Jost Halfmann (Institut für Soziologie, TU Dresden) Konflikt und Gewalt: Seminarkonzept (Vortrag im „Naltschik“-workshop, SFB 700, FU Berlin, 18.07.2011) 1. Ausgangsbeobachtungen Die Ubiquität von Konflikten (vom politischen Streit über die Nutzung der Kernenergie über die Auseinandersetzungen zur pränatalen Diagnostik (z.B. über Präimplantations-Diagnostik) bis zum Kampf um Vorfahrt im Straßenverkehr; die schnelle Entstehung von Konflikten und die oft mühseligen Strategien der Streitschlichtung; die Rolle der Gewalt als Mittel der Konfliktentscheidung 2. Ziel des Seminars Der theoretische und begriffliche Zugriff der Soziologie auf das Thema „Konflikt und Gewalt“; die Soziologie beobachtet gesellschaftliche Phänomene nicht unter normativen Gesichtspunkten (ist Konflikt schädlich oder unerwünscht für das soziale Zusammenleben? Gibt es gerechte Kriege?), auch nicht unter lebenspraktischen Aspekten (wann und wie kann ich meinem Chef widersprechen? Wie kann ich mich gegen einen bewaffneten Angreifer wehren?). Die Soziologie fragt, was ist eigentlich der spezifisch soziale Charakter von Konflikt? Welche Funktion hat Konflikt für soziale Ordnungen? Welche sozialen Instanzen und welche Formen der Konfliktbearbeitung finden sich in der Gesellschaft? 3. Curriculum des Seminars Das Seminar war so aufgebaut, dass ein konzeptgeschichtlicher Rückblick auf die Behandlung des Konfliktthemas bei den sog. Klassikern der Soziologie am Anfang stand (I und II). Ein Einschub informierte über soziologische Gewaltkonzepte (III). Es schloss sich ein Einstieg in den gegenwärtigen Stand der Konflikttheorie an (IV). Den Abschluss machten Überblicke über ebenenspezifische Ausprägungen von Konflikt und Gewalt: von der Ebene der Interaktion über die der Organisation bis hin zu internationalen Beziehungen (V). Das Seminar wurde als Diskussionsveranstaltung durchgeführt, die auf der anfänglichen Präsentation von jeweils zwei Texten in jeder Sitzung durch Studierende beruhte. 1 Zu I und II: Die Soziologie hat traditionell den Konflikt in direkten Zusammenhang mit der Ordnung der Gesellschaft gebracht. Dies lag zum Teil daran, dass zeitgenössische Konflikte des 19. und 20. Jahrhunderts solche zwischen Klassen und Nationalstaaten waren. Wenn man bedenkt, dass Klassenkonflikte bis zu ihrer Entschärfung in Tarifauseinandersetzungen zwischen Gewerkschafts- und Arbeitgeberorganisationen zu blutigen Bürgerkriegen eskalierten und dass Konflikte zwischen Nationalstaaten immer wieder zu internationalen Kriegen führen, kann man diese thematische Präferenz der älteren Soziologie verstehen. Für die Soziologie entstand deshalb schon früh die Frage, ob Konflikte die soziale Stabilität gefährden (s. z.B. Parsons) oder ob sie ein konstitutiver Bestandteil sozialen Wandels sind (s. z.B. Dahrendorf). Ob man zu einem ausreichenden abstrakten und treffenden Konfliktbegriff kommt, wenn man die Frage der Stabilität der gesellschaftlichen Ordnung in den Vordergrund stellt, wurde anhand der Konflikttheorien von Karl Marx (Marx 1967, Marx 1969), Max Weber (Weber 1964), Georg Simmel (Simmel 1962), Talcott Parsons (Parsons 1951), Ralf Dahrendorf (Dahrendorf 1965) und Lewis Coser (Coser 1972) geprüft (2.). Die Durchsicht der soziologischen Klassiker sollte zeigen, dass keine der vorgebrachten Konfliktdefinitionen einem Abstraktionsanspruch genügt, der so unterschiedliche Konfliktformen wie familiärer Streit, Krieg, wissenschaftliche Diskussion oder auch Konkurrenz umfasst. Eine solche Konfliktbestimmung steht bislang noch aus. Ebenso stellt das Verhältnis von Konflikt zu sozialem Wandel und sozialer Ordnung ein Forschungsdesiderat dar. Offenbar reichen die bisherigen theoretischen Mittel nicht aus, um den scheinbar widersprüchlichen Befund zu erklären, dass Konflikte sowohl strukturbildende als auch strukturverändernde Wirkung entfalten. Allerdings kann man von jeder vorgestellten Theorie gewisse Einsichten für eine allgemeine Theorie des Konflikts verwenden. So ist Marx Betonung, dass Konflikte in Bezug zur gesellschaftlichen Ordnung stehen, ebenso wichtig für eine solche Theorie wie Simmels Betonung, dass Konflikte normale Phänomene sozialer Beziehungen sind oder Webers Hinweis, dass Konflikte durch ablehnende Reaktionen auf Interaktionsangebote entstehen. Daneben stellen die von Simmel aufgestellten und von Coser später aufgegriffenen Beschreibungen der formalen Aspekte von Konflikten, wie die integrativen Wirkungen in Form von Solidarität und Identität wichtige Einsichten der soziologischen Analyse von Konflikten dar. Aber auch Dahrendorfs 2 Konzeptualisierung von Herrschaftsverhältnissen als Konfliktverhältnissen ist, wenngleich sie theoretisch nicht überzeugt, empirisch nicht ganz von der Hand zu weisen. Zu III Wenn man Gesellschaft als soziales System behandelt, das ausschließlich aus Kommunikationen (oder Handlungen) besteht, dann kann man Konflikt als Ablehnung einer Kommunikation betrachten. Dabei kann die Ablehnung sich sowohl auf den Informations-, den Mitteilungs- und den Verstehensaspekt von Kommunikation beziehen (zu diesen drei Dimensionen von Kommunikation s. Luhmann 1996, S. 194ff). Alter kann also ablehnen, was Ego für kommunikationsbedürftig hält (z.B. dass das Weltall auf Riesenschildkröten ruht, die wiederum auf Riesenschildkröten stehen), wie Ego diese Information mitteilt (z.B. herrisch, höflich, lächelnd), schließlich dass Ego erwartet, dass man auf seine Intervention antwortet, und zwar möglichst zustimmend. Im Falle von Ablehnung generiert die Ablehnung der Ablehnung Konflikt. Kurz gesagt: Konflikte sind nichts anderes als zwei einander widersprechende Kommunikationen. ("Die Ablehnung widerspricht der Annahmeerwartung oder auch einfach einer unterstellten Kontinuität des 'so wie immer'", Luhmann 1997, S. 461). Ein Konflikt kann sich zu einem Konfliktsystem ausbilden, wenn zwischen Ego und Alter eine Kettenreaktion von negativen Rückantworten entsteht, nach dem Motto: "Ich tue nicht, was du möchtest, wenn du nicht tust, was ich möchte" (Luhmann 1996: 531). Zwar bleibt eine positive Anschlusskommunikation möglich, aber die doppelte Negation legt auf der anderen Seite eine negative Erwartung fest, die schließlich zu einem Fremdschaden-Eigennutzen-Muster führt. Dieses Muster beruht darauf, dass Ego das, was Alter schadet, als eigenen Nutzen ansieht, da er annimmt, dass Alter umgekehrt genauso verfährt. Konfliktsysteme sind strukturell auf eine Zweiergegnerschaft reduziert und offen bezüglich der Rekrutierung von Elementen, die der Reproduktion des Systems dienen. Die binäre „Freund/Feind“-Struktur hat einen hohen Integrationseffekt, zum einen für die Solidarisierung innerhalb der streitenden Parteien und zum anderen für die Gegnerschaft selbst. „Wer seinen Feind verliert, wird dann eine eigentümliche Leere fühlen; ihm fehlen Handlungsmotive, auf die er sich selbst verpflichtet hatte. Ihm werden Möglichkeiten fehlen, die vielen Okkasionalitäten zu einer Geschichte zusammenzufassen, wenn der Konflikt als eine relativ zeitbeständige Identifikationslinie ausfällt" (Luhmann 1996: 533). 3 Konflikte sind Alltagserscheinungen, die zumeist relativ rasch wieder verschwinden. Dennoch gibt es Konflikte, die gesellschaftliche Breitenwirkung erzielen. Um eine solche zu erreichen muss ein Konflikt einen gesamtgesellschaftlichen Bezug aufweisen, d. h. Anschlussfähigkeit über die Grenzen der vorliegenden Interaktion hinaus besitzen (vgl. Luhmann 1996: 536). Dies geschieht durch Generalisierung, Dramatisierung und thematische Konzentration. Die Widerstandsbewegung gegen den Transport von atomaren Brennelementen per Schiene arbeitet mit den Behauptungen, dass die Atomenergie alle bedrohe (Generalisierung), dass im Falle von Zugunglücken die Transportbehälter leckschlagen könnten (Dramatisierung) und dass sich die Frage einer Umkehr in der Energiepolitik an der Frage der Endlagerung entscheide (thematische Konzentration). Der Konflikt muss ferner Resonanz erzielen, d. h. in die Öffentlichkeit gelangen, was wiederum Verbreitungsmöglichkeiten, d. h. Massenmedien voraussetzt. Wird der “Sprung” in die Massenmedien geschafft, kann das politische System in Gestalt der Regierung eventuell zu einer Entscheidung veranlasst werden, die aus der Sicht der Protestierenden gegen oder für sie ausfallen kann. Die in der klassischen Konfliktsoziologie unentscheidbar gebliebene Frage, ob Konflikte eher systemerhaltend (Dahrendorf) oder –gefährdend (Parsons) sind, lässt sich durch eine Ebenendifferenzierung sozialer Systeme und eine evolutionäre Betrachtung besser beantworten. Konflikte haben ganz unterschiedliche Effekte auf soziale Strukturen je nachdem, ob sie auf Interaktions-, Organisations- oder Gesellschaftsebene betrachtet werden und je nachdem, welche Form der sozialen Differenzierung in einer Gesellschaft vorherrscht. Zu IV Die basale Konfliktdefinition – Konflikt als doppelte Negation von kommunikativen Erwartungen - hat den Vorteil, ohne vorgängige konzeptuelle Einschränkungen bezüglich Anlass, Mittel oder Ursachen auszukommen. Gleichzeitig wird Konflikt von Gewalt unterschieden. Der Einsatz von Gewalt ist der Versuch, Konflikte zu entscheiden (vgl. Baecker 1996). Die Konzentration der Kommunikation liegt hierbei auf dem Mitteilungsaspekt von Kommunikation, während der Informationsgehalt in den Hintergrund tritt. Wenn Gewalt eingesetzt wird, kommt es zu einer Einschränkung des Informations- und Mitteilungsaspektes von Kommunikation. Die Information dürfte in 4 Fällen, in denen die Mitteilungsform Gewalt gewählt wird, eindeutig sein. Es ist möglich, aber eher unwahrscheinlich, dass derjenige, der Gewalt erfährt, dies für ein Missverständnis hält. Aber auch der Mitteilungsaspekt wird durch Gewalt eingeschränkt. Es gibt nur noch drei Möglichkeiten zu reagieren: sich unterwerfen, mit Gewalt antworten oder die Konfliktinteraktion unterbrechen (durch Einführung neuer Optionen in die Kommunikation). Das Kneipenritual der Fastschlägerei auf den irischen Tory Island kann als Beispiel für die Unterbrechung des Konflikts dienen. "'Hold me back or I‟ll kill him', heißt es erst dann, wenn man sieht, dass die eigenen Freunde verhindern werden, dass man tatsächlich auf den Gegner losgeht. Damit man auch sicher ist, dass die Freunde dieser Aufforderung folgen, werden insgeheim Mütter und Schwestern herbeigerufen, deren Gewaltvermeidungswünsche unzweifelhaft sind” (Baecker 1996, S.102). Gewalt ist ein Mittel der Konfliktentscheidung, das dort auftritt, wo noch keine alternativen Konfliktentscheidungsverfahren institutionalisiert sind. Zu V Konflikt in Interaktions-, Organisations- und Gesellschaftssystemen Interaktionssysteme beruhen auf der Differenz anwesend/ abwesend (Nollmann 1997: 180ff). Sie entstehen, wenn zwei Anwesende sich wechselseitig wahrnehmen. Die Differenz anwesend/abwesend unterwirft die Interaktion zeitlichen und thematischen Beschränkungen; es kann immer nur ein Thema behandelt werden, und die Kommunikationsbeiträge müssen in zeitliches Nacheinander gebracht werden. Handelt es sich um Ablehnungen der vorangehenden Kommunikationen und setzt sich die folgende Kommunikation als Ablehnung fort, dann wird die Interaktion zum Konflikt. Interaktionen stehen nur vor der Alternative, sich entweder über zustimmende oder über ablehnende Kommunikation zu reproduzieren. Die Fortsetzung von Interaktion als Konflikt wird unter zwei Bedingungen problematisch. Erstens, wenn die Austragung gewaltsam wird, und zweitens, wenn Kommunikation strukturell an Zustimmungserwartungen geknüpft ist und Negation ausschließt (Familie, Ehe). Organisationen bestimmen ihre Grenzen durch die Differenz von Mitgliedschaft/ Nichtmitgliedschaft (Vgl. Luhmann 1997: 826ff). Sie überwinden damit die Beschränkung der Kommunikation auf physische Anwesenheit, wie sie für Interaktionen charakteristisch ist. Mit der Mitgliedschaft sind bestimmte formalisierte Erwartungen verbunden, die 5 Konflikte eher unwahrscheinlich machen bzw. relativ rasch entscheidbar machen. Die Mitgliedschaft bedeutet eine Anerkennung der an die Mitgliedschaft geknüpften Erwartungen, die wenig Spielraum für Konflikte lässt. Bei kontinuierlichem Verstoß gegen diese Erwartungen wachsen die Chancen des freiwilligen Austritts oder des unfreiwilligen Ausschlusses (Luhmann 1995: 239ff). Trotzdem sind Organisationen keinesfalls konfliktfreie Systeme. Konfliktgegner werden nicht oder nur zuletzt eine Lösung auf dem Dienstweg suchen, da dieser das Risiko birgt, dass nicht im eigenen Sinne entschieden wird. Stattdessen werden eher, wenn auch nicht ausschließlich, funktionale Äquivalente auf informeller Ebene benutzt, d. h. Annahme und Ablehnung von Kommunikation werden durch die Trennung von formaler und informaler Organisation auseinander gezogen. Typische Konflikte, die eher informell bearbeitet werden, sind Ressortstreitigkeiten oder Machtkämpfe. Konflikte sind aber nicht auf den informellen Bereich von Organisationen beschränkt. Beispielsweise können Entscheidungen über Strukturänderungen einer Organisation, etwa durch die Einführung von EDV- Technik, zu Konflikten zwischen Betriebsrat und Betriebsleitung führen, für die es formalisierte Entscheidungsverfahren gibt. Organisationen sind im Vergleich zu Interaktionssystemen konflikttoleranter, da sie über Verfahren verfügen, Konflikte aus dem für sie empfindlichen Bestandsbereich weitestgehend herauszuhalten. Wo dies nicht gelingt, behelfen sich Organisationen mit der Institutionalisierung von Konflikten. Beispiele hierfür wären Tarifverhandlungen für Wirtschaftsorganisationen und Parteitage für politische Organisationen. Gesellschaften bestimmen ihre Grenze zur Umwelt mittels der Differenz von Kommunikation/Nichtkommunikation. Kommunikationen, egal ob es sich um rechtliche, wissenschaftliche, politische, intime usw. Kommunikation handelt, finden in der Gesellschaft statt und sind ein Beitrag zur Reproduktion von Gesellschaft. D. h., auch Zustimmung und Ablehnung, Konsens und Konflikt sind gesellschaftliche Ereignisse. Gesellschaften unterscheiden sich aber hinsichtlich ihrer Konflikttoleranz. Für segmentäre Gesellschaften, deren primärer Reproduktionsmechanismus auf Interaktion beruht, sind Konflikte aus zwei Gründen bestandsgefährdend. Erstens absorbieren Konflikte Zeit und verschärfen damit das grundsätzliche Problem segmentärer Gesellschaften: die Unsicherheit ihrer Subsistenzsicherung in der Zeitdimension; und zweitens stehen segmentären Gesellschaften nur in eingeschränkten Maße andere 6 Mittel als Gewalt zur Konfliktentscheidung zur Verfügung. Für interaktionsnahe Gesellschaften ist daher hohe Konfliktrepression typisch. Gleichwohl ist Gewalt nicht die einzige Konditionierung von Konflikten. Andere Formen eine Ablehnung von Erwartungen unwahrscheinlich zu machen, sind Entscheidungen durch Dritte und Loyalitäten, die unklar werden lassen, wer als Gegner und wer als Verbündeter gilt. Zu Letzterem zählen die Verwandtschaftsbeziehungen zwischen und innerhalb von Dörfern (vgl. Nollmann 1997, S 144ff). Ältestenräte bilden eine Form der Konfliktentscheidung durch Dritte, allerdings ohne die für Gerichtsverfahren typische Verbindlichkeit. Stratifizierten Gesellschaften, deren primäre Differenz sich vertikal an der Unterscheidung von oben und unten orientiert, überwinden die durch Interaktionssysteme vorgegebenen Limitationen und ermöglichen die Tolerierung von Konflikten. Allerdings bleibt diese Tolerierung auf die Oberschicht beschränkt und unterliegt hoch spezifizierten Regeln (z. B. Fehde). Diese Asymmetrie hat strukturelle Gründe. Während die Sozialbeziehungen der Unterschichten weitestgehend interaktionsnah gebildet und wegen der hohen sozialen Folgekosten empfindlich für Konflikte bleiben, ermutigen das räumliche Auseinandertreten und die schriftliche Kommunikation der Oberschichten die Ablehnung. “Adelsfamilien stehen dadurch, anders als in der Unterschicht, mit der Option für ein ‚Nein„ nicht vor der prekären Notwendigkeit, ihr alltägliches Leben vor dem Hintergrund konfliktuöser, gewaltnaher Verhältnisse einrichten zu müssen” (Nollmann 1997: 155). Die moderne Gesellschaft zeichnet sich gegenüber vorhergehenden Gesellschaftsformen durch ein wesentliches höheres Konfliktpotential aus. Das Gewaltmonopol des Staates und das Auseinandertreten von Gesellschaft und Interaktion heben einige Beschränkungen auf, denen Interaktionen in vormodernen Gesellschaften unterworfen sind. Dies ermutigt Nein zu sagen, da die Folgen kalkulierbarer und insbesondere physische Schäden unwahrscheinlicher werden. Das staatliche Gewaltmonopol, insbesondere wenn es mit einer rechtsstaatlichen Konkretisierung seiner Anwendung verbunden wird, eröffnen neue Möglichkeiten Konflikte zu wagen, da die Konfliktentscheidung und ihre Durchsetzung nicht mehr bei den Konfliktbeteiligten liegt, sondern von Staat und Recht übernommen werden. Mit der Differenzierung von Gesellschaft und Interaktion kann die einzelne Interaktion zunehmend gleichgültiger gegenüber ihrer Umwelt werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit der zeitlichen und räumlichen Streckung 7 der Kontexte. Konfliktparteien müssen nicht dauerhaft miteinander interagieren und wenn doch, dann nur für kurze Zeit. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, Kommunikation einfach abzubrechen, ohne dass gleichzeitig die Gesellschaft aufhören würde zu existieren. Soziologische Theorien des Konflikts unterscheiden sich dahingehend, ob sie Konflikte als vorhanden voraussetzen bzw. als strukturell erzeugte Phänomene begreifen und damit eine gewisse Zwangsläufigkeit der Entstehung von Konflikten unterstellen (Marx: Produktionsverhältnisse erzeugen Widersprüche) oder ob sie Konflikte als eine von mehreren Möglichkeiten der sozialen Handelns beschreiben, in soziale Beziehungen Wirkungen zu erzeugen. 4. Rezeption der Studierenden Studierende mit erziehungswissenschaftlichen oder mikrosoziologischen Studienschwerpunkten beobachteten die Veranstaltung selber unter normativen Gesichtspunkten. Ihnen war die verarbeitete Literatur zu „negativ“, da sie sich auf die begriffliche und empirische Darstellung von Konflikt beschränkte und nicht die Konfliktlösung in den Vordergrund stellte. 5. Konsequenzen für zukünftige Durchführung des Seminars Die begrifflich-theoretische Literaturverarbeitung wird zugunsten von ebenenspezifischen Analysen und empirischer Fallbearbeitung gekürzt werden. 6. Literatur Baecker, Dirk, 1996, Gewalt im System, in: Soziale Systeme Coser, Lewis A., 1972, Theorie sozialer Konflikte, Neuwied/Berlin: Luchterhand Dahrendorf, Ralf, 1965, Elemente einer Theorie des sozialen Konflikts, in: Ralf Dahrendorf, Gesellschaft und Freiheit. Zur soziologischen Analyse der Gegenwart, München: Piper, S. 197-235 Luhmann, Niklas, 1996, Widerspruch und Konflikt, in: Niklas Luhmann, Soziale Systeme, Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S. 488-550 Luhmann, Niklas, 1997, Die Gesellschaft der Gesellschaft, Frankfurt a. M: Suhrkamp 8 Marx, Karl/Engels, Friedrich, 1967, Manifest der Kommunistischen Partei, Berlin: Dietz Marx, Karl/Engels, Friedrich, 1969, Die deutsche Ideologie, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, Bd. 3, Berlin: Dietz Nollmann, Gerd, 1997, Konflikte in Interaktion, Gruppe und Organisation. Zur Konfliktsoziologie der modernen Gesellschaft, Opladen: Westdeutscher Verlag Parsons, Talcott, 1951, The Social System, New York: The Free Press Simmel, Georg, 1992, Der Streit, in: Georg Simmel, Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung, Gesamtausgabe Band 11, Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S. 186-255 Weber, Max, 1964, Wirtschaft und Gesellschaft , Studienausgabe, Erster Halbband, Köln/Berlin: Kiepenheuer & Witsch 9