Kapuzinerkresse Eine Alternative zu konventionellen Antibiotika Tropaeolum majus ▬ Die „Arzneipflanze 2013“ Resistenzen führen bei konventionellen Antibiotika zu großen Problemen in der therapeutischen Praxis und werden zunehmend kritisch diskutiert. Die Suche nach Alternativen bzw. neuen Wirkstoffkandidaten gestaltet sich schwierig. Umso mehr Interesse finden pflanzliche Alternativen wie die durch den Arbeitskreis Klostermedizin (Universität Würzburg) zur „Arzneipflanze 2013“ gewählte Kapuzinerkresse (Tropaeolum majus). Die aus den Anden importierte Pflanze ziert seit Jahrzehnten unsere Gärten. Ihren Namen verdankt die Kapuzinerkresse der Blütenform: sie erinnert an die Kapuze der Kapuzinermönche. Botanischer Steckbrief Die zur Ordnung der Kreuzblütlerartigen (Brassicales) gehörende Kapuzinerkresse gibt es in buschig wachsenden oder rankenden 40 Sorten. Die einjährige Pflanze blüht in hellgelben, orangenen bis kräftigroten Farben. Die robuste und anspruchslose Pflanze wächst auf fast allen Feld- und Gartenstandorten, mag aber keine schweren und staunassen Böden. Kulinarik Blätter, Blüten und junge Stiele sind essbar (Erntezeit Juni–Oktober). Kapuzinerkresse hat einen scharfen, senf- oder kresseähnlichen Geschmack. In Salaten machen sich die Blätter gut als pikante Beigabe. Die Blüten dienen als farbenfrohe Garnierung. Knospen und junge Früchte können als Kapernersatz dienen. Daneben werden Pestos, Suppen, Gemüsezubereitungen, Kapernersatz bis hin zu Süßspeisen beschrieben. Beckmann G. Kapuzinerkresse (Tropaeolum majus). zkm 2013; 5: 40–41 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. © Bild mit freundlicher Genehmigung von Thomas Weidner Heilpflanze Wissen zkm Bereits die Inka nutzten Kapuzinerkresse als Heilpflanze, v. a. als Schmerzmittel und zur Wundheilung. Nachdem Kapuzinerkresse im 16. Jh. durch die spanischen Eroberer nach Europa kam, wurde sie in vielen Klostergärten gezogen. So ist sie auch in dem berühmten Gartenpflanzenbuch Hortus Eystettensis von 1613 abgebildet. Bald erkannte man auch in Europa die Wirksamkeit als Arzneipflanze. Im vergangenen Jahrhundert wurden dazu systematische, wissenschaftliche Untersuchungen angestellt. Wirkweise und Pharmakologie Fest steht, dass in der unversehrten Kapuzinerkresse vorliegende Glucosinolate bei Verletzung des Gewebes enzymatisch zu Senfölen (Isothiocyanaten) umgesetzt werden. Dieser Mechanismus dient der Pflanze als Verletzungs- und Fraßschutz. Nach Aufnahme in den menschlichen Organismus geschieht das Gleiche: Aus dem „Prodrug“ Glucosinolat wird die aktive Komponente, das Isothiocyanat, freigesetzt und bereits in den oberen Darmabschnitten rasch und vollständig resorbiert. Die freien Isothiocyanate werden dann in der Leber über die SHGruppe an Glutathion gekoppelt. An den Orten der Ausscheidung (Bronchien, Nebenhöhlen, Speichel, ableitende Harnwege) tritt eine Entkoppelung ein, sodass dort die aktiven Isothiocyanate wieder verfügbar werden und ihre antibakteriellen, antiviralen und antiphlogistischen Wirkungen entfalten können. Genau dieser Metabolismus wird Einzellern wie Bakterien zum Verhängnis: In diesen reagieren die Isothiocyanate nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand ebenfalls mit freien SH-Gruppen – allerdings sind hier wichtige bakterielle Enzyme die Reaktionspartner. Die Blockade der Enzyme führt dann zur Wachstumshemmung bzw. zum Absterben der Keime. Ein Mechanismus, der von dem klassischer Antibiotika deutlich abweicht. Resistenzen gegenüber Senfölen? Trotz breiter Anwendung wurde bisher keinerlei Resistenzentwicklung berichtet. Eine plausible Erklärung dafür ist, dass die gut fettlöslichen Senfölglykoside bereits im oberen Verdauungstrakt vollständig resorbiert werden, sodass empfängliche Zielorganismen wie die Dünn- und Dickdarmflora in praxi nicht exponiert werden (Prof. U. Frank, Universität Freiburg). Nebenwirkungen/Kontraindikation Durch das enthaltene Benzylsenföl können als Nebenwirkungen Haut- und Schleimhautreizungen, Magen-Darm-Beschwerden und Hautausschlag (sehr selten) auftreten. Nicht angewendet werden darf das Kapuzinerkressenkraut bei Säuglingen und Kleinkindern sowie bei Personen mit MagenDarm-Geschwüren und Nierenerkrankungen. Indikation Seit Jahrzehnten wird die Kapuzinerkresse bei der Therapie und zur Vorbeugung von Infekten der Atemwege und der Harnwege eingesetzt. Die positiven Erfahrungen konnten in den vergangenen Jahren durch viele Studien und experimentelle Daten zum antimikrobiellen Wirkspektrum der Senföle auch wissenschaftlich untermauert werden. Ein Kombinationspräparat aus Kapuzinerkresse und Meerrettichwurzel erwies sich als gleichwertig gegenüber einer Standardtherapie mit Antibiotika. Seit 2010 durchgeführte Untersuchungen legen sogar eine hemmende Wirkung bei dem pandemischen Influenzavirus H1N1 nahe. Fertigpräparate ANGOCIN ® Anti-Infekt-N, Filmtabletten (Kapuzinerkressenkraut 200 mg, Meerrettichwurzel 80 mg je Tabl.). Dosierung bei Erwachsenen 3–5 × täglich 4–5 Filmtabletten). ▬ Interessenkonflikt: Der Autor führte als Mitarbeiter im Institut Romeis, Bad Kissingen, für das genannte Produkt mikrobiologische Qualitätskontrollen und Beratungsmandate durch. Online zu finden unter http://dx.doi.org/10.1055/s-0033-1357229 Literatur beim Verfasser. Dr. Gero Beckmann Am Madenbach 26 97708 Bad Bocklet [email protected] Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Medizingeschichte