State of the art Psychodynamische Aspekte bei depressiven Störungen Wolfgang Söllner Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin, Klinikum Nürnberg Übersicht v Verschiedene Formen der Depression v Konzepte zur Ätiologie v Was ist neu in der Behandlung? v Konsequenzen für die Psychodynamische Behandlung Wolfgang Söllner, Nürnberg Verschiedene Formen der Depression „Ätiologische“ Einteilung: z Endogene Depression z Neurotische Depression Phänomenologische Einteilung (ICD-10, DSM-IV): z Episodisch verlaufende Depressionen u u unipolar (eine Episode, rezidivierend) bipolar z Chronisch verlaufende Depressionen (>2 J.) u u Chronifizierung nach episod. Verlauf Primär chronisch (Dysthymie, Zyklothymie) Wolfgang Söllner, Nürnberg Kriterien für depressive Episode Mindestens 5 der folgenden Symptome (mind. 2 Leitbeschwerden) mit täglicher Beeinträchtigung über mind. 2 Wochen Psychische Beschwerden: • Niedergeschlagenheit, Weinen • Interesse- und Lustlosigkeit • Reizbarkeit • Gefühl der Gefühllosigkeit • Hilflosigkeit • Hoffnungslosigkeit • Pessimist. Gedankenkreisen • Selbstwertprobleme • Schuldgefühle • Suizidgedanken • Sozialer Rückzug Körperliche Beschwerden: • Antriebslosigkeit, Müdigkeit tagsüber • Appetitlosigkeit oder Appetitzunahme • Gewichtsverlust oder Gewichtszunahme • Schlafstörung • Konzentrationsstörung • Libidoverminderung Wolfgang Söllner, Nürnberg Major und Minor Depression (DSM-IV) > 5 Symptome Major Depression leicht: 2 Leitsy + 3 Zusatz-Sy mittel: 2 Leitsy + >3 Zusatz-Sy Wolfgang Söllner, Nürnberg < 5 Symptome Minor D., depressive Anpassungsstörung schwer: 2-3 Leitsy + >4 Zusatz-Sy ev. psychotische Sy. Differentialdiagnose Organische Erkrankung: • Neurologische Erkrankungen: Multiple Sklerose, M. Parkinson, Hirntumor, beginnende Demenz (CT, MRT) • Endokrinologische Erkrankungen (Schilddrüsenfunktion) • Anämien (Blutbild) • Immunologische Erkrankungen (Prodromalstadium einer Autoimmunerkrankung) • Vorbote einer schweren körperlichen Erkrankung (z. B. Pankreas-Ca) Psychische Erkrankungen: • Depress. Anpassungsstörung • • • • • • • • • Reaktion auf belastendes Ereignis Hilf- und Hoffnungslosigkeit häufig Angst und Depression gemischt erfüllt nicht die Kriterien einer depressiven Episode Dauer selten länger als 6 Mo Generalisierte Angststörung Substanzmissbrauch Persönlichkeitsstörung Psychose (schizoaffektiv, Residualzustand) Wolfgang Söllner, Nürnberg Depressive Störungen: Prävalenz Lebenszeitprävalenz: • 5-10% alle depressiven Störungen (ohne subklinische) • 4% depressive Episoden • 2% Dysthymien • 1% bipolare Störungen 18 16 14 12 10 8 6 • D: 4 Mio. Menschen • weltweit > 100 Mio. 4 2 0 Wittchen et al. 1992 Taiwan Wolfgang Söllner, Nürnberg 6-Monat D USA Lebenszeit Depression: Verlauf Verlauf: v 15% nur eine Episode v 50-75% mehrere Episoden Ø Ø 4 bei unipolarer D. Ø Ø 6 bei bipolarer D. v 10-15% chronischer Verlauf (>2 Jahre) Suizid: v Suizid Ø 4%; bei schweren D. 8-13% Picinelli & Wilkinson 1996, Volk et al. 1998, Linden et al. 2003 Wolfgang Söllner, Nürnberg Depressive Störungen: Gesicherte Risikofaktoren Ø Frauen (OR 2-3) Ø Jüngeres Alter Ø Depression in der Familie (Verwandte 1. Gr.: OR 1.5-3) Ø Chron. körperliche Erkrankung Ø Substanzmissbrauch Ø Belastende Lebensereignisse (Verluste) Ø Unbewältigter chron. Stress Ø Mangelnde soziale Unterstützung Ø Städtische Umgebung Ø Niedriger sozioökonom. Status RF für Rezidive und Chronifizierung: Ø Zahl und Schwere der Episode(n) Ø vorhergehende Dysthymie Ø begleitende Angsterkrankung Ø Persönlichkeitsstörung Ø unzureichende Behandlung Wolfgang Söllner, Nürnberg Ätiologie: Somatische Modelle v Genetische Hypothese: Hinweise für polichromosomale Störung insbes. bei bipolarer Störung (Chromosome 18, 4 und 21) v Transmitterstörung: Mangel an Bioverfügbarkeit von Noradrenalin bzw. Serotonin (aber auch Dopamin, GABA und Glutamat) in best. Hirnarealen (Präfrontaler Cortex, Basalganglien, medialer Thalamus, Hippocampus, Amygdala etc.) v Neuroendokrine Störung: Immunologische Störung: Dysregulation (Überaktivität) der Sickness Behaviour Hypothalamus-Hypophysen-NNRAchse Wolfgang Söllner, Nürnberg Ätiologie: Psychologische Modelle v Folge einer unzureichenden Verarbeitung von belastenden Life events und chronischem Stress v Life-event Studien (Brown & Harris 1980, Katschnig 1989) v Frühkindliches Defizit an emotionaler Zuwendung und Sicherheit v Reaktion des Kleinkindes auf prolongierte Trennung: Protest Verzweiflung - Distanzierung, depressiver Affekt (Bolwby 1969) Wolfgang Söllner, Nürnberg Ätiologie: Psychodynamische Modelle 1. Autoaggressionshypothese v K. Abraham (1912), S. Freud (1917): Ø Gegen das Selbst gerichtete Aggression, wenn eine intensiv ambivalent besetzte „Objektbeziehung“ verloren geht; Ø Spaltung und Verschmelzung eines Teils des Selbst mit dem internalisierten „Objekt“ („Regression der Libido in das Ich“) Ø Todestriebmodell v M. Klein (1940), E. Jacobson (1971): v Frühes Spaltungsphänomen: Säugling erlebt Beziehung zur Mutter idealisierend und aggressiv-verfolgend; beide Aspekte werden internalisiert und dadurch Schuldgefühle (strenges verfolgendes Über-Ich) und permanente Ambivalenz ausgelöst Ø (Realer) Verlust des „Objekts“ wird ubw. als Folge der eigenen Aggression phantasiert - Folge sind anhaltende Schuldgefühle und Depression v Benedetti (1987): Abhängigkeit - Autoaggressivität - gestörte Idealbildung Wolfgang Söllner, Nürnberg Ätiologie: Psychodynamische Modelle 2 Narzisstischer Mechanismus v Primär narzisstische Wunde in der Kindheit, spätere narzisstische Kränkung (Wisdom 1967) v Depressiver Affekt = „Antwort auf den Verlust externer und interner guter Objekte“ (Kernberg 2000) Wolfgang Söllner, Nürnberg Multifaktorielles Modell Genetische Faktoren Kindheit: Verluste, unsichere Bindung, destruktive innere Objekte Chronifizierung Körperl. Erkrankung Vulnerabilität Rezidiv Weitere LE und Distress Beziehungsdysfunktion Hormonelle und immunolog. Faktoren Veränderung des Verhaltens Depression Wolfgang Söllner, Nürnberg Unbewältigte belast. LE (Verluste) und chron. Distress Therapie: Ziele Ätiologisch v ? Symptomatisch: Körperlich: v Transmitterstörung beeinflussen v Endokrinolog. Stressdysregulation beeinflussen Psycho-sozial: v Aktivität fördern v Dysfunktionale Kognitionen verändern v Ungünstige Affektdisposition verändern v Ungünstige Beziehungsdisposition verändern v Intrapsychische Folgen von Traumata bearbeiten Wolfgang Söllner, Nürnberg Depression: Anzahl von Publikationen zur Therapie 1994-2004 2500 2300 (nach Schauenburg 2005) 2000 1500 1000 500 250 50 100 PDT IPT 0 Allg KVT Wolfgang Söllner, Nürnberg Psychotherapeutische Grundhaltung bei akuter Depression Ernstnehmen Entstigmatisieren Entängstigen Befindlichkeit und Gefühle ansprechen Ausdruck von Gefühlen fördern Negative Kognitionen (pessimistisches Gedankenkreisen, Selbstwertzweifel) aufgreifen, klären, verändern Ø Suizidgedanken ansprechen Ø Sich auch dem Positiven zuwenden, Ressourcen klären Ø Perspektiven eröffnen Ø Ø Ø Ø Ø Ø Wolfgang Söllner, Nürnberg Pharmakologische Behandlung: Substanzen Ø Trizyklika: bei körperlich Kranken wg. Nebenwirkungen Mittel 2. Wahl (anticholinerg, sedierend, Gewichtszunahme, kard. Reizleitungssystem, Glaukom) Ø SSRI: Mittel 1. Wahl, insbesondere Med. die weniger mit anderen Pharmaka interagieren (Cytochrom P450Isoenzyme): Citalopram, Sertralin Ø SNRI: Mirtazapin, Venlafaxin, gute Wirkung, Interaktionen weniger gut untersucht Ø Hypericum (Johanniskraut): leichte bis mittelschwere Depression; aber cave Interaktionen (z. B. mit Cyclosporin, Theophyliin, HIV-Medikamenten) Wolfgang Söllner, Nürnberg Pharmakologische Behandlung: Prinzipien einschleichend dosieren ausschleichen! über NW informieren Erhaltungstherapie: nach 1. Eisode 4-6 Monate; selbe Dosierung die zur Remission führte Ø Rezidivprophylaxe: nach 2./3. Episode 2 Jahre Ø Ø Ø Ø Wolfgang Söllner, Nürnberg Psychotherapeutische Behandlung: Methoden 1 Verhaltenstherapie: Lehwinson et al. 1974 Ø Ziele: Förderung der Aktivität, Verminderung des sozialen Rückzugs Ø Methoden: Stimmungs- und Aktivitätstagebuch, Aktivitätstraining, Training der sozialen Kompetenz und der Problemlösungsfähigkeit Kognitive Therapie: Beck et al. 1967, Hautzinger et al. 1992 Ø Ziele: Veränderung der erlernten Hilflosigkeit, Kognitionen und Gefühle der Wertlosigkeit Ø Methoden: Analyse dysfunktionaler Kognitionen, Prüfung an der Realität („sokratischer Dialog“), Erarbeitung alternativer Kognitionen Wolfgang Söllner, Nürnberg Psychotherapeutische Behandlung: Methoden 2 Interpersonale Psychotherapie (IPT): Ø Anerkennung der D. als Krankheit und der Krankenrolle des Patienten (Edukation) Ø Fokus auf depressive Symptomatik und deren Bewältigung Ø Strategien zur Bewältigung interpersoneller Probleme (Trennung, Trauer, soziale Rollenkonflikte oder -veränderungen) Psychoanalytische bzw. psychodynamische Psychotherapie: Ø zielt auf Klärung, Interpretation und Durcharbeiten bew. und ubw. interpersonaler und intrapsychischer Konflikte bzw. Ø frühe Traumatisierung und „Objektverluste“ Ø Analyse der Übertragung in der therapeutischen Beziehung Ø Einsicht, Konfliktbewältigung, Veränderung von Beziehungsmustern Wolfgang Söllner, Nürnberg Psychotherapeutische Behandlung: Prinzipien Ø Anpassung der Therapie an die Schwere und an die Phase der Depression (akut - nach Stabilisierung Remission) Ø Suizidalität klären Ø Information über die Erkrankung Ø Klaren Therapieplan erstellen Ø Ambulante oder (teil-)stationäre Therapie Ø Monotherapie oder Kombinationstherapie Ø Kooperation mit Arzt, Psychiater Ø Einbeziehung Angehöriger (zumindest in Akutphase) Wolfgang Söllner, Nürnberg Psychotherapeutische Behandlung: Akutphase Ø Fokussierung auf aktuelle Situation Ø Therapie der Kernsymptome (Rückzug, Aktivitätsminderung, Stimmung) Ø Ermutigung zu aktiven Strategien der Krankheitsverarbeitung (lösungsorientiert) Ø Aktives Ansprechen der individuellen und sozialen Ressourcen (Stärken) des Patienten Ø Angstvermindernde Techniken Ø Vorsichtige Techniken, um den Ausdruck von Gefühlen zu fördern: ev. Kombination mit non-verbalen Techniken Ø Komb. mit Gruppentherapie sinnvoll (social support) Wolfgang Söllner, Nürnberg Psychotherapie: nach Stabilisierung Stabilisierungsphase: Ø Bearbeitung ungünstiger Kognitionen Ø Bearbeitung ungünstiger Beziehungsmuster Ø konkrete Problemlösung Ø Steigerung von Kompetenz und Selbstwirksamkeit Remission: Ø Fortsetzung der Therapie nach Stabilisierung der D. Ø Bearbeitung (früher) Traumata und konflikthafter ambivalenter Beziehungsmuster Wolfgang Söllner, Nürnberg Interpersonale Psychotherapie (Klerman & Weissman 1984, Schramm 1996) • Pragmatischer Ansatz speziell zur Behandlung (akuter) depressiver Störungen • Wurzeln: Interpersoneller Ansatz in der psychodynamischen Therapie (H. S. Sullivan) • Fokus auf die zwischenmenschlichen Beziehungen und deren Zusammenhang mit der Symptomatik • Behandlung „im Hier und Jetzt“, auf bewusster kognitiver Ebene • Kurztherapie 12-20 Sitzungen • Unterschied in therapeutischer Strategie, nicht in der Haltung und der Technik Wolfgang Söllner, Nürnberg Interpersonale Psychotherapie Behandlungsstrategien Anfangsphase: z Anerkennung der D. als Krankheit; Symptome werden ausführlich besprochen z Anerkennung der Krankenrolle des Pat. z D. in den interpersonellen Kontext bringen z Problembereiche identifizieren z Konzept der IPT erklären und Therapievertrag abschliessen Mittlere Phase: z Verluste bearbeiten: Trauerprozess fördern, Hilfe neue Interessen und Beziehungen aufzubauen z Interpers. Konflikte identifizieren, Erwartungen u/o gestörte Kommunikation verändern z Rollenwechsel: Verlust der alten Rolle betrauern, neue Rolle akzeptieren lernen z Soziale Isolation verringern Wolfgang Söllner, Nürnberg Interpersonale Psychotherapie Behandlungsstrategien und -technik Endphase: z Nahendes Ende ausführlich besprechen z Abschiednehmen z Gefühl für Autonomie stärken Techniken und ther. Haltung z Exploration z Analyse der Kommunikation z Klärung z Ermutigung zu Gefühlsäußerungen z Einsatz der therapeutischen Beziehung im supportiven Sinn z grössere Aktivität des Therapeuten z keine genetischen oder Übertragungs-Deutungen Wolfgang Söllner, Nürnberg Psychoanalytische bzw. psychodynamische Therapie Psychoanalyse (Klassisches Verfahren) Ø Zurückhaltung und „Abstinenz“ des Therapeuten Ø Fokus auf die Persönlichkeitsveränderung und die Gestaltung der therapeutischen Beziehung und nicht auf die Reduktion der aktuellen Symptomatik Ø Langzeittherapie Psychodynamische Therapie (Tiefenpsychologisch fundierte Therapie, Fokaltherapie, Malan 1979, Strupp 1982, Luborsky 1984, Klüwer, Lachauer) Ø Fokus auf Symptomatik und auf den „zentralen Beziehungskonflikt“ Ø Aktivere Haltung des Therapeuten Ø zumindest am Beginn weniger konfrontierend, angstreduzierend Ø Kürzere Dauer (25-80 Sitz.) Wolfgang Söllner, Nürnberg Psychodynamische Therapie: Indikation und Kontraindikation Klassisches Verfahren Indikation: Ø chron. Depression, Dysthymie Ø begleit. Persönlichkeitsstörung Ø frühe Traumata Ø Reflexionsfähigkeit („psychological mindedness“, Horowitz 1994) Kontraindikation: Ø Akutphase Ø psychotische Depression Ø bipolare Depression Fokussierte psychodynam. Therapie Indikation: Ø wie klassisches Verfahren Ø bei entsprechender Fokussierung auf die Symptomatik auch in Akutphase (relative) Kontraindikation: Ø psychotische Depression Ø bipolare Depression Wolfgang Söllner, Nürnberg Psychodynamische Therapie: Behandlungsphasen nach Benedetti z Phase der Abwehr, der Negativität, der Ablehnung von Hilfe (Akutphase) z Phase der Öffnung: Beginn der Suche nach dem grundlegenden Konflikt z Phase der Reflexion: eigentliche tiefenpsychologische Arbeit; „eigene Beteiligung“ an der Symptombildung Wolfgang Söllner, Nürnberg Psychodynamische Therapie: Probleme im therapeutischen Prozess z Negative therapeutische Reaktion z Gegenübertragungsprobleme: u Gefühle von Ohnmacht, Hilflosigkeit und Ärger u führen zu Machtkampf, Distanzierung oder Überaktivität Wolfgang Söllner, Nürnberg Psychotherapie: Wirksamkeit Metaanalyse von Westen & Morrison, J Consult Clin Psychol 2001;69:875-99 Ø alle RCTs <= 20 Sitzungen! Ø 51% nach abgeschlossener Therapie gebessert Ø 37% gebessert bei intent to treat Ø nach 1-2 Jahren keine Konstanz der Effekte Kritik von Lambert (JCCP 2001): Ø Ergebnisse besser und überdauernder Wolfgang Söllner, Nürnberg Psychotherapie: Wirksamkeit Ø Ø Ø Ø Ø Ø Methode: 0-5% Spezielle Techniken: 0-5% Arbeitsbündnis: 5% Allegiance*: 10% Person d. Therapeuten: 6-9% Faktoren ausserhalb Th: 70% Ø Ø Ø Ø Unspezifische Faktoren: 30% Erwartung (Plazebo): 15% Methode/Techniken: 15% Faktoren ausserhalb Th: 40% Lambert & Barle Bruce Wampold: The Great Psychotherapy Debate 2001 * Überzeugtheit des Therapeuten Wolfgang Söllner, Nürnberg Vergleich Pharmako- mit Psychotherapie: NIMH Depression Study (akute D.) Elkin et al., Arch Gen Psychiatry 1989;46:971-82 Ø KVT vs. IPT vs. AD vs. Plazebo Ø Leichte Depression: KVT ist den anderen Verfahren überlegen Ø Schwere Depression (HAMD>20): AD überlegen Blatt et al., J Consult Clin Psychol 1996;64(1):127684 Ø Erfolgreicher waren Therapeuten, die eher ein „psychologisches Bild“ der Depression hatten, längere Therapien befürworteten und Psychotherapie als erfolgreicher einschätzten als AD (Alliance!) Wolfgang Söllner, Nürnberg Vergleich Pharmakotherapie und Psychotherapie Erfolgsraten: Ø Psth=Komb>Med Ø Psth: 8 = 16 Sitzungen Ø Psth besser akzeptiert (weniger drop-outs) % gebesserte Patienten 80 70 60 50 40 30 Me d P sth Ko mb C L90 M D S Wolfgang Söllner, Nürnberg H A at ie nt T he ra pe ut 20 10 0 P Kool S & Decker (J Aff Dis 2002, Br J Psychiatry 2004) Ø 2 3-armige RCTs Ø Patienten: MD, HAMDScore<20, nicht suizidal Ø Psychotherapie: 8 bzw. 16 Sitzungen, störungsspezifisch, psychodynamisch, manualisiert, Tonband, 2wöchentl. Supervision Ø Med. Therapie: SNRI>SSRI>TCA Ø Kombinationstherapie Vergleich Psychodynamische Therapie Kognitive Verhaltenstherapie Metaanalyse bei akuter Depression Leichsenring, Clin Psychol Rev 2001;21:401-19 Ø alle RCTs inkludiert, die mindestens 13 Sitzungen und mind. 20 Patienten je Gruppe umfassten Ø kein Unterschied gefunden Wolfgang Söllner, Nürnberg Psychotherapie: Wirksamkeit Ø „different kind of folks need different kind of strokes“ Ø Patienten mit komorbider Persönlichkeitsstörung haben sign. schlechtere Ergebnisse: schizoid> borderline> vermeidend> zwanghaft (Grilo et al., JCCP 2005;73:78-85) Ø Frühe Interaktionserfahrungen beeinflussen Bindungsverhalten und Persönlichkeit und diese das Depressionsrisiko und die Wirksamkeit von PT Ø Hypothese: Abhängige und altruistische Persönlichkeit reagieren besser auf PT, narzisstische und schizoide Persönlichkeiten besser auf AD (Luyten et al. 2005) Ø Bei stationärer PT: „Vermeidender Typ“ erzielt bessere Ergebnisse in Gruppentherapie als „verstrickter Typ“ (Schauenburg et al. Z Gruppendyn Gruppenther 2001;37:337-48) Wolfgang Söllner, Nürnberg Verhinderung von Rückfällen Protektive Faktoren: Ø Wissen um eigene adaptive Mechanismen Elkin et al. 1989 Erhaltungstherapie: Ø AD: 70% Reduktion des RFRisikos Ø PT > AD Evans et al., Arch Gen Psychiatry 1992;49:802-9 Schauenburg & Clarkin, Z Psychosom Med Psychother 2003;49:377-390 Wolfgang Söllner, Nürnberg Kombination von Pharmako- und Psychotherapie: Indikationen Ø Schwere der Depression: Ø Indikation für Kombination v. a. bei mittelschwerer D. Ø leichte D.: (zunächst) Psychotherapie allein Ø schwere bzw. psychotische D.: (zunächst) somatische Therapie + psychosoziale Grundversorgung allein Ø ausgeprägte somatische Symptome (Konzentrationsstörung, Schlafstörung) Ø Unzureichender Therapieerfolg mit einer Methode allein Ø Prolongierte Episoden, Chronifizierung Ø Wunsch des Patienten Schramm 2003 Wolfgang Söllner, Nürnberg Besonderheiten der Kombination von Pharmako- und Psychotherapie Durch den selben ärztlichen Therapeuten Ø erfordert Kompetenz in beiden Bereichen Ø Vorteile in Akutphase Ø beeinflusst die Übertragungs-/ Gegenübertragungsbeziehung Ø Ev. ritualisierte Trennung in therapeutischer Sitzung Durch verschiedene Therapeuten Ø Abstimmung/Kooperation erforderlich Ø Problem: Suizidalität Ø Vorteile in Remissionsphase Keine negativen Interaktionen in empirischen Untersuchungen nachgewiesen – Med. Behandlung führt nicht zu Abbruch der Psychotherapie – Höhere Akzeptanz der Behandlung (Weissman & Klerman 1990) Wolfgang Söllner, Nürnberg Kombination Pharmako- Psychotherapie: Metaanalysen bei akuter Depression Thase, Arch Gen Psychiatry 1996;54:1009-15 Ø Kombination den Einzelbehandlungen überlegen Hegerl et al., Eur Arch Psych Clin Neurosci 2004;254:99-107 Ø Kombination den Einzelbehandlungen bei älteren Patienten überlegen deRubeis et al., Am J Psychiatry 1999;156:1007-13 Ø Kombination den Einzelbehandlungen nicht überlegen Frank et al., J Clin Psychiatry 2000;61(1):51-57 Ø Beste Ergebnisse bei sequentiellem Vorgehen; primär PT, bei unzureichender Remission nach 6-8 Wo AD Fava et al., Psychother Psychosom 2002;71:195 Ø Beste Ergebnisse bei sequentiellem Vorgehen; primär AD, bei unzureichender Remission nach 6-8 Wo PT Leff et al., Br J Psychiatry 2001;177:95-100 Ø Ergänzende Paartherapie ist ergänzender Medikation überlegen Wolfgang Söllner, Nürnberg Sequentielle Therapie Schwere Depression: Ø Akutphase: Pharmakotherapie Ø Nach 3 Monaten Assessment Ø Psychotherapie der Residual-Sy (Angst, Stimmungsschwankungen) Ø Langsames Ausschleichen der Medikamente nach Remission Ø Psychotherapie und Lebensstilmodifizierung Ø Medikamente absetzen Ø Nach 3 Monaten gründliches Assessment Leichte Depression: Ø Akutphase: Psychotherapie Ø Nach 6-8 Wochen Assessment Ø Bei unzureichender Remission Pharmakotherapie Frank et al., J Clin Psychiatry 2000;61(1):51-57 Fava et al., Psychother Psychosom 2002;71:195 Wolfgang Söllner, Nürnberg Psychotherapie: Neurobiologische Subtypen Ø Resignierter Subtyp: chronische Unterfunktion des ACC Ø PFC-Subtyp: hilfloses Erleben der Selbst-IdealDiskrepanz, bessere Prognose Davidson et al., Ann Rev Psychol 200?;53:545-74 Wolfgang Söllner, Nürnberg Neue Psychotherapieformen Ø Strukturbezogene Psychotherapie (Rudolf): Förderung hinsichtlich struktureller Schwächen Ø Mindfulness-based Therapy (Seagal, Teasdale): bes. Augenmerk auf Steigerung der Selbstachtsamkeit; Anleihen beim Zen-Buddhismus Ø Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (McCullough, Keller et al., NEJM 2000;342:1462-70): direkter, strukturierter, aber auch interaktionell, auf positive Übertragung ausgerichtet; in Kombination mit AD erfolgreich bei chron. Depression Wolfgang Söllner, Nürnberg Zusammenfassung 1 Ø Es gibt verschiedene Arten von Depressionen mit unterschiedlichem Verlauf Ø Depression ist eine multifaktoriell bedingte Erkrankung (psychosomatisch-somatopsychisches Kontinuum) Ø Die Behandlung muss der Schwere und der Phase der Depression angepasst sein Ø In der Akutphase muss die Therapie strukturiert sein und auf die Kern-Symptome der D. fokussieren (störungsspezifisch) Ø Die Therapie soll ressourcenorientiert sein Wolfgang Söllner, Nürnberg Zusammenfassung 2 Ø Psychotherapie scheint bei leichten und mittelschweren D. gleich wirksam wie Pharmakotherapie zu sein Ø Bei schweren D. Pharmakotherapie unverzichtbar Ø Eine Kombinationstherapie scheint - insbesondere als sequentielle Therapie - der Einzeltherapie überlegen zu sein Ø Mit einer modifizierten psychodynamischen Therapie werden in der Akut- und Erhaltungsphase ebenso gute Ergebnisse erzielt wie mit der KVT und der IPT Wolfgang Söllner, Nürnberg