Achtsamkeitspraxis von PsychotherapeutInnen

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Mag. Gerhard Wasner
Achtsamkeitspraxis von PsychotherapeutInnen
Auswirkungen auf die therapeutische Relationalität
in der Integrativen Therapie
Master Thesis zur Erlangung des akademischen Grades “Master of Science”
im Universitätslehrgang Psychotherapie (Integrative Therapie 1)
Department für Psychotherapie und Biopsychosoziale Gesundheit
an der Donau-Universität Krems
ACHTSAMKEITSPRAXIS
VON PSYCHOTHERAPEUTINNEN
AUSWIRKUNGEN AUF DIE THERAPEUTISCHE RELATIONALITÄT
IN DER INTEGRATIVEN THERAPIE
Master Thesis zur Erlangung des akademischen Grades
Master of Science
im Universitätslehrgang Psychotherapie (Integrative Therapie 1)
von
Mag. Gerhard Wasner, Oberer Plattenweg 61C, 8043 Graz
Department für Psychotherapie und
Biopsychosoziale Gesundheit
an der Donau-Universität Krems
Graz, 12.12.2014
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG
Ich, Mag. Gerhard Wasner, geboren am 11.04.1972 in Leoben erkläre,
1. dass ich meine Master Thesis selbständig verfasst, andere als die angegebenen
Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt und mich auch sonst keiner unerlaubten
Hilfen bedient habe,
2. dass ich meine Master Thesis bisher weder im In- noch im Ausland in irgendeiner
Form als Prüfungsarbeit vorgelegt habe,
3. dass ich, falls die Arbeit mein Unternehmen (Klinik, Beratungszentrum…) betrifft,
meinen Arbeitgeber über Titel, Form und Inhalt der Master Thesis unterrichtet und
sein Einverständnis eingeholt habe.
Graz, 12.12.2014
...............................................
.......................................................
Ort, Datum
Unterschrift
2
Meiner Familie gewidmet
3
ABSTRACT
Die vorliegenden Arbeit geht der Frage nach wie die therapeutische Beziehung durch
Achtsamkeitspraxis von PsychotherapeutInnen beeinflusst wird und zwar aus der
Sicht der TherapeutInnen. Im theoretischen Teil wird eine Übersicht über die für
Achtsamkeit relevanten Konzepte der Integrativen Therapie gegeben, mit einem
Fokus auf die Phänomenologie Merleau-Ponty’s. Diese wird der buddhistischen
Phänomenologie gegenübergestellt um die Kompatibilität der beiden Meta-Theorien
zu
diskutieren,
sowie
Gemeinsamkeiten
und
Unterschiede
von
Bewusstseinsmodellen. Die Entwicklung buddhistischer Psychologie mit den
wesentlichen Konzepten und seiner Migration von den Wurzeln in den Westen wird
dargelegt um die heutige Minfulness-Bewegung in Relation mit ihren ursprünglichen
Wesenszügen setzen zu können. Nach Definitionen des Achtsamkeitsbegriffs aus
klassisch
buddhistischer
und
klinisch
therapeutischer
Sicht
werden
die
zeitgenössischen Implementierungen achtsamkeitsbasierter Behandlungsprogramme
vorgestellt, ergänzt um achtsamkeitsinformiertes Herangehen für TherapeutInnen,
ergänzt um den aktuellen Forschungsstand zum Thema Achtsamkeit. Der empirische
Teil zeigt die Ergebnisse der 8 Experteninterviews mit ihren Implikationen für die
therapeutischen Wirkfaktoren, die förderlichen und kritisch zu hinterfragenden
Auswirkungen auf die therapeutische Beziehung, sowie Einflüsse auf Settingfragen,
Fragen zu spirituellen Interventionen und Religionsfreiheit ebenso wie Aspekte der
Qualitätssicherung. Abschließend werden die Ergebnisse der Interviews, sowie
Forschungsansätze und Übersetzungen von Achtsamkeitskonzepten in den
klinischen Alltag kritisch diskutiert. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass
sich Achtsamkeitspraxis von PsychotherapeutInnen förderlich auswirkt, sowohl für
die therapeutische Beziehung, die KlientInnen als auch für die TherapeutInnen
selbst.
Stichworte für die Bibliothek:
Achtsamkeit, Geistestraining, Meditation, Therapeutische Beziehung, Phänomenologie
4
Inhaltsübersicht
1! Einleitung .......................................................................................... 10!
1.1! Übersicht ........................................................................................................ 10!
1.2! Fragestellung der Arbeit ................................................................................. 11!
2! Theorie .............................................................................................. 12!
2.1! Modelle und Positionen der Integrativen Therapie ......................................... 12!
2.1.1! Intersubjektivitätsprinzip,
Ko-Respondenz,
Wahrnehmen,
Erkenntnis ................................................................................................. 13!
2.1.2! Relationalitätsmodalitäten ......................................................................... 15!
2.1.3! Die Perichorese im Integrationsprozess ................................................... 17!
2.1.4! Wirkfaktoren .............................................................................................. 19!
2.1.5! Phänomenologie ....................................................................................... 21!
2.1.6! Komplexes Bewusstsein ........................................................................... 25!
2.1.7! Komplexe Achtsamkeit.............................................................................. 28!
2.1.8! Verhältnis von Psychotherapie und Spiritualität, Religion, Esoterik .......... 29!
2.2! Buddhismus und Achtsamkeit ........................................................................ 30!
2.2.1! Von den Wurzeln in den Westen............................................................... 30!
2.2.1.1! Wurzeln und Verbreitung des Buddhismus ................................................................... 31!
2.2.1.2! Lehrreden und Große Meister ....................................................................................... 36!
2.2.1.3! Buddhismus und Yoga................................................................................................... 37!
2.2.1.4! Rezeption des Buddhismus im Westen ......................................................................... 39!
2.2.2! Säkularer Buddhismus .............................................................................. 42!
2.2.3! Phänomenologie und Buddhismus ........................................................... 47!
2.2.4! Grundlagen buddhistischer Psychologie – die vier »edlen«
Wahrheiten ................................................................................................ 52!
2.2.4.1! Die 1. »edle« Wahrheit vom Leiden............................................................................... 53!
2.2.4.1.1! Die Fünf Daseinsgruppen (skandhas) .................................................................. 53!
2.2.4.2! Die 2. »edle« Wahrheit von den Ursachen des Leidens................................................ 54!
2.2.4.2.1! Die drei Charakteristiken aller Phänomene .......................................................... 54!
2.2.4.2.2! Die unheilsamen Geistesfaktoren (kilesas) .......................................................... 55!
2.2.4.2.3! Karma und Wiedergeburt ..................................................................................... 56!
5
2.2.4.2.4! Die zwölf Glieder des Abhängigen Entstehens .................................................... 58!
2.2.4.3! Die 3. »edle« Wahrheit vom Ende des Leidens............................................................. 58!
2.2.4.4! Die 4. »edle« Wahrheit vom Pfad, der zum Ende des Leidens führt ............................. 60!
2.2.4.4.1! Die heilsamen Geistesfaktoren (sobhana) ........................................................... 60!
2.2.4.4.2! Der Achtfache Pfad .............................................................................................. 61!
2.2.5! Achtsamkeit............................................................................................... 64!
2.2.5.1! Definitionen .................................................................................................................... 64!
2.2.5.2! Achtsame Moment sind ................................................................................................. 67!
2.2.5.3! Klassisches Achtsamkeitstraining – die vier Grundlagen von Achtsamkeit ................... 67!
2.2.5.4! Verortung von Achtsamkeit innerhalb der buddhistischen Psychologie ........................ 71!
2.3! Achtsamkeit und Psychotherapie ................................................................... 72!
2.3.1! Gemeinsamkeiten und Unterschiede ........................................................ 73!
2.3.1.1! Im Tree of Science......................................................................................................... 73!
2.3.1.2! Das Konzept des Selbst ................................................................................................ 74!
2.3.2! Achtsamkeitsbasierte Verfahren für KlientInnen ....................................... 76!
2.3.2.1! Kognitive Verhaltenstherapie ......................................................................................... 76!
2.3.2.1.1! MBSR ................................................................................................................... 76!
2.3.2.1.2! MBCT ................................................................................................................... 77!
2.3.2.1.3! DBT ...................................................................................................................... 79!
2.3.2.1.4! ACT ...................................................................................................................... 80!
2.3.2.2! Achtsamkeit in der Therapie lehren ............................................................................... 83!
2.3.3! Achtsamkeitsforschung und Evidenzen .................................................... 85!
2.3.3.1! Forschungsstand ........................................................................................................... 88!
2.3.3.2! Operationalisierung........................................................................................................ 91!
2.3.3.3! Instrumente zur Messung von Achtsamkeit ................................................................... 91!
2.3.3.4! Neuro-Biologie der Meditation ....................................................................................... 93!
2.3.3.4.1! Kognitive Veränderungen ..................................................................................... 94!
2.3.3.4.2! Autonome Veränderungen ................................................................................... 94!
2.3.3.4.3! Neurobiologische Veränderungen ........................................................................ 94!
2.3.3.4.4! Mitgefühl, Liebende Güte (metta) und Neuroplastizität ........................................ 96!
2.3.3.4.5! Forschungsausblick .............................................................................................. 98!
2.3.4! Achtsamkeitspraxis für TherapeutInnen.................................................... 98!
2.3.4.1! Therapiebeziehung als stärkster Wirkfaktor .................................................................. 99!
2.3.4.2! Achtsamkeit als Training für therapeutische Relationalität .......................................... 100!
2.3.4.3! Behandlung von Depressionen.................................................................................... 104!
3! Empirie ............................................................................................ 108!
3.1! Forschungsfrage .......................................................................................... 108!
3.2! Methodik ....................................................................................................... 108!
6
3.2.1! Datenerhebung ....................................................................................... 108!
3.2.2! Auswertung ............................................................................................. 109!
3.3! Ergebnisse ................................................................................................... 113!
3.3.1! Beschreibung der InterviewpartnerInnen ................................................ 113!
3.3.1.1! Erfahrungshintergrund in der Psychotherapie ............................................................. 113!
3.3.1.2! Inhaltliche Ausrichtungen in der Psychotherapie ......................................................... 114!
3.3.1.3! Erfahrungshintergrund in der Meditationspraxis .......................................................... 114!
3.3.1.4! Inhaltliche Ausrichtungen in der Meditationspraxis...................................................... 115!
3.3.1.5! Arbeitsfelder in der Praxis............................................................................................ 116!
3.3.2! Welche
der
14
Wirkfaktoren
der
IT
werden
durch
Achtsamkeitspraxis gefördert .................................................................. 116!
3.3.2.1! 1. Einfühlendes Verstehen, Mitgefühl, Empathie: ........................................................ 118!
3.3.2.2! 2. Emotionale Annahmen und Stütze, Akzeptanz, Selbstakzeptanz ........................... 119!
3.3.2.3! 7. Förderung leiblicher Bewusstheit, Selbstregulation und psychophysischer
Entspannung................................................................................................................ 120!
3.3.2.4! 4. Förderung des emotionalen Ausdrucks und der Willenskraft .................................. 121!
3.3.2.5! 3. Hilfe bei der praktischen Lebensbewältigung .......................................................... 122!
3.3.2.6! 5. Förderung von rationaler Einsicht und Sinnerleben................................................. 123!
3.3.2.7! 6. Förderung von Beziehungsfähigkeit und kommunikativer Kompetenz .................... 123!
3.3.2.8! 8. Förderung von Lernmöglichkeiten, Lernprozessen und Interessen......................... 124!
3.3.2.9! 9. Förderung kreativer Erlebnis- und Gestaltungsmöglichkeiten ................................. 124!
3.3.3! Auswirkungen von Achtsamkeitspraxis auf die therapeutische
Beziehung ............................................................................................... 124!
3.3.3.1! Unmittelbare Wahrnehmung ........................................................................................ 126!
3.3.3.2! Vertiefte Beziehung ..................................................................................................... 128!
3.3.3.3! Verringertes Kontrollbedürfnis ..................................................................................... 130!
3.3.3.4! Entspannter Arbeitsmodus .......................................................................................... 131!
3.3.3.5! Angstreduktion ............................................................................................................. 133!
3.3.3.6! Abgrenzungsthematik .................................................................................................. 134!
3.3.3.7! Modellwirkung .............................................................................................................. 136!
3.3.3.8! Verbesserte Defusion .................................................................................................. 137!
3.3.3.9! Retreaterfahrungen...................................................................................................... 138!
3.3.4! Einfluss auf Settingfragen ....................................................................... 140!
3.3.4.1! Finanzielle Unabhängigkeit.......................................................................................... 140!
3.3.4.2! Therapiedauer ............................................................................................................. 142!
3.3.4.3! professionelle Netzwerke............................................................................................. 144!
3.3.5! Religiöse Aspekte ................................................................................... 144!
3.3.5.1! Religionsfreiheit gewährleistet ..................................................................................... 145!
3.3.5.2! Erfahrungsbasiert ........................................................................................................ 147!
7
3.3.5.3! Spiritualität ................................................................................................................... 149!
3.3.6! Übungen mit KlientInnen ......................................................................... 150!
3.3.6.1! Atemmeditation ............................................................................................................ 152!
3.3.6.2! Bodyscan ..................................................................................................................... 153!
3.3.6.3! Defusionstechniken ..................................................................................................... 154!
3.3.6.4! Meditation .................................................................................................................... 155!
3.3.6.5! Buddhistische Techniken ............................................................................................. 156!
3.3.7! Qualitätssicherungsaspekte .................................................................... 157!
3.3.7.1! verbessertes Selbstmanagement ................................................................................ 158!
3.3.7.2! Abgrenzungsthematik .................................................................................................. 159!
3.3.7.3! Meditation als Basisübung ........................................................................................... 159!
4! Diskussion ....................................................................................... 161!
4.1! Ergebnisse ................................................................................................... 161!
4.1.1! Positive Effekte ....................................................................................... 161!
4.1.2! Kritische Aspekte .................................................................................... 163!
4.1.2.1! Spirituelle Interventionen ............................................................................................. 163!
4.1.2.2! Interpretation von »Nicht-Anhaften« ............................................................................ 165!
4.1.2.3! Eigene Bedürfnisse...................................................................................................... 166!
4.1.2.4! Interventionen noch nicht systematisiert...................................................................... 166!
4.1.2.5! Abgrenzung vs. Alles ist verbunden ............................................................................ 167!
4.2! Buddhismus und Psychotherapie ................................................................. 168!
4.2.1! Was zuerst - Meditation oder Therapie? ................................................. 168!
4.2.2! Destination »Nirwana«: Flight cancele .................................................... 170!
4.2.3! Divergenzen im Selbst-Konzept .............................................................. 170!
4.2.4! Kulturelle Sensibilität und Würdigung ..................................................... 171!
4.2.4.1! Entwicklung des Dharma ............................................................................................. 171!
4.2.5! Positionierung der Integrativen Therapie ................................................ 172!
4.2.5.1! Aufeinander zugehen................................................................................................... 172!
4.2.5.2! Bewusstseinsmodelle .................................................................................................. 172!
4.2.5.3! EMBI ............................................................................................................................ 173!
4.2.6! Legitimation der TherapeutInnen im Spannungsfeld zwischen
Buddhismus und säkularem therapeutischen Kontext ............................ 174!
4.2.7! Reduktion auf den rationalen Aspekt ist unvollständig und
kontraindiziert .......................................................................................... 175!
4.3! Achtsamkeitsforschung ................................................................................ 177!
4.3.1! Methodik.................................................................................................. 177!
8
4.3.2! Ausblick ................................................................................................... 178!
4.4! Fazit ............................................................................................................. 178!
4.4.1! Achtsamkeitspraxis als „Spirituelle Intervention“ oder „wertvolle
Grundlage“
und
„Beitrag
zur
Qualitätssicherung“
von
Psychotherapie? ..................................................................................... 178!
5! Verzeichnisse .................................................................................. 180!
5.1! Literaturverzeichnis ...................................................................................... 180!
5.2! Abbildungsverzeichnis ................................................................................. 187!
6! Anhang ............................................................................................ 190!
6.1! Profilmatrix – Zitate zu den Codes ............................................................... 190!
6.2! Codesystem mit Originalzitaten ................................................................... 190!
6.3! Profilmatrix – Häufigkeiten ........................................................................... 190!
9
1 Einleitung
Die
vorliegende
Masterthese
ist
der
Fragestellung
gewidmet,
inwieweit
Achtsamkeitspraxis von PsychotherapeutInnen zur klinischen Praxeologie der
Integrativen Therapie theoretisch kompatibel und empirisch valide ist. In anderen
Bereichen der Psychotherapie ist die Achtsamkeitsmeditation bereits empirisch gut
abgesichert, bis hin zu ihrer naturwissenschaftlicher Fundierung. Ist Achtsamkeit eine
„spirituelle Intervention“ oder kann sie als säkulare, phänomenologisch verortete
Interventionsform auf Seiten der PsychotherapeutInnen zu einer verbesserten
therapeutischen Relationalität beitragen? Das Verhältnis von Achtsamkeit im Kontext
von Psychotherapie, Religion und Spiritualität wird offen und kritisch reflektiert.
1.1 Übersicht
Im ersten Teil wird ein Überblick über Grundpositionen der Integrativen Therapie
gegeben, sowie deren Positionierung zum Thema komplexe Achtsamkeit, komplexes
Bewusstsein und spirituelle Interventionen. Die Phänomenologie von Merleau-Ponty
als eine Leit-Meta-Theorie der Integrativen Therapie wird vorgestellt. Der folgende
Abschnitt über Achtsamkeit und Buddhismus gibt eine Verortung im Raum-ZeitKontinuum des untersuchten Gegenstandes und zeichnet die Entwicklungswege der
Achtsamkeit zu Grunde liegenden Philosophien von ihren Ursprüngen im alten Indien
bis in den heutigen Westen nach. Die säkulare Position Stephen Batchelor dem
Buddhismus gegenüber wird ebenso dargelegt, wie die Gegenüberstellung der
buddhistischen Phänomenologie mit der Merleau-Ponty’s. Um die im Westen
angewandten und empirisch untersuchten Aspekte rund um Achtsamkeit zu ihren
Wurzeln und den auf sie bezogenen Konstrukte zuordnen zu können, wird ein
Überblick über den Abidhamma, das Kompendium der buddhistischen Psychologie
gegeben, welches auch eine Grundlage für die Diskussion darstellt. Schließlich gibt
das Kapitel über Achtsamkeit und Psychotherapie Auskunft über klinisch
therapeutische
Implementierungen
und
Interventionsformen,
sowie
deren
Beforschung. Im zweiten Teil wird die in dieser Arbeit durchgeführte empirisch
qualitative Forschung mit ihren Ergebnissen dargestellt, um im dritten Teil die
Diskussion der Ergebnisse anzuschließen, sowie eine achtsamkeitsorientierte
Integrative Therapie kritisch weiterzudenken.
1.2 Fragestellung der Arbeit
Es soll mit dem empirischen Forschungsteil der Masterthese die Frage beantwortet
werden
»Inwiefern
beeinflusst
die
Achtsamkeitspraxis
von
PsychotherapeutInnen die intersubjektive Ko-Respondenz - aus Sicht der
PsychotherapeutInnen«.
Nicht also Wirksamkeit auf Seiten der KlientInnen nach achtsamkeitsbasierten
Interventionen ist der Fokus, sondern der Einfluss auf die therapeutische
Relationalität auf TherapeutInnen-Seite durch einen achtsamkeitsinformierten
Ansatz.
Die abwechselnd gewählte männliche bzw. weibliche Form steht jeweils pars pro
toto, wechselt je nach Kontext und stellt keine Bewertung des jeweils anderen
Geschlechts dar.
11
2 Theorie
2.1 Modelle und Positionen der Integrativen Therapie
"Integrative Therapie ist als Methode wissenschaftlicher Psychotherapie ein
psychotherapeutischer
Ansatz,
der
auf
die
wissenschaftlichen
Grundlagen
integrativer Therapietheorien und Methodik rekurriert. Es handelt sich hierbei um ein
interaktionales, therapeutisches Verfahren, das neben dem verbalen Austausch auch
Ansätze nonverbaler Kommunikation, sowie kreative Methoden, Techniken und
Medien
mit
einbezieht.
Das
Ziel
ist
Heilungsprozesse
bei
psychischen,
psychosomatischen und psychosozialen Erkrankungen in Gang zu setzen,
Besserungen von seelischen Leidenszuständen zu erwirken, sowie Beseitigung von
Krankheitssymptomen zu erreichen. Die Neuorganisation des Denkens, Erlebens
und Verhaltens des Patienten wird mittels therapeutischen Kontakts, Begegnung und
Beziehung unter Bearbeitung aktueller Lebensprobleme, Netzwerksituationen sowie
unbewusster
Konflikte
erreicht,
wobei
einer
sorgfältigen
Handhabung
der
Gegenübertragung besondere Bedeutung zukommt.“ (Leitner, 2010)
Der Weg der Integrativen Therapie war schon immer eine fundierte Theorie, kreative
Behandlungsmethodik, eine wertschätzende Grundhaltung, solide Ausbildung von
PsychotherapeutInnen, Qualitätskontrolle durch Ausbildungsforschung und durch
empirische Wirksamkeitsstudien.
Petzold (2002b) formuliert folgende Prämissen für diesen Ansatz: „Eine differentielle
und
integrative
therapeutische
Arbeit
mit
Menschen
in
kurativer,
gesundheitsfördernder, persönlichkeitsentwickelnder und kulturkritischer Zielsetzung
und Absicht erfordert eine vierfache Fundierung:
1. Fundierung durch den ernsthaften Willen, sich für Menschen mit diesen
Zielsetzungen zu engagieren;
2. Absicherung
durch
Grundpositionen
fachlich
zu
solide
ausgearbeitete
Erkenntnistheorie,
philosophische
Anthropologie,
Ethik,
Gesellschaftstheorie;
3. Fundierung durch kontinuierlichen Bezug auf aktuelle Ergebnisse empirischer
Forschung aus den klinisch relevanten Referenzwissenschaften (z. B.
Psychotherapieforschung, Biologie, Neurosciences, Psychologie, Soziologie);
12
4. Legitimation durch die Bereitschaft, die eigenen Positionen durch Forschung
und den fachlichen Diskurs der „scientific and professional community“
überprüfen und diskutieren zu lassen, um die aufgrund solcher Polyloge
erforderlichen Revisionen vorzunehmen.“
Wenn schon nicht Revisionen, so sind manchmal zumindest Inklusionen von
angrenzenden und mit dem IT Tree of Science kompatiblen Disziplinen erforderlich,
auch wenn das Sprachspiel ein anderes sein mag, als es jenes der Integrativen
Therapie ist. Das Sprachspiel der buddhistischen Psychologie ist ein solches, wie
gezeigt
werden
kann,
auf
konzeptueller
und
phänomenologischer
Ebene
kompatibles.
Das
hohe
Interesse
in
den
letzten
Jahren
an
der
neurobiologischen,
evidenzbasierten, Erforschung von meditativen Zuständen (Hanson, 2010; Hilbrecht,
2010; Siegel, 2007; Lutz, Dunne & Davidson 2007; Singer, 2008) bezieht sich u.a.
auf die oben genannte 3. Prämisse.
2.1.1 Intersubjektivitätsprinzip,
Ko-Respondenz,
Wahrnehmen,
Erkenntnis
Wenn wir uns die Frage stellen, wie denn die Erkenntnis von „Welt“ entsteht, seien
es die kranken Welten oder, wie es Ziele des therapeutischen Prozesses sein soll,
gesunde Welten, so positioniert sich die Integrative Therapie im Rahmen ihrer
erkenntnistheoretischen Ausrichtung (Metatheorien des „Tree of science“) zum einen
phänomenologisch-struktural
–
im
Sinne
von
Merleau-Ponty
–
und
(tiefen)hermeneutisch – im Sinne von Paul Ricoer. Das bedeutet, die menschliche
Erkenntnis
ist
sozialkonstruktivistisch,
im
Rahmen
komplexer
sozialer
Interaktionsprozesse, zwischen erkennenden Subjekten, also dem Prinzip der
Intersubjektivität folgend, im Verlauf des Lebenskontinuums und den jeweiligen
Lebenskontexten
konstruiert
und
konstituiert.
Eine
Wechselwirkung
von
Erkennenden und Erkannten, dem Prozess der Ko-Respondenz. Merleau-Ponty’s
Ausrichtung legt den Erkenntnisprozess „vom Leibe her, Sinn aus den Sinnen
schöpfend“. Damit ist eine Erkenntnisweise dargelegt, die sich primär auf die
biologischen und sozialen Wahrnehmungsfunktionen des Menschen beziehen. Was
die Frage nach der „Wahrheit der Wirklichkeit“ (Petzold, S404) aufwirft.
13
Die
Antworten auf diese Fragen werden im Rahmen der intersubjektiven Ko-Respondenz
in der IT über zwei Wege entwickelt: Zum einem ist da der Weg „Von den
Phänomenen (Symptomen, Verhaltensweisen) zu den Strukturen (dahinterstehend,
biographisch
determiniert)
zu
den
Entwürfen
(Weiterführung
biografischer
Strukturen)“, zum anderen der Weg „von der Ko-Respondenz zum Konsens, zu
Konzepten, zu einer Kooperation“. Dabei ist es wichtig, dass Erkenntnis nicht ohne
„Erkenntnisinteressen“ im Sinne Habermas geschieht, sondern unter Wahrung der
Integrität der Beteiligten geschehen muss - zur geteilten Wirklichkeit werdend. Dies
führt zu einer Erweiterung der Phänomenologie um eine Tiefenhermeneutik des
Subjekts und der Gesellschaft „vom Leibe her, vom Bewusstsein, von der Sozialität
her“ (Petzold, 1992a, 2003a).
Abbildung 1: Die hermeneutische Spirale: Wahrnehmen, Erfassen, Verstehen, Erklären und ihre metahermeneutische
Überschreitung
des
Erklärens
durch:
Diskursanalyse,
Dekonstruktion,
transversale
Mehrebenenreflexion (Petzold, 2003)
Die zentrale Annahme des integrativen Menschenbildes ist also, dass wir uns als
Menschen nur im Kontext der Sozialität entwickeln können. Wir werden nur Mensch
durch den Mitmenschen. Alles Leben ist Kommunikation. Durch das „Du und Ich“
entsteht ein „Wir“. „Subjektivität ist dann immer intersubjektiv gegründet. … [die]
Subjekt-Subjekt-Beziehung wird daher zur Grundlage der intersubjektiven KoRespondenzen und ist ein durchgreifendes Leitkonzept der Integrativen Therapie“
(Leitner, 2010, S. 188).
14
Ko-Respondenz ist in der IT sowohl ein Prinzip als auch Methode für Erkenntnis. Das
„Ko“ deutet darauf hin, dass wir andere Mit-Subjekte benötigen um zu Erkenntnis und
deren Integration in die Persönlichkeit zu gelangen. Dieses Prinzip kommt in jeder
menschlichen Interaktion zum Tragen, in unserem Fall speziell in der Praxeologie der
therapeutischen/behandlerischen Beziehungen. Der Therapeut muss in der Lage
sein, je nach Situation den Kontakt mit dem Patienten, die Begegnungen und die
therapeutische Arbeitsbeziehung unter Berücksichtigung der Komplexität des
Therapiekontextes, zu gestalten. Dabei ist es wichtig, dass die Therapeutin die
Intersubjektivität der Interventionen so steuern kann, dass es dem Klienten die
Freiheit und Selbstregulation ermöglicht um die Selbstkonstituierung des Subjekts zu
fördern. Es geht dabei um einen wechselseitigen Austausch dessen was gerade
anfällt, im Hier und Jetzt der Therapiesituation. Was ist in der Präsenz der
Gegenwart gerade Thema? Ein Thema der Klientin, ein Thema bezogen auf die
Beziehung zwischen Therapeutin und Klient?
Abbildung 2: Dimensionen der Relationalität (Petzold, 2003)
2.1.2 Relationalitätsmodalitäten
Als
Menschen
sind
wir
mit
einer
grundlegenden
Begegnungs-
und
Beziehungsfähigkeit ausgestattet, die im Sozialisationsprozess entwickelt und
15
entfaltet werden muss. Da Therapeuten immer auch mit gestörten Formen von
Begegnungs- und Beziehungsfähigkeit konfrontiert sind, soll hier ein Überblick über
mögliche Formen der Relationalität gegeben werden um im Behandlungsprozess
besser entscheiden zu können, auf welcher Ebene korrektiv angesetzt werden kann.
•
Konfluenz - Verschmelzung mit dem Mutterleib und der Welt
„Die vorgeburtliche Verschmelzung mit dem Mutterleib. „Konfluenz ist die
unabgegrenzte Daseinsform des Menschen, das Verschmolzensein
in totaler
Koexistenz, wie sie einerseits in ihrer originären Form die Embryonalzeit
kennzeichnet, in der die Flut der Propriozeptionen und Exterozeptionen noch
nicht durch differenzierende Wahrnehmung strukturiert wird, die das eigene vom
anderen
scheidet,
und
wie
sie
andererseits
in
Ganzheits-
und
Verschmelzungserfahrungen positiver und pathologischer Art von Erwachsenen
erlebt werden kann“ (Petzold, 2003, S. 794).
•
Kontakt – der Mensch berührt mit seinen Sinnen die Welt
„Kontakt ist im wesentlichen ein Prozess leiblich konkreter, differenzierender
Wahrnehmung, der das Eigene von Fremdem scheidet, die Dinge der Welt
unterscheidet und durch die Stabilisierung einer Innen-Außen-Differenz die
Grundlage der Identität schafft“ (Petzold, 2003, S. 794).
•
Begegnung – Der Mensch erkennt sein Gegenüber
„Begegnung ist ein wechselseitiges empathisches Erfassen im Hier und Jetzt
geteilter Gegenwart, bei dem die Begegnenden im frei entschiedenen
Aufeinanderzugehen ganzheitlich und zeitübergreifend ein Stück ihrer Geschichte
und ihrer Zukunft aufnehmen und in einen leiblichen (d.h. körperlich-seelischgeistigen) Austausch treten, eine Berührtheit, die ihre ganze Subjekthaftigkeit
einbezieht. Begegnung ist also ein Vorgang, in dem sich Intersubjektivität
lebendig und leibhaftig realisiert“ (Petzold, 2003, S. 795)
•
Beziehung – entsteht durch vertiefte Begegnungen
„Beziehung ist in die Dauer getragene Begegnung, eine Kette von Begegnungen,
die
neben
gemeinsamer
Zukunftsperspektive
Geschichte
einschließt,
weil
die
und
frei
geteilter
Gegenwart
entschiedene
eine
Bereitschaft
vorhanden ist, Lebenszeit miteinander in verläßlicher Bezogenheit zu leben“
(Petzold, 2003, S. 796).
16
•
Bindung – Mit Treue vertiefte Beziehung in Zeit und Qualität
„Bindung entsteht durch die Entscheidung, seine Freiheit zugunsten einer
freigewählten Gebundenheit einzuschränken und eine bestehende Beziehung
durch
Treue,
Hingabe
und
Leidensbereitschaft
mit
der
Qualität
der
Unverbrüchlichkeit auszustatten“ (Petzold, 2003, S. 797).
Die
Entwicklung
der
Relationalitätsmodalitäten
entwicklungspsychologischer
Prozess
der
auch
ist
ein
Störungen
und
lebenslanger
schädliche
Entwicklungen annehmen kann wie z.B. maligne Abhängigkeit und Hörigkeit.
Daher kommt der Entwicklung therapeutischer Relationalität besonderes Augenmerk
zu.
2.1.3 Die Perichorese im Integrationsprozess
„Die Geschichte der Wissenschaft ist reich an Beispielen dafür, wie fruchtbar es ist,
zwei Sätze an Techniken, zwei Sätze an Ideen, die in unterschiedlichen
Zusammenhängen im Streben nach neuer Wahrheit entwickelt wurden, miteinander
in Berührung zu bringen“ (Oppenheimer, J.R., zit. nach Hanson et al. 2010, S. 22)
Methodenintegration im Sinne der Integrativen Therapie ist dann zulässig, wenn die
zu Grunde liegenden Konzepte strukturell zueinander kompatibel sind und sich in
den „Tree of Science“ (Petzold, Petzold) eingliedern lassen. Dieser ist ein formales
Modell, eine metahermeneutische Folie, um systematische Reflexion, Diskussion und
- wo immer notwendig und möglich Psychotherapie
zu
ermöglichen.
forschungsgestütze Erweiterung von
Die
Möglichkeit
der
Integration
achtsamkeitsbasierter Behandlungstechniken in das Verfahren der Integrativen
Therapie sei hier argumentiert:
Da wir Menschen, und das war Aristoteles bereits bewusst, an die Gemeinschaft
gebunden sind – wir sind zoon politicon, sind wir Sozialisationsprozessen
unterworfen, eine komplexe Vielzahl an Internalisations-, Identifizierungs- und
Integrationsprozessen gestaltet uns, unseren Geist, unser Denken, Fühlen,
Bewerten: „Mensch wird man durch Mitmenschen“ (Petzold, 1996, S. 385-392).
Integration (von lat. Integer = ganz, vollständig, unverletzt) bedeutet –
allgemein gesehen -, das Zusammenfassen unterschiedlicher oder auch
gegensätzlicher Elemente zu einem übergeordneten Ganzen bzw. das Lösen
17
von Aufgaben auf einer höheren Strukturebene durch Prozesse, in denen
sinnvolle Verbindungen und konsistente Vernetzungen geschehen. … Dies
geschieht in einer Art und Weise, dass Einzelfakten sich zu übergeordneten
Zusammenhängen
verbinden,
die
oftmals
die
etablierten
Grenzen
überschreiten und die Qualität eines Neuen haben. Dieses Neue macht
wiederum Akte der Differenzierung, Integration und Kreation möglich – eine
spiralige Fortbewegung, die beständig neue Zusammenfügungen schafft,
neue Formen gebiert und genau in diesem Geschehen Sinn und Freiheit
aufleuchten lässt. Sinn läßt sich hier als horizontaler Sinn bestimmen, als das,
was Zusammenhänge schafft und Einzelphänomene, die am Horizont des
Bewußtseins auf der „Lichtung“ auftauchen, zusammenbindet. So können
Bedeutungen gewonnen, für den Menschen Orientierungen möglich werden,
Richtungen (sens) und Ordnungen entstehen, an deren Rändern und in deren
Zeitigung allerdings Bewegungen sich ankündigen und erkennbar werden.
Diese Bewegungen verweisen auf einen vertikalen Sinn in einem noch nicht
durch horizontale Strukturen geordneten Freiraum, ein kreatives Chaos
vielleicht, das aber nicht sinn-los ist, sondern schöpferische Matrix aller
möglichen Ordnungen und allen Sinnes. Hier liegt der ultimative Ort der
Freiheit, die ihrem Wesen nach das Schöpferische ist und sich nur in
Freiräumen artikulieren kann. … Dies alles kann in uns eine unbändige
Sehnsucht nach Überschreitung wecken und einen Impetus, nach Erfüllung
dieser Sehnsucht zu suchen – ein Leben lang -, denn nur in der
schöpferischen Überschreitung liegt Freiheit. (Petzold, 1970c)
Die kompakte Definition ist hier bewusst fast vollständig wiedergegeben, da sie alle
notwendigen
Argumente
für
Integrationsprozesse
in
der
Entwicklung
von
Therapiemethoden einschließt. Liest man den Text nämlich nicht mit dem Fokus
„schöpferische Integration im Menschen“, sondern, angewandt auf die Integrative
Therapie selbst, als „schöpferische Integration in der Entwicklung der Integrativen
Therapie“, also Teil einer Perichorese – einer umfassenden Durchdringung - so soll
es Ziel der vorliegenden Arbeit sein „neue Richtungen und Ordnungen, neuen Sinn“
innerhalb der IT zu erschließen, spiralförmig, mit „horizontaler“ Kreativität, in Freiheit.
So ist dies ein Beitrag die „etablierten Grenzen“ der IT zu überschreiten und
Elemente, die zwar aus einem anderen Kulturkreis stammen, jedoch strukturell
kompatibel sind, mit noch unbekannten Sprachspielen, „sinnvoll zu verbinden“ um
18
ein „Neues“ - innerhalb der IT - zu schaffen, das wiederum „Akte der Differenzierung,
Integration und Kreation“ möglich macht. Die IT ist im Umfeld der französischen
Philosophie der 1960er und 1970er entstanden, weil sich ihr Begründer zu dieser
Zeit an diesem Ort aufgehalten hat und diese Denkweisen integrierte. So befindet
sich der Autor dieser Arbeit in einer anderen Zeit an einem anderen Ort und integriert
andere Denk- und Seinsweisen.
Petzold (1996) weist auch darauf hin, dass es bei immer komplexer werdenden
wissenschaftlichen
Erkenntnissen
notwendig
werden
könnte
eine
„Wissenschaftsethik“ - eine „Ethik des Integrierens“ einzuführen. Bewertungen zu
schaffen, welcher Integrationsprozess zu wie viel Komplexitätsproduktion führt und
ob es nicht darum gehen müsste auf Komplexitätsproduktion zu verzichten. Nun ist
Achtsamkeitsmeditation von ihrem Wesen her ein Verfahren, ein Herangehen, das
die Komplexität nicht erhöht, sondern per se reduziert, auf das Gewahrsein des
Augenblicks, die Akzeptanz dessen was jetzt gerade ist. Und zwar auf einer nichtkonzeptuellen, nicht-sprachlichen Ebene.
An welchen Stellen lässt sich nun Achtsamkeitsmeditation in die Integrative Therapie
integrieren? Um diese Frage zu beantworten müssen wir differenzieren: Wer ist der
Fokus von Achtsamkeitsmeditation? der Klient oder die Therapeutin? Wenngleich die
Methode für beide Personenkreise erwiesenermaßen sinnvoll eingesetzt werden
kann, gilt der Fokus des empirischen Teils der Achtsamkeitspraxis der Therapeutin.
Das wird im folgenden deutlich, wenn wir uns der Frage widmen: Was macht
eigentlich gute Therapie aus, welche Wirkfaktoren beeinflussen den Heilungserfolg?
2.1.4 Wirkfaktoren
Aus Auswertungen von 120 Therapiestudien der Jahre 1973-1990 für die Bereiche
psychodynamisch
orientierter
Psychotherapie,
Verhaltenstherapie,
Gesprächspsychotherapie, Gestalttherapie, Psychodrama und nonverbaler- sowie
kreativer
Therapieverfahren
konnte
Petzold
(1992a,
2003a)
unspezifische
Wirkfaktoren (Main factors) herausarbeiten, welche in Ergänzung mit IT-spezifischen
Faktoren zu den 14 Therapeutischen Wirkfaktoren zusammengeführt wurden:
1. Einfühlendes Verstehen, Empathie
Mitgefühl, Empathie, Takt, Wertschätzung, Patient fühlt sich „so gesehen wie
er ist“
19
2. Emotionale Annahme und Stütze
Akzeptanz, Entlastung, Trost, Ermutigung. Förderung positiver Gefühle und
Gedanken
beim
Patienten
wie:
Selbstwertgefühl,
Selbstsicherheit,
Selbstakzeptanz, Selbstvertrauen.
3. Hilfe bei der praktischen Lebensbewältigung
„Erschließung von Ressourcen, Rat und tätige Hilfe bei der Bewältigung von
Problemen“ (Petzold, 2003, S. 746).
4. Förderung des emotionalen Ausdrucks und der Willenskraft
Zeigen von Gefühlen, Sprechen über Gefühle
5. Förderung von rationaler Einsicht und Sinnerleben
in Problemzusammenhänge und Krankheitsbedingungen – dies funktioniert
unabhängig vom Erklärungsmodell und bedient das menschliche Bedürfnisse
nach
Kausalzusammenhängen,
oder
dem
nach
einer
»kohärenten
Geschichte« (Kahnemann, 2011).
6. Förderung von Beziehungsfähigkeit und kommunikativer Kompetenz
7. Förderung
leiblicher
Bewusstheit,
Selbstregulation
und
psychophysischer Entspannung
Awareness,
»mindfulness«,
»fehlt
sense«,
Empfindungs-
und
Wahrnehmungsfähigkeit
8. Förderung von Lernmöglichkeiten, Lernprozessen und Interessen
9. Förderung kreativer Erlebnis- und Gestaltungsmöglichkeiten
10. Erarbeitung von positiven Zukunftsperspektiven
Aufbau und Stärkung von Hoffnungen, Plänen und Zielen
11. Förderung eines positiven Wertebezugs
12. Förderung von prägnantem Selbst- und Identitätserlebens, sowie
Souveränität
13. Förderung tragfähiger sozialer Netzwerke
14. Ermöglichen von Solidaritätserfahrungen
Auch in der Zusammenschau der Psychotherapieforschung der letzten Jahre (Berns
zit. nach Galuska, 2004, S. 259) zeigen sich: zu den wichtigsten allgemeinen
Wirkfaktoren zählen
•
Arbeitsbündnis,
•
Therapeutenpersönlichkeit,
20
•
die Beziehungsgestaltung sowie
•
die Persönlichkeitsbildung des Therapeuten und
•
die Allegianz – also die Überzeugung des Therapeuten von der Wirksamkeit
seines Psychotherapieverfahrens.
Um
die
Gemeinsamkeiten
und
Unterschiede
in
den
Wirkungen
von
Therapieansätzen zu untersuchen, hat die »Berner Therapievergleichsstudie«
(Grawe, 1990, zit. nach Petzold, 2003, S. 752) vier Behandlungsansätze
prozessanalytisch untersucht und dabei folgende vier Heuristiken herausgearbeitet:
•
Emotionsverarbeitung
•
Kognitive
Verarbeitung/reflektierende
Abstraktion/Erarbeitung
neuen
Bewusstseins
•
Kompetenzerweiterung
•
Beziehungsgestaltung
2.1.5 Phänomenologie
Die Phänomenologie des Franzosen Maurice Merleau-Ponty in diesem kurzen
Kapitel vollständig und für jede Leserschaft verständlich darzulegen ist schlicht nicht
möglich. Es sollen hier fragmentarisch wesentliche Kernaussagen herausgehoben
werden um die Phänomenologie im Kontrast zu den beiden Wissenschaftsdisziplinen
Empirismus und Idealismus zu stellen, die auch versuchen die menschliche
Erkenntnis
der
Welt
zu
erklären.
Durch
diese
Kontrastierung
soll
die
Gegenüberstellung einer für die Integrative Therapie zentralen Philosophie mit
Metatheorien der buddhistischen Philosophie und Praxis der Achtsamkeit ermöglicht
werden. Die folgenden Überlegungen basieren auf der Argumentationslinien von
Wenke (2010).
Merleau-Ponty betont wie Husserl, dass die Phänomenologie dazu da ist, die
verdinglichenden Gewohnheiten unseres Verstandes aufzudecken und diese einer
Revision zuzuführen. Ausgangspunkt dafür ist die universale Erfahrung der Existenz,
die nicht rein auf den Geist oder das Bewusstsein zurückgeht. Wir müssen uns im
Klaren sein, dass wir niemals ein „reiner, reflektierender Geist sind, der das Sein
transparent durchdringt“ (Merleau-Ponty, 1966, S. 46). Wir sind eben immer ein
21
wahrnehmendes und interpretierendes, in Raum, Zeit und Sozialität verortetes LeibSubjekt. Zugleich bin ich sehender und sichtbarer Leib, bin seiner sich selbst
bewusster Leib und zugleich nehme ich ihn als Ding in der Welt wahr, wie Wenke
(2010) anmerkt. Diese Doppelfunktion nennt Merleau-Ponty Zur-Welt-sein und Inder-Welt-sein. Welt entsteht nicht aus einem freischwebenden Bewusstsein heraus,
sondern erst in der Interaktion unserer Sinne mit den Objekten der Welt. „Ein
Phänomen löst ein anderes aus, nicht durch ein objektives Wirkungsverhältnis, wie
es Naturvorkommnisse verknüpft, sondern durch den Sinn, den es darbietet: ein
eigentümlicher Seinsgrund, gleichsam ein tätiger Grund, orientiert den Fluß der
Phänomene, ohne in irgendeinem für sich genommen explizit gesetzt bzw. setzbar
zu sein“ (Merleau-Ponty, 1966, S. 73). Das Gewicht eines Objektes können wir erst
beim Versuch es zu heben erfahren. Im Laufe unserer Sozialisation lernen wir die
„Gegebenheiten“ der Welt über die Verkettung von unzähligen Sinneserfahrungen,
so z.B. dass Steine von gleicher Größe wie Pölster schwerer sind. Was bei den
Objekten der dinglich konkreten Außenwelt nachvollziehbar erscheint, fällt uns mit
den Objekten unseres Geistes schon schwerer. Für unsere Vorhaben ist es jedoch
essentiell zu erkennen: „Das Wesen des Bewußtseins ist es, sich eine Welt oder
Welten zu geben, d.h. vor sich selbst seine eigenen Gedanken sein zu lassen wie
Dinge...“ (Merleau-Ponty, 1966, S. 158). Dabei betont er, dass unsere Gedanken,
Gefühle, unsere Geistesbewegungen – und damit auch jede Wissenschaft - auf die
erste und nicht weiter reduzierbare Erfahrung von Welt zurückgehen müsse. Dabei
greifen wir nicht auf isolierte Sinnesreize zu, sondern kommen, wie Tiere auch, mit
einer Art Vorkonfiguration von sinnvollen Sinneszusammenhängen auf die Welt.
Auch Erkenntnisse aus der Säuglingsforschung zeigen, dass wir nicht auf einzelne
physikalische
Reize
reagieren,
sondern
die
Sinne
über
die
kreuzmodale
Wahrnehmung von vornherein ein sinnhaft geformtes Ganzes bilden. Die Tatsache
unserer Existenz bedingt schon ein Zur-Welt-sein.
Das In-der-Welt-sein bedarf nun wieder der phänomenologischen Reduktion, dem
sich bewusst werden, dass es keine Natur an sich gibt, im Sinne einer Idee von
objektivierbarer Natur, es gibt ausschließlich das dem Subjekt wirklich Erscheinende,
die phänomenale Natur die wir um uns und in der wir uns erleben. Oder mit den
Worten Husserls: „Existenz einer Natur kann Existenz von Bewußtsein nicht
bedingen, da sie sich ja selbst als Bewußtseinskorrelat herausstellt“ (Husserl 1985,
S. 193). „Ich bin kein »Lebewesen«, sogar kein »Mensch«, nicht einmal ein
22
»Bewußtsein« [...] – ich bin vielmehr absoluter Ursprung, und meine Existenz geht
nicht [...] hervor aus meiner physischen und sozialen Umwelt, sie geht vielmehr auf
diese hin zu und gibt ihr den Seinsgrund erst“ (Merleau-Ponty, zit. nach Wenke,
2010). Jedes Wort, jeder von uns mit Bedeutung und Sinn versehe Satz, jeder
Gedanke, jede wissenschaftliche Theorie, jede mystische Erfahrung, ist ein weiteres
Phänomen unseres empfindenden Geistes, eine Erscheinung-für-mich, aber nicht ein
Ding-an-sich.
Ein weiteres Ziel der phänomenologischen Analyse soll sein, „mit der Kenntnis
psychologischer und physiologischer Erscheinungen zu der Erkenntnis seelischen
Geschehens als eines unserer Existenz inhärenten Lebensvorganges vorzudringen“
(ebd., S. 113). Damit wird auch deutlich, dass die Trennungen von Geist und Materie,
von Körper und Seele als überholt betrachtet werden muss.
Demnach gelte es, „phänomenologische Humanwissenschaften aus der Sicht der
Ersten Person zu etablieren“ (first-person-perspective), die Leib, Mitmenschen,
Gesellschaft und Welt in der Weise beschreiben, wie sie vom Subjekt erfahren
werden. Denn Wissenschaften, welche Subjekte nur von außen in abstrakten
Begriffsstrukturen aus der Perspektive der Dritten Person betrachten (third-personperspective), „werden der menschlichen Wirklichkeit nicht gerecht“ (Wenke, 2010, S.
50). Damit lässt sich auch eine Abgrenzung zum Idealismus vornehmen, es gibt
dabei kein absolutes, reines Bewußtsein, keine kognitive Theorie des »Für-sich«,
kein Subjekt, das die Welt vollständig in sich selbst erzeugt. Ebenso wenig wie es
eine vollständig vorhandene, objektive Welt »An-sich« geben kann, wie der
Empirismus für sich behauptet. In der Phänomenologie können wir damit jene
Widersprüche auflösen, die sich aus diesen beiden Wissenschaftstraditionen
ergeben. Nämlich zum einen das als Solipsismus Problem bekannte Phänomen,
dass es bei einem idealistisch absoluten Bewußtsein, das allein seine Welt
konstituiert, keinen Anderen geben dürfte. Denn „wie kann ich, der Wahrnehmende,
und eben mich als universales Subjekt Behauptende, einen Anderen wahrnehmen,
der mich er ipso dieser Universalität beraubt?“ (Merleau-Ponty, 1966, S. 412). Wie
Wenke (2010) weiter ausführt, bedeutet das Auftauchen eines Anderen, der ebenso
über ein absolutes Bewusstsein verfügt das die Welt erzeugt, dass es entweder zwei
Welten geben muss, oder der Andere ebenfalls nur eine Produktion meines
Bewusstseins ist. Wäre dem so, müsste mir sein Geist in der gleichen Weise
zugänglich sein, wie mein eigener. Das führt zum zweiten Problem eines Idealismus:
23
„Die Welt wäre für ein sie erzeugendes Bewußtsein weder unbestimmt noch
unendlicher Horizont“ (Wenke, 2010, S. 52). Denn „wären wir je nichts als
Bewußtsein,
so
müßten
die
Welt,
unsere
Geschichte
und
die
Wahrnehmungsgegenstände in ihrer Einzigartigkeit sich vor uns ausbreiten in einem
System durchsichtiger Bezüge“ (Merleau-Ponty, 1966, S. 87). Unsere phänomenale
Erfahrung der Welt ist aber keine vollständig konstruierte und durch ein neutrales
Subjekt konstituierte Welt, die sich sukzessive aus Sinnesdaten zusammensetzt,
welche in unserem Nervensystem miteinander in Beziehung gesetzt werden, wie es
die konstruktivistische Theorie nahelegt, sondern vielmehr ein kontinuierlicher, sich
ständig verändernder Strom aus Erfahrungen und Empfindungen in Kommunikation
mit einem „unendlichen Individuum“ (Wenke, 2010), zwischen sich „verschiebenden
Horizonten“ (ebd.). Daher ist nach Merleau-Ponty (1966) die Welt zu beschreiben,
nicht zu konstruieren oder zu konstituieren und Bewußtsein ist immer nur Bewußtsein
eines Gegenstandes.
Der Empirismus stellt uns mit der Annahme von hierarchisch auf einander
aufbauenden Elementen (Teilchen, Atome, Lichtquanten, Sinnesdaten), von
niederen zu höheren Stufen hin emergierenden Strukturen, vor ein weiteres Problem:
Wie lässt sich die „Ursprünglichkeit vollständiger Phänomene“ (Wenke, 2010), von
Ganzheiten, von Figur-Grund-Relationen erklären? Selbst solch kleinste, elementare
Teilchen und die sie miteinander verbindenden Kräfte und in Folge die Wirkung von
Reizen auf unseren Körper, sind nichts weiter als ein Produkt unserer natürlichen
Wahrnehmung und Geistestätigkeit, „bloß eine – sehr natürliche – Täuschung, die sie
uns an den Anfang setzen und aller Erkenntnis vorgängig glauben läßt“ (MerleauPonty, 1966, S. 59). Sinnesdaten sind daher ebenfalls nur vorgestellte Konstrukte,
besonders winzige Ganzheiten, so wie immer nur Ganzheiten unserer Wahrnehmung
zu Grunde liegen. Daher können keine solche Ganzheiten aus anderen Ganzheiten
abgeleitet
werden
oder
daraus
hervorgehen.
Ein
Mensch,
der
sich
phänomenologisch begreift, kann, da es nichts gibt, das nicht in unserem
Bewusstsein wäre, auch nicht von Zufällen überrascht werden, oder sich an
vermeintlich nicht mit den Naturgesetzen konformen Erscheinungen stoßen, noch
Angst vor dem Verschluckt-Werden in schwarzen Löchern fürchten. Wir Subjekte in
Existenz und Koexistenz verleihen jeglicher Erfahrung Ordnung und Sinn: „Zur Welt
seiend sind wir verurteilt zum Sinn“ (Merleau-Ponty, 1966, S. 16).
24
Nach Merleau-Ponty (1966) ist demnach jedes Bewusstsein durch Empfindung
gegründet, daher kann es auch kein »erweitertes« Bewusstsein geben, das der
Empfindung etwas hinzufügt oder dieses in ihrer Leistung übersteigt. Bewusstsein ist
immer subjektiv und perspektivisch, ist universaler Erkenntnisursprung. Es gibt auch
keine Transzendenz jenseits des Bewusstseins, denn Bewusstsein ist nach MerleauPonty „aktives Transzendieren“, es ist gewissermaßen sein Wesen über sich selbst
hinaus zu sein. Eine transzendente Welt „ist es nur durch mich. Die Welt gehört zu
mir wie ich selbst zu mir gehöre“ (Wenke, 2010, S. 73). In Bezug auf die Meditation
führt Merleau-Ponty (1966) aus, dass das meditierende Subjekt nie mit dem
Gegenstand seiner Meditation verschmelzen kann um so sein Wissen zu erweitern,
indem er sich ins Sein selbst auflöst;
Der Irrtum der Reflexionsphilosophie ist der Glaube, das meditierende Subjekt
vermöge
seinerseits
den
Gegenstand
seiner
Meditation
gänzlich
zu
absorbieren... Doch nie sind wir als Meditierende das unreflektierte Subjekt, das
wir zu kennen suchen; und ebenso wenig vermögen wir je gänzlich Bewusstsein
zu werden, uns ganz auf
das transzendentale Bewusstsein zu reduzieren.
Wären wir je nichts als Bewusstsein, so müssten die Welt, unsere Geschichte
und die Wahrnehmungsgegenstände in ihrer Einzigartigkeit sich vor uns
ausbreiten in einem System durchsichtiger Bezüge. (Merleau-Ponty, 1966, S. 87)
2.1.6 Komplexes Bewusstsein
Die Integrative Therapie versteht Bewusstsein im Sinne eines mehrperspektivischen
hermeneutischen
Ansatzes.
Der
Begriff
selbst
hat,
je
nachdem
welche
Wissenschaftsdomäne sich auf ihn bezieht, unterschiedliche Konnotationen. Die
„Heterogenität der Diskurse“ (Lyotard, zit. nach Petzold, 2003, S. 215) führt dazu,
dass es keine einheitliche Definition des Begriffs »Bewusstsein« geben kann.
Die philosophische, theologische, neurowissenschaftliche, klinisch-psychologische
Herangehensweisen gehen von unterschiedlichen Wissenschaftsparadigmen aus,
mit denen auch unterschiedliche Erkenntnisweisen verbunden sind. Reichtum
entsteht aus einem nebeneinander stehen lassen können dieser Unterschiede. Die
Ergebnisse der neurowissenschaftlichen Forschungsdiskurse zeigen ebenfalls auf,
dass ein Bewusstseinskonzept nicht eindimensional konstruiert werden kann. Ein
Ergebnis eines solchen Prozesses ist das Perzeptions-Halluzinations-MeditationsKontinuum
25
Abbildung 3: Perzeptions-Halluzinations-Meditations-Kontinuum-Modell (Petzold, 2003, Fisher, 1974)
Durch die Integration der Herangehensweisen zum Themenfeld Bewusstsein legt
Petzold ein Modell des Bewusstseinsspektrums vor, das sich von den „,Tiefen und
Dunkelheiten’
des Unbewussten (UBW) ... bis zu den transperzeptiven,
transreflexiven ... ‚Höhen und Lichträumen’ ... des Nichts-Bewussten (NBW)“
(Petzold, 2003, S. 255) erstreckt. Petzold weist das Unbewusste dem
Merleau-
Ponty’schen »Fleisch der Welt«, dem ungestalteten Sein zu, während das NichtsBewusste als das Absolute bzw. das Nichts betrachtet wird, über das nichts
ausgesagt werden kann.
Dazwischen liegen das präperzeptive und präreflexive Vorbewusste (VBW), das
koperzeptive und koreflexive Mitbewusste (MBW), schließlich im Zentrum das die
Wahrnehmungsschwellen
übersteigende
Wachbewusste
oder
Wahrnehmungsbewusste (WBW), das im leiblichen Sein gegründet ist und als
»Awareness« das Gegenwartsfenster darstellt. An dieser Stelle können wir nun einen
zentralen Aspekt von Achtsamkeit (sati), die »Wahrnehmung des gegenwärtigen
Augenblicks« in diesem Aspekt des integrativen Bewusstseinsmodells verorten. Mit
der Durchschreitung und durch Integration dieser Stufen entsteht das IchBewusstsein (IBW), das bereits vollperzeptiv und vollreflexiv ist (ich sehe, ich
26
rieche, ich taste). Durch weitere Ausdehnung bei gleichzeitiger Fokussierung kann
eine weitere Schwelle hin zum hyperreflexiven, holotrophen Klarbewussten (KBW)
überschritten. Weitere Lichtung dehnt das Bewusstseinsfeld schließlich bis hin zur
Grenze des transreflexiven Nichts-Bewussten (NBW) aus, das die Grenzen der
zerebralen Fähigkeiten übersteigt und „vielleicht durch das Faktum der Teilhabe (wir
sind teil des Kosmos) in meditativer Versunkenheit näherungsweise erahnt und
erspürt werden [kann]... Wir sprechen dann von transreflexiver Partizipation am Sein,
am Absoluten, am Nichts, von der die Mystiker der großen Menschheitstraditionen
des geistigen Lebens berichten“ (Petzold, 2003, S. 257).
Abbildung 4: Das Bewusstseinsspektrum (Modell nach Petzold, 1975, aus Petzold, 2003)
Der Zen-Meister Hamamatsu macht schließlich den Unterschied zwischen dem
tiefenpsychologischen Unbewussten und dem Nicht-Geist des Zen nach einem
Gespräch mit C.G. Jung deutlich: „The ‚unconscious’ of psychoanalysis is quite
different from the ‚no-mind’ of Zen. In the ‚unconscious’ ... are the aposteriori
‚personal unconscious’ and the apriori ‚impersonal unconscious’, namely the
27
‚collective unconscious’. They are both unknown to the Ego, but the ‚no-mind’ of Zen
is, on the contrary, not only known, but it is most clearly known, as it is called ...
‚always clearly aware’. More exactly it is clearly ‚self wakening to itself’ without
separation between the knower and the known. ‚No-mind’ is a state of mind clearly
aware...“ (Hisamatsu, zit. nach Petzold, 2003, S. 252).
2.1.7 Komplexe Achtsamkeit
In der Integrativen Therapie wurde von Anfang an auf eine Verschränkung von
leiblicher
Awareness,
gesellschaftskritischem
Bewusstsein
und
philosophischer Kontemplation wert gelegt, um den drohenden Entfremdungsund gesellschaftlichen Erosionsprozessen entgegenzuwirken. Dabei soll eine
methodisch-praktische Verschränkung von Leib-, Psycho-, Sozio- und Nootherapie
stattfinden, die nach Petzold (2011) auch für Fragen nach Sinn, Werten und
geistigem Leben, gemeinhin als »Spiritualität« bezeichnet, offen ist. Dabei
unterscheidet er zum Awareness-Begriff der Gestalttherapie, als ein körperlichsinnenhaftes Gewahrseins, das integrative Verständnis von Leiblichkeit mit ihrer
Bezugnahme auf Seelisches, Geistiges und Soziales neben dem Körperlichen. Solch
ein multiperspektivisches Vorgehen wird dann als »komplexe Achtsamkeit«
bezeichnet.
Es
wird
eingeräumt,
dass
dieser
Begriff
mit
den
neueren
achtsamkeitsorientierten Therapieansätzen zwar Berührungspunkte hat, mit diesen
aber
nicht
gleichzusetzen
ist.
Er
gehe
über
die
Entspannungs-
und
Harmonisierungseffekte im Rahmen behavioraler Therapie hinaus – die ohnehin
schon immer zur leibtherapeutischen Praxis gehörten – „und fokussiert auch auf
Achtsamkeit für Ungerechtigkeit, Unrecht, Benachteiligungen, für Schmerzliches, für
Leiden,
Not
und
Belastungen
Anderer,
Achtsamkeit,
die
uns
motiviert,
einzuschreiten, ‚dazwischen zu gehen’“ (Petzold, 2011, S. 146).
Explizit ist bei Petzold (2011) damit kein Bezug auf die buddhistische
Achtsamkeitstradition
verbunden,
wenngleich
er
diese
Tradition
Grundhaltung einer tiefen Nächsten- und Tierliebe (karuna) -
mit
der
in Gestalt des
‚Bodhisattva des universellen Mitgefühls’ - achtet, sowie auch die christlichen
Traditionen der Nächstenliebe, die jüdischen Quellen zur Achtsamkeit gegenüber
dem Leid des Anderen und auch das islamische Gebot der sozialen Wohltätigkeit
(zakat).
28
2.1.8 Verhältnis von Psychotherapie und Spiritualität, Religion, Esoterik
„Persönliche Religiosität gehört in die grundrechtlich geschützte Privatsphäre von
Menschen. Die Idee des Immateriellen als reine Geistigkeit (unsterbliche Seele, Gott)
und nicht an Materie gebundene Wirklichkeit fällt aus dem Rahmen des
wissenschaftlichen Weltbildes und ist eine Sache persönlichen Glaubens“ (Leitner,
2010, S. 118). Die Integrative Therapie bleibt in einem säkularen Rahmen, wendet
dabei wissenschaftlich überprüfbare Verfahren und Methoden an um vorliegende
Krankheiten, Störungen und Beschwerden kompetent behandeln zu können. Dies
setzt
im
Gegensatz
zu
spirituellen
Handlungen
Differentialdiagnostik
und
Behandlungsplanung und –Evaluation voraus. Damit sind spirituelle Interventionen
aus einer gesetzlich geregelten Psychotherapie ausgeschlossen.
Da es sich bei einer therapeutischen Beziehung um eine Beziehung mit strukturellem
Gefälle handelt, ist die Gefahr von Manipulation und Machtmissbrauch durch
idealisierende Übertragung auf eine Intervention oder den Therapeuten groß.
Gespräche
über
professioneller
Religion,
Spiritualität,
Kommunikation
geführt
Lebenssinn
werden,
wenn
können
im
Rahmen
diese
vom
Klienten
eingebracht werden um mit ihm ko-respondierend die Bedeutungsebenen dieser
Themen für den Klienten zu erschließen.
In Bezug auf die Esoterik
fällt es ins Auge, dass die menschliche Psyche in all den ‚Theorien’ durch
vereinfachte naturwissenschaftliche Modelle zu erklären versucht wird. Es geht
um Begriffe wie ‚Energiefluss’, der Körper des Menschen wird als eine
‚Magnetkarte’ verstanden, es geht um ‚positive, negative Ladungen’ oder ‚Pole’
des menschlichen Körpers, es geht um ‚Heilfrequenzen’ von Kristallen, Begriffe,
die mehr oder weniger der Physik entlehnt sind. Es herrscht zumindest
sprachlich eine konkretistische und materialistische Weltsicht – welch ein
Kontrast zur Spiritualität. (Möller, zit. nach Leitner, 2011, S. 119-120)
Auch die Behandlungsrichtlinie für PsychotherapeutInnen des Bundesministeriums
(2014) macht deutlich:
Einer
der
zentralen
Punkte
des
Schutzes
der
spezifischen
psychotherapeutischen Beziehung liegt in der Verantwortung angesichts der
besonderen Abhängigkeitssituation. Der Berufskodex macht unmissverständlich
deutlich, dass die persönliche Weltanschauung, wie z.B. auch die religiöse
29
Einstellung, der Psychotherapeutin (des Psychotherapeuten) nicht aktiv und
steuernd in den Behandlungsprozess einfließen darf .
Somit kann festgehalten werden, dass weder Gebete, religiöse Rituale oder
Vergebens Arbeit noch andere religiös, spirituell oder esoterisch begründete
Handlungen zu einer umfassenden und stringenten psychotherapeutischen
Methode, die eine geplante Krankenbehandlung ermöglicht, gehören können.
Dasselbe gilt auch für eine Psychotherapie, die mit dem Ziel einer
Persönlichkeitsentwicklung durchgeführt wird.
2.2 Buddhismus und Achtsamkeit
2.2.1 Von den Wurzeln in den Westen
Dieser Abschnitt soll eine Orientierung über die Herkunft und die kulturelle
Einbettung
des
Forschungsgegenstandes
»Achtsamkeit«
geben.
Grobe
Einordnungen in Zeiten und Orte, in Umstände und deren Entwicklungswege.
Verständlicherweise will es ob der Komplexität des Themas keine »Einführung in den
Buddhismus« darstellen. Dafür gibt es passendere Literatur (Allmen, 2007; Dalai
Lama, 2013; Kornfield, 2008; Batchelor, 2011).
Wenn wir heute »Achtsamkeit« im Wesentlichen mit dem Buddhismus verbinden, so
liegt das nicht daran, dass andere Religionen und Weisheitssysteme keine Formen
von Achtsamkeit kennen, sondern vielmehr an einer Verkettung von bestimmten
Menschen und ihren Wegen. Im vorliegenden Fall brachte der Molekularbiologe Jon
Kabat-Zinn, PhD, Professor Emeritus für Medizin an der University of Massachusetts
Medical School und Begründer des Center for Mindfulness in Medicine, Health Care
and Society, der selbst mit der buddhistischen Philosophie in Verbindung stand, das
Konzept der Achtsamkeit in den klinischen Alltag des Westens. 1979 gründete er die
Stress
Reduction
Clinic,
wo
er
das
heute
weitverbreitete
8
wöchige
Behandlungsprogramm MBSR – mindfulness based stress reduction – entwickelte
und erfolgreich anwandte.
Mittlerweile stellt es einen riesigen Markt mit einer ihm eigenen Logik von Marketing
und Ausbildungscurricula dar. Dies birgt die Gefahr der „psychotherapeutischen
Vernutzung“ (Petzold, 2011, S. 148), dass ein Gutteil der Essenz unbeachtet bleibt
30
und statt dessen die Oberflächenphänomene als ein weiteres Segment zur
Umsatzsteigerung, als eine weitere Methode der Effizienzsteigerung und als eine
weitere Projektionsfläche für Glücksphantasien instrumentalisiert werden - wenn wir
es als ein einfaches Tool verstehen (wollen). Geistestraining ist aber nie einfach und
schnell zu erreichen. Sehr wahrscheinlich wird diese Welle, wie jede therapeutische
Mode auch wieder abebben. Zu hoffen bleibt aber, dass die Beschäftigung mit dem
Thema Bewußtsein und Geistestraining unsere Kultur positiv beeinflusst, so wie die
buddhistische Philosophie noch jede Kultur die mit ihr in Berührung kam zutieftst
beeinflusst hat (Fulton in Anderssen-Reuster, Meibert & Meck, 2013). Dass das
Konzept der Achtsamkeit, im Sinne einer nach innen gerichteten Erforschung der
Geistestätigkeit, auch in der christlichen Tradition der Kontemplation ihren Platz hat,
sei hier ergänzend erwähnt. Grepmair und Nickel (2007) weisen darauf hin, dass
diese Tradition aus dem 14. Jahrhundert, ein auf die mystischen Erfahrungen des
Völkerapostel Paulus zurückgehender Weg ist, der dem Zen in seinen Grundzügen
und der Beschreibung der Versenkungsstufen sehr verwandt ist und in anonymen
Schriften niedergelegt wurde. Bei Michalak, Heidenreich und Williams (2012) finden
wir einen Text von Andreas Gryphius aus 1663, der das gemeinte ebenfalls sehr
schön veranschaulicht:
Mein sind die Jahre nicht die mir die Zeit genommen/
Mein sind die Jahre nicht die etwa möchten kommen
Der Augenblick ist mein und nehm’ ich den in acht
So ist der mein/der Jahr und Ewigkeit gemacht.
Aus Gründen, denen hier nicht mehr Raum gewidmet werden kann, kam es zu der
Entwicklung, wie wir sie heute vorfinden, dass im Westen in Bezug auf Achtsamkeit
die buddhistischen Konzepte rezipiert werden. Deshalb folgt ein kurzer Abriss der
Entwicklungswege und Grundkonzepte.
2.2.1.1 Wurzeln und Verbreitung des Buddhismus
Den Anfang nimmt der Buddhismus mit der »Erleuchtung« von Prinz Siddhārta
Gautama, dem Buddha, auch als Shākyamuni oder Tathāgata bekannt, in Indien.
Wann er genau lebte, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, allgemein wird der
Zeitraum 560 bis 480 v.Chr. angenommen, laut Allmen (2007) legen neuere
Forschungen einen um bis zu 100 Jahre späteren Zeitraum nahe. Zeitlebens wollte
Buddha keine neue Religion gründen, sondern den Dharma, die Lehre und Praxis die
31
zur Befreiung von Herz und Geist führt, verbreiten. Diese Erkenntnis erlangte er nach
6 Jahren als Asket lebend. Von da an vertrat er den Mittleren Weg, zwischen Askese
und üppigem Wohlleben. Die Zeit in Indien war geprägt von großer spiritueller
Aktivität, die religiöse Grundlage waren die Veden, „die man, vereinfacht
ausgedrückt, eine Opferreligion nennen kann“ (Allmen, 2007, S. 36). Vor diesem
Hintergrund wurde das spirituelle Umfeld von den Lehren der Upanischaden geprägt,
die von einer unsterblichen Seele ausgehen, welche von Inkarnation zu Inkarnation
wandelt und mittels meditativer Praxis erlöst werden kann. Nach seiner ersten Lehr
rede im Hirschpark von Benares, zu der er sich nach Wochen des Ringens
entschieden hatte und damit „ins trügerische Meer der Worte eintauchte“ (Batchelor,
2011, S. 15), setzte er das Rad des Dharma in Bewegung.
In den ersten Jahrhunderten und nach 4 Konzilen bildeten sich bereits 18 Schulen
heraus. Dies geschah mangels Kommunikationsmöglichkeiten zwischen den
Mönchen und Nonnen, die sich über das Land verteilten und lehrten. Kaiser Aśoka,
ein ursprünglich grausamer und machthungriger Herrscher, war beim Anblick eines
Wandermönchs auf einem seiner Schlachtfelder so tief berührt, dass er zu einem
Förderer des Buddhismus wurde. Unter seiner Regentschaft, ca. 300 Jahre nach
Buddhas Tod, kam der Buddhismus in Indien zu einer Blüte. Aśoka Kinder lassen
sich ordinieren und gehen 250 v.Chr. nach Sri Lanka, dem ersten Land, das den
Buddhismus übernahm. Teile Sri Lankas sind bis heute ohne Unterbrechung
buddhistisch. In der darauf folgenden Zeit kam es zur Entwicklung des Pāli-Kanons,
der Grundlage des Theravāda-Buddhismus. Dieser bedeutet »die Schule der
Ältesten, Weisen und Erfahrenen«. Bis zum 14. Jhdt. existierte dieser parallel zur
zweiten großen Schule, des Mahayana-Buddhismus – dem »großen Fahrzeug« groß im Sinne der Motivation für alle Lebewesen die Buddha Schaft zu erlangen, wie
bei Allmen (2007) zu finden ist. Während in Sri Lanka und später in weiteren Ländern
Südostasiens wie Burma, Thailand, Kambodscha, Laos die Theravāda Schule stark
ist, herrscht in Indien die Mahayana Lehre vor. Durch die Amalgamierung von
hinduistischem Tantra mit dem Buddhismus entstand die letzte kreative Entwicklung
des Buddhismus in Indien, der Vajrayāna - oder das »Diamantfahrzeug«.
Laut
Allmen (2007) besteht der wesentliche Unterschied zu den Methoden des Mahayana
darin, dass die Befreiung nicht durch Verhaltensschulung und durch Einsicht in die
Vorgänge und Struktur des Geistes erreicht wird, sondern durch die Beeinflussung
der subtilen psycho-physischen Energien (prāṇa) des Körpers erreicht wird. Von den
32
tantrischen Lehren wird gesagt, sie führen schneller zum Ziel der Buddhaschaft als
die Methoden der Sutra-Lehren. Die tantrische Bewegung gab der in institutioneller
Starre verkommenen buddhistischen Religion neue Impulse. Mit der Invasion der
islamischen Völker, die von Norden nach Indien einfallen, erlischt im 12. Jahrhundert
der Buddhismus in Indien.
In China breitet sich der Buddhismus bereits ab dem Beginn unserer Zeitrechnung
aus, etwa im 4. Jahrhundert wird er dort neben den Lehren des Taoismus und
Konfuzianismus zu einer fest etablierten Religion. Im Jahr 372 erreicht der
Buddhismus Korea, im 6. Jahrhundert wird er dort Staatsreligion.
Um 550 gelangt er nach Japan. Dort entstehen zuerst die Schulen Jodo und Shin.
Bedeutender in Japan ist aber das Auftreten des Zen im beginnenden 13.Jhd. „Die
Meditationspraxis des Zanzen wird als Ausdruck der bereits allem innewohnenden
Erleuchtung betrachtet“ (Allmen, 2007, S. 57). Dogen Zenji begründet 1243 die SotoSchule des Zen, der Japaner Eisai begründet mit dem Import der chinesischen Linchi-Schule des Ch’an die Rinzai-Schule des Zen, in der verstärkt Gewicht auf die
Praxis des Koan gelegt wird. Wie in China auch kommt es durch Zen-Buddhismus zu
einer kreativen Beeinflussung der Alltagskultur und der Künste – von Poesie über
Malerei zu Architektur und Teezeremonie.
1253 gründete Nichiren eine Sekte,
welche die Lehren des Buddha als überflüssig erklärte und alleinig das Rezitieren
eines Mantra als das wahre Dharma postulierte. Daraus entwickelte sich die Soka
Gakkai Bewegung, eine mächtige Organisation, die bezeichnenderweise im Westen
laut Allmen (2007) die »buddhistische« Bewegung mit der weitaus größten
Anhängerschaft ist. Es wird nicht das Wohl aller Lebewesen angestrebt, sondern
weltliche Wünsche für sich, wie Gesundheit, Geld, Besitz, Erfolg. Daraus wird
deutlich, wie wichtig die Motivation des buddhistisch Praktizierenden ist, wie dies
schon in der Dialektik von Mahayana und Hināyāna deutlich wird.
Im 8. Jahrhundert fasst der Buddhismus erstmals in Tibet Fuß, wo er auf die seit
Jahrtausenden vorherrschende animistische Bön-Religion traf und zahlreiche
Überschneidungen und Synkretismen einging. Die »alte« Schule Nyingma entsteht
als Nachfolge des tantrischen Meisters Padmasambhava. Die bekannteste
Meditationstradition
aus
dieser
Schule
ist
die
Dzogchen,
die
»Große
Vollkommenheit«. Im Laufe der Jahrhunderte entwickelten sich, ausgehend durch
33
verschiedene Übersetzer, die vier Hauptrichtungen des tibetischen Buddhismus:
Nyingma, Sakya, Kagyü und Gelug. Innerhalb der Kagyü Schule kam es zu weiteren
8 Untergruppierungen, was die Rezeption des tibetischen Buddhismus nicht gerade
erleichtert. Die wichtigsten Übersetzer und Poeten der Kagyü Linien sind Marpa
(1012-1097) und dessen Schüler Milarepa und Gampopa. Das Oberhaupt der
Karma-Kagyü Linie, der 16. Karmapa floh 1958 während der chinesischen Invasion
von Tibet nach Indien und kann seine Tradition später auch im Westen aufbauen.
Die Kagyüpa sind Linienhalter der Meditationstradition des Mahāmudrā, dem
»Erkennen der Natur des Geistes«, einem Zustand, in dem alle dualistischen
Konzepte überwunden sind und die Erfahrung einer »absoluten Wirklichkeit« möglich
macht. Damit kann diese Meditationsform als eine Entsprechung zur eidetischen
Schau (Husserl, 1985) erachtet werden.
Die Gelugpa Schule geht auf Atīśa zurück und deren Meister sind bekannt für ihre
radikale Praxis der Lo-jong-Lehren über Bodhicitta. Die Gelugpa sind auf strikte
Schulung in Dialektik durch formale Debatten spezialisiert, im Sinne einer Analyse
der Wirklichkeit (Allmen, 2007, S. 64). Auch sie stehen u.a. in der Praxistradition des
Mahāmudrā. Vom 17. Jhdt. bis zur Besetzung Tibets durch die Chinesen 1950 hat
die Gelugpa Schule durch die ihnen angehörigen Dalai Lamas die politische
Vormacht im Land. Heute lebt der tibetische Buddhismus hauptsächlich in Indien,
Nepal und im Westen weiter, wobei der in Dharamsala, Indien, lebende Mönch
Tenzin Gyatso, der 14. Dalai Lama, der wohl bekannteste Vertreter dieser Tradition
ist und im Westen vielfach mit „dem Buddhismus“ identifiziert wird.
Der Titel Dalai Lama ist allerding mongolisch und bedeutet »Lehrer von
ozeangleicher Weisheit«, der dem 3. Dalai Lama von Altan Khan verliehen wird. In
die Mongolei kommt der Buddhismus ab 1577 durch die Gelugpa und wird von den
mächtigen mongolischen Khans gefördert, was dazu führte, dass eine Mehrheit der
männlichen Bevölkerung ordiniert ist.
34
Abbildung 5: Geschichtliche Entwicklung – Vom Indien Buddhas zum heutigen Westen (Allmen, 2007, S. 70-71)
35
2.2.1.2 Lehrreden und Große Meister
Buddhistische Schriften entstanden erst ca. 500 Jahre nach Buddhas Tod, was
verständlicherweise zu Unsicherheit über die angeblich authentischen Worte
Buddhas führt.
Manchen traditionellen Darstellungen entsprechend sind alle existierenden
Lehrreden angeblich 2500 Jahre alt, und jede Schule sieht sich im Besitz der
ursprünglichen Lehre. Dies hat unter anderem dazu geführt, dass es heute eine
ganze Anzahl verschiedener ‚richtiger’ Aussagen darüber gibt, was Buddha unter
dem Botha-Baum vor seiner Erleuchtung praktiziert haben soll. Waren es
Reflexionen, Versenkungsstufen, Zazen, Vipassanā, Nicht-Dualität...? Darüber
gibt es widersprüchliche Aussagen. Zu unserem Glück führen die meisten dieser
Beschreibungen, genau wie die verschiedenen Texte, zum richtigen Ziel – wenn
man sie tatsächlich praktiziert. (Allmen, 2007, S. 44)
Erinnert dies nicht auffällig an den Schulenstreit in der Psychotherapie und die
Erkenntnis, dass bei langjähriger Erfahrung der Therapeuten die Frage der »Schule«
für die Wirksamkeit in den Hintergrund tritt? Auch deutet diese Passage darauf hin,
dass die formale, intellektuelle, begriffliche Einordnung und Beurteilung von Lehren
und Schulen begrenzt möglich ist – eine an der Praxis orientierte Lehre muss letztlich
immer in subjektive Erfahrung gebracht werden. Dies trifft für Meditation ebenso zu
wie für die Psychotherapie. Dass die gesellschaftliche und legistische Einbettung der
Psychotherapie
als
Anwendung
wissenschaftlicher
Methoden
dabei
nicht
unproblematisch ist, wird im Diskussionsteil näher erläutert.
Die überlieferten Texte und Philosophien gehen auf einige große Meister und Denker
zurück. Als der größte indische Denker des Mahayana Buddhismus gilt Nāgārjuna im
2. Jahrhundert, auf den die berühmten Lehrreden Prajñāpāramitā zurück gehen - die
Lehre von der Substanzlosigkeit aller Phänomene und dem bedingten Entstehen.
Diese »Leere«, das »Nicht-Selbst« aller Dinge ist auch als Śūnyatā bekannt.
Nāgārjuna war sozusagen der indische Ur-Phänomenologe.
36
Allmen (2007) betont, dass die beiden Brüder Asaṅga und Vasubandhu ähnlich
essentiell für den Mahayana Tradition waren, auf ersteren geht die »Nur Geist
Schule«
zurück,
die
davon
Wahrnehmungsprozessen
ausgeht,
bestehen
und
dass
nicht
alle
als
Phänomene
Objekte
nur
aus
außerhalb
des
wahrnehmenden Geistes existieren. Manas, das neben den sechs Arten des
Sinnesbewusstseins, siebte Bewusstseinselement sorgt dafür, dass die Welt als Real
und das Ich als unabhängig von ihr wahrgenommen wird. Aus dieser getäuschten
Wahrnehmung entstehen die kleśas, die unheilvollem Geistesfaktoren. Das
Erkennen und Durchschauen dieses Prozesses befreit letztlich Geist und Herz.
Schließlich sei noch Śāntideva genannt, der, im 8. Jhdt. lebend, ein Werk mit einer
kompletten Anleitung zur Entwicklung von Bodhicitta, dem Entschluss, zum Nutzen
aller Lebewesen die Buddhaschaft zu erlangen, entwickelt hat. Damit ist es wohl „das
am meisten verehrte und am häufigsten zitierte Werk in allen tibetischen Traditionen“
(Allmen, 2007, S. 47).
2.2.1.3 Buddhismus und Yoga
Wollen wir verstehen, wie der Buddhismus mit einem weiteren philosophischen
System, dem des Yoga in Beziehung steht, folgen wir an dieser Stelle Wenke (2010)
der die frühesten Hinweise auf Meditationstechniken um 800 bis 600v.Chr in den
Upanischaden,
den
nach
den
Veden
ältesten
Schriften
der
indischen
Religionsgeschichte, datiert. Damit wird erkennbar, dass die Wurzeln des Yoga vor
dem Buddhismus anzutreffen sind. Buddha kannte bereits den Yoga, wenngleich die
im Westen bekannten Schriften, die Yoga-Sutra des Patanjali nach Buddha
entstanden sind. Die Schätzungen reichen „von 200v.Chr. bis 500 n.Chr.“ (Eliade, zit.
nach Wenke, 2010, S. 212).
In den Yoga-Sûtras ist bereits die Evidenz der Selbstgebung der Phänomene
enthalten mit dem Hinweis, dass das gültige Wissen aus „direkter Wahrnehmung,
Schlußfolgerung und Überlieferung“ beruht (Patanjali, zit. nach Wenke, 2010, S.
212). Analog zu Husserl, der den Verlust der sinnlichen Füllen beklagt, beließe man
es bei abstrakten Vorstellungen und Konzepten, so ist man auch im Yoga diesen
gegenüber skeptisch. Viele Konzepte in den Yoga-Sûtras ähneln nach Wenke (2010)
einem weiteren philosophischen System Indiens, dem des Sâmkhya. Dieses wäre
ursprünglich eine atheistische Phänomenologie zur Untersuchung des menschlichen
Bewusstseins, während Patanjali in den Yoga-Sûtras die Existenz Gottes annimmt.
37
Im Sâmkhya hat man es mit zwei Domänen zu tun, dem absoluten Geist (purusha)
und der Natur (prakrti), welche jedoch nicht äquivalent mit der Dualität von Geist und
Materie der westlichen Naturwissenschaften sind, „sondern gleicht dem impliziten
Dualismus der Phänomenologie, die ja auch zwischen dem Transzendentalem
Subjekt und dem Phänomenalen Feld unterscheiden muss. Die ‚Materie’ des
Sâmkhya ist also phänomenaler ‚Stoff’“ (Wenke, 2010, S. 213). Prakrti ist demnach
die Quelle aller Substanz und demnach auch des menschlichen Bewusstseins. Diese
existenzdurchströmende Auffassung von Substanz, das phänomenale Material des
Seins, nennt Merleau-Ponty in seinen späteren Schriften Fleisch. Wenke (2010)
betrachtet die Einsichten Merleau-Ponty’s wie eine Paraphrasierung der YogaSûtras. Der purusha, der absolute Geist, wird im Sâmkhya als der Sehende, oder der
Kenner des Feldes bezeichnet. Um zu »Sehen«, oder nach Husserl zu »Schauen«,
bedarf es, dass der Geist mit seinen Aktivitäten zur Ruhe kommt. Bei Wolz-Gottwald
(2006) findet sich schließlich die Übersetzung der ursprünglichen Bedeutung des
Begriffes Yogas als „das Zur-Ruhe-Kommen der Aktivitäten des Geistes“.
Abbildung 6: Bedeutung des Wortes »Yoga« (Wolz-Gottwald, 2006)
38
2.2.1.4 Rezeption des Buddhismus im Westen
Abbildung 7: The 5th Wave by Rich Tennant
In den vergangenen Jahrzehnten erfuhr der Buddhismus auch im Westen einen
Aufschwung, wobei die hier Praktizierenden drei Haupttraditionen zugeordnet
werden können:
•
Zen
•
tibetischer Buddhismus
•
Theravāda
Nach Jan Natter (Allmen, 2007) lassen sich die Buddhisten im Westen den ‚drei E’
zuordnen:
Elitär,
evangelisierend
und
ethnisch.
Dabei
sollen
die
meisten
Praktizierenden unter das erste E – elitär – fallen, gehören sie doch der gehobenen,
gebildeten Mittelschicht an. Menschen die sich mit Religion, Sinnfragen, Philosophie
und Psychologie beschäftigen, importieren buddhistische Konzepte und betrachten
Meditation sowie Dharma-Praxis als einen Weg zur Selbsterforschung und
Bewältigung des komplexer werdenden Alltags. Dies kann von den anderen beiden
39
Gruppen nicht unbedingt gesagt werden. Die ethnischen BuddhistInnen beziehen
sich auf jene Asiaten, die als Flüchtlinge oder EmigrantInnen ihren Weg in den
Westen gefunden und ihre Religion im Gepäck mitgebracht haben. Sie praktizieren
ihre Religion weitgehend unüberschneidend mit den westlichen BuddhismusPraktizierenden. Die evangelisierende Bewegung, wie jene der japanischen Soka
Gakai, sind in Asien verankert, exportieren bewusst ihre Lehren und adressieren mit
weltlichen Versprechungen eine große Menge von Menschen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kam mit D.T. Suzuki der japanische Zen in die USA
und beeinflusste über seinen Schüler Alan Watts die Human Potential Movement am
Esalen Institut und damit auch Gründerväter der Psychotherapie wie Fritz Perls,
Abraham Maslow, Alexander Lowen, Carl Rogers, u.a. 1958 kam Shunryu Suzuki
nach San Francisco, betreute die dortige Soto Zen Gemeinde und gründete das
erste Zen-Kloster außerhalb Asiens, das Zen Mountain-Center in Tassajara Springs.
In Europa etablierte sich laut Allmen (2007) mit Taisen Deshimaru Roshi der Zen erst
später. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an Lehrenden dieser Linien, die von den
asiatischen Lehrern zur Lehre autorisiert wurden. Das Zen der koreanischen
Tradition findet sich im Westen ebenso, wie die vietnamesische Variante rund um
den Mönch Thich Nhat Hanh, der in Frankreich lebt.
Der tibetische Buddhismus kommt nach der Besetzung Tibets durch die Chinesen
im Jahr 1950, sowie der Niederschlagung des tibetischen Aufstandes im Jahre 1959
über die tibetischen Flüchtlinge in den Westen. Jedoch fanden bereits zuvor Berichte
und Übersetzungen u.a. durch den Deutschen Lama Govinda und den Engländer
Walter Y. Evans-Wentz ihren Weg in den Westen. Die Lehren der Kagyü-Linie
verbreiten sich durch den 16. Karmapa, Kalu Rinpoche und Lama Gendün Rinpoche
vor allem von Frankreich aus. Heute lehren ihre NachfolgerInnen, der Deutsche
Lama Sönam Lhündrup, und die Schweizerin Lama Dorje Drölma, ebenso wie
Yesche U. Regel in dieser Tradition. Eine eigene Variante der Kagyü-Linie existiert
rund um den bekannten Dänen Ole Nydahl. Vor allem in England, Deutschland und
Frankreich ist die Organisation Rigpa, des Lamas Sogyal Rinpoche, mit ihren
Retreatzentren verbreitet. Der Kagyü-Lama Chögyam Trungpa gründete die
Shambala-Bewegung. Dessen Schülerin ist die bekannte Nonne Pema Chödrön.
Namkai Norbu, der tibetische Dzogchen-Lehrer lebt und lehrt in Italien. Seit den
1960er Jahren besucht der Dalai Lama, das Oberhaupt der Gelugpas, Europa und
vor allem auch die Schweiz. Dort wirkte Lama Geshe Rabten Mitte der 1970er bis
40
1980er Jahre. Es gibt auch von dieser Linie viele Zentren die von tibetischen Lamas
und ihren europäischen NachfolgerInnen geführt werden.
Der für die westliche Achtsamkeit wohl wichtigste Zweig bezieht sich auf die
Theravāda Tradition des Buddhismus, der über die Deutschen Nyanatiloka
Mahathera (1878-1957) und dessen Schüler Nyanaponika Mahathera (1901-1994)
nach Deutschland kam. Sie lebten als Mönche sowie Übersetzer und Autoren in Sri
Lanka. Die bekannteste deutsche Nonne Ayya Khema gründete Zentren in
Deutschland, Australien und Sri Lanka. Der amerikanische Mönch Ajahn Sumedho
ist Schüler des bekannten Meisters der Thai-Waldkloster Tradition, Ajahn Chah, und
gründete Klöster für Westler in England. In der Waldkloster Tradition gibt es im
Westen mittlerweile ein halbes Dutzend Klöster. „Die Engländer Christopher Titmuss
und Christina Feldman gründen 1984 im südwestenglischen Devon das Gaia House,
Zentrum für buddhistische Meditation, vor allem für Vipassana- oder ErkenntnisMeditation“ (Allmen, 1007, S. 67). Weiters gibt es im Westen die sogenannten
Goenka-Kurse, ausgehend von der burmesischen Vipassana Schule des U Ba Khin.
Die ersten größeren Vipassana Kurse werden 1974 von Marcel Geisser und Fred
von Allmen in der Schweiz durchgeführt. Eine Nachfolgeorganisation der dortigen
Dhamma-Gruppe ist das Meditationszentrum Beatenberg in den Schweizer Alpen.
Eine weitere Vipassana-Pionierin ist die Deutsche Ruth Denison. In Amerika lehren
in dieser Tradition in der IMS – Insight Meditation Society und Spirit Rock, bekannte
Namen wie u.a. Joseph Goldstein, Jack Kornfield und Carol Wilson. In Österreich ist
der Buddhismus als Religion staatliche anerkannt. Im Theravāda lehren hier laut
Allmen (2007) nebst vielen anderen Seelavansa Mahathera, Ursula Lyon, Hannes
Huber und Christoph Köck. Für eine detaillierte Darstellung der Ausbreitung des
Buddhismus im Westen, vor allem in Europa ist auf Batchelor (2011) Awakening of
the West und für die Entwicklungen in den USA auf Fields (1992) How the Swans
Came to the Lake verweisen.
Da Vipassana-Meditation frei von asiatischen kulturellen Ausprägungsformen gelehrt
und praktiziert werden kann, finden heute entsprechende Meditationskurse verstärkt
Anklang unter westlichen Menschen und fanden Einzug eben auch in die
Gesundheitswissenschaften.
Allmen (2007) weist darauf hin, dass die heutige Verbreitung im Westen vor allem
den
zunehmend
kompetenten
und
genauen
Übersetzungen
buddhistischer
Lehrtexten zu verdanken ist. Weiters wurden bereits viele westliche Männer und
41
Frauen in vollem Umfang zur Lehre autorisiert. Allerdings ist es nicht etwa so, dass
die buddhistisch Praktizierenden Menschen im Westen eine neue Religion suchen
würden, vielmehr deutet die Entwicklung darauf hin, dass diese Menschen sich gar
nicht
einmal
als
religiös
bezeichnen,
sondern
sich
erfahrungsbasiert,
handlungsorientiert mit den drängenden Fragen unserer Zeit auseinanderzusetzen
wollen. Dabei findet sich das Phänomen des »engagierten Buddhismus«, in dem
Mitgefühl für den Mitmenschen und das Engagement für eine bessere Gesellschaft
einen zentralen Platz einnimmt. Dies kann auf den Einfluss des Christentums im
Westen mit seiner Wertestruktur zurückgeführt werden. Dass sich diese Strömungen
ausbreiten und viele Lebens- und Gesellschaftsbereiche, wie Wissenschaft,
Gesundheits- und Sozialbereich ebenso wie die Wirtschaft positiv durchwirken bleibt
zu hoffen. Denn darin erkennen wir auch das Konzept des melioristischen
Engagements aus der Integrativen Theorie (Petzold, 2011).
2.2.2 Säkularer Buddhismus
Der britische Buddhist Stephen Batchelor, selbst viele Jahre als buddhistischer
Mönch in Indien und Korea lebend, gilt als der bekannteste Vertreter eines säkularen
und agnostischen Buddhismus. Er weist darauf hin, dass sich der Buddhismus als
religiöses
Glaubenssystem,
als
eine
Lehre
der
transzendenten
Wahrheitsoffenbarung von dem unterscheidet was Siddhārta Gautama im Kern
lehrte. Die Dogmen von Karma und Wiedergeburt sieht er viel mehr als Zugeständnis
an die damalige etablierte Glaubenswelt Indiens denn als Ausdruck einer absoluten
Wahrheit. Dies sei auch der Grund warum der Buddhismus 2500 Jahre überlebte,
weil er sich immer an die menschlichen Bedürfnisse der jeweiligen asiatischen Kultur
und Zeit anzupassen wusste. In diesen Tagen, wo sich die buddhistische Lehre im
Westen verbreitet, tritt diese laut Batchelor in eine weitere entscheidende Phase für
Wandlung und zur Anpassung des Sprachspiels. Thich Nhat Hanh (1993) macht
deutlich, dass der Buddhismus im Westen nur erfolgreich sein kann, wenn er aus
unseren Erfahrungen heraus erwächst und die Bestandteile unserer westlichen
Kultur integriert und nicht die exotischen Bestandteile als den wahren Buddhismus
verklärt.
Batchelor (2011) weist, nicht zuletzt seiner profunden Kenntnis als Übersetzer
tibetischer Texte geschuldet, darauf hin, dass etablierte und ebenfalls dogmatisch
tradierte Übersetzungen von Begriffen der Pāli Sprache durchaus neu gedeutet
42
werden müssen. So wird der Terminus dukkha, als eines der drei Merkmale der
Existenz, meist mit »Leiden« übersetzt – und so beziehen sich in deutscher Sprache
die edlen vier Wahrheiten auf das »Leiden«. Tatsächlich hat dukkha „jedoch so viele
Konnotationen, dass diese unmöglich durch einen einzigen deutschen Begriff
wiederzugeben sind.“ (ebd.). In der englischen Originalausgabe seines Hauptwerks
„Buddhismus für Ungläubige“ verwendet er nicht die übliche Übersetzung »suffering«
sondern meist »anguish«, was in der deutschen Ausgabe mit »Angst« übertragen
wurde, „nicht nur weil sie die gleiche Wurzel hat wie »anguish« (also »Enge«,
»Bedrückung«, »Not« anklingen lässt), sondern weil sie den für dukkha wichtigen
Aspekt der existentiellen Angst betont, welche aus dem »Begehren« entsteht. Auch
wenn »Angst« ebenso wie »Leiden« nicht alle Aspekte von dukkha abzudecken
vermag, erlaubt dieser Terminus jedoch, eine wesentliche Dimension von dukkha
neu zu verstehen“ (Batchelor, 2011, A.d.R.). Es klingt damit auch jene Angst des
dänischen Existentialismus an (der deutsche Begriff »Angst« wird im Kontext des
Existentialismus im Englischen nicht übersetzt), die daraus resultieren soll, dass der
Mensch sich im Laufe der Phylogenese sich aus der Verbundenheit mit der Natur
gelöst hat (Kirkegaard, 1844). Hier wird die Erfahrung des Getrenntseins von Mensch
und Natur, oder von Figur und Hintergrund deutlich. Virtbauer (2013) schlägt für die
Übersetzung
von
dukkha
auch
den
psychologischen
Begriff
Stress
vor.
Sprachsensibilität, gerade wenn es sich um Übersetzungen aus anderen kulturellen
Kontexten handelt, ist für die Integrative Therapie von essentieller Bedeutung.
Siddhārta Gautamas erste Lehr rede war recht kurz und prägnant: Er erklärte wie er
den mittleren Weg, als Meidung der Extremen von Üppigkeit und Askese, fand.
Danach zeigt er die vier adelnden (gemeinhin »die vier edlen«) Wahrheiten auf: die
der Angst, ihres Ursprungs, ihres Aufhörens und des Weges, der zu ihrem Aufhören
führt. Um das zu erreichen müsse die Angst verstanden, von ihrem Ursprung
abgelassen, ihr Aufhören verwirklicht und der Weg dazu geübt werden. Genau das
hat er selbst getan. Und auf Grund dieser Einsichten und des Wissens kann er
behaupten zu »echtem Erwachen« gekommen zu sein. Sein Erwachen wurde im
Laufe der Zeit jedoch zu »mehr«: einer transzentenden Erfahrung, mystischen
Einsichten, religiösen absoluten Wahrheiten. Dabei geriet im Kontext kultureller
Verflochtenheit mit den damit verknüpften Heils- und Erlösungssehnsüchten jedoch
in Vergessenheit, dass die vier Wahrheiten stets ein Handeln des Individuums
verlangen: verstehen, ablassen, verwirklichen, üben. Die schlichte Faktenlage dieser
43
Erkenntnis wurde zu etwas Heiligem erhoben. Die vier adelnden Wahrheiten nach
denen zu Handeln ist, wurden zu Aussagen, zu den Hauptdogmen, die geglaubt
werden sollen. Damit wurde der »Buddhismus«, dessen Terminus eine Erfindung
westlicher Gelehrter ist, zur Religion. »Dharma-Praxis« jedoch bleibt eine
Aufforderung zum Handeln.
Die Sehnsuchtsprojektionen auf eine Lehre, mit Begriffen wie »Nirwana«, »BuddhaNatur«, »Leere«, usw. war vermutlich zu Zeiten Gautamas nicht viel anders als
heute, wenn Menschen zu esoterischen Praktiken und Lehren Zuflucht nehmen, und
damit einen Wirtschaftszweig bedienen, der zumindest den ProfiteurInnen darin
wirtschaftliches Heil beschert. Auch PsychotherapeutInnen sehen sich zunehmend
mit diesen Wünschen nach »Bezogenheit auf etwas Größeres« und »der Essenz
menschlicher Existenz« nach »Sinn und Kohärenz« konfrontiert, nicht zuletzt aus der
Enttäuschung
über
die
als
ungenügend
empfundene
Wirksamkeit
ihrer
angestammten Methoden (Jaeggi & Möller, 2000).
Der Buddha war kein Mystiker. Sein Erwachen war keine alles bis in die
Grundfesten erschütternde Einsicht in eine transzendente Wahrheit, die ihm die
Mysterien Gottes offenbarte. Er maßte sich keine Erfahrung an, durch die ihm ein
exklusives esoterisches Wissen um das wirkliche Funktionieren des Universums
zuwuchs. Erst als der Buddhismus mehr und mehr zur Religion wurde, rankten
sich immer mehr solcher großartigen Behauptungen um die schlichte Tatsache
seines Erwachens. Als er den fünf Asketen beschrieb, was dieses Erwachen
bedeutete, sagte er nur, er sei in Herz und Geist vollkommen frei von den
Zwängen des Begehrens geworden. Und diese Freiheit bezeichnete er als den
Geschmack des Dharma. (Batchelor, 2010, S. 17)
Diese Einblicke in die vier adelnden Wahrheiten gewann er durch unmittelbare
Erfahrung im Hier und Jetzt. Nicht verliehen sie ihm einen besonderen erleuchteten
Standpunkt, sondern er erlebte sie als »adelnd«, da sie seinem Leben Integrität,
Würde und Autorität gaben. Laut Batchelor sah sich der Buddha als Heiler, der seine
Wahrheiten
als
medizinisch-therapeutische
Diagnose
und
Prognose
samt
Behandlungsplan darlegte. Zuerst nimm dein Symptom zur Kenntnis, danach gehe
zum Arzt und lass die Heilbarkeit prüfen und folge ggf. der Behandlung. Zu allererst
jedoch nahm er die existentielle Bedingung der Angst/des Leidens zur Kenntnis.
„Durch Untersuchung fand er heraus, dass ihre Ursache in selbstsüchtigem
44
Begehren liegt. Er sah, dass diese Ursache bereinigt werden kann, und verschrieb
eine alle Aspekte menschlicher Erfahrung umfassende Lebensweise als die einzig
wirksame Behandlung.“ (ebd.)
Gautama lehnte es auch ab einen Nachfolger zu benennen als er starb, da er der
Ansicht war, die Dharma-Praxis genüge als Führer. Sich selbst sah er als einen
„Lehrer mit offenen Händen, der keine esoterischen Lehren für eine Gruppe
Auserwählter zurückhielt“ (Batchelor, 2010, S. 28); ein Lehrer der stets den Weg der
Mitte zwischen Wohlleben und Kasteiung propagierte. Dieser existentielle und
agnostische Ansatz wurde in der Sprache jener Zeit und jener Orte, dem sechsten
vorchristlichen Jahrhundert in den Kulturen der Ganges ebene, formuliert. Im Laufe
der nach Gautamas Tod folgenden Rezeption und Verbreitung kam es zur religiösen
Institutionalisierung in Form von Buddha-Verehrung und unkritischer Annahme seiner
Lehren. Buddha wurde wie viele Weise und Stifter in der Geschichte auch zur
Projektionsfläche von Heilssehnsüchten der Menschen, die ihm folgten, auch wenn
sie fünfhundert Jahre lang widerstanden ihn als gottähnliche Gestalt zu sehen,
danach jedoch erlagen viele der Versuchung. Viele Gegenbewegungen entstanden
um die essentielle Lehre Buddhas zu erhalten, diesen waren jedoch nicht von
anhaltender Wirkung. Auch bei der Emigration in den Westen wurde der
„Buddhismus“ als eine – östliche – Religion wahrgenommen und genau dies
verneble die Begegnung mit dem Dharma in einer agnostischen Kultur wie der
unseren. Denn, der Buddha lehrte Dharma-Praxis und keinen „-Asmus“.
Laut Batchelor (2010) trifft der Buddhismus in der heutigen Welt auf zwei Arten von
Freiheitsbedürfnissen: Zum Einen das Bedürfnis nach der Freiheit von Angst und
Leiden, zum Anderen aber auch das Bedürfnis zur kreativen, schöpferischen Freiheit
in der Gestaltung des eigenen Lebens und der Gesellschaft. Letzteres wurde von der
institutionalisierten, orthodoxen Form des Buddhismus jedoch nicht so in den Fokus
genommen, wie es heute für die demokratisch entwickelten Gesellschaften im
Westen, mit unserem anerzogenen Drang zur Individualität und Autonomie,
notwendig geworden ist. Die Überbetonung und Ausnutzung dieser persönlichen
Freiheiten in einer „Geiz ist Geil“ Kultur führte jedoch zum Zusammenbruch aller
Gemeinschaftlichkeit, zur Umweltzerstörung, zur Ausbeutung von ökologischen und
personellen Ressourcen im Dienste der Gier, der Angst vor dem Verlust von Freiheit
und Gütern und dem daraus resultierenden aggressiven Konkurrenzkampf. Eine
religiöse Orthodoxie bietet dem orientierungs- und richtungslosen Menschen Halt,
45
Struktur und Sicherheit. Warum sollte sich der Buddhismus dann „auf Imagination
einlassen, auf den stets riskanten Sprung ins Dunkle“ (Batchelor, 2010, S. 129)?
Weil zu einer Dharma-Praxis als Kultur des Erwachens in unserer modernen Zeit
eben beides gehört: Individuation und soziales & ökologisches Engagement als die
zwei Pole einer neuen Kultur des Erwachens. Das geht einher mit der Forderung von
Petzold
(2011)
nach
einer
»komplexen
Achtsamkeit«,
die
»melioristischen
Engagement« miteinschließt, also Achtsamkeit für Ungerechtigkeit, Unrecht,
Benachteiligungen, Leiden und Not Anderer meint, mit der Bereitschaft „dazwischen
zu gehen“ (Leitner, Petzold, zit. nach Petzold, 2011, S. 146). Eine solche kann
niemals, wie weiter oben gezeigt wurde, ohne der Wechselwirkung mit den socialworlds, in der sie eingebettet ist, erfolgen. Boeckmans (2013) weist diesbezüglich
darauf hin, dass die spirituelle Praxis in Ost und West ohnehin die selbe
Grundstruktur aufweist: nämlich über zwei Wege – den aufsteigenden und den
absteigenden Pfad. Beim ersten kommt es zur Kontemplation, zum Rückzug, zur
Meditation in Stille, Tiefe und Konzentration, was als Weg der Weisheit (prajna)
bezeichnet wird. Beim zweiten jedoch gehen wir wieder hinaus in die Komplexität der
Welt, „des Marktplatzes“ und umarmen die Komplexität mit einem Herz voller Güte
und Mitgefühl. Dies wird als der Weg des Mitgefühls bezeichnet (karuna). Die große
Aufgabe wird es sein, den Dharma im schöpferischen Austausch so kultivieren, dass
er authentisch weiterlebt, das authentische Denken, Sprechen und Handeln, die
Lebensweise, der Entschluss, die Achtsamkeit und die gesammelte Bewusstheit,
denn sonst, so befürchtet Batchelor (2010), wird die Dharma-Praxis als Subkultur
marginalisiert und von anderen Domänen wie der Psychotherapie vereinnahmt und
geschluckt werden.
In diesem Spannungsfeld des Vorteils etablierter orthodoxer Institutionen, die über
Jahrhunderte eine vitale Lehre bewahrt haben, und der Notwendigkeit der kulturellen
Adaptierung zum authentischen Überleben wird sich der Diskurs zur Assimilierung
der Buddhistischen Lehren in Zukunft entspinnen.
Die agnostische Sicht wird nicht bei der altindischen Niedergangs lehre bleiben,
sondern von der Freiheit und Aufgabe sprechen, auf dieser Erde eine erwachte
und mitfühlende Gesellschaft entstehen zu lassen. Sie wird nicht autoritären und
monolithischen Institutionen das Wort reden, sondern einem dezentralen
Netzwerk kleiner autonomer Gemeinschaften des Erwachens. Anstelle einer von
autokratischen Führungsgestalten beherrschten mystischen religiösen Bewegung
46
wird sie eine zutiefst agnostische, säkulare Kultur entwerfen, deren Grundlage
Freundschaft und deren Erscheinungsbild das gemeinschaftliche Handeln ist.
(Batchelor, 2010, S. 134)
2.2.3 Phänomenologie und Buddhismus
Im folgenden Abschnitt wollen wir untersuchen, inwieweit eine zentrale Metatheorie
der Integrativen Therapie, die Phänomenologie, mit dem Theoriegebäude des
Buddhismus, als Referenzsystem für die Achtsamkeitspraxis, kompatibel ist. Dabei
findet sich in Wenke (2010) eine Argumentationskette, welche Kernaussagen der
Harvard-Vorlesungen des Dalai Lama über den Buddhismus mit Schriften Husserls
und Merleau-Ponty’s verschränkt.
Einer der einflussreichsten indischen buddhistischen Denker, welcher die Traditionen
des Vajrayana- und Zen-Buddhismus entscheidend mitgeprägt hatte, war Nagarjuna
im 2. nachchristlichen Jahrhundert. Seine detaillierten Arbeiten zur Theorie der Leere
und des abhängigen Entstehens hatten großen Einfluss auf den Buddhismus in
Tibet, welcher in seiner kulturellen Ausprägungsform Überschneidungen mit der dort
seit Jahrtausenden beheimateten Bön-Religion aufweist. Schriftliche Übersetzungen
des Pali Kanons ins Tibetische erfolgten erst im 9. Jahrhundert.
Der tibetische
Buddhismus ist nicht zuletzt auf Grund der Präsenz von S.H. des Dalai Lama im
Westen populär geworden – und damit seine theoretische Grundlage (zumindest
theoretisch...)
„Der zentrale Ansatz des Buddhismus ist die meditative Kontemplation als
selbsterforschende Phänomenologie des Bewusstseins, also die empirische
Beobachtung der eigenen Bewusstseinsakte und Motivationen und deren kritische ...
Analyse“ (Wenke, 2010, S. 229). In diesem Zusammenhang wird die Abgrenzung
von einem eliminativen Reduktionismus der Naturwissenschaften deutlich:
Wenn wir eine Beschreibung mentaler Prozesse verfolgen, die vollkommen aus
der ‚objektiven’ Sicht der dritten Person vorgenommen wurde [...], haben wir das
Gefühl, ein entscheidender Aspekt des Gegenstandes sei ausgelassen worden.
Ich meine damit die phänomenologische Seite eines mentalen Ereignisses,
nämlich die subjektive Erfahrung des Individuums. (Dalai Lama, zit. nach Wenke,
2010, S. 230).
47
Die naturwissenschaftlichen Methoden der dritten Person sind ungeeignet um die
Natur des Geistes oder des Bewusstseins zu erforschen, da Subjekt und Welt
untrennbar miteinander verflochten sind und sich gegenseitig erst hervorbringen.
Naturwissenschaften sind von ihrer Methodik her auf einem Auge blind und auch
nicht geeignet Fragestellungen der Philosophie und der phänomenologischen
Psychologie zu beantworten.
Im Gegensatz zur empirischen Forschung aus der »objektiven« Perspektive, auch
der empirisch psychologischen Forschung, kann hier nur die phänomenologische
Selbsterfahrung zu gültigen Ergebnissen kommen. Entgegen der Annahme, dass
intersubjektiv gleichbedeutend mit nicht verallgemeinerbar und damit nicht
objektivierbar zu gelten habe, wird seit Jahrhunderten tausendfach bestätigt, dass
eine durch umfassende methodische Ausbildung durchgeführte Introspektion zu
intersubjektiv überprüfbaren universell gültigen Erfahrungen führt. Damit sind auch
schon zwei Implikationen der phänomenologischen Analyse vor buddhistischem
Hintergrund umrissen: Die grundsätzliche Trainierbarkeit mentaler und meditativer
Fähigkeiten zum Einen und zum Anderen die sich durch lange Erfahrung
herausgebildete Praxeologie dieses Trainings.
Die Erfahrungen während meditativer Zustände sind intersubjektiv überprüfbar, oder
anders ausgedrückt, sozial geteilt, ebenso wie Bezeichnungen für Farbempfindungen
oder Gefühle sozial geteilt sind, entspringen doch all diese Phänomene dem
Leibbewusstsein. Eine solche Erfahrung ist die des Lichts - im Buddhismus gilt Licht
als Grundlage des Lebens.
So wie wir im Falle des Lichts nicht zwischen seinem Leuchten und dem, was es
beleuchtet, unterscheiden können, so gibt es auch im Bewusstsein keinen
substantiellen Unterschied zwischen dem Prozess des Wissens oder der
Erkenntnis und dem, was weiß oder erkennt. Das Bewusstsein verfügt, wie das
Licht, über die Eigenschaft des Leuchtens. (Dalai Lama zit. nach Wenke, 2010,
S. 231)
Ähnliches beschreibt auch Husserl, wenn er Licht als Ausdruck von Intentionalität
von Bewusstsein beschreibt:
‚Der aufmerksame Strahl gibt sich als vom reinen Ich ausstrahlend’, wenn das
Ich einen Bewußtseinsakt vollzieht und korrelativ sein intentionales Objekt ans
Licht tritt; d.h. mir erscheint etwas, wobei man ‚die Aufmerksamkeit mit einem
48
erhellenden Lichte zu vergleichen’ pflegt. (Husserl, zit. nach Wenke, 2010, S.
231)
Die aus der Gehirnforschung bekannte Eigenschaft der Plastizität des Gehirns ist
auch dem Buddhismus schon lange bekannt, wenngleich dem Organ selbst dort
keine Bedeutung für die Lokalisation des Bewusstseins zukommt – ganz so wie in
der Phänomenologie auch. Eine Eigenschaft von Wissenschaften erster Person ist
nach Wenke (2010) die Identität von Betrachter, Objekt und Medium der Forschung,
nämlich dem Bewusstsein. Dabei kommt der Unterscheidungsfähigkeit besondere
Bedeutung zu. Diese Unterscheidungsfähigkeit zu üben ist gleichbedeutend mit
einem modifizierenden Gehirntraining. Dieses ist notwendig, da es sowohl von
Buddhisten als auch von Phänomenologen die Bereitschaft voraussetzt, sich von
lange gepflegten und allgemein anerkannten Ansichten zu Ich, Welt und Bewusstsein
zu trennen. Beiden Disziplinen ist die Grundannahme gleich, dass es keine Welt Ansich gibt, sondern diese nur subjektrelativ existiert. Buddha selbst war es wichtig
stets die introspektiven Einsichten intersubjektiv zu überprüfen und nicht irgendeiner
Dogmatik zu folgen. „Wie man Gold durch Brennen, Schneiden und Reiben [auf
seine Reinheit untersucht], so sollen die Mönche und Weisen mein Wort aufgrund
sorgfältiger Untersuchung annehmen, und nicht, um mir eine Ehre zu erweisen“
(Buddha, zit. nach Dalai Lama, 2013, S. 22). In genau der selben Weise sollen
KlientInnen in einer phänomenologisch gegründeten Psychotherapie auch selbst
überprüfen, was sie empfinden und ob sie angebotene Deutungen stimmig erleben
und diese eben nicht wegen dem Charisma oder dem Ruf des Therapeuten einfach
akzeptieren.
Ein zentraler Leitgedanke im Buddhismus ist die Ich-Losigkeit. Leiden wird durch die
Identifikation mit einem als substanziell erlebten Ich, dem Glauben an „das
Vorhandensein eines grundlegenden Wesenskerns“ (Dalai Lama, 2005, S. 55),
erklärt, sowie den damit verbundenen leidvollen Faktoren (kleshas) der Anhaftung an
grundsätzlich vergänglichen Phänomenen, der Ablehnung von Unerwünschtem, der
Gier, dem Hass und der Verblendung, also dem Unwissen über eben diese
phänomenologische Natur des Bewusstseins. Dalai Lama (2005) führt weiter aus,
dass die Philosophie der Leerheit uns erkennen lässt, dass es sich beim Glauben an
ein abgetrenntes Ich nicht nur um eine grundlegend falsche Sicht handelt, sondern
49
dass diese Auffassung auch die Grundlage unseres Anhaftens, Festhaltens und der
Entwicklung unzähliger Vorurteile bildet.
Dass das Ich dauernder Veränderung unterworfen ist und stets aufs Neue konstruiert
wird finden wir auch bei Merleau-Ponty:
Wohl sind Dank der Zeit vergangene Erfahrungen in die nachkommenden
eingefügt und übernommen, nirgends und nie aber ist das Ich im absoluten
Besitz des Ich, da die Höhlung der Zukunft sich stets aufs neue mit neuer
Gegenwart ausfüllt .... Die Alternative von naturans und naturatum verwandelt
sich so in die Dialektik von konstituierter und konstituierender Zeit. (MerleauPonty, 1966, S. 281).
Für das buddhistische Denken typisch ist auch die Annahme der Möglichkeit
einer
nichtsprachlichen
und
nichtkonzeptuellen
Erfahrung
der
Bewusstseinsphänomene. Was für die empirische Psychologie als nichtexistent
gilt, hat die Phänomenologie aber zu ihrer Basis, denn hier erkennt man die
Grundschicht der Bewusstseinsphänomene und die ‚rohe Welt’, die selbst am
Grunde der Sprache noch liegt. Merleau-Ponty’s schweigendes cogito und
Husserls eidetisches Bewusstsein wären ohne eine unmittelbare Erfahrung
innerer Phänomene in ihrer Selbstgegebenheit nicht möglich. (Wenke, 2010, S.
236)
Im Buddhismus wurden für diese Erfahrungsweisen die Übungswege der Meditation
entwickelt. In der gegenstandslosen Meditation verweilt ein möglichst leerer Geist mit
punktförmiger,
einsgerichteter
Konzentration.
Bei
der
Einsichtsmeditation
(Vipassana) werden die Aspekte des Lebens betrachtet und mit Verständnis für ihre
Bedingtheiten gefüllt. Dabei werden Erinnerungen, Gefühle, Gedanken, soziale
Konstrukte, Assoziationen, bzw. bis hinunter zu ihren ursprünglichen Phänomen
betrachtet. In diesem Vorgehen lässt sich im Grunde die eidetische Reduktion
Husserls, im Sinne einer »Wesensschau« erkennen, in der ebenfalls von den
äußeren komplexen Erscheinungen des Bewusstseins auf die ihnen zu Grunde
liegenden Phänomene reduziert wird. Damit ist auch in der Phänomenologie
impliziert, dass es, so wie im Buddhismus auch, keine eigenständige Existenz der
Phänomene gibt. Eben so wenig, wie es aus toter Materie durch Höherentwicklung
und Komplexitätszunahme plötzlich zum Entstehen von Bewusstsein gekommen ist,
wie es die biologistische „Emergenztheorie“ propagiert. Die Parallelen erstrecken
50
sich hin bis zur Kosmologie, wo laut Wenke (2010) schon der buddhistische
Philosoph Chandrakirti anmerkte, dass die Welt des Empfindungsvermögens dem
Geist entspringt und sich auf gleiche Weise die unterschiedlichen Lebensräume der
Wesen aus dem Geist entfalten. Nagarjuna wird zugeschrieben, er warnte davor dem
„Universum“ eine eigenständige Existenz zuzuschreiben, wie es sich, ein
materialistisches Weltbild implizierend, beim verfestigenden Glauben an eine
dauerhafte eigenständige Existenz der Dinge leicht ergeben kann. Dass sich auch
das „Universum“ als Objekt unseres Geistes herausstellt bemerkt auch MerleauPonty (1966) wenn er darauf hinweist, dass der Laplace’sche Urnebel nicht hinter
uns, an unserem Ursprung liegt, sondern vor uns, in der Kulturwelt. Auch Husserl
(1985) formuliert, dass die Realität, sowohl die Realität des einzeln angenommen
Dinges, als auch die Realität der ganzen Welt wesensmäßig der Selbständigkeit
entbehrt.
Wenke (2010) sieht hier ein zentrales Scharnier von der Phänomenologie zur
Theorie der Leerheit, die in direktem Zusammenhang mit der Selbst-Losigkeit sowohl
der Person als auch aller Dinge steht.
Nagarjunas Theorie der Leerheit stellt sich sozusagen ‚zwei Wahrheiten’ vor,
nämlich erstens eine konventionelle des Alltags – dies sind die bloßen
Phänomene und Husserls natürliche Anschauung der Lebenswelt – und zweitens
eine absolute, die den letztendlichen Daseinsmodus der Dinge und Ereignisse
auf der Ebene de Leerheit beschreibt – dies entspricht der Perspektive der
transzendentalen Reduktion. (Wenke, 2010, S. 246)
Für die therapeutische Beziehung formulieren Galuska und Pietzko (2005) die
Wichtigkeit der Leere im Therapeuten um von jeglichen Identifikationen mit den
Projektionen abzulassen und zu einer Bedürfnis- und Absichtslosigkeit zu gelangen,
zu einer Haltung ohne Erwartung an den Klienten.
Es wurde hiermit dargelegt, dass der Buddhismus eine echte Phänomenologie ist,
welche in ihren Konzepten der westlichen Phänomenologie sehr nahe steht. Darüber
hinaus hat der Buddhismus einen Übungsweg entwickelt, der es uns im Westen
sozialisierten Menschen, und nicht zuletzt Integrativen TherapeutInnen, ermöglicht
zur eigenleiblichen Erfahrung dieser phänomenologischen Gegebenheiten zu
gelangen. Denn Eidetik, die direkte Schau der Phänomene, findet hinter den
Trübungen und Kristallisationen der Sprache statt.
51
„Das Selbst selbst ist die Welt; das Selbst selbst ist das »Ich«; das Selbst selbst ist
Gott; alles ist das höchste Selbst.“ (Ramana Maharshi, zit. nach Hamilton, 2009, S.
130)
Nachdem die Herkunft und Verortung der dieser Arbeit zu Grunde liegenden
Meditationsrichtung
skizziert
wurde,
werden
im
folgenden
Abschnitt
die
fundamentalen Konzepte buddhistischer Psychologie dargestellt und schließlich
„Achtsamkeit“ verortet.
2.2.4 Grundlagen buddhistischer Psychologie – die vier »edlen«
Wahrheiten
Die Grundlagen für die uns heute bekannten Aussagen zum Buddhismus liegen in
den Texten des Pali-Kanons, der drei- bis fünfhundert Jahre nach Buddhas Tod in Sri
Lanka aufgezeichnet wurde und bis heute vollständig erhalten geblieben ist
(www.palikanon.com). Es sind dies die so genannten »drei Körbe« (tipitaka):
•
Die Lehrreden (sutta)
•
Die Ordensregeln (vinaya)
•
Und abhidhamma, das für unsere Betrachtungen wesentliche Kompendium
der Phänomenologie / die buddhistische Psychologie & Philosophie
So unterschiedlich die verschiedenen Strömungen des Buddhismus in ihren
Erscheinungsformen und Entwicklungswegen sein mögen, so besteht unter den
Vertretern jedoch meist der Konsens darüber, dass, soll eine Lehre als buddhistisch
gelten, diese im Kern die, in der ersten Lehrrede Buddhas formulierten, vier edlen
Wahrheiten beinhalten muss. An anderer Stelle weist Batchelor (2011) auf eine
alternative Übersetzungsform für »edel« hin, nämlich »adelnd«, dies ist im Abschnitt „
dargelegt. Da aber sonst in der gesamten deutschen Literatur der Begriff »edle«
Wahrheiten anzutreffen ist, wird im Folgenden auch dieser Begriff verwendet.
„Früher wie heute lehre ich nur das eine: Leiden und das Ende des Leidens – die
unerschütterliche Befreiung des Herzens“ (Buddha, zit. nach Allmen, 2007, S. 73).
So sind diese vier edlen Wahrheiten:
1. die Tatsache des Leidens
2. die Ursache des Leidens
52
3. die Befreiung vom Leiden
4. der Pfad, der zum Ende des Leidens führt
2.2.4.1 Die 1. »edle« Wahrheit vom Leiden
Sie bezieht sich auf die Tatsache dass es in unserem menschlichen Leben immer
Leiden gibt – existentielles Leiden wie Krankheit, Alter und Tod sowie
selbstgemachtes Leiden, worunter Gier, Hass und Verblendung fällt. »Leiden« ist die
vereinfachte Übersetzung des Pali-Begriffs »dukkha«, der sich jedoch auf die
umfassendere Unmöglichkeit bezieht endgültiges Glück aus den materiellen und
immateriellen Gütern zu beziehen, da diese ständiger Wandlung unterworfen und
nicht von Dauer sind, sowie keine eigenständige Existenz besitzen. Für eine
genauere Betrachtung von dukkha siehe den Abschnitt „Säkularer Buddhismus“
„Leiden basiert auf unzureichendem Verständnis der natürlichen Prozesse, die
menschliches Leben und Leben allgemein ausmachen“ (Virtbauer, 2013, S. 264).
Um die Zusammensetzung der menschlichen Erfahrung des Seins verständlich zu
machen, gibt es im Buddhismus das Konzept der fünf Daseinsgruppen oder
skandhas.
2.2.4.1.1 Die Fünf Daseinsgruppen (skandhas)
Diese teilen sich in eine körperliche- (rupa) und vier inmaterielle Herz-Geist
Komponenten (namas):
1. Körper, Form, Materie (rupa): Dazu zählt nicht nur der menschliche Körper
mit seinen Sinnesorganen, sondern alles Materielle das damit wahrgenommen
wird.
2. Gefühlstönung (vedana): das was spürt, empfängt oder erfährt. Häufig auch
als Fühlen oder Gefühl übersetzt, die Empfindungsqualität einer Erfahrung.
Diese kann angenehm, unangenehm oder neutral sein. So ist das
unangenehme an der Wut vedana und nicht die Wut an sich.
3. Unterscheidungsvermögen
(sanna):
ist
das,
was
den
Dingen
und
Erfahrungen Namen gibt und sie zu Konzepten und einem Sinnvollen Ganzen
zusammenfügt. Es ist jener phänomenologischer Prozess, der die FigurHintergrund Unterscheidung, den Mustervergleich und die Kategorisierung
vornimmt um schließlich zum Schluss zu kommen „das ist eine Rose“.
4. Bildekräfte (sankhara): veranlassen eine auf die Gefühlstönung folgende
Handlung. Es ist die Reaktion, sei sie aktiv oder reaktiv, auf ein
53
vorangehendes
Gefühl.
Zu
den
Bildekräften
zählen
beinahe
alle
Geistesfaktoren, sowohl heilsame als auch unheilsame (siehe unten). Es ist
unsere Verantwortung welche Bildekräfte im Leben wirksam werden und so zu
Heilung und Frieden in unserem Geist und in der Welt, oder zu Zerstörung und
Leid führen.
5. Bewusstsein (vinnana): „Das, was klar ist und wahrnimmt“. Dieser Aspekt ist
am schwierigsten begrifflich zu fassen, meint er nur die grundsätzliche
Fähigkeit des Geistes bewusst zu sein, wahrzunehmen, nicht aber den
Vorgang des Wahrnehmens selbst. Es ist in sich selbst, ohne Ausdehnung,
ohne Lokalisierung. Es ist die Fähigkeit unseres Geistes die Dinge in
Erscheinung treten zu lassen, ohne dass eine objektive Welt dort draußen
„wirklich“ existiert.
2.2.4.2 Die 2. »edle« Wahrheit von den Ursachen des Leidens
Sie beschreibt der Buddha nach Allmen (2007) als eine unserem Geist eigene
Unwissenheit, die sich in einer
getäuschten,
oder
auch
der wahren Natur der Dinge unangemessenen,
verkehrten
Wahrnehmung
ausdrückt.
Da
unsere
Wahrnehmungen aber unser Handeln steuern, führt dies in Folge zu inadäquaten
Handlungen und Reaktionen.
2.2.4.2.1 Die drei Charakteristiken aller Phänomene
Unsere habituelle Wahrnehmung ist sich normalerweise der drei Merkmale der
Existenz oder den drei Charakteristiken aller Phänomene nicht bewusst (Allmen,
2007; Michalak, Heidenreich & Williams, 2012; Olendzki, 2009; Virtbauer, 2013):
•
Vergänglichkeit (anicca) – alles materielle und immaterielle ist nicht von
Dauer und ständiger Wandlung unterworfen . Wir nehmen sie aber als
dauerhaft wahr (nicca).
•
Leidhaftigkeit (dukkha) – Unser konditioniertes Erleben ist auf Grund der
Vergänglichkeit inhärent leidhaft. Wir betrachten diese Phänomene jedoch als
Glück bringend und erfüllend und streben danach (sukha).
•
Nicht-Selbst (anatta) – kein Phänomen existiert aus sich heraus, sondern
wird von anderen Phänomenen hervorgerufen und ist damit wiederum
Ursache für weitere Phänomene. Wir halten sie aber für eigenständig
54
existierend (atta). Damit wird auch das Konzept eines eigenständigen,
konstanten
Ich’s obsolet, was für die westliche Psychologie eine gewisse
Herausforderung darstellt, dieses Konzept zu erweitern und anzupassen.
Dieses Prinzip der wechselseitigen Bedingtheit wird auch als Leerheit
(sunyata) bezeichnet. Dabei ist noch wichtig anzumerken, dass es sich bei
Leerheit nicht um ein »Nichts« im Sinne eines Nihilismus handelt. Darauf hat
der Buddha immer wieder hingewiesen, wie Brodbeck (2011) betont.
„Psychologisch spielt sich menschliches Erleben in einem phänomenalen Netzwerk
ab, indem jedes Phänomen direkt mit anderen Phänomenen verknüpft ist und nur in
diesem interdependenten Netzwerk von Beeinflussungen verstanden werden kann.
Daher gibt es auch aus psychologischer Sicht kein inhärentes, überdauerndes Selbst
im Menschen“ (Virtbauer, 2013, S. 266).
2.2.4.2.2 Die unheilsamen Geistesfaktoren (kilesas)
Als Verursacher allen Leidens werden die sog. Unheilsamen Geistesfaktoren
(kilesa/klesa) gesehen. Diese werden in Wurzel-Klesas und Sekundäre Klesas
aufgeteilt, wobei sich die genaue Nomenklatur zwischen Theravada und Mahayana
Philosophie unterscheiden. Im Kern gleichen sie sich jedoch. Die drei Wurzel-klesas
im Theravada Buddhismus sind
•
Unwissenheit, Verblendung: Dies ist nach Allmen (2007) die Urwurzel aller
unheilsamen Geistesfaktoren, und bezieht sich auf die Unwissenheit über die
drei Merkmale der Existenz und die phänomenologische Konstruktion von
Wirklichkeit. Das führt zu Fehleinschätzungen über die Auswirkungen unserer
Handlungen (karma) Daraus resultieren direkt die weiteren klesas.
•
Anhaften, Verlangen, Gier entsteht als Reaktion auf eine angenehme oder
als angenehm zu erwartenden Situation oder Erfahrung. Wir projizieren
attraktive Eigenschaften auf Dinge, Personen, Lebensbedingungen worauf bei
uns Verlangen und (unrealistische) Erwartungen hervorgerufen werden, die
ihrerseits inhärent leidvoll sind. Beginnt diese positive Erfahrung sich zu
verändern, zu verschwinden, reagieren wir mit der Tendenz das angenehme
festzuhalten, daran anzuklammern. Ob dies nun Menschen sind, die uns
verlassen, berufliche Positionen, die wir nicht mehr inne haben, Immobilien,
die ihren Besitzer wechseln. Oft versuchen wir um jeden Preis den Status quo
55
festzuhalten, oder das verlorene zurückzugewinnen, wo es doch oft weit
weniger Energie kosten würde die Veränderung annehmen zu lernen.
•
Ablehnung, Hass ist die Reaktion auf eine Unangenehme Erfahrung. Meist
gehen wir davon aus, dass wir etwas falsch gemacht haben, dass das
Schicksal es schlecht mit einem meint und bemerken dabei nicht, dass
schmerzhafte Erfahrungen Teil der Natur des Daseins sind und auch wieder
von selbst vergehen. Dadurch entstehen unverhältnismäßige Reaktionen, die
zu Wut, Ärger, Hass und Zerstörung führen.
Zu den hier nicht näher erläuterten sekundären kilesas gehören im Theravada Modell
Schamlosikgeit und Gewissenlosigkeit, Ruhelosigkeit und Aufgeregtheit, Falsche
Sichtweise, Dünkel und Einbildung, Neid und Eifersucht, Geiz, Besorgnis, Trägheit,
sowie Zweifel.
2.2.4.2.3 Karma und Wiedergeburt
Folgen wir dem Gedanken von sunyata, dass alle Phänomene leer und ohne
eigenständige Existenz sind, sondern in ständiger Wechselwirkung zu- und
voneinander stehen, entstehen und vergehen, so ist es nachvollziehbar, dass all
unser Handeln – und auch das Unterlassen von Handeln - unweigerlich
Auswirkungen auf andere Phänomene hat. „Die Dinge dieses erscheinenden
Daseins – materieller, psychischer oder geistiger Art – entstehen und vergehen in
Abhängigkeit von Ursachen und Bedingungen“ (Allmen, 2007, S. 129). Dieses
Gesetz wird karma genannt. Jede heilsame oder unheilsame Energie mit der wir
unser Tun in der Welt ausrichten, wirkt auf uns zurück – in diesem Leben, für jeden
empirisch überprüfbar und – im religiösen Buddhismus, der wie dargelegt in der
Niedergangslehre des alten Indien wurzelt, auch im nächsten Leben.
An dieser Stelle verlassen wir aber den Bereich des erfahrungsorientierten,
phänomenologischen Vorgehens aus der Perspektive der ersten Person und
müssten einen spekulativen, glaubensorientierten Zugang wählen. Für die Integration
der buddhistischen Psychologie in eine westliche Psychotherapie kommt aus Sicht
des Autors daher die metaphysische Spekulation über Wiedergeburt und Karma
nicht in Frage, ist mehr noch ein Ausschließungsgrund. Die genaue Bedeutung von
Karma ist noch dazu sehr komplex und dynamisch, dass eine deterministische und
reduktionistische Interpretation wenig hilfreich bis schädlich ist (siehe das
56
sozialpsychologische Problem des „Glaubens an eine gerechte Welt“ – das Opfer ist
demnach selber Schuld, oder eben karmisch bedingt). Zentral für die Wirkung von
karma ist nach Allmen (2007) dabei die Absicht des Tuns, welche die Qualität der
karmischen Handlung bestimmt. Dabei steht die Verantwortung für unser Handeln,
die Bewusstheit mit der dies alles geschieht im Fokus.
Dass die traditionelle buddhistische Lehre die Idee von Wiedergeburt beinhaltet, ist
der Philosophie jener Zeit geschuldet in der der Buddha wirkte. Er übernahm das
Weltbild seiner Zeit. Daraus resultiert sein Weg auch als Beschreibung eines
Ausstiegs aus dem Kreislauf der Wiedergeburten. Nach Batchelor (2011) befand der
Buddha die vorherrschende Wiedergeburtslehre als ausreichendes ethisches
Fundament für seine Lehre. Denn so wie sich die Religionen aller Zeiten in der
Konzeption von Gott, Götter und Göttinnen sowie den kulturellen Ausdrucksformen
unterschieden, einig waren sie sich immer über die Existenz eines Lebens nach dem
Tod. Diese Tatsache an sich ist aber noch kein Wahrheitsbeweis. Die Befürchtungen
über eine Verneinung der Wiedergeburtslehre zu Zeiten des religiösen Buddhismus
waren ähnlich denen im Christentum zur zeit der Aufklärung, dass wenn Menschen
den Glauben an Himmel und Hölle verlieren es zu „totaler sittlicher Verwahrlosung
führe “ (Batchelor, 2011, S. 49). Als eine wesentliche Errungenschaft der Aufklärung
kann demnach die Erkenntnis erachtet werden, dass ein atheistischer Materialist eine
ebenso hohe oder sogar höhere moralische Integrität besitzen kann wie ein
gläubiger, sich vor der Hölle fürchtender, Christ. Diese Entwicklungen führten laut
Batchelor zu jener geistigen und politischen Freiheit, wie sie die Grundlage der
heutigen westlichen Zivilgesellschaft sind.
Dass die Frage »was denn von einem Leben zum nächsten weitergeht« vor dem
Hintergrund der Leerheit und des bedingten Entstehens ist nicht empirisch belegbar,
zumindest nicht für »mich«, Denn so wie der Apfel, der vom Baum fällt, sich
allmählich auflöst, und nur über seinen Samen neue Apfelbäume hervorbringt, die
ihrerseits zu Boden fallende Äpfel hervorbringen, so löse auch »ich« mich auf und
hinterlasse Prägungen in der ewig sich selbst erzeugenden Matrix des Lebens.
Die Spekulationen, dass es Bewusstseinsformen gibt, die in Zwischenreichen weilen,
bis sie in einem Mutterleib inkarnieren „führen uns von der agnostischen und
pragmatischen
Grundhaltungen
des
Buddha
weg
und
zu
metaphysischen
Gegenständen hin, die weder bewiesen noch widerlegt werden können“ (Batchelor,
2011, S. 51).
57
Daraus wird deutlich dass wir im Allgemeinen um unser Tun ethisch, mit
melioristischem Engagement, auszurichten und im Speziellen in der Psychotherapie
gänzlich ohne dem Konzept der Wiedergeburt auskommen.
2.2.4.2.4 Die zwölf Glieder des Abhängigen Entstehens
In dieser Lehre erklärt der Buddha den Kreislauf von Samsara, wie wir immer aufs
Neue Leid erschaffen. Diese zwölf Glieder bedingen sich gegenseitig und halten
sich,
steuern
wir
nicht
mit
Bewusstheit
und
Achtsamkeit
dagegen,
selbstorganisierend, heute würden wir sagen nichtlinear und autopoietisch, aufrecht.
Daher ist jede Darstellung als »Kreis«lauf auch reduktionistisch. Die zwölf Glieder
sind: Unwissenheit & Verblendung, Bildekräfte & Tendenzen, WiedergeburtBewusstsein, Geist-Körper, Die sechs Sinne, Kontakt, Gefühlstönung, Verlangen,
Anhaften, Werden, Geburt, Krankheit/Alter/Tod.
Genaueres über die komplexen Prozesse des abhängigen Entstehens findet man
laut Allmen (2007) im Patthana, im siebten Band der Abhidhamma-Literatur, dem
Buch der kausalen Beziehungen.
2.2.4.3 Die 3. »edle« Wahrheit vom Ende des Leidens
Haben wir einmal die beiden ersten Grundlagen verstanden, wie existentielles
Leid/Angst entsteht, können wir auch dafür sorgen, dass dies zum Aufhören gebracht
wird.
Wir
müssen
dazu
»erwachen«
und
in
Folge
entsprechend
unser
gewohnheitsmäßiges Handeln neu ausrichten um die zwölf Glieder aufzulösen. Dies
geschieht durch Achtsamkeit, Erkenntnis und Gelassenheit.
•
Das Verlangen beenden ist die erste Gelegenheit. Dazu ist es notwendig
unseren aufkeimenden Handlungsimpulsen mit Achtsamkeit zu begegnen und
uns fragen, ob es wirklich notwendig ist (im wahrsten Sinne des Wortes also
eine Not wendet), und welche Motivation dahinter steht. Gelingt es uns dieses
Ergreifen einer Reaktion fallen zu lassen, bzw. von ihr abzusehen, wird der
Kreislauf von konditioniertem Verhalten unterbrochen.
Mit unangenehmen Situationen verhält es sich genauso. Sehr schnell
unternehmen wir Anstrengungen die negativ erlebte oder - drohende Situation
zu vermeiden. Wir haben das Verlangen sie loszuwerden. „Immer dann, wenn
wir willens und fähig sind, unangenehmen Erfahrungen mit annehmender
58
Gelassenheit zu begegnen, sind wir innerlich frei, unterbrechen wir den
Prozess des kontinuierlichen Werdens“ (Allmen, 2007, S. 159).
•
Unwissenheit durch Erkenntnis auflösen bedeutet sich des ständigen
Wandels allen Seins, von den Dingen, den Gefühlstönungen bis zum
Bewusstsein selbst gewahr zu werden und die Illusion einer selbständigen
Existenz der Phänomene zu durchschauen. Wenn wir unsere Achtsamkeit
schulen und präzisieren und in jeder Situation die wahre Natur des Daseins
erkennen und anwenden so lösen sich die konditionierten Reaktionen des
Geistes und damit das Greifen und Anhaften auf.
•
Die Kilesas entkräften ist nicht so einfach wie es sich schreibt, sind die
unheilvollen Geistesfaktoren doch von Anbeginn unseres Mensch-Seins
vorhanden. Wären all unsere Bedürfnisse stets erfüllt, so postuliert auch die
humanistische Psychologie, wäre der Mensch grundsätzlich gut. Da wir stets
Mangel und Entbehrung sowie Schädigung erfahren, bilden sich auch kilesas.
Durch achtsames Gewahrsein in jedem Augenblick lassen sie sich jedoch
zunehmend entkräften, indem wir uns der aufsteigenden Handlungstendenzen
gewahr werden, von ihnen ablassen und damit freier werden von
Identifikation, Anhaftung und Ablehnung. „Wenn wir an Ärger oder Hass
haften, werden wir leiden. Eine von Hass freie, kraftvolle, weise und
mitfühlende Reaktion ist durchaus möglich“ (Kornfield, 2008, S. 296).
•
Nibbana/Nirvana/Erleuchtung: Wohl kaum ein anderer Begriff aus dem
Kontext buddhistischer Philosophie ist so mit Heils- und Erlösungsprojektionen
überfrachtet wie »Erleuchtung«. Dabei sagte der Buddha laut Allmen (2007)
lediglich „Was ist das Ziel? Es ist das Versiegen von Begierde, Hass und
Verblendung“. Es ist kein Zustand in einem wie auch immer erweiterten
Bewusstsein, es ist lediglich die Freiheit von jeglicher Anhaftung an bedingter
Erfahrung. „Dies nenne ich weder Entstehen noch Vergehen, noch Stillstehen,
weder Geborenwerden, noch Sterben. Er [Nibbana, Anm. d Verf.] ist ohne
Grundlage, ohne Entwicklung und ohne Stützen, dies ist das Ende des
Leidens“. Wie die Stufen auf diesem Pfad aussehen, dafür gibt es
verschiedene Modelle und in der Interpretation wer denn ein Erleuchteter, ein
Arya sei, unterscheiden sich die unterschiedlichen Schulen und Strömungen
teils erheblich.
59
„Das Samsara, das wir aufgeben müssen, sind die ichbezogenen Muster in
unserem eigenen Geist, die dualistische Sicht – ist dies getan, ist Erleuchtung
erreicht“ (Gendün Rinpoche, 2010, S. 245)
2.2.4.4 Die 4. »edle« Wahrheit vom Pfad, der zum Ende des Leidens führt
Dieser Pfad ist im Theravada auch als Der achtfache Pfad bekannt. Im Mahayana
Buddhismus wird vermehrt der Lam-rim, der Stufenpfad gelehrt. Alle Modelle dienen
jedoch dazu die heilsamen Geistesfaktoren zu kultivieren.
2.2.4.4.1 Die heilsamen Geistesfaktoren (sobhana)
•
Vertrauen (saddha) in den Inhalt der Idee der Befreiung und in die eigenen
Fähigkeiten den Pfad zu gehen. Dazu gehört die eigene Begeisterung genau
so wie das Vertrauen in die gemachten Erfahrungen auf diesem Pfad.
•
Achtsamkeit, Gewahrsein (sati) In den unterschiedlichen Schulen wird sati
unterschiedlich ausgelegt. Das Wort trägt in sich die Bedeutung von
»Erinnern« - in der Vipassana Meditation »sich an diesen Moment erinnern«
und »wach und aufmerksam zugegen sein«, wie Allmen (2007) erläutert.
Dieser weist auch darauf hin, dass entgegen der durch die Verbreitung von
Achtsamkeitsübungen
im
Westen
häufig
unterstellten
grundsätzlichen
Heilsamkeit von Achtsamkeit, dies im Abhidhamma nicht der Fall ist. In den
Grundlagentexten zur buddhistischen Psychologie wird sati nämlich unter den
ethisch neutralen, objektvermittelnden Geistesfaktoren aufgelistet. Ein Jäger
mit
hoher
Achtsamkeit
kann
besonders
viele
Tiere
töten,
ein
Investmentbanker, der sich der aktuellen Marktsituation stets gewahr ist, kann
dies zu seinem Vorteil nutzen. Ob es sich bei Achtsamkeit um ein heilsames
Unterfangen handelt, hängt von der inneren Ausrichtung ab. Darum sollte an
dieser Stelle stets von Rechter Achtsamkeit (samma sati) die Rede sein. Was
heilsam wirkt muss letztlich jeder selbst erforschen. Im tibetischen
Meditationssystem des Mahamudra und des Dzogchen, auch wie im Zen
spielt Achtsamkeit eine ebenso zentrale Rolle, wird jedoch anders bezeichnet.
Germer et al. (2009) bezeichnen Achtsamkeit als den „royal state of mind“.
Weiters gilt Achtsamkeit nach Allmen (2007) als eine der fünf spirituellen
Fähigkeiten und als einer von sieben Erleuchtungsfaktoren.
60
•
Nicht-Anhaften und Nicht-Ablehnung sind die Antipoden zu den beiden
Wurzel-Kilesas des Anhaftens und Ablehnens. Nicht-Anhaften verwirklicht
man passiv mit Loslassen und aktiv mit Offenherzigkeit und Großzügigkeit
(dana). Nicht-Ablehnung, Nicht-Hass verwirklicht man durch liebevolle Güte
(metta). Dabei ist es wichtig zu beachten dass metta und dana von selbst
erscheinen, wenn Ablehnung und Anhaften nicht mehr auftreten, worauf
Allmen (2007) hinweist, sie sich also wechselseitig bedingen.
•
Insgesamt gibt es 19 heilsame Geistesfaktoren im Theravada Modell. Die
restlichen Faktoren sind Schamgefühl, Gewissenhaftigkeit, Gleichmut &
Gelassenheit; die sechs Paare (je ein Faktor für den psychischen und
geistigen Aspekt): Ruhe, Beweglichkeit, Flexibilität, Gefügigkeit, Geschicktheit,
Aufrichtigkeit; gefolgt von den drei Unterlassungen Rechtes Reden, Rechtes
Tun, Rechter Lebenserwerb; die zwei Grenzenlosen: Mitgefühl (karuna) und
Mitfreude (mudita); sowie Nicht-Täuschung oder Befreiende Weisheit.
2.2.4.4.2 Der Achtfache Pfad
Klassischerweise wird der Achtfache Pfad, als buddhistische Variante eines
ethischen Verhaltenskodex, als Rad mit acht Speichen, die in drei Gruppen eingeteilt
sind, dargestellt. Diese Darstellung ist ob ihrer dynamischen, in vielfachen
Wechselbezügen verwobenen Struktur, missverständlich wenn wir sie als lineare
Abfolge verstehen würden. Vielmehr beeinflusst jeder Bereich jeden anderen. Vor
jedem Bereich steht der etwas holprig klingende Begriff »Recht«, der sich aus
Samma ableitet, was soviel wie richtig, angemessen, hilfreich, geeignet bedeutet, um
die Wichtigkeit der inneren Ausrichtung zu betonen, wie oben bei »Achtsamkeit«
bereits erläutert wurde.
•
WEISHEIT
o Rechte Erkenntnis/Sicht: Das Herzstück aller buddhistischen Praxis,
das erste Element, wie auch „Höhe- und Schlusspunkt in der Liste“
(Olendzki, 2008, S. 410). Zuerst braucht es Vertrauen in die Praxis, die
Lehre, das Einschlagen der richtigen Richtung. Als Resultat ist damit
das vollständige Erwachen gemeint, die Dinge so sehen/schauen, wie
sie wirklich sind.
61
o Rechte
Gesinnung/Absicht:
Dies
ist
in
der
buddhistischen
Psychologie das prinzipielle Werkzeug für Wandel. Haben wir die
rechte Sicht erlangt, so drückt sich die rechte Gesinnung nach Allmen
(2007) in Loslassen und Großzügigkeit aus. Durch diese beiden ersten
Faktoren können die Wurzel-Kilesas aufgelöst werden.
•
VERHALTEN
o Rechte Rede bedeutet von unheilsamen Arten des Redens abzusehen,
Lügen,
Verleumdung,
verletzendes
Reden,
hohles
Geschwätz,
Lobhudelei um sie durch eine kommunikative Atmosphäre zu ersetzen,
in der sich andere wohl fühlen.
o Rechtes Handeln/Tun bedeutet in erster Linie, dass wir nach Allmen
(2007) drei Arten unheilvollen Handelns vermeiden: Töten, Stehlen,
Leid verursachendes sexuelles Verhalten. Nach Olendzki (2008)
kommen für die »fünf ethischen Maxime« noch Nicht-Lügen und kein
Konsum berauschender Mittel dazu. Nicht nur das Vermeiden leidvollen
Verhaltens
ist
Engagements
angesagt,
(Petzold,
sondern
2011,
S.
jede
126),
„engagierter Praxis von Verantwortung“
vermehrt
vom
engagierten
Form
melioristischen
Kulturarbeit
im
Sinne
ebenso. Im Westen wird
Buddhismus
gesprochen,
in
dem
Bewusstsein dafür geschaffen wird, dass heilsame Handlungen eines
jeden Einzelnen nützlich ist, für diejenigen, die davon betroffen sind.
o Rechte Lebensführung/Lebenserwerb besteht ebenso aus dem
Vermeiden von schädlichen Tätigkeiten, die mit dem Töten von Tieren,
dem Waffenhandel, Börsenspekulation, Gift, Drogen, Atommüll, etc. zu
tun haben. Dieser Aspekt macht deutlich dass jeder Lebensbereich Teil
unserer Dharmapraxis sein kann.
•
MEDITATION
o Rechtes
Bemühen
–
darunter
ist
die
Willenskraft,
die
»Heldenhaftigkeit«, ein Synonym für vayama, zu verstehen, den Pfad
zu gehen, die oben beschriebenen Prinzipien zu üben, zu praktizieren.
„Ihr erwartet Wunder? Nicht von mir! Erleuchtung ist harte Arbeit.“
(Dalai Lama, zit. nach Allmen, 2007, S. 218)
62
o Rechte
Achtsamkeit,
auch
als
rechtes
Gewahrsein,
rechte
Aufmerksamkeit oder rechtes Gegenwärtigsein bezeichnet, wird im
nächsten Kapitel näher erläutert.
o Rechte Sammlung/Konzentration – die Entwicklung von Samadhi ist
eine
der
beiden
Meditationsformen
(Samatha)
in
der
völlige
Einsgerichtetheit auf das Meditationsobjekt angestrebt wird. In der
Einsichtsmeditation (Vipassana) dagegen wird der Fokus auf die
Erkenntnis der wahren Natur aller Phänomene, ihre Bedingtheiten und
Wandlungen, die Leerheit, usw. gelegt. Bei samatha dagegen verweilt
der Geist in Ruhe auf einem Objekt und sorgt dafür, dass er sich nicht
ablenken lässt. Sammlung zählt wie Achtsamkeit ebenfalls zu den
ethisch neutralen Geistesfaktoren. Im Theravada kennt man laut Allmen
(2007) vierzig verschiedene Objekte um Sammlung zu praktizieren.
Über die Problematik der Operationalisierung von Samatha für die
empirische Überprüfung im Labor, auf Grund von unterschiedlichen
Interpretationen
von
Samatha
zwischen
den
verschiedenen
buddhistischen Strömungen, berichten Lutz, Dunne und Davidson
(2007). Als Formen von Samatha Meditation zur Entwicklung von
Herzensqualitäten werden bei Allmen (2007) »Die Vier Grenzenlosen«
oder »Die vier erhabenen Verweilungen« aufgeführt:
!
Liebevolle Güte (metta) – Der Wunsch dass alle Lebewesen
glücklich sein mögen wird durch Sätze wie „Mögest Du glücklich
und in Frieden sein“ ausgedrückt.
!
Mitgefühl (karuna) ist der Wunsch dass alle Wesen frei sein
mögen von allen Arten des Leidens und entsteht im Herzen,
wenn wir uns für das Leiden der Wesen öffnen. Empirische
neuropsychologische Befunde zur Auswirkung von KarunaMeditation finden sich bei Klimecki, Leiberg, Lamm & Singer
(2013).
!
Mitfreude (mudita) entsteht, wenn wir uns von der Freude einer
Person berühren lassen und trotz dem Bewusstsein, dass alle
Zustände vergänglich sind den Wunsch äußern „möge Dein
Glück und Dein Wohlergehen nie enden“.
63
!
Gelassenheit (upekkha) entsteht aus Erkenntnis und Weisheit.
Ungeachtet der Bemühungen die wir auch aufbringen um Leiden
zu verringern, wird es immer Leiden geben. Denn schließlich
sorgen die Menschen durch ihre eigenen Verstrickungen dafür
dass sich der Kreislauf aufrechterhält.
Das Gewahrsein dieses Aspekts ist gerade für Menschen in
helfenden Berufen von großer Bedeutung.
2.2.5 Achtsamkeit
Für die Erkenntnis dessen, was Achtsamkeit bedeutet, ist die eigene Erfahrung
entscheidend, da sie in ihrem Wesen eine subtile, nicht-verbale Erfahrung jenseits
von Worten und Konzepten ist. Darüber sind sich alle Vertreter buddhistischer
Richtungen ebenso einige, wie jene Kliniker, die achtsamkeitsbasierte Verfahren im
psychologisch / therapeutischen Alltag einsetzen.
Zur konzeptuellen Orientierung
werden folgend einige gängige Definitionen
vorgestellt um möglichst angemessen über diesen Zustand kommunizieren zu
können.
2.2.5.1 Definitionen
Rechte Achtsamkeit ist die Fähigkeit des Geistes wahrzunehmen, was ist, ohne
die Erfahrung zu werten, an ihr zu haften oder sie zu manipulieren. Wir umarmen
sozusagen unsere Erfahrung mit aufmerksamer, liebevoller Gelassenheit.... Es
geht nicht ums Denken über die Erfahrung des Moments, sondern um ein
direktes in Kontakt sein. (Allmen, 2007, S. 222)
„Achtsamkeit ist reines Beobachten oder Gewahrsein, ohne dass mentale oder
kognitive
Projektionen
die
Wahrnehmung
oder
die
mentale
Wahrnehmungsverarbeitung trüben würden“ (Brück, 2013, S. 12).
Der buddhistische Gelehrte und Mönch Nyanaponika Thera definierte nach Meibert
(2013) »Achtsamkeit als das klare und zielstrebige Gewahrsein dessen, was in den
sukzessiven Momenten der Wahrnehmung gerade mit und in uns geschieht«. Dabei
64
hat dieses »Wahrnehmen was ist« eine Qualität, die Gunaratana als »teilnehmende
Beobachtung« bezeichnet.
Der Meditierende ist sowohl Teilnehmer als auch Beobachter zu ein und
derselben zeit. Wenn man seine Gefühle oder körperlichen Empfindungen
betrachtet, fühlt man sie auch genau in diesem Moment. Achtsamkeit ist keine
intellektuelle Bewusstheit, sie ist einfach Bewusstheit. [...] Achtsamkeit ist
objektiv, aber sie ist nicht kalt oder gefühllos. Sie ist die wachsame Erfahrung
des Lebens, eine aufmerksame Teilnahme am laufenden Prozess des Lebens.
(Gunaratana, zit. nach Meibert, 2013, S. 180)
Germer, Siegel und Fulton (2009) führen weitere Definitionen an, wie
»Achtsamkeit ist Gewahrsein von Augenblick zu Augenblick«
Oder jene von Thich Nhat Hanh aus 1976:
»Achtsamkeit bedeutet das eigene
Bewusstsein für die gegenwärtige Wirklichkeit lebendig halten.«
Im Bereich der Psychologie finden wir die Definition von Achtsamkeit von Kabat-Zinn
(1990) laut Michalak, Heidenreich und Williams (2012) als
•
„Aufmerksamkeitslenkung
auf
die
im
aktuellen
Moment
vorhandenen
Bewusstseinsinhalte
•
Mit der Aufmerksamkeit auf das Hier und Jetzt zurückkommen
•
Nicht wertende Haltung gegenüber Erlebnisinhalten des gegenwärtigen
Augenblicks.“
Die operationale Definition von Bishop et. al (2004)
wurde nach Michalak,
Heidenreich und Williams (2012) in einem Konsensverfahren unterschiedlicher
Achtsamkeitsforscher entwickelt und beinhaltet zwei Komponenten:
•
Selbstregulation
der
Aufmerksamkeit
um
sie
auf
den
unmittelbaren
Erfahrungen des gegenwärtigen Augenblicks zu halten.
•
Bestimmte Orientierung in Form einer Haltung von Neugierde. Damit wird
insgesamt eine Haltung der Akzeptanz der eigenen Erfahrung gegenüber
eingenommen.
65
Eine mehr westlich psychologische Definition aus 1989 wird ebenso angeführt:
„Achtsamkeit ist ein kognitiver Vorgang, der die Entstehung neuer Kategorien,
Offenheit für neue Information und Gewahrsein aus mehr als einer Perspektive
anwendet“ (Langer, zit. nach Germer et al., 2009, S. 20 ).
Baer
führt
nach
ihrer
Zusammenfassung
der
Achtsamkeits-
und
Psychotherapieliteratur im Jahr 2003 folgende Definition an: „Achtsamkeit ist die
nicht wertende Beobachtung eines fortlaufenden Stroms internaler und externaler
Stimuli, während sie erscheinen“ (Baer, zit. nach Germer et al., 2009, S. 20).
Oder um mit Gertrude Stein zu sprechen „Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose ist
eine Rose“.
Im therapeutischen Bereich, so Germer et al. (2009), wird die Definition oft um den
Aspekt von Nicht-Werten erweitert, wie aus der Definition von Jon Kabat-Zinn
ersichtlich ist: »Achtsamkeit ist das Gewahrsein, das in Erscheinung tritt durch die
absichtliche Aufmerksamkeit im gegenwärtigen Moment und ohne Wertung der
Erfahrung, die sich von Moment zu Moment entfaltet.«
Eine
Erweiterung
Freundlichkeit,
von
Nicht-Werten
Liebenswürdigkeit
ist
und
Akzeptanz,
Herzensgüte
womit
gemeint
eine
ist,
gewisse
mit
der
Therapeutinnen intensiven Gefühlen wie Angst, Scham oder Zorn begegnen sollen.
Es ist die Willensbereitschaft Phänomene so zu belassen wie sie im Moment sind,
seien sie angenehm oder schmerzhaft. Veränderung folgt dann dieser Akzeptanz,
oder wie Christensen & Jacobson in Germer et al. (2009) sagen: »Veränderung ist
der jüngere Bruder der Akzeptanz«. Bei Linehan’s Ansatz finden wir dann sogar
»radikale Akzeptanz« als Teil der therapeutischen Praxis.
Damit gelangen sie zur prägnanten Kurzdefinition für ihr Buch „Achtsamkeit in der
Psychotherapie“
•
Gewahrsein der
•
Gegenwärtigen Erfahrung mit
•
Akzeptanz
66
Und weisen darauf hin, auch wenn wir diese Begriffe getrennt voneinander
beschreiben, sie in der eigenleiblichen Erfahrung doch untrennbar miteinander
verbunden sind. Jeder kann den Alltag als Übungsfeld nutzen um hinter die
psychologischen Mechanismen von Emotionen und verstricktem Handeln zu
kommen, um so jene Momente zu mehren, die von Achtsamkeit durchdrungen sind.
2.2.5.2 Achtsame Moment sind
Nichtkonzeptuell: Achtsamkeit ist ein Gewahrsein ohne Absorption in unseren
Gedankenprozess
Gegenwartszentriert:
Achtsamkeit
ist
immer
im
gegenwärtigen
Moment.
Gedanken über unsere Erfahrung sind schon einen Schritt vom gegenwärtigen
Moment entfernt.
Nichtbewertend: Gewahrsein kann nicht frei geschehen, wenn wir unsere
Erfahrung anders wünschen als sie es ist.
Intentional: Achtsamkeit schließt immer eine Absicht mit ein, die Aufmerksamkeit
auszurichten. Die Aufmerksamkeit zum gegenwärtigen Moment zurückzubringen
gibt der Achtsamkeit mit der Zeit Kontinuität.
Teilnehmendes Beobachten: Achtsamkeit ist nicht losgelöstes Zeuge sein. Es
bedeutet, Geist und Körper mit mehr Intimität zu erfahren.
Nichtverbal: Die Erfahrung der Achtsamkeit kann nicht in Worte gefasst werden,
weil Gewahrsein geschieht, bevor Worte im Geist auftauchen.
Explorativ: Achtsames Gewahrsein ist ein Erkunden immer subtilerer Stufen der
Wahrnehmung.
Befreiend: Jeder Augenblick achtsamen Gewahrseins befreit von bedingtem
Leiden. (Germer et al., 2009, S. 23-24)
2.2.5.3 Klassisches
Achtsamkeitstraining
–
die
vier
Grundlagen
von
Achtsamkeit
1. Achtsamkeit auf den Körper
(kaya): Damit wird traditionell die
Geistesschulung begonnen, indem die Achtsamkeit auf Körperempfindungen
gelenkt wird. Klassischerweise auf die physischen Empfindungen während
67
des Atmens. Dabei wird stufenweise die Wahrnehmung verfeinert – von der
Bewegung des Brust- und Bauchraums während der Atmung, den
Empfindungen an der Nasenspitze, hin zu einer Vielzahl immer feinerer
Nuancen körperlicher Phänomene, wie Olendzki (2009) beschreibt. Dabei ist
es wichtig, mit Achtsamkeit dabeizubleiben und nicht abzuschweifen. Allmen
(2007) führt weiters die Achtsamkeit auf andere Empfindungen während der
Körper verschiedene Positionen einnimmt, aus. Im Sitzen, Gehen, Stehen und
Liegen. Gespürt wird von innen heraus, kein Moment wird ausgelassen, kein
Moment ist weniger wichtig. Schließlich kommen noch »die vier Elemente« im
Sinne von Empfindungsqualitäten in den Fokus von Achtsamkeit: fest, weich,
heiß, kühl, kalt, Bewegung, Stille, Vibration, fließen, pulsieren, strömen.
2. Achtsamkeit auf die Gefühle/Gefühlstönungen (vedana) meint nicht nur
die Gefühle wie Freude, Wut, Trauer, usw. sondern die grundlegenden
Tönungen positiv, negativ und neutral. Daraus entsteht in Folge unsere
Tendenz Anzuhaften oder Abzulehnen. Diese Betrachtung bezieht sich auf
aktuelle Körperempfindungen ebenso, wie auf mentale Bilder, Erinnerungen,
Gedanken. „Diese zwei Stränge zu entwirren – (1) ein Objekt erkannt durch
das Sinnestor und (2) den Gefühlston, der das Objekt begleitet – ist der
Anfang, die rastlose Bewegung des Geistes offen zu legen und trägt zu einem
tieferen Verstehen seiner konstruierten Beschaffenheit bei“ (Olendzki, 2009,
S. 363).
3. Achtsamkeit auf den Geist/Geisteszustände/Herz-Geist (citta) meint nach
Allmen (2007) die Bewusstseinszustände, die Eigenschaften und Funktionen
die präsent sind in Herz und Geist, wie Liebe, Hass, Grausamkeit, Mitgefühl,
Zerstreuung, Konzentration, Wachheit, Schläfrigkeit, Erkenntnis, Verblendung
und Achtsamkeit selbst. Sie alle kommen und gehen in konstantem Strom. Wir
bestimmen
nicht
energetischen
darüber.
Dynamik
Sich
bewusst
ihrer
zu
kognitiven,
werden,
ist
emotionalen
Ziel
dieser
und
dritten
Betrachtungsstufe. Dies ermöglicht auch die zunehmende Schärfung der
phänomenologischen Erkenntnis, dass keine dieser Geisteszustände »ich«
bin oder »mir« gehören. Sie sind gewissermaßen die konzeptualisierten Echos
neuronaler Aktivität. „Geschickter Umgang mit den Zuständen von Herz und
Geist sowie Desidentifikation dank unmittelbarem Erfahren ihrer Merkmale von
68
Vergänglichkeit, Unzulänglichkeit und Nicht-Selbst: Darum geht es bei der
dritten Grundlage der Achtsamkeit“ (Allmen, 2007, S. 229).
4. Achtsamkeit auf die Geistobjekte (dhammas) ist die letzte Stufe im Prozess
der Entwicklung von Achtsamkeit und nimmt als Betrachtungsgegenstand die
grundlegenden Belehrungen und Kategorien der buddhistischen Psychologie
selbst. „Hier bringt man die gleiche Qualität nuancierten Gewahrseins für das
auf, was mit dem aktuellen Inhalt der mentalen Erfahrung entsteht“ (Olendzki,
2009, S. 365).
•
Die fünf Hemmnisse/Hindernisse (nivarana) sind Verlangen, Ablehnung,
Trägheit, Ruhelosigkeit, Zweifel
•
Die
fünf
Daseinsaspekte/Aggregate
(skandhas)
–
siehe
das
zählen
die
entsprechende Kapitel
•
Die
zwölf
Sinnesgrundlagen
(ayatana)
–
Dazu
Erfahrungsprozesse unserer fünf Sinne sowie als sechster Sinn und
Geistgrundlage das Bewusstsein. Dazu kommen nochmals je sechs
zugehörige
äußere
Grundlagen,
den
Objekten
zum
Sinnesorgan
entsprechend: Sehorgan -> das Gesehene, Hörorgan -> das Geräusch,
usw.
•
Die sieben Erleuchtungsfaktoren (bojjhanga), oder „Qualitäten des
erwachten Geistes“ (Allmen, 2007, S. 231), sind Achtsamkeit, Ergründen,
enthusiastisches
Bemühen,
Interesse,
Freude,
Entzücken,
Ruhe,
Sammlung, Gelassenheit.
•
Die vier edlen Wahrheiten (sacca) – siehe das entsprechende Kapitel
69
Abbildung 8: Durch Achtsamkeit die Erleuchtungsfaktoren ins Gleichgewicht bringen (Allmen, 2007, S. 238)
Diese kurze Übersicht über die Bedeutung von Achtsamkeit in der klassischen
buddhistischen Psychologie soll als Referenzsystem, als Eichmaßstab dienen, um
die westlichen Entwicklungen und Anwendungen besser kontrastieren, sowie
etwaige bedenkliche Aspekte davon deutlicher herausarbeiten zu können. Die
folgende Darstellung zeigt in grafischer Form nochmals die Verortung von
Achtsamkeit im Kontext buddhistischer Psychologie:
70
Achtsamkeit
Olendzki, 2009)
71
Abbildung 9: Verortung von Achtsamkeit innerhalb der buddhistischen Psychologie (Wasner, 2014, nach
Konzentration
Achtsamkeit
&{MAP_NAME} - 28.10.14 - Mindjet
(beruhigen, samatha in Pali)
Den Geist auf ein einziges Objekt
konzentrieren unter Ausschluss
anderer Objekte fördert die Konzentration oder "Einspitzigkeit" der
geistigen Funktion. Soweit ablenkende Gedanken oder Empfindungen
entstehen, lässt man davon ab,
diesen Objekten Aufmerksamkeit zu
schenken und bringt das Gewahrsein sanft zum primären Objekt der
Erfahrung (Atem, Wort, Phrase usw.)
zurück. Sobald der Geist sich auf ein
bestimmtes Objekt des phänomenalen Feldes einstellt, gewinnt er an
Stille, Stabilität und Kraft.
(Einsicht, vipassana in Pali)
In der Achtsamkeitsmeditation
erlaubt man dem Gewahrsein von
einem zum nächsten Objekt zu
wandern, sobald die Stimuli sich
als Erfahrung zeigen. Geschieht
das in einer anhaltenden Weise,
führt es zur Einsicht in die subjektive Konstruktion von Erfahrung und
in die drei Merkmale der Existenz.
Die vier Grundlagen der
Achtsamkeit
Die zwei Arten der Meditation
Achtsamkeit auf mentale Objekte
Achtsamkeit auf den Geist
Achtsamkeit auf die Gefühle
Achtsamkeit auf den Körper
Gleichmut
Mitfreude
Mitgefühl
Die vier grenzenlosen
Eigenschaften des Herzens
Die sieben Faktoren der Erleuchtung
Liebende Güte
Gleichmut
Konzentration
Stille
Freude
Energie
Untersuchung
Olendzki in Germer (2007)
Begriffe der
Buddhistischen
Psychologie
Der Achtfache Pfad
Der Pfad, der zum Aufhören
von Leid führt
Das Aufhören von Leid
Die Ursache des Leidens
Die Tatsache vom Leiden
sind...
kürzeste Ausdruck der gesamten Lehre des
Buddha und gemeinsame Nenner aller
buddhistischen Richtungen bzw. Schulen.
Verblendung
Hass
Gier
Das weder angenehme
noch unangenehme Gefühl
Das unangenehme Gefühl
Rechte Konzentration
Rechte Achtsamkeit
Rechtes Bemühen
Rechter Lebenserwerb
Rechtes Tun
Rechte Rede
Rechte Absicht
Rechte Sicht
Die Vier Edlen Wahrheiten
Drei Hauptursachen von Leid
Die drei Arten des Gefühls
Nicht-Selbst
Leiden
Vergänglichkeit
Das angenehme Gefühl
Die drei Merkmale der Existenz
2.2.5.4 Verortung von Achtsamkeit innerhalb der buddhistischen Psychologie
2.3 Achtsamkeit und Psychotherapie
Als William James, ein amerikanischer Psychologe introspektiver Richtung, „Anfang
des 20. Jahrhunderts in Harvard lehrte, unterbrach James plötzlich seinen Vortrag.
Er erkannte einen buddhistischen Mönch aus Sri Lanka unter seinen Zuhörern.
‚Nehmen Sie meinen Stuhl’, so habe er gesagt. ‚Sie sind besser ausgestattet,
Psychologie zu lehren als ich. Das ist die Psychologie, die jeder in 25 Jahren
studieren wird.’“ (Epstein, zit. nach Germer et al., 2009, S. 29).
Auch wenn sich die zeitliche Vorhersage etwas nach hinten verschoben hat,
Achtsamkeit ist längst im klinischen Alltag angekommen und inzwischen hundertfach
empirisch beforscht worden.
Germer
et
al.
(2009)
nennen
im
wesentlichen
drei
Aspekte,
die
eine
achtsamkeitsorientierte Psychotherapie ausmachen:
1. Ein Therapeut kann durch eigene Achtsamkeitsmeditation mehr achtsame
Präsenz für seine Therapien entwickeln
2. In der achtsamkeitsinformierten Psychotherapie können die Therapeuten
Erkenntnisse und Konzepte der buddhistischen Psychologie zur Achtsamkeit
aufgreifen und mit den Erkenntnissen aus der aktuellen Forschung zum
Thema einen erweiterten theoretischen Bezugsrahmen nutzen, sowie
3. sie lehren in einer achtsamkeitsbasierten Psychotherapie ihre PatientInnen
wie man Achtsamkeit übt und mit der Anwendung der Prinzipien und
Haltungen persönliches Leid vermindern kann.
Ein neues Psychotherapiemodell erhalten wird laut Germer et al. (2009) dann,
•
wenn die laufende Forschung die Nützlichkeit bestätigt,
•
wenn die Kernaspekte von Achtsamkeit für unterschiedliche Diagnosen und
Patientengruppen sowie Settings differenziert werden,
•
wenn wir die Grenzen des Ansatzes präzisieren und akzeptieren können,
•
wenn die verschiedenen Achtsamkeits-Schulen und Forschungsrichtungen
unter einen theoretischen Hut gebracht werden,
•
sowie, so fügt der Autor hinzu, wenn wir die geistig-spirituelle Dimension in
zeitgemäßer, säkularer Form integrieren können.
72
2.3.1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Wie lässt sich ein Verfahren, das vor über 2500 Jahren im alten Indien entstand mit
einem im heutigen westlich-wissenschaftlich gegründeten Psychotherapieverfahren
überhaupt vergleichen? Ist das Leiden, auf das Buddha sich einst bezog mit dem
Leiden des heutigen modernen Menschen vergleichbar? Ist das Bestreben der UrBuddhisten Leiden zu lindern äquivalent mit dem Bestreben von TherapeutInnen,
das Leiden unserer Patienten zu lindern? Und das mit den selben philosophischen
Ansätzen und Methoden? Die große zeitliche und kulturelle Distanz scheint die
Beantwortung dieser Frage als wenig vielversprechend und als kühnes Unterfangen
erscheinen. Und doch stehen wir vor dem Phänomen, dass die wissenschaftliche
Erforschung und empirische Absicherung der Wirkung dieser Jahrtausende alten
»Herangehensweise«
zur Behandlung von seelisch- geistigen Nöten und
Leidenszuständen, in den vergangenen Jahren rasant zugenommen hat. Irgend
etwas muss an diesem Herangehen dran sein, das auch für uns westliche Menschen
nützlich, greifbar und kompatibel ist.
2.3.1.1 Im Tree of Science
•
Das Kapitel »Phänomenologie und Buddhismus« gibt auf der Ebene der
Meta-Theorien des Tree Of Science über die Kompatibilitäten Auskunft.
•
Auf der Ebene der realexplikativen Theorien können wir Parallelen zwischen
beiden Systemen erkenne, denn beide haben ein „Rahmenwerk zum
Verständnis psychologischer Störungen gemein. Beide Systeme identifizieren
Symptome, beschreiben Ätiologien, schlagen eine Prognose vor und
verschreiben eine Behandlung. Diese Formulierung ist [in der buddhistischen
Psychologie] in den Vier Edlen Wahrheiten zu finden“ (Germer, 2009, S. 52).
•
Auf der Ebene der Praxeologie finden sich ebenfalls in beiden Traditionen
eine
Vielzahl
an
Theorien
zu
Behandlungskonzepten
und
Behandlungsmethoden. Die buddhistische Psychologie fügt neben der
theoretischen phänomenologischen Gründung auch einen reichen Schatz an
Methodologie zur Umsetzung der phänomenologischen Analyse
•
bis hinunter auf die Ebene der konkreten Praxis, womit schließlich die
konkreten Achtsamkeitsübungen gemeint sind.
73
Sowohl psychodynamische, als auch verhaltenspsychologische Ansätze sind genau
wie die buddhistische Psychologie zur Einsicht gekommen, dass menschliches Leid
größtenteils durch Verzerrungen und Fehlinterpretationen von Gedanken und
Gefühlen
zu
Stande
kommen.
Während
verhaltenspsychologisch
orientierte
Therapieverfahren die Art dieser Verzerrungen als Grund für fehlangepasstes
Verhalten sehen, vermuten psychodynamische Theorien, dass diese mentalen
Verzerrungen sich aus Kindheitserfahrungen und deren »psychischen Narben«
ableiten lassen, welche die ungetrübte Erfahrung des gegenwärtigen Moments
beeinträchtigen und einengen. Dies führt zur Verfestigung von Glaubenssätzen von
sich und seiner Welt und seiner Zukunft. Damit stimmt auch die buddhistische
Psychologie überein, wenn sie die Beobachtung teilt, „dass das Festhalten an
verzerrten Kernglaubenssätzen zu Leid führt“ (Germer, 2009, S. 56). Damit erkennen
alle drei Traditionen, dass Leid Folge von Wirkungsbedingungen innerhalb des
Lebenskontinuums ist.
In Bezug auf Behandlungsstrategien ist die Introspektion bei psychodynamischen
Therapien, im Sinne der freien Assoziation, ebenso das zentrale Moment, um
konflikthafte Inhalte zu Tage zu fördern, sich ihrer Ursachen und Wirkungen bewusst
zu werden, Einsicht zu erlangen, um so die offenen Gestalten zu schließen,
emotionale Differenzierung zu ermöglichen und schließlich Leiden zu beenden. Auch
die KVT macht das Erkennen der eigenen unangepassten Gedankenmuster zum
Ziel, um so den Patienten zu angepassterem und zufriedenstellenderem Verhalten
zu verhelfen. Wie in den vorherigen Kapiteln dargestellt, wurden die Ansätze um den
Aspekt der Akzeptanz von vorhandenen Zuständen erweitert, die Veränderung
ermöglichen soll.
Die traditionellen Achtsamkeitsansätze unterscheiden sich dabei von der Art des
Betrachtungsobjektes. Sind bei psychodynamischen Therapien Ereignisse und
Zustände in der Vergangenheit der Betrachtungsfokus, so gilt in der überlieferten
Achtsamkeitspraxis die Beobachtung der Geistestätigkeit von Moment zu Moment als
das Agens zur Leidensverringerung, da damit Schritt für Schritt mehr Einsicht in die
Abläufe des Geistes, des menschlichen Lebens und aller Natur erlangt werden kann.
2.3.1.2 Das Konzept des Selbst
An diesem Punkt unterscheiden sich die westliche Sicht und die buddhistische in
erheblichem Maße. Im Westen sozialisiert wird uns ein Bild vom gesunden Selbst als
74
getrennt von anderen und dem Rest der Welt vermittelt, als gut abgegrenzt,
eigenständig, individuell, unabhängig, Herr über die Welt (»Mach dir die Erde
untertan«). Daraus resultiert idealerweise ein Bild von sich „mit einem klaren und
stabilen Identitätsempfinden und einem Selbstgefühl, das von Zusammenhalt und
Wertschätzung gekennzeichnet ist“ (Germer et al., 2009, S.65). Viele Menschen
kommen in die Psychotherapie weil ihnen einige dieser Eigenschaften zu fehlen
scheinen, andere kommen wegen dem Schmerz der Isolation und des GetrenntSeins. Traditionellerweise ist es dann Aufgabe von Psychotherapie das leidende
Selbst wieder an diese normative Konzeption anzugleichen: „Selbstwert zu
verbessern,
eigene
Bedürfnisse
in
einer
Beziehung
zu
identifizieren,
ein
zusammenhängendes Selbstgefühl aufzubauen, Grenzen zu etablieren, usw.“ (ibid.,
S. 66) - von der Selbstpsychologie von Kohut bis zur Selbstwirksamkeit Bandura’s.
Das Ziel von Achtsamkeitspraxis ist es hingegen nicht jemand bestimmter zu werden,
sondern vielmehr die Erkenntnis zu kultivieren, dass es kein Selbst gibt. Das ist für
uns
westliche
psychodynamisch-
und
verhaltenspsychologisch
orientierten
Psychologen und Therapeuten die wohl radikalste Wendung, sofern wir nicht
ohnehin der phänomenologisch-psychologischen Grundhaltung folgen, wie es die
Integrative Therapie macht: „Ich bin kein »Lebewesen«, sogar kein »Mensch«, nicht
einmal ein »Bewußtsein« [...] – ich bin vielmehr absoluter Ursprung, und meine
Existenz geht nicht [...] hervor aus meiner physischen und sozialen Umwelt, sie geht
vielmehr auf diese hin zu und gibt ihr den Seinsgrund erst“ (Merleau-Ponty, zit. nach
Wenke, 2010). Das Erkennen, die »Schau« dieser Nicht-Wirklichkeit, die Befreiung
sämtlicher kognitiver, emotionaler und verhaltensmäßigen Anhaftungen am Konzept
eines eigenständigen Selbst wird in der buddhistischen Psychologie als nichts
geringeres bezeichnet als »Erleuchtung«. Damit wird deutlich, dass die traditionelle
Achtsamkeit zwar Methoden bietet, die im westlich-therapeutischen Sinne als
hilfreich zu erachten sind, aber mit ihrer finalen Ausrichtung des »Behandlungsziels«
weit darüber hinausgeht, was in unserem christlich-abendländisch geprägten
kulturellen Kontext fassbar ist.
75
2.3.2 Achtsamkeitsbasierte Verfahren für KlientInnen
2.3.2.1 Kognitive Verhaltenstherapie
2.3.2.1.1 MBSR
Nachdem 1977 die American Psychiatric Association zur klinischen Erforschung von
Meditation aufrief, führte schließlich die Entwicklung eines Programms zur
Behandlung von Stress und chronischen Schmerzen, der Mindfulness Based Stress
Reduction, durch Jon Kabat-Zinn, seit Ende der 1970er Jahre zur breitenwirksamen
Rezeption der Wirkung von Meditation auf die psychische Gesundheit. Mittlerweile
hatten bis im Jahr 2004 mehr als 15000 Menschen das MBSR-Programm
abgeschlossen. Dabei handelt es sich um ein strukturiertes, 8 wöchiges
Gruppentraining, in dem verschiedene formelle und informelle Übungen in ca. 2,5
stündigen Sitzungen vorgestellt, unter der Woche eigenständig geübt und in den
folgenden Sitzungen ausführlich mit den anderen Teilnehmern reflektiert werden,
wobei jede Sitzung mit einer längeren formellen Achtsamkeitsübung (20-40 Minuten)
beginnt (Michalak et al., 2012). Die formellen Übungen bestehen u.a. aus der
sogenannten Rosinenübung, Atemmeditation, Body-Scan, Sitzmeditation, YogaÜbungen,
Gehmeditation.
Die
informellen
Übungen
richten
sich
an
die
Integrationsmöglichkeit in den Alltag. Dabei wird der Fokus auf die bewusste,
achtsame Ausführung von Handlungen des Alltags gerichtet. Achtsame Ausführung
heißt dabei, dass beim Erkennen einer Abschweifung von der Tätigkeit die
Aufmerksamkeit wieder dorthin zurückgebracht wird, um diese und nur diese voll und
ganz auszuführen. Vom Zähneputzen übers Kochen bis zum Autofahren, gemäß der
Zen-Regel »Wenn Du gehst dann gehe, wenn Du isst dann esse und wenn Du
schläfst, dann schlafe“. Weiters sind auch Elemente der Psychoedukation Teil der
Programme.
In der Zwischenzeit gibt es eine Vielzahl an empirischen Befunden zur Wirksamkeit
von MBSR. Michalak et al. (2012) nennen einige Weiterentwicklungen für andere
Themenfelder und Störungsbilder wie Angststörungen, Essstörungen (MB-EAT, von
Kristeller & Hallett, 1999), Hautprobleme (Baer, 2003), zur Verbesserung von
Paarbeziehungen (MBRE – mindfulness based relationship enhancement von
Carson et al., 2006), zur Geburts- und Elternschaftsvorbereitung (Duncan &
76
Bardacke,
2010),
sowie
ein
Programm
zur
Rückfallprophylaxe
bei
Substanzabhängigkeit von Bowen et al. aus 2009.
2.3.2.1.2 MBCT
Die »Mindfulness Based Cognitive Therapy« wurde von Segal, Williams und
Teasdale (2002, 2008) als eine Weiterentwicklung von MBSR entwickelt um die
Rückfallhäufigkeit bei rezidivierenden Depressionen zu verbessern, da die
Rückfallwahrscheinlichkeit, gerade bei Patienten mit mehr als 3 depressiven
Epsioden, sehr hoch ist (>80%). Ausgehend von ihrer eigenen Erfahrung mit MBSR
nahmen sie Elemente auf, die für die Behandlung von Depressiven wichtig sind, wie
Informationsvermittlung über Depressionen, Umgang mit Gedanken, Rückfallpläne.
Auch hier handelt es sich um ein 8 wöchiges Programm mit wöchentlichen Sitzungen
zu 2 Stunden, bis max. 12 Personen.
Die Ergebnisse zur Verringerung der
Rückfallraten zeigten sich im Vergleich zur medikamentösen Erhaltungstherapie als
gleich wirksam.
•
Modell der Differenziellen Aktivierung: Neuere Modelle der Depression
legen den Fokus auf Aufschaukelungseffekte, die ein erhöhtes Rückfallrisiko
bedingen. Dabei führt dysphorische Stimmung zur Aktivierung negativer
Kognitionen wie Selbstentwertung, Hoffnungslosigkeit, frühere negative
Erinnerungen, sowie Grübeln, was in einer Rückkoppelungsschleife wiederum
zur Steigerung dysphorischer Stimmung führt. Als Moderatorvariablen
fungieren zusätzlich dysfunktionale Verhaltensweisen wie Rückzug und
Passivität. Diese Korrelationen konnten von Segal et al. (1999, 2006) auch
empirisch bestätigt werden (Michalak et al., 2012).
•
Diskrepanzbasierte Informationsverarbeitung und Grübeln ist der »Mode
of Mind«, der durch solch negativen Kognitionen begünstigt wird. Damit ist ein
ständiger Soll- Ist Vergleich gemeint, der meist zu Gunsten eines nicht
erreichten Soll Zustandes ausgeht. Danach werden Handlungen ausgeführt,
die diese Diskrepanz, oder auch als »kognitive Dissonanz« bezeichnet,
verringern
sollen.
Die
Person
bildet
dabei
meist
„sprachnahe
Repräsentationen des gegenwärtigen Zustandes und des erwünschten (bzw.
zu vermeidenden) Zustands... sodass der Abstand zwischen ihnen überprüft
werden kann“ (Michalak et al., 2012, S. 15). Die Person ist damit nicht in
einem direkten, leiblichen, Erfahrungsmodus sondern denkt und spricht über
77
Erfahrungen. Kurzfristig bringt dies Kontrollmöglichkeit und Erleichterung,
längerfristig hat dieser, durch repetitive mentale Zustände gekennzeichnete
Modus jedoch nachteilige Auswirkungen. Die in diesem Modus angewandten
Strategien
sind
ebenfalls
kognitiver,
konzeptueller
Natur
–
Grübeln,
Nachdenken, Analysieren, etc. Bleiben innere Erlebensweisen zu lange
unterdrückt,
kann
dies
später
zu
Intrusionen
führen.
Kognitive
Problemlöseversuche wie Grübeln und Sich-Sorgen reduzieren meist die
Problemlösefähigkeiten (Donaldson & Lam, zit. nach Michalak, 2012, S. 16).
Das Wiederauftauchen unterdrückter Gedanken ist auch empirisch untersucht.
Entscheidend
für
die
emotionale
Verarbeitung
ist
die
ganzheitliche
Wahrnehmung: Nicht nur denke ich an die Situation von gestern, und spiele
sie wieder und wieder durch, sondern ich spüre auch den Schmerz, die
Enttäuschung und die Wut, in diesem Moment.
•
Dysfunktionale Identifikation mit Sprache besteht darin, dass der Patient
sich in unangemessenem Ausmaß mit den kognitiven Beschreibungen seines
inneren und äußeren Zustands, den Gedanken identifiziert, diese Konstrukte
zu sehr zum integralen Bestandteil seines Selbst werden lässt. Er erkennt in
psychischen Ausnahmezuständen wie Depression und Angst nicht, dass
Gedanken eigentlich »nur Gedanken« sind. Er nimmt sie zu wörtlich, zu real,
zu gegenständlich. Wir alle, auch wir Therapeuten haben bis zu einem
bestimmten Maß diese Tendenz. Bei depressiven Patienten führt dieser
Prozess aber zu ungünstigen Kreisläufen (»Ich bin unfähig«, »alle anderen
sind besser als ich«, »das werde ich nie schaffen«, etc.), er hält diese
Gedanken für valide Beschreibungen seiner selbst, für Beschreibungen seiner
Geschichte und seiner Zukunft. Dadurch wird die dysphorische Stimmung
erneut verstärkt. Durch die abstrahierte, kognitive Beschreibung entfernt sich
der Patient von der direkten, leiblichen Erfahrung des Hier und Jetzt und
bindet den Großteil an Ressourcen, „dass er nicht mehr fähig ist, den
‚Reichtum’ der gegenwärtigen Situation, auch mit all ihren ‚Nicht-MisserfolgsAspekten’ wahrzunehmen“ (Michalak, 2012, S.17). Damit wir die positiven
Effekte von Sprache, das sich Mut machen und das Motivieren, das Selbstlob,
usw. nützen können, bedarf es einer grundlegenden Haltung der Akzeptanz
des
gegenwärtigen
Zustandes,
mit
verdinglichenden – Umgang mit Sprache.
78
einem
pragmatischen
–
statt
Im Rahmen der MBCT sollen Patienten lernen ihre Haltung gegenüber ihren
Gedanken und inneren zuständen, Gefühlen, zu verändern. Es soll zu einem
»decentering« oder »desidentification« kommen, dabei lernt der Patient – durch
Praktizieren von Achtsamkeit – sich nicht mit ihren Gedanken und Gefühlen zu
identifizieren, sondern sie als das zu erkennen was sie sind, nämlich mentale
Ereignisse, Produkte ihres Geistes.
2.3.2.1.3 DBT
Die »Dialektisch Behaviorale Therapie« wurde von Marsha Linehan (1993) zur
Behandlung von Menschen mit Borderline-Persönlichkeitsstörungen entwickelt und
basiert auf empirisch gut abgesicherten kognitiv-behavioralen Methoden, sowie einer
Integration von fernöstlichen Meditationstechniken. „Auch wenn gerade dieser
spirituelle Ansatz sich einem rein wissenschaftlich orientierten Kollegen nicht sofort
erschließt, so ist er doch als der philosophische Hintergrund der DBT zu verstehen“
(Bohus, 2002, S. 18). Die DBT geht dabei nicht nach einer zeitlich linearen Abfolge
von vorgegebenen Modulinhalten vor, wie andere monosymptomatisch orientierte
Programme, sondern orientiert sich an Verhaltensmustern, welcher der Patient zeigt
und
strukturiert
die
Inhalte
und
Methoden
ausgehend
von
bestimmten
Entscheidungsregeln. Dabei wird vorausgesetzt, dass der (Verhaltens-)Therapeut mit
den
grundlegenden
Therapiemethoden
wie
Expositionsverfahren,
kognitiven
Umstrukturierungen, Problemlösen vertraut ist, sowie etablierte Manuale zur
Behandlung von komorbiden Störungen heranzieht.
Das Behandlungsprogramm der DBT besteht aus vier Modulen:
1. Einzeltherapie
2. Fertigkeitentraining (Skills-Training) in der Gruppe
3. Telefonberatung
4. Supervisionsgruppe für TherapeutInnen
Die
Innere
Achtsamkeit
ist
dabei
eines
von
vier
Sub-Modulen
des
Fertigkeitentrainings und zielt dabei auf die Balance von »Vernunft« und »Gefühl«
um so intuitives Selbstverständnis (»wise-mind«) zu fördern.
•
Die »Was-Fertigkeiten« der Inneren Achtsamkeit sind dabei
o Wahrnehmen von allen Sinneseindrücken, von Kognitionen von
Körpergrenzen und der Interaktion mit anderen.
79
o Beschreiben
beinhaltet
die
Fähigkeit
eigenes
Verhalten
oder
Umweltreize zu benennen um so, aus einer sicheren Distanz heraus,
zu lernen, dass Emotionen und Gedanken lediglich Reaktionsmuster
auf Reize von außen sind und keine notwendigen Widerspiegelungen
von Ereignissen.
o Teilnehmen meint das vollständige Aufgehen in einer Tätigkeit im Hier
und Jetzt. Wach, bewusst mit Konzentration, ohne Ablenkung. Als
Übungen dafür eignen sich begrenzte Handlungen wie Teekochen oder
Abwaschen genauso wie Geschicklichkeitsspiele oder das Malen von
Bildern.
•
Die »Wie-Fertigkeiten« Innerer Achtsamkeit umfassen
o Don’t judge! »Die Bewertung ist die Pforte zur Emotion«. Zu lernen,
ohne Bewertung nur zu beschreiben ist ein langwieriger Prozess, aber
ein notwendiger. Bohus (2002) merkt an, dass fast alle therapeutischen
Methoden, die auf die Bewältigung von Traumatas ausgerichtet sind,
eine Metapher für „nicht-bewertende-Beobachtung“ beinhalten
o Konzentration als Mittel zur Erlangung der Kontrolle über die
Aufmerksamkeit, sich nicht von alten Bildern und Mustern überwältigen
zu lassen. Die Konzentration auf jeden Teilaspekt des Essens, anstelle
von
Ablenkungen
Fressanfällen
während
zwar
eine
dem
Essen,
aversive,
aber
ist
bei
eine
bulimischen
wirkungsvolle
Behandlungsstrategie.
o Wirkungsvolles
Handeln
meint
eine
Anleitung
zu
effektiven,
zielgerichteten Handlungen gemäß den Regeln und den maximalen
Möglichkeiten der Patienten. Zu akzeptieren »so wie sie sind« ist dabei
wirkungsvoll, anstelle eines »so wie es sein sollte«, was einen weiten
Horizont der Untätigkeit eröffnet. „Ein anderes Problem skizziert sich in
der Angst ‚sich zu verlieren’ , wenn man ‚nach den Regeln’ spielt – ein
typisches adoleszentäres Phänomen“ (Bohus, 2002, S. 81).
2.3.2.1.4 ACT
Die »Acceptance und Commitment Therapy« gehört ebenso wie die zuvor genannten
Ansätze zur sogenannten »dritte Welle der Verhaltenstherapie«. Eifert (2011)
beschreibt die ACT als gezielte Weiterentwicklung der kognitiven Verhaltenstherapie.
80
Als die theoretisch-empirische Grundlage nennt er die Relationsbildungstheorie mit
ihren Erkenntnissen zur Sprache und der Entstehung von Verhaltensinflexibilität
infolge von Erlebensvermeidung. Es sollen laut Michalak et al. (2012) vor allem zwei
zentrale Prinzipen vermittelt werden:
•
Steigerung von Akzeptanz gegenüber den inneren Erfahrungen. Da vielen
Symptomen die Unterdrückung ihrer zu Grunde liegenden Emotionen voraus
gehen, ist es für Patienten hilfreich sich diesen mit einer akzeptierenden
Grundhaltung zuzuwenden. So wird bei Panikstörungen das Erleben
intensiver Angst unterdrückt, bei Zwangsstörungen das Erleben von
beunruhigenden Gedanken, sowie Ekel und Unruhe verhindert. Diese
Verhinderung stabilisiert jedoch das Symptom und hält die Person davon ab
ein wertorientiertes Leben zu führen. Kürzere Achtsamkeitsübungen sollen
den Patienten helfen eine grundsätzlich akzeptierende Haltung gegenüber
den inneren Erfahrungen und Emotionen gegenüber einzunehmen.
•
Ermöglichung von engagiertem Handeln in Bezug auf seine Werthaltungen
ist der Zweck dieser durch Achtsamkeit befreiten Ressourcen. Diese können
familiärer, kultureller, spiritueller oder politischer Natur sein.
Für psychische Störungen – und damit für die psychische Inflexibilität - relevante
Prozesse und deren Behandlungsstrategien sind nach Eifert (2011)
•
Erlebensvermeidung >>> Akzeptieren und bereit sein
Gemeint ist die Tendenz von Menschen die als unangenehm bewertete
Erlebensweisen von Kognitionen und Emotionen zu unterdrücken oder sonst
in einer Form zu verändern. Dieses Verhalten führt zu einer kurzfristigen
Erleichterung, was zu einer Verstärkung dieser Verhaltensweisen führt. Auf
lange Sicht jedoch führt dies zu immer stärkeren Einschränkungen der
lebenszielorientierten Handlungsoptionen. Es wird also z.B. bei einer
Agoraphobie nicht der öffentliche Platz an sich vermieden, sondern die damit
in Verbindung stehenden Emotionen und Gedanken.
•
Kognitive Fusion >>> kognitive Defusion
Fusion findet dann statt, wenn wir mit unseren - meist negativen bewertenden Gedanken verschmolzen sind, dass wir keinerlei Distanz zu
ihnen mehr haben und so das Gedachte als die höchstpersönliche Wahrheit
81
erachten und nicht als Produktionen unseres Geistes, als elektrochemisches
Feuerwerk im Zentralnervensystem.
•
Dominanz der vorgestellten Vergangenheit und Zukunft >>> Im Hier und
Jetzt präsent sein
•
Festhalten am Selbstkonzept >>> Selbst als Kontext/Beobachterselbst
Wenn wir die Geschichten, die wir uns seit Kindheit an über uns selbst
erzählen als das nehmen lernen was sie sind, nämlich Geschichten, schaffen
wir Freiraum zu einem Verhalten, das in diesen alten Geschichten nicht
vorgesehen war. Das konzeptualisierte Selbst mit seinen Eigenschaften als
sozial konstruiert zu erkennen, ist auch in der ACT von zentraler Bedeutung.
•
Mangelnde Werteklarheit >>> Klärung von Lebenswerten
Durch das zunehmende Vermeidungsverhalten und können sich Patienten
nicht mehr an dem orientieren und danach handeln, was ihnen einmal als
wertvoll und wichtig erschien. „Die ACT definiert Werten als Handeln. Mit
anderen Worten, Werten ist weder ein Gefühl noch eine Einstellung, sondern
beinhaltet Verhalten“ (Eifert, 2011, S. 15).
•
Untätigkeit und beharrliches Vermeidungsverhalten >>> Engagiertes und
entschlossenes Handeln
Je unflexibler Menschen werden ihr Vermeidungsverhalten aufzubrechen,
desto enger wird ihr Verhaltensspielraum. Depressive Störungen als Folge
des erlebten Selbstwirksamkeitsverlustes sind nicht selten die Folge. An
dessen Stelle soll an Kurz- und Langzeit Lebenszielen orientiertes Verhalten
treten. Diese Handlungen werden in kleine durchführbare Handlungen zerlegt
und die Klienten verpflichten sich (»commitment«) trotz Rückschläge an der
Erreichung der Ziele beharrlich weiterzuarbeiten.
Michalak et al. (2012) betonen -
aus verhaltenstherapeutischer Sicht - dass
besondere Vorsicht bei der Anwendung achtsamkeitsbasierter Verfahren geboten ist,
die außerhalb der, durch empirisch abgesicherte Wirksamkeit legitimierten,
Gruppenverfahren für die vorgegebenen Diagnosekategorien geboten ist. Die
Vorsicht bezieht sich speziell auf Einzelsettings und dabei auf die Motivation des
Behandlers (warum glaube ich ist jetzt eine achtsamkeitsbasierte Intervention
indiziert), sowie der eigenen Erfahrung mit dem Verfahren. Es ist nachvollziehbar,
dass ein Therapeut der MBSR und MBCT Kurse anbieten möchte auch selbst dieses
82
Verfahren durchlaufen haben muss, sowie im selben Maße Erfahrung mit formaler
Sitzmediation haben muss wie dies die Patienten durchführen, nämlich 5 mal die
Woche á 45 Minuten.
2.3.2.2 Achtsamkeit in der Therapie lehren
Laut Germer et al. (2009) werden am besten informelle Achtsamkeitsübungen in der
Therapie angewandt. Ziel ist es den Patienten von Tun-Modus wieder mehr mit dem
Sein-Modus in Kontakt zu bringen um so einen Ausstieg aus dem Stress-Sog zu
ermöglichen und Momente der „schöpferischen Hoffnungslosigkeit“ (Hayes, Strosahl
& Wilson, zit. nach Germer et al., 2009, S. 166) für eine Umkehr zu nutzen, wenn
erkannt wird, dass ein Mehr vom selben nur zur Verschlimmerung der Symptomatik
führt. Dazu gehört eine grundlegende Bereitschaft des Patienten herauszufinden ob
die Beschwerden abnehmen, wenn wir sie erst einmal akzeptieren wie sie sind. Dafür
ist Praxis unabdingbar. Dabei ist den Klientinnen (ja, und auch den TherapeutInnen)
jedoch klar zu machen, dass Achtsamkeit nichts ist, was man bis zu einem perfekten
Punkt im herkömmlichen leistungsorientierten Sinne verbessern kann, sondern ein
lebenslanges Bemühen ist, da unsere Tendenz an Gedanken anzuhaften immanent
ist, so eben auch an Gedanken wie „jetzt kann ich es!“. Je präziser und zeitnaher wir
unsere Geistesaktivität monitoren können, desto früher gelingt es uns das Entstehen
von negativen Gedanken zu erkennen oder einen »Rückfall« rechtzeitig abzufangen.
Die Grundhaltung bleibt in jeder Form von absichtsvoller Achtsamkeitspraxis jedoch
die selbe: Gewahrsein der gegenwärtigen Erfahrung mit Akzeptanz. Folgende
Hauptelemente lassen sich bei den häufigsten Techniken beobachten:
•
Stoppen
von
automatischem
Verhalten
und
damit
auch
von
sich
verselbständigenden Gedankenkreisen erfordert anfangs viel Absicht und
Bewusstheit. Vielfach merkt man erst später, worin man sich verrannt hat,
aber zumindest merkt man es. Mit zunehmender Entschleunigung des Tuns
wird das Gewahrsein besser und wir öffnen uns für den Reichtum des
gegenwärtigen Moments.
•
Beobachten der gegenwärtigen Erfahrung als »teilnehmender Beobachter«.
In aufgeregten Situationen, wie einem Streit oder einer Panikattacke, macht es
Sinn als Objekt der Achtsamkeit eine konkrete sensorische Empfindung zu
suchen, wie die Bewegungen des Atems oder die Druckempfindung im linken
83
großen Zeh um unsere Aufmerksamkeit bewusst zu bündeln. „Das ist der
‚Konzentrationsaspekt’ der Achtsamkeitspraxis“ (Germer et al., 2009, S. 170).
•
Rückkehr zum ursprünglichen Objekt unseres Gewahrseins wenn wir merken,
dass wir abgelenkt wurden. Dies geschieht in Ruhe, ohne Selbstentwertung
(„Mist, ich habs wieder mal nicht geschafft“) und mit dem bestmöglichen
Gleichmut.
Die
äußeren
Aktivitäten
beenden
und
einfach
wieder
zurückkommen zum Objekt des Gewahrseins.
Das Objekt des Gewahrseins ist jedoch nur in jenen Situationen ein von uns bewusst
gewähltes (»der Atem«), wenn es gilt ein mentales Hindernis zu überwinden. In allen
anderen Situationen gilt als Ziel von Achtsamkeitsbestreben, ungetrennt von
unserem Tun zu sein. Das sind jene Augenblicke - in der Arbeit und der Freizeit - wo
wir im »Flow« sind (Csikszentmihaly, 1991): wach, konzentriert, voller Freude,
unsere Kompetenzen und Performanzen entsprechen den Anforderungen der
Situation, wir sind kreativ, ruhig und energetisch zugleich. Auch bei der Bedienung
einer Maschine (z.B. ein Zahnarztbohrer...) ist es wichtig ganz im gegenwärtigen
Moment präsent zu sein. „Darum ist ein weises Ausrichten der Aufmerksamkeit auf
das Tun in der Gegenwart die Kernübung der Achtsamkeit“ (Germer et al., 2009, S.
172).
Bei der Auswahl von Übungen kann man sich an Themen orientieren, die dem
Patienten Schwierigkeiten bereiten, oder alternativ dazu Themenfelder die er
vermeidet oder ausblendet, oder problematische Gedanken, Selbstkritik, usw. Dabei
führt der Therapeut den Klienten zu einer engeren, bewussteren Wahrnehmung jeder
dieser Erfahrungen. Dabei ist die Zustimmung des Klienten essentiell, nach erfolgter
säkularer (!) Aufklärung über den Hintergrund der Herangehensweise, in Abwägung
der Möglichkeiten des Klienten zum gegenwärtigen Zeitpunkt (Achtsamkeit des
Therapeuten!). Folgende Übersicht an Übungen zur Achtsamkeit findet sich bei
Germer et al. (2009).
84
Abbildung 10: Übersicht Achtsamkeitsübungen (Germer et al., 2009)
2.3.3 Achtsamkeitsforschung und Evidenzen
Nachdem
Psychotherapie
ein
theoriegeleitetes
und
forschungsgestütztes
Unterfangen ist, sind auch nur jene Methoden zulässig, die wissenschaftlicher
85
Prüfung standhalten. Lässt sich die positive Wirkung von Meditation wissenschaftlich
belegen und wie stark ist die Evidenz für die Wirksamkeit fernöstliche Techniken. Die
folgende Grafik, die auf Basis von Meta-Analysen aus der Cochrane Datenbank
erstellt wurde und die Evidenzstärke von Mediation und Yoga mit anderen
komplementären (und esoterischen) Ansätzen in Medizin und Therapie in Beziehung
setzt, zeigt, dass die Evidenzstärke bei Meditation als Behandlungsform bei
Angststörungen als aussichtsreich (»promising«) einzustufen ist.
86
Abbildung 11: Scientific evidence for complementary therapies (Quelle: McCandless, 2009, Cochrane.org, Metastudies via pubmed.org)
87
avid S. Black, M.P.H.
dition,
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d
losophy
ed the
in
g
round
ournals
to
n of
1970;
of mindfulness publications
by Jahre
year,kam1970-2009
(see appendix
Seit identified
Mitte der 1990er
es zu einer exponentiellen
Zunahme der
for larger
image)
Forschungsund Publikationsaktivität
zum Thema Achtsamkeit, wie die folgende
!"#$%&'()'*"$+,-./(01'
ory
Figure
1. Number
2.3.3.1
Forschungsstand
2%.&'
Abbildung 12: Anzahl an Publikationen zum Thema Achtsamkeit 1970-2009 (Mindfulness Research Monthly,
Vol1. Num. 6, July 2010)
Figure 1 indicates that initial empirical
Zwischen
Jänner 2013 und
2014 wurden
jedes Monat
laut Mindfulness
publications
onNovember
mindfulness
started
in the
Research
Monthlyremained
weltweit durchschnittlich
46 neue
zum Thema
1970’s,
relatively
low Publikationen
through the
Achtsamkeit
veröffentlicht,
aufgeteilt
auf after
Untersuchungen
von bestimmten
1980’s,
and grew
quickly
the 1990’s.
Interventionsformen,
Übereinstimmungen
Achtsamkeit
und anderen
The peak shown
in the von
mid-80’s
gives
an Variablen
der Persönlichkeit,
Methoden that
zur Messung
und Anwendung
initial indication
empirical
interestvonin Achtsamkeit,
Forschungs-Reviews
und was
Meta-Analysen,
sowieand
»Trials«
– neuestudies
klinische Studien
mindfulness
growing,
these
zum Thema.
began testing the association between
mindfulness and health (Kabat-Zinn, 1982,
1985; Kratter & Hogan, 1982; Boorstein,
1983; Langer et al., 1984; Brown et al.,
1984; Delmonte, 1985). During the first
decade of the 21st century, trends showed
an almost exponential increase in
mindfulness publications. In the year 2009,
the number of mindfulness publications
ranged anywhere between 100-360,
depending on the electronic
search engine
88
used. The slight negative slope at the end of
2009 for ISI and ProQuest most likely
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Abbildung 13: Anzahl der Publikationen zum Thema Achtsamkeit für 2013-2014 (Quelle: Mindfulness Research
Monthly Newsletter, eigene Darstellung)
Mittlerweile gibt es gute empirische Belege für die heilsamen Effekte von
Achtsamkeit bei vielen psychischen Störungen (Fjorback et al. 2011, zit. nach Ott,
2013, S. 52). Baer (2013) gibt in ihrem Artikel einen Überblick über klinische
Ergebnisse von 22 Studien über MBSR und MBCT Behandlungsprogramme, sowie
darauf basierenden Programmen. DBT und ACT Programme sind darin nicht
berücksichtigt, da diese Ansätze weniger gezielt achtsamkeitsbasiert sind. Unter
Baer’s Studie fallen Untersuchungen von Kabat-Zinn, Teasdale, Williams, Carlson,
Goldenberg, Shapiro und anderen der Jahre 1982-2001 über die Diagnosegruppen
von
chronischen
Schmerzen,
Angststörungen,
Fibromyalgie,
Psoriasis,
Stresssymptome bei Krebspatienten, Major Depression (siehe Tabelle im Anhang).
Sie kommt zu folgendem Schluss:
Trotz methodischer Schwächen lässt die bisherige Literatur vermuten, dass
achtsamkeitsbasierte Interventionen helfen können, eine Reihe von Problemen
der
psychischen
Gesundheit
zu
lindern
und
die
psychologische
Funktionstüchtigkeit zu verbessern. Diese Studien deuten auch darauf hin, dass
viele Patienten, die an achtsamkeitsbasierten Programmen teilnehmen, trotz der
hohen Anforderungen an die Übungszeit zu Hause bis zum Schluss mitmachen.
89
Eine beachtliche Untergruppe wird weiter Achtsamkeitsfertigkeiten üben, noch
lange, nachdem das Behandlungsprogramm geendet hat. (Baer, zit. nach Lazar,
2009, S. 327)
Für aktuelle Forschungsergebnisse siehe die Webseiten der jeweiligen Verfahren
(z.B. www.mbct.com).
Für die Multikomponenten-Behandlungsprogramme DBT und ACT gibt es ebenfalls
eine wachsende Anzahl an randomisierten, kontrollierten Ergebnisstudien (Hayes,
Masuda, Bissett, Lluoma & Guerrero, 2004, zit. nach Lazar, 2009, S. 327), die eine
große Bandbreite von Krankheitsbildern abdecken, wie Depressionen, Stress am
Arbeitsplatz,
Mathematik-Phobie,
Rehospitalisierungsrate
bei
psychotischen
Patienten. Studien über den Effekt von Konzentrativen Meditationsformen (KM/TM)
gibt es über Langlebigkeit bei Älteren in Seniorenheimen, verminderter Blutdruck bei
Afroamerikanern älteren Jahrgangs, Abnahme epileptischer Anfälle, Verminderung
prämenstrueller Symptomatik.
Die stetige Zunahme an Forschungs- und Publikationstätigkeit seit 2003 führte zu
einer Vielzahl an untersuchten Settings, Patientengruppen, Diagnose- und
Themenfeldern, sowie Replikationen von MBCT-Studien, die dem Mindfulness
Research Monthly Newsletter entnommen und im folgenden exemplarisch aufgeführt
sind.
•
Der Effekt von Mitgefühlsmeditation auf das psychische Wohlbefinden von
Jugendlichen (Bach & Guse, 2014)
•
Vergleich von Skills-Training und Achtsamkeitsgruppentraining auf die
Behandlung von ADHS bei Erwachsenen (Edel, Hölter, Wassink & Juckel,
2014)
•
Effekte von Metta-Meditation auf den Kohlenmonoxyd Metabolismus als
Schlüsselmediator in der Kardiovaskulären Physiologie (Kemper, Powerl,
Helms & Kim-Shapiro, 2014)
•
Effekte von Achtsamkeitserziehung beim Personal in Gesundheitsberufen
(Asuero et al., 2014)
•
Ein Online-Achtsamkeitstraining bei Fibromyalgie (Davis & Zautra, 2013)
•
Möglichkeiten von Achtsamkeitstraining in der Schulpsychologie (Felver et al.,
2013)
90
•
PTSD
Symptomreduktion
durch
achtsamkeitsbasiertes
stretching
und
Tiefenatmung – eine randomisierte kontrollierte klinische Studie (Kim et al.,
2013)
•
Evaluation eines betrieblichen Achtsamkeitsprogramms für Mitarbeiter im
Behindertenbereich in Australien (Brooker et al., 2012)
•
Einfluss von Achtsamkeitstraining auf die Entwicklung von Beratungs- und
Supervisionskompetenz (Buser et al., 2012)
2.3.3.2 Operationalisierung
Ausstehend sind laut Lazar (2009) noch systematische Studien zum Vergleich von
Achtsamkeitsmeditation (AM), Konzentrativer Meditation (KM) und Transzendentaler
Meditation (TM), die jeweils andere Ausrichtungen und Zielsetzungen aufweisen.
Damit werden unterschiedliche Ebenen bei den Patienten angesprochen, wovon u.U.
einige mehr profitieren könnten als andere. Um dies Meditationsformen methodisch
korrekt untersuchen zu können brauchen wir Modelle um zu verstehen und zu
beschreiben was wir untersuchen, die sogenannte operationale Definition des
Meditationsprozesses.
Dabei kann das kognitive Modell eines sein (Lazar, 2009). So ist Delmonte (1987)
der Meinung, dass das gemeinsame Element von KM und AM die reduzierte
Konstruktbildung ist.
Das physiologische Modell ist ein anderes. So kann Meditation zahlreiche positive
Auswirkungen auf Atmung, Herzfrequenz, Blutdruck, Hautleitwert, usw. haben.
Dieser Zugang hat augenscheinlich den Vorteil besserer Messbarkeit, so beziehen
sich auch die frühen Studien zur Meditation auf diese Komponenten (Wallace,
Benson & Wilson, 1971, Delmonte, 1984).
2.3.3.3 Instrumente zur Messung von Achtsamkeit
Um Achtsamkeit im empirisch psychologischen Sinne mittels Fragebögen – also
Selbstberichtsverfahren zu »messen«, gibt es mittlerweile einige psychometrische
Verfahren.
Heidenreich, Ströhle & Michalak (2006) evaluierten den
•
Freiburger Achtsamkeitsfragebogen (FAA) und können die konvergente
und diskriminante Validität des FAA in einer Studie mit 75 Angehörigen von
91
Krankenpflegeschulen belegen. Validiert wurde mit dem NEO Five Factor
Inventory, der Symptomcheckliste 90R, dem Beck-Depressions-Inventar, dem
Beck Angstinventar, sowie einem Fragebogen zu dissoziativen Störungen. Der
FAA bezieht sich auf ein Achtsamkeitskonstrukt der Vipassana-Meditation und
beinhaltet
Aufmerksamkeit,
Urteilslosigkeit,
Gegenwärtigkeit,
Nicht-
Identifikation, Prozesshaftigkeit, Neutralität, Akzeptanz, Ganzheitlichkeit,
Nicht-Oberflächlichkeit,
Absichtslosigkeit,
einsichtsvolles
Verstehen,
Anfängergeist und abnehmende Reaktivität (Heidenreich, zit. nach Harrer,
2006).
Weiters führt Harrer (2006) unter achtsamleben.at/forschung/messung an:
•
MAAS – Mindfulness Attention Awareness Scale: Selbsteinschätzung der
Tendenz, im Alltag aufmerksam, und sich der gegenwärtigen Erfahrung
gewahr zu sein.
•
KIMS
–
Kentucky
Selbsteinschätzung
Inventory
von
of
vier
Mindfulness
Elementen:
Skills:
39
Beobachten,
Fragen
zur
Beschreiben,
bewusstes Handeln, Akzeptieren ohne zu beurteilen.
•
TMS – Toronto Mindfulness Scale: Eindimensionales Konstrukt, erfasst
Achtsamkeit als Zustand
•
CAMS-R – Cognitive and Affective Mindfulness Scale-Revisted
•
FFMQ – Five Facet Mindfulness Questionnaire: Aus fünf anderen Fragebögen
(MAAS, FMI, KIMS, CAMS, MQ) wurden fünf Facetten von Achtsamkeit
konstruiert
•
AAQ – Acceptance and Action Questionnaire
•
PHLMS – Philadelphia Mindfulness Scale: 20 Items, zweidimensionale Skala
•
SMQ
–
Southampton
Mindfulness
Questionnaire:
16-items,
Selbsteinschätzung des achtsamen Umgangs mit belastenden Gedanken und
Bildern
•
MEQ – Mindful Eating Questionnaire
•
LMS – Langer Mindfulness Scale: 21-item Fragebogen. Vier Dimensionen:
novelty-seeking, engagement, novelty producing, and flexibility
•
MBRP-AC
–
Competence
Mindfulness-Based
Scale:
Messung
Relapse
der
Prevention
Adhärenz
Gruppenleiter, die das MBRP-Programm durchführten
92
und
Adherence
and
Kompetenz
der
•
SOFI – Self-Other Four Immeasurables: Messung von Liebender Güte,
Mitgefühl, Freude und Gleichmut auf dem Hintergund des Buddhistischen
Konzepts
•
MPQ – Mindfulness Process Questionnaire: Achtsamkeit als Prozess, im
Gegensatz zum Ergebnis, das in anderen Fragebögen erfragt wird
2.3.3.4 Neuro-Biologie der Meditation
Sarah Lazar (2009) merkt an, dass es trotz zahlreicher Studien zu den durch die
Meditationspraxis
hervorgerufenen
physiologischen,
neurologischen
und
immunologischen Veränderungen noch keine direkte Evidenz für die tatsächlichen
Mechanismen gibt, durch die Meditation seine Wirkung entfaltet. Frühere Studien
weisen teils erhebliche methodische Mängel auf, so wurde etwa nicht zwischen der
Praxisdauer in Meditation unter den Versuchspersonen unterschieden, auch lassen
sich die meist mit gesunden Probanden durchgeführten Studien nicht ohne weiteres
auf die klinische Population übertragen, insbesondere wenn es sich um schwere
Störungen wie der Borderline Persönlichkeitsstörung handelt, die meist mittels DBT
Programm behandelt wird. Weiters muss die Motivation von Menschen sich der
Meditation zuzuwenden in experimentellen Designs und der Gestaltung von
Kontrollgruppen mitberücksichtigt werden, da es auch Persönlichkeitseigenschaften
sein können, welche die »Wirkung« von Meditation bedingt. Dagegen spricht jedoch
eine Studie von Davidson et al. aus 2003 (Lazar, 2009, S. 336) die mit einer
Longitudinalstudie einen wichtigen Beitrag zur Untermauerung der Hypothese
leisten konnten, dass die Wirkung von Meditation – auch auf immunologische
Parameter - auf Grund der Neuroplastizität des Gehirns stattfindet und nicht auf
Grund biologischer Merkmale. Auch Singer & Ricard (2008) kommen zu dem
Schluss, da das meditative Verfahren der Kontrolle durch Aufmerksamkeit und der
häufigen Wiederholungen bedarf, dies nahelegt, dass es sich dabei um das Einüben
von Fertigkeiten handelt, dies also ein Prozess ist, der sich mehr auf das prozedurale
als auf das deklarative Gedächtnis stützt.
Es lassen sich laut Lazar (2009) unterschiedliche Dimensionen der Veränderungen
beschreiben:
93
2.3.3.4.1 Kognitive Veränderungen
•
Dazu zählt Stressreaktivität, die bei Meditierenden einen vorerst leicht
stärkeren Anstieg des Hautleitwiderstandes (HKR) aufweist, danach sinkt
dieser Indikator für die Stressreaktion jedoch schneller wieder ab, im Vergleich
zu einer Nicht-Meditierenden Kontrollgruppe.
•
Aufmerksamkeit – trotz einer nur kleinen Studie von Valentine und Sweet
aus 1999 (Lazar, 2009) konnte belegt werden dass die Achtsamkeitsgruppe
signifikant besser auf unerwartete akustische Stimuli reagieren konnten.
•
Habituation von EEG-Mustern. Aus einer Studie von 1973 (Kasamatsu und
Hirai) geht hervor, dass sich bei Zen-Meistern die EEG Muster bei
wiederholter Darbietung von Klick-Geräuschen, im Vergleich mit einer
Kontrollgruppe, nicht anpassten – sondern diese jedes mal aufs Neue
wahrgenommen wurden (»attentional blink«). Dies wäre gewissermaßen die
neuropsychologische Entsprechung des „Anfängergeistes“ (Suzuki, 2002).
2.3.3.4.2 Autonome Veränderungen
•
Für die Wirkung auf den Atem konnte gezeigt werden, dass die Abnahme der
Atemfrequenz mit den Jahren der Praxis steigt, tiefere Grade der
Entspannung durch größere Konzentration.
•
Herzratenvariabilität (HRV) ist ein Zeichen für Gesundheit. Neuere
Forschungen zeigen, dass Menschen mit einer geringen Variabilität der
Herzrate, also den Zeitabständen zwischen zwei Herzschlägen, ein erhöhtes
Risiko aufweisen an plötzlichem Herztod zu sterben. Laut Lehrer, Sasaki &
Saito, 1999 (zit. nach Lazar, 2009) vergrößert sich die HRV sowohl nach
Achtsamkeitsmeditation, als auch nach der Praxis von Tai-Chi, Kundalini-Yoga
und Zen-Meditation.
2.3.3.4.3 Neurobiologische Veränderungen
Siegel (2007) betont in seinem umfassenden Werk zum »achtsamen Gehirn« die
wichtige Rolle des Präfrontalkortex für unsere Emotionsregulation und soziale
Kommunikation. Der Seitenbereich des dorsolateralen Präfrontalkortex (dlPFC) „ist
für
die
Ausführung
wichtiger
Exekutivfunktionen
zuständig,
welche
die
Selbstregulation unseres Verhaltens ermöglichen, und er beeinflusst auch den Fluss
unserer momentanen Aufmerksamkeit“ (Siegel, 2007, S. 64). Dieser erhält
94
zusammen mit dem mittleren Bereich mit seinen neun Regionen, dazu zählen der
orbitofrontale Kortex (OFC), der Kortex des anterioren Cingulums (ACC),
der
ventrolaterale (vlPFC) sowie der mediale Präfrontalkortex (mPFC), direkte Signale
aus dem gesamten Gehirn, dabei besonders von der Inselrinde (IC). Die Inselrinde
verbindet den äußeren Kortex mit dem limbischen System (Amygdala, Hippocampus
und Hypothalamus) und gleicht so den sensorischen Input mit der emotionalen
Bewertung aus dem Emotionsgedächtnis und unseren Handlungsmöglichkeiten ab
und ist somit ein zentraler Knotenpunkt im sozialen Schaltkreis des Gehirns. Im
weiteren
legt
Siegel
u.a.
dar,
wie
Achtsamkeit
in
diesem
neuronalen
Vermittlungsprozess zu wirksamen Veränderungen führen kann, im Sinne eines
Auflösens
von
archaischen
»top-down«
Automatismen,
hin
zur
bewussten
Handlungssteuerung.
Um neurobiologische Veränderungen zu messen kommen neben dem klassischen
Elektro Enzephalogramm (EEG) die in den letzten 20 Jahren entwickelten Methoden
wie funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) sowie Positronen-EmissionsTomografie (PET und SPECT) zum Einsatz, wobei die Durchblutung und der
Glucosegehalt gemessen wird. Während das EEG eine hohe zeitliche aber geringe
spatiale, also räumliche Auflösung besitzt, können fMRT & PET eine gute räumliche
Auflösung liefern, sind jedoch für Änderungen im Millisekundenbereich »blind«. Sie
erfassen jeweils ein Bild der über mehrere Sekunden dauernden Gehirnaktivität, das
jedoch kann über einen längeren Zeitraum durchgeführt werden.
•
Yoga-Nidra Meditation, in der die Aufmerksamkeit für die Sinne und das
Imaginationsvermögen gesteigert wird, führt zu einer Aktivierung des primären
sensorischen Kortex, sowie zu einer „Abnahme in Regionen, die mit
ausführender Kontrolle, emotionaler Verarbeitung und motorischer Planung zu
tun haben“ (Lazar, 2009, S. 334). Dazu kam eine PET-Studie von Lou et al.
von 1999. Dies stimmt mit dem Ziel der Yoga-Nidra Meditation überein.
•
Gehirnvolumen
Kollegen von der Harvard-Universität ist es kürzlich gelungen, nachzuweisen,
dass das Volumen der Hirnrinde in bestimmten Arealen der Großhirnrinde bei
Menschen mit sehr großer Meditationserfahrung zunimmt. Vergleichbare
Volumenänderungen
wurden
auch
nach
dem
Erlernen
motorischer
Fertigkeiten oder intensiver sensorischer Reizung gefunden. Sie gehen auf
95
eine Vermehrung des Neuropils zurück, das heißt der Zwischenräume
zwischen den Nervenzellen, die von neuronalen Verbindungen und Synapsen
ausgefüllt werden. Dies weist darauf hin, dass intensive Meditation offenbar in
der Lage ist, die Zahl und die Größe der Synapsen zu vermehren, und somit
ähnliche strukturelle Veränderungen bewirken kann wie andere Formen des
Trainings und Lernens. (Singer & Ricard, 2008, S. 65)
•
EEG-Studien
erlauben
die
Unterscheidung
verschiedener
Arten
von
Gehirnaktivitäten und deren Auftreten bei unterschiedlichen Aktivitäten des
Gehirns – und das in relativ natürlicher Umgebung. So konnte gezeigt werden
dass es nicht »die« Meditation gibt, sondern dass sich die Aktivität je nach
Gehirntätigkeit und damit auch Meditationsart unterscheidet.
o Betawellen, 38 - 15 Hz: Normales Wachbewusstsein
o Alphawellen, 14 - 8 Hz: Entspannung, Visualisieren. Tor zur Meditation
o Thetawellen, 7 - 4 Hz: Traum, Kreativität, Meditation
o Deltawellen, 3 - 0,5 Hz: traumloser Tiefschlaf, intuitive Aufmerksamkeit
o Gammawellen, 100 – 38 Hz: transzendente Erfahrung, Meditation,
Spitzenleistung
•
Eine der relevantesten Studien stammt von Davidson und seinem Team aus
2003, indem gezeigt werden konnte dass bei einer Gruppe an Depressionen
und Ängstlichkeit leidender Personen, nach einem 8 wöchigem MBSR
Programm, die linksseitige EEG-Aktivität signifikant zugenommen hatte. Diese
war vorher im Vergleich zu einer gesunden Kontrollgruppe deutlich
schwächer. Die positive Veränderung hatte noch 3 Monate nach Beendigung
des Programms Bestand (Davidson et al., zit. nach Lazar, 2009, S. 335).
2.3.3.4.4 Mitgefühl, Liebende Güte (metta) und Neuroplastizität
•
Gammaaktivität
und
Kohärenz
unterschiedlicher
Teile
des
Gehirns
entstehen bei der Mitgefühlsmeditation, „gleichzeitig scheint es zu einer
Aktivierung der exekutiven Hirnbereiche zu kommen, obwohl der Meditierende
überhaupt nichts tut. Aus kontemplativer Sicht könnten wir das als die
uneingeschränkte Bereitschaft interpretieren, zum Wohl anderer zu handeln,
eine Eigenschaft, die natürlicherweise zu echtem Altruismus und Mitgefühl
gehört“ (Singer & Ricard, 2008, S. 99). Dabei weisen die Zustände von
96
Mitgefühl und reinem Gewahrsein der AM von allen meditativen Zuständen die
stärkste Gammaaktivität auf, stärker als KM, da, so Wolf Singer (2008), bei
konzentrativer Meditation weniger neuronale Strukturen aktiviert und damit die
Ressourcen auf ein bestimmtes Subsystem gerichtet werden. Vorbehaltloses
Mitgefühl (»complete openness«) aktiviert die Gammawellen sogar noch
stärker.
Abbildung 14: EEG Untersuchung des Genetikers und Buddhisten Matthieu Ricard bei Dr. Davidson, Madison.
•
In der aktuellen Studie zum »Metta-Training« (Klimecki, Leiberg, Lamm &
Singer, 2013) konnten die Forscher anhand von fMRT Scans bei einer
Experimentalgruppe zeigen, dass das Training von Liebender Güte (metta) zu
verbessertem Coping durch Empathie in sozialen Stresssituationen führt. Die
Reizdarbietung mittels standardisierten Videosequenzen führte anfänglich zu
negativen Affekten und der Aktivierung des Inselcortex (IC), sowie dem
anterioren medialen cingulären Cortex (ACC). Nach dem Mitgefühlstraining
zeigte die Meditationsgruppe im Vergleich zu einer Gedächtnistrainingsgruppe
signifikant bessere affektive Erlebnisse, auch beim Anblick von Leid anderer.
Auf neuronaler Ebene kam es zur Aktivierung der Regionen medialer
orbitofrontaler Cortex (mOFC), dem Putamen, Pallidum und dem ventralen
97
Tegmentum, einem Netzwerk das mit positiven Emotionen und dem Gefühl
von Verbundenheit in Beziehung gebracht wird.
•
Lutz, et al. (2009) konnten durch EEG Untersuchungen und einem Test mit
»dichotischem
Hören«
belegen,
Aufmerksamkeitsstörungen
durch
dass
bei
Meditation
eine
Patienten
mit
Verbesserung
der
Aufmerksamkeitsspanne erreicht werden kann.
2.3.3.4.5 Forschungsausblick
Trotz den Fortschritten der Technik im Neurobiologischen Forschungsbereich bleiben
noch viele Fragen für die Erforschung der Vorgänge rund um Achtsamkeitsmeditation
offen. Vielfach sind methodische, aber vor allem auch begrifflich-konzeptuelle
Schwierigkeiten zu überwinden, die dem Forschungsgegenstand inhärent zu sein
scheinen, ist Achtsamkeit doch ein nichtsprachlicher und nichtkonzeptueller Vorgang.
Dazu kommen die Übersetzungs- und Interpretationsschwierigkeiten von zentralen
Begriffen aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten für die experimentelle
Operationalisierung, wie Lutz, Dunne & Davidson (2007) in ihrem Artikel darlegen.
2.3.4 Achtsamkeitspraxis für TherapeutInnen
In diesem Abschnitt beleuchten wir schließlich jene Aspekte, die auch Grundlage der
vorliegenden empirischen Arbeit sind. Welche Aspekte achtsamkeitsinformierter
Therapie lassen sich finden?
Auch PsychotherapeutInnen sind für Achtsamkeitsmeditation empfänglich und
zugänglich. Dies mag an genetischer Prädisposition oder auch Lebenserfahrungen
liegen, oder einfach an der Tatsache, dass der Umstand, dass Achtsamkeitspraxis
das allgemeine Wohlbefinden steigert, auch für die therapeutische Arbeit genutzt
werden
möchte.
Behandlungen
ist
„Wesentliche
der
Gemeinsamkeit
Aspekt
von
aller
Wachsamkeit
Psychotherapeuten
bzw.
Vigilanz
bei
und
Daueraufmerksamkeit. Sie beinhaltet den Aktivierungszustand mit der Fähigkeit,
kleine
zufällig
auftretende
Veränderungen
bei
länger
dauernden
Beobachtungssituationen in der Umwelt zu erkennen und ggf. darauf zu reagieren“
(Grepmair & Nickel, 2007, S. 25). Wir haben uns als TherapeutInnen für einen Beruf
und damit Tätigkeit entschieden, die es erfordert über mehrere Stunden am Tag im
Kontakt mit oft beträchtlichem Leid und Verzweifelung, präsent & mitfühlend zu
bleiben, ohne dass wir, über die Jahre gerechnet, uns dabei ausleeren und
98
ausbrennen, sondern, wie es eigentlich das Ziel jeder Arbeit sein soll, auch etwas für
uns mitnehmen können, uns daran erfreuen und daran reifen. Die Realität im
psychosozialen Feld sieht freilich anders aus – hohes Suchtpotential, hohe BurnoutRate.
Germer (2009) weist darauf hin, dass Psychotherapie eine Möglichkeit ist,
Achtsamkeit im Alltag zu praktizieren. Indem wir jede Stunde auch als eine
Möglichkeit zur informellen Meditation nutzen, wo der Therapeut zunehmend lernt
seine gewohnten Handlungs- und Bewertungsprozesse in der therapeutischen
Beziehung zu identifizieren um sich von den dysfunktionalen Aspekten davon zu
lösen. Während dies die Therapeutin für sich bewerkstelligt, kann auch der Patient
davon profitieren. Die Ergebnisse einer Studie von Ryan und Brown aus 2003
(Germer, 2009) deuten darauf hin, dass regelmäßig meditierende TherapeutInnen
einen Nutzen aus dieser täglichen Praxis ziehen – sie fühlen sich oft präsenter,
entspannter
und
empfänglicher
mit
ihren
KlientInnen.
Die
experimentelle
Untermauerung steht noch aus – die vorliegende Studie soll qualitativ darüber
Auskunft geben.
2.3.4.1 Therapiebeziehung als stärkster Wirkfaktor
Wenn Achtsamkeit als eine neue »vielversprechende« Methode diskutiert wird, muss
auch beachtet werden, dass die spezifische Methode für das Therapieergebnis nur
einen Anteil von ca. 15% ausmacht, also die verschiedenen Behandlungsarten
beinahe
gleich
gut
funktionieren.
Das
haben
Metaanalysen
von
Forschungsergebnissen der letzten Jahre ergeben (Luborsky et al.; Miller, Duncan &
Hubble; Lambert, Shapiro & Shapiro, zit. nach Fulton, 2009, S. 87). Weitere 40%
werden
durch
außertherapeutische
Faktoren
wie
soziales
Netz,
Arbeit,
Freizeitverhalten erklärt. Erwartungen und Placeboeffekte klären weitere 15% der
Varianz auf. Die restlichen 30% können »gemeinsamen Faktoren« zugeschrieben
werden. Zu diesen »gemeinsamen Faktoren« zählen auch hier wieder die
therapeutische Beziehung und das therapeutische Bündnis. „Obwohl sie ein schwer
fassbarer Faktor für Messungen ist, ‚macht Empathie genau so viel oder sogar mehr
für die Ergebnisvarianz aus als spezifische Interventionen’“ (Fulton, 2009, S. 88).
Wenn nun Therapeutenqualitäten wie Empathie, emotionale Wärme, Akzeptanz,
Verständnis in der Therapie mehr zählen als Manualtreue, Weiterbildung an
renommierten Einrichtungen, Lizenzierung, Titel, Supervisionsstunden, dann ist es
99
nur logisch, dass es einen Übungsweg für TherapeutInnen braucht, um diese
Fähigkeiten, die schwieriger zu erlernen sind als technische Fertigkeiten und Wissen,
zu entwickeln, zu fördern und zu vertiefen.
2.3.4.2 Achtsamkeit als Training für therapeutische Relationalität
Aus den vorgestellten Wirkungen von Meditation im Allgemeinen, kann dieses
Verfahren auch als eine Methode zur Ausbildung und Intensivierung von jenen
Eigenschaften gesehen werden, die in den allgemeinen Faktoren für die
therapeutische Beziehung erforderlich sind. Damit würde Meditation auch in logisch
stringenter Weise psychotherapeutischen Fertigkeiten befruchten, wie achtsames
Gewahrsein, Präsenz, Mitgefühl und Empathie, sowie eine breitere Sichtweise davon
was existentielles Leid ausmacht (Chung; Deikman; Henley; Thompson; Tremlow, zit.
nach Fulton, 209, S. 89). Fulton nennt förderliche Auswirkungen von Meditation auf
folgende Eigenschaften:
•
Aufmerksam sein – als Gegenmittel für den wandernden Geist, diesen in der
gegenwärtigen Situation zu halten, auch wenn der Klient uninteressant
erscheint, auch auf kleinste Nuancen zu achten. Dadurch werden wir für leise
Töne empfindsam und erhalten wieder besser Zugang zum Interesse an
unserem Gegenüber.
•
Emotionale Toleranz – Auch starke Emotionen, unsere eigenen und die
unserer Klienten, verlieren zunehmend die Kraft uns einzuschüchtern und uns
Angst zu machen.
•
Akzeptanz üben - Urteilen über uns und andere ist tief in unserem geistigen
Reflexapparat verwurzelt. AM hilft dabei zu erkennen, dass urteilen selbst nur
ein weiterer Gedanke ist, der am Horizont des Geistes auftaucht. Diese
Eigenschaft zu entwickeln braucht jedoch viel Übung, in der wir vor allem
unsere eigene Selbstbeurteilung immer wieder in den Fokus nehmen müssen.
•
Empathie und Mitgefühl – Im klinischen Bereich gibt es noch keine Evidenz
dass Empathie gelehrt werden kann, auch wenn es Empfehlungen gibt, wie
der Kommunikationsstil unterschiedlichen Patienten angepasst werden kann
(Lambert & Barley, zit. nach Fulton, 2009, S. 96). Buddhistische Meditation hat
das dezidierte Ziel Mitgefühl und Empathie zu entwickeln, wobei Empathie
anderen gegenüber als natürliche Erweiterung des Mitgefühls zu sich selbst
erachtet werden kann.
100
Eine Studie mit Medizinstudenten zeigt, dass Achtsamkeitserziehung mittels
Absolvierung
eines
MBSR
Programms
Empathie
in
professionellen
Beziehungen verbessern kann (Shapiro, Schwartz & Bonner, zit. nach Siegel,
2007, S. 445).
Weidenfeller, Heidenreich und Michalak (2013) formulieren nach der
Betrachtung der aktuellen Forschungsbefunde ein integratives Modell zum
Zusammenhang zwischen Achtsamkeitspraxis und Empathiefähigkeit:
•
Achtsamkeits-
Aufmerksamkeits-
Emotions-
praxis
regulation
regulation
>>>
>>>
Empathie>>>
fähigkeit
Gleichmut und Grenzen der Hilfsbereitschaft – Die Entwicklung von
Gleichmut stellt eine ausgleichende Eigenschaft zum Mitgefühl dar. Wir sollen
erkennen, dass auch die beste Therapie mit den neuesten Techniken und
Methoden, sogar computerunterstützt und Schamanen-integriert, nicht zur
vollständigen Beseitigung des Leids beiträgt und letzten Endes der Patient
selbst für sein Leben verantwortlich ist. Mit Gleichmut nehmen wir jede
Erfahrung ohne Unterscheidung an. Mit dieser Haltung ermöglichen wir
unseren Patienten vermehrt die Verantwortung für sich zu übernehmen.
Manche Probleme können nicht behoben werden und der Tod ist
unausweichlich.
•
Unsere narzisstischen Bedürfnisse aufdecken – AM hilft uns dabei unsere
Tendenz zu überwinden stets zu überprüfen ob wir wohl gute Therapeuten
sind, ebenso wie die Gefahren die Therapiebeziehung für unsere egoistischen
Bedürfnisse, von emotionalen bis monetären, zu nutzen. Achtsamkeit geht
über die klassische Supervision des Therapeuten hinaus, indem sie das
Selbst als Konstrukt und Illusion entlarven hilft.
•
Theorieverliebtheit überwinden – So sehr eine theoriebasierte und
forschungsgeleitete Methode notwendig und wichtig ist, sollen wir nicht beim
sich-auf-Theorien-berufen verweilen. Je profunder wir ausgebildet sind, desto
sicherer sind wir in dem was wir tun, desto sicherer fühlt sich der Patient in der
Therapiebeziehung
aufgehoben.
Wir
sollen
jedoch
unsere
Modelle,
Diagnoseschlüssel nicht für „als natürliche Darstellung einer objektiven Welt
der Störungen gebrauchen“ (Fulton, 2009, S. 105). Vielmehr gelte es Nicht101
Wissen zu lernen und damit unseren Wunsch die Zukunft kontrollieren zu
wollen aufzugeben. Darauf wiesen auch schon Psychoanalytiker wie Bion
1967 hin, „sich vom Vorverständnis über einen Patienten freizumachen, die
Bindung an Erinnerung und Wünschen abzustreifen und auch den Wunsch
nach Heilung aufzugeben“ (Fulton, 2009, S. 108).
•
Möglichkeit des Glücks – Mit Achtsamkeit steigt auch ein Maß an ruhiger
Freude, das auch von den Wechselfällen des Lebens unabhängiger wird.
Therapeuten, die von dieser heiteren Gleichmut, dieser stillen Freude berührt
wurden, befähigen auch besser ihre Patienten zu erkennen, dass Glück trotz
der momentanen widrigen Lebensumstände entstehen kann.
Eine Studie von Grepmair und Nickel (2007) beleuchtet die Wirkung von
Achtsamkeitspraxis von PsychotherapeutInnen auf den therapeutischen
Prozess. Dabei praktizierte eine Gruppe von PsychotherapeutInnen in Ausbildung
(PiAs) einer psychosomatischen Klinik regelmäßig in der Früh Zen-Meditation, die
andere Gruppe meditierte nicht. Diejenigen von den 196 Patienten, die von
TherapeutInnen mit Meditationstraining behandelt wurden, berichteten, erfasst mit
standardisierten psychometrischen Instrumenten, über bessere Therapieresultate.
Darauf überprüften Grepmaier & Nickel die Ergebnisse in einer zweiten Studie, die
methodisch strenger aufgebaut war. Die PiAs – Frauen in vergleichbarem Alter, mit
vergleichbarem akademischen Hintergrund und im gleichen psychotherapeutischen
Ausbildungsstand - wurden per Zufallsprinzip der Meditationsgruppe (MFG, n=9) und
Kontrollgruppe
(CG,
n=9)
zugewiesen.
Ein
Zen-Meister
übernahm
die
Meditationsanleitung und weder er, noch seine Schülerinnen wussten vom Zweck
des Meditationstrainings (einstündige Sitzmeditation mit Aufmerksamkeit auf den
Atem). Die 129 Patienten wurden nach dem Zufall den beiden Gruppen zugewiesen
und wussten ebenfalls nichts vom Hintergrund der Untersuchung. Das Training
dauerte neun Wochen. Vor und nach der Therapie wurde das Assessment mittels
standardisierter Instrumente erfasst. Dazu zählte der Stundenbogen (STEP), der
Veränderungsfragebogen für Erleben (VEV) sowie die Symptomcheckliste (SCL-90R). Die Ergebnisse zeigen signifikante Unterschiede (p<0.01) in den beiden STEP
Skalen
P-Problemlöseperspektive
Meditationsgruppe
und
der
und
K-Klärungsperspektive
Kontrollgruppe.
Der
zwischen
Unterschied
auf
der
der
Beziehungsperspektive war nicht signifikant (p=0.091) (Grepmaier & Nickel, 2007, S.
102
44). Ebenfalls gab es bei der Symptomreduktion signifikante Unterschiede zwischen
MFG und CG auf 7 von 9 Skalen des SCL-90-R. Die 63 von den MFG PiAs
behandelten
Patienten
berichteten
über
deutlich
stärkere
Reduktion
von
Somatisierungen, Zwanghaftigkeit, Unsicherheit im Sozialkontakt, Depressivität,
Ängstlichkeit, Aggressivität und Feindseligkeit, Psychotizismus, sowie der über alle
Skalen gerechneten globalen psychischen Belastung.
Abbildung 15: Zeitlicher Verlauf der T-Werte für die Skala ‚STEPP-Klärungsperspektive’ von Meditations- und
Kontrollgruppe (nach Grepmair&Nickel, 2007, S. 46)
Abbildung 16: Zeitlicher Verlauf der T-Werte für die Skala ‚STEPP-Problemlösungsperspektive’ von Meditationsund Kontrollgruppe (nach Grepmair&Nickel, 2007, S. 46)
103
Abbildung 17: Zeitlicher Verlauf der T-Werte für die Skala ‚STEPP-Beziehungsperspektive’ von Meditations- und
Kontrollgruppe (nach Grepmair&Nickel, 2007, S. 47)
Beim Alliance-Rupture Ansatz von Safran und Muran (2000) (Michalak et al., 2012)
sollen die Therapeuten, durch geschulte Achtsamkeit, Brüche in den therapeutischen
Beziehungen mit ihren KlientInnen, in einem metakommunikativen Prozess über die
subtilen Ablaufmuster der therapeutischen Interaktion, klären können. Dabei spielen
Achtsamkeitsübungen für die KlientInnen keine Rolle.
2.3.4.3 Behandlung von Depressionen
Neben
den
oben
beschriebenen
verhaltenstherapeutisch
orientierten
Gruppentrainings wie MBCT soll hier ein achtsamkeitsinformierter Ansatz nach
Morgan
(2009)
vorgestellt
werden,
welcher
auf
der
Grundlage
der
Achtsamkeitspraxis des Therapeuten beruht und damit die Empfehlung von Segal,
Williams & Teasdale für Kliniker selbst Achtsamkeitsmeditationserfahrung zu haben,
nachkommt.
Der depressive Patient, gleich, welche Depressionsform vorliegt, wendet sich von
seiner Erfahrung ab. ‚Abwenden’ ist weniger ein technischer Begriff als
‚empirische Vermeidung’ (Hayes, Strohsal et al., 1999) und wird hier aus zwei
Gründen verwandt. Erstens, er ist erfahrungsnah. Er übermittelt eine Haltung
hinsichtlich der eigenen Erfahrung, die jemand fühlen kann. Zweitens meint er
Verlassenheit, ein allgemeines Gefühl bei Depressionen. Die Behandlung
besteht darin herauszufinden, wo dieses ‚Abwenden’ stattgefunden hat. Wir
versuchen,
Sicherheit
und
emotionale
Vertrautheit
mit
unseren
Depressionspatienten zu entwickeln, so dass die Haltung des Abwendens mit
104
ihrem Mangel an Lebendigkeit in Frage gestellt werden kann. In der Therapie
laden wir dazu ein, sich der vorhandenen Erfahrung zuzuwenden und bei dieser
zu bleiben. (Morgan, 2009, S. 194)
Wenn wir achtsam sind, haben wir auch Lebendigkeit. „Sie werden empfindsam für
die derzeitige Erfahrung des Lebendigen, dafür, wie Dinge sich unmittelbar anfühlen.
Sie sitzen nicht herum und entwickeln erhabene Ideen über das Leben. Sie leben“
(Gunaratana, zit. nach Morgan, 2009, S. 194). Bei der Depressionsbehandlung ist es
die verwandelte Beziehung zum Schmerz, die Leiden lindert. Achtsames Gewahrsein
ermöglicht uns mit diesem Schmerz in Verbindung zu sein.
•
Achtsame Co-Exploration bedeutet zu fragen - Was geschieht gerade jetzt?
– Können Sie dran bleiben, was gerade geschieht? – Können Sie hineinatmen
in das, was gerade geschieht? Oder können Sie mit dem atmen, was gerade
geschieht? Dieses Fragen lässt das Ergebnis offen, kein »warum?« Den
Ansatz des im Moment gefühlten körperlichen, den „felt sense“, finden wir
auch in Gendlin’s Konzept des Focusing.
•
Liebende Aufmerksamkeit – Als TherapeutInnen vermeiden wir im Rahmen
der Psychotherapie sehr oft den Begriff ‚Liebe’, da er in einem so intimen
Setting wie der Therapie missverstanden werden kann. Für unseren Fokus
von achtsamen Gewahrsein ist es jedoch unablässig eine liebevolle
Beziehung zu unseren Klienten zu pflegen – nicht im Sinne von eros, der
begehrenden Liebe, sondern mehr im Sinne von caritas und agape. Dabei
funktioniert es nicht irgendwie zu versuchen liebevoll zu sein, auch nicht nach
noch so präziser Befolgung von Manualen zur Steigerung liebevollen
Gewahrseins. „Das Einzige was funktionieren kann, ist die Liebe zu fühlen, sie
bereits da ist“ (Russel, zit. nach Morgan, 2009, S. 196).
•
Weitere Aspekte betreffen das Ziel den Schmerz zu akzeptieren,
•
den Wert des Narrativen zu beachten,
•
zu erkennen, dass Gedanken nur Gedanken sind und keine absoluten
Wahrheiten,
•
das sich Gefühle verändern können, auch zum Guten.
•
Wir nutzen Achtsamkeit die Bedeutung der Stille zu erkennen und in KoRespondenz mit dem Klienten zu klären.
105
•
Nach Morgan (2009) erfordert die Behandlung in das Herz der Depression zu
gelangen. Achtsamkeit kann uns auf diesem Weg helfen feinfühliger und
präsenter zu werden für die Tiefe des Schmerzes, für die Wege des Patienten
auf denen er sich alleine fühlt und sich schließlich selbst verlässt.
Bei der Behandlung stellen sich uns einige Herausforderungen wie
•
mit engagiertem Gleichmut präsent zu sein und sich von der schmerzvollen
Erfahrung nicht abzuwenden, sondern mit dem Vertrauen in der Situation zu
verweilen, dass wir mit allen Erfahrungen arbeiten können.
•
Suizidalität des Patienten konfrontiert uns mit mächtigen Emotionen, die uns
dazu verleiten zu schnell uns schützen zu wollen und damit den Kontakt mit
dem Patienten zu verlieren. Auch er macht zu und wird nicht mehr erreichbar.
Achtsamkeit kann dazu beitragen die Verbindung zu diesem Ort des Horrors
offen zu halten, oder mit Solomon (Morgan, 2009, S. 206) gesprochen: „Sie
können eine depressive Person nicht mit Liebe aus diesem Elend
herausziehen. Sie können es manchmal schaffen, jemanden an den Ort zu
begleiten an dem er sich aufhält“.
•
Langeweile ist oft ein Zeichen, dass entweder die Klientin oder die
Therapeutin vor der Konfrontation mit einem Gefühl flüchtet, sei es durch
Blicke auf die Uhr, durch den Flash nach Koffein oder belanglose Fragen. Wir
sind auch oft verloren und wissen nicht wo wir hin sollen mit dem Patienten,
wie wir ihn erreichen, sind voller Zweifel über die Sinnhaftigkeit unseres
Vorgehens. Wenn wir unsere Klienten daran teilhaben lassen, dass wir nicht
wissen wo wir gerade sind, schaffen wir einen geteilten Raum des Zweifels,
der zumindest lebendig ist. Der Patient macht in der Auseinandersetzung mit
ggf. seiner eigenen Langeweile eine heilsame, weil der Depression
entgegengesetzte Erfahrung: Er vermeidet die Empfindung nicht mehr, statt
darüber zu grübeln macht er sie.
Die Achtsamkeit auf die Therapiebeziehung hilft uns Aspekte der Getrenntheit
vom Selbst, der Getrenntheit vom Therapeuten, dem Sehen, sowie der Ungewissheit
zu begegnen.
In der Achtsamkeit für das Patientenverhalten schaffen wir es leichter von den
vordringlichen Fragen nach Problemen und Schmerzen auch zur Absicht des
106
Klienten zu gelangen indem wir die Fragen nach dem Herzenswunsch stellen, oder
was wichtig für sie ist, oder was sie sich am meisten für ihr Leben wünschen.
Dieser Abriss soll die Haltung eines achtsamkeitsinformierten Vorgehens in der
Behandlung von depressiven Menschen umrissen haben. Morgan (2009) schließt mit
einem Zitat Andrew Solomons aus seinem The Noonday Demon „Das Gegenteil der
Depression ist nicht Glück, sondern Vitalität.“ Damit kann ein, mit achtsamen
Gewahrsein arbeitender Therapeut, einem Klienten dazu verhelfen, sich lebendiger
zu fühlen.
107
3 Empirie
3.1 Forschungsfrage
In der vorliegenden Arbeit sollen Antworten auf folgende Fragestellung gefunden
werden:
»Inwiefern beeinflusst die Achtsamkeitspraxis von PsychotherapeutInnen die
intersubjektive Ko-Respondenz - aus Sicht der PsychotherapeutInnen«
3.2 Methodik
3.2.1 Datenerhebung
Zur
Beantwortung
Sozialforschung
unterschiedlichen
der
Forschungsfrage
eingeschlagen.
Es
wurde
wurden
Therapierichtungen
mit
der
Weg
über
qualitative
PsychotherapeutInnen
langjähriger
Praxis
aus
in
Achtsamkeitsmeditation gesucht, die sich für ein problemzentriertes Interview
(Mayring, 2002) bereit erklärten.
Das Interview begann mit der offenen Frage „Wie wirkt sich Ihre Achtsamkeitspraxis
auf
die
therapeutische
Beziehung
mit
Ihren
KlientInnen
aus“.
Die
InterviewpartnerInnen (im folgenden als „IP“ bezeichnet – präferiert vor „Proband“,
„Teilnehmer“, „Befragte“) wurden ermutigt, einfach das zu antworten „was aus ihrem
offenen Gewahrsein dazu kommt“. Vorab wurde noch nach dem therapeutischenund Meditationshintergrund gefragt, nach Erfahrungsdauer und Arbeitsfeldern in der
Praxis. Vor der Interviewphase wurde ein A Priori Codesystem erstellt, welches für
die Beantwortung der Fragestellung wichtig erschien – nämlich das der 14
Wirkfaktoren der IT. Dieses Codesystem diente als inhaltliches Gerüst um den
Interviewverlauf zu akzentuieren und an geeignet erscheinender Stelle im Sinne der
IT-Formulierungen nochmals nachzufragen, ob die gemachte Aussage auch im ITWording verstanden werden konnte. Wenn eine Interviewpartnerin von „sharing“ im
Psychodrama spricht, dies rückzufragen: „Also das wäre dann im Sinne von
108
selektiver Offenheit, sagen wir dazu... dass ich entscheide, wann sage ich etwas aus
meiner Praxis, aus meinem Leben. B: Genau.“
In den ersten beiden Interviews traten jedoch auch Aspekte zu Tage, die im Sinne
der Grounded Theory (Glaser et.al., 1998) in den Leitfaden für die weiteren
Interviews einflossen: Aspekte der Religionsfreiheit, Auswirkungen auf Settingfragen,
Qualitätssicherungsaspekte und Interventionen mit KlientInnen. Bei einigen IP kamen
solche Antworten von ihnen aus, bei anderen wiederum wurde gezielt nachgefragt,
wenn wir thematisch in die Nähe kamen, bei wiederum anderen fokussierte sich das
Interview auf einzelne Aspekte, anderen blieben unerwähnt. So muss auch im
folgenden Ergebnisteil eine Häufigkeit interpretiert werden: Nicht bei allen IP kamen
zu allen Aspekten Antworten zu Stande: Wenn also bei der Kategorie
„Religionsfreiheit“ 6 von 8 IP sagten, diese sei gewährleistet, heißt das noch nicht,
dass bei den anderen 2 IP diese nicht gewährleistet ist. Lediglich wurde dieser
Aspekt in 6 Interviews nicht behandelt. So ist auch in allen anderen Kapiteln
sinngemäß zu verfahren.
Die Akquise erfolgte über persönliche Kontakte und deren Verteiler, in denen
PsychotherapeutInnen
Meditationserfahrung
aus
in
unterschiedlichen
unterschiedlichen
Fachrichtungen
buddhistischen
Traditionen
mit
im
deutschsprachigen Raum enthalten waren. Es kamen insgesamt 9 Interviews zu
Stande, wovon 1 aus technischen Schwierigkeiten bei der Aufzeichnung leider nicht
verwertbar war. Von den 8 in die Auswertung eingehenden Interviews wurden 6 im
persönlichen Kontakt auf Tonträger aufgenommen. Die 2 Interviews aus der Schweiz
wurden per Video-Skype aufgezeichnet. Die Interviews wurden zwischen 6.
November 2013 und 2. Jänner 2014 durchgeführt und dauerten jeweils zwischen 35
und 55 Minuten. Anschließend wurden sie wortwörtlich u.a. mit Hilfe des
Computerprogramms „f5“ transkribiert.
3.2.2 Auswertung
Die transkribierten Interviews wurden einer qualitativen Inhaltsanalyse unterzogen
(Mayring, 2010) unter Verwendung des
Computerprogramms „f4analyse“. Dabei
werden Textstellen markiert und einem Code zugeordnet -entweder dem vorab
definierten Codebaum (14 Wirkfaktoren der IT) oder neu entstehende Codes. Dabei
kann eine Textstelle mehreren Codes zugeordnet werden – diese ladet dann auf
mehreren Faktoren. Die markierten Textstellen erscheinen farblich unterstrichen und
109
können jederzeit umcodiert werden. So entstand im Laufe der Codierung der Texte,
im Sinne von Klassifizierungen (Mayring, 2010) ein umfangreicher Codebaum mit
257 Elementen auf bis zu drei Ebenen.
Abbildung 18: f4analyse – Screenshot der Codierung
Dabei wurde darauf geachtet in unterschiedlichen Interviews auftretende gleiche
Themen den gleichen Codes zuzuordnen oder einen neuen Code bzw. Untercode zu
vergeben. Nach Fertigstellung aller Textcodierungen mussten die gefundenen Codes
mit unterschiedlicher Formulierung im Sinne einer Kontingenzanalyse zu möglichst
stimmigen Obergruppen zusammengefasst und ggf. umgruppiert & umbenannt
werden um die Anzahl an Codes auf ein sinnvolles Maß zu reduzieren und prägnante
Kategorien zu finden, die im Anschluss einer Häufigkeitsanalyse (Mayring, 2010, S.
13) unterzogen werden konnten. Diese Schritte lassen sich bequem mit dem
Werkzeug f4analyse durchführen. Neben dem A Priori definierten Kategoriensystem
der Wirkfaktoren und der demografischen Auswertung der InterviewpartnerInnen,
welche auch im Form von Codes durchgeführt wurde, ergaben sich weitere 6
Hauptkategorien mit jeweils 3 bis 10 Unterkategorien (Sub-Codes). Diese finden sich
als Unterkapitel des folgenden Abschnitts „Ergebnisse“ wieder.
110
Das Programm generiert im Anschluss eine Profilmatrix, aus der die Häufigkeiten der
Codeladungen bei den InterviewpartnerInnen (IP) ersichtlich ist.
Abbildung 19: Profilmatrix - Ausschnitt
Für die Ergebnisinterpretation ist folgendes zu beachten
(siehe obigen Ausschnitt der Profilmatrix): In der Zelle Code x
IP steht die Anzahl der Nennungen eines IP für diesen Code,
in hellerem Grau. In der Spalte IP Gesamt ist aber nicht die
Summe aller Nennungen zu sehen, sondern, was im
Rahmen dieser Forschungsarbeit mehr interessiert, wie viele
InterviewpartnerInnen
haben
etwas
–
zumindest
eine
Aussage – zu diesem Code gemacht (blau umrahmt). Dieser
Wert kann also nur zwischen 0 und 8 liegen. Die folgende
Excel-Formel verdeutlicht das:
111
In den Häufigkeitsanalysen für die Ergebnisse werden nur die Codes der Ebene 2
gezählt. Sind Ebene 3 Sub-Codes vorhanden, welche die unterschiedlichen Facetten
der Hauptkategorie differenzierter erkennbar machen, wird Spaltenweise gezählt, bei
wie vielen Subcodes ein IP etwas genannt hatte. Das ergibt die Spaltensummen
oberhalb von Ebene 3 Code Ladungen (rot umrahmt):
Werden nun die Spaltensummen für jeden IP über alle Codeladungen berechnet,
kann eine Unterscheidung der IP in Bezug auf die „inhaltliche Ergiebigkeit“ des
Interviews getroffen werden.
Dabei reichen die Scores von 28, über 29, 36, 37, 38, bis 42, 50 und 55.
Eine hohe „inhaltliche Ergiebigkeit“ kommt dadurch zu Stande, wenn IP zu vielen
Aspekten des gesamten Codebaumes Auskunft geben, ein niedriger Score, wenn
diese auf einige für sie relevante Aspekte fokussiert bleiben, diese Themen jedoch
an mehreren Stellen über den Interviewverlauf wiederholten, differenzierten oder
betonten. Daher ist für die Interpretation der Texte ein weiteres Maß interessant, das
die Gesamtzahl an Nennungen zu einem Code (grün umrahmt) miteinbezieht und
diese in Relation zu den „IP Gesamt“ Werten setzt. Also, wie viele Nennungen eines
Codes hat im Durchschnitt eine Person hervorgebracht. Dieses Maß (violett
umrahmt) wird im Folgenden „Betonung“ genannt, also Ausdruck der persönlichen
Wichtigkeit einer Thematik und gibt in den in violett gehaltenen Balkendiagrammen
Auskunft darüber wie sehr die IP dieses Thema wiederholt hervorgehoben hatten.
Ein Wert von 1 bedeutet, dass 1 Person in ihrem Interview 1 mal etwas zu einem
Code gesagt hat, also nicht extra betonte. Wenn bei 4 IP insgesamt 14 Textstellen zu
einem Code zuordenbar waren, ergibt sich daraus eine Betonung von 3,5. Dies ist in
diesem Forschungsprojekt auch der höchste Wert, weshalb die Diagramme mit
einem Maximalwert von 3,5 skaliert sind. Die geringfügig von 1 abweichenden
Darstellungen im Diagramm bei der Betonung von 1,0 dienen der Anschaulichkeit.
112
3.3 Ergebnisse
3.3.1 Beschreibung der InterviewpartnerInnen
Bei den 8 InterviewpartnerInnen handelt es sich um 5 Frauen und 3 Männer, alles
PsychotherapeutInnen mit Meditationserfahrung. Von diesen 8 kamen 5 aus
Österreich, 1 aus Deutschland und 2 aus der Schweiz.
Die Namen in dieser Arbeit sind anonymisiert worden.
Geschlecht
Nationalität
Schweiz, 2
Männer, 3
Deutschland,
1
Frauen , 5
Österreich, 5
Abbildung 20: Demografischer Hintergrund der InterviewpartnerInnen
3.3.1.1 Erfahrungshintergrund in der Psychotherapie
Eine IP ist seit 1 Jahr eingetragene PsychotherapeutInnen, die anderen haben
langjährige Berufspraxis: Die meisten (4 IP) 21 bis 30 Jahre, 2 weitere zwischen 11
und 20 Jahren, 1 Person hat mehr als 30 Jahre Therapieerfahrung.
Erfahrung Therapie
mehr als 30 Jahre
bis 30 Jahre
bis 20 Jahre
bis 10 jahre
bis 5 Jahre
bis 1 Jahr
0
1
2
3
Abbildung 21: Erfahrungshintergrund in der Psychotherapie
113
4
5
3.3.1.2 Inhaltliche Ausrichtungen in der Psychotherapie
Bei den TherapeutInnen waren 3 GestalttherapeutInnen, je 2 mit Klientenzentriertem
und Transaktionsanalytischem Hintergrund, 1 Integrative Therapeutin, je 1 weitere
mit Psychodrama und Verhaltenstherapie Ausbildung, sowie 1 tiefenpsychologisch
ausgebildeter mit systemischen Erweiterungen. In dieser Kategorie konnte es zu
Mehrfachnennungen
kommen
Inhaltliche
Ausrichtungen Therapie
Tiefenpsychologie mit systemischen Erweiterungen
Verhaltenstherapie
Psychodrama
Integrative Therapie
Transaktionsanalyse
Klientenzentriert
Gestalttherapie
0
1
2
3
4
Abbildung 22: Inhaltliche Ausrichtungen in der Psychotherapie
3.3.1.3 Erfahrungshintergrund in der Meditationspraxis
Was den Erfahrungshintergrund in der Praxis der Achtsamkeitsmeditation betrifft, so
lässt sich feststellen, dass die meisten, nämlich 5 Personen, zwischen 11 und 20
Jahren Erfahrung aufweisen können, je 1 weitere Person hat rund 5 Jahre, zwischen
6 und 10 Jahren, sowie zwischen 21 bis 30 Jahren Meditationserfahrung.
114
Erfahrung Meditationspraxis
Was war vorher
mehr als 30 Jahre
bis 30 Jahre
Meditationsp
raxis vor
Psychotherap
ie, 2
bis 20 Jahre
bis 10 Jahre
Psychotherap
ie vor
Meditationsp
raxis, 6
bis 5 Jahre
bis 1 Jahr
0
1
2
3
4
5
Abbildung 23: Erfahrungshintergrund in der Meditationspraxis
Bei so langen Karrieren stellt sich auch die Frage, womit befassten sich die
InterviewpartnerInnen in ihrer Biografie zuerst: Es zeigt sich bei den Vergleichen
dass 6 von 8 Personen Psychotherapie vor Mediation praktizierten. Nur 2 der 8
InterviewpartnerInnen kamen von der Meditation danach zur Psychotherapie.
3.3.1.4 Inhaltliche Ausrichtungen in der Meditationspraxis
Was den kulturellen Hintergrund der Achtsamkeitspraxis betrifft sehen wir ein breites
Spektrum von Tibetischem Buddhismus (2) über die Vipassana Meditation (2) und
der Ausrichtung von Thich Nhat Hanh (1), über Zen Meditation & MBSR Praxis (2),
bis hin zur christlichen
Form
der Achtsamkeitsmeditation
(1).
Inhaltliche
Ausrichtung
Meditation
Thich Nhat Hanh
Tibetischer Buddhismus
christliche Meditation
Vipassana
Zen & MBSR
0
1
2
3
Abbildung 24: Inhaltliche Ausrichtungen in der Meditationspraxis
115
4
3.3.1.5 Arbeitsfelder in der Praxis
Falls
die
IP
Aussagen
psychotherapeutischen
Aufstellungsarbeit
tätig,
über
Arbeitsfelder
„Einzel“-Therapie
je
1
weitere
3
machten
waren
Personen
in
systemischer
auf
Körperarbeit,
Nennung
entfällt
neben
der
Traumatherapie, Arbeit mit Gruppen und Paaren, sowie in der Erziehungs- und
Familienberatung. Eine
weitere arbeitet
dezidiert auch als Achtsamkeitslehrerin.
Arbeitsfelder
in der Praxis
Achtsamkeitslehrerin
Erziehungs- u Familienberatung
Gruppen
Paare
Traumatherapie
Körperarbeit
Aufstellungsarbeit
0
1
2
3
4
Abbildung 25: Arbeitsfelder in der therapeutischen Praxis
3.3.2 Welche
der
14
Wirkfaktoren
der
IT
werden
durch
Achtsamkeitspraxis gefördert
Im Interview wurde nicht dezidiert nach den 14 Wirkfaktoren gefragt, sondern die
Textstellen wurden inhaltlich sinngemäß auf diese Wirkfaktoren hin kodiert, meist
zusätzlich zu einer inhaltlich spezifischeren Kodierung, welche in den folgenden
Kapiteln dargestellt wird. Die Fragestellung lautete ja wie sich die Achtsamkeitspraxis
auf die therapeutische Beziehung auswirkt, was Auswirkungen auf beiden Seiten
impliziert. Veränderungen in der Wahrnehmung, Haltung, usw. des Therapeuten,
aber auch Effekte, welche die TherapeutInnen bei ihren Klientinnen wahrnehmen
können. Die ersten beiden Wirkfaktoren können auf die Qualität der therapeutischen
Relation im engeren Sinn attribuiert werden, aber auch, durch die Dynamiken des
Modelllernens erklärbar, Kompetenzen und Performance seitens des Klienten
(„Selbstakzeptanz“) meinen. Aus dem nachstehenden Diagramm sind wieder die
Anzahl der TherapeutInnen dargestellt, die einen förderlichen Einfluss der
Achtsamkeitspraxis auf die Wirkfaktoren bestätigen. Drei davon wurden von
116
mindestens der Hälfte als ein Effekt der Mediationspraxis genannt. Für die letzten 5
Wirkfaktoren gab es in den Antworten jedoch keine Hinweise, dass diese durch
Achtsamkeitspraxis dezidiert gestärkt
werden.
Wirkfaktoren
der IT
1. Einfühlendes Verstehen, Mitgefühl, Empathie
2. Emotionale Annahme und Stütze, Akzeptanz, Selbstakzeptanz,
Förderung positiver Verhaltensweisen/Mitgefühl für sich selbst
3. Hilfe bei der praktischen Lebensbewältigung
4. Förderung des emotionalen Ausdrucks und der Willenskraft
5. Förderung von rationaler Einsicht und Sinnerleben
6. Förderung von Beziehungsfähigkeit und kommunikativer
Kompetenz
7. Förderung leiblicher Bewusstheit, Selbstregulation und
psychophysischer Entspannung
8. Förderung von Lernmöglichkeiten, Lernprozessen und Interessen
9. Förderung kreativer Erlebnis- und Gestaltungsmöglichkeiten
10. Erarbeitung von positiven Zukunftsperspektiven
11. Förderung eines positiven Wertebezugs
12. Förderung von prägnantem Selbst- und Identitätserlebens,
sowie Souveränität
13. Förderung tragfähiger sozialer Netzwerke
14. Ermöglichen von Solidaritätserfahrungen
0
1
2
3
4
5
6
7
8
Abbildung 26: Wirkfaktoren - Anzahl IP
Darstellung der Anzahl von IP, welcher mindestens eine Aussage zu einem
Wirkfaktor zugeordnet werden konnte. Darüber wie sehr eine Thematik betont wurde
gibt das folgende Diagramm Auskunft:
117
Wirkfaktoren der IT
1. Einfühlendes Verstehen, Mitgefühl, Empathie
2. Emotionale Annahme und Stütze, Akzeptanz, Selbstakzeptanz,
Förderung positiver Verhaltensweisen/Mitgefühl für sich selbst
3. Hilfe bei der praktischen Lebensbewältigung
4. Förderung des emotionalen Ausdrucks und der Willenskraft
5. Förderung von rationaler Einsicht und Sinnerleben
6. Förderung von Beziehungsfähigkeit und kommunikativer
Kompetenz
7. Förderung leiblicher Bewusstheit, Selbstregulation und
psychophysischer Entspannung
8. Förderung von Lernmöglichkeiten, Lernprozessen und
Interessen
9. Förderung kreativer Erlebnis- und Gestaltungsmöglichkeiten
10. Erarbeitung von positiven Zukunftsperspektiven
11. Förderung eines positiven Wertebezugs
12. Förderung von prägnantem Selbst- und Identitätserlebens,
sowie Souveränität
13. Förderung tragfähiger sozialer Netzwerke
14. Ermöglichen von Solidaritätserfahrungen
1
1,5
2
2,5
3
3,5
Betonung (1= 1 Nennug pro IP, 2=durchschnittlich 2 Nennungen pro IP)
Abbildung 27: Wirkfaktoren - Betonung
3.3.2.1 1. Einfühlendes Verstehen, Mitgefühl, Empathie:
Der Hauptwirkfaktor, der sich in vielen Untersuchungen als wesentlich für das
Gelingen einer therapeutischen Beziehung erweisen hat, wurde von allen 8
InterviewpartnerInnen als ein positiver Effekt ihrer Meditationspraxis erachtet. Im
Schnitt mit 1,5 Nennungen pro IP. Das ist auch von der spirituellen Ausrichtung her
konsistent, spielt doch Mitgefühl und einfühlendes Verstehen eine wesentliche Rolle
in der Haltung von Dharmapraktizierenden. So erfahren wir von Gunther (Absatz 15)
dass „sich mein Einfühlungsvermögen und auch dieses intuitive Wahrnehmen des
Klienten verbessert hat...“ und in Absatz 73-74 „dass meine verstärkte Empathie oder
auch mehr Offenheit von mir da ein Stück mehr Herzöffnung gelungen ist. In der Zeit
auch durch die Meditation die Verbundenheit stärker ist. Ich glaub dass ich mehr
Verbundenheit zulassen und herstellen kann.“
„Das ist sicherlich etwas, was am Polster trainiert wird. So auch dieses Mitgefühl
mit sich zu haben. Und in der Therapie, glaube ich, ist es so, dass es leichter ist,
nicht zu bewerten und damit auch leichter wird, mitzufühlen.“ (Klara, Absatz 91 –
96)
118
Für die Stärkung des Mitgefühls kann die therapeutische Arbeit auch als ein
entspanntes Training betrachtet werden:
„Dass ich so viel als möglich versuche, meine Arbeit auch als meine
buddhistische Praxis zu erleben. Im günstigsten Fall kann ich das gut übersetzen
und komme einfach tiefer in die Praxis hinein. Und habe viel bodhicitta-Training,
ohne jetzt irgendwie mich persönlich auszuwringen.“ (Angelika, Absatz 98-100)
„Ich glaube, es fließt auf ganz natürliche Weise ein, einfach weil bodhicitta eine
wache Ecke in meinem Herzen ist, immer wieder, nicht immer, aber oft. Das ist
das eine, und das andere, da kommt mir jetzt auch diese eine Borderline-Frau in
den Sinn, mit der ich wirklich an meine Grenzen immer wieder stoße. Und da
finde ich manchmal Zuflucht bei diesen bodhicitta, weil ich verzweifle und sie
eigentlich nur noch loswerden möchte. Wenn ich da dann so meine verdank und
kleshas reingehe, will ich sie einfach loswerden. Und wenn ich dann zu dieser
Haltung Zuflucht nehme, innerlich, und sage, hey… Wie kann ich ihr… Wie kann
ich für sie dableiben, obwohl sie mich tritt? Als Zuflucht vielleicht am besten.
Wenn sie nicht natürlich fließt, dann als Zuflucht“ (Claudia, Absatz 42)
„Da habe ich auch viele Jahre darüber nachgedacht, was ist denn eigentlich der
Unterschied zwischen Mitleid und Mitfühlen. Und für mich ist es eben wirklich
das, so wie, das heißt nicht, dass ich nicht den Schmerz mitempfinde. Aber ich
muss ihn nicht mit nach Hause nehmen oder ich kann wie ich das in einen
größeren Rahmen setzen oder so etwas.“ (Waltraud, Absatz 24)
„Mitgefühl glaube ich trifft es für mich eher, für mich. Dass ich mit den Menschen
in ihrer Situation Mitgefühl habe, dass ich allerdings... Ich weiß nicht ob ich schon
auf der Ebene von Güte bin.“ (Manfred, Absatz 58)
3.3.2.2 2. Emotionale Annahmen und Stütze, Akzeptanz, Selbstakzeptanz
Auch im zweiten Wirkfaktor finden wir ein weiteres zentrales Konzept in der
Achtsamkeitspraxis, die Akzeptanz. 4 Personen nehmen explizit, im Schnitt mit 1,5
Textstellen, darauf Bezug. Die InterviewpartnerInnen weisen durchwegs darauf hin,
dass wenn sie die Eigenschaft der Akzeptanz bei ihnen selbst entwickeln, sich diese
Haltung ihren KlientInnen gegenüber besser entgegenbringen können und, wiederum
über Spiegelung/Modelllernen, diese Haltung bei ihren KlientInnen evozieren bzw.
stärken lässt. z.B. „sich nicht mehr vor Gefühlen zu fürchten“:
119
„Genau. Ich fürchte mich nicht vor Gefühlen. Das heißt ja emotionale Annahme,
oder? ... das ist dieses sich einschwingen“ (Erika, Absatz 35 – 38)
Den Klienten so annehmen, ohne das Gefühl zu haben etwas verändern zu müssen
– dieses genannte Motiv kann, wie im folgenden Kapitel noch deutlicher dargestellt,
als ein Haupteffekt der Meditationspraxis erachtet werden:
„Ich glaube, es verbessert die Beziehung insofern, dass ich nicht mehr versuche,
dass ich nicht mehr das Gefühl habe, ich oder der Patient müssten was
verändern, oder wir sind nicht gut genug, der Patient passt nicht in meine
Therapie oder ich passe nicht zum Patient oder so. Ja, die ganze Suche nach
Gründen oder auch manchmal vielleicht sogar Schuldzuweisung oder so, das
fällt einfach weg. Und von dem her ist der Kontakt dann einfach leichter und
auch, ja, vielleicht sogar ein Stück inniger oder so.. Oder so tiefer oder so… Ja,
die Menschen fühlen sich wohl, das merke ich. (…) Es ist nicht so einfach zu
beschreiben, finde ich.“ (Waltraud, Absatz 10 -11)
Das Angebot einer sicheren Bindung, Sicherheit-Gebendes zu stärken, mit dem
Effekt von weniger Therapieabbrüchen, wurde genannt:
„Ich glaube, dass meine verstärkte Empathie oder auch mehr Offenheit von mir
da ein Stück mehr Herzöffnung gelungen ist. In der Zeit auch durch die
Meditation die Verbundenheit stärker ist. Ich glaub dass ich mehr Verbundenheit
zulassen und herstellen kann. Man könnte sagen, psychologisch, mehr sichere
Bindung. Und das ist etwas, was etwas Halt-Gebendes, etwas SicherheitGebendes ist. Ja, auch Leute besser dableiben lässt. So würde ich das sagen.“
(Gunther, Absatz 70 – 76)
3.3.2.3 7.
Förderung
leiblicher
Bewusstheit,
Selbstregulation
und
psychophysischer Entspannung
Der Faktor mit der zweitstärksten Ladung war mit 6 von 8 Personen ebenfalls einer,
der in der Achtsamkeitspraxis seit jeher trainiert und gestärkt wird: Die Stärkung
leiblicher Bewusstheit, Selbstregulation und psychophysischer Entspannung. Hier
ebenfalls ausgehend von der Verbesserung dieser Eigenschaften seitens der
TherapeutInnen um dies „ein Modell“ auch für ihre KlientInnen besser verfügbar zu
machen – „es springt dann über“:
120
„Und die Haltung der Achtsamkeit heißt ja, ich sehe das dann auch. Ich sehe ja,
wenn jemand anfängt, ganz flach zu atmen, zu versinken, dann kann ich
nachfragen und vertiefen helfen.“ (Erika, Absatz 19)
„Wenn ich so tiefer ausatme, dann gebe ich sozusagen ein Modell, das der
andere einmal unbewusst probieren kann. Oder dass es auch so… Manchmal
entsteht, dass so eine Stille aufkommt, wo die Menschen so in ein Gewahrsein
hineinrutschen und dann nach 5, 10 Minuten so wieder aufwachen, mich
anschauen und sagen: “Was war das jetzt?““ (Angelika, Absatz 23)
„Also so diesem Körperwahrnehmung und diese Körperempfindung wieder
wahrzunehmen. Dann nenne ich,
es gar nicht mit speziellen Begriffen.“
(Gunther, Absatz 18)
„Und was auch stattfindet, das glaube ich, so dieses zwischendurch sich selber
wieder wahrnehmen in der Therapie. Und das ist etwas, was sehr oft auch auf
den Klienten überspringt. Wenn ich nicht mehr so viel rede, dass wirklich auch da
ein bisschen eine Ruhe oder ein Rahmen wieder entsteht.“ (Klara, Absatz 108)
Zur
Selbstregulation
gehört
aus
Perspektive
der
Achtsamkeit
auch
der
ökonomischere Umgang mit Emotionen, um nicht gleich „auf alle Emotionen und
Gedanken aufzusatteln“:
„Das ist ja auch das, ich finde, worum es unter anderem auch in der spirituellen
Praxis geht, d.h. die eigene Emotion besser kennen zu lernen, nicht auf alle
Emotionen aufzusatteln, nicht auf alle Gedanken aufzusatteln und dann eben
auch so etwas wie so eine Draufsicht und so einen gewissen Gleichmut, nicht
Gleichgültigkeit aber Gleichmut dann eben zu entwickeln.“ (Manfred, Absatz 32)
3.3.2.4 4. Förderung des emotionalen Ausdrucks und der Willenskraft
Der Klient soll dazu bemächtigt werden, den Ausdruck von Emotionen zu verstärken
und zu differenzieren, was eine Assoziation mit den Emotionen bedingt. Aus Sicht
der buddhistischen Psychologie ist jedoch das Gegenteil erstrebenswert: sich nicht
mit den Gefühlen zu assoziieren, sie zum Teil des Selbst zu machen, sondern sie als
Produkt der Geistestätigkeit mit Gleichmut und Distanz zu betrachten und dadurch
sich vom „bedingten Entstehen“ zu lösen. Dass diese beiden augenscheinlich
gegenläufigen Strategien nicht im Widerspruch stehen, kann über die Frage des
121
Zeitpunkt des Einsatzes dieser Strategien gelöst werden. Die Integrative Therapeutin
unter den InterviewpartnerInnen schildert dies folgendermaßen:
„Habe ich gesagt, ich nehme jetzt noch… Habe die gelbe Farbe genommen und
habe gesagt, nur als Denkanstoß, also da sind die vier violetten, schwarzen
Punkte [von ihnen]. Das ist Ihre… Das ist die Lebensgeschichte. Und ich täte die
Arbeit ja überhaupt nicht machen, ich täte das ja nicht aushalten. Weil ich kann
es ja nicht ändern, wenn ich nicht wüsste, das ist die Lebensgeschichte. Aber
darunter,
voller
Licht,
voller
Leben,
voller
Lebendigkeit,
voller
Entwicklungspotential. [ZEICHNET] Und mit DEM, das ist Achtsamkeit, dass ich
mit dem in Verbindung bleibe. Dass ich mich von diesem Dunklen nicht irritieren
lasse. Dass ich ihn daran erinnere, dass er kurz das spüren kann.“ (Erika, Absatz
56)
Hier den Klienten mit kreativen Medien in den emotionalen Ausdruck führen, mit dem
Wissen auf TherapeutInnenseite um die Relativität dieses Gefühls. Die Perspektive
der buddhistische Psychologie kommt dann zum Einsatz wenn unterdrückte,
dissoziierte Gefühle zuerst assoziiert, ausgedrückt, rausgeschrien, durchgearbeitet,
behirnt, usw. werden. Anschließend den Klienten aber nicht in dieser Assoziation zu
belassen sondern eine weitere Möglichkeit des Umgangs mit Gefühlen anzubieten.
3.3.2.5 3. Hilfe bei der praktischen Lebensbewältigung
Direkte Hilfe bei der praktischen Lebensbewältigung ist wahrscheinlich nicht der Kern
von Achtsamkeitspraxis, eine IP schildert ihr Vorgehen dafür mit ihren KlientInnen
aber folgendermaßen:
„Dann begleite ich die Person in den Prozess hinein, mit verschiedensten
Methoden. Und wie man da wieder hinauskommt, dass man dann gemeinsam
hinschauen kann, ja wo waren wir denn gerade? Was haben wir denn gemacht?
Mit welchen Methoden? Und wie könntest du die Methoden für dich verwenden,
in deiner Eigenkommunikation? Also dass das nicht ausschließlich etwas ist, was
jetzt bei mir hier in der Praxis stattfindet, sondern was kommt in die eigene
Schatzkiste, was hier erarbeitet worden ist.“ (Angelika, Absatz 72)
122
3.3.2.6 5. Förderung von rationaler Einsicht und Sinnerleben
Auch die Förderung rationaler Einsicht, hier in der Förderung der Fähigkeit des
Klienten sein emotionales Alter zu erfassen, findet sich 1 mal in den Interviews
wieder:
„ dem anderen auch zu lernen, zu vermitteln, wie ein Mensch selber sein eigenes
emotionales Alter feststellen kann. Und dann in diesen Prozess gehen kann, sich
sozusagen auch ein Stück weit zu dissoziieren, draufzuschauen auf den
Prozess, der eigene Beobachter zu werden und zu sehen, ok da gibt es ein
Archiv, das ist noch nicht nachgereift, das ist noch gekränkt, das hat den
Heilungsprozess noch nicht durchlaufen. Da steht mein innerer Scanner und will
gesehen werden. Dass die Person fähig ist, bei sich selber solche Prozesse in
der Art auch zu interpretieren.“ (Angelika, Absatz 63)
Die bereits öfter erwähnte Role-Model Funktion des Therapeuten zum Lernen kommt
auch aus der Sicht eines Therapeuten beim Wirkfaktor 6 zum Einsatz:
3.3.2.7 6. Förderung von Beziehungsfähigkeit und kommunikativer Kompetenz
Die Förderung von Beziehungsfähigkeit beim Klienten wird positiv beeinflusst - über
die durch Meditationspraxis verstärkte Bindungsfähigkeit:
„Ich glaube, dass meine verstärkte Empathie oder auch mehr Offenheit von mir
da ein Stück mehr Herzöffnung gelungen ist. In der Zeit auch durch die
Meditation die Verbundenheit stärker ist. Ich glaub dass ich mehr Verbundenheit
zulassen und herstellen kann. Man könnte sagen, psychologisch, mehr sichere
Bindung. Und das ist etwas, was etwas Halt-Gebendes, etwas SicherheitGebendes ist. Ja, auch Leute besser dableiben lässt. So würde ich das sagen.“
(Gunther, Absatz 70 – 74)
Die Förderung von Eigenverantwortungsübernahme wurde als ein zentraler Schritt
zur Beziehungsfähigkeit attribuiert und daher folgende Textstelle zu diesem
Wirkfaktor codiert:
„Das ist auch ein Ergebnis der spirituellen Praxis, dass man so eine
Verantwortung für sein Leben übernimmt und auch versteht, dass man selber im
Thema "Ursache und Wirkung" steht. Also es heißt, das was jemand tut, ist ja
erstmals was er selbst zu verantworten hat“ (Manfred, Absatz 22)
123
3.3.2.8 8. Förderung von Lernmöglichkeiten, Lernprozessen und Interessen
Auch das Fördern von Lernprozessen beim und vor allem mit dem Klienten, unter
Berücksichtigung der Eigenkompetenzübernahme, wurde als eine Auswirkung von
Achtsamkeitspraxis geschildert:
„Und hier mit der Fragestellung auch zu arbeiten, wie alt fühle ich mich. Und
dadurch
in
diesen
Differenzierungsprozess
zu
kommen,
vom
inneren,
emotionalen, oder mentalen Alter, wie eine Situation interpretiert wird, und dem
Beobachter oder dem inneren Heiler oder dem Erwachsenenanteil. Einen
mitfühlenden Anteil, einen wertfreien mitfühlenden Anteil, der da draufschauen
kann. Und so meinem Gegenüber die Möglichkeit oder die Kompetenz
zurückzugeben, du bist oder du wirst dein eigener bester Experte“ (Angelika,
Absatz 64)
3.3.2.9 9. Förderung kreativer Erlebnis- und Gestaltungsmöglichkeiten
Das Annehmen „des Lebens wie es da ist“ führt aus der Praxis von Achtsamkeit eher
zu einer Haltung, „dass eine Chance da ist zu einer Gestaltung“ meint Manfred in
Absatz 70. Diese Haltung ist ebenfalls im Kanon der mindfulness zu finden, wenn es
heißt „Veränderung ist der Bruder der Akzeptanz, aber der jüngere Bruder“
(Christensen & Jacobson, 2000, S. 11 in Germer, 2006, S. 21)
3.3.3 Auswirkungen von Achtsamkeitspraxis auf die therapeutische
Beziehung
Im folgenden Abschnitt wird die konkreten Auswirkungen der Achtsamkeitspraxis auf
die therapeutische Relationalität aus der von den IP genannten inhaltlichen
Beschreibungen dargestellt. Diese Kategorienbildung kam durch Kontingenzanalyse
(Mayring, 2010 S16) zu Stande. Die Textstellen wiederholen sich zum Teil mit den
oben
unter
„Wirkfaktoren“
genannten
auf
Grund
der
Mehrfachcodierung.
Phänomenologisch sind die im folgenden dargestellten Kategorien allerdings die
konkreteren und trennschärferen.
124
Auswirkungen auf therapeutische Beziehung
Vertiefte Beziehung
Verringertes Kontrollbedürfnis
Unmittelbare Wahrnehmung
Entspannter Arbeitsmodus
Angstreduktion
Abgrenzungsthematik
Modellwirkung
Verbesserte Defusion
Retreaterfahrungen
0
1
2
3
4
5
6
7
8
Abbildung 28: Auswirkungen auf die therapeutische Beziehung - Anzahl IP
Im obigen Diagramm ist die Anzahl der IP ersichtlich die Aussagen zu den Themen
gemacht haben. Im unteren Diagramm sind die Betonungen der einzelnen
Kategorien dargestellt (durchschnittliche Nennungen pro IP)
Auswirkungen auf therapeutische Beziehung
Vertiefte Beziehung
Verringertes Kontrollbedürfnis
Unmittelbare Wahrnehmung
Entspannter Arbeitsmodus
Angstreduktion
Abgrenzungsthematik
Modellwirkung
Verbesserte Defusion
Retreaterfahrungen
1
1,5
2
2,5
3
3,5
Betonung (1= 1 Nennug pro IP, 2=durchschnittlich 2 Nennungen pro IP)
Abbildung 29: Auswirkungen auf die therapeutische Beziehung - Betonungen
125
3.3.3.1 Unmittelbare Wahrnehmung
Zu dieser Kategorie machten alle 8 Personen Aussagen in Bezug auf positive
Effekte, mit der dritthöchsten Betonung von durchschnittlich 2,1 Textpassagen pro
Person. In unterschiedlichen Worten und Begriffen kamen alle TherapeutInnen zum
Schluss, dass es ihnen leichter fällt „unmittelbar wahrzunehmen, was ist, ohne
Konzepte zu haben“. Es stärkt die direktere, leibliche, Wahrnehmung und vermindert
Werten und Urteilen ebenso wie die Vorstellung „wie etwas sein sollte“:
„Die Auswirkung, denke ich mal, die aus meiner Achtsamkeitspraxis kommen, ist
dass ich allgemein es schaffe dass ich zwar weiß worum es geht, aber nicht
gleich feste Konzepte habe mit denen ich dann eben mit den Klienten reden
muss. Sondern ich kann sie erst einmal an dem Punkt wahrnehmen, was
passiert.“ (Manfred, Absatz 8)
„für mich ist es einfach leichter, weil ich nicht mehr so viele, nicht mehr unbedingt
so viele Vorstellungen habe, wie etwas sein sollte.“ (Waltraud, Absatz 16)
Dabei ist die leibliche Ebene sehr oft angesprochen wenn es darum geht „zu spüren,
statt moralische und Werturteile von richtig/falsch zu haben“ und diese ins Gespräch
zu übertragen:
„Dass ich von meiner energetischen Wahrnehmung jetzt ja auch sozusagen im
Gespräch mit hereinkommt als Information. Weil ich einfach das Gegenüber
spüre und ich dann das Feedback auch sozusagen auf der Ebene geben kann.“
(Angelika, Absatz 20)
Die
Beschäftigung
mit
der
buddhistischen
Philosophie
bringt
für
einige
TherapeutInnen wichtige Impulse um „das Urteilen besser zu überwinden“ und den
Klienten „vorurteilsfrei so sein lassen“ zu können. Diese Haltung nährt sich allerdings
auch aus anderen Quellen, wie der Gewaltfreien Kommunikation:
„Ich glaube durch die Meditation, aber das kann ich jetzt, das ist der Punkt, wo
ich es nicht so genau sagen kann. Ob es auch die Beschäftigung mit
Buddhismus ist, mit der Lehre des Buddhismus, ich glaube, es ist halt eine
Mischung. Einerseits diese Lehre des Buddhismus, die uns halt erklärt, wie
Leiden entsteht. Das ist für mich so ein ganz hilfreiches Konzept gewesen. Oder
auch diese Vorstellung, dass jeder Buddha Natur hat. Das ist etwas, was es viel
leichter macht. Also auch herauszukommen aus dieser fast ein bisschen
überheblichen Rolle. Zu wissen, was für den anderen gut ist. Oder auch dieses,
126
Vedana glaub ich heißt das, dieses merken wie, in welche falsche Richtung das
führt,
immer
dieses
Urteilen.
Dieses
gut,
schlecht,
richtig,
falsch.
Beziehungsweise, wenn man es merkt, dass man einfach damit arbeiten kann.“
(Klara, Absatz 18)
„Wenn es mir gut gelingt, dann kann ich in den Menschen, die kommen, den
allermeisten ohne Vorurteile begegnen. Mit den allermeisten, es gelingt mir nicht
immer, aber mit den allermeisten ist es so, dass ich die so erstmals so sein
lassen kann, ja. Das find ich schon, das sind Auswirkungen von der Praxis.“
(Manfred, Absatz 50)
„Und das heißt, jenseits des moralischen Urteilen zu einer Haltung kommt, was
der Marshall Rosenberg so schön beschreibt, wo er sagt, ohne Werturteile
können wir nicht leben. Er sagt, es geht darum aus dem moralischen Urteilen
auszusteigen und Werturteile aus dem zu beziehen, wo man die Erfahrung
macht, dass diese dem Leben und der Lebendigkeit dienen. Und da brauche ich
niemanden, der mir sagt was richtig und was falsch ist, sondern das kann man
erfahren und erspüren. Natürlich kann man es weitersagen auch, aber dann
geht´s darum, dass es auch mein Gegenüber erspürt. Und dem habe ich mich
verschrieben, ja. (Lachen)“ (Fritz, Absatz 67)
Eine positive Auswirkung des Nicht-Wertens wird erlebt als ein „Offen-sein auch für
Widersprüchliches, was im selben Moment hier sein kann.“ (Claudia, Absatz 72). Die
auch in der buddhistischen Philosophie angelegte Strategie den Geist zu weiten wird
hier sichtbar, ebenso wie die genaue Erforschung der Geistestätigkeit sich auf die
Präzisierung der Wahrnehmung auswirkt, sowohl der Sprache, als auch der
Körpersprache,
sowie
sich
der
gemeinsamen
Sprachwurzel
und
den
Zusammenhängen von „Wahrheit“ und „Wahrnehmung“ bewusst zu werden.
„Also das ist ein wichtiger Aspekt meiner Achtsamkeitsarbeit, dass ich da sehr
präzise schaue in der Körpersprache und in die Sprache mich sehr genau
einhöre“ (Angelika, Absatz 10)
„Weil so Wahrheit und Wahrnehmung ist ja so die selbe Wurzel, Sprachwurzel
und dass der Körper als Wahrnehmungsorgan hier einfach ganz viel Wahrheit
vermitteln kann“ (Angelika, Absatz 21)
127
Ein weiterer förderlicher Aspekt bezieht sich auf die bewusstere Wahrnehmung der
Übertragungsdynamiken, sich dieser im Prozess leichter bewusst zu werden, „mir
andere Ebenen der Begegnung anbietet“ (Angelika, Absatz 10) und sich in Folge
weniger von Sympathien beeinflussen zu lassen:
„Ja, das ich selber achtsamer bin in der Wahrnehmung, meiner eigenen
Gegenübertragung und auch – ich habe den Eindruck ich spüre die Klienten
mehr.“ (Gunther, Absatz 37 )
„Das Ökonomische ist eines, oder wenn mir jemand sehr sympathisch ist. Ja, ich
denke den anderen ein Stück unabhängiger wahrzunehmen in seinem Interesse
und das nicht so zu koppeln. Das denke ich ist auch ein Effekt.“ (Gunther, Absatz
80)
3.3.3.2 Vertiefte Beziehung
Den Faktor der „vertieften Beziehung“, erwähnen 5 von 8 Personen mit der
zweitstärksten
Betonung
von
2,8
Textstellen
pro
Person,
dass
Achtsamkeitsmeditation die Beziehung zu ihren KlientInnen insgesamt stärker,
inniger und tiefer werden lässt und zwar „auf der Ebene des Herzens“. Sie geben an
sich stärker im Kontakt wahr zu nehmen, auch dass sie insgesamt liebesfähiger
werden und so mehr Verbundenheit zugelassen werden kann. Es fällt ihnen leichter
sich auf gleiche Augenhöhe auszurichten:
„Und das ist sowieso, ich denke, eine starke Veränderung, dass ich mich selber
auch viel stärker im Kontakt wahrnehme.
Und von dem her ist der Kontakt dann einfach leichter und auch, ja, vielleicht
sogar ein Stück inniger oder so.. Oder so tiefer oder so… Ja, die Menschen
fühlen sich wohl, das merke ich. (…) Es ist nicht so einfach zu beschreiben, finde
ich.“ (Waltraud, Absatz 8 & 12)
„Und da bin ich sozusagen immer dran, das nach zu nivellieren auf die gleiche
Augenhöhe.“ (Angelika, Absatz 10)
TherapeutInnen mit langjährigen Erfahrungen kommen mehrheitlich zum Schluss,
dass es für eine Psychotherapie unablässig ist eine Herzensverbindung mit dem
Klienten
aufzubauen.
Es
geht
in
der
Achtsamkeitspraxis
um
„liebende
Aufmerksamkeit“ und damit auch in einer achtsamkeitsgegründeten Psychotherapie:
128
„Ich glaube in der Zwischenzeit, also eine Therapie ist nicht möglich, wenn nicht
irgendwie eine Herzverbindung stattfindet. Das geht halt nicht.“ (Klara, Absatz 16
)
„Ich glaube, dass meine verstärkte Empathie oder auch mehr Offenheit von mir
da ein Stück mehr Herzöffnung gelungen ist. In der Zeit auch durch die
Meditation die Verbundenheit stärker ist. Ich glaub dass ich mehr Verbundenheit
zulassen und herstellen kann. Man könnte sagen, psychologisch, mehr sichere
Bindung. Und das ist etwas, was etwas Halt-Gebendes, etwas SicherheitGebendes ist. Ja, auch Leute besser dableiben lässt. So würde ich das sagen.“
(Gunther, Absatz 70 – 76)
„Und manches Mal sage ich das auch. Dass es um liebende Aufmerksamkeit
geht. Also ich schaue ja nicht wie der Sezierer da hin und ich habe das gesehen,
sondern die Haltung der Liebe ist es ja. Alles, was ist, darf sein und ohne was
ändern zu müssen können wir jetzt einmal schauen, was ist, und wenn wir einmal
gesehen haben, was ist, dann können wir gemeinsam, im Grunde, ich muss oft,
mir kommen oft die Tränen, können wir gemeinsam darüber weinen oder
gemeinsam uns freuen, welche Potentiale sich auftun. Also das ist Empathie.
Wie das anders gehen soll, ohne?“ (Erika, Absatz 30)
Ganz explizit wurde genannt, dass das Mitgefühl sich „am Polster“ trainieren lässt,
auch das Mitgefühl für sich selbst. Die Kolleginnen erleben die Therapiebeziehung
auch stärker in einer wechselseitigen „Verbunden- und Verflochtenheit“ dem
Intersein, der Verbundenheit alles Seienden, alles Lebendigen. Verflochtenheit heißt
jedoch nicht Verwickeltheit oder verwickelt sein, denn die InterviewpartnerInnen
erwähnen auch, dass das Loslassen nach jeder Stunde leichter fällt. Den Klienten
leichter gehen lassen, im Vertrauen, dass der Prozess weitergeht und vorher
einzuschätzen ob ein „Nachnährungsprozess notwendig ist und noch eine
Nabelschnur benötigt wird“ Die zentrale Haltung des „Nicht-Anhaftens“ wird hier
deutlich:
„Vielleicht komme ich einmal zum Abschied, sich zu verabschieden, ist auch
ganz wesentlich für den Achtsamkeitsaspekt, dass ich dann wirklich mich loslöse
von dem Klienten. Im Sinne von oft auch so radikal und buddhistisch, im Sinne
von, wir wissen nicht, ob wir uns wieder in dieser Form in dieser Welt begegnen.
Also wirklich so auch aus dieser Rolle dann herauszugehen... Nach jeder
129
Stunde.
Wenn so ein frühkindlicher symbiotischer Nachnährungsprozess angesagt ist,
dann biete ich ganz bewusst für einen Zeitraum diese Nabelschnur an. Das ist
dann aber auch energetisch, sehr stark spüre ich… Weil ich dann merke, wenn
der Andere sich auf mich bezieht.“ (Angelika, Absatz 76 – 80 & 84)
3.3.3.3 Verringertes Kontrollbedürfnis
Die Kategorie „Verringertes Kontrollbedürfnis“, in die auch das „Vertrauen in die
Kreativität des Prozesses“ fällt, wurde von der Hälfte aller Personen genannt. Wenn
diese Thematik jedoch angesprochen wurde, dann mit der in dieser Forschungsarbeit
stärksten Betonung von 3,5 Textpassagen pro geführtem Interview.
Inhaltlich geht es konkret um eine Abnahme des Bedürfnisses den Therapieprozess
zu kontrollieren, ein besseres Erkennen, wenn als Therapeutin begonnen wird zu
kontrollieren, etwas zu tun oder sein oder erreichen zu wollen. Das leitet sich auch
von dem besser austarierten Gefühl her, dass die eigene Arbeitsweise vielleicht
gefährlich sein könnte – dass ich etwas falsch machen könnte:
„Das ist auch eine Erfahrung, dass ich nicht mehr das Gefühl habe, es ist so
gefährlich. Meine Arbeitsweise mit den Klienten. Also das heißt, ich muss mich
so genau kontrollieren. Das war vorher so… sehr… Habe ich vielleicht als
achtsam empfunden, sehr genau zu wissen, was ich tue, was ich beim Anderen
auslöse. Und jetzt ist es sicherlich so, wenn ich es bei mir weiß, ja, gelingt es mir
vielleicht beim Anderen auch besser.“ (Klara, Absatz 79 – 81)
Damit ist verbunden, leichter auszuhalten was gerade ist, „das Unangenehme
unangenehm sein zu lassen“ und die „Vorstellungen was sein sollte, loszulassen“. Es
wird auch als das TherapeutInnen-Ego empfunden, welches kleiner wird und man so
vom „Ich mache“ zum „Es macht“ gelangen kann.
„Ja und vor allem nicht, die Vorstellung zu haben, wenn wir das jetzt nicht
machen können, dann geht das auch gar nicht weiter dann. So etwas. Sicher, ich
finde, es hat viel mit meinen Vorstellungen zu tun, wie das sein sollte, und wo ich
jetzt wie auch ein Stück weit wie losgelassen habe.“ (Waltraud, Absatz 18)
Das Gefühl dass die Patienten nicht zu einem passen, oder man sich für den
Patienten verbiegen müsste, wird verbessert. Die Suche nach Gründen warum ich
nicht passe oder Schuldzuweisungen - „das fällt einfach weg“ (Waltraud, Absatz 12).
130
Auch „zulassen dass ich mich jetzt nicht auskenne“ mit dem Gefühl dass „Es“ einen
Raum öffnen möge:
„Und kaum, dass ich das abgebe, auf einmal bewegt sich etwas. Und auf einmal
entsteht ein kreativer Prozess aus einer Ecke.“ (Erika, Absatz 88)
In diesem Kontext wird auch die Methode der Aufstellungsarbeit als zu dieser
Haltung sehr stimmig erlebt:
„Und ich finde es bei Aufstellungsarbeit am Eindrücklichsten für mich. Wenn ich
nur so rede, oder nur so rede, wenn ich so rede, habe ich mehr so das Gefühl,
ICH. Und wenn dann so Aufstellungsarbeit geschieht im Raum, wo ich NICHT
weiß, was der so erlebt an dem Platz, und der das auch nicht vordenken kann,
oder wenn ich mich mal wo hinstelle irgendwo und rein gebe, hier erlebe ich das
und das, macht das für Sie Sinn? Und dann einfach merke, dass ich so wie im
freien Flug, das ergibt, was für den jetzt hilfreich ist und ich weiß nicht mal,
weshalb.“ (Claudia, Absatz 20)
Die Integrative Therapeutin bezieht auch die prozessuale Diagnostik als geeigneter
zur Haltung der Achtsamkeit als die statische ICD10 Diagnostik „darum gefällt mir
auch das prozessuale Diagnostizieren, weil ich kann einfach einmal SCHAUEN. Ich
schaue und ich nehme wahr, auch was bei mir passiert.“ Eine Kollegin, bei der es zu
inneren Anspannungen geführt hatte, wenn die Klienten „Ausweichverhalten“
zeigten, kann es nun besser „mal so ein Stück weit laufen lassen“ und bei eigenem
Widerstand, wenn etwas unangenehm ist dass man nicht mehr zuhören mag „ich es
jetzt sehr deutlich wahrnehme und ich weiche auch nicht aus, sondern versuche
einfach, auch das mit einer Gelassenheit wahrzunehmen, ok, das ist jetzt gerade so
und das geht auch wieder vorbei.“ (Waltraud, Absatz 8)
3.3.3.4 Entspannter Arbeitsmodus
Unter dem Code „Entspannter Arbeitsmodus“ lassen sich 14 Passagen von 5
InterviewpartnerInnen
codieren.
Sie
nehmen
die
therapeutische
Arbeit
bei
begleitender Achtsamkeitsmeditation als entspannter und lustiger wahr, Leichtigkeit
zieht ein, Humor wird ein wichtiger Bestandteil der Therapie und das langsame
Herangehen, die Klienten einfach mal erzählen lassen, hat auch etwas sehr
Entspannendes:
„Was sich für mich verändert. Ich glaube, dieses langsame Herangehen und das
ist etwas, was für mich auch etwas sehr Entspannendes ist und auch etwas
131
Heilsames ist. Und dieses ‚nicht schon zu wissen, was gut ist’. Die Therapie ist
entspannter geworden und es darf auch über irgendetwas, was man eigentlich
nicht tut, gelacht werden.“ (Klara, Absatz 63&106)
Therapie wird als „zu 98% Kür-Laufen“ (Claudia, Absatz 69) erlebt – bei voller
Wirksamkeit. Dass dieser „Spaß“, der Humor nichts aufgesetztes oder zum Teil auf
Kosten des Klienten gehendes ist (wie etwa teilweise in der Provokativen Therapie),
sagt der Hinweis „was ich wichtig finde und das kommt, glaube ich, auch mit aus der
Praxis, also mit der Haltung, wenn du willst, Herzensgüte, ist Humor.“ (Manfred,
Absatz 66). Denn „ohne Sinn für Humor und eine Spur Selbstironie läuft man schnell
Gefahr, durch solch ‚extrem spirituelle Betätigung’ derart große Engelsflügel zu
bekommen, dass man am Ende durch keine Tür mehr passt“ wie Metzner, 2013
anmerkt.
Auch bei diesem Punkt gibt es abweichende Erfahrungen von einer Person, die
Psychotherapie, das „im ständigen Austausch zu sein und immer in dieser ständigen
Präsenz bei mir und beim Anderen“ als anstrengender erlebt als z.B. Meditation „es
braucht schon viel Energie, ich kann nicht am Stück so viel einfach immer nur
präsent sein“ (Waltraud, Absatz 36)
Die Beobachtung, dass Ruhe und Geduld wächst, wird explizit von der Hälfte aller
InterviewpartnerInnen als positive Auswirkung geäußert, „unaufgeregt in aufgeregten
Situationen zu sein“ (Manfred, Absatz 14), Ruhe zu bewahren und diese Haltung
wiederum als Modell zur Verfügung zu stellen, dadurch deeskalierend wirksam zu
werden. Die Einschätzung geht bis „deutlich ruhiger geoworden“ (Gunther, Absatz
15) und damit in Zusammenhang gebracht „eine andere Form von Gewähren-Lassen
und auch von Ruhe – Im Rahmen von Klarheit und Strukturiertheit“ (Manfred, Absatz
10). Die Ruhe wirke auf Klienten erdig, meint diese Kollegin:
„Und was die Menschen mir auch immer wieder sagen, ist halt die Ruhe, die ich
habe. Dass ich ruhig bin, dass ich nicht nervös bin, dass ich zuhöre, dass ich so
etwas Erdiges habe, so dass das auch ein Grund ist, warum sie sich wohl fühlen.
Und das glaube ich schon, dass das viel mit der Meditation zu tun hat.“
(Waltraud, Absatz 46)
132
„Geduld lernt man beim Sitzen also wirklich, Geduld. Und einige Illusionen zu
verlieren, das lernt man auch.“ (Klara, Absatz 81)
3.3.3.5 Angstreduktion
Die Auswirkung von Meditationspraxis, dass Therapien „angstreduzierter“ werden,
nannten 6 von 8 Personen, mit einer Betonung von 1,8
Sie können „Die Katastrophe des Lebens“ (Klara, Absatz 81 & 148) besser
annehmen und wollen nicht mehr „alles weg machen“, sie können dadurch auch „im
Leiden besser begleiten“ (Claudia, Absatz 7-8), „nicht mehr so stark mit dem Leiden
der Patienten identifiziert zu sein“ (Waltraud, Absatz 22). Das Verb „leiden“ geht auf
das mittelhochdeutsche Wort „lidan“ zurückgeht, was so viel wie „durchmachen“,
„erfahren“, „reisen“ bedeutet und erst später an das, ursprünglich nicht verwandte,
„Leid“ angeschlossen wurde. Das Durchmachen von Schwierigkeiten des Lebens
wird für uns Menschen dann leichter, wenn wir begleitet werden auf dieser Reise von
jemanden, der es aushält, was uns auf dem Weg begegnet und dass es eine Weile
dauern kann, bis der Weg wieder mehr im Licht und in der Wärme verläuft.
Meditation scheint nach den Schilderungen der InterviewpartnerInnen eine Methode
zu sein, um uns TherapeutInnen zu solchen geduldigen und mitfühlenden
BegleiterInnen zu machen.
„Dann mag auch sein, dass ein Aspekt der Praxis ist, ähm, sagen wir einmal,
unerschrockener mit Situationen umzugehen. ja? Innerhalb der Beratungspraxis
dann eben, das was da kommt, auch so, nicht mehr so, also nicht so sehr davon
mit Gefühlen, die dann eben Richtung Angst oder Furcht gehen, angehen zu
lassen. Ja? Ich denke, das kann auch mit so ein Effekt sein.“ (Manfred, Absatz
26)
Und auch hier wieder, es geht nicht um das „Wegmachen von Störungen“ sondern
Ja zu diesem unseren Leben zu sagen:
„Es geht darum, auch dieses Weltbild, zu sagen, »das ist unser Leben!« Und da
werden wir nicht auskommen. Wir werden krank werden, wir werden sterben, wir
werden alt werden, wir werden uns verbinden und trennen, ja. Und das können
wir machen oder gelingt es uns leichter, wenn wir nicht sofort im Widerstand sind
oder mit diesem Allmachtsgefühl, wir werden es auflösen.“ (Klara, Absatz 81)
Und wenn es turbulent wird - auch in Gruppen - hilft die Haltung „Ich bin nur ein
offener Raum, im Grunde, ohne mich aber da zu verlieren. Ich falle ja nie hinein. Weil
133
ich irgendwie die Verankerung in der Mitte schon gefunden habe, beziehungsweise
wenn ich sie verliere, finde ich sie schon wieder zurück. Also das ist die Praxis.“
(Erika, Absatz 40) Die im vorigen Abschnitt dargestellte Präzisierung der
Wahrnehmung hilft auch dabei „die Kontaktgrenze subtiler zu gestalten“ um nicht
„energetisch hineingezogen zu werden, wenn da so irgendwer irrsinnig im Elend ist“
(Fritz, Absatz 19) Die Grundhaltung, dass „ich vor allem, was menschlich sich so
zeigt, mich nicht fürchte“ scheint „dass das was Heilsames ist. Ich höre das oft.“
(Erika, Absatz 17)
Und wenn in der Therapie mal was daneben geht, wenn es untherapeutisches
passiert, auch keine Angst mehr zu haben, dass sofort der ganze Prozess und die
Beziehung dadurch „daneben geht“ (Klara, Absatz 96), oder sich der Klient „im
allerschlimmsten Fall suizidiert“. „Ich bin einfach nicht mehr so verklammert mit
diesen Dingen, so dass ich jetzt ... mich selbst so belasten würde mit diesen Dingen.“
(Waltraud, Absatz 28)
3.3.3.6 Abgrenzungsthematik
Auf das Thema „Abgrenzung“ bezogen sich die Hälfte der interviewten Personen. Für
einige ist es nicht mehr notwendig sich im außen durch irgendwelche Strategien
„abzugrenzen“. Denn alles ist in Verbindung, wenn ich die Atmosphären, Bilder, die
Geistobjekte nach jeder Stunde abgeben, „loslassen“ kann, nehme ich sie nicht mit
nach Hause und bleib trotzdem verbunden. Im Wissen, dass jeder seine eigene
Geschichte hat, dass Leid Teil des Lebens ist, dass alles in Veränderung begriffen ist
und dass jeder Mensch in sich „Buddha Natur“ ist. Die Weite die durch eine
Abgrenzung
versucht
wird
zu
erreichen,
finden
TherapeutInnen
mit
Meditationserfahrung „im Inneren“
„Ich brauche jetzt mir keine Methodik von Abgrenzung oder sonst was überlegen.
Sondern nur, indem ich das sozusagen im Gegenüber erkenne, was im Eigenen
auch gerade in Bewegung ist, kann ich da loslassen. Kann ich da auslassen.“
(Angelika, Absatz 55)
„Ich habe manchmal das Gefühl im Arbeiten mit Klienten, wo immer wieder diese
selbe Borderline-Frau, wo ich das Gefühl habe, ich muss dringend mehr Raum
schaffen, für mich, für uns, weil es zu eng wird. Und weil es aufeinander kommt,
weißt du? So wie, wenn es so dicht und eng wird. Wenn sie so aggressiv
daherkommt und so. Dann habe ich das Gefühl, ich muss dringend mehr Raum
134
in mir drinnen mir bewusst machen. Wie viel Raum es gibt, ich muss mich mit
dem weiten Raum verbinden, damit es, ich habe dahinter so das Bild, damit es
so Platz hat, diese groben Bewegungen. Damit die nicht auf irgendetwas prallen.
Damit sie sich auslaufen können.“ (Claudia, Absatz 59 – 60)
Ein Kollege beschreibt das als „wohlwollende Neutralität“, auf der einen Seite bin ich
mit dem Klienten verbunden, auf der anderen Seite kann ich gut unterscheiden. „Und
das ist ja im Prinzip wie Seiltanzen - ich praktiziere Verbundenheit und
Unterscheidung gleichzeitig“ (Fritz, Absatz 21)
Kollegin Klara beschreibt jedoch die gegenteilige Auswirkung des Gefühls der
Verbundenheit, dass „diese Abgrenzung, die es manchmal leichter macht, sicher
schwieriger geworden ist .“
Dass dieses Sein nicht aufhört mit der Therapie. Und, ich meine, da sind ein paar
Erlebnisse gewesen, wo ich mir gedacht habe, ja es ist einfach so. Es ist völlig
irrational, aber es ist so. Und das glaube ich, ist schon auch, für mich glaube ich,
auch mit diesem Achtsamkeitstraining gekommen. Das dann für mich so
wahrzunehmen und es auch so zu belassen. Dass ich sage, ich darf das tun...
Für mich ist es eher in die andere Richtung gegangen. Dass ich sage, ich kann
mich natürlich therapeutisch abgrenzen, ist angenehm, sozusagen, also jetzt
muss er wirklich lernen. Das muss ich erzählen, weil es für mich so ein
Schlüsselerlebnis war. Also mit einer Frau, wo ich gewusst habe, ich kann nicht
arbeiten, ich komme nicht weiter und ich nach 10 Stunden gesagt habe, ich kann
für Sie wirklich nichts tun, weil wir stehen. Wo ich gesagt habe, sie braucht mehr
soziale Kontakte. Sie vereinsamt ganz. Soll ich da anfangen. Aber ja, wir haben
das in der Therapie schon erarbeitet. Und dann sagt sie, das funktioniert nicht.
Und dann sage ich, glaube ich nicht. Und dann sagt sie, haben Sie nächste
Woche um 8 Uhr in der Früh Zeit? Sagt sie zu mir. Mich zu besuchen. Dann
habe ich gesagt, das geht nicht, wir haben ja Therapie. Dann hat sie gesagt, aber
Sie haben doch die Therapie gerade beendet! [LACHEN] Und es war aber genau
dieser Punkt. Natürlich wollte ich sie los werden. Natürlich war sie mir
anstrengend... Also ich habe die Therapie beendet, weil für mich schon klar war,
also mit ihr komme ich nicht weiter. Und sie hat einige Therapeuten schon
gehabt. Aber wir sind auf einer anderen Ebene... Wo ich denke, wir sind in
135
Verbindung. Mit allen Hochs und Tiefs. Das ist das, wo sich der Rahmen plötzlich
so aufweicht. Und wo es nicht mehr therapeutisch vertretbar ist. Aber wir haben
es in der Supervision oft durchgekaut... Es ist ein Verbunden sein. Ein
Verbunden-werden, wo ich mich nicht rausstellen kann. Freundschaft ist es auch
nicht. Ich meine, sie war eine Nazi-Anhängerin. Es war auch, wir haben wenig
Gemeinsames gehabt. Aber das ist wahrscheinlich so dieses, wo ich gedacht
habe, wenn ich nicht meditiert hätte, hätte ich mich leichter schleichen können...
Und das glaube ich, dass es in jedem Therapeutischen etwas darüber hinaus
auch gibt. Also, das ist wahrscheinlich etwas, was schwieriger geworden ist.
Diese gute Abgrenzung. Oder diese Abgrenzung, die es manchmal leichter
macht. Das ist sicher schwieriger geworden. Also, wenn ich mit jemandem oder
in der Therapie in Beziehung trete, ist es schwieriger, wieder herauszutreten...
Weil Beziehung ist. (Klara, Absatz 154-169)
3.3.3.7 Modellwirkung
Der Faktor „Modellwirkung“ lässt sich aus 5 von 8 Interviews ebenfalls als eigene
Kategorie positiver Auswirkung von Achtsamkeitspraxis zusammenfassen. An
mehreren Stellen schildern die InterviewpartnerInnen, als Antwort auf die Frage
danach (diese ergab sich nach der Grounded Theory aus dem ersten Interview),
dass ihr Erleben, ihre Haltung, ihre Wahrnehmung sich positiv im Sinne eines
Modells und dem damit verbundenen Lernmechanismen, oder über sonstige
Wirkmechanismen auf die Klienten übertragen und dort wirksam werden. Im Zuge
dessen sei das eigene Erlebte, die Haltungen, die Selbsterfahrung und das Erzählen
darüber von hoher Bedeutsamkeit: Bei der Frage sich Raum zu geben,
Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen, bis hin zur Frage „Wer bin ich
denn, wenn ich nicht das bin, was ich mir denke“
„An bestimmten Punkten ist das ganz wichtig, dann eben so zu zeigen, und das
mache ich jetzt nicht mit dem Zeigefinger, sondern wie, wie man, sagen wir mal,
seine Geschichte gestaltet und wie du Verantwortung übernimmst.“ (Manfred,
Absatz 88)
„Am Montag war eine Klientin bei mir, eine recht junge Frau, das hat mich sehr
fasziniert, die lernt das irgendwie bei mir. Irgendwie Modelllernen so. Und die ist
Mittelschullehrerin, aber sie ist so stark auf der Suche. Und sie sagt zu mir: »Wer
bin ich denn? Wer bin ich denn, wenn ich nicht das bin, was ich mir denke.« Das
136
hat sie irgendwie jetzt entdeckt. Also ganz selber und da ist sie in Resonanz mit
mir entdeckt sie das immer tiefer. Und dass ich das einmal entdecken hab
dürfen, als Weg. Nicht dass ich es habe. (LACHT)“ (Erika, Absatz 40)
„Wahrscheinlich dieses Raum geben, wenn ich mir Raum geben kann, dann ist
schon einmal Raum da. Wenn ich MIR keinen Raum gebe, kann der Klient sich
auch keinen nehmen.“ (Klara, Absatz 76 – 79)
Es gibt bei Claudia (Absatz 43-44) einen Eindruck, dass die Achtsamkeit und
Wahrnehmungsbereitschaft Dinge sein zu lassen, sie einfach zu sehen, sehr stark
auf der KlientInnenebene wirksam wird.
3.3.3.8 Verbesserte Defusion
Der Begriff „Defusion“ aus der ACT kommend, meint die Identifizierung, oder
Konfusion des „Ich“ mit seinen Gedanken zu entwirren und nicht mehr alles so ernst
zu nehmen was man sich denkt. Vielmehr seine Gedanken als Ergebnis komplexer
Selbstorganisationsprozesse in einem dynamischen, nichtlinearen System, dem
Gehirn, betrachten zu lernen. Sich gewissermaßen der Konstruktion von Welt durch
die komplexe Interaktion von menschlicher Sprache und Kognition bewusster zu
werden, wie Forschungen in der Relational Frame Theorie (RFT) nahelegen.
Diese stärker auf der kognitiven Seite angesiedelte Kategorie wurde von 3 Personen
insgesamt 4 mal genannt, ist sie doch ebenfalls Bestandteil der buddhistischen
Sichtweise
auf
den
menschlichen
Geist
und
ebenfalls
kompatibel
zur
konstruktivistischen Perspektive und der oben genannten, im Kontext der
Verhaltenstherapie formulieren RFT, sowie zur IT-nahen Sichtweise des komplexen
Bewusstseins.
Gemäß Achtsamkeitspraxis gelingt es dann auch „eigene Emotion besser kennen zu
lernen, nicht auf alle Emotionen aufzusatteln, nicht auf alle Gedanken aufzusatteln
und dann eben auch so etwas wie so eine Draufsicht und so einen gewissen
Gleichmut, nicht Gleichgültigkeit aber Gleichmut dann eben zu entwickeln.“ (Manfred,
Absatz 32) Als ein Interviewpartner mit Meditation begonnen hat und diese
Gestaltungsprinzipien kennen lernte, kam es zu Veränderungen im therapeutischen
Herangehen:
„Dass es unterschiedlich ist. Konstruiert, aber wahrgenommen, als wäre es wahr.
Genau. Und dann hat sich gleich etwas verändert in den Therapien.“ (Klara,
Absatz 13 – 14)
137
Eine Auswirkung diesbezüglich ist auch, dass die Trennung von außen und innen,
von „Ich“ und „die Welt“ als von der Logik erzeugt wahrgenommen werden kann,
obwohl sie im Geist als nicht voneinander getrennt, als zusammengehörig erlebt
werden kann (Angelika, Absatz 59).
3.3.3.9 Retreaterfahrungen
Die nicht ätiologische, sondern eher modulierende Kategorie „Retreaterfahrungen“
beschreibt, was sich von den vorhin genannten Phänomenen besonders nach
Phasen intensiverer Meditationspraxis, z.B. nach längeren Retreats beobachten
lässt. Auch die Frage nach solchen Auswirkungen ist im Zuge der Grounded Theory
entstanden, 6 Personen mit einer Betonung von 2,8 Textstellen pro Interview
beziehen sich darauf.
Fritz in Absatz 14-19 beschreibt, dass
„ich unwillkürlicher die eigenen Resonanzen wahrnehme und auch, das ist für
mich so wie ein Schärfen dieses Resonanzinstruments, ich nenne es einmal so
des Leiblichen. ... Weil das Leibliche hat für mich so eine Integration von Körper,
Seele, Geist zu tun.“
Es kommt zu einer zeitlich präziseren Wahrnehmung was sich beim Gegenüber
abspielt und gleichzeitig wird es entspannter:
„Dass ich einfach diese Resonanzphänomene, dass ich die einfach bewusster
wahrnehme,
gegenwärtiger,
und
gleichzeitig
dieses,
was
man
diesen
wohlwollenden Beobachter nennt, mit dem tue ich mich da dann leichter! Also
wenn ich dann einmal lange nicht meditiere (Lachen) dann merke ich schon,
dass die Tendenz mich da anzustrengen, da größer wird!“ (Fritz, Absatz 18-19)
„Es ist alles, wie wenn die Sinne geschärft wären, die äußerlichen, die
körperlichen und die seelischen. Und es ist offener, präziser, und vielleicht auch
geräumiger.“ (Claudia, Absatz 3 - 4)
Betont wird auch die Notwendigkeit der eigenen Erfahrung, der Selbsterfahrung
dessen was vermittelt werden
möchte auch wenn eine Person keine lineare
Beziehung zwischen Meditationsintensität und Erleben feststellen kann:
„Auch wenn ich weniger meditiere und für mich etwas wahrnehme, auch diese
Unlust, diese Ablehnung, dass das etwas ist, wenn ich in der Therapie drinnen
bin, dass ich das auch besser verstehen kann beim Anderen. Also für mich ist
138
das wichtigste, dass die Eigenerfahrung von Veränderung von Gefühlen so
bewusst nachvollziehbar ist“ (Klara, Absatz 69).
Nach einem Retreat kann der dort durchgemachte Prozess sich idealerweise positiv
auf die ähnlichen Themen der Klienten auswirken, wiederum eine Spiegelung.
Angelika (Absatz 37) ist dann ganz dankbar „wenn ich ein bisschen einen Vorsprung
habe“ – ganz im Sinne von »immer einen halben Schritt vor dem Klienten«.
Ein weiterer Effekt ist, dass es leichter fällt während der Therapie nicht mit den
„eigenen Baustellen identifiziert zu sein“, bzw. das Erkennen, dass ich am „falschen
Gleis“ bin und das Wechseln fällt dann leichter.
Für eine Dharmapraktizierende und Psychotherapeutin gilt es letztlich, die
therapeutische Arbeit als meditative Praxis zu betrachten und unsere Klienten als
unsere Lehrer zu sehen:
„Dass ich so viel als möglich versuche, meine Arbeit auch als meine
buddhistische Praxis zu erleben. Im günstigsten Fall kann ich das gut übersetzen
und komme einfach tiefer in die Praxis hinein.“ (Angelika, Absatz 89 – 90)
„Das ist irgendwie auch schön zu sehen, wo ich jetzt schon wirklich lange arbeite,
wie so über die Jahre und mittlerweile Jahrzehnte so die Übung nie aufhört und
dass die Übung immer subtiler wird. Und das was ich in der Beschäftigung mit
dem Buddhismus, was da so kommt und auch in der Praxis, dass du einfach in
einen immer feineren Tanz in der Bewegung gehst.“ (Fritz, Absatz 33)
„Wo ich so merke, dass so die Beschäftigung, die auf der spirituellen Ebene
stattfindet, wie kann ich immer... also, ich meine, ich werde nach wie vor zornig
und ich bin auch nach wie vor ungerecht und ich weiß nicht was alles, aber wie
es einen immer verzeihlicheren Umgang damit gibt und dass es ja nicht nur diese
mitfühlenden Wahrnehmung in den anderen geht, sondern ich das immer mehr
auch für mich selbst entwickle. Und wann ich wieder einmal daneben bin, dass
ich mir selber zuschaue da dabei und achte, ok, und wenn ich in Achtsamkeit
und Mitgefühl (Lachen) auf mich schaue wie ich da ausgerastet bin, was ist mir
da eigentlich wichtig.“ (Fritz, Absatz 35)
139
3.3.4 Einfluss auf Settingfragen
Ein Themenbereich, der sich in mehreren Interviews auftat, betrifft Auswirkungen der
Achtsamkeitspraxis auf Fragen der Gestaltung des Setting im weitesten Sinne. Dies
deckt Bereiche der Kontrakt- und Honorargestaltung ebenso ab, wie Fragen nach
Dauer und Beendigung der
Therapie.
Einfluss
auf Settingfragen
Finanzielle Unabhängigkeit
Therapiedauer
professionelle Netzwerke
0
1
2
3
4
5
6
7
8
Abbildung 30: Einfluss auf Settingfragen – Anzahl IP
Einfluss auf Settingfragen
Finanzielle Unabhängigkeit
Therapiedauer
professionelle Netzwerke
1
1,5
2
2,5
3
3,5
Betonung (1= 1 Nennug pro IP, 2=durchschnittlich 2 Nennungen pro IP)
Abbildung 31: Einfluss auf Settingfragen – Betonung
3.3.4.1 Finanzielle Unabhängigkeit
Die Hälfte aller Interviewten Personen nehmen mit durchschnittlich 2,5 Textstellen
darauf Bezug, dass es leichter fällt die Kontraktgestaltung unabhängig von der
eigenen existentiellen Situation zu gestalten.
Sich des „Etwas für mich wollen“ bewusst werden und leichter wieder auslassen, um
damit die therapeutische Beziehung nicht zu belasten:
„Wenn das alles kommt, ich will ein Geld und so. Wenn ich merke, jetzt geht es
irgendwie um MICH da, ich will da etwas beweisen. Und dass ich das bewusst,
also Achtsamkeit heißt, ich merke das. Ich hoffe, immer wieder einmal an mir.
140
Wenn ich in das verfalle, dass ich jetzt da etwas will. Mindestens den Beweis,
dass ich toll bin. Das merke ich. Und dass ich dann bewusst auslasse.“ (Erika,
Absatz 80)
„Ja ich möchte ja auch keine persönliche Abhängigkeit entstehen lassen ob
meiner existentiellen Sicherheit, ausgelöst durch die andere Person. Ob die
andere Person kommt oder nicht kommt, das darf auf meine persönliche
existentielle Sicherheit keinen Einfluss haben.“ (Angelika, Absatz 97 – 98)
Was nicht heißt, dass sich die finanzielle Situation dadurch verbessert.
„eigentlich eher im Gegenteil. Aber es ist auch so, dass ich wirklich die
Einstellung oder so mein inneres Herz wie mir sagt, ich kann niemanden halten
aus finanziellen Gründen. Das geht einfach nicht. Das ist einfach ethisch für mich
nicht vertretbar.“ (Waltraud, Absatz 56)
Und wenn sie das merkt, dass sie in Versuchung kommt, macht sie „einen Schritt
zurück“
Angelika ist Therapeutin in freier Praxis und möchte „in keinem Fall, dass da
irgendwie auftaucht, dass da ein gewisses Eigeninteresse oder Manipulation oder so
etwas ins Spiel kommen könnte.“ Von da her stellt Sie den Austausch ganz frei.
Ebenso Waltraud in Absatz 54, dass Sie nicht möchte dass Menschen in irgendeine
Situation geraten wo es schwierig ist für sie. Das heißt aber trotzdem sich der
defacto-Abhängigkeit bewusst zu sein und den Geist auf die Freiheit, auf das NichtAnhaften an den Klienten, auszurichten.
„Das habe ich mir sehr verordnet oder sehr in mein Training hineingenommen.
Das war mir GANZ wichtig von Anfang an“ (Angelika, Absatz 106)
Um dies zu bewerkstelligen ist Vertrauen ein wesentlicher Bestandteil, „dass das
schon alles kommt“ - und damit das alles kommt ist die eigene Großzügigkeit, auf
verschiedenen Ebenen, auch der finanziellen, eine wichtige Zutat, dann ist alles im
Fluss. „Das kriegt sozusagen einen anderen Boden in der Tiefe“ (Angelika, Absatz
112) Weiters wird es als hilfreich empfunden noch andere Einkommensquellen zu
haben.
Nicht nur ökonomische Interessen können unsere Therapiebeziehung beeinflussen.
141
„Aber ich denke schon, dass ich die Interessen des anderen viel mehr von den
Interessen von meinen sehen kann. Dass es da auch schon mehr gelungen ist,
das zu entkoppeln.“ (Gunther, Absatz 77 – 78)
3.3.4.2 Therapiedauer
In 12 Aussagen von 5 TherapeutInnen zur Frage der Therapiedauer wurde mehrmals
genannt ob und wann der Klient wieder kommt, überlassen sie ganz dem Klienten:
„Und was den Therapievertrag angeht, ist das bei mir so, dass die Menschen das
völlig frei entscheiden können, wann wie oft sie kommen wollen. Also ich habe…
Ich gebe von vorhinein mit ihnen keine gewisse Stundenzahl, vereinbare ich
nicht. Oder auch keinen bestimmten Rhythmus.“ (Angelika, Absatz 96)
Nachgefragt, wies es sich mit dem Spannungsbogen zwischen Nicht-Anhaften an
den Klienten und trotzdem eine stabile Therapiebeziehung anzubieten verhält, wurde
diese Sichtweise dargelegt:
„Weil das mit dem zeitlichen Aspekt gar nicht so viel zu tun hat. Weil das nicht
von der Frequenz abhängt, sondern ab dem Moment, wo wir uns entscheiden,
einen gemeinsamen Weg zu gehen. Die Menschen kommen ja freiwillig, im
Eigeninteresse. Dann kommt man miteinander auf eine Ebene des Ja-sagens.
und das ist dann da... Also das ist schon ein Prozess in den ersten beiden
Stunden, wo wir wirklich schauen, können wir, wollen wir miteinander arbeiten?
Und auch ICH die Klienten ermuntere, mir ganz ein ehrliches Feedback zu
geben. Also auch da wieder das Augenhöhenprinzip. Dass sie mutig genug
werden, dass sie wissen, sie können da jetzt alles sagen. Und da ist wieder auch
dieser buddhistische Aspekt dieser Wertfreiheit.“ (Angelika, Absatz 119-122)
Auch Waltraud in Absatz 50 hat diesbezüglich diesen Ansatz, dass sie es der Person
frei stellt wann sie wieder kommen möchten, außer „es ist eine Notsituation oder eine
Situation wo ich merke, ok jetzt muss ich mal so eine Art Zügel anlegen und sagen,
jetzt möchte ich Sie aber jede Woche sehen. Wenn ich merke, dass etwas kritisch ist
oder so. Aber ansonsten lasse ich den Prozess völlig offen. Ich frage die Leute, wann
möchten Sie wieder kommen? Wenn sie sagen, ja ich möchte jetzt ein halbes Jahr
nicht mehr kommen, dann sage ich, das ist ok.“
Bei der Frage des Loslösens von Klienten hilft wieder der Achtsamkeitsaspekt im
buddhistischen Sinne „wir wissen nicht, ob wir uns wieder in dieser Form in dieser
142
Welt begegnen“ und zwar nicht nur am Ende des Prozesses, sondern nach jeder
Stunde.
Für Gunther ist es dadurch leichter, den Klienten gehen zu lassen, da er auf die
Buddha-Natur des Klienten vertrauen kann.
„Auch so jemanden mit einem gewissen Vertrauen gehen lassen... Dass es auch
in ihm ein Wissen um den Weg gibt, auch eine heilende Energie gibt. Also in
diesem Bild von dieser Buddha-Natur, diesem goldenen Buddha und vielleicht
auch jemanden oder mehr dieses Vertrauen in ihm vermitteln zu können. Auch
von meinem Bild her, dass der auch so einen goldenen Buddha in sich trägt oder
wie Christen sagen, ein „Seelenfünklein“, wie die Mystiker gesagt haben, also
Teil dieses göttlichen Lichts in sich.“ (Gunther, Absatz 81 – 82)
Auf die Frage wie das Ende der Therapie sichtbar bzw. spürbar wird, kommt Gunther
dabei das Bild „Spürbar als: es ist ein Weg zu Ende und es gut alleine
weiterzugehen. ... Also im Erleben es ist kein geplantes oder im Sinne von
theoriegeleitetes sondern ein Erleben: jetzt ist es gut diesen gemeinsamen Weg zu
beenden und du gehst jetzt alleine weiter.“ Und dabei ist es für den Therapeuten
hilfreich „auch diese göttliche Natur zu sehen im Anderen, dass das nicht jemand ist,
der völlig schutzlos in die Welt hinaus geht, das der auch was Heilendes in sich trägt
und dieser Heilungsprozess auch weiter gehen wird.“ (Gunther, Absatz 99 – 102)
Weiters hilft die Achtsamkeitspraxis dabei wahrzunehmen, ob das Ziel der Therapie
schon erreicht ist, das Thema weswegen sie gekommen sind, besser im Blickfeld zu
haben und bei dem Eindruck, dieses Ziel sei erreicht auch die Klienten aktiv zu
fragen, „Wollen Sie gehen oder wollen Sie bleiben und wenn sie bleiben wollen,
weshalb.“ (Claudia, Absatz 35-36).
Ein Kollege bezieht den Effekt seiner Meditationspraxis auch auf den Erfolg der
Therapiebeziehung, denn er hat sehr wenig Therapieabbrüche – „ich bin auf jeden
Fall ein liebevollerer Therapeut geworden“ (Gunther, Absatz 59)
Erika attribuiert eine Auswirkung der Achtsamkeitspraxis auch darauf unabhängiger
davon zu werden, was die Klienten dem überweisenden Arzt rückmelden „ob die
Überweisung einen Sinn gehabt hat. Oder so. Wenn das bei mir so zum Laufen
anfängt. Das ist der Ego-Trip.“
143
3.3.4.3 professionelle Netzwerke
Eine
Therapeutin
Notwendigkeit
mit
regelmäßiger
abzuwägen
„mit
buddhistischer
welchen
Menschen,
Praxis
mit
beschreibt
welchen
die
Anliegen,
Diagnosen, kann ich mich einlassen? Es gibt schon bestimmte Diagnosen, die ich
sozusagen in diesem Rahmen nicht hereinnehmen darf. Also die, die wirklich auch
eine
engmaschige
Begleitung
brauchen,
also
Menschen
mit
Psychosen,
Schizophrenien, würde ich in dem Kontext, wie ich momentan ticke, da nicht
reinnehmen dürfen. Weil ich einfach da die Begleitung nicht gewährleisten könnte.“
(Angelika, Absatz 114-116) da Sie auch einen persönlichen Freiraum für ihre Praxis
benötigt. Zur Selbstfürsorge, zur Qualitätssicherung. Damit führt Dharmapraxis auch
zur Schärfung des ethischen Bewusstseins in Fragen der Kontraktgestaltung. Dazu
gehört auch, da sie in einer Großstadt lebt, dass es leichter ist „Menschen so in
andere Netzwerke gut einzuspeisen, dass sie einfach dichtere, bessere Begleitung
haben. Menschen, die einfach auch die nötige Expertise dafür haben. Also ich bin
jetzt so auf Psychosomatik und Trauma Arbeit spezialisiert, und das ist ein Feld, wo
ich mich noch mehr vertiefen möchte. ... auch hier versuche, das Netzwerk zu
erweitern. Dass ich noch Körpertherapeuten und Therapeutinnen mitinvolviere.“
(ebd. Absatz 118)
3.3.5 Religiöse Aspekte
Da
das
gegenständliche
Forschungsthema
im
Psychotherapiekontext,
was
Religiosität und „Spiritualität“ betrifft, durchaus kontroversiell diskutiert wird, wurde im
Interviewverlauf auch die Frage aufgenommen, wie die TherapeutInnen mit dem
Themenkreis im Kontakt mit ihren KlientInnen umgehen. Das bezieht sich auch
darauf, wie aktiv, oder eben nicht, dieses Thema in die Therapie einbezogen wird,
wie explizit, oder nicht, während der Therapie auf Buddhismus eingegangen wird und
ob die verfassungsrechtlich verankerte Religionsfreiheit gewährleistet ist. Diesen
Aspekt fordern Petzold, Sieper & Orth (2010) in ihrem kritischen Artikel.
Zur Erinnerung an dieser Stelle: die genannten Häufigkeiten beziehen sich auf jene
Interviews, in denen dieser Themenkreis zur Sprache gekommen ist. Durch die
Grounded
Theory
sich
entwickelnde
Interviewstrategie
wurden
nicht
alle
InterviewpartnerInnen mit dieser Frage gezielt konfrontiert (wie in allen anderen
Kapiteln auch). Inhaltlich bedeutet das hier, dass bei 6 von 8 Personen codiert
144
werden kann „Die Religionsfreiheit ist gewährleistet“. Das heißt im Umkehrschluss
NICHT, dass sie bei den restlichen 2 nicht gewährleistet ist. Lediglich kam es im
Interviewverlauf nicht zu diesem
Fragenkomplex.
Religiöse
Aspekte
Religionsfreiheit gewährleistet
Erfahrungsbasiert
Spiritualität
0
1
2
3
4
5
6
7
8
Abbildung 32: Religiöse Aspekte – Anzahl IP
Religiöse Aspekte
Religionsfreiheit gewährleistet
Erfahrungsbasiert
Spiritualität
1
1,5
2
2,5
3
3,5
Betonung (1= 1 Nennug pro IP, 2=durchschnittlich 2 Nennungen pro IP)
Abbildung 33: Religiöse Aspekte – Betonung
3.3.5.1 Religionsfreiheit gewährleistet
Zusammengefasst kann gesagt werden, dass alle danach befragten Personen sich
darüber einig sind, dass Religion, Buddhismus, Spiritualität nicht von ihnen explizit
Teil der Behandlungsstrategie ist und diese nicht von ihnen aus erwähnt werden. Die
Religionsfreiheit ist ebenfalls gewährleistet:
„Ich versuche, die Menschen jetzt nicht philosophisch oder spirituell zu
beeinflussen. Natürlich, der Raum, das Setting, in dem das stattfindet, da ist ein
Medizin-Buddha-Thangka, Weiße Tara Thangka und Tara Mantra. Also dass da
etwas buddhistisches da ist, das merkt man einfach, wenn man in meine Praxis
145
reinkommt. Ok. Aber ich würde es von mir her nicht ansprechen. Ich sehe mich
als jemand, die Menschen begleitet zu dieser Brücke hin zur Spiritualität. Dass
sie, ja, das Interesse an der eigenen Spiritualität entdecken dürfen. Wo immer
die auch hingeht.“ (Angelika, Absatz 125 – 126)
„Also ich arbeite mit Menschen, die Zeugen Jehovas sind, die schamanistisch
unterwegs sind, die buddhistisch unterwegs sind, die christlich sind, muslimisch
auch.“ (Angelika, Absatz 130 – 132)
Zum Inhalt werden spirituelle Themen nur dann, wenn der Klient aktiv danach fragt:
„Absolut. Jaja. Also ich tausche mich auch nicht mit meinen Klienten aus über
meine Innenwelt. Außer sie fragen einmal, dann gebe ich Antwort. Aber nicht von
mir aus. Das glaube ich, hat es auch ein bisschen verändert, so dass es leichter
ist, die Unterschiedlichkeit zu akzeptieren. So weg wirklich von diesem richtig
und falsch.“ (Klara, Absatz 135 - 138)
Auch Manfred hat „nicht die Haltung, dass ich jemanden in dem Rahmen bekehren
muss oder so etwas“
So klar abgegrenzt zu sein, bei einem Thema, dass einen persönlich ja sehr
durchdringen kann, zeugt in der TherapeutInnenrolle von hoher Professionalität – zu
unterscheiden, warum kommen die Menschen zu mir und was hab ich da
anzubieten. In die Therapie kommen Sie wegen psychischen Problemen und nicht
um meditieren zu lernen
„das ist nicht das, wofür sie zu mir kommen und deshalb biete ich ihnen das nicht
an“ (Claudia, Absatz 21 – 22).
Wie InterviewpartnerInnen mit dem Thema Buddhismus in der Therapie umgehen
hängt davon ab, ob Klienten ein Naheverhältnis zu diesem Thema haben, ansonsten
gilt auch hier das neutrale Vorgehen, wie im zwei Kapitel oberhalb beschrieben:
„In der Regel [fällt der Begriff „Buddhismus“] nicht, nein. Es gibt andere, die ein
bestimmtes Nähe Verhältnis zu dem haben, aber in der Regel verwende ich
überhaupt diese Begriffe nicht, nein.“ (Gunther, Absatz 20 – 22)
Wenn die Empfehlung gegeben wird meditieren zu lernen, dann ohne explizit es mit
dem Buddhismus in Verbindung zu bringen, vielmehr als ein Tool, in einem
säkularen Kontext, wie Manfred in Absatz 30 erläutert:
„die anderen Tools die ich anwende, dass die Empfehlung dann da auch mit
sicherer umzugehen, auch zum Beispiel meditieren zu lernen, ohne dass es
146
einen buddhistischen Hintergrund hat, das sag ich auch, dass man kann
meditieren ohne dass man da in irgendeiner Weise spirituell das versteht. Dass
ich das dann auch einsetze und auch übe.“
Dass es dabei hilfreich ist „eine überreligiöse Sprache zu finden“ meint eine Kollegin
und dass es kein Widerspruch ist, Christ und Theologe zu sein und buddhistisch zu
meditieren meint ein anderer denn „ich verbinde das ja auch. ... ich habe innerlich
beides da, Jesus und Buddha“. Wenn Klienten von sich aus Erfahrungen mit
Buddhismus gemacht haben und danach fragen, wie sie das vertiefen können, „dann
sage ich es auch“ (Gunther, Absatz 26)
Der Buddhismus wird von Manfred als eine Haltung erlebt, auf die andere
therapeutische Interventionen „draufsatteln“. Er steht nicht gleichberechtigt neben
dem Therapieverfahren an sich. Er beschäftigte sich auch stärker mit dem Ansatz
eines säkularen Buddhismus des Stephen Batchelor, wo Dogmas und Konzepte wie
Karma oder Wiedergeburt gar nicht mehr notwendig sind, und kann sich dabei
stärker auf die Vermittlung von Eigenverantwortung für das eigene Tun fokussieren.
Für Claudia, dessen Leben voll von dem Geist der Philosophie der Achtsamkeit
durchdrungen ist, gibt es keine Unterscheidung von „jetzt bin ich Buddhistin“, „jetzt
Therapeutin“ und „jetzt Privat“. Vielmehr beschreibt sie in Absatz 53-58 dass die
meditative Praxis alle Tätigkeitsfelder durchwirkt:
„Also die durchwirkt einfach mein ganzes Leben, weil es einfach, weil es wie Einund Ausatmen ist. Ich kann ja auch nicht zuhause atmen und draußen nicht. Das
lässt sich nicht herauslösen. Ich denke nicht daran, ah, jetzt mache ich… mit
dem oder ihr. Das ist völlig integriert... Ich merke gerade jetzt, wenn du das so
beschreibst, das ist wie die Form ist, die eine Struktur gibt, also eh jetzt, ist das
Zeit und jetzt ist die Türe zu und jetzt kommt der nächste Mensch und jetzt gehe
ich aufs Fahrrad und fahre heim. Aber vom Inhalt her ist es immer das selbe da
sein für das, was ist.“
3.3.5.2 Erfahrungsbasiert
Wie die Überschrift andeutet, ist diese Codierung von 11 Aussagen von 6
TherapeutInnen zum Thema „Spiritualität in der Therapie“ voll kompatibel und auf
Augenhöhe zum Integrativen Ansatz: Die gemachte Erfahrung ist entscheidend für
den Therapieerfolg, nicht Konzepte oder Metaphysik. Diese Haltung wurde schulen
unabhängig von Integrativen-, Gestalt-, Verhaltens, Transaktionsanalyse- und
147
Klientenzentriertem TherapeutInnen bis hin zu „AufstellerInnen“ genannt. Basis für
Übungsangebote (siehe „Übungen mit KlientInnen“) ist dabei die Erfahrung, das
Erleben der Wirksamkeit bei sich selbst:
„Ja nur indem ich erlebe, dass es wirklich wirkt, kann ich es auch als
Interventionsform anbieten.“
(Angelika, Absatz 140)
„Wenn ich der Versuchung [zu metaphysischer Spekulation] erliege, dann hole
ich mich wieder zurück! (Lachen)“ (Fritz, Absatz 60 – 63)
Es findet sich auch der für unsere gegenwärtige Zeit so wichtige Hinweis, dass es
nicht die Methode ist, die hilfreich ist, sondern die Haltung und die gemachte
Erfahrung. Achtsamkeit boomt, wird gehypt, wie vieles vor diesem Thema auch.
Doch fraglich bleibt dabei ob das Gros der diese Thematik konsumierenden
Menschen zur Essenz dessen vordringt, was mit Achtsamkeit ursprünglich gemeint
ist und was heilsam ist.
„Und das ist auch das, was jetzt auch wieder so mit diesem Kabat Zinn gemacht
wird, ich glaube nicht, dass es die Methode ist. Es ist die Erfahrung. Das, was ich
schwieriger finde, auch dieses zu wenig Zeit oder Platz ist, diese Erfahrung zu
machen. Und die kannst du nicht abkürzen... Du kannst es nicht in 6 Stunden
durchdrücken. Das geht nicht... Das ist die Hoffnung, dass sie auf diesen
Geschmack kommen.“ (Klara, Absatz 116 - 122)
Auf die Frage der Verortung des „Spirituellen“ liegt der Fokus auf das IN UNS
liegende:
„Paulus sagt, nicht ich lebe, sondern Christus lebt in mir. Oder in der BuddhaNatur,... der göttliche Kern, das höhere Selbst ... oder in der Leibmitte, es kommt
darauf an, welche Wörter man dann halt wählt. So verankert zu sein oder immer
wieder zurückzufinden.“ (Erika, Absatz 40, 69)
An dieser Stelle findet sich der Hinweis, dass es Achtsamkeit auch im Christentum
gibt: „Die Mediziner entdecken jetzt plötzlich die Wüstenväter, weil die Achtsamkeit
gibt’s im Christentum genauso und die kommt von den Wüstenvätern.“
Gunther hat einen kleinen „neutralen“ Altar, vor dem er sich verneigt. Auf die Frage,
ob neutral im Sinne einer säkularen Form von Spiritualität gemeint ist, bezieht er sich
auf die Neutralität der Repräsentanten – alle als Verkörperungen des Göttlichen IN
148
UNS. Unabhängig von Religion. Denn auch die Mystiker des Islam kennen diese als
„goldene Kugel“:
„neutral im Sinne der Repräsentanten. Ob es ein Jesus ist oder ein Buddha ist,
sondern es sind Verkörperungen auch des Göttlichen oder sowie die BuddhaNatur für mich auch, wenn wir es so nennen, einen göttlichen Aspekt hat... das
ist ja gerade in diesem Bild drinnen, in diesem goldenen Buddha [aus der
Geschichte] ...so Ebenbild Gottes oder Buddha-Natur oder im Islam gibt’s diese
goldene Kugel, bei den islamischen Mystikern.“ (Gunther, Absatz 87 – 92)
Die Verortung der Verantwortung in einem selbst wird auch als Folge meditativer
Praxis empfunden:
„Ich habe keinen Gott, der außer mir steht und auf den ich mich dann beziehe,
der dann eben mir quasi das Handeln vorgibt, sondern ich habe die
Selbstverantwortung in mir.“ (Manfred, Absatz 72)
3.3.5.3 Spiritualität
Eine weitere, nicht systematisch abgefragte, Kategorie bezog sich, wenn das
Gespräch in die Nähe dieses Themas kam, darauf zu erläutern: „Was ist Spiritualität
für Sie?“ 3 Personen nahmen darauf Bezug. Die folgenden exemplarischen
Fundstellen sollen lediglich Impulse geben in welche Richtung „Spiritualität“ noch
gedacht werden kann:
Nicht zum körperlosen Geist zu werden, sondern weltimmanent zu sein, „Ein Kind
der Erde werden“:
„Und der Siegried Essen, also das ist mehr so ein Bild von, wo er sagt für ihn
heißt Spiritualität, dass man ein Kind der Erde wird. Also In-karniert zu sein. Also
ich glaube nicht an Reinkarnation, ja, glaub ich gar nicht... Spiritualität wird oft
gehandhabt, dass man sagt, man entwickelt sich sozusagen von unten nach
oben zum körperlosen Geist und das halte ich für einen der tragischsten Irrtümer
überhaupt! ... Für mich geht´s um das Dialogische, ja, für mich geht´s genau um
das. Dass sozusagen Verbundenheit und Autonomie als komplementäre Pole
begriffen werden und dass sie nur, sozusagen, ich bin einmal mehr dort, mehr in
der Autonomie, in der Unterscheidung, wo auch nur Erkenntnis möglich ist und
dann halt wieder einmal mehr in der Verbundenheit, wo ich spüre wie alles
zusammenhängt. (Fritz, Absatz 51-57)
149
Auch bei Gunther geht es aus interkonfessioneller Sicht um das Erfassen, Empfinden
& Spüren:
„Es ist einen Zugang suchen und finden zu dieser tieferliegenden Dimension in
uns Menschen, auch zu diesem göttlichen Kern oder auch zum göttlichen Kern
des „ganzen Seienden“. Das Sein letzten Endes Ausfluss dieses Göttlichen ist
und zu dem Zugang zu finden, das zu spüren, das zu erfassen ist für mich
Spiritualität.“ (Absatz 93)
Damit wird Psychotherapie als solche implizit als spirituell empfunden:
„Ja genau und es wird manchmal auch explizit, weil dann Menschen in die
Therapie kommen und sich nach einiger Zeit manchmal explizit mit diesen
Themen befassen. Das erlebe ich oft am Ende einer Therapie, dass dann diese
Fragen so auftauchen, ganz explizit spirituelle Fragen.“ (Gunther, Absatz 98)
Spiritualität hat viel im Kontakt mit sich selbst zu sein und im Gewahrsein der
Verbundenheit aller Wesen zu tun:
„Spiritualität hat für mich ganz viel mit meinem Kontakt mit mir selber zu tun
eigentlich. Schon im geistigen Sinne, dass ich mich wie vielleicht verbunden oder
aufgehoben fühle... Und die Spiritualität dabei ist, dass ich nicht nur mich im
Auge habe natürlich, sondern dass ich ja möglichst das Leid aller Wesen nicht
vergrößern möchte.“ (Waltraud Absatz 48)
„We are not human beings on a spiritual journey but spiritual beings on a human
journey“, dieser Gedanke wird Pierre Teilhard de Chardin zugeschrieben, jenem
Theologen, der sich Anfang des 20. Jahrhunderts für eine Synthese von Religion und
Wissenschaft eingesetzt hatte.
3.3.6 Übungen mit KlientInnen
Bleibt
es
dabei,
dass
PsychotherapeutInnen
ihre
Grundhaltungen
durch
Meditationspraxis verändern, oder kommt es doch innerhalb der Therapiestunden zu
Anleitungen, Übungen, Interventionen, die auf die Dharma-Praxis zurückgehen?
Allen voran findet sich die klare Aussage „dass Therapie gut und wichtig ist und nicht
ersetzbar ist durch Meditation.“ (Klara, Absatz 183) und dass das buddhistische „
eine andere Ebene ist.“ (Manfred, Absatz 34)
150
Hier behandeln die einzelnen TherapeutInnen die Thematik sehr unterschiedlich. Im
folgenden Diagramm ist wieder dargestellt, wie viele Personen etwas zu einem
Thema gesagt haben. 5 Personen bei »Atemmeditation« meint dabei, sie haben
etwas zum Thema Atemmediation gesagt und nicht, dass alle 5 TherapeutInnen mit
ihren Klienten Atemmeditation üben. Das Betonungsdiagramm zeigt, dass die
meisten Interventionen nur 1x genannt wurden. Es gibt also bei weitem keinen
allgemeinen „Kanon achtsamkeitsbasierter Interventionen“. Die Ausnahmen bilden
drei klassische Formen von achtsamkeitsbasierten Interventionstechniken in der
Psychotherapie: Atemmeditation, Bodyscan (leibliche Bewusstheit) und Techniken
zur kognitiven Restrukturierung wie sie in der MBCT und der ACT als „Defusion“
bezeichnet werden.
Übungen mit Klienten
Atemübung
Bodyscan
Defusionstechniken
Meditation
Buddhistische Techniken
0
1
2
3
4
Abbildung 34: Übungen mit KlientInnen – Anzahl IP
151
5
6
7
8
Übungen mit Klienten
Atemübung
Bodyscan
Defusionstechniken
Meditation
Buddhistische Techniken
1
1,5
2
2,5
3
3,5
Betonung (1= 1 Nennug pro IP, 2=durchschnittlich 2 Nennungen pro IP)
Abbildung 35: Übungen mit KlientInnen – Betonung
3.3.6.1 Atemmeditation
5 KollegInnen leiten, in unterschiedlicher Ausprägung, zum bewussten Atmen und
zum Spüren der Körperempfindungen an. Dabei kommt der Begriff „Achtsamkeit“
nicht unbedingt ins Spiel, meistens gar nicht:
„Ich verwende auch Elemente der Meditationspraxis in der Arbeit, also dass ich
anleite häufig zum bewussten Atmen und über diesen bewussten Atem sich
selber zu spüren, was für manche Leute sehr hilfreich ist... manchmal nenne ich
das Achtsamkeit, bei anderen bei denen ich das Gefühl habe es ist schwierig so
Begriffe zu benennen, einfach als Form sich über den Atem deutlicher zu spüren.
Ich sag dann einfach: »Wenn Sie bewusst über Ihren Atem gehen, dann spüren
Sie sich besser und wenn Sie einmal so auf den Atem achten, was merken Sie
im Brustbereich, was im Bauchbereich?«.“ (Gunther, Absatz 16 – 18)
„Und ich beschreibe dann so, was ich als Praxis beschreibe, ähm, die
Achtsamkeitsmeditation auf den Atem. Ja? Das ist dann auch das, was ich einem
als schnellstes vermitteln kann. Und das habe ich auch schon mit Gruppen
gemacht, also so etwas. Ja.“ (Manfred, Absatz 30)
„Oder auch dass ich, was ich jetzt auch immer öfter mache, bewusst dass ich
sage, jetzt machen wir einmal 5 Minuten einmal, setzen wir uns in Ruhe hin.
152
Machen wir Atemmeditation... Sehr oft, wenn sie frisch von der Arbeit kommen.
Also um diese Verbindung zu schaffen, um Beziehung herzustellen.“ (Klara,
Absatz 108 – 110)
Dabei geht eine Kollegin von ihr als Modell aus, wenn sie tiefer ausatmet, „dann
gebe ich sozusagen ein Modell, das der andere einmal unbewusst probieren kann.
Oder dass es auch so… Manchmal entsteht, dass so eine Stille aufkommt, wo die
Menschen so in ein Gewahrsein hineinrutschen und dann nach 5, 10 Minuten so
wieder aufwachen, mich anschauen und sagen: »Was war das jetzt?«“ (Angelika,
Absatz 23)
Wichtig dabei ist wahrzunehmen, was der Klient gerade annehmen kann und was
nicht:
„da ist ja auch diese Achtsamkeit, das dem anderen auch zuzugestehen, dass er
anders ist. Also dass er mit dem ja nichts auf dem Hut hat.“ (Klara, Absatz 132 –
134)
Eine Kollegin leitet dezidiert keine Atemübung an, sondern „ich habe vielleicht schon
gesagt, versuchen Sie doch mal, einfach nur 5 Minuten für sich und dieses Thema
sich pro Tag zu geben, ... und lassen Sie sich nicht stören, stellen Sie den Wecker,
dass diese 5 Minuten eingehalten sind oder so. Das ist so eine leicht abgeänderte
Form.“ (Claudia, Absatz 22)
3.3.6.2 Bodyscan
Bei dieser Interventionsform, die 3 interviewte TherapeutInnen anwenden, gibt es mit
zahlreichen Therapieverfahren große Überschneidungsflächen, so auch mit der IT.
Sich seiner Leiblichkeit bewusst werden in diesem Moment. Fokussierung, Spüren,
Weitergehen.... und diesen Zugang als „Grundorientierung im Leben überhaupt“ zu
sehen.
„also immer wieder auch so die Frage »was spüren Sie jetzt? Wie fühlt sich das
an...?« und immer dieser Jetzt-Bezug und natürlich dieser Körperbezug, dass es
darum geht immer wieder im Körper, im Leib zu landen, so als Grundorientierung
im Leben überhaupt.“ (Fritz, Absatz 12)
„ich baue das schon ein, im Sinne, dass ich so, ich weiß nicht ob Sie das kennen,
Bodyscan mache, häufig mit den Patienten, aber nicht 45 Minuten oder so,
sondern vielleicht nur 15 Minuten, oder so eine Arbeit.“ (Waltraud, Absatz 38)
153
3.3.6.3 Defusionstechniken
Die Hälfte meiner InterviewpartnerInnen verwenden – im weitesten Sinne –
Defusionstechniken. Defusion meint, die Konfusion, das Gleichsetzten von „ICH“ und
„meine Gedanken, meine Gefühle“, aufzulösen. Sich bewusst zu machen und zu
untersuchen, dass das ICH und wie das ICH zusammengesetzt und konstruiert ist.
Es geht darum die Geistestätigkeit, also das Denken und Fühlen, als solche zum
Beobachtungsobjekt zu machen, als deren Inhalt als Realität zu betrachten. Von der
starren Kategorie „Ich bin ein Versager“ zu einer Beobachtung zu gelangen von „Ich
habe gerade einen Gedanken, ein Versager zu sein“. In der buddhistischen
Psychologie gibt es dafür das Konzept der 5 „Skandhas“, der Daseinsgruppen, die
sich
im
wesentlichen
auf
die
unterschiedlichen
Stufen
von
Sinnesreizen,
Wahrnehmung, Wahrnehmungsorganisation und – interpretation, Begriffsbildung,
Konzeptualisierung und Bewusstsein beziehen um so die begriffliche, konzeptuelle
Zusammensetzung von Welt und damit auch vom ICH verstehbar zu machen.
„dieser Achtsamkeitsaspekt ist etwas, was ich am Anfang mit den Menschen
einübe, bevor die Gruppenarbeit beginnt. Wo ich mit Meditation beginne, auf den
Körper hören, das Differenzieren in Ebenen, was fühle ich, was denke ich. Diese
Ich-Wahrnehmung einmal zu differenzieren und dann versuchen auch, das ist
wieder das Buddhistische dann, mit dem Konzept eines Ichs das beginnen,
aufzuweichen. Dass ICH keine starre Entität ist, die in uns wirkt, sondern
skandha-mäßig zusammengesetzt ist. Ohne es so zu benennen, aber es in
Erfahrung zu bringen. Und auch mit Wahrnehmungsübungen und so.“ (Angelika,
Absatz 142)
Weiters wird auch vermittelt „dass wir nicht unsere Lebensgeschichte SIND“ (Erika,
Absatz 48-50), wir haben all das erlebt, erlitten, ertragen. Aber wir SIND noch viel
mehr. Und sich davon zu De-Identifizieren um so Raum zu schaffen für kreative
Neuentwicklung, für eine Transgression, für das Überschreiten von Altem, Fixierten.
„Was ich auch tue, dieses bewusste Wahrnehmen von Gefühlen und Gedanken.
Das heißt dann auch, dass heißt, wer sehr überflutet ist von Gedanken, dass ich
dann auch so Anleitungen gib wie die Gedanken zu betrachten wie Wolken, die
vorbei ziehen. Und das, wer sehr überflutet ist von Gedanken und sehr flüchtig
ist, ist dann auch über diese Technik zu helfen eine gewisse innere Distanz zu
kriegen. Zu Gedanken, auch zu Gefühlen die sehr belastend sind so anzuleiten,
154
diese Gefühle bewusst wahrzunehmen, wenn wer Angst hat, wie spürt sich die
Angst an? Wie spürt sie sich im Körper an? Und sie sozusagen von außen zu
betrachten und auch dadurch von außen zu einem bewussten Dissoziieren zu
verhelfen.“ (Gunther, Absatz 27)
Segal, Williams und Teasdale (2002) fanden auf der Suche nach Möglichkeiten zur
Vermeidung
von
depressiven
Rückfällen
in
der
Anwendung
von
Achtsamkeitsprinzipien den Schlüssel. Dies führte u.a. zur Weiterentwicklung des
MBSR-Ansatzes von Jon Kabat-Zinn zur MBCT (Mindfulness Based Cognitive
Therapy), dessen klinische Wirksamkeit zur Rückfallprophylaxe bei Depressionen
empirisch gut belegt ist (Chiesa & Serretti 2011, Piet & Hougaard 2011 in Metzner,
2013)
3.3.6.4 Meditation
Der Aspekt „Meditation in der Psychotherapie“ ist auch einer, der von den
Interviewten sehr unterschiedlich gehandhabt wird. Fünf Personen nahmen darauf
mit durchschnittlich 2,2 Textstellen darauf Bezug. Claudia meint zur Frage von
Meditationsanleitung „ich mache es nicht bewusst und ich habe noch NIE jemandem
gesagt, er soll meditieren“. Manfred im Gegenteil dazu leitet Meditationen an und übt
diese mit seinen Klienten, ohne dabei explizit auf den Buddhismus einzugehen.
Gut abzuwägen bei welcher Störungsform Meditation angeleitet wird findet Gunther
wichtig, vor allem „wenn es um schwere Persönlichkeitsstörungen geht ist es
schwierig, weil da die Angst sich zu spüren so groß ist, aber manche sind sehr froh,
fangen auch an das selber zu praktizieren oder suchen auch Anschluss an
Meditationspraxis ohne dass ich jetzt speziell in eine Richtung werbe oder ich nenne
es gar nicht Meditation, ich nenne es nur sich selber deutlicher spüren durch diese
Achtsamkeit auf den Atem.“
Wenn Waltraud das Gefühl hat „von einem Patienten oder Patienten, sie könnten
WIRKLICH davon [von einem MBSR Kurs] profitieren, dann gebe ich ihnen einfach
mal das Angebot. Dann sage ich, das gibt es auch, und das können Sie auch
machen, schauen Sie mal ob Sie das interessiert“
155
3.3.6.5 Buddhistische Techniken
Unter dieser Kategorie wurden Techniken im weitesten Sinne zusammengefasst die
sich auf buddhistische Praxis beziehen.
Was auch für die Klienten als hilfreich erlebt wird ist das Erzählen von Geschichten
und Gleichnissen „die Leute oft direkt sehr berühren oder mitnehmen.“. z.B. jene von
der Buddha-Natur, die in jedem Menschen versteckt ist und unzerstörbar ist „in einer
noch so einer katastrophalen biographischen Geschichte ... da ist ein Teil, der trotz
allem heil bleibt“ (Klara, Absatz 189 - 190). Gunther wendet in passenden
Situationen ebenfalls eine Geschichte an:
„Ein buddhistisches Kloster in Südostasien, die haben eine große Buddha
Statue, aus Lehm, nicht sehr ansehnlich aber seit Jahrhunderten steht sie dort
und drum verehren sie dich Mönche auch. Net groß, weil sie sehr unansehnlich
ist. Und dann gibt’s eine große Trockenheit und die Statue bekommt Risse. Und
die Menschen machen sich Sorgen sie könnte jetzt zusammenfallen, und
schauen genauer nach und schauen in die Ritzen rein und sehen es schimmert
golden durch. Und sie legen dann diese Buddha Statue frei und es ist eine
goldene Buddha Statue als Kern. Und er ist früher ummantelt worden, in
Kriegszeiten damit er nicht geraubt wird. Man hat dann vergessen, dass drinnen
unter dieser Lehmschicht ein goldener Buddha ist.
Und ich nehm´ diese Geschichte als Beispiel was Menschen in sich tragen und
sie kommen und sagen: »Was bin ich nur ein neurotischer Haufen?« Und wenn
ich in meine Selbstwertzweifel und meine Entwertungen rein komme, diese
Ahnung, da gibt’s einen goldenen Kern in mir. Das ist etwas, was manche sehr
berührt, aber das erzähle ich nicht allen. Mehr so wenn ich das Gefühl habe, das
passt da. Das ist etwas Zentrales.“ (Gunther Absatz 61-65)
In der Buddhistischen Praxis gibt es die Methode des „Widmens“, die dann einsetzt
werden kann, wenn Menschen von Schuldgefühlen geplagt werden:
„Dass immer, wenn man etwas Schönes erlebt, dass man den Menschen, denen
gegenüber man Schuldgefühle hat, das Schöne auch widmen kann. Dass da
einfach etwas hinfließt. Dass sozusagen diese Art des Beschenkens oder
großzügig werdend, den Geist aufmachend, dass das etwas ist, was hilfreich
sein kann.“ (Angelika, Absatz 134)
156
Eine weitere buddhistische Praxis, die der Mitfreude, lässt sich therapeutisch bei
starken Neid- und Eifersuchtsgefühlen einsetzen:
„Dass man sich bewusst mitfreut mit anderen. Zum Beispiel Frauen, die mit dem
Kinderwunsch-Thema kommen und die mit Neid, Eifersucht auf andere Mütter
geplagt sind und nicht mehr Kontakt halten können mit ihren Freundinnen, weil
sie Kinder haben dann mit diesem, ja Mitfreudeaspekt als Übung.“ (Angelika,
Absatz 138)
Diese kasuistische Aufzählung soll zeigen, dass es über die in der landläufig
verfügbaren
Achtsamkeitsliteratur-
und
–Hörbuch
Landschaft
noch
andere
Interventionsformen gibt, die sich aus einer vertieften spirituellen Praxis ableiten und
eben nicht an einem „Mindfulness Weekend Workshop“ lernen und evidence-based
als hilfreiche „Technik“ einsetzen lässt, sondern eine fundierte Übungspraxis in der
Öffnung des Herzens, der Erforschung des Geistes und der Geistestätigkeit erfordert.
Merzel (2008) verspricht zwar mit seiner „Big-Mind, Big-Heart“ Methode einen
schnelleren Weg zur Erfahrung, doch bleibt dies jedem selbst überlassen zu
überprüfen, ob es tatsächlich so einfach geht, oder ob wir nicht umhin kommen, als
Privatpersonen, als ProfessionistInnen in einem helfenden Berufsfeld - ja, eigentlich
in jeglichem Feld - stetig an uns zu arbeiten, geduldig, konsequent, ohne Ehrgeiz stets den Anfängergeist kultivierend (Suzuki, 2002).
3.3.7 Qualitätssicherungsaspekte
Achtsamkeitspraxis ist für 7 von 8 befragten PsychotherapeutInnen auch eine Form
der QualitätssicherungQualitätssicherungsaspekte
ihrer Arbeit.
verbessertes Selbstmanagement
Abgrenzungsthematik
Meditation als Basisübung
0
1
2
3
4
Abbildung 36: Qualitätssicherung - Anzahl IP
157
5
6
7
8
Qualitätssicherungsaspekte
verbessertes Selbstmanagement
Abgrenzungsthematik
Meditation als Basisübung
1
1,5
2
2,5
3
3,5
Betonung (1= 1 Nennug pro IP, 2=durchschnittlich 2 Nennungen pro IP)
Abbildung 37: Qualitätssicherung – Betonung
3.3.7.1 verbessertes Selbstmanagement
Unter die Kategorie „verbessertes Selbstmanagement“ fallen ebenso Aspekte der
Selbstverantwortung, -fürsorge sowie Leistungsfähigkeit.
Es führt dazu, „NIEMANDEM mehr die Macht zu geben, mich aus der Zentrierung zu
reißen! Selbstverantwortung, irgendwie… Selbstmanagement.“ (Erika, Absatz 101).
Auch für Claudia ist Meditation „eine Qualitätssicherung und für mich ist es auch eine
Selbstfürsorge“ dazu gehört auch zu erkennen, wie viel Stunden man pro Tag
arbeiten kann:
„Aber für mich muss ich ehrlich sagen, glaube ich nicht, dass ich jetzt mehr als
fünf Stunden pro Tag Therapie machen möchte. Weil ich finde schon, das ist
eine anspruchsvolle Arbeit und für meine Psychohygiene glaube ich nicht dass
ich, außer in Notfallsituationen, mehr als fünf Stunden pro Tag machen möchte.“
(Waltraud, Absatz 34)
Ein Kollege hat als Auswirkung seiner Meditationspraxis festgestellt, dass seine
Leistungsfähigkeit dadurch gestiegen ist, trotz zunehmenden Alters:
„Also ich habe früher so 20, 22 Stunden pro Woche gemacht. Gut, da waren die
Kinder auch noch kleiner, das ist ja auch ein Faktor. Aber das war schon sehr
anstrengend. Und jetzt ist es so dass ich eigentlich gut 30 Stunden machen
kann. Wo ich deutlich älter bin – andere Kollegen sagen, das arbeiten wird immer
schwieriger, sie können weniger arbeiten. Ich habe in dieser Zeit gemerkt, ich
kann immer mehr arbeiten. Ja. Also, das ist rein objektiv ein deutlicher Effekt.“
(Gunther, Absatz 47)
158
Ganz deutlich betrachtet Fritz spirituelle Praxis als Grundvoraussetzung zur
Berufsausübung, als Zynismus- und Burnout-Prophylaxe:
„Und mittlerweile glaube ich, dass man diese Arbeit, also wenn man es wirklich
als Berufung nimmt, kann man es ohne einen spirituellen Ansatz und einer
spirituellen Praxis kann man das gar nicht machen, ohne dass man verhärtet,
dass man ausbrennt oder dass man zynisch wird. Ich kann mir das nicht anders
vorstellen, ja.“ (Fritz, Absatz 41)
Persönliche Erfahrung mit psychosomatischen Leiden wie Bluthochdruck und
Tinnitus und deren Überwindung durch Meditationspraxis teilt Manfred mit:
„sehr vieles läuft unterschwellig, also so unter einem Schutzschirm, den man so
hat. Folgen können dann auch sehr unangenehm für den Therapeuten sein, also
dass kann ja auch Bluthochdruck, so war´s bei mir, oder anderes erzeugen. Also,
was so unterschwellig durchgeschoben wird, gerade auch wenn man das immer
wieder so annimmt, also in sich selber so aufnimmt und das gar nicht so
mitkriegt, ja? Und eine Konsequenz hatte ich ja auch unter anderem das und
einen Tinnitus und so etwas.“ (Manfred, Absatz 18)
Um Meditation in einem vollen TherapeutInnen-Alltag zu integrieren hilft die
Überlegung, dass die Klienten auch Lamas, also Lehrer sind und die therapeutische
Arbeit auch gleichzeitig Dharma-Praxis, wenn diese in der passenden inneren
Haltung durchgeführt wird:
„Ich habe viel Bodhicitta-Training, ohne jetzt irgendwie mich persönlich
auszuwringen.“ (Angelika, Absatz 90)
3.3.7.2 Abgrenzungsthematik
Dieser Punkt sei hier nochmals wegen der Chance auf förderliche Auswirkungen auf
die Frage nach Abgrenzung als Aspekt der Qualitätssicherung erwähnt, inhaltlich
finden sich die Aussagen im Kapitel „Auswirkungen auf therapeutische Beziehung“
unter „Abgrenzungsthematik“.
3.3.7.3 Meditation als Basisübung
Nachdem Fortbildung & Supervision im Dokumentationskatalog der extramuralen
Psychiatrie in der Steiermark unter den Überbegriff „Qualitätssicherung“ fällt, wurden
die dazu gefundenen Stellen auch in dieser Forschungsarbeit unter dem Kapitel
„Qualitätssicherung“ codiert.
159
Zumindest die Hälfte aller interviewten TherapeutInnen mit langjährigen Erfahrungen
in beiden Feldern sind der Ansicht, dass Meditation als Selbsterfahrung für die
therapeutische Arbeit auf lange Sicht unerlässlich ist.
„Das gehört auch so ins therapeutische Bewusstsein viel mehr hinein. Dass das
eine so wichtige Grundübung eigentlich wäre“ (Fritz, Absatz 29).
Den in der Meditation geschärften Prozess der Selbstwahrnehmung „das war für
mich das wichtigste. Dass ich mir denke, das ist wirklich die radikalste
Selbsterfahrung“ (Klara, Absatz 10).
„Also für mich ist es ganz klar und ich sage das immer wieder. Meine
buddhistische Praxis und die LEHRE auch, weißt du, diese Weisheiten in der
Lehre, ich finde, Buddha ist der klügste Psychotherapeut, den es je gegeben hat,
das ist meine beste Weiterbildung, die ich gemacht habe. Neben meiner wirklich
guten systemischen Ausbildung.“ (Claudia, Absatz 28)
Auch die Therapieausbildung alleine wird von Erika als unzureichend für diesen
anspruchsvollen Beruf erachtet.
„Also ich mag sie heute noch [die Therapietechniken], aber sie sind ein Konstrukt
für mich. ... vorher braucht es ein bisschen was anderes. Sonst geht es nicht“
(Klara, Absatz 10)
Weiters kommt sie zum Schluss dass es „gut ist, die Selbsterfahrung im Schweigen
zu machen. Dass ich immer noch glaube, dass das die radikalste Form der
Selbsterfahrung ist. Und das die Voraussetzung ist für Klientenarbeit.“ (Klara, Absatz
171 – 173)
160
4 Diskussion
4.1 Ergebnisse
4.1.1 Positive Effekte
Die
im
vorigen
Abschnitt
dargelegten
Detailergebnisse
der
qualitativen
Inhaltsanalyse zu den Auswirkungen von Achtsamkeitspraxis der 8 interviewten
TherapeutInnen auf die therapeutische Beziehung zu ihren KlientInnen werden hier
in verdichteter Form dargestellt. Es kann festgestellt werden, dass langjährige
Meditationserfahrung,
mit
Ausrichtung
auf
Achtsamkeit,
folgende
positive
Auswirkungen auf die therapeutische Beziehung haben:
•
Förderung von Mitgefühl, Empathie & einfühlendem Verstehen
•
Die Beziehung zu den KlientInnen wird auf der Herzebene stärker, tiefer,
verbundener
•
liebende Aufmerksamkeit wird gefördert
•
Förderung der emotionalen Annahme, der Akzeptanz und Selbstakzeptanz
•
Förderung der direkten leiblichen Wahrnehmung, schärfen der Sinne
•
Hilfreich bei der Überwindung von Wertungen und Urteilen
•
Den Klienten loslassen fällt leichter – nach jeder Stunde und am Ende der
Therapie
•
Das Kontrollbedürfnis nimmt ab, weniger Vorstellungen »was sein sollte«
•
es fällt leichter auf den Prozess zu vertrauen und nicht mehr so stark »etwas
weg machen zu wollen«
•
erleichtert die Fähigkeit das auszuhalten was ist
•
Die Klientenarbeit wird insgesamt entspannter, leichter, freudvoller und
weniger anstrengend
•
Die Leistungsfähigkeit nimmt dadurch zu - auch im Alter
•
Geduld und Ruhe wächst
•
Weniger Angst - vor dem Leid der KlientInnen und davor Fehler zu machen
•
Therapeutin ist dabei vielfältig Modell für ihre KlientInnen
161
•
Hilft dabei sich geistig von der finanziellen Abhängigkeit von seinen
KlientInnen zu distanzieren und bei der Kontraktgestaltung auf die
Möglichkeiten der KlientInnen Rücksicht zu nehmen.
•
Schärft den Sinn für ethisches Handeln
•
Ist konfessionell und religiös transparent
•
Distanzierung von spiritueller, religiöser, philosophischer Beeinflussung oder
Missionierung.
•
Sensibilisiert die Wahrnehmung dafür ob ein Klient nach spirituellen Themen
aktiv fragt
•
Die Bedeutung der eigenen gemachten leiblichen Erfahrung wird deutlich,
bevor ich etwas an Klientinnen weitergeben kann
•
Spiritualität wird erfahren als eine Verankerung in der eigenen Mitte und Tiefe,
als ein »in der Welt Sein«, als ein »mit allem Verbunden sein«
•
Meditation wird als wichtige Selbsterfahrung und Grundübung für die
Klientenarbeit empfunden
•
sowie verbessertes Selbstmanagement, Burnout-Prophylaxe und verbesserte
Selbstfürsorge
Diese
Aufstellung
ist
die
Gesamtmenge
an
positiven
Effekten
über
alle
InterviewpartnerInnen, die jeweils ihre persönlichen Akzente dabei setzten.
Herauszustreichen ist dabei die von allen IP genannte Förderung von Mitgefühl,
Empathie und einfühlendem Verstehen. Damit ist der förderliche Einfluss von
Achtsamkeitsmeditation der TherapeutInnen auf den 1. therapeutischen Wirkfaktor
empirisch belegt. Die Förderung von leiblicher Wahrnehmung und Schärfen der
Sinne ist ebenfalls konform mit den Referenztheorien der IT. Die von der Mehrzahl
genannte Abnahme des Kontrollbedürfnisses im Prozess und des Drangs »etwas
weg machen zu wollen«, sowie dem daraus resultierenden Vertrauen in den
therapeutischen Prozess entspricht damit einer impliziten vertieften Wahrnehmung
für den Ko-Respondenzprozess, in dem es genau um diese verfeinerte Beobachtung
dessen geht, wo der Klient steht und was die Resonanzen der Therapeutin darauf
sind. Die Förderung von Selbstakzeptanz, wie im achtsamen Vorgehen inhärent, ist
damit auch die Stärkung des gleichnamigen Wirkfaktors. Der berichtete Umstand,
dass
es
zu
verbessertem
Selbstmanagement
kommt,
dass
die
Arbeit
ressourcenschonender, freudvoller und leichter wird, dass die Leistungsfähigkeit u.U.
162
sogar zunimmt, in Summe es zu einer besseren Selbstfürsorge kommen kann, passt
gut zur Foucault’schen Diktion „Ich sorge mich um mich, um mich um andere sorgen
zu können“. Wir können uns freilich auf vielfältige Weise um uns sorgen, in der das
Leben durchwirkenden Achtsamkeitspraxis ist dieser Aspekt bereits enthalten.
Dass die eigenleibliche Erfahrung des Therapeuten Basis für etwaige Interventionen
mit den Klienten wichtig sind, darüber sind sich auch die meisten der Interviewten
einig, vor allem deshalb, weil sie als das therapeutische Agens eben die von den
Klienten gemachte leibliche Erfahrung sehen. Dabei spielt die Grundhaltung und
Praxis der Therapeutin als authentisches, glaubwürdiges Modell eine bedeutende
Rolle. Achtsamkeitspraxis wird nicht nur als Voraussetzung für die Anwendung von
achtsamkeitsbasierten Interventionen als wichtig erachtet, wie dies in der Literatur ja
auch gefordert wird, viele der Interviewten sehen diese vielmehr als eine notwendige
Grundübung für die Ausübung einer Psychotherapie, die sich als Heilkunst versteht
und
nicht
als
eine
Psychotechnik,
welche
standardisierte,
manualisierte
Interventionsschritte umsetzt, ganz so wie dies auch Grepmair und Nickel (2007)
fordern.
4.1.2 Kritische Aspekte
Neben dem überwiegend positiven Tenor über förderliche Wirkungen, werden im
Folgenden die als kritisch empfundenen Aspekte diskutiert.
4.1.2.1 Spirituelle Interventionen
Einigkeit besteht unter den InterviewpartnerInnen, dass die Religionsfreiheit
respektiert wird und in der Therapie nicht-sektiererisch und nicht-missionarisch mit
den Achtsamkeitsaspekten umgegangen wird, das Thema Buddhismus und
Meditation nicht aktiv durch den Therapeuten nicht in den Therapieprozess
eingebracht wird, sowie dass es zu keinen »spirituellen Interventionen« kommt. Dies
entspricht der Forderung nach einem säkularen Herangehen in der Psychotherapie auch der Buddhismus kann als säkulare Philosophie im Westen des 21.
Jahrhunderts formuliert werden (Batchelor, 2011).
Stellt sich die Frage: was ist eine »spirituelle Intervention«? Weder Petzold, Sieper
und Orth (2010), noch die Richtlinien des Bundesministeriums (2014) beinhalten
Definitionen des fraglichen Begriffs. Dieser Umstand erleichtert nicht gerade den
Diskurs über ein Thema, das gerade so kontroversiell diskutiert wird und lässt
163
reichlich Interpretationsspielraum für alle Beteiligten offen. Unter Intervention versteht
man
je
nach
Fachgebiet
unterschiedliches.
Laut
http://de.wikipedia.org/wiki/Intervention wäre dies in der Sozialarbeit „eine geplante
und
gezielte
Maßnahme“,
in
der
Psychologie
„ein
eingesetztes
Kommunikationselement wie z.B. Spiegeln, paradoxe Intervention“. Versteht man
darunter eine bestimmte Handlung, die der Klient ausführen muss? (Gebet?, Ritual was fällt darunter, was nicht?) Oder die beide gemeinsam ausführen? Ist es ein vom
Therapeuten genannter Begriff z.B. zum Thema Heilung, von außerhalb des klinischtherapeutischen Jargons? Ist es eine getragene, engelgleiche Stimme? Ist es das
Anleiten zur Beobachtung des Atems?
Kommunikationspsychologisch betrachtet ist alles Leben Kommunikation – „man
kann
nicht
Nicht-kommunizieren“
(Watzlawik).
Zu
Kommunikationselementen
gehören sämtliche Aspekte Non-verbaler Kommunikation wie Kleidung, Accessoires,
Praxisort, Raumgestaltung, Gerüche, Klänge, Beleuchtung, Objekte, usw. also alle
Aspekte in einer Situation, die sinnlich erfahrbar und phänomenologisch erfassbar
sind. Demnach wäre die Einmietung in ein Klostergebäude, die Ausstattung einer
Praxis mit Buddha-Statuen, Thankas, der Duft von Räucherstäbchen oder
Weihrauch, die Sitar-Hintergrundmusik, Buddhistische Gebetsfahnen, Bilder vom
Berg Kailash alles bereits Interventionen. Aber spirituelle? Auch in dieser Arbeit ist
die Definition dieses Begriffes Spiritualität ausgespart worden, da damit ein weiteres
weites Feld eröffnet werden würde. Siehe dazu Heller (2013), Quekelberghe (2007),
Pollack (2007), Utsch, Bonelli und Pfeifer (2014), Elkins (1998). Eines kann bei
Durchsicht
der
Interviews
bereits
zusammenfassend
gesagt
werden:
Die
InterviewpartnerInnen sind sich, trotz unterschiedlichen Formulierungen, einig
darüber, dass es sich bei Spiritualität um ein In-der-Welt-sein, um ein Mit-AllemVerbunden-Sein, also um einen sehr diesseitigen, erdigen, inkarnierten, lebens- und
interaktionsorientierten Seins-Modus handelt.
Bei jener Kollegin, die ihre Praxis mit buddhistischen Objekten ausgestattet hat, stellt
damit die Frage, wie reagiert eine hilfesuchende Person auf diese Eindrücke, die mit
diesen Themen nicht vertraut ist oder diesen ablehnend gegenüber steht? Was denkt
sich ein Atheist dabei? Welche Erwartungshaltungen sind damit u.U. verknüpft?
Kann diese Person ihrem Unmut Ausdruck verleihen? An dieser Stelle erscheint es
wichtig dass TherapeutInnen, für die auf Grund persönlicher Praxis diese Symboliken
wichtig sind, besonderes Augenmerk auf die Reaktionen ihrer Klienten beim Kontakt
164
mit diesen Objekten/Gerüchen/Klängen richten und wahrgenommenes zeitnah
ansprechen, um Irritationen aufklären zu helfen und damit den eigentlichen
Therapieprozess nicht zu behindern.
4.1.2.2 Interpretation von »Nicht-Anhaften«
Nicht-Anhaften vs. Therapieplan. Einige Interviewte gaben an, dass sie es dem
Klienten freistellen, wie er mit den nächsten Terminen verfahren möchte. Ob und
wann er/sie wiederkommen möchten. Eine Kollegin räumte ein, dass sie in Phasen
wo ein Klient Schutz und Führung brauche schon vorgebe, dass es jetzt eine Zeit
weitergehe mit der Therapie. Aber grosso modo wolle man nicht »Anhaften«, den
Klienten nicht für die Erfüllung persönlicher Bedürfnisse heranziehen. Das ist ethisch
sehr hochstehend, ohne Frage, im Kern buddhistisch. Wenn es der Verhinderung
des Missbrauchs der therapeutischen Beziehung über eine indizierte Dauer hinweg
dient, dann erfüllt diese Haltung ihren Zweck. Doch ist das im allgemeinen
therapeutischen Rahmen die angemessene Haltung? Wenn Leiden über lange Zeit
entstehen, braucht es auch einen geschützten Rahmen über längere Zeit um
therapeutisch wirksam zu sein. Maligne Beziehungserfahrungen können nur über ein
zeitliches Kontinuum hinweg mit positiven Beziehungserfahrungen in einer Therapie
ausgeglichen
und
heilsam
kontrastiert
werden.
TherapeutInnen,
die
auch
praktizierende Buddhistinnen sind, müssten ihre Haltung dazu aus professioneller
Perspektive kritisch, ggf. supervisorisch reflektieren, um nicht einer Fehlinterpretation
des Nicht-Anhaften Prinzips zu unterliegen, in letzter Instanz sogar zum Schaden der
KlientInnen. Wertvoll ist dieser Zugang aber, um kontinuierlich während des
Therapieverlaufes, sensibel und achtsam die Notwendigkeit weiterer Einheiten für
den Klienten mit den eigenen Bedürfnissen abzugleichen. Die therapeutische
Beziehung findet eben nicht nur innerhalb der 50 Minuten Sitzung statt sondern
erstreckt sich ggf. über mehrere Jahre.
Nicht-Anhaften vs. Ökonomische Aspekte. Oben gesagtes bezieht sich auch auf die
ökonomische Dimension der TherapeutInnen-KlientInnen Beziehung. So sehr es
hilfreich sein kann, gerade in freier Praxis, sich bei der Gestaltung der TherapeutinKlientin Beziehung emotional unabhängig von der finanziellen Situation zu machen,
so sehr birgt diese Haltung auch die Gefahr, die eigenen materiellen Sachzwänge
aus dem Fokus zu verlieren. Eine Interviewpartnerin räumt ein, dass sich ihre
finanzielle Situation durch die Fokussierung auf den Achtsamkeitsaspekt in der
165
Psychotherapie verschlechtert habe. Auch hier läuft diese Haltung, ja nicht den
Klienten finanziell zu belasten, sogar gegen die Selbstfürsorge. Arbeite ich
psychotherapeutisch, im Sinne einer gesetzlich verankerten Heilbehandlung im
Rahmen des ASVG, muss beiden Seiten klar sein, dass der Ausgleich für die
Leistung monetär erfolgt. Für Privat Klientinnen heißt das, sie müssen sich die
Therapie leisten können. Zu einem Tarif, den sich die Therapeutin leisten kann.
Psychotherapie, auch eine achtsamkeitsbasierte, ist keine mildtätige, ehrenamtliche
Angelegenheit. Wird die Arbeit mit korrektem Ethos, auch in Bezug auf finanzielle
Belange, mit der inneren Haltung, dass meine Klienten und alle Wesen frei von Leid
sein mögen, durchgeführt, so wird Psychotherapie selbst zu einer spirituellen
Intervention.
4.1.2.3 Eigene Bedürfnisse
Bei intensiv praktizierenden Buddhistinnen, die sich öfters in längere Retreats
zurückziehen, ist besonderes Augenmerk darauf zu richten, dass sie diese Tatsache
von vornherein mit ihren KlientInnen besprechen und auch nur jene Klientel
annehmen,
für
die
längere
Unterbrechungen
auch
möglich
sind.
Eine
Interviewpartnerin beschreibt, dass sie dafür in ihrer Praxisgemeinschaft ein
Netzwerk zur Verfügung hat. Grundsätzlich muss sensibel abgewogen werden,
welche Bedürfnisse im Vordergrund stehen, in der derzeitigen Lebensphase. Möchte
ich mich der mitunter schwierigen Aufgabe Therapeutin zu sein (weiterhin) widmen,
oder steht meine religiöse/spirituelle Praxis jetzt doch mehr im Vordergrund? Wo sind
die Grenzen, ab welcher Intensität der Praxis lässt sich dies nicht mehr mit einer
gesetzlich verankerten Psychotherapie vereinbaren? Die Klärung dieser Fragen
erfordert
achtsames,
vertrauensvolles
Abwägen
–
professionell
erweise
in
kultursensibler Supervision.
4.1.2.4 Interventionen noch nicht systematisiert
Einige InterviewpartnerInnen gaben an, wenn es für die Therapie indiziert erscheint,
ihren KlientInnen auch achtsamkeitsbasierte Interventionen anzubieten. Welche
Interventionen, wann, in welcher Form, Frequenz usw. ist dabei der heterogenste
Aspekt der vorliegenden Forschungsarbeit. Die zwei am weitest verbreiteten
Methoden sind Achtsamkeit auf den Atem sowie verschiedene Formen von
Bodyscan Meditation. Darüber hinaus werden noch, je nach Verfügbarkeit und
persönlicher Präferenz, direkt Methoden aus der buddhistischen Praxis angewandt,
166
wie z.B. das Widmen und Entwicklung von Mitfreude, jeweils ohne dabei explizit
buddhistisch zu werden. In Bezug auf Meditation in der Therapie gibt es ebenfalls
unterschiedliche Ausformungen, von »mit dem Klienten meditieren«, ohne es
»Meditation« zu nennen, bis hin zur Empfehlung von Achtsamkeitstraining – bei
Indikation. Dabei erscheint es wichtig zwischen den Rollen zu trennen. Empfehle ich
einer Therapieklientin zu mir ins Achtsamkeitstraining zu kommen? Wenn ich die
Klientin lieber bei mir im Achtsamkeitstraining habe als in der Therapie, was bedeutet
das auf der Beziehungsebene für die KlientIn - »bin ich ihr zu anstrengend?«, ist
»lasst uns mal gemeinsam atmen« angenehmer für meine Therapeutin? Gerade für
PsychotherapeutInnen, die Therapie belastender empfinden als Achtsamkeitskurse
abzuhalten, ist die kritische Auseinandersetzung mit diesen Fragen angezeigt.
Größere Einigkeit besteht unter den Interviewten über die Anwendung von
Interventionen, welche auf die Natur von Gedanken und Emotionen hinweisen, um
die Defusion, die Trennung von mentalen Prozessen und dem Selbstkonzept, zu
ermöglichen und so maligne Identifikationen von geistigen Prozessen mit dem Ich
überwinden zu helfen. »Nicht: ich bin ängstlich, sondern: ich nehme ein Gefühl wahr,
das ich als ängstlich bezeichne und dabei spüre ich....«
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass es bei konkreten Interventionen in
der Einzeltherapie noch sehr unsystematisch abläuft. Daher ist die Systematisierung
von
säkularen
Interventionsstrategien,
aus
dem
reichen
Erfahrungsschatz
buddhistischer Psychologie, für die Einzelpraxis, jenseits von manualisierte
Gruppenprogrammen, sehr zu begrüßen.
4.1.2.5 Abgrenzung vs. Alles ist verbunden
An einem weiteren Beispiel lässt sich die Problematik der, für eine professionelle
Psychotherapie erforderlichen, adäquaten Interpretation buddhistischer Konzepte
verdeutlichen. Die Grundhaltung, Erkenntnis und auch oft tief verwurzelte
Empfindung des »Verbunden sein mit allem« kann in der Frage nach »Abgrenzung«
zu unklaren Situationen kommen und diese schwieriger machen. Kollegin Klara
(siehe Empirie Kapitel »Abgrenzungsthematik«) beschreibt den Fall einer Klientin, mit
der sie die Therapie beendete, da innerhalb der Sitzungen nichts weiter ging und die
Klientin mehr Sozialkontakte brauche. Die Klientin wollte sich daraufhin mit Klara
treffen, diese lehnte es zuerst ab. Durch die Einsichtsmeditation weichten sich diese
klaren Grenzen aber auf, Klara empfand, dass sie beide auf einer „anderen Ebene“
167
waren, in Verbindung, verbunden, auch über die formalen Grenzen der Therapie.
Klara empfindet dies nicht als problematisch, sie hat es angenommen dass es nun
mal so ist, supervidierte diese Frage auch des Öfteren, blieb aber bei dem Kontakt
mit der Frau (ist sie noch eine Klientin?), weil ja ohnehin alles Sein zusammenhängt
und es substanziell keine Grenze gibt zwischen all dem Seienden. Dieses Beispiel
kann als Referenz für eine weiterführende Diskussion dienen, die sich zwischen »Ja,
wir sind alle miteinander verbunden, wo liegt das Problem?« und »für eine
gesetzeskonforme Heilbehandlung sind Setting grenzen einzuhalten und die
Therapiebeziehung mit ihren Rollen klar zu definieren« bewegt. Der Diskurs soll sich
jedoch immer am Patientenwohl orientieren: welche Auswirkung hat diese
Intervention und ist sie im Sinne des Behandlungsziels (hier: mehr soziale Kontakte)
förderlich? und auf Seite der Therapeutin: kommt es zu Einschränkungen meiner
Privatsphäre? (müssen Familienfeiern deswegen verschoben werden...) oder habe
ich persönliche Vorteile davon?
Wird das Nicht-Anhaften auf den Klientenkontakt bezogen, so fällt es leichter, den
Klienten nach jeder Stunde leichter gehen zu lassen und auch am Ende einer
Therapie ihn in sein Leben zu entlassen. Wenn Achtsamkeitspraxis den Alltag
durchzieht, so wird auch das Hinunterdrücken der Türklinke beim Entlassen des
Klienten achtsam, ohne Anhaftung und Ablehnung durchgeführt, der nächste Klient
kommt und ich bin bei ihm präsent, gewahr in diesem Moment, bis das Auslassen
der Türklinke mein Gewahrsein erfüllt und der Klient von gerade noch vorhin bereits
losgelassen ist. Mit dieser Haltung und Praxis wird eine »Abgrenzung« überflüssig,
da nichts da ist, wogegen ich mich abgrenzen muss. Denn alles ist im Fluss
andauernder Veränderung miteinander verwoben, das muss dann gar nicht mehr auf
der sozialen Ebene gedeutet werden.
In diesen diskursiven Prozessen zur Klärung von Bedeutungsebenen buddhistischer
Konzepte kann die Integrative Therapie mit dem Schritt der Dekonstruktion (Derrida)
im meta-hermeneutischen Prozess einen wertvollen Beitrag leisten.
4.2 Buddhismus und Psychotherapie
4.2.1 Was zuerst - Meditation oder Therapie?
Wenn Menschen auf der Suche nach Linderung und Heilung ihrer seelischen
Leidenszustände sind, stoßen einige auf religiöse und spirituelle System wie auch
168
den Buddhismus. Die buddhistische Psychologie zielt darauf ab Leiden zu beenden
und bietet dafür Übungswege an: Das Verlangen beenden ist die erste Gelegenheit
um im buddhistischen Sinne Leiden zu beenden. Dazu ist es notwendig unseren
aufkeimenden Handlungsimpulsen mit Achtsamkeit zu begegnen und uns fragen, ob
es wirklich notwendig ist (im wahrsten Sinne des Wortes also eine Not wendet), und
welche Motivation dahinter steht. Gelingt es uns dieses Ergreifen einer Reaktion
fallen zu lassen, bzw. von ihr abzusehen, wird der Kreislauf von konditioniertem
Verhalten unterbrochen. Dieses Fallenlassen von konditioniertem Verhalten ist in der
konkreten Umsetzung jedoch oft nicht auf direktem Wege zu erreichen. Wenn trotz
jahrelanger Meditation die starken Emotionen immer noch nicht verschwinden, kann
dies oft als persönliches Versagen auf dem spirituellen Weg empfunden werden.
Um die biografisch oft tief sitzenden und auch nach jahrelanger Mediation nicht
aufgelösten Konflikte und starken Emotionen sowie die daraus oft resultierenden
schädlichen Verhaltensweisen zu bewältigen, kommt aus der Sicht des Autors an
dieser Stelle der Psychotherapie die entscheidende primäre Rolle in der
Behandlung zu. Mit dem
Differenzierung
können
psychotherapeutischen
wir
allmählich,
im
Konzept der
Rahmen
einer
emotionalen
stützenden,
vertrauensvollen Therapie voller Mitgefühl, in intersubjektiver Ko-Respondenz
herausfinden, welche Lebensumstände zu welcher konditionierten Reaktion geführt
haben, um so zuordnen zu können was damals belastend war, welche Reaktionen
ggf. damals hilfreich waren, aber jetzt dysfunktional geworden sind. Durch den ersten
Schritt der Bewusstwerdung, des »Aufhebens« aus dem Unbewussten ins
Wahrnehmungsbewusstsein kann es aus
einer gereiften Perspektive zur
Neubewertung des Erlebens kommen. Die Wirkungen der Lebenssituationen von
damals haben damit eine Chance »aufgehoben« zu werden, oder zumindest
gelindert und das Ich-Bewusstsein kann sich neu adaptieren Durch diesen Schritt
wird
auch
vermieden
dass
ein
religiöses/spirituelles
System
mit
seinen
Protagonistinnen als Projektionsfläche idealisierender Wünsche dient, das, im
Gegensatz
zu
einem
Psychotherapeuten,
etwaige
Projektionen
aller
Wahrscheinlichkeit nach nicht meta-hermeneutisch reflektieren kann. Damit ist die
Gefahr gegeben, dass die spirituell gemeinte Wendung »nach innen« bei einer
Anhaftung an Äußerem, wenn auch gut getarnt als Vielfalt spiritueller Praxis,
verbleibt. Damit soll nicht gesagt werden dass spirituelle Praxis, in welcher Form
auch immer nicht zielführend ist oder notwendig, sondern nur, dass diese nicht mit
169
einer Projektionsfläche zur Lösung innerer Konflikte verwechselt werden soll. „Many
people want to be mystic, but they become misty“ sagte Frank Farrelly einst.
In der Phase der emotionalen Differenzierung während des therapeutischen
Prozesses kommt der Achtsamkeits-Meditation eine wichtige Rolle zu, indem sie,
radikal neu für westlich sozialisierte Menschen, die Substanzlosigkeit des Selbst und
aller damit verknüpften Phänomene einführt. Die Betrachtung »Ich bin nicht meine
Gedanken und Gefühle, es sind nur elektrochemische Vorgänge in meinem
Nervensystem,
welches
auf
Grund
des
Geworden
seins
diesen
Zustand
eingenommen hat, den ich vorfinde und der sich auch verändern lässt« kann für den
therapeutischen Prozess der »Aufhebung« von Leiden einen wertvollen Beitrag
leisten. Wenn sich daraus das Bedürfnis nach vertiefender Meditationspraxis ergibt,
liegt das in der Privatsphäre des Menschen und ist nicht mehr Gegenstand von
Psychotherapie.
4.2.2 Destination »Nirwana«: Flight cancele
Nibbana ist im Gegensatz zu den 5 Skandhas nicht phänomenologisch
charakterisiert, es ist demnach kein eigenständiges Phänomen, wie Virtbauer (2013)
ausführt. Daher findet dieses Konzept
in einer phänomenologisch orientierten
Psychotherapie
Therapie
wie
der
Integrativen
keinen
Platz
-
und
um
Missverständnisse zu vermeiden: Für Klienten in der Psychotherapie bedeutet »das
Ende des Leidens« zuerst jedoch einmal etwas anderes.
4.2.3 Divergenzen im Selbst-Konzept
Das westlich klinische Verständnis eines eigenständigen, über die Lebensspanne
konstanten »Selbst« und der damit verknüpften Identität unterscheidet sich
fundamental
von
der
buddhistischen
Sichtweise
der
Selbst-Losigkeit
aller
Phänomene, die stets im Wandel sind. Ob dieses Prinzip dem entspricht was
Merleau-Ponty
mit
„eigentümlicher
Seinsgrund“
meint
wenn
er
sagt
„ein
eigentümlicher Seinsgrund, gleichsam ein tätiger Grund, orientiert den Fluß der
Phänomene, ohne in irgendeinem für sich genommen explizit gesetzt bzw. setzbar
zu sein“?
Diese Passungen zwischen buddhistischer Philosophie und Psychologie mit denen
kontemporärer phänomenologischer Psychologie stringenter auszuarbeiten ist
Gegenstand zukünftiger Bemühungen.
170
4.2.4 Kulturelle Sensibilität und Würdigung
Man kann von Religion und Buddhismus halten was man möchte. Wenn jedoch
Inhalte und Konzepte von einer Geistesrichtung entlehnt werden, so gilt der
Grundsatz »Ehrt die Quellen« im Sinne respektvoller Koexistenz. Dies ist nicht nur
aus Copyright-Gründen angesagt sondern im vorliegenden Fall auf Grund der
spirituellen Dimension des Gegenstandes.
Bedauerlicherweise finden sich in einigen mindfulness Ansätzen diese Referenzen
nicht oder zu wenig deutlich. So wird in der ACT als Bezugstheorie die Relational
Frame Theorie herangezogen und die buddhistischen Quellen verschwiegen.
Obwohl Eifert (2011) die ACT auch in Beziehung zur MBCT und DBT setzt, und
Achtsamkeit – wie obenstehend augenscheinlich - mit den selben Merkmalen
übersetzt wie Sati vor 2500 Jahren definiert wurde, finden die historischen Bezüge,
Grundlagen und Konzepte der buddhistischen Psychologie keinerlei Erwähnung.
Dieser Umstand ist gerade bei proklamierter »Werteklarheit« bedenklich und lässt die
Beteuerung es soll sich bei ACT um keine neue Therapieform handeln nach außen
hin, gerade in Bezug auf weniger informierte Laien, unglaubwürdig erscheinen. Ob
dies
an
persönlichen
Vermeidungsstrategien
der
Autoren
liegt,
oder
der
amerikanischen Psycho- Kultur- und Marktlogik entspricht, bleibt zu klären.
4.2.4.1 Entwicklung des Dharma
Die Entstehung mehrerer Schulen in den ersten Jahrhunderten nachdem der Buddha
mit seiner ersten Rede das Rad des Dharma in Bewegung gesetzt hatte, geschah
mangels Kommunikationsmöglichkeiten zwischen den Mönchen und Nonnen, die
sich über das Land verteilten und lehrten. An dieser Stelle drängt sich die Frage auf,
welchen Einfluss eine global vernetzte und kommunizierende Kultur auf die
Entwicklung des Dharma, der Lehre, wohl haben wird? Denn nie zuvor haben
Menschen
so
unbeschränkten
Zugang
zu
Informationen,
zu
Inhalten,
zu
unterschiedlichen Lehren, Philosophien gehabt wie heute. Noch nie zuvor war es so
leicht möglich, die postulierten wahren Lehren einer Schule mit anderen Sichtweisen
zur selben Materie zu kontrastieren. Der Mensch hat aber auch ein intrinsisches
Bedürfnis nach Einfachheit und Überschaubarkeit. Daher bleibt die Frage spannend,
wie denn »Ein universeller Dharma für den westlichen Menschen«, so sich einer
überhaupt entwickeln kann, aussehen mag. Oder ob, ganz im Integrativen Sinne, ein
mehrperspektivischer, pluralistischer Dharma erwünscht ist. Für jeden Menschen mit
171
seinen Fähigkeiten, Vorlieben, Bedürfnissen. Welcher dieser »Dharmas« findet in
welche Forschungsansätze und klinische Behandlungsprogramme Einzug?
4.2.5 Positionierung der Integrativen Therapie
4.2.5.1 Aufeinander zugehen
Die
explizite
Nicht-Bezugnahme
Petzolds
(2011)
auf
den
buddhistischen
Achtsamkeitsbegriff ist aus Sicht des Autors unbefriedigend und ist angesichts der
Entwicklungen in der kontemporären Psychotherapieforschung für die Perichorese
des Integrationsparadigmas kontraindiziert. Gerade weil in dieser Arbeit die
konzeptuelle Kompatibilität gezeigt werden konnte und weil in der Integrativen
Theorie Pluralismus, wie auch in den Bewusstseinsmodellen gezeigt, immer wichtig
war, kann eine Überschneidung, natürlicherweise mit anderen Prägnanzen und
Tiefungen in konzeptueller und praxeologischen Hinsicht, doch begrüßt werden.
Wenn auch kulturell unterschiedlich gegründet, finden sich leicht Passungen
zwischen beiden Richtungen. Zum einen gibt es das Phänomen des »engagierten
Buddhismus«, in dem Mitgefühl für den Mitmenschen und das Engagement für eine
bessere Gesellschaft einen zentralen Platz einnimmt (Dies kann auf den Einfluss des
Christentums im Westen mit seiner Wertestruktur zurückgeführt werden). Auf der
anderen
Seite
erkennen
wir
die
konzeptuelle
Nähe
zum
melioristischen
Engagements aus der Integrativen Theorie (Petzold, 2011). Es ist wünschenswert,
dass beide Ansätze innerhalb des Integrativen Modells, mit unterschiedlichen
Schwerpunktsetzungen, koexistieren können und als kohärente Bestrebungen für
eine bessere Gesellschaft erkannt und anerkannt werden.
4.2.5.2 Bewusstseinsmodelle
Unterschiede und Klärungsbedarf gibt es bei den Bewusstseinsmodellen. Petzold
beschreibt im integrierten Bewusstseinsmodell das Nicht-Bewusste als transreflexiv,
der leiblichen Erfahrung unzugänglich und das nur von Mystikern in meditativer
Versunkenheit „näherungsweise erahnt und erspürt werden“ kann – als Teilhabe am
Absoluten Sein. Gewahrsein versteht Petzold im Sinne von Awareness, des
körperlichen Gewahrseins.
Diese Sichtweise weicht von der buddhistischen Vorstellung jedoch ab. Batchelor
weist ausdrücklich darauf hin, dass der Buddha kein Mystiker war. „Sein Erwachen
172
war keine alles bis in die Grundfesten erschütternde Einsicht in eine transzendente
Wahrheit, die ihm die Mysterien Gottes offenbarte. Er maßte sich keine Erfahrung an,
durch die ihm ein exklusives esoterisches Wissen um das wirkliche Funktionieren
des Universums zuwuchs“ (Batchelor, 2010, S. 17). Gewahrsein im buddhistischen
Sinne ist nicht auf die körperliche Awareness beschränkt, ist auch nichts was sich
durch ein linear gedachtes Fortschreiten im Sinne eines Weitens des Bewusstseins,
hinüber über stets subtilere Schwellen bis hin zum lichten, absoluten Bewusstsein
entwickelt. Dieser Konzeption unterliegt ein grundsätzlicher Denkfehler, der im
euklidisch-räumlich-linearen Denken gründet.
Im buddhistischen Sinne muss nichts erst erreicht werden, es ist bereits da. Wir
werden erkennen, wenn wir aufhören etwas erkennen zu wollen, etwas auf noch
höhere Erkenntnisebene heben und entwickeln zu wollen. Wenn wir die Anhaftung
an diese Bestrebungen, die ja in letzter Konsequenz auch nur Gedanken sind,
aufgeben, werden wir erkennen, was ist, was Sein ist, dann wird der, der erkennt mit
dem Erkannten eins sein.
Das ist das entlarvende Paradox, das der Buddhismus dem Westen bieten kann, ein
prinzipieller Koan um unseren kognitiv verbildeten Geist aufzuwecken.
Damit ist die eidetische Schau Husserls, oder das rohe, ungestaltete Sein, das
»Fleisch der Welt« (chair) Merleau-Ponty’s auch nicht nur mit dem Unbewussten
gleichzusetzen (Petzold, 2003), sondern vielmehr mit der »Einheit von Welt und
Seiendem in der Welt«. Dass Begriffe wie »Fleisch der Welt« hier wenig hilfreich
erscheinen das letztgültige Sein zu erklären, geschweige denn erfahrbar zu machen,
ist ein Argument für die weniger begrifflichen, doch in ihrer Einfachheit verblüffend
effizienten Beschreibungen und Anleitungen zur Erfahrung von Gewahrsein – in
welcher buddhistischen Tradition auch immer. Wenn man wissen will wie sich freier
Fall anfühlt, muss man das Handbuch zur Seite legen und aus der Luke des
Flugzeugs springen.
4.2.5.3 EMBI
Wenngleich
ein
ethisch
korrektes
Vorgehen
für
Interventionen
einer
achtsamkeitsorientierten Psychotherapie mit Berücksichtigung persönlicher Motive
und praxeologischer Begründung der Durchführung als selbstverständlich gelten soll,
so kann die enge Beschränkung auf bestimmte Settings und Diagnosekategorien als
nicht unbedingt notwendig erachtet werden, wenn wir uns an der Metatheorie und
173
den realexplikativen Theorien des Verfahrens orientieren. Damit werden auch im
Einzelsetting
Möglichkeiten
zur
Einbettung
achtsamkeitsinformierter
und
achtsamkeitsbasierter Interventionen möglich, im Sinne von »EMBIs« - »embedded
mindfulness based interventions«
4.2.6 Legitimation der TherapeutInnen im Spannungsfeld zwischen
Buddhismus und säkularem therapeutischen Kontext
Die meisten Autoren (Michalek et al., Germer et al.) sind sich darüber einig, dass
TherapeutInnen, die mit ihren KlientInnen achtsamkeitsbasierte Psychotherapie
anbieten möchten, über eigene vertiefte Meditationserfahrung verfügen müssen und
zwar
zumindest
in
dem
Ausmaß,
wie
es
für
die
Durchführung
des
Behandlungsprogramms vorgesehen ist. Im Fall von MBSR, d.h. 8 Wochen lang,
täglich 45 Minuten formale Sitzmeditation. Dabei soll nicht der technische Aspekt im
Vordergrund stehen, sondern die Tatsache, dass Achtsamkeit im täglichen Leben
des Therapeuten eine wichtige Rolle einnimmt. Idealerweise sowohl als formelle
Sitzmeditation als auch als informelle Praxis im Alltag. Mit dieser Selbsterfahrung
aus der Innenperspektive können die TherapeutInnen etwaige Schwierigkeiten ihrer
KlientInnen auf dem Weg zur Entwicklung von Achtsamkeit besser nachvollziehen
und nuancierter, einfühlender entgegensteuern. Dieser eigenleiblichen Erfahrung
kommt mehr noch als bei anderen Verfahren aus z.B. der kognitiv behavioralen
Domäne Bedeutung zu, da es sich um keine normierbare, regelbasierte Fertigkeit
handelt, sondern diese das ganze Leben über durch kontinuierliche Praxis verfeinert
werden muss, wie dies auch seit jeher verstanden wurde. Im professionellen Kontext
kommt daher in Zukunft laufender Supervision mit Fokus auf achtsamkeitsbasierten
Zugängen besondere Bedeutung zu. Eifert (2011) stellt für die Durchführung von
ACT-Therapien die Notwendigkeit der Selbsterfahrung von Therapeuten allerdings
noch zur Diskussion.
In der Tradition des tibetischen Buddhismus spielt die »Übertragungslinie« eine
wichtige Rolle. Die Legitimation einer Schule und eines Lehrers ergibt sich daraus,
dass sie Erben von vorangegangenen Meistern sind, welche die Verwirklichung
erlangt haben. Biografien solcher Meister sind oft in einer Sprache und mit indischtantrischer Semantik und Symbolik ausgeführt, die für heutige, und vor allem
westliche Menschen, kaum bis gar nicht adäquat verständlich sind und vielfach
174
mystizistisch aufgefasst werden (müssen). Dies leistet dann der Externalisierung von
Heilserwartungen weiteren Vorschub.
Es bleibt damit die Frage nach Legitimierung der Lehre von Achtsamkeitsmeditation
im heutigen westlich klinischen Sinne noch unbeantwortet. Längst haben sich
Curricula und Trademarks geformt, die Originalität und Legitimierung jeweils für sich
beanspruchen. Ob dieses, auch/hauptsächlich an einer Marktlogik orientiertes
Vorgehen wirklich dazu führt, die ursprünglichen Lehren vor Verwässerung,
Kognitivierung und »therapeutischer Vernutzung« (Petzold) zu schützen, muss
kritisch hinterfragt werden. Aus Sicht des Autors ist es daher wichtig, wollen wir die
Essenz des Abidhamma für weitere Generationen bewahren und sie im Herzen der
Gesellschaft zu neuen Ausdrucksformen verhelfen, dass es zu einer umfassenden
Durchdringung, zur »Perichorese« klinischer und buddhistischer Philosophien, mittels
Polylogen zwischen allen Stakeholdern, kommt.
4.2.7 Reduktion auf den rationalen Aspekt ist unvollständig und
kontraindiziert
Die Fokussierung auf die kognitiven Aspekte des Achtsamkeitsparadigmas hat sicher
dazu
beigetragen,
dass
dieses
Konzept
überhaupt
in
eine
rationale,
forschungsorientierte, klinische social-world Einzug gefunden hat. Die gute
Operationalisierbarkeit und Messbarkeit kognitiver Konstrukte – im Rahmen des
vorherrschenden Paradigmas - hat in Folge, auf Grund der historisch überlieferten
positiven Effekte von Meditation, zu großer Beachtung im klinischen Umfeld, sowie
mittlerweile auch in der breiteren, interessierten Bevölkerung gefunden. Dabei kann
das kognitive Modell eines von mehreren sein (Lazar, 2009). Wir sollen nebst dem
Hype um Forschung und Neuroimaging und Studien auf keinen Fall vergessen, dass
in den überlieferten Philosophien Achtsamkeit nicht der finale Zweck ist, sondern
dass es bei der Anwendung des Dharma noch um mehr geht, nämlich um die Ebene
für die es noch unzureichende Begrifflichkeiten gibt, die man am ehesten mit
»Herzensebene« beschreiben könnte, um im Sinne Eva Jaeggis „zu heilen die
zerstoßnen Herzen“.
Auf die Gefahr der Überbetonung des rationalen Aspektes in der Psychotherapie, die
zur Psychotechnik zu mutieren droht, weisen auch Grepmair und Nickel (2007) hin,
wenn sie den Psychologieprofessor Hautzinger zitieren der meinte „Produzieren wir
175
mit dieser naturwissenschaftlichen, nüchternen‚ Neuropsychotherapie, nicht nur noch
mehr Hinwendung zur ‚Esoterik’, zum ‚Glauben’ und zur Anwendung von
‚Handauflegung’?“. Die alten Griechen wussten um diese Problematik, die sie in der
Dynamik von Apollo und Dionysos, dem gegensätzlichen Brüderpaar, dem Verhältnis
von Rationalität und Irrationalität, dargestellt haben. Je mehr wir versuchen den
irrationalen Aspekt aus unserem Leben zu verdrängen, desto stärker macht er sich,
bis hin zum Wahn, bemerkbar. Integrieren wir Dionysos in unser Leben, bleiben wir
von seinen schädlichen Folgen verschont. Dieses Kräftespiel ist in Euripides Drama
»Die Backchen« eindrücklich dargestellt.
„Auch die von den Forschern geforderte ‚Qualitätssicherung’ könnte im Sinne D.T.
Suzuki (1981) die Psychotherapie ‚vivisezieren’ und damit das Herz der
Psychotherapie töten“ (Grepmair & Nickel, 2007, S. 155). Mit diesen Skizzen wird
schon deutlich dass es Meta-hermeneutischer Zirkel bedarf, um die Einbettung von
Psychotherapie ins Gesundheitswesen, mit ihrer berechtigten Forderung nach
Qualität, dem zu Grunde liegenden Wissenschaftsparadigma, den gesellschaftlich
ökonomischen Implikationen und dem »gesunden Menschen« als eigentliches Ziel,
förderlich und im Sinne melioristischen Engagements zu gestalten.
Derzeit befinden wir uns in der zweiten Welle der Rezeption buddhistischer Lehren.
Während in der ersten Welle der Fokus auf die Nutzbarmachung von Achtsamkeit im
täglichen Leben von im Westen lebenden Menschen gelegt wurde, werden jetzt die
therapeutisch wertvollen Methoden zur Entwicklung von Mitgefühl, Mitfreude,
Gleichmut und Liebe in die Psychotherapie zu integrieren versucht (AnderssenReuster, 2013). Es wartet ein reicher Schatz an buddhistischer Praxis, der übersetzt
und integriert werden will (Boddhicitta-Training, Lo-jong, Tonglen, ...). Dazu aber
braucht es ein Forschungsumfeld, das die für die Methoden passenden
paradigmatischen Rahmenbedingungen schaffen kann und kein rationalistisches
Prokrustesbett.
176
4.3 Achtsamkeitsforschung
4.3.1 Methodik
Einmal angenommen, Sie bewerben sich an einer Klinik als PsychotherapeutIn zur
Durchführung von achtsamkeitsbasierten Verfahren. Sie wollen diese Stelle, ja Sie
brauchen sie. Was werden Sie beim Fragebogen zur Erfassung ihrer Achtsamkeit
beim Item „Ich finde es schwierig, auf das konzentriert zu bleiben, was im
gegenwärtigen Augenblick passiert“ ankreuzen?
Dies trifft das zentrale Problem zeitgemäßer psychometrischer Forschung. So
methodisch korrekt diese auch durchgeführt werden, sie lassen die Motive des
Untersuchungssubjekts diese Antwort anzukreuzen und nicht eine andere, völlig
außer Acht. Die Diskussion der Problematik des logischen Empirismus im Rahmen
eines phänomenologischen Untersuchungsfeldes führe hier zu weit. Bildgebende
Verfahren zur Sichtbarmachung von Durchblutungsszenarien des Gehirns, oder
seien es Phaserbündelverläufe, die bunt und eindrucksvoll dargestellt, von der
Erklärung des Bewusstseins künden, sogar Gott sei im Gehirn lokalisiert, kann
ebenso wenig zufriedenstellend als Methodik zur Erforschung dessen erachtet
werden, was unter Gewahrsein, letzten Endes wieder nur individuell erfahrbar wird.
Aber interindividuell verifizierbar ist.
Vielmehr kann das derzeitige in der klinischen und psychologischen Forschung
vorherrschende Wissenschaftsparadigma als eine neue, postmoderne „große
Erzählung“ (Lyotard) betrachtet werden, welche die alten großen Erzählungen zu
ersetzen droht und mehr wird als bloß eines von vielen heterogenen Sprachspielen,
wie es Lyotard ursprünglich gedacht hatte. Wenn das rational positivistische
Wissenschaftsverständnis hegemonialen Anspruch auf die Erklärung von Welt und
Bewusstsein erhebt, wird sie damit zu einer neuen „großen Erzählung“ autoritärer
Prägung. Wie zunehmend wichtig dabei die Wertschätzung der Perspektive der
ersten Person innerhalb einer Wissenschaft ist, wie auch immer sie aussehen wird,
kann
im
Kontext
der
Erforschung
von
phänomenologisch
orientierten
Achtsamkeitsansätzen deutlich werden.
Dieses Wissenschaftsparadigma hat aber auch dazu geführt, dass die alte Weisheit
Indiens in klinisch therapeutische Behandlungsprogramme Einzug gefunden hat. Das
177
ist auch gut so. Wir sollten aber um Verwässerung und vor allem Verknöcherung der
Konzepte zu vermeiden auch »paradigmatisch in Bewegung bleiben«.
4.3.2 Ausblick
Lazar (2009) nennt noch einige interessante Fragen für die zukünftige Forschung
•
Was sind die Langzeitwirkungen auf die Gesundheit?
•
Wie verändert sich der kognitive Stil von Menschen? Kommt es zu
nachhaltigen konzeptuellen Veränderungen?
•
Können wir messen wie sich Weisheit entwickelt, z.B. mit dem Berliner
Weisheitsparadigma (Theissig, 2013)?
•
Sind achtsamkeitsbasierte Verfahren in der Psychotherapie wirksamer als
andere? Unterscheiden sich formale Sitzmeditation und informelle Meditation
im Alltag bezüglich ihrer Wirksamkeit?
•
Welche Kontraindikationen gibt es? Gibt es schädliche Wirkungen?
•
Wie viel Training soll ein Therapeut haben um Achtsamkeit lehren zu können?
Welche Art von Training – buddhistisch oder säkular – reicht die Technik oder
bedarf es Herzenstraining?
•
Ergibt sich eine positive Wirkung wenn Therapeut und Patient die gleiche
Theorie des Geistes haben und/oder beide Achtsamkeit praktizieren?
4.4 Fazit
4.4.1 Achtsamkeitspraxis als „Spirituelle Intervention“ oder „wertvolle
Grundlage“
und
„Beitrag
zur
Qualitätssicherung“
von
Psychotherapie?
Anhand der vorliegenden Evidenzen können wir ohne Zweifel festhalten, dass
langjährige Praxis von Achtsamkeitsmeditation der PsychotherapeutInnen für ihre
Arbeit durchwegs förderlich ist und sich in vielerlei Hinsicht positiv auf die
Therapiebeziehung
auswirkt
–
und,
wie
viele
meinten,
sogar
Basis
für
psychotherapeutisches Arbeiten sei. Die gelebten Grundhaltungen der DharmaPraxis durchwirkt sehr zum Wohle der KlientInnen die Haltung der TherapeutInnen.
Die dabei wichtige Kernaussage dieser Forschungsarbeit ist, dass all jene
Philosophien, Meditationsformen, der Buddhismus, mit dem sich die TherapeutInnen
178
beschäftigen, für den Klienten „transparent“ ist. Diese Themen kommen begrifflich
nicht in der Therapie vor. Wir bleiben auf säkularem Boden. Wenn es zu z.B.
achtsamkeitsbasierten Wahrnehmungsübungen innerhalb der Therapie kommt, dann
unter sorgfältiger, achtsamer Abwägung, ob dies für diesen Klienten zu diesem
Zeitpunkt indiziert erscheint. Kommt es zu einer Intervention, so wird diese aber
begrifflich nicht in den religiösen, philosophischen Kontext gestellt, sondern als
Therapeut bleiben wir ganz bei unserem Ziel und unseren Methoden, den
KlientInnen zu einer leiblichen Erfahrung zu verhelfen. Und genau das ist es, was wir
in der orthodoxen Integrativen Therapie auch machen. Es kann also Entwarnung
gegeben werden: Es handelt sich um keine „spirituelle Intervention“. Keine
Einschränkung der Religionsfreiheit – niemand wird nach seiner Religion gefragt,
oder nahegelegt zu einer anderen zu konvertieren, damit die Therapie erfolgreich ist
und er geheilt wird. Der Autor betrachtet alle Tendenzen der Nach-Außen-Projektion
unserer eigenen Themen in die vielfältigen esoterischen Irrgärten und „neuen
Heilssehnsüchte“ und die „Mythenfaszination“ (Petzold, 2010) als den falschen Weg
im Sinne eines Therapieprozesses, der als Ziel das integrierte Leib-Selbst hat, wie es
auch die InterviewpartnerInnen als Ziel des von ihnen so verstandenen spirituellen
Weges sehen. Doch was wenn der menschliche Geist „mehr zu bieten hat“, als das
„Kommunizieren in ko-respondierenden Konsens- Dissensprozessen“ (ebd). Diese
sind im sozialen Kontext äußerst wertvoll und wichtig, ohne Zweifel. Aber helfen sie
uns TherapeutInnen mit uns, mit dem was IN uns liegt, besser umzugehen, das Leid
unserer Klienten wofür es oft keine Begriffe mehr gibt, ein Stück mitzutragen? Da
gibt’s noch mehr zu entdecken als den intellektuellen Diskurs über das Gute, Wahre,
Schöne, den Sinn. Nicht statt, sondern sowohl als auch. Integrierend eben.
Wie gezeigt werden konnte, gibt es viele Überschneidungsflächen mit dem
Theoriegebäude der Integrativen Therapie. Ebenso gibt es viele Divergenzen in
konzeptueller Hinsicht, wenn wir die buddhistische Philosophie und Methoden aus
der Dharma-Praxis in ihrer ganzen Breite und Tiefe in die Psychotherapie integrieren
wollten. Eine buddhistische Psychotherapie sähe freilich anders aus, als die hier
dargelegten
Ansätze.
Das
war
aber
auch
nicht
Ziel
der
vorliegenden
Forschungsarbeit. Ausgangspunkt für einen weiterführenden Integrationsprozess
kann und darf es allemal sein.
»Jenseits von Begriffen ist im Herzen ein Ort, dort begegnen wir uns«
(frei nach Rumi)
179
5 Verzeichnisse
5.1 Literaturverzeichnis
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5.2 Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Die hermeneutische Spirale: Wahrnehmen, Erfassen, Verstehen,
Erklären und ihre meta-hermeneutische Überschreitung des Erklärens durch:
Diskursanalyse, Dekonstruktion, transversale Mehrebenenreflexion (Petzold,
2003) .................................................................................................................. 14!
Abbildung 2: Dimensionen der Relationalität (Petzold, 2003) ................................... 15!
187
Abbildung 3: Perzeptions-Halluzinations-Meditations-Kontinuum-Modell (Petzold,
2003, Fisher, 1974) ............................................................................................ 26!
Abbildung 4: Das Bewusstseinsspektrum (Modell nach Petzold, 1975, aus Petzold,
2003) .................................................................................................................. 27!
Abbildung 5: Geschichtliche Entwicklung – Vom Indien Buddhas zum heutigen
Westen (Allmen, 2007, S. 70-71) ....................................................................... 35!
Abbildung 6: Bedeutung des Wortes »Yoga« (Wolz-Gottwald, 2006) ....................... 38!
Abbildung 7: The 5th Wave by Rich Tennant ............................................................ 39!
Abbildung 8: Durch Achtsamkeit die Erleuchtungsfaktoren ins Gleichgewicht bringen
(Allmen, 2007, S. 238)........................................................................................ 70!
Abbildung 9: Verortung von Achtsamkeit innerhalb der buddhistischen Psychologie
(Wasner, 2014, nach Olendzki, 2009) ................................................................ 71!
Abbildung 10: Übersicht Achtsamkeitsübungen (Germer et al., 2009)...................... 85!
Abbildung 11: Scientific evidence for complementary therapies (Quelle: McCandless,
2009, Cochrane.org, Meta-studies via pubmed.org) .......................................... 87!
Abbildung 12: Anzahl an Publikationen zum Thema Achtsamkeit 1970-2009
(Mindfulness Research Monthly, Vol1. Num. 6, July 2010)................................ 88!
Abbildung 13: Anzahl der Publikationen zum Thema Achtsamkeit für 2013-2014
(Quelle: Mindfulness Research Monthly Newsletter, eigene Darstellung) ......... 89!
Abbildung 14: EEG Untersuchung des Genetikers und Buddhisten Matthieu Ricard
bei Dr. Davidson, Madison. ................................................................................ 97!
Abbildung
15:
Zeitlicher
Klärungsperspektive’
Verlauf
von
der
T-Werte
Meditations-
für
und
die
Skala
‚STEPP-
Kontrollgruppe
(nach
Grepmair&Nickel, 2007, S. 46)......................................................................... 103!
Abbildung
16:
Zeitlicher
Verlauf
Problemlösungsperspektive’
der
von
T-Werte
Meditations-
für
und
die
Skala
‚STEPP-
Kontrollgruppe
(nach
Grepmair&Nickel, 2007, S. 46)......................................................................... 103!
Abbildung
17:
Zeitlicher
Beziehungsperspektive’
Verlauf
von
der
T-Werte
Meditations-
für
und
die
Skala
Kontrollgruppe
‚STEPP(nach
Grepmair&Nickel, 2007, S. 47)......................................................................... 104!
Abbildung 18: f4analyse – Screenshot der Codierung ............................................ 110!
Abbildung 19: Profilmatrix - Ausschnitt .................................................................... 111!
Abbildung 20: Demografischer Hintergrund der InterviewpartnerInnen .................. 113!
Abbildung 21: Erfahrungshintergrund in der Psychotherapie .................................. 113!
188
Abbildung 22: Inhaltliche Ausrichtungen in der Psychotherapie.............................. 114!
Abbildung 23: Erfahrungshintergrund in der Meditationspraxis ............................... 115!
Abbildung 24: Inhaltliche Ausrichtungen in der Meditationspraxis .......................... 115!
Abbildung 25: Arbeitsfelder in der therapeutischen Praxis ...................................... 116!
Abbildung 26: Wirkfaktoren - Anzahl IP ................................................................... 117!
Abbildung 27: Wirkfaktoren - Betonung ................................................................... 118!
Abbildung 28: Auswirkungen auf die therapeutische Beziehung - Anzahl IP .......... 125!
Abbildung 29: Auswirkungen auf die therapeutische Beziehung - Betonungen ...... 125!
Abbildung 30: Einfluss auf Settingfragen – Anzahl IP ............................................. 140!
Abbildung 31: Einfluss auf Settingfragen – Betonung ............................................. 140!
Abbildung 32: Religiöse Aspekte – Anzahl IP ......................................................... 145!
Abbildung 33: Religiöse Aspekte – Betonung ......................................................... 145!
Abbildung 34: Übungen mit KlientInnen – Anzahl IP ............................................... 151!
Abbildung 35: Übungen mit KlientInnen – Betonung ............................................... 152!
Abbildung 36: Qualitätssicherung - Anzahl IP ......................................................... 157!
Abbildung 37: Qualitätssicherung – Betonung ........................................................ 158!
189
6 Anhang
6.1 Profilmatrix – Zitate zu den Codes
Dieser Anhang (168 Seiten) ist auf Anfrage separat erhältlich
6.2 Codesystem mit Originalzitaten
Dieser Anhang (100 Seiten) ist auf Anfrage separat erhältlich
6.3 Profilmatrix – Häufigkeiten
190
Nennungen
Betonung
1
1
0
0
1
0
0
Körperarbeit
1
0
1
0
0
0
0
0
0
Traumatherapie
1
0
1
0
0
0
0
0
0
Paare
1
0
0
0
0
0
0
0
1
Gruppen
1
0
1
0
0
0
0
0
0
Erziehungs- u Familienberatung
1
0
0
0
0
0
0
0
1
Achtsamkeitslehrerin
1
0
0
0
0
0
0
1
0
8
3
2
1
2
2
1
1
1
13
1,6
4
3
1
0
0
1
0
2
0
7
1,8
1
0
1
0
0
0
0
0
0
1
1,0
1
1
0
0
0
0
0
0
0
1
1,0
1
0
1
0
0
0
0
0
0
1
1,0
2
0
0
0
0
1
0
0
1
2
1,0
6
2
1
1
1
1
0
0
1
7
1,2
2
0
1
0
1
0
0
0
0
2
1,0
2
1
0
0
0
0
0
0
2
3
1,5
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
Klara
Gunther
Claudia
Waltraud
Manfred
0
Erika
Angelika
Fritz
3
IP Gesamt
Aufstellungsarbeit
Summe
50 55 28 42 38 29 36 37
Erfahrungshintergründe
Psychotherapie
0
0
0
0
0
0
0
0
vor Dharmapraxis
6
0
0
1
1
1
1
1
1
bis 1 Jahr
1
1
0
0
0
0
0
0
0
bis 5 Jahre
0
0
0
0
0
0
0
0
0
bis 10 jahre
0
0
0
0
0
0
0
0
0
bis 20 Jahre
2
0
1
0
0
0
0
1
0
bis 30 Jahre
4
0
0
0
1
1
1
0
1
mehr als 30 Jahre
1
0
0
1
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
Ausrichtung
Gestalttherapie
3
0
0
1
0
0
1
1
0
Klientenzentriert
2
0
0
0
1
1
0
0
0
Transaktionsanalyse
2
0
0
0
0
1
1
0
0
Integrative Therapie
1
1
0
0
0
0
0
0
0
Psychodrama
1
0
1
0
0
0
0
0
0
Verhaltenstherapie
Tiefenpsychologie mit systemischen
Erweiterungen
1
0
0
0
1
0
0
0
0
1
0
0
0
0
0
0
0
1
0
0
0
0
0
0
0
0
Meditationspraxis
vor Psychotherapie
2
1
1
0
0
0
0
0
0
bis 1 Jahr
0
0
0
0
0
0
0
0
0
bis 5 Jahre
1
0
0
0
0
0
0
1
0
bis 10 Jahre
1
0
0
0
0
0
0
0
1
bis 20 Jahre
5
1
0
1
1
1
1
0
0
bis 30 Jahre
1
0
1
0
0
0
0
0
0
mehr als 30 Jahre
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
Ausrichtung
Zen & MBSR
2
0
0
1
1
0
0
0
0
Vipassana & christliche Meditation
1
1
0
0
0
0
0
0
0
Tibetischer Buddhismus
2
0
1
0
0
0
0
0
1
Thich Nhat Hanh
1
0
0
0
0
1
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
Arbeitsfelder
Wirkfaktoren
1. Einfühlendes Verstehen, Mitgefühl,
Empathie
2. Emotionale Annahme und Stütze,
Akzeptanz, Selbstakzeptanz, Förderung
positiver Verhaltensweisen/Mitgefühl
für sich selbst
3. Hilfe bei der praktischen
Lebensbewältigung
4. Förderung des emotionalen
Ausdrucks und der Willenskraft
5. Förderung von rationaler Einsicht
und Sinnerleben
6. Förderung von Beziehungsfähigkeit
und kommunikativer Kompetenz
7. Förderung leiblicher Bewusstheit,
Selbstregulation und psychophysischer
Entspannung
8. Förderung von Lernmöglichkeiten,
Lernprozessen und Interessen
9. Förderung kreativer Erlebnis- und
Gestaltungsmöglichkeiten
10. Erarbeitung von positiven
Zukunftsperspektiven
11. Förderung eines positiven
Wertebezugs
12. Förderung von prägnantem Selbstund Identitätserlebens, sowie
Souveränität
Betonung
Nennungen
Klara
Gunther
Claudia
Waltraud
Manfred
Erika
Angelika
Fritz
IP Gesamt
13. Förderung tragfähiger sozialer
Netzwerke
14. Ermöglichen von
Solidaritätserfahrungen
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
14
2,8
14
3,5
17
2,1
Auswirkungen auf
therapeutische Beziehung
Vertiefte Beziehung
5
1
4
0
3
3
0
3
0
stärker im Kontakt wahrnehmend
1
0
0
0
0
0
0
1
0
Beziehung wird inniger, tiefer
1
0
0
0
0
0
0
1
0
Auf gleiche Augenhöhe ausrichten
1
0
1
0
0
0
0
0
0
Es geht um liebende Aufmerksamkeit
Therapie nur möglich, wenn es eine
Herzensverbindung gibt
Eine sichere Bindung zur Verfügung stellend, über
die Herzöffnung
1
1
0
0
0
0
0
0
0
1
0
0
0
1
0
0
0
0
1
0
0
0
0
1
0
0
0
bin liebesfähiger geworden
Verbundenheit zu spüren, Intersein,
wechselseitige Verflochtenheit
1
0
0
0
0
1
0
0
0
1
0
0
0
0
1
0
0
0
Handlungsspielraum in der Beziehungsgestaltung
wird größer als in VT vorgesehen
1
0
0
0
1
0
0
0
0
loslassen nach jeder Stunde
trotz loslassen zwischen den Stunden stabile
Therapiebeziehung anbieten können
1
0
1
0
0
0
0
0
0
1
0
1
0
0
0
0
0
0
Nachnährung wird verbessert
1
0
1
0
0
0
0
0
0
Mitleid wird zu Mitgefühl
1
0
0
0
0
0
0
1
0
Mitgefühl wird am Polster trainiert
1
0
0
0
1
0
0
0
0
4
5
0
0
2
0
1
6
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
Verringertes Kontrollbedürfnis
Erkennen, wenn ich als Therapeutin etwas
tun/sein/erreichen will
Arbeitsweise ist nicht mehr so gefährlich, muss
nicht mehr so viel kontrollieren
1
0
0
0
1
0
0
0
0
Kontrollbedürfnis wird weniger
2
0
0
0
1
0
0
1
0
Vorstellungen 'was sein sollte' loslassen
Veränderungs- / Anpassungswunsch /-druck ist
weniger geworden
1
0
0
0
0
0
0
1
0
1
0
0
0
0
0
0
1
0
Abgeben des Machen an ES soll machen
1
1
0
0
0
0
0
0
0
Nicht ICH mache, sondern ES geschieht
Erkennen können, wenn ich versuche zu
kontrollieren
1
0
0
0
0
0
1
0
0
1
1
0
0
0
0
0
0
0
Kreativer Raum jenseits des Ich Mache
1
1
0
0
0
0
0
0
0
Mit dem Lebendigen, dem Entwicklungspotenzial
in Verbindung bleiben, Hoffnung
1
1
0
0
0
0
0
0
0
prozessuale Diagnostik eignet sich besser
Abweichverhalten des Klienten innerlich
tolerieren
1
1
0
0
0
0
0
0
0
1
0
0
0
0
0
0
1
0
Abwehrverhalten überwinden
1
0
0
0
0
0
0
1
0
Das Unangenehme unangenehm sein lassen
1
0
0
0
0
0
0
1
0
8
1
5
1
3
2
1
1
3
3
1
0
0
0
0
0
1
1
1
0
1
0
0
0
0
0
0
1
0
0
0
1
0
0
0
0
2
0
0
1
1
0
0
0
0
1
0
0
0
0
0
1
0
0
1
0
1
0
0
0
0
0
0
Unmittelbare Wahrnehmung
unmittelbare Wahrnehmen was ist, ohne
Konzepte zu haben
leibliche (energetische) Gegenübertragung kann
ins Gespräch übertragen werden
Vertrauensbasis schaffen, um eigene
Wahrnehmungen anzubieten
Spüren statt moralische und Werturteile
richtig/falsch/Das Urteilen besser überwinden
Am stärksten ist das "Nicht-Werten" Offensein für
Widersprüchliches
Leibliches Einfühlen, Körper als
Wahrnehmungsorgan, Wahrheit vermitteln,
Interkation auf Beziehungsebenehmen
Präzise Wahrnehmung der Körpersprache und
Sprache
1
0
1
0
0
0
0
0
0
Übertragungsdynamiken bewusst werden
2
0
1
0
0
1
0
0
0
Klient in ihrem emotionalen Alter erfassen
Wahrnehmung des Veränderlichen und
Veränderbaren
1
0
1
0
0
0
0
0
0
1
0
0
0
1
0
0
0
0
muss niemanden bekehren
1
0
0
0
0
0
0
0
1
sich weniger von Sympathien beeinflussen lassen
1
0
0
0
0
1
0
0
0
Den Klienten vorurteilsfrei so sein lassen.
1
0
0
0
0
0
0
0
1
0
0
0
4
2
1
3
3
2
0
0
0
0
1
0
1
0
1
0
0
0
1
0
0
0
0
Therapien sind lustiger, entspannter geworden
Viel leichter! Wie beim Eiskunstlauf - Ich laufe
zum Großteil "Kür"
1
0
0
0
1
0
0
0
0
1
0
0
0
0
0
1
0
0
Humor kommt von Herzensgüte
Sich Zeit lassen, das langsame sich begegnen,
den Klient Zeit geben
1
0
0
0
0
0
0
0
1
1
0
0
0
1
0
0
0
0
unaufgeregt in aufgeregten Situationen
1
0
0
0
0
0
0
0
1
geduldiger
4
0
0
0
1
1
0
2
1
Therapie ist anstrengender als Meditation
1
0
0
0
0
0
0
1
0
6
3
0
1
2
0
1
2
1
Leiden besser aushalten, besser begleiten
2
0
0
0
0
0
1
1
0
unerschrockener mit Situationen umgehen
"Die Katastrophe des Lebens" annehmen lernen,
nicht alls weg machen wollen
Sich nicht im Klienten verlieren, zentriert bleiben,
wieder in Mitte finden
Kontaktgrenze subtiler gestalten. Nicht ins Elend
hineingezogen werden
1
0
0
0
0
0
0
0
1
1
0
0
0
2
0
0
0
0
1
1
0
0
0
0
0
0
0
1
0
0
1
0
0
0
0
0
Positive Auswirkung auf Nicht-Fürchten
1
1
0
0
0
0
0
0
0
Nicht-Fürchten wird als heilsam erlebt
1
1
0
0
0
0
0
0
0
weniger ängstlich was alles passieren kann
Es darf auch was passieren, ohne dass sofort
etwas daneben geht - entspannter
1
0
0
0
0
0
0
1
0
1
0
0
0
1
0
0
0
0
4
0
1
1
1
0
1
0
0
1
0
0
1
0
0
0
0
0
2
0
1
0
1
0
0
0
0
1
0
0
0
0
0
1
0
0
5
1
1
0
1
0
1
0
1
Selektive Offenheit wird erleichtert
Modell Lernen durch in Resonanz gehen mit
eigenem Weg
1
0
0
0
0
0
0
0
1
1
1
0
0
0
0
0
0
0
selektive Offenheit
1
0
1
0
0
0
0
0
0
Das "sich Raum geben" hat Modellwirkung.
Wahrnehmungsbereitschaft Dinge sein lassen u
können ist sehr stark als Modell wirksam
1
0
0
0
1
0
0
0
0
1
0
0
0
0
0
1
0
0
3
0
1
0
1
0
0
0
2
1
0
0
0
0
0
0
0
1
1
0
0
0
1
0
0
0
0
1
0
1
0
0
0
0
0
0
1
0
0
0
0
0
0
0
1
6
3
3
2
1
0
2
0
1
2
0
0
2
0
0
1
0
0
2
1
0
0
1
0
0
0
0
2
1
4
0
0
0
0
0
0
2
1
1
0
0
0
0
0
0
3
0
1
2
0
0
0
0
1
1
0
0
0
0
0
1
0
0
angstfreier
Abgrenzungsthematik
Wohlwollende Neutralität - Verbundenheit &
Unterscheidung gleichzeitig
Anderes Verständnis von Abgrenzung vs
Verbundensein
Inneren Raum weiten statt sich abzugrenzen
Modellwirkung
Verbesserte Defusion
Gleichmut gegenüber Emotionen und Gedanken
entwickeln
Bewußtsein der subjektiven, konstruierten
Weltsicht, also die Klientenperspektive
Ich erschaffe die Welt durch Projektion. Trennung
von Welt und Ich-Bw spielt sich in Logik ab.
Nicht mehr auf jeden emotionalen Zug
aufspringen
nach Retreats
Wahrnehmung der leiblichen
Resonanzphänomene wird präziser, zeitlich
unmittelbarer, geschärft, leichter, weniger
angestrengt
Eigenes Erleben ist Grundlage für die Vermittlung
der Achtsamkeits-Haltungen (dass sich Gefühle
verändern können)
Eigene Themen aus Retreat kommen danach bei
Klienten, habe dann Vorsprung, De-Identifikation
mit eigenen Prozessen leichter, besser aus
Konfluenz lösen/Weniger ärgern, die Themen bei
den Klienten lassen
Besser bei sich zentriert bleiben können
Therapeutische Arbeit als Dharmapraxis zu sehen,
wo die Übung nie aufhört, Mitgefühl für andere
wächst mit Mitgefühl für sich selbst
Unterscheidung ob weiter Therapie oder doch
besser mit Freundin reden erleichtert.
Betonung
5
Arbeit wird ruhiger, lustiger, entspannter
Arbeit wird entspannter, mehr Vertrauen durch
Nicht-wissen-müssen
Nennungen
Klara
Gunther
Claudia
Waltraud
Manfred
Erika
Angelika
Fritz
IP Gesamt
Entspannter Arbeitsmodus
14
2,8
11
1,8
4
1,0
5
1,0
4
1,3
17
2,8
10
2,5
Einfluss auf Settingfragen
Finanzielle Unabhängigkeit
4
2
5
0
0
1
0
2
0
Kontraktgestaltung unabhängiger von eigener
existentieller Situation
3
1
1
0
0
0
0
1
0
Rücksichtnahme auf finanzielle Situation
2
0
1
0
0
0
0
1
0
0
0
0
0
1
0
0
0
1
0
1
0
0
0
0
0
0
Im Fluss sein auf finanzieller Ebene, vertrauen
2
1
1
0
0
0
0
0
0
Andere Einkommensquellen haben
1
0
1
0
0
0
0
0
0
5
0
2
0
1
3
2
1
0
Dem Klienten überlassen/außer in kritischen
Phasen/Wertfreiheit, Klient kann frei entscheiden
ob wir miteinander arbeiten wollen
2
0
2
0
0
0
0
2
0
Klient leichter loslassen können
1
0
1
0
0
0
0
0
0
im Vertrauen auf seine Buddha-Natur
Spürbar, es ist ein Weg zu Ende, aber Heilung
geht weiter
durch Fokussierung auf formulierte Ziele des
Klienten
Durch intesivere Meditation wird die Essenz der
therap. Beziehung spürbarer und dadurch
etwaiges Therapieende leichter ansprechbar
1
0
0
0
0
1
0
0
0
1
0
0
0
0
1
0
0
0
1
0
0
0
0
0
1
0
0
1
0
0
0
0
0
1
0
0
weniger Therapieabbrüche
Beziehung, Interbeing, über Therapieende
hinaus/Beispiel - Lernen von Sozialkontakten nur außerhalb der Therpaie - aber mit
Therapeutin - möglich
1
0
0
0
0
1
0
0
0
1
0
0
0
2
0
0
0
0
2
1
1
0
0
0
0
0
0
2
1
2
0
0
0
0
0
0
Therapiedauer
professionelle Netzwerke
nicht von Infos an Zuweiser beeinflussen
lassen/Welche Klienten kann ich annehmen,
welche Netzwerke kann ich nutzen/für meinen
Bedarf an persönlichem Freiraum/ (ethische
Dimension)
Betonung
1
Nennungen
Klara
Gunther
Claudia
Waltraud
Manfred
Erika
Angelika
Fritz
IP Gesamt
Die Interessen des anderen besser wahrnehmen,
nicht von meinen eigenen geleitet werden
Trotz defacto-Abhängigkeit sich geistig von
Bindung an Klienten freimachen
12
2,4
3
1,5
17
2,8
11
1,8
7
2,3
7
1,4
Religiöse Aspekte
Religionsfreiheit gewährleistet
6
1
1
0
1
3
3
0
4
Religionsfreiheit ist gewährleistet/Menschen
nicht religiös / philosophisch /spritituell
beinflussen/kein missionarischer Auftrag
4
0
3
0
1
0
1
0
1
Die Rolle des Buddhismus
0
0
0
0
0
0
0
0
0
Buddhismus wird als solcher gar nicht erwähnt
3
0
0
0
0
1
1
0
1
kann eine Überreligiöse Sprache
Buddhistische meditation ist kein Widerspruch zur
christlichen Kultur (ist Theologe)
es benennen, wenn jemand bewußt danach
sucht
1
1
0
0
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Haltung, auf die andere Ansätze aufsatteln
Verantwortung für Auswirkungen ohne KarmaBegriff/Ethik als guideline - ohne Dogmas
Meditationspraxis durchwirkt mein ganzes Leben,
ist völlig integriert./Achtsamkeit erstreckt sich
über den ganzen Tag, von privat über Arbeit dann
wieder zu privat
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Erfahrungsbasiert
Die Erfahrung ist entscheidend, nicht die
Methoden oder Konzepte, oder metaphysische
Spekulationen
Verankerung in Leibmitte / Fokus auf das IN uns
liegende, der Buddha-Natur /
Selbstverantwortung / Achtsamkeitskonzept ist
transkonfessionell / kein externer Gott
Spiritualität
Spiritualität heißt ein Kind der Erde werden
(weltimmanent zu sein)
Spiritualität als Entwicklung zum körperlosen
Geist ist tragischer Irrtum
Spir ist Dialogisch - Im Wechsel zw
Verbundenheit und Autonomie - auf allen Ebenen
SPIRIT ist Zugang zum Göttlichen Kern
finden/Therapie mit dieser Ausruchtung ist
implizit spirituell
SPIRITU In Kontakt mit mir selbst sein
SPIRITU Nicht nur mich im Auge haben, sondern
alle Wesen/Bewusstsein für die Verbindung aller
Wesen.
Übungen mit Klienten
Atemübung
Anleiten zum bewussten Atmen
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Abwägen, wie ich die Atem-Übung benenne
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keine Atemübungen anleiten
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2
3
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2
Bodyscan
Bodyscan & Körperwahrnehmung
Defusionstechniken
Ich-Wahrnehmung differenzieren,
Wahrnehmungsübungen bei Beginn mit Gruppen
De-Identifikation mit Lebensgeschichte
Beobachterperspektive auf Gedanken und
Gefühle zur Distanzgewinnung einnehmen
Meditation
Meditation ersetzt nicht Psychotherapie, das sind
zwei Wege
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0
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1
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1
1
noch nie jemanden gesagt er soll meditieren
Die Übungen nicht als Meditation benennen oder
in eine Richtung werben
Achtsamkeit hilft bei Wahrnehmung was kann
der Klient nehmen - Atemübung oder nicht.
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Antwort geben wenn jemand danach fragt
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Bei Indikation Vorschlag zu MBSR Kurs
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kein Achtsamkeitstraining, sondern nur Elemente
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Meditation anleiten
Aufstellungsarbeit ist hoch buddhistisch Unsinnigkeit von Wertungen wird leiblich
erfahrbar
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Hinweisen auf die eigene Buddha-Natur - durch
Geschichten
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Methode des Widmens bei Schuldgefühlen
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Mitfreude gegen Neid bei Kinderwunsch
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0
Buddhistische Techniken
Betonung
1
Tiefer atmen als Modell für KlientIn
Sich 5 Minuten für sich und das Thema Zeit
nehmen
Nennungen
Klara
Gunther
Claudia
Waltraud
Manfred
Erika
Angelika
Fritz
IP Gesamt
Atemmeditation 5 Minuten zu Beginn um
Verbindung herzustellen
4
1,3
5
1,3
11
2,2
4
1,3
9
1,3
4
1,0
6
1,5
Qualitätssicherungsaspekte
verbessertes Selbstmanagement
7
2
1
1
0
2
1
1
1
verbessertes Selbstmanagement
1
1
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0
0
0
0
0
0
Selbstfürsorge
1
0
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0
0
1
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Spüren, wieviel Stunden pro Tag möglich sind
leistungsfähiger - Kann im Alter mehr arbeiten
und es ist weniger anstrengend
Burnout Prophylaxe, gegen Verhärtung und
Zynismus - ohne spirituelle Praxis nicht machbar
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Prävention für psychosomatische Beschwerden
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Viel Mitgefühl-Training ohne auszupowern
Hilfe, wenn man in der Therapie nicht weiter
weiß
Verbesserte Selbstwahrnehmung führt zu
besserer Wahrnehmung des Klienten
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nicht im Leidensraum des anderen verlieren
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Durch das Dunkle nicht nach unten ziehen lassen
Verlust Trauer mit Einfachheit geschützt Halten
können
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Klient nicht "nach Hause" mitnehmen
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Meditation als Basisübung
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(Zen) Meditation die radikalste Selbsterfahrung
Meditation/Schweigen ist radikalste Form der
Selbsterfahrung
Dharmapraxis & Lehre die beste Weiterbildung
die ich gemacht habe (in 30 Jahren)
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Psychotherapie alleine wäre mir zu wenig.
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Abgrenzungsthematik
Meditation als Basisübung
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