Nerv (1,8 MiB)

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medizin report
innovation
Nervenverletzungen - Mikrochirurgie
kann dauerhafte Schäden vermeiden
Mit feinstem Instrumentarium rekonstruieren Chirurgen heute verletzte Nervenbahnen
und verhindern dadurch häufig anhaltende Lähmungen.
U
nfallbedingte größere Nervenverletzungen sind heute vor
allem bei Motorradfahrern sehr
häufig", meint Privatdozent Dr.
Graf. Ob Oberarm- und Schädelfrakturen, Brüche im Ellenbogenbereich oder Handverletzungen -in
vielen Fällen sind die dort verlaufenden Nerven mit betroffen.
Selbst die Entfernung von Weisheitszähnen oder eine Nadelpunktion zwecks Gewebeentnahme
durch den Arzt kann zu Nervenverletzungen führen.
Neben Gefühlsverlusten, die, wenn
sie klein sind, nicht behandelt
werden, sind vor allem Bewegungsausfälle aufgrund von Muskellähmungen eine schwere Belastung
für den Patienten. So kann bei der
Schädigung des Gesichtsnervs
Nervus facialis infolge einer
Schädelverletzung die betroffene
^Eine_elektrpneurqgra
-phische .Untersuchung
des Nervus medianus an
der rechten Hand zur Bestimmung
der
Nervenleit-geschwindigke
it. Die Kurven zeigen
einen Normalbefund
Gesichtshälfte dauerhaft herabhängen. Die Gesichtsmuskeln
dieser Seite sind dann gelähmt,
und auch das Auge der betroffenen Seite kann nicht mehr richtig
geschlossen werden.
in diesem Gebiet den verletzten
Arm über sechs Wochen bis maximal drei Monate, ob es Anzeichen
für eine selbständige Regeneration
gibt. Auch bei anderen geschlossenen Nervenverletzungen warten
die Ärzte erst einmal ab. Ist der
„Bei der DiagnoseArmnerv nicht vollständig
stellung in der Klinik ist
durchtrennt, ist eine
es wichtig, zunächst die
selbständige Heilung
Stelle und den Grad der
möglich. Bei einer sicheren
Nervenschädigung so
Durchtrennung des Nervs ist
genau wie möglich zu
im Gegensatz dazu eine
bestimmen", erklärt
sofortige Operation erPriv.-Doz. Dr. med.
Privatdozent Dr. Graf.
forderlich.
Peter Graf,
Wichtigste Hilfsmittel
Oberarzt in der Abt.
für Plastische und Erschien es zu Beginn dieses
sind hierbei die neuroWiederherstellungs- Jahrhunderts unmöglich, dem
logische Untersuchung
chirurgie am Kliniund das Befragen des
kum rechts der Isar verletzten Nerv seine
der Technischen Funktion zurückzugeben,
Patienten. Neben dem
genauen Unfallhergang, Universität München haben die Chirurgen seit den
der Kraft- und Bewegungsprüfung
60er Jahren ihre Möglichkeiten mit
sowie der Lage der Brüche geben
der Mikrochirurgie erheblich
dann vor allem neurologische
erweitern können. Wenn der
Meßmethoden entscheidende
durchtrennte Nerv unter
Hinweise. Der Nervenarzt
mikroskopischer Sicht mit
bestimmt mit dem
modifizierten UhrmacherwerkElektromyogramm (EMG) die
zeugen genäht werden kann, so
elektrische Reizbarkeit der von
kommt es in bis zu 80 Prozent der
den verletzten Nerven versorgten
Fälle zu einer teilweisen Erholung
Muskeln und mit der
der Funktion.
elektroneu-rographischen
Untersuchung (ENG) die
Der Muskel wartet nicht
Nerven-Leitgeschwin-digkeit
ewig auf den Nerv
(NLG) der betroffenen Nerven
bzw. Nervenäste.
Die Grenzen der Nervenchirurgie
erklären sich unterdessen aus der
Nach der sicheren Diagnose wird
Biologie des Nervs. „Ist der Nerv
nicht jede Nervenverletzung
erst einmal durchgerissen, geht der
sofort operativ versorgt. Nervenkörperfern liegende Teil unoperationen im Hals-Arm-Nervenwiderruflich zugrunde", erklärt
geflecht beispielsweise sind sehr
Privatdozent Dr. Graf. Dieser Vorkompliziert und benötigen oft
gang heißt Waller'sche Degenesieben bis acht Stunden Operaration. Gleichzeitig wächst der
tionsdauer. Deshalb beobachten
die Chirurgen bei Schädigungen
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körpernah gelegene Nerventeil
mit einer Geschwindigkeit von
ein bis drei Millimeter pro Tag in
Richtung des zugrundegegangenen
Anteils aus, bis schließlich der zu
versorgende Muskel erreicht ist.
Der Muskel „wartet" jedoch nicht
unbegrenzt auf den erneuten Nervenanschluß. Nach der Durchtrennung der versorgenden Nerven
verliert er zunehmend an Dicke, er
atrophiert, da er nicht mehr
jenutzt wird. Deshalb kommt es
zum Wettlauf mit der Zeit.
Schafft es der Nerv nicht, innerhalb von eineinhalb bis zwei
Jahren durch Wachstum wieder
Anschluß an den Muskel zu bekommen, ist dies nie mehr möglich, da der Muskel unterdessen
zu stark verkümmert ist. „Als
Faustregel gilt für die Arm- und
Beinnerven: Nervendefekte über
20 Zentimeter Länge haben eine
sehr schlechte Prognose, so daß
man in der Regel hier keine
Nervenrekonstruktion mehr durchführt", betont Privatdozent Dr. Graf.
Die Nervenchirurgen aus der
Plastischen Chirurgie greifen in
diesen Wachstumsprozeß helfend
ein. Der körperfern der Verletzung
gelegene Nervenanteil ist zwar
nicht mehr zur Leitung von Erregungen an den Muskel geeignet,
dient jedoch für den intakten Anteil
als Schiene zum Auswachsen. Das
Zusammennähen beider Nervenanteile mit einer speziellen Nervennaht ermöglicht dem Nerv,
Bestimmung der
Nerven-leitgeschwindigkeit
Der Nerv wird vor der Schädigungsstelle mit einem kurzen
elektrischen Stromstoß gereizt. Gleichzeitig wird die
erwartete Muskelantwort hinter der Schädigungsstelle gemessen.
Dazu wird je ein Paar Meßelektroden vor und hinter der vermuteten Verletzung aufgesetzt.
Mit einer Reizelektrode wird der
Stromstoß ausgelöst und die
dadurch hervorgerufene
Muskelantwort gemessen,
verstärkt und in einer Kurve
festgehalten.
gezielt in den degenerierten Anteil
einzusprießen.
Der Chirurg orientiert sich beim
richtigen Aneinanderfügen der
Nerven dabei sowohl an der Größe
der Nervenbündel als auch an den
Gefäßen, die die Nerven mit Nährstoffen versorgen, so daß die einander entsprechenden Anteile auch
wirklich zusammengenäht werden.
Wurde bei der Verletzung der Nerv
so stark geschädigt, daß er nicht
mehr nähbar ist, schließen die
Chirurgen ein Nervenstück meist
aus einem entbehrlichen Unterschenkelnerv (Nervus suralis) des
Patienten zur Überbrückung an. In
neuester Zeit werden auf kurzen
Strecken Silikonröhrchen und Venen zur Schienung des defekten
Nervs verwendet.
Bei allen chirurgischen Eingriffen
am Nerv stellt die mikrochirurgische Nervennaht heute nach wie
vor die Methode der Wahl zur Versorgung von Nervenverletzungen
vor allen anderen Möglichkeiten
der Nervenzusammenfügung
(Koap-tation) wie Fibrinklebung
oder Laseranheftung dar ■
medizin report 23
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