Psychodynamische Aspekte bei depressiven Störungen

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State of the art Psychodynamische Aspekte bei
depressiven Störungen
Wolfgang Söllner
Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische
Medizin, Klinikum Nürnberg
Übersicht
v Verschiedene Formen der Depression
v Konzepte zur Ätiologie
v Was ist neu in der Behandlung?
v Konsequenzen für die Psychodynamische Behandlung
Wolfgang Söllner, Nürnberg
Verschiedene Formen der
Depression
„Ätiologische“ Einteilung:
z Endogene Depression
z Neurotische Depression
Phänomenologische
Einteilung (ICD-10, DSM-IV):
z Episodisch verlaufende
Depressionen
u
u
unipolar (eine Episode,
rezidivierend)
bipolar
z Chronisch verlaufende
Depressionen (>2 J.)
u
u
Chronifizierung nach episod.
Verlauf
Primär chronisch (Dysthymie,
Zyklothymie)
Wolfgang Söllner, Nürnberg
Kriterien für depressive Episode
Mindestens 5 der folgenden Symptome (mind. 2 Leitbeschwerden)
mit täglicher Beeinträchtigung über mind. 2 Wochen
Psychische Beschwerden:
• Niedergeschlagenheit, Weinen
• Interesse- und Lustlosigkeit
• Reizbarkeit
• Gefühl der Gefühllosigkeit
• Hilflosigkeit
• Hoffnungslosigkeit
• Pessimist. Gedankenkreisen
• Selbstwertprobleme
• Schuldgefühle
• Suizidgedanken
• Sozialer Rückzug
Körperliche Beschwerden:
• Antriebslosigkeit, Müdigkeit
tagsüber
• Appetitlosigkeit oder
Appetitzunahme
• Gewichtsverlust oder
Gewichtszunahme
• Schlafstörung
• Konzentrationsstörung
• Libidoverminderung
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Major und Minor Depression
(DSM-IV)
> 5 Symptome
Major Depression
leicht:
2 Leitsy + 3 Zusatz-Sy
mittel:
2 Leitsy + >3 Zusatz-Sy
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< 5 Symptome
Minor D., depressive
Anpassungsstörung
schwer:
2-3 Leitsy + >4 Zusatz-Sy
ev. psychotische Sy.
Differentialdiagnose
Organische Erkrankung:
• Neurologische Erkrankungen:
Multiple Sklerose, M.
Parkinson, Hirntumor,
beginnende Demenz (CT,
MRT)
• Endokrinologische
Erkrankungen
(Schilddrüsenfunktion)
• Anämien (Blutbild)
• Immunologische Erkrankungen
(Prodromalstadium einer
Autoimmunerkrankung)
• Vorbote einer schweren
körperlichen Erkrankung (z. B.
Pankreas-Ca)
Psychische Erkrankungen:
• Depress. Anpassungsstörung
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Reaktion auf belastendes
Ereignis
Hilf- und Hoffnungslosigkeit
häufig Angst und Depression
gemischt
erfüllt nicht die Kriterien einer
depressiven Episode
Dauer selten länger als 6 Mo
Generalisierte Angststörung
Substanzmissbrauch
Persönlichkeitsstörung
Psychose (schizoaffektiv,
Residualzustand)
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Depressive Störungen: Prävalenz
Lebenszeitprävalenz:
• 5-10% alle depressiven
Störungen (ohne subklinische)
• 4% depressive Episoden
• 2% Dysthymien
• 1% bipolare Störungen
18
16
14
12
10
8
6
• D: 4 Mio. Menschen
• weltweit > 100 Mio.
4
2
0
Wittchen et al. 1992
Taiwan
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6-Monat
D
USA
Lebenszeit
Depression: Verlauf
Verlauf:
v 15% nur eine Episode
v 50-75% mehrere
Episoden
Ø Ø 4 bei unipolarer D.
Ø Ø 6 bei bipolarer D.
v 10-15% chronischer
Verlauf (>2 Jahre)
Suizid:
v Suizid Ø 4%; bei
schweren D. 8-13%
Picinelli & Wilkinson 1996, Volk et al.
1998, Linden et al. 2003
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Depressive Störungen: Gesicherte
Risikofaktoren
Ø Frauen (OR 2-3)
Ø Jüngeres Alter
Ø Depression in der Familie
(Verwandte 1. Gr.: OR 1.5-3)
Ø Chron. körperliche Erkrankung
Ø Substanzmissbrauch
Ø Belastende Lebensereignisse
(Verluste)
Ø Unbewältigter chron. Stress
Ø Mangelnde soziale
Unterstützung
Ø Städtische Umgebung
Ø Niedriger sozioökonom. Status
RF für Rezidive und
Chronifizierung:
Ø Zahl und Schwere der
Episode(n)
Ø vorhergehende Dysthymie
Ø begleitende Angsterkrankung
Ø Persönlichkeitsstörung
Ø unzureichende Behandlung
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Ätiologie: Somatische Modelle
v Genetische Hypothese: Hinweise
für polichromosomale Störung
insbes. bei bipolarer Störung
(Chromosome 18, 4 und 21)
v Transmitterstörung: Mangel an
Bioverfügbarkeit von Noradrenalin
bzw. Serotonin (aber auch Dopamin,
GABA und Glutamat) in best.
Hirnarealen (Präfrontaler Cortex,
Basalganglien, medialer Thalamus,
Hippocampus, Amygdala etc.)
v Neuroendokrine Störung:
Immunologische Störung:
Dysregulation (Überaktivität) der
Sickness Behaviour
Hypothalamus-Hypophysen-NNRAchse
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Ätiologie: Psychologische Modelle
v Folge einer unzureichenden Verarbeitung von
belastenden Life events und chronischem Stress
v Life-event Studien (Brown & Harris 1980, Katschnig 1989)
v Frühkindliches Defizit an emotionaler Zuwendung und
Sicherheit
v Reaktion des Kleinkindes auf prolongierte Trennung: Protest Verzweiflung - Distanzierung, depressiver Affekt (Bolwby 1969)
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Ätiologie: Psychodynamische Modelle
1. Autoaggressionshypothese
v K. Abraham (1912), S. Freud (1917):
Ø Gegen das Selbst gerichtete Aggression, wenn eine intensiv
ambivalent besetzte „Objektbeziehung“ verloren geht;
Ø Spaltung und Verschmelzung eines Teils des Selbst mit dem
internalisierten „Objekt“ („Regression der Libido in das Ich“)
Ø Todestriebmodell
v M. Klein (1940), E. Jacobson (1971):
v Frühes Spaltungsphänomen: Säugling erlebt Beziehung zur
Mutter idealisierend und aggressiv-verfolgend; beide Aspekte
werden internalisiert und dadurch Schuldgefühle (strenges
verfolgendes Über-Ich) und permanente Ambivalenz ausgelöst
Ø (Realer) Verlust des „Objekts“ wird ubw. als Folge der eigenen
Aggression phantasiert - Folge sind anhaltende Schuldgefühle
und Depression
v Benedetti (1987): Abhängigkeit - Autoaggressivität - gestörte
Idealbildung
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Ätiologie: Psychodynamische Modelle
2 Narzisstischer Mechanismus
v Primär narzisstische
Wunde in der Kindheit,
spätere narzisstische
Kränkung (Wisdom 1967)
v Depressiver Affekt =
„Antwort auf den Verlust
externer und interner
guter Objekte“ (Kernberg
2000)
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Multifaktorielles
Modell
Genetische Faktoren
Kindheit: Verluste,
unsichere Bindung,
destruktive innere Objekte
Chronifizierung
Körperl. Erkrankung
Vulnerabilität
Rezidiv
Weitere LE und
Distress
Beziehungsdysfunktion
Hormonelle und
immunolog. Faktoren
Veränderung des
Verhaltens
Depression
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Unbewältigte belast. LE
(Verluste) und chron.
Distress
Therapie: Ziele
Ätiologisch
v ?
Symptomatisch:
Körperlich:
v Transmitterstörung
beeinflussen
v Endokrinolog. Stressdysregulation beeinflussen
Psycho-sozial:
v Aktivität fördern
v Dysfunktionale Kognitionen
verändern
v Ungünstige Affektdisposition
verändern
v Ungünstige
Beziehungsdisposition
verändern
v Intrapsychische Folgen von
Traumata bearbeiten
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Depression: Anzahl von Publikationen zur
Therapie 1994-2004
2500
2300
(nach Schauenburg 2005)
2000
1500
1000
500
250
50
100
PDT
IPT
0
Allg
KVT
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Psychotherapeutische Grundhaltung
bei akuter Depression
Ernstnehmen
Entstigmatisieren
Entängstigen
Befindlichkeit und Gefühle ansprechen
Ausdruck von Gefühlen fördern
Negative Kognitionen (pessimistisches Gedankenkreisen,
Selbstwertzweifel) aufgreifen, klären, verändern
Ø Suizidgedanken ansprechen
Ø Sich auch dem Positiven zuwenden, Ressourcen klären
Ø Perspektiven eröffnen
Ø
Ø
Ø
Ø
Ø
Ø
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Pharmakologische Behandlung:
Substanzen
Ø Trizyklika: bei körperlich Kranken wg. Nebenwirkungen
Mittel 2. Wahl (anticholinerg, sedierend,
Gewichtszunahme, kard. Reizleitungssystem, Glaukom)
Ø SSRI: Mittel 1. Wahl, insbesondere Med. die weniger
mit anderen Pharmaka interagieren (Cytochrom P450Isoenzyme): Citalopram, Sertralin
Ø SNRI: Mirtazapin, Venlafaxin, gute Wirkung,
Interaktionen weniger gut untersucht
Ø Hypericum (Johanniskraut): leichte bis
mittelschwere Depression; aber cave Interaktionen (z.
B. mit Cyclosporin, Theophyliin, HIV-Medikamenten)
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Pharmakologische Behandlung:
Prinzipien
einschleichend dosieren
ausschleichen!
über NW informieren
Erhaltungstherapie: nach 1. Eisode 4-6 Monate; selbe
Dosierung die zur Remission führte
Ø Rezidivprophylaxe: nach 2./3. Episode 2 Jahre
Ø
Ø
Ø
Ø
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Psychotherapeutische Behandlung:
Methoden 1
Verhaltenstherapie: Lehwinson et al. 1974
Ø Ziele: Förderung der Aktivität, Verminderung des sozialen Rückzugs
Ø Methoden: Stimmungs- und Aktivitätstagebuch, Aktivitätstraining,
Training der sozialen Kompetenz und der Problemlösungsfähigkeit
Kognitive Therapie: Beck et al. 1967, Hautzinger et al. 1992
Ø Ziele: Veränderung der erlernten Hilflosigkeit, Kognitionen und
Gefühle der Wertlosigkeit
Ø Methoden: Analyse dysfunktionaler Kognitionen, Prüfung an der
Realität („sokratischer Dialog“), Erarbeitung alternativer
Kognitionen
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Psychotherapeutische Behandlung:
Methoden 2
Interpersonale Psychotherapie (IPT):
Ø Anerkennung der D. als Krankheit und der Krankenrolle des
Patienten (Edukation)
Ø Fokus auf depressive Symptomatik und deren Bewältigung
Ø Strategien zur Bewältigung interpersoneller Probleme (Trennung,
Trauer, soziale Rollenkonflikte oder -veränderungen)
Psychoanalytische bzw. psychodynamische Psychotherapie:
Ø zielt auf Klärung, Interpretation und Durcharbeiten bew. und ubw.
interpersonaler und intrapsychischer Konflikte bzw.
Ø frühe Traumatisierung und „Objektverluste“
Ø Analyse der Übertragung in der therapeutischen Beziehung
Ø Einsicht, Konfliktbewältigung, Veränderung von Beziehungsmustern
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Psychotherapeutische Behandlung:
Prinzipien
Ø Anpassung der Therapie an die Schwere und an die
Phase der Depression (akut - nach Stabilisierung Remission)
Ø Suizidalität klären
Ø Information über die Erkrankung
Ø Klaren Therapieplan erstellen
Ø Ambulante oder (teil-)stationäre Therapie
Ø Monotherapie oder Kombinationstherapie
Ø Kooperation mit Arzt, Psychiater
Ø Einbeziehung Angehöriger (zumindest in Akutphase)
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Psychotherapeutische Behandlung:
Akutphase
Ø Fokussierung auf aktuelle
Situation
Ø Therapie der Kernsymptome
(Rückzug, Aktivitätsminderung, Stimmung)
Ø Ermutigung zu aktiven
Strategien der Krankheitsverarbeitung
(lösungsorientiert)
Ø Aktives Ansprechen der
individuellen und sozialen
Ressourcen (Stärken) des
Patienten
Ø Angstvermindernde Techniken
Ø Vorsichtige Techniken, um den
Ausdruck von Gefühlen zu
fördern: ev. Kombination mit
non-verbalen Techniken
Ø Komb. mit Gruppentherapie
sinnvoll (social support)
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Psychotherapie: nach Stabilisierung
Stabilisierungsphase:
Ø Bearbeitung ungünstiger
Kognitionen
Ø Bearbeitung ungünstiger
Beziehungsmuster
Ø konkrete Problemlösung
Ø Steigerung von
Kompetenz und
Selbstwirksamkeit
Remission:
Ø Fortsetzung der Therapie
nach Stabilisierung der D.
Ø Bearbeitung (früher)
Traumata und
konflikthafter
ambivalenter
Beziehungsmuster
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Interpersonale Psychotherapie
(Klerman & Weissman 1984, Schramm 1996)
• Pragmatischer Ansatz speziell zur Behandlung (akuter)
depressiver Störungen
• Wurzeln: Interpersoneller Ansatz in der psychodynamischen
Therapie (H. S. Sullivan)
• Fokus auf die zwischenmenschlichen Beziehungen und deren
Zusammenhang mit der Symptomatik
• Behandlung „im Hier und Jetzt“, auf bewusster kognitiver
Ebene
• Kurztherapie 12-20 Sitzungen
• Unterschied in therapeutischer Strategie, nicht in der Haltung
und der Technik
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Interpersonale Psychotherapie
Behandlungsstrategien
Anfangsphase:
z Anerkennung der D. als
Krankheit; Symptome
werden ausführlich
besprochen
z Anerkennung der
Krankenrolle des Pat.
z D. in den interpersonellen
Kontext bringen
z Problembereiche
identifizieren
z Konzept der IPT erklären und
Therapievertrag
abschliessen
Mittlere Phase:
z Verluste bearbeiten:
Trauerprozess fördern, Hilfe
neue Interessen und
Beziehungen aufzubauen
z Interpers. Konflikte
identifizieren, Erwartungen u/o
gestörte Kommunikation
verändern
z Rollenwechsel: Verlust der
alten Rolle betrauern, neue
Rolle akzeptieren lernen
z Soziale Isolation verringern
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Interpersonale Psychotherapie
Behandlungsstrategien und -technik
Endphase:
z Nahendes Ende ausführlich
besprechen
z Abschiednehmen
z Gefühl für Autonomie stärken
Techniken und ther. Haltung
z Exploration
z Analyse der Kommunikation
z Klärung
z Ermutigung zu
Gefühlsäußerungen
z Einsatz der therapeutischen
Beziehung im supportiven Sinn
z grössere Aktivität des
Therapeuten
z keine genetischen oder
Übertragungs-Deutungen
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Psychoanalytische bzw.
psychodynamische Therapie
Psychoanalyse (Klassisches
Verfahren)
Ø Zurückhaltung und „Abstinenz“
des Therapeuten
Ø Fokus auf die
Persönlichkeitsveränderung
und die Gestaltung der
therapeutischen Beziehung
und nicht auf die Reduktion
der aktuellen Symptomatik
Ø Langzeittherapie
Psychodynamische Therapie
(Tiefenpsychologisch fundierte
Therapie, Fokaltherapie, Malan
1979, Strupp 1982, Luborsky
1984, Klüwer, Lachauer)
Ø Fokus auf Symptomatik und
auf den „zentralen
Beziehungskonflikt“
Ø Aktivere Haltung des
Therapeuten
Ø zumindest am Beginn weniger
konfrontierend,
angstreduzierend
Ø Kürzere Dauer (25-80 Sitz.)
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Psychodynamische Therapie: Indikation
und Kontraindikation
Klassisches Verfahren
Indikation:
Ø chron. Depression, Dysthymie
Ø begleit. Persönlichkeitsstörung
Ø frühe Traumata
Ø Reflexionsfähigkeit
(„psychological mindedness“,
Horowitz 1994)
Kontraindikation:
Ø Akutphase
Ø psychotische Depression
Ø bipolare Depression
Fokussierte psychodynam.
Therapie
Indikation:
Ø wie klassisches Verfahren
Ø bei entsprechender
Fokussierung auf die
Symptomatik auch in
Akutphase
(relative) Kontraindikation:
Ø psychotische Depression
Ø bipolare Depression
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Psychodynamische Therapie:
Behandlungsphasen nach Benedetti
z Phase der Abwehr, der Negativität, der Ablehnung von
Hilfe (Akutphase)
z Phase der Öffnung: Beginn der Suche nach dem
grundlegenden Konflikt
z Phase der Reflexion: eigentliche tiefenpsychologische
Arbeit; „eigene Beteiligung“ an der Symptombildung
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Psychodynamische Therapie: Probleme im
therapeutischen Prozess
z Negative therapeutische
Reaktion
z Gegenübertragungsprobleme:
u Gefühle von Ohnmacht,
Hilflosigkeit und Ärger
u führen zu Machtkampf,
Distanzierung oder
Überaktivität
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Psychotherapie: Wirksamkeit
Metaanalyse von Westen &
Morrison, J Consult Clin
Psychol 2001;69:875-99
Ø alle RCTs <= 20 Sitzungen!
Ø 51% nach abgeschlossener
Therapie gebessert
Ø 37% gebessert bei intent to
treat
Ø nach 1-2 Jahren keine
Konstanz der Effekte
Kritik von Lambert (JCCP 2001):
Ø Ergebnisse besser und
überdauernder
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Psychotherapie: Wirksamkeit
Ø
Ø
Ø
Ø
Ø
Ø
Methode: 0-5%
Spezielle Techniken: 0-5%
Arbeitsbündnis: 5%
Allegiance*: 10%
Person d. Therapeuten: 6-9%
Faktoren ausserhalb Th: 70%
Ø
Ø
Ø
Ø
Unspezifische Faktoren: 30%
Erwartung (Plazebo): 15%
Methode/Techniken: 15%
Faktoren ausserhalb Th: 40%
Lambert & Barle
Bruce Wampold: The Great
Psychotherapy Debate 2001
* Überzeugtheit des Therapeuten
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Vergleich Pharmako- mit Psychotherapie:
NIMH Depression Study (akute D.)
Elkin et al., Arch Gen
Psychiatry 1989;46:971-82
Ø KVT vs. IPT vs. AD vs.
Plazebo
Ø Leichte Depression: KVT ist
den anderen Verfahren
überlegen
Ø Schwere Depression
(HAMD>20): AD überlegen
Blatt et al., J Consult Clin
Psychol 1996;64(1):127684
Ø Erfolgreicher waren
Therapeuten, die eher ein
„psychologisches Bild“ der
Depression hatten, längere
Therapien befürworteten
und Psychotherapie als
erfolgreicher einschätzten
als AD (Alliance!)
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Vergleich Pharmakotherapie und
Psychotherapie
Erfolgsraten:
Ø Psth=Komb>Med
Ø Psth: 8 = 16 Sitzungen
Ø Psth besser akzeptiert
(weniger drop-outs)
% gebesserte Patienten
80
70
60
50
40
30
Me d
P sth
Ko mb
C
L90
M
D
S
Wolfgang Söllner, Nürnberg
H
A
at
ie
nt
T
he
ra
pe
ut
20
10
0
P
Kool S & Decker (J Aff Dis
2002, Br J Psychiatry 2004)
Ø 2 3-armige RCTs
Ø Patienten: MD, HAMDScore<20, nicht suizidal
Ø Psychotherapie: 8 bzw. 16
Sitzungen, störungsspezifisch,
psychodynamisch,
manualisiert, Tonband, 2wöchentl. Supervision
Ø Med. Therapie:
SNRI>SSRI>TCA
Ø Kombinationstherapie
Vergleich Psychodynamische Therapie Kognitive Verhaltenstherapie
Metaanalyse bei akuter Depression
Leichsenring, Clin Psychol Rev 2001;21:401-19
Ø alle RCTs inkludiert, die mindestens 13 Sitzungen und mind. 20
Patienten je Gruppe umfassten
Ø kein Unterschied gefunden
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Psychotherapie: Wirksamkeit
Ø „different kind of folks need different kind of strokes“
Ø Patienten mit komorbider Persönlichkeitsstörung haben sign.
schlechtere Ergebnisse: schizoid> borderline> vermeidend>
zwanghaft (Grilo et al., JCCP 2005;73:78-85)
Ø Frühe Interaktionserfahrungen beeinflussen Bindungsverhalten
und Persönlichkeit und diese das Depressionsrisiko und die
Wirksamkeit von PT
Ø Hypothese: Abhängige und altruistische Persönlichkeit reagieren
besser auf PT, narzisstische und schizoide Persönlichkeiten besser
auf AD (Luyten et al. 2005)
Ø Bei stationärer PT: „Vermeidender Typ“ erzielt bessere Ergebnisse
in Gruppentherapie als „verstrickter Typ“ (Schauenburg et al. Z
Gruppendyn Gruppenther 2001;37:337-48)
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Verhinderung von Rückfällen
Protektive Faktoren:
Ø Wissen um eigene adaptive
Mechanismen
Elkin et al. 1989
Erhaltungstherapie:
Ø AD: 70% Reduktion des RFRisikos
Ø PT > AD
Evans et al., Arch Gen Psychiatry
1992;49:802-9
Schauenburg & Clarkin, Z Psychosom
Med Psychother 2003;49:377-390
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Kombination von Pharmako- und
Psychotherapie: Indikationen
Ø Schwere der Depression:
Ø Indikation für Kombination v. a. bei mittelschwerer D.
Ø leichte D.: (zunächst) Psychotherapie allein
Ø schwere bzw. psychotische D.: (zunächst) somatische Therapie
+ psychosoziale Grundversorgung allein
Ø ausgeprägte somatische Symptome (Konzentrationsstörung,
Schlafstörung)
Ø Unzureichender Therapieerfolg mit einer Methode allein
Ø Prolongierte Episoden, Chronifizierung
Ø Wunsch des Patienten
Schramm 2003
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Besonderheiten der Kombination von
Pharmako- und Psychotherapie
Durch den selben ärztlichen
Therapeuten
Ø erfordert Kompetenz in beiden
Bereichen
Ø Vorteile in Akutphase
Ø beeinflusst die Übertragungs-/
Gegenübertragungsbeziehung
Ø Ev. ritualisierte Trennung in
therapeutischer Sitzung
Durch verschiedene
Therapeuten
Ø Abstimmung/Kooperation
erforderlich
Ø Problem: Suizidalität
Ø Vorteile in Remissionsphase
Keine negativen Interaktionen in
empirischen Untersuchungen
nachgewiesen
– Med. Behandlung führt nicht zu
Abbruch der Psychotherapie
– Höhere Akzeptanz der Behandlung
(Weissman & Klerman 1990)
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Kombination Pharmako- Psychotherapie:
Metaanalysen bei akuter Depression
Thase, Arch Gen Psychiatry 1996;54:1009-15
Ø Kombination den Einzelbehandlungen überlegen
Hegerl et al., Eur Arch Psych Clin Neurosci 2004;254:99-107
Ø Kombination den Einzelbehandlungen bei älteren Patienten
überlegen
deRubeis et al., Am J Psychiatry 1999;156:1007-13
Ø Kombination den Einzelbehandlungen nicht überlegen
Frank et al., J Clin Psychiatry 2000;61(1):51-57
Ø Beste Ergebnisse bei sequentiellem Vorgehen; primär PT, bei
unzureichender Remission nach 6-8 Wo AD
Fava et al., Psychother Psychosom 2002;71:195
Ø Beste Ergebnisse bei sequentiellem Vorgehen; primär AD, bei
unzureichender Remission nach 6-8 Wo PT
Leff et al., Br J Psychiatry 2001;177:95-100
Ø Ergänzende Paartherapie ist ergänzender Medikation überlegen
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Sequentielle Therapie
Schwere Depression:
Ø Akutphase:
Pharmakotherapie
Ø Nach 3 Monaten Assessment
Ø Psychotherapie der
Residual-Sy (Angst,
Stimmungsschwankungen)
Ø Langsames Ausschleichen der
Medikamente nach Remission
Ø Psychotherapie und
Lebensstilmodifizierung
Ø Medikamente absetzen
Ø Nach 3 Monaten gründliches
Assessment
Leichte Depression:
Ø Akutphase: Psychotherapie
Ø Nach 6-8 Wochen Assessment
Ø Bei unzureichender Remission
Pharmakotherapie
Frank et al., J Clin Psychiatry
2000;61(1):51-57
Fava et al., Psychother Psychosom
2002;71:195
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Psychotherapie: Neurobiologische
Subtypen
Ø Resignierter Subtyp: chronische Unterfunktion des ACC
Ø PFC-Subtyp: hilfloses Erleben der Selbst-IdealDiskrepanz, bessere Prognose
Davidson et al., Ann Rev Psychol 200?;53:545-74
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Neue Psychotherapieformen
Ø Strukturbezogene Psychotherapie (Rudolf):
Förderung hinsichtlich struktureller Schwächen
Ø Mindfulness-based Therapy (Seagal, Teasdale): bes.
Augenmerk auf Steigerung der Selbstachtsamkeit;
Anleihen beim Zen-Buddhismus
Ø Cognitive Behavioral Analysis System of
Psychotherapy (McCullough, Keller et al., NEJM
2000;342:1462-70): direkter, strukturierter, aber auch
interaktionell, auf positive Übertragung ausgerichtet; in
Kombination mit AD erfolgreich bei chron. Depression
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Zusammenfassung 1
Ø Es gibt verschiedene Arten von Depressionen mit
unterschiedlichem Verlauf
Ø Depression ist eine multifaktoriell bedingte Erkrankung
(psychosomatisch-somatopsychisches Kontinuum)
Ø Die Behandlung muss der Schwere und der Phase der
Depression angepasst sein
Ø In der Akutphase muss die Therapie strukturiert sein
und auf die Kern-Symptome der D. fokussieren
(störungsspezifisch)
Ø Die Therapie soll ressourcenorientiert sein
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Zusammenfassung 2
Ø Psychotherapie scheint bei leichten und mittelschweren
D. gleich wirksam wie Pharmakotherapie zu sein
Ø Bei schweren D. Pharmakotherapie unverzichtbar
Ø Eine Kombinationstherapie scheint - insbesondere als
sequentielle Therapie - der Einzeltherapie überlegen zu
sein
Ø Mit einer modifizierten psychodynamischen Therapie
werden in der Akut- und Erhaltungsphase ebenso gute
Ergebnisse erzielt wie mit der KVT und der IPT
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