12 Medizin Nerv eingeklemmt? Neurochirugische Therapie macht wieder mobil Dr. UNIV. FERRARA Walter Demmel Facharzt für Neurochirurgie Neurochirurgische Gemeinschaftspraxis Dr. Aldini und Dr. Demmel im Klinikum Fürstenfeldbruck Die häufigsten Nervenschädigungen entstehen durch Einengungen am Hand­ gelenk (Karpaltunnelsyndrom) und am Ellenbogen (Kubitaltunnelsyndrom). Diese beiden Syndrome können heute über kleinste Hautschnitte endoskopisch operiert werden. Darüber hinaus existieren eine ganze Reihe von Engpass-Syndromen verschiedenster Nerven an Armen, Beinen oder auch in der Leiste. Diese treten zwar seltener auf, können aber ebenfalls zu schweren Lähmungen, Gefühlsstörungen oder starken Schmerzen führen. Wenn hier eine Operation notwendig wird, kommt meistens das OP-Mikroskop zum Einsatz. Das Karpaltunnelsyndrom entsteht, wenn der Mittelnerv (nervus medianus) durch ein Bindegewebsband unterhalb des Handgelenks eingeschnürt wird. Die Monitorbild einer endoskopischen Nerven­ freilegung: Gut erkennbar die Bindegewebs­ brücken, die sich über den Nerven spannen Hand schläft dann besonders nachts­­ immer häufiger ein und es kommt zum ­wiederholten Aufwachen und zum typischen „Ausschütteln“ der Hand. Im weiteren Verlauf wird es immer schwieriger, Hemden zuzuknöpfen oder im Geldbeutel nach Münzen zu greifen. Beim Kubitaltunnelsyndrom liegt die Engstelle im Bereich des Ellenbogens und betrifft den Ellennerv (nervus ulnaris). Die Gefühlsstörungen treten hier im Gegensatz zum Karpaltunnelsyndrom hauptsächlich am Kleinfinger und an der inneren Handkante auf. Im fortgeschrittenen Stadium kann es zu Lähmungen der Handmuskulatur und zu einer „Krallenstellung“ der Finger kommen. Muss immer gleich operiert werden? Mit Sicherheit nicht! Solange keine dauerhaften neurologischen Ausfälle vorliegen, kann in jedem Fall versucht werden, die Beschwerden durch Schonung, Ruhigstellung des Gelenks und je nach Anforderung auch medikamentös zu behandeln. Erst wenn alle diese Maßnahmen keine Besserung bringen, sollte eine OP erwogen werden. Während das Karpaltunnelsyndrom be­­ reits seit mehreren Jahren „minimalinvasiv“ endoskopisch operiert werden kann, musste für die Nervenfreilegung am Ellenbogen bis vor einigen Jahren ein relativ langer Hautschnitt durchgeführt werden. Dank moderner endoskopischer Instrumente reicht heute ein Schnitt von 1,5 cm Länge, um den Nerv auf einer Strecke von über 20 cm freilegen zu können. Beide Eingriffe können normalerweise ambulant durchgeführt werden, Komp­ likationen treten äußerst selten auf. Unabhängig von der OP-Methode, ob offener oder endoskopischer Eingriff, verschwinden die Nervenschmerzen und die unangenehmen Missempfindungen meist innerhalb kurzer Zeit. Wenn es aber vor der OP schon zu Taubheitsgefühl und Lähmungserscheinungen gekommen ist, können Monate vergehen, bis sich diese Ausfälle wieder zurückbilden. Ganz ähnlich verhält es sich bei den weniger häufigen Engpass-Syndromen wie zum Beispiel der so genannten Meralgia paraesthetica. Hierbei verursacht ein am Leistenband eingeklemmter Hautnerv brennende Missempfindungen, die sich bis hin zu heftigsten Schmerzen an der Vorderseite des Oberschenkels entwickeln können. Hilfe auch bei durchtrennten Nerven Das Spektrum der Nervenchirurgie umfasst aber auch die operative Entfernung von Nerventumoren und die Versorgung von Nervenverletzungen. Für die Wiederherstellung durchtrennter Nerven müssen bisweilen aufwändige Nerventransplantationen in mehrstündigen Operationen durchgeführt werden. Die Wiederherstellung von Nerven, zum Beispiel nach Glasschnittverletzungen oder anderen Verletzungsarten, gehört zu den anspruchsvollsten Aufgaben des Nervenchirurgen. Oft ist es aufgrund des Verletzungsmusters nicht möglich, einen durchtrennten Nerv sofort zu nähen. In diesen Fällen wird die Rekonstruktion des Nervs erst einige Wochen oder sogar Monate nach dem Unfall vorgenommen. In der Regel verwendet man dann so genannte Spendernerven, die aus einem oder beiden Beinen des Patienten entnommen werden, um den fehlenden Teil des betroffenen Nervs zu überbrücken. Hierbei kommen zwangsläufig OP-Mikroskope zum Einsatz, da die verwendeten Nadeln und Fäden so dünn sind, dass sie mit bloßem Auge fast nicht mehr zu erkennen sind. Nach erfolgreicher Wiederherstellung des Nervs dauert es allerdings noch bis zu zwei Jahre bis der „neue“ Nerv in die alte Nervenhülle eingewachsen ist und dessen Funktionen übernommen hat – für die betroffenen Patienten eine harte Geduldsprobe! visavis – Patientenzeitschrift des Klinikums Fürstenfeldbruck Akademisches Lehrkrankenhaus der LMU München