Diagnostik depressiver Störungen

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Diagnostik
depressiver Störungen
Sebastian Rudolf1, Isaac Bermejo2, Ulrich Schweiger1
Fritz Hohagen1, Martin Härter2
Zusammenfassung
In Deutschland leiden etwa zwölf Prozent der Patienten, die eine Allgemeinarztpraxis aufsuchen, an
einer depressiven Störung. Bei einem Viertel dieser Patienten wird jedoch keine psychische Störung
diagnostiziert. Das klinische Erscheinungsbild der depressiven Störungen ist sehr vielgestaltig und
wird nach ICD-10 klassifiziert. Die Hauptsymptome der depressiven Störungen sind gedrückte, niedergeschlagene Stimmung, Interessenverlust und Antriebsmangel. Hinzutreten können vermindertes
Konzentrationsvermögen, vermindertes Selbstwertgefühl, Suizidgedanken und Schlafstörungen. Die
Erfassung des klinischen Verlaufes der depressiven Störung (einphasige und rezidivierende Depressionen, chronische Depressionen und depressive Anpassungsstörungen) wie auch der psychischen
und somatischen Komorbidität ist wichtig, da sich hierdurch Konsequenzen für Behandlungsverlauf
und Prognose ergeben. Durch die frühzeitige und korrekte Diagnosestellung sowie die qualifizierte
interdisziplinäre Behandlung der Patienten kann das subjektive Leid der Betroffenen häufig deutlich
vermindert und das psychosoziale Funktionsniveau verbessert werden.
Schlüsselwörter: Depression, Diagnostik, Epidemiologie, Differenzialdiagnostik, Komorbidität
Summary
Depression in primary care in Germany
Around twelve per cent of patients who visit their general practitioner in Germany suffer from depressive
illness, yet in a quarter of these cases no psychological diagnosis is made. Depression can present in a
wide range of ways, and is classified according to ICD-10. The cardinal symptoms aredepressed mood,
anhedonia and loss of motivation, but loss of concentration, poor self esteem, suicidal thoughts and
sleep disturbances can also be a feature. The documentation of the clinical course (isolated or recurrent depression, chronic depression and depression related maladjustment) and of comorbidity is important in determining treatment and prognosis. Early accurate diagnosis and competent interdisciplinary treatment can considerably reduce distress and improve psychosocial functioning.
Keywords: depression, diagnosis, epidemiology, differential diagnosis, comorbidity
Frauen sind doppelt so häufig
betroffen. 50 Prozent der
Ersterkrankungen treten bis zum
32. Lebensjahr auf.
1 Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie (Direktor: Prof.
Dr. med. Fritz Hohagen), Universitätsklinikum SchleswigHolstein, Campus Lübeck
2 Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie, Sektion
Klinische Epidemiologie und Versorgungsforschung
(Direktor: Prof. Dr. med. Mathias Berger), Universitätsklinikum Freiburg
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M
it einer Lebenszeitprävalenz von 10 bis 18 Prozent und einer Punktprävalenz von bis zu sieben Prozent gehören depressive Störungen zu den häufigsten Erkrankungen. Frauen sind dabei doppelt so häufig betroffen wie
Männer. Der Zeitpunkt der ersten Erkrankung liegt bei 50 Prozent der Patienten
vor dem 32. Lebensjahr (1). Auch Manifestationen einer depressiven Störung im
Kindes- und Jugendalter sind häufig (2, 3). Erstmanifestationen nach dem 56. Lebensjahr sind mit einem Anteil von zehn Prozent der depressiv Erkrankten selten
(1). Diese Erkrankungen sind aber aufgrund der häufig bei älteren Patienten auftretenden somatischen Komorbidität eine besondere Herausforderung (4).
Bei etwa 50 bis 60 Prozent der betroffenen Patienten ist die depressive Erkrankung die einzige psychische Störung. Bei den übrigen Patienten bestehen häufig
komplexe Komorbiditätsmuster mit weiteren psychischen Störungen. Hierbei stellen diese hinsichtlich der Krankheitsschwere, der psychosozialen Funktionsfähigkeit und der Prognose ungünstige Faktoren dar (5).
Aufgrund der Häufigkeit und Schwere depressiver Störungen zählt die WHO die
affektiven Erkrankungen in ihrem World Health Report 2001 (6) zu den führenden
Ursachen für eine durch Erkrankung verursachte Lebensbeeinträchtigung.
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Grafik
Das klinische Erscheinungsbild der
depressiven Störungen wurde in der
Klassifikation nach ICD-10
systematisiert. In der Grafik werden
Hauptsymptome sowie begleitend
auftretende Zusatzsymptome
angeführt, deren Auftreten je nach
Kombination, Anzahl und
Ausprägung zur Diagnose einer
leichten, mittelgradigen oder
schweren depressiven Störung führt.
Grundvoraussetzung für die
Diagnosestellung einer depressiven
Episode ist das Vorliegen
depressionsspezifischer Symptome
über mindestens zwei Wochen. Bei
leichten bis mittelgradigen
depressiven Episoden sollte bei
entsprechendem klinischen Verdacht
zusätzlich das Vorhandensein
somatischer Zusatzsymptome
erhoben werden.
Diagnose depressiver Episoden nach ICD-10-Kriterien (15)
Der folgende Übersichtartikel befasst sich mit der Diagnostik depressiver
Verstimmungen und depressiver Episoden sowie der differenzialdiagnostischen
Abgrenzung zur depressiven Anpassungsstörung. Bipolare Störungen sind nicht
Gegenstand einer eingehenden Darstellung.
Symptomatik, klinischer Verlauf und Diagnostik
Mindestens jeder zehnte Patient in
der Allgemeinarztpraxis weist eine
Depression auf.
Menschen mit einer depressiven Erkrankung suchen häufig Hilfe bei ihrem Hausarzt,
der erster Ansprechpartner und wichtiger Entscheidungsträger für die Planung und
Durchführung der weiteren Behandlung ist.In Deutschland leiden circa 12 Prozent der
Patienten, die eine Allgemeinarztpraxis aufsuchen, an einer depressiven Störung. Bei
etwa einem Viertel dieser Patienten wird jedoch keine psychische Störung diagnostiziert (3). Die Wahrscheinlichkeit einer nicht gestellten Diagnose ist erhöht bei jungen
Patienten, Männern und Patienten ohne Vorgeschichte einer psychischen Störung.
Mögliche Ursachen einer zu geringen Erkennungsrate sind unter anderem folgende Aspekte:
Patienten sprechen die depressive Symptomatik nicht aktiv an
behandelnde Ärzte fragen nicht aktiv nach, wenden die formalen Diagnosekriterien nicht explizit an oder sehen die Symptomatik durch andere medizinische Störungen ausreichend begründet.
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Die Diagnostik der
unterschiedlichen depressiven
Störungen folgt den Algorithmen
der ICD-10.
Kasten 1
2-Fragen-Test zur Anamnese einer depressiven Erkrankung
„Fühlten Sie sich im letzten Monat häufig niedergeschlagen, traurig, bedrückt oder hoffnungslos?“
„Hatten Sie im letzten Monat deutlich weniger
Lust und Freude an Dingen, die Sie sonst gerne
tun?“
Das Problem einer zu häufigen Diagnostik von Depressionen ergibt sich potenziell bei Patienten, die außerordentlich klagsam sind, aber de facto keine Einschränkung ihrer psychosozialen Funktionsfähigkeit aufweisen (3, 7, 8).
Das klinische Erscheinungsbild der depressiven Störungen ist sehr vielgestaltig
und wurde in der Klassifikation nach ICD-10 systematisiert. Für die Diagnose einer
depressiven Episode ist Grundvoraussetzung, dass depressionsspezifische Symptome über mindestens zwei Wochen bestehen. Entsprechend der Grafik werden drei
Hauptsymptome sowie zusätzlich auftretende Zusatzsymptome angeführt, deren
Auftreten je nach Kombination und Ausprägung zur Diagnose einer leichten, mittelgradigen oder schweren depressiven Störung führen.
Bei leichten bis mittelgradigen depressiven Episoden sollte bei entsprechendem
klinischen Verdacht zusätzlich überprüft werden, ob somatische Zusatzsymptome
vorhanden sind. Bei schweren depressiven Episoden sollten psychotische Zusatzsymptome erfasst werden. Die einzelnen Symptome müssen über eine fundierte
Exploration des Patienten im ärztlichen Gespräch erhoben werden.
Depressive Patienten berichten in der Praxis selten spontan über typische depressive Kernsymptome. Häufig klagen sie über Schlafstörungen, Appetitminderung, allgemeine Kraftlosigkeit oder Schmerzen. Da das frühzeitige Erkennen depressiver Erkrankungen eine wichtige und verantwortungsvolle ärztliche Aufgabe
darstellt, ist gezieltes Fragen für das Erkennen depressiver Symptome sinnvoll.
Eine Möglichkeit der schnellen Erfassung einer depressiven Erkrankung ist der
„2-Fragen-Test“, der mit einer Sensitivität von 96 Prozent ein sehr zeitökonomisches Vorgehen darstellt (Kasten 1):
Werden beide Fragen mit „Ja“ beantwortet, ist die klinische Erfassung der formalen Diagnosekriterien erforderlich, da nur durch die explizite Erfassung aller relevanten Haupt- und Zusatzsymptome eine adäquate Diagnose möglich ist (9).
Hauptsymptome der depressiven Störung
Hauptsymptome der depressiven
Störung: Depressive Stimmung,
Interessenverlust/Freudlosigkeit,
Antriebsmangel/erhöhte
Ermüdbarkeit.
Im Folgenden werden die einzelnen Symptome, die nach ICD-10 zur Diagnostik
einer depressiven Störung erforderlich sind, klinisch beschrieben. Ergänzt wird
diese Beschreibung der Symptomatik durch Beispiele für entsprechende Fragen
im Patientengespräch.
Bei der Erfassung aller depressionsspezifischen Symptome ist die Erfüllung
der Zeitkriterien, „mindestens zwei Wochen Symptomdauer“ und „fast durchgängiges Vorhandensein“, entscheidend.
Kasten 2
Depressive Stimmung
Mögliche Fragen zur Erfassung
einer depressiven Stimmung
Für die Betroffenen ist ihre emotionale Verfassung häufig gekennzeichnet durch
Hoffnungslosigkeit, Niedergeschlagenheit und Verzweiflung, häufig begleitet
durch diffuse Ängste und Gefühle der Verunsicherung. Andere beschreiben zusätzlich oder auch isoliert ein „Gefühl der Gefühllosigkeit“, das die Patienten
als Abwesenheit jeglicher Fähigkeit zur Empfindung von Emotionen charakterisieren. Hierbei können sich Patienten weder über positive Ereignisse freuen,
noch können sie Trauer empfinden.
Dieser Zustand wird als unvergleichbar mit anderen Zuständen seelischen
oder körperlichen Leidens erlebt und stellt eine besondere Belastung dar. Die
Symptomatik kann im Tagesverlauf durchaus Schwankungen unterliegen, klassisch ist ein ausgeprägtes „Morgentief“, das sich dann im weiteren Tagesverlauf
zurückbildet, sodass in den Abendstunden eine deutlich gebesserte Stimmung
vorliegen kann (Kasten 2).
„Haben Sie sich in den letzten zwei Wochen anhaltend niedergeschlagen oder traurig gefühlt?“
„Wenn ja, gab es Zeiten am Tag, an denen Ihre
Stimmung besser oder schlechter war?“ (Morgentief)
Kasten 3
Mögliche Fragen zu
Interessenverlust/Freudlosigkeit
„Haben Sie in der letzten Zeit das Interesse oder
die Freude an wichtigen Aktivitäten (Beruf, Hobby, Familie) verloren?“
„Hatten Sie in den letzten zwei Wochen fast
ständig das Gefühl, zu nichts mehr Lust zu haben?“
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Interessenverlust und Freudlosigkeit
Es gelingt den Patienten nicht, auch früher als angenehm erlebte Aktivitäten und
Hobbies weiter zu verfolgen.
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Kasten 4
Mögliche Fragen zur Anamnese erhöhter
Ermüdbarkeit und Antriebsmangel
„Fühlen Sie sich ständig müde und abgeschlagen?“
„Fällt es Ihnen schwer, die Aufgaben des Alltags
wie gewohnt zu bewerkstelligen?“
Die Fähigkeit, sich an wichtigen Dingen oder Aktivitäten des Alltags zu erfreuen oder daran teilzunehmen, geht verloren. Der Interessenverlust kann sich auf alle Lebensbereiche, also Familie, Freundeskreis, Beruf, aber auch Freizeit, Sport
oder sexuelle Aktivitäten, erstrecken (Kasten 3).
Erhöhte Ermüdbarkeit und Antriebsmangel
Vormals mühelos ausgeübte Aktivitäten in den unterschiedlichsten Bereichen erscheinen den Patienten während der depressiven Phase als ungemein anstrengend
oder als gar nicht zu bewältigen. Das Gefühl einer starken inneren Müdigkeit und
Energielosigkeit lässt jede Aktivität beschwerlich erscheinen.
Die Motivation zur Durchführung selbst einfacher Alltagsaktivitäten, wie Essenszubereitung oder Körperpflege, nimmt ab. Dies wiederum führt oft zu einem
sozialen Rückzug, da auch Kontakte zu anderen Menschen für den Patienten als
belastend erlebt werden. Aber auch der Versuch der vermeintlichen Erschöpfung
durch Entlastung entgegenzuwirken führt aufgrund der häufig auftretenden Ruhelosigkeit und Schlafstörungen nicht zu einer Verbesserung dieses Symptoms (Kasten 4).
Zusatzsymptome der depressiven Störung
Verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit
Kasten 5
Mögliche Fragen zur Erfassung
von verminderter Konzentration und
Aufmerksamkeit
„Haben Sie Schwierigkeiten, sich zu
konzentrieren?“
„Haben Sie Mühe, die Zeitung zu lesen,
fernzusehen oder Gesprächen zu folgen etc.?“
Menschen mit einer Depression fällt es oft sehr schwer, sich zu konzentrieren
und komplexe Sachverhalte zu erfassen. Dieses macht sich unter anderem dadurch bemerkbar, dass die Patienten nicht in der Lage sind, ansonsten alltäglichen Aktivitäten wie Einkaufen, Haushaltsverrichtungen, Zeitungslesen oder
Fernsehen nachzugehen.
Unentschlossenheit und ein verlangsamtes Denken sind weitere Anhaltspunkte für Konzentrationsschwierigkeiten. Patienten befürchten oft, dass sie
aufgrund der von ihnen selbst als qualvoll und behindernd wahrgenommenen
Symptomatik an einer Demenz leiden (Kasten 5).
Kasten 6
Mögliche Fragen zu vermindertem
Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen
„Leiden Sie an fehlendem Selbstvertrauen
und/oder Selbstwertgefühl?“
„Fühlen Sie sich so selbstsicher wie sonst?“
„Hat sich Ihr Selbstvertrauen/Selbstwertgefühl
in der letzten Zeit verschlechtert?“
Vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen
Auch Patienten, die vor Ihrer Erkrankung über ein stabiles Selbstwertgefühl verfügten, erleben im Verlauf einer Depression häufig ein deutlich vermindertes
Selbstwertgefühl, sprechen sich vorher vorhandene positive Eigenschaften und Befähigungen ab und verfügen nur noch über ein sehr begrenztes Selbstvertrauen. Ihre Leistungen und Fähigkeiten bewerten depressiv erkrankte Patienten häufig als
sinn- oder nutzlos und erleben sich dabei als wertlos oder als Belastung für ihr Umfeld (Kasten 6).
Gefühle von Schuld und Wertlosigkeit
Kasten 7
Mögliche Fragen zu Gefühlen von Schuld
und Wertlosigkeit
„Machen Sie sich häufig Selbstvorwürfe?“
„Fühlen Sie sich häufig schuldig für alles, was
geschieht?“
Depressive Denkinhalte umfassen oft Themen wie Schuld, Sünde und Armut
und können sich manchmal bis hin zum Wahn steigern. Es können starke
Schuldgefühle und -gedanken auftreten, die sich sowohl auf vergangene Ereignisse, aktuelle Situationen oder zukünftige Perspektiven beziehen. Lang
zurückliegende Ereignisse können als so schuldbesetzt erlebt werden, dass es
den Betroffenen nur schwer möglich ist, diese „Schuld“ zu ertragen. Auch aktuelle Schwierigkeiten in Beruf und Privatleben werden als Unvermögen interpretiert.
Dieser Eindruck wird häufig unbeabsichtigt durch das soziale Umfeld unterstützt, das häufig auf die Symptomatik der Betroffenen mit gut gemeinten „aufmunternden Worten“, teilweise aber auch mit Unverständnis und Aggression
reagiert (Kasten 7).
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Kasten 8
Mögliche Fragen zur Erfassung negativer
und pessimistischer Zukunftsperspektiven
„Sehen Sie die Zukunft schwärzer als sonst?“
„Haben Sie Pläne für die Zukunft?“
Negative und pessimistische Zukunftsperspektiven
Im Zusammenhang mit den bisher beschriebenen Symptomen erscheint es selbst
aus Sicht von Außenstehenden plausibel, dass depressive Patienten ihre Zukunftsperspektiven sehr pessimistisch betrachten. Entsprechend der negativen Selbstund Weltsicht wird jeder neue Tag als Belastung und die Zukunft als aussichtslos erlebt (Kasten 8).
Kasten 9
Mögliche Fragen zu Suizidgedanken/handlungen
„Geht es Ihnen so schlecht, dass Sie über
den Tod nachdenken oder daran, dass es besser
wäre, tot zu sein?“
„Hatten oder haben Sie konkrete Pläne, sich
etwas anzutun?“
„Haben sie versucht, sich etwas anzutun?“
Wichtig auch:
„Gibt es etwas, was Sie am Leben hält?“
Kasten 10
Mögliche Fragen zur Anamnese von
Schlafstörungen
Suizidgedanken/-handlungen
Bei 80 Prozent der depressiv Erkrankten treten Suizidgedanken auf, bei 15 Prozent
der Betroffenen kommt es zu einem Suizidversuch. Etwa 50 Prozent aller Suizide
werden durch Depressionen verursacht (10). Dies verdeutlicht die Bedeutung der
Thematik Suizidalität bei depressiven Erkrankungen. Die Inhalte der Suizidgedanken reichen von vagen Vorstellungen, dass es „besser sein könnte, nicht mehr da zu
sein“, dem „Wunsch, an einer Krankheit oder durch einen Unfall zu sterben“ bis
hin zur konkreten Ausgestaltung und Planung eines Suizides. Gerade auch in der
abklingenden Depression, wenn die Antriebslosigkeit der Patienten nachlässt, die
depressive Stimmung dagegen noch vorhanden ist, ist eine aufmerksame Begleitung des Patienten erforderlich. Von Gedanken bis zur Handlung ist es oft nicht
sehr weit, sodass die wiederholte direkte und entlastende Erfassung der Suizidalität im gesamten Behandlungsverlauf überaus wichtig ist (Kasten 9).
„Hat sich an Ihrem Schlaf etwas geändert?“
Schlafstörungen
„Schlafen Sie mehr/weniger als sonst?“
Nahezu alle Patienten mit einer Depression berichten von ausgeprägten Schlafstörungen, die bei der Mehrzahl durch Ein- und Durchschlafstörungen gekennzeichnet sind. Bei etwa 10 Prozent der Erkrankten kommt es jedoch zu einer Hypersomnie. Unabhängig von der tatsächlichen Dauer des Schlafes wird dieser häufig als nicht erholsam empfunden (Kasten 10).
Kasten 11
Verminderter Appetit
Mögliche Fragen zur Erfassung von
vermindertem oder verstärktem Appetit
Der Appetitmangel, der von der Mehrheit der depressiven Patienten beschrieben
wird, kann zu einer deutlichen Gewichtsabnahme führen. Hierbei ist ein nicht
intendierter Gewichtsverlust von mehr als fünf Prozent des ursprünglichen Körpergewichts als relevant zu betrachten. Wie auch schon bei den Schlafstörungen
beschrieben, kann es allerdings auch zu einer Appetitsteigerung und damit einhergehenden deutlichen Gewichtszunahme der Patienten kommen (Kasten 11).
„Hatten Sie mehr/weniger Appetit in der letzten Zeit?“
„Haben Sie ungewollt abgenommen?“
Auftreten psychotischer Symptomatik
Kasten 12
Mögliche Fragen zur psychotischen
Symptomatik
„Sind Sie davon überzeugt, dass Sie etwas sehr
Schlimmes getan haben, dass Sie verarmen
oder dass Sie für etwas Schlimmes, das passiert
ist, verantwortlich sind?“
Ein besonderes Warnsignal für den behandelnden Arzt ist das Auftreten einer psychotischen Symptomatik bei depressiven Patienten. Diese tritt bei etwa einem
Drittel der an einer schweren Depression erkrankten Patienten auf. Typische Beispiele sind hierfür ein Verarmungs-, Versündigungs- oder auch ein hypochondrischer Wahn. Differenzialdiagnostisch ist hier zu den bisher beschriebenen Symptomen hervorzuheben, dass die Patienten nicht mehr von der subjektiven Überzeugung bezüglich der Wahninhalte abzubringen sind.Alle Informationsangebote und
gegensätzliche Ausführungen vonseiten der behandelnen Ärzte laufen ins Leere.
Die Mortalität nimmt mit dem Auftreten einer wahnhaften Symptomatik deutlich
zu (11) (Kasten 12).
Auftreten eines somatischen Syndroms
Bei einer leichten und mittelgradigen depressiven Episode können zusätzlich somatische Symptome vorhanden sein (zum Beispiel frühmorgendliches Erwachen,
psychomotorische Hemmung oder Agitiertheit, deutlicher Libidoverlust), die nach
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ICD-10 die Differenzialdiagnose eines somatischen Syndroms ergeben. Die hiermit verbundenen diagnostischen und differenzialdiagnostischen Erwägungen werden im weiteren Verlauf diskutiert.
Klinischer Verlauf
Die Differenzierung in einphasige,
rezidivierende und chronische
depressive Störung ist wichtig für
die adäquate Behandlung.
Hinsichtlich des klinischen Verlaufs der depressiven Störungen ist die Differenzierung zwischen einphasigen oder rezidivierenden Depressionen, chronischen
Depressionen sowie depressiven Anpassungsstörungen wichtig, da die Behandlung
entsprechend abgestimmt werden muss.
Unipolare und bipolare Depressionen
Durch adäquate Behandlung
können Episodenlänge und
Intensität der depressiven
Störungen deutlich reduziert
werden.
Neben dem einmaligen Auftreten einer depressiven Episode treten bei der Mehrzahl der Patienten (55 bis 65 Prozent) im Laufe Ihres Lebens mehrere depressive
Phasen auf (rezidivierende Depression). Bei fünf bis zehn Prozent der Patienten
muss nach dem Auftreten einer depressiven Episode mit der Manifestation einer
manischen Episode im Langzeitverlauf gerechnet werden, sodass die Diagnose einer bipolaren Störung gestellt werden muss. Etwa 75 Prozent der bipolaren Störungen beginnen mit einer depressiven Episode. Die Dichotomie zwischen uni- und
bipolaren Störungen ist allerdings in jüngster Zeit infrage gestellt worden (12).
Die Dauer der einzelnen depressiven Episode beträgt unbehandelt etwa sechs
bis acht Monate. Bei adäquat durchgeführter Therapie (vor allem Psychopharmakotherapie, Psychotherapie) kann die Episodenlänge jedoch deutlich auf zwei bis
vier Monate reduziert und auch die Krankheitsintensität günstig beeinflusst werden. Bei 80 Prozent der Patienten kommt es zu einer Remission der depressiven
Symptomatik innerhalb von zwei Jahren, etwa 20 Prozent zeigen einen chronischen
Verlauf (13).
Chronische Depression
Die chronische Depression wird
unterteilt in:
– Dysthymie (schwächere Symptomausprägung als depressive
Episode) und „double depression“
(Dysthymie plus depressive
Episode)
– länger als zwei Jahre
fortbestehende depressive
Episoden.
Bei etwa 20 Prozent der depressiven Erkrankungen kommt es, insbesondere bei
nicht adäquater Behandlung, zu einem chronischen Verlauf. Unter chronischen
Depressionen werden zusammengefasst (14):
Dysthymie mit schwächerer Symptomausprägung, die allerdings im Verlauf
von zwei Jahren für mindestens 50 Prozent der Zeit besteht, sowie rezidivierende depressive Episoden mit vorausgehender Dysthymie ohne volle interepisodische Erholung („double depression“)
depressive Episoden, die seit mehr als zwei Jahren ohne deutliche Symptomverbesserungen bestehen.
Komorbidität und Differenzialdiagnose
Kasten 13
Differenzial-/Komorbiditätsdiagnose zu
weiteren psychischen Störungen
bipolare Störungen
demenzielle Erkrankungen
Abhängigkeitserkrankungen
Schizophrenie und andere psychotische Erkrankungen
Angst- und Zwangsstörungen
somatoforme Störungen
Essstörungen
Persönlichkeitsstörungen
Depressive Episoden können zusätzlich zu weiteren psychischen Erkrankungen auftreten wie demenziellen Erkrankungen, Abhängigkeitserkrankungen, Schizophrenie und anderen psychotischen Erkrankungen, Angst- und Zwangsstörungen, somatoformen Störungen, Essstörungen und Persönlichkeitsstörungen (15) (Kasten 13).
Das diagnostische Erfassen dieser Komorbidität ist besonders deshalb wichtig, da
sich hieraus wichtige Konsequenzen für Prognose und die konkrete Behandlung ergeben können. Beispielsweise ist es für die Lebensqualität auch eines demenziell erkrankten Patienten entscheidend, ob die bei ihm eventuell vorliegende depressive Erkrankung angemessen behandelt wird. Für differenzialdiagnostische Überlegungen
gilt aber auch, dass das Vorhandensein einer ausschließlich depressiven Stimmung kein
sicherer Hinweis für eine depressive Erkrankung ist. Beispiele sind Trauerreaktionen
nach Verlust des Partners. Bei älteren und multimorbiden Patienten kann die Diagnose erschwert sein, weil Symptome wie gedrückte Stimmung, allgemeine Schwäche oder
Schlafstörungen auch unabhängig von einer Depression auftreten können.
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Kasten 14
Beschwerden, die auf eine depressive
Störung hinweisen können (15)
allgemeine körperliche Abgeschlagenheit,
Mattigkeit, Erschöpfung
Schlafstörungen
Appetitstörungen, Magendruck,
Gewichtsverlust, Obstipation, Diarrhö
Druckgefühl in Hals und Brust, Globusgefühl
Dyspnoe, Tachykardie, Arrhythmie, Synkopen
Schwindel, Sehstörungen, Blasenentleerungsstörungen
Schmerzen jeder Lokalisation (Kopf, Thorax, Abdomen, Muskeln, Gelenke)
Libidostörungen, Zyklusstörungen, Impotenz
Auch bei primär körperlichen
Beschwerden sollte an das mögliche
Vorliegen einer depressiven Störung
gedacht werden.
Kasten 15
Somatische Erkrankungen, die mit
depressiven Störungen assoziiert sein
können
kardiovaskuläre und pulmonale Erkrankungen
(zum Beispiel Myokardinfarkt, Herzinsuffizienz,
COPD, Asthma bronchiale)
metabolische Störungen/Endokrinopathien
(zum Beispiel Diabetes mellitus,
Hypo-/Hyperthyreose, metabolisches Syndrom)
Tumorerkrankungen
muskulo-skeletale Erkrankungen, Kollagenosen
(zum Beispiel Lupus erythematodes)
Erkrankungen des zentralen Nervensystems
(zum Beispiel Epilepsie, Morbus Parkinson)
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Depressive Anpassungsstörung
Die Diagnose einer depressiven Anpassungsstörung ist dann sinnvoll, wenn eine
depressive Störung nicht die diagnostischen Kriterien einer depressiven Episode
erfüllt, aber einen klinisch relevanten Schweregrad erreicht und an einen konkreten auslösenden Belastungsfaktor gebunden ist.
Somatische Komorbidität und weitere Untersuchungen
Sowohl die häufig im Zusammenhang mit einer depressiven Symptomatik geschilderten Symptome wie Herzbeschwerden, Schmerzen, Schwindel- und Kreislaufbeschwerden als auch die häufig auftretende Komorbidität mit somatischen Erkrankungen wie Diabetes mellitus, koronarer Herzerkrankung und metabolischem Syndrom
machen es erforderlich, den Patienten körperlich und, je nach klinischem Befund
durch spezifischere technische Verfahren gründlich zu untersuchen.
Eine depressive Störung sollte aber auch bei primär körperlichen Beschwerden
erwogen werden, da viele Patienten beim ersten Arztkontakt von primär somatischen Beschwerden berichten (Kasten 14). Deshalb muss der Arzt das Vorliegen
depressiver Symptome aktiv erfragen (16). Dies ist nicht nur in Anbetracht der gegebenenfalls anzusetzenden Medikation wichtig. Auch die Erkennung und Behandlung von zugrunde liegenden allgemeinmedizinischen Erkrankungen ist für
die Behandlung depressiver Patienten von größter Bedeutung.
Bei vielen chronischen somatischen Erkrankungen treten gehäuft depressive
Symptome auf oder die somatische Erkrankung führt durch die damit verbundenen
Beeinträchtigungen zu depressiven Symptomen. Diese Komorbidität kann sich
prinzipiell verschieden manifestieren (Härter M, Baumeister H, Bengel J, Hrsg.:
Psychische Störungen bei körperlichen Erkrankungen Berlin: Springer, im Druck)
(Kasten 15):
1. Die körperliche Erkrankung, ihre medikamentöse Behandlung sowie dadurch
verursachte neurobiologische Veränderungen sind der wahrscheinliche
Grund für die depressive Symptomatik (beispielsweise bei Hypo- oder Hyperthyreoidismus, Neoplasmen, Infektionskrankheiten, Behandlung mit Antihypertensiva). Hier steht die Behandlung der somatischen Erkrankung oder die
Modifikation der Medikation im Vordergrund. Die depressive Symptomatik
muss eventuell zusätzlich behandelt werden.
2. Die körperliche Erkrankung ist ein auslösender und/oder aufrechterhaltender
Faktor der depressiven Symptomatik (beispielsweise depressive Verarbeitung
schwerer Erkrankungen, depressive Reaktion auf Belastungen durch die Behandlung, inadäquate Trauerreaktion). Hier ist die parallele Behandlung der
somatischen und depressiven Symptomatik indiziert.
In der Praxis ist eine Trennung somatischer und psychischer Ursachen nicht
sinnvoll. Forschungsergebnisse zum Beispiel aus Studien mit Patienten, die an einem Diabetes mellitus leiden, zeigen, dass der Zusammenhang zwischen objektiver
Krankheitsschwere und der Ausprägung der depressiven Symptomatik nur
schwach ist und eine Einteilung der Symptome in „rein körperlich“ und „rein psychisch“ wissenschaftlich nicht haltbar ist (17).
Behandlungswege
Entsprechend dem Auftreten der beschriebenen Symptomatik, der Intensität
der Symptome wie auch dem individuellen Krankheits- und Therapieverlauf erfordert die Behandlung der Depressionen einen klaren, strukturierten und gegebenenfalls interdisziplinären Behandlungsablauf, wie er zum Beispiel in Rahmenkonzepten der integrierten Versorgung modellhaft entwickelt wurde (18).
Hinsichtlich der detaillierten inhaltlichen Darstellung der therapeutischen Optionen in der Behandlung der Depression wird auf die Versorgungsleitlinien (15)
sowie an deren Weiterentwicklung durch die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde.(DGPPN) unter Einbindung aller re⏐ Jg. 103⏐
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levanten Fachgesellschaften und Berufsverbände auf die S3-Leitlinien beziehungsweise nationale Versorgungsleitlinie in Zusammenarbeit mit dem Ärztlichen Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) verwiesen. Darüber hinaus wurde im Rahmen des Programms „Gesundheitsziele für Deutschland“
(www.gesundheitsziele.de) eine Formulierung von spezifischen Zielen und Maßnahmen zur Prävention und Behandlung von Depressionen erarbeitet.
Fazit
Depressive Störungen sind durch
qualifizierte Diagnostik und
Therapie gut behandelbar.
Manuskript eingereicht: 15. 3. 2006, revidierte Fassung
angenommen: 10. 5. 2006
Die Autoren versichern, dass kein Interessenkonflikt im
Sinne der Richtlinien des International Committee of
Medical Journal Editors besteht.
❚ Zitierweise dieses Beitrags:
Dtsch Arztebl 2006; 103(25): 1754-62.
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Die Diagnostik der depressiven Störungen spielt eine überaus wichtige Rolle im
praktischen Alltag der klinisch tätigen Ärzte. Es handelt sich bei diesen Störungsbildern um häufig auftretende, aber auch gut behandelbare Erkrankungen, die spezifische Anforderungen an die diagnostischen und therapeutischen Qualifikationen des behandelnden Arztes stellen.
Durch die frühzeitige und korrekte Diagnosestellung und die qualifizierte, auch
vom primär behandelnden Hausarzt eingeleitete und vermittelte, interdisziplinäre
Behandlung des Patienten, kann das subjektive Leid der Betroffenen vermindert
und das psychosoziale Funktionsniveau verbessert werden.
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13. Kennedy N,Abbott R, Paykel ES: Remission and recurrence of depression in the maintenance era: longterm outcome in a Cambridge cohort. Psychol Med
2003; 33: 827–38.
14. Rush AJ, Koran LM, Keller MB, Markowitz JC et al.:
The treatment of chronic depression, part 1: study
design and rationale for evaluating the comparative
efficacy of sertraline and imipramine as acute, crossover, continuation, and maintenance phase therapies. J Clin Psychiatry 1998; 59: 589–97.
15. Härter M, Bermejo I, Schneider F, Kratz S et al.: Versorgungsleitlinien zur Diagnostik und Therapie depressiver Störungen in der hausärztlichen Praxis.
Z ärztl Fortbild Qualsich 2003; 97 (Suppl 4): 16–35.
16. Härter M: Ätiologie psychischer Störungen bei chronischen körperlichen Erkrankungen. Rehabilitation
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17. Simon GE, Von Korff M: Medical comorbidity and validity of DSM-IV depression criteria. Psychol Med
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18. Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) (Hrsg.): Rahmenkonzept – Integrierte Versorgung Depression. Nervenarzt 2005; 76: 103–25.
Anschrift für die Verfasser:
Dr. med. Sebastian Rudolf
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
Ratzeburger Allee 160
23538 Lübeck
E-Mail: [email protected]
⏐ Jg. 103⏐
⏐ Heft 25⏐
⏐ 23. Juni 2006
Deutsches Ärzteblatt⏐
Weitere Informationen
Versorgungsleitlinien für depressive
Störungen in der Allgemeinpraxis:
www.dgppn.de/leitlinien/pdf/Versorgungsleitlini
en-depression.pdf
„Gesundheitsziele für Deutschland“:
www.gesundheitsziele.de
Leitlinienthemen und fachspezifische
Leitlinienanbieter
zusammengestellt vom Ärztlichen Zentrum für
Qualität in der Medizin:
www.leitlinien.de
Programm für Nationale
Versorgungsleitlinien
Leitlinien werden zurzeit erstellt. Zusätzlich findet man „Informationen von Patienten für Patienten" sowie ausgewählte Links und zusätzliche
Informationen zum Umgang mit dem Thema Depression unter:
www.versorgungsleitlinien.de/patienten/patien
ten/depressioninfo
Kompetenznetz Depression
Hier finden sich weiterführende Informationen
auch für Betroffene und Angehörige sowie das
regionale Angebot des „Bündnis gegen
Depression“:
www.kompetenznetz-depression.de
A 1761
M E D I Z I N
Fragen zur zertifizierten Fortbildung (nur eine Antwort pro Frage ist jeweils möglich,
zu suchen ist dabei die am ehesten zutreffende Antwort)
Frage 1:
Welche Aussage zur Prävalenz depressiver Störungen trifft zu?
a) Die Lebenszeitprävalenz beträgt 5 Prozent.
b) Die Lebenszeitprävalenz beträgt 10 bis 18 Prozent.
c) Die meisten Patienten erkranken erst im höheren Alter.
d) Kinder und Jugendliche sind fast nie betroffen.
e) Die Punktprävalenz depressiver Störungen beträgt maximal 2 Prozent.
Frage 2:
Welche Aussage hinsichtlich der Epidemiologie der depressiven Störungen trifft zu?
a) Von einer depressiven Störung sind meist ältere Männer betroffen.
b) Erstmanifestationen nach dem 60. Lebensjahr sind die Regel.
c) Frauen erkranken doppelt so häufig an einer depressiven Störung.
d) Männer und Frauen erkranken gleich häufig.
e) Der Häufigkeitsgipfel der depressiven Störungen liegt in der 2. Lebensdekade.
Frage 3:
Welche Aussage zur Komorbidität der depressiven Störungen mit anderen
psychischen Störungen trifft zu?
a) Bis zu 50 Prozent der Patienten mit einer depressiven Störung leiden unter weiteren
psychischen Störungen.
b) Komorbide Erkrankungen beeinflussen den Verlauf günstig.
c) Die Therapie ist bei begleitenden psychischen Erkrankungen so erfolgreich wie bei einer ausschließlich depressiven Störung.
d) Die Chronifizierung der depressiven Störung ist unabhängig von der Komorbidität.
e) Substanzabhängigkeiten treten fast nie bei Menschen mit depressiven Störungen auf.
Frage 4:
Welche Aussage zur Diagnostik der depressiven Störung trifft zu?
a) Depressive Patienten berichten häufig spontan von depressiven Symptomen.
b) Screeningverfahren sind für die hausärztliche Praxis ungeeignet, da sie zu zeitaufwendig sind.
c) Screeningverfahren reichen aus, um eine eindeutige Diagnose zu stellen.
d) Schlafstörungen, Appetitverlust und Schmerzen werden häufig von depressiven Patienten als Grund für den Arztbesuch genannt.
e) Das klinische Erscheinungsbild der depressiven Störungen ist jederzeit und eindeutig
zu erkennen.
Frage 5:
Welche Aussage zu den Symptomen der depressiven Störungen trifft zu?
a) Interessenverlust und Freudlosigkeit gehören zu den Hauptsymptomen der depressiven Störungen.
b) Nur wenn alle Hauptsymptome vorhanden sind, darf die Diagnose einer depressiven
Störung gestellt werden.
c) Die Dauer des Vorliegens der Symptome ist unerheblich.
d) Die Symptome müssen den ganzen Tag über kontinuierlich vorhanden sein.
e) Die Zusatzsymptome wie zum Beispiel Schlafstörungen und Appetitverlust belasten
den Patienten nicht.
Frage 6:
Welche Aussage zur Diagnosestellung einer depressiven Störung trifft zu?
a) Der Schweregrad der Störung wird nicht erfasst.
b) Die Diagnosekriterien müssen für eine Dauer von mindestens 2 Wochen erfüllt sein.
c) Somatische Komorbidität schließt die Diagnose einer depressiven Störung aus.
d) Es darf keine Tagesschwankungen der depressiven Symptomatik geben.
e) Die Diagnose kann nur durch einen Facharzt erfolgen.
Frage 7:
Welche Aussage zum klinischen Verlauf der depressiven Störungen trifft
zu?
a) Die Therapie beeinflusst die Dauer der depressiven Episode nicht.
b) Die Therapie hat keinen Einfluss auf eine mögliche Chronifizierung der depressiven
Störung.
c) Bei der Mehrzahl der Patienten treten mehrere depressive Episoden im Laufe Ihres
Lebens auf.
A 1762
d) Die Dauer einer unbehandelten depressiven Episode ist nur unwesentlich länger als
unter adäquater Therapie.
e) Die Unterteilung in verschiedene Verlaufsformen ist für die Behandlung ohne größere Bedeutung.
Frage 8:
Welche Antwort zur Differenzialdiagnose der depressiven Störung ist
richtig?
a) Das Vorliegen einer anderen psychischen Erkrankung schließt das Vorliegen einer depressiven Störung aus.
b) Eine depressive Störung sollte auch bei körperlicher Beschwerdesymptomatik erwogen werden.
c) Eine depressive Anpassungsstörung (z.B. Trauerreaktion) ist gleichbedeutend mit einer depressiven Störung.
d) Eine gedrückte Stimmung ist pathognomonisch für eine depressive Störung.
e) Frühere depressive Episoden sind kein Hinweis auf das mögliche erneute Vorliegen
einer depressiven Störung.
Frage 9:
Welche Antwort zur somatischen Komorbidität ist richtig?
a) Somatische Erkrankungen sind stets unabhängig von psychischen Erkrankungen zu
betrachten.
b) Die Behandlung der somatischen Grunderkrankung ist bei begleitender depressiver
Störung vollkommen ausreichend.
c) Es ist für die Behandlung der depressiven Störung unabdingbar, die ätiologischen
Faktoren zu kennen.
d) Die Behandlung einer depressiven Störung sollte auch bei Vorliegen einer somatischen Grunderkrankung in die Behandlungsplanung integriert werden.
e) Bei einer depressiven Störung als „Reaktion“ auf eine somatische Grunderkrankung
ist eine medikamentöse Therapie unnötig.
Frage 10:
Welche Antwort zu den Zusammenhängen von somatischen Erkrankungen
und depressiven Störungen ist richtig?
a) Die medikamentöse Therapie einer somatischen Behandlung hat keinen Einfluss auf
eine begleitende depressive Störung.
b) Eine depressive Störung sollte erst nach Behandlung der somatischen Behandlung
erfolgen.
c) Die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist unnötig, wenn man die somatische Ursache
einer depressiven Störung kennt.
d) Bei depressiver Verarbeitung einer somatischen Erkrankung ist eine medikamentöse
Therapie der Depression kontraindiziert.
e) Die bekannte Komorbidität von depressiven und somatischen Erkrankungen macht
es erforderlich, depressive Patienten auch bezüglich somatischer Erkrankungen zu
untersuchen.
Wichtiger Hinweis
Die Teilnahme an der zertifizierten Fortbildung ist ausschließlich
über das Internet möglich: www.aerzteblatt.de/cme
Einsendeschluss ist der 4.August 2006
Einsendungen, die per Brief oder Fax erfolgen, können nicht berücksichtigt werden.
Die Lösungen zu dieser cme-Einheit werden in Heft 33/2006
an dieser Stelle veröffentlicht.
Die cme-Einheit „Leitsymptom Juckreiz“ (Heft 21/2006)
kann noch bis zum 7. Juli 2006 bearbeitet werden.
Für Heft 28–29/2006 ist das Thema „Diagnostik und Therapie des Aszites“ vorgesehen.
Lösungen zur cme-Einheit in Heft 17/2006
May A: Diagnostik und moderne Therapie der Migräne.
1/b, 2/c, 3/e, 4/b, 5/e, 6/c, 7/e, 8/c, 9/a, 10/a
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⏐ 23. Juni 2006
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