkommen.» In den Kirchen wird
zwar viel unternommen, um
dieser Kritik zu begegnen.
Aber für den grossen Teil der
Gesellschaft ist die gute Nachricht von Jesus Christus, wie
sie von der Kirche verkündet
wird, zu wenig greifbar.
Gleichzeitig gibt es immer mehr
Menschen, die am Rande stehen
und durch die Maschen des Sozialstaates fallen. Die verschiedenen Sozialwerke sind angesichts zunehmender Not und
abnehmender Mittel nicht mehr
in der Lage, genügend Hilfe zu
leisten. Menschen in unserem
Land erhalten zwar finanzielle
Unterstützung, sind aber trotzdem einsam, überfordert, haben
keine
sinnvolle
Beschäftigung
und können auch
grundlegende Herausforderungen
des Lebens nicht
mehr alleine beOlivier
wältigen.
Enderli
Die Erkenntnis
wächst, dass die Kirchen ihre
gesellschaftliche Verantwortung neu wahrnehmen müssen. Hans-Peter Lang, Gründer
und Leiter der Aargauer Stiftung Wendepunkt, moniert,
dass wir «die christlichen
Werte Wahrheit und Fürsorge
– Grundlage des christlichen
Abendlandes – verlassen haben. Die Kirche verkündet zwar
gesellschaftlich relevante Sozialdiakonie, aber diese bleibt
ein rein virtuelles Angebot. Wir
Christen haben unsere Glaubwürdigkeit verloren und zer-
stören so das uns anvertraute
Evangelium, weil wir die Botschaft der Liebe und Gnade
nicht leben.»
Die drei Ur-Aufträge, die den
Zweck der Kirche ausmachen, wollen wieder gemeinsam wahrgenommen werden:
Bezeugung des Evangeliums
(Martyria), die Anbetung Gottes
(Liturgia) und schliesslich der
praktische Dienst am Menschen
(Diakonia). Daraus wächst eine
ganzheitlich aktive, lebendige
Gemeinde, wo der Dienst am
Menschen durch die Menschen
in den Kirchen geschieht und
nicht nur an kirchliche Sozialwerke delegiert wird. Mit diesem Bild vor Augen brechen
Gemeinden auf zu einem neuen Abenteuer von Kirche, die
lebt, was sie predigt.
olivier Enderli, Projektleiter FSSM
IGW und FSSM: eine «sehr wichtige» Partnerschaft
Die Herausforderung packen
Eine Kirche, die ihr sozialdiakonisches Engagement
aufbauen will, sieht sich mit
Herausforderungen konfrontiert, denen vor dem Hintergrund einer rein theologischen Ausbildung schwer
zu begegnen ist. Häufig fehlen Wissen und Erfahrung
für den Aufbau von Behördenkontakten und die Erarbeitung von Betreuungskonzepten. Projekte müssen
geplant, Märkte analysiert,
Businesspläne
entwickelt
und Finanzen beschafft werden. Die Ausbildungspartner
Fachschule für Sozialmanagement (FSSM) und IGW
haben sich das Ziel gesetzt,
Menschen für diesen Dienst
grundlegend und praxistauglich auszubilden.
«Für mich ist die Zusammenarbeit von IGW und FSSM sehr
wichtig. In meiner Ausbildung
am IGW bekam ich die Grundlage, welche Sicht Gott von den
Menschen hat, wie Gemeinde
sein soll und wie wichtig Ge-
meindearbeit ist.
Durch die Kurse
an der Fachschule für Sozialmanagement erkannte ich, wie
die
praktische
Ruedi
Eggenberger Umsetzung der
Theologie
bei
Menschen ausserhalb der Gemeinden aussehen kann. In
dieser Kombination kommen
Worte und Taten in ein Gleichgewicht, das mein Denken und
Handeln befruchtet. Ich will
für mich als Jugendarbeiter
verstehen, wie ich meine Arbeit
effizienter und gesellschaftsrelevanter gestalten kann. Denn
ich bin überzeugt: Mit Worten
allein verändert man keine
Gesellschaft – aber mit aufopfernder Liebe und Hingabe,
wie das Beispiel von William
Booth, Gründer der Heilsarmee zeigt. Oder auf mich als
Vater bezogen: Was bedeutet
meinem Kind mehr? Wenn ich
ihm sage, dass ich es liebe oder
wenn ich es einfach in den Arm
nehme?» Ruedi Eggenberger, Jugendarbeiter der Evangelischen Kirchgemeinde Niederuzwil, ist Absolvent des BA-Studienganges
in der Fachrichtung Sozialdiakonie, die IGW im Jahr 2006 in
Zusammenarbeit mit der Fachschule für Sozialmanagement
lanciert hat.
Cla Gleiser, Studienleiter IGW
Beispiele aus der Praxis
• Chrischona Frauenfeld,
Stiftung Wetterbaum,
www.wetterbaum.ch
• Heilsarmee Huttwil, Beschäftigungsprogramm Leuchtturm,
www.projekt-leuchtturm.ch
• GvC Winterthur, Stiftung
Quellenhof, www.qhs.ch
• Vineyard Bern, DaN,
www.vineyard-dan.ch
• ICF Zürich, Stiftung ACTS,
www.icf.ch/acts.html
• EMK Zürich 4, NetZ4,
www.netz4.ch
IGW bietet mit seinem gemeindeintegrierten und praxisorientierten Modell seit über
15 Jahren neue Ansätze in der
theologischen Ausbildung. Der
Schwerpunkt der neuen Fachrichtung Sozialdiakonie besteht
im Verständnis des Zusammenspiels von Sozialarbeit, Management und Theologie. Studierende im Bachelor-Programm
absolvieren das Grundstudium
(2 Jahre) komplett bei IGW, bevor
sie im Aufbaustudium (3. und 4.
Jahr) Kurse im Bereich Sozialdiakonie bei der Fachschule für Sozialmanagement besuchen und
ein dreimonatiges Praktikum in
einem christlichen Sozialwerk
absolvieren.
Alternativ besteht die Möglichkeit, die zweijährige, berufsbegleitende Weiterbildung zum
„Sozialmanager“ an der Fachschule für Sozialmanagement
zu besuchen. Auch auf diesem
Weg ist es möglich, nachträglich
über IGW einen Abschluss auf
Bachelor-Stufe nachzuholen.
Die Fachschule für Sozialmanagement bietet eine Weiterbildung für Menschen an, die sich
im diakonischen und sozialen
Bereich engagieren, Projekte realisieren oder Führungsverantwortung übernehmen wollen.
Das modular aufgebaute Kursangebot umfasst die Fachbereiche Management, Sozialarbeit und Theologie. Es wird mit
einem Praxiseinsatz abgerundet.
Auch der Besuch einzelner Kurse
als Gasthörer ist möglich.
Gegründet wurde die Schule im
Jahr 2004 von der Stiftung Wendepunkt.
www.igw.edu
www.sozialmanager.ch
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