18. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG Kleine Anfrage der Abg. Ursula Hammann und Martina Feldmayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) vom 29.10.2012 betreffend überhitzte Ställe und Hitzetod von Geflügel in Hessen und Antwort der Ministerin für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vorbemerkung der Fragestellerinnen: Eine Meldung in der "ZEIT" vom 23. August 2012 berichtet von überhitzten Geflügelställen in Niedersachsen, in denen es während der heißen Wochen des Sommers 2012 vermutlich zu erhöhten Verlusten von Tieren gekommen sei. Das niedersächsische Landwirtschaftsministerium konnte zwar keine Zahlen vorlegen, sprach jedoch von seltenen Einzelfällen, wohingegen Veterinärämter und Tierkörperbeseitigungsfirmen von erhöhten Verlusten sprechen, die sich auf freiwillige Meldungen beziehen. Eine Meldepflicht von Seiten der Ämter gebe es jedoch nicht. Hühnervögel nutzen zur Abkühlung ihre Flügel, indem sie diese aufstellen, um so mehr Luft an ihren Körper zu lassen. Trotz Kühlsystemen in den Ställen mit Sprühkühlungen können sich die Tiere ab gewissen hohen Temperaturen nicht mehr ausreichend abkühlen und so sterben jeden Sommer an Überhitzung tausende Tiere. Laut Angaben im Bericht der "ZEIT" haben in Österreich Mitte August 2012 etwa 5.000 Hühner einander bei dem Versuch erdrückt, durch einen Türspalt am Boden Frischluft zu bekommen. In niedersächsischen Betrieben musste die Feuerwehr die Ställe von außen mit Löschwasser kühlen und rettete tausende Puten, indem sie sie ins Freie trieb. Diese Vorbemerkung der Fragestellerinnen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Besteht in Hessen eine Meldepflicht der Veterinärämter bzw. Tierseuchenkasse hinsichtlich besonderer Auffälligkeiten wie etwa auffällig hohe Zahlen von verendeten Tieren innerhalb kurzer Zeiträume? Wenn Ja: Eine entsprechende Meldepflicht der Veterinärämter bzw. der Tierseuchenkasse besteht in Hessen nicht. Für den Fall, dass in einem Geflügelbestand innerhalb von 24 Stunden Verluste von mindestens drei Tieren bei einer Bestandsgröße von bis zu 100 Tieren oder mehr als 2 v.H. der Tiere des Bestandes bei einer Bestandsgröße von mehr als 100 Tieren auftreten, ist der Tierhalter nach § 4 der Geflügelpest-Verordnung verpflichtet, unverzüglich einen Tierarzt einzuschalten. Durch diesen hat er sich das Vorliegen einer Infektion mit dem hochpathogenen oder niedrigpathogenen aviären Influenzavirus (AI-Virus) durch geeignete Untersuchungen ausschließen zu lassen. Ergibt sich ein AI-Verdacht, besteht Anzeigepflicht. Frage 1. a) Welche Fälle sind in Hessen 2012 aufgetreten und wie viele Tiere sind dabei jeweils verendet? In Hessen ist im Jahr 2012 ein Fall aufgetreten, bei dem 800 Masthähnchen bei einer Außentemperatur von ca. 40º C verendet sind. Frage 1. b) Bei welcher Behörde sind diese Fälle jeweils gemeldet worden? Der Fall wurde dem zuständigen Veterinäramt gemeldet. Frage 1. c) Welche Konsequenzen folgten jeweils daraus? Seitens des zuständigen Veterinäramtes wurde die Ursache ermittelt und eine Belehrung des Tierhalters vorgenommen. Eingegangen am 18. Februar 2013 · Ausgegeben am 20. Februar 2013 Druck und Auslieferung: Kanzlei des Hessischen Landtags · Postfach 3240 · 65022 Wiesbaden Drucksache 18/6293 18. 02. 2013 Hessischer Landtag · 18. Wahlperiode · Drucksache 18/6293 2 Frage 2. Wenn Nein: Wird sich die Landesregierung für eine verbindliche Meldepflicht auf Landesebene einsetzen und wie würde diese ausgestaltet sein? Aus Sicht der Hessischen Landesregierung wird eine verbindliche Meldepflicht der Veterinärämter bzw. der Tierseuchenkasse nicht für erforderlich gehalten. Frage 3. Wie viele Ställe mit jeweils welcher Anzahl an Geflügelmastplätzen gibt es derzeit in Hessen (bitte getrennt aufführen nach Tierarten, Landkreisen und Haltungsverfahren wie Stallhaltung, Bodenhaltung, Freilandhaltung, Ökolandbau)? Masthühner Betriebe mit … bis … Tieren 1 bis 99 Anzahl Betriebe Anzahl Masthühner 276 3.667 30 8.075 5 21.200 10.000 bis 49.999 11 351.800 50.000 und mehr 2 159.800 324 544.542 13 511.600 100 bis 999 1000 bis 9999 Insgesamt In Beständen > 10.000 Tiere Darunter im Reg. Bez. Darmstadt 99 35.148 Reg. Bez. Gießen 67 57.191 Reg. Bez. Kassel 158 452.203 Anzahl Betriebe Anzahl Truthühner Truthühner (Puten) Betriebe mit … bis … Tieren 1 bis 99 129 2.160 17 4.171 1000 bis 9999 4 25.170 10.000 und mehr 5 86.000 155 117.501 100 bis 999 Insgesamt Von den vorgenannten 117.501 gehaltenen Truthühnern befanden sich zum Stichtag 66.577 Tiere im Regierungsbezirk Kassel. Andere Mastgeflügelarten befinden sich ausschließlich in kleinen Haltungseinheiten. So sind in Hessen insgesamt 12.914 Gänse und 7.088 Enten auf landwirtschaftlichen Betrieben erfasst. Frage 4. Welche generellen Vorschriften gibt es in hessischen Mastbetrieben zu Temperatur, Luft und Klima und durch wen werden diese in welcher Dichte kontrolliert? Die Vorschriften der §§ 3 und 18 Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) sind einschlägig. Demgemäß dürfen Nutztiere in Haltungseinrichtungen nur gehalten werden, wenn u.a. folgende Anforderungen erfüllt sind: Die Haltungseinrichtungen müssen nach ihrer Bauweise, den verwendeten Materialien und ihrem Zustand so beschaffen sein, dass eine Verletzung oder sonstige Gefährdung der Gesundheit der Tiere so sicher ausgeschlossen wird, wie dies nach dem Stand der Technik möglich ist. Die Ställe müssen erforderlichenfalls ausreichend wärmegedämmt und so ausgestattet sein, dass Zirkulation, Staubgehalt, Temperatur, relative Feuchte und Gaskonzentration der Luft in einem Bereich gehalten werden, der für die Tiere unschädlich ist. Hessischer Landtag · 18. Wahlperiode · Drucksache 18/6293 Für Haltungseinrichtungen, in denen bei Stromausfall eine ausreichende Versorgung der Tiere mit Futter und Wasser nicht sichergestellt ist, muss ein Notstromaggregat bereitstehen. In Ställen, in denen die Lüftung von einer elektrisch betriebenen Anlage abhängig ist, müssen eine Ersatzvorrichtung, die bei Ausfall der Anlage einen ausreichenden Luftaustausch gewährleistet und eine Alarmanlage zur Meldung eines solchen Ausfalles vorhanden sein. Die Kontrolle der Betriebe erfolgt durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landräte in den Landkreisen und der Oberbürgermeister in den kreisfreien Städten. Bezüglich der Dichte der Kontrollen wird auf die Antwort zur Kleinen Anfrage der Abg. Dr. Pauly-Bender (SPD), Drucksache 18/2144 vom 17. März 2010 betreffend Haltungsüberwachung der hessischen Zucht-, Legeund Masthühneranlagen verbessern verwiesen. Frage 5. Unterscheiden sich die Vorschriften je nach Größe der Ställe? Gemäß § 18 TierSchNutztV müssen Betriebe mit 500 oder mehr Masthühnern, unbeschadet der Anforderungen des § 3 TierSchNutztV, zur Vermeidung von Gefahren eine Lüftung und erforderlichenfalls eine Heiz- und Kühlanlage einbauen und so bedienen, dass Hitzestress vermieden und überschüssige Feuchtigkeit abgeleitet wird. Dabei ist zu gewährleisten, dass die Gaskonzentration je Kubikmeter Luft, jeweils in Kopfhöhe der Tiere gemessen, folgende festgelegten Werte nicht überschreitet: Gas Kubikzentimeter Ammoniak 20 Kohlendioxid 3 000 Zudem ist sicherzustellen, dass bei einer Außentemperatur von über 30 °C im Schatten die Raumtemperatur nicht mehr als 3 °C über der Außentemperatur liegt. Bei einer Außentemperatur von unter 10 °C darf die durchschnittliche relative Luftfeuchtigkeit innerhalb des Masthühnerstalls im Laufe von 48 Stunden 70 v.H. nicht überschreiten. Darüber hinaus ist normiert, dass je Kilogramm Gesamtlebendgewicht der sich gleichzeitig in dem Masthühnerstall befindenden Masthühner ein Luftaustausch von mindestens 4,5 m3 je Stunde erreicht werden kann. Wiesbaden, 2. Januar 2013 In Vertretung: Mark Weinmeister 3