19 Krankheiten der Sinnesorgane

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Claus Peter Bartmann, Corinna Eule, Hartmut Gerhards, Vera Schmidt, Bettina Wollanke
19.1
19.2
Augenkrankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ohrenkrankheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19.1
Augenkrankheiten
Corinna Eule, Hartmut Gerhards, Vera Schmidt,
Bettina Wollanke
19.1.1
Untersuchung der Augen
Corinna Eule, Vera Schmidt
Zu einer tierärztlichen Augenuntersuchung gehört zunächst
immer die Kontrolle des Allgemeinbefindens des Tieres, dann
erfolgt die spezielle Untersuchung des Auges (▶ Tab. 19.1). Diese erfolgt beim Pferd je nach Schmerzhaftigkeit und Wehrhaf-
781
821
tigkeit des Tieres, Ausmaß des klinischen Problems, der Zustimmung des Tierhalters zu den angewandten Methoden und Eingriffen, mit oder ohne Sedation und lokale Anästhesie.
Bei der klinischen Untersuchung, die morphologische und
funktionelle Aspekte zu berücksichtigen hat, steht zunächst die
orientierende Beobachtung (Adspektion) im Vordergrund aller diagnostischer Erhebungen. Das Tier wird in zwangloser
Verfassung („hand off“) bei Tageslicht oder im hellen Raum betrachtet. Abweichungen der Bewegung und Haltung des Kopfes,
Asymmetrien in der Kopf- und Gesichtsform, Veränderungen
der Augenstellung und der Blickachse, Größen-, Form- und Bewegungsanomalien der Lider sowie das Vorhandensein von Augenausfluss können hierbei auffallen.
▶ Tab. 19.1 Ophthalmologische Untersuchung: Teilaspekte, deren Inhalt und Einschätzung der Notwendigkeit der jeweiligen Untersuchungsschritte.
Untersuchungsschritt
Inhalt
Notwendigkeit
Anamnese
Einholung des Vorberichts
immer
Überprüfung des Visus
Einschätzung durch den Tierhalter
immer
Beobachtung des Tieres durch den Tierarzt
immer
Visustests
optional
Adspektion
Beurteilung der Symmetrie des Kopfes, von Lidstellung, Ausfluss, Blepharospasmus, Bulbusgröße etc. – „hands off“
immer
Überprüfen der Reflexe
Drohantwort, Blend-, Pupillar- und Lidreflex
immer
Kornealreflex
selten nach Indikation
Palpation
Palpation der Augenumgebung, Lider und Orbita, Retropulsion der Bulbi in
die Orbita
optional entsprechend Problematik
Inspektion
detaillierte Beurteilung der Augenstrukturen von außen nach innen entsprechend ihrer anatomischen Reihenfolge und Betroffenheit – „hands on“
mit fokaler Lichtquelle
diagnostische Verfahren
immer
mit Vergrößerung (Lupenbrille oder Spaltlampe)
optional entsprechend Problematik
mit Ophthalmoskop
immer
nach Dilatation der Pupille
optional entsprechend der Problematik und Zustimmung der Tierhalter
ergänzende Untersuchungen, um Befunde der rein klinischen Untersuchung
weiter differenzieren zu können:
Schirmer-Tränentest
optional
Probenahme für bakteriologische/mykologische Untersuchung, Virusnachweis durch PCR
optional
Fluoreszein-Test
immer
Färbung mit Lissamingrün oder Bengalrosa
optional
Spülung des Tränen-Nasen-Kanals
optional
zytologische Untersuchung
optional
Biopsie
optional
Tonometrie
optional
Kammerwasserpunktion
optional
bildgebende Verfahren wie Sonografie, Röntgen, CT, MRT
optional
Krankheiten der Sinnesorgane
Krankheiten der Sinnesorgane
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19
19 – Krankheiten der Sinnesorgane
782
! Stets werden zunächst die Adspektion und Inspektion ausgeführt, erst dann folgen erforderlichenfalls die Palpation,
die Augendruckmessung (Tonometrie) und weitere zusätzliche Handlungen, z. B. manuelle Erweiterung der Lidspalte, das Evertieren der Lider und der Membrana nictitans, das Anfärben der Hornhaut, die Pupillenerweiterung
usw.
Für die Untersuchung werden fokussierte Lichtquellen wie Otoskoplämpchen, eine ophthalmologische Untersuchungsleuchte,
eine Spaltlampe oder ein Ophthalmoskop herangezogen, die in
Abhängigkeit vom jeweiligen Abschnitt des Auges auf- oder
durchfallendes Licht vermitteln. Erforderlichenfalls kommen
außerdem für die Untersuchung Lokalanästhetika, farbstoffvermittelnde Substanzen (z. B. Fluoreszein, Bengalrosa oder Lissamingrün) oder instrumentelle Hilfsmittel (Pinzetten, Lidhalter) zur Anwendung.
Die funktionelle Untersuchung erfasst die Fähigkeit des Sehorgans zum Auffangen eines Lichtreizes, dessen Umgestaltung
und Verarbeitung im Gehirn und die daraus abgeleiteten Reaktionen des Tieres. Sie ist mit Ausnahme der Feststellung und
Graduierung von Leistungsabweichungen des dioptrischen Apparats und spezieller elektroretinografischer Untersuchungsverfahren (Letzteres ist Sache erfahrener Spezialisten) ohne
Spezialkenntnisse und ohne spezielle Hilfsmittel unter allgemein üblichen Bedingungen ausführbar und erfolgt im Wesentlichen mit Hilfe von Sehproben unter Beachtung der Blickrichtung des Tieres und der Pupillenreaktion.
Was die Sehproben betrifft, so sind sie bei den Tieren nur im
Falle ausgeprägter Sehstörungen (Amblyopie) oder bei Blindheit (Amaurosis) eines oder beider Augen aussagekräftig. Sie
gestatten nicht die Graduierung der Störungen und erfassen
auch nicht die Sehbehinderungen geringeren Ausmaßes
(Schwachsichtigkeit, Asthenopie) oder die Refraktionsanomalien.
Vor jeder speziellen Testung sollte man die notwendige Zeit
und Ruhe aufbringen, sowohl bei Tageslicht als auch im Dämmerungslicht das Tier in seinem Gesamtverhalten zu beurteilen:
● gegenüber gewohnten und ungewohnten Reizen,
● gegenüber der gewohnten und ungewohnten Umgebung (im
Stall, im Freigehege, in der Herde, in einem geschlossenen
Raum, am Futterplatz usw.),
● frei herumlaufend, an langer Leine oder bei Verrichtung von
Arbeitsleistungen
Dabei ist Folgendem besondere Beachtung zu schenken:
● dem Gang (frei, sicher, zögernd, tappend, stolpernd, suchend),
● der Extremitätenaktion bei langsamer und schneller Gangart,
● der Kopfhaltung (schief, vorgestreckt),
● dem Ohrenspiel, den Nüstern und dem Nasenspiegel.
Der Beobachtung schließt sich ein Hindernisparcours an, der
sich im Wesentlichen auf das Führen des Tieres gegen oder
über Hindernisse verschiedener Größe, Form und Anordnung
wie Bodenwellen, rinnenförmige Bodenvertiefungen, am Boden
liegende Balken, in unterschiedlicher Höhe aufgestellte oder in
den Weg gelegte Latten, Leitern, Hürden, Wände, gespannte
Seile u. Ä. erstreckt. Sollen beide Augen nacheinander geprüft
werden, so muss das andere Auge durch entsprechendes Material (lichtundurchlässiges Tuch, Verband, Augenklappe) sicher
abgedeckt werden.
Von einer gewissen Aussagekraft sind auch die Kopf- oder
Bulbusbewegung des Tieres und die Veränderung der Blickrichtung eines oder beider Augen bei Ortsveränderung des vermutlich anvisierten Fixpunktes (z. B. am Gatter entlanglaufende
Person).
Aufschlussreich kann das Verhalten des Tieres bei der „Drohgebärde“ sein. Sie wird ausgeführt, indem die geschlossene
Hand (Faust) auf das Auge zugeführt und vor Erreichen des
Kopfes des Tieres (Distanz etwa 60 cm) unter Abspreizen der
Finger geöffnet wird. Manchmal gelingt es, Blinzeln oder Kopfbewegungen des Tieres auszulösen. Dagegen führt eine schnell
ausgeführte Handbewegung vor den Augen des Tieres nicht selten zum Trugschluss, wenn man nicht bedenkt, dass der damit
ausgelöste Luftstrom schon ausreicht, einen willkürlichen Lidschlussimpuls auszulösen und einen Lichtreflex vorzutäuschen
(Händlertrick).
Von eingeschränkter Aussagekraft für das Sehvermögen eines
Tieres ist die physiologische Pupillenreaktion. Wenn sie dennoch bei der funktionellen Untersuchung mit herangezogen
wird, so deshalb, weil sich hieraus zumindest gewisse Schlüsse
im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit der Retina ziehen lassen.
Unter der Voraussetzung einer unbehinderten Aktionsfähigkeit
der Pupille (Ausschalten der Möglichkeit beispielsweise einer
mechanischen Behinderung durch Synechien, der pharmakodynamischen Beeinflussung durch Miotika und Mydriatika oder
des Vorliegens eines erhöhten Sympathikotonus) lassen sich im
Fall einer prompten und vollständigen Reaktion am beleuchteten und einer konsensuellen (übereinstimmenden) Reaktion
am anderen Auge folgende Feststellungen treffen:
● Die Retina ist lichtempfindlich.
● Die Sehbahn bis hin zum Reflexbogen ist leitfähig.
● Reflexbogen und Okulomotoriusbahn sind intakt.
! Die Pupillenreaktion ist nicht beweisend für das Sehvermögen des Tieres. Ausfall der direkten Pupillenreaktion
bedeutet nicht, dass das Tier blind ist.
Je nachdem, welche Strukturen des Auges betroffen und erkrankt sind, können weiterführende Untersuchungen (z. B. dermatologische, neurologische, internistische Untersuchungen)
notwendig sein.
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Die detaillierte Augenuntersuchung (Inspektion) sollte
grundsätzlich weitab von allen störenden optischen, akustischen und olfaktorischen Reizeinflüssen der Umwelt und in
einem abgedunkelten Raum erfolgen. Das Pferd wird stehend
am Halfter, möglichst ohne Trense untersucht. Vorteilhaft ist,
beide Augen des Tieres, auch das gesunde, der Betrachtung zu
unterwerfen und konsequent dem Untersuchungsgang von außen nach innen zu folgen: Umgebung des Auges, Augapfel im
Ganzen, Lider und Lidspalte, Hornhaut und perikorneale sichtbare Skleralanteile, vordere Augenkammer, Iris, Pupille, Linse,
Glaskörper und Augenhintergrund. Dem schließt sich die Betrachtung der Konjunktiven, der Nickhaut und der Tränenwege
an.
19.1 Augenkrankheiten
783
19.1.2
Krankheiten des Auges
Corinna Eule, Hartmut Gerhards, Vera Schmidt,
Bettina Wollanke
Krankheiten der Augenlider
Corinna Eule, Vera Schmidt
Die Augenlider (Palpebrae) sind hinsichtlich ihrer anatomischen Beschaffenheit, ihrer Stellung und ihrer Beweglichkeit zu
beurteilen. Sie sind beim Pferd mit einer sehr feinen, dünnen
und faltenreichen Haut ausgestattet. Geglättete Augenlidfalten,
straff gespannte Augenlidhaut und Umfangsvermehrung der Lider weisen u. a. auf Entzündungen, Flüssigkeitsergüsse, Neubildungen hin. Fehlerhafte Lidstellungen sind durch die Form und
Anordnung des Lidrands (3. Augenwinkel, Ein- und Auswärtsdrehung) und durch die Oberlidwimpernstellung (Stellungswinkel zum Bulbus < 45° = Entropium, > 45° = Ektropium) erkennbar. Die Lidbewegung wird durch Verwachsungen (Symblepharon, Ankyloblepharon), durch Krampfzustände (Blepharospasmus), durch neuronale Störungen (Ptosis), durch
mechanische Hindernisse (Neubildungen, Ödeme) oder durch
Entzündungen beeinflusst. Abweichungen der Lidspalte betreffen insbesondere ihre Größe. Enger als normal ist bzw. erscheint sie bei verkleinertem oder rückverlagertem Bulbus (Mikrophthalmus, Phthisis bulbi, Enophthalmus), bei Verwachsungen (Ankyloblepharon), bei Einwärtsdrehung eines oder beider
Lidränder (Entropium), bei entzündlicher Schwellung des Lidgewebes. Weiter als normal ist bzw. erscheint sie bei vergrößertem oder vorverlagertem Bulbus (Glaukom, Buphthalmus, Protrusio bulbi, Exophthalmus), bei Bewegungsanomalie der Lider
(Lagophthalmus), bei Auswärtsdrehung eines oder beider Lidränder (Ektropium).
▶ Abb. 19.1 Lidödem. Enorme Schwellung von Ober- und Unterlid, enge
Lidspalte. (Ursache: Orbitaltrauma).
die Lidfalten sind verstrichen. Beim Vorliegen eines Stauungsödems ist die Haut gegenüber der Umgebung kühler und nicht
schmerzhaft. Liegt ein entzündliches Ödem vor, so wird bei Palpation ein Druckschmerz erzeugt, die Haut ist vermehrt warm
und in nichtpigmentierten Bereichen gerötet.
Therapie ■ Die Behandlung richtet sich nach dem Grundleiden. Unterstützend wirken kühlende Kompressen oder antiphlogistische Salben. Bei Insektenstichen oder Allergien sind
Antiallergika und Antihistaminika lokal und systemisch angebracht. Bei infektiösen Ursachen können auch systemische Gaben eines Antibiotikums notwendig sein. Alternierend angewandte warme und kalte Kompressen aktivieren die Gefäßwände und führen zu einer schnelleren Resorption der ausgetretenen Gewebeflüssigkeit. Bei mangelndem Lidschluss
sollten die Binde- und Hornhaut prophylaktisch mit einer z. B.
Vitamin-A-haltigen Augensalbe feucht gehalten werden.
Lidödem
Lidverletzungen
Definition ■ Das Lidödem ist durch eine pathologische An-
Ätiologie und Pathogenese ■ Das Pferdeauge ist traumatischen Schäden oft und stark ausgesetzt und zeigt gegenüber
diesen eine relativ hohe Empfindlichkeit. Quetschungen sind
die Folge stumpfer Gewalteinwirkung und entstehen durch Anoder Aufschlagen des Kopfes (Kolik), durch stundenlanges Festliegen oder durch Scheuern auf dem Boden bei Aufstehversuchen. Lidwunden sind beim Pferd häufige Verletzungen. Sie
stellen sich als Riss- oder Schnittwunden dar und betreffen die
Lidhaut vorzugsweise des oberen Lides, häufig auch tiefere Gewebeteile (Lidmuskulatur, Tarsalplatte, palpebrale Konjunktiva).
sammlung von Flüssigkeit in dem lockeren und weitmaschigen
Bindegewebe des Augenlides auf der Grundlage einer örtlichen
oder allgemein bedingten Permeabilitätsstörung der Gefäßwände (Vaskulitis z. B. infolge von Entzündungen, Infektionen,
Intoxikationen) gekennzeichnet.
Ätiologie und Pathogenese ■ Ein einseitig auftretendes
Ödem spricht für einen örtlich ablaufenden Prozess (z. B. Insektenstich, Quetschung, Entzündung, Fremdkörper, Zellulitis, Orbitalfraktur), ein beidseitig vorhandenes Ödem dagegen für
eine systemische Krankheitsursache (z. B. allergische Dermatose, Thrombozytopenie, Influenza, Viruspneumonie, Virusarteritis) oder es ist Folge venöser Stase bei langzeitig herabhängendem Kopf.
Klinik ■ Charakteristisches Symptom des Ödems ist die Lidschwellung (▶ Abb. 19.1). Sie kann am Oberlid so ausgeprägt
sein, dass dadurch die Orbitalhöhle überdeckt und die Lidspalte
geschlossen ist (Pseudoptosis). Die Lidhaut ist straff gespannt,
Klinik und Diagnose ■ Quetschungen treten vornehmlich im
Bereich des oberen Augenbogens auf und führen rasch zu ödematöser Schwellung der Lider, insbesondere des oberen Augenlids, sehr oft außerdem zur ödematösen Schwellung der Konjunktiven (Chemosis) und zu subkonjunktivalen Blutungen.
Eine sehr sorgfältige Untersuchung unter Sedierung und Lokalanästhesie ist zum Ausschluss weiterer Verletzungen des
Auges (insbesondere Hornhaut und Sklera) und der Augen-
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19.1.2.1
Krankheiten der Sinnesorgane
Im Folgenden sollen die beim Pferd gehäuft auftretenden und
leistungsbeeinflussenden Veränderungen und Erkrankungen
abgehandelt werden.
19 – Krankheiten der Sinnesorgane
784
Therapie ■ Sofern Verletzungen der Orbita oder des Bulbus
ausgeschlossen werden können, führt bei Quetschungen die
systemische Therapie mit nichtsteroidalen Antiphlogistika, z. B.
mit Flunixin (intravenös oder oral 1,1 mg/kg KM täglich) zur
merklichen Abschwellung und Schmerzstillung. Eine zusätzliche örtliche Behandlung mit kühlenden Kompressen ist empfehlenswert. Der Bindehautsack ist prophylaktisch im Dosierungsintervall von ca. 6–8 Stunden mit einem Breitbandantibiotikum zu versorgen.
Bei Lidwunden richtet sich die Behandlung nach dem Charakter der Verletzung. Bei Verdacht auf Beteiligung periorbitaler, faszialer oder tiefer bindegewebiger Strukturen sind systemische Antibiotika und NSAIDs einzusetzen. Zusammenhangstrennungen des Lidgewebes werden durch sorgfältige
Naht wiederhergestellt. Generell sollte die Wundumschneidung sehr minimal sein, was vertretbar ist, da das Augenlid
eine sehr intensive Blutversorgung und damit gute Abwehrbereitschaft und Heilungstendenz aufweist. Im Falle tieferer Läsionen wird die Tarsokonjunktiva mit resorbierbarem Material
auf Polyglactin-Grundlage (z. B. 5/0 Vicryl®, Ethicon) fortlaufend oder mit einzelnen Situationsnähten so vereinigt, dass die
Knoten innerhalb des Lidgewebes zu liegen kommen. Darüber
wird die Lidhaut mittels nichtresorbierbaren Materials (3/0–5/
0) versorgt. Der Lidrand selbst wird mit einem 8er-Heft adaptiert, die weitere Wunde mit Einzelheften verschlossen
(▶ Abb. 19.3).
Herabhängende Lidanteile dürfen keineswegs entfernt werden; eng liegende Nähte mit sehr feinem Nahtmaterial und die
hervorragende Blutversorgung des Lides begünstigen den Heilungsprozess in derartigen Fällen. Das Gleiche gilt für Wunden,
die erst Tage nach dem Unfall zur Behandlung kommen. Verschmutzungen und Schwellungen der Wundränder sind kein
Hinderungsgrund für eine rekonstruierende Naht, wobei auch
hier die Wundumschneidung gering ausfallen sollte.
Bei Wunden mit größerem Substanzverlust sind, sofern eine
Naht nicht möglich erscheint, blepharoplastische Maßnahmen
(Verschiebetechnik mit Haut aus der Augenumgebung, Verwendung synthetischer Haut) einzuleiten. Immer ist das Ziel der
weitgehenden Wiederherstellung eines funktionsfähigen Lidschlusses anzustreben, um posttraumatische Komplikationen
(artifizieller Lagophthalmus, Keratoconjunctivitis sicca) zu vermeiden.
▶ Abb. 19.2 Lidwunde mit lappenartiger Abtrennung großer Teile des
Unterlids und Rissverletzung im Oberlid.
▶ Abb. 19.3 Intermarginalnaht bzw. 8er-Heft und folgende Einzelhefte.
Technik des Nahtverschlusses von Lidrandwunden.
Lidentzündung
Ätiologie und Pathogenese ■ Eine Lidentzündung (Blepharitis) resultiert vorwiegend aus Verletzungen oder Fremdkörperpenetration. Primär bakteriell bedingte Prozesse wurden bislang nicht beobachtet, dagegen können kutane Pilzinfektionen,
z. B. durch Trichophyton spp. oder Microsporum spp., Lidentzündungen hervorrufen. Regional (Osteuropa, Asien, Afrika) sind
Histoplasma farciminosum (Lidgranulome) und Cryptococcus
mirandi (ulzerative Läsionen) häufig Verursacher von Lidentzündungen.
Papillomähnliche Ausbildungen erzeugt die Habronema-Larve. Die okuläre Habronematidose wird durch in der Haut wandernde Larven der intestinalen Parasiten Habronema (H. muscae, H. microstoma) erzeugt. Sie betrifft insbesondere die mediale Kanthusregion, aber auch die Bindehaut, und ist hier
durch schmerzhafte, eitrig-käsige, ulzerative Läsionen, mitunter durch papillomähnliche Gewebeveränderungen gekenn-
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umgebung vonnöten. Neben der Adspektion und Inspektion
sind die Palpation der knöchernen Orbita und ein Fluoreszeintest dringend anzuraten. Weiterführende bildgebende Verfahren wie Röntgen, Ultraschall und/oder CT können je nach Ausmaß der Verletzung zusätzlich sinnvoll sein. Perforierende, alle
Schichten des Lides erfassende Zusammenhangstrennungen
bedingen, dass mehr oder weniger große Lidanteile aus ihrem
Gewebeverband
gerissen
wurden,
lose
herabhängen
(▶ Abb. 19.2) oder in ungünstigen Fällen als Teil des Augenlides
verloren gehen. Es entsteht sehr schnell ein kollaterales Lidödem, das den Lidspalt verengt oder verschließt. Es stellt sich
starker Tränenfluss ein, untermischt mit serös-mukösem Exsudat. Problematisch können Verletzungen sein, die die Tränenkanälchen erfassen oder via vulnera bakteriellen Zugang zur Periorbita mit daraus resultierender Zellulitis erzeugen.
19.1 Augenkrankheiten
Lidtumoren
Papillome ■ Warzen oder Papillome kommen als gutartige
kutane Tumoren bei bis zu 2 Jahre alten Tieren vor. Nur die
durch das equine Papillomavirus hervorgerufene Form wird als
Papillomatose bezeichnet. Sie hat ihren hauptsächlichen Sitz
um die Maulöffnung herum, an den Ohren und an den Augenlidern (in der Lidhaut, am Lidrand, mitunter auch in der Konjunktiva). Die Neubildungen treten als umschriebene, oberflächlich verhornt erscheinende traubenförmige Erhabenheiten
mit einem Durchmesser von 2–10 cm auf. Die Papillome bilden
sich spontan in einem Zeitraum von 1–6 Monaten zurück, eine
Therapie ist demzufolge nicht erforderlich. Nachkommen einmal erkrankter Tiere sind für die Papillomatose disponiert. In
diesen Fällen wird die Anwendung einer Vakzine bei 2–3 Monate alten Fohlen beschrieben. Im Übrigen kann eine Autovakzine die rasche Rückbildung der Papillome erreichen.
fallsrate auf als andere Rassen. Dagegen wurde eine Geschlechter- oder Farbendisposition nicht beobachtet. Ursächlich wird
ein Einfluss des bovinen Papillomavirus und des Retrovirus
vom C-Typ diskutiert. Das klinische Bild ist durch knotige oder
warzenförmige Umfangsvermehrungen bis zu ca. 6 cm Durchmesser mit trockener und haarloser Oberfläche gekennzeichnet
oder imponiert durch großflächige, ca. 20 cm Durchmesser betragende Gewebezubildungen mit ulzerierender, granulierender oder stark zerklüfteter Oberfläche (▶ Abb. 19.4). Differenzialdiagnostisch ist an das Vorliegen eines Plattenepithelkarzinoms, Fibrosarkoms, Fibroms, Papilloms, von Granulationsgewebe und kutaner Habronematidose zu denken. Der
chirurgischen Therapie sind aufgrund der flächigen Ausdehnung der tumorös veränderten Gewebebereiche oftmals Grenzen gesetzt. Die Rezidivneigung ist dann hoch. Bei Tumoren
kleinen Ausmaßes sind eine Bestrahlung, Hyperthermie, Kryotherapie oder Chemotherapie (z. B. Cisplatin) in Betracht zu
ziehen. Erfolgreich gestaltet sich die Immuntherapie mit intraläsional verabreichtem inaktiviertem BCG (bovine Tuberkulosebazillen; Bacillus Calmette-Guérin = BCG). Spricht der Tumor
mit Regression auf die Therapie an, gestaltet sich die Prognose
gut. Flunixin-Meglumin (1,1 mg/kg KM), 30 Minuten vor der
BCG-Therapie appliziert, minimiert mögliche anaphylaktische
Reaktionen.
Plattenepithelkarzinom ■ Dieses kommt am Pferdeauge, insbesondere an den Lidern, aber auch an der Nickhaut, am Limbus und in der Kornea häufig vor (▶ Abb. 19.5). Recherchen lassen den Verdacht zu, dass Pigmentmangel am Augenlid und
Sonnenlichtexposition begünstigende Faktoren für die Tumorentstehung sind. Es erkranken vornehmlich Pferde mittleren
und höheren Alters (8–9 Jahre), wobei in den USA Tiere von
Rassen mit Schimmelfaktor (Belgier, Appaloosa, Paint, Pinti,
Clydesdale, Shire) und in Europa Haflinger eine besondere Disposition aufzuweisen scheinen. Das Erscheinungsbild ist von
Lokalisation und Krankheitsverlauf abhängig. In frühen Entwicklungsstadien ist bei geringfügiger Entzündung eine umschriebene hyperplastische Plaque papillomartigen Aussehens
erkennbar, bei weiterem Fortgang entwickelt sich hieraus ein
unregelmäßig geformter, invasiv wachsender Tumor mit zen-
Okuläres Sarkoid ■ Das Sarkoid ist die beim Pferd am häufigsten vorkommende Neubildung im Bereich des Augenlids
oder seiner Umgebung. Vornehmlich bei jüngeren Tieren
(7 Jahre) auftretend weist das Quarter Horse eine höhere Be-
▶ Abb. 19.4 Okuläres Sarkoid.
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zeichnet. Ist die Nickhaut befallen, dominieren proliferative
Prozesse das klinische Bild. Die Veränderungen treten saisonal
in warmen Monaten auf. Mitunter werden durch die Larven
Lidverletzungen in ihrer Heilungstendenz ungünstig beeinflusst. Die Diagnose stützt sich auf den zytologischen Nachweis
von Eosinophilen aus Ausstrichen und Abschabungen. Die systemische Therapie mit Ivermectin (0,2 mg/kg KM einmalig) ist
sehr effektiv, evtl. kann lokal zusätzlich mit einem Kombinationspräparat aus Antibiotikum und Kortikosteroid behandelt
werden.
Allergische Entzündungsprozesse am Lid sind im Zusammenhang mit immunvermittelten Dermatosen zu erwarten.
Die akute allergische Blepharitis ist durch Lidödem, Chemosis
der palpebralen Konjunktiva und Juckreiz gekennzeichnet. Der
chronische Zustand präsentiert sich durch Verdickung des Lides
infolge bindegewebiger Induration, Haarlosigkeit, Hyperkeratose und Hyperpigmentierung der Haut der Augenumgebung.
Pollen, Einstreu, Futterbestandteile und Arzneimittel können
allergen wirken. Die Ermittlung der Ursache erfolgt auf dem
Wege des Ausschlusses. Die örtliche Behandlung mit kortikosteroidhaltigen Zubereitungen wird durch systemische Verabreichung von parenteralen Antihistaminika (z. B. Pyrilamin) flankiert.
Eine besondere Spielart allergischer Reaktion ist das eosinophile Granulom mit kollagener Degeneration (equines kollagenes Granulom). Insektenstiche werden als Ursache vermutet.
Das Granulom wird exstirpiert, die Nachbehandlung erfolgt
örtlich mit Prednisolonsalbe.
Pemphigus foliaceus äußert sich am Lid durch Vesikel oder
Pusteln. Die Diagnose resultiert aus dem klinischen Bild und
der histologischen Untersuchung. Therapie: orale Gabe von
Prednisolon 1 mg/kg KM bis zum Rückgang der klinischen Zeichen und dann in abfallender Dosierung bis zum Verschwinden
aller Krankheitserscheinungen. Rezidive sollten mit Dexamethason und/oder mit organischem Gold (Aurothioglucose)
behandelt werden.
Krankheiten der Sinnesorgane
785
19 – Krankheiten der Sinnesorgane
▶ Abb. 19.5 Plattenepithelkarzinom am freien Nickhautrand eines Warmblutpferdes.
a Zustand nach Vorverlagerung des dritten Augenlids.
b Ansicht nach chirurgischer Entfernung und während Wundverschluss mit fortlaufender Naht (PGA 8/0).
traler Nekrotisierungstendenz. Der Tumor kann ausgeprägte
Metastasierungstendenz in die regionären Lymphknoten und
Speicheldrüsen, mitunter auch in die Lungen haben. Die Therapie ist chirurgisch und beinhaltet die Exstirpation mit großzügiger Einbeziehung umliegenden Gewebes sowie zusätzlicher
Kryotherapie und Radiotherapie. Bei geringsten Überbleibseln
von Tumorzellen besteht Rezidivierungstendenz, die Prognose
wird damit infaust. Man sollte daher frühzeitig und radikalchirurgisch arbeiten. Im Falle der alleinigen Erkrankung der Nickhaut ist diese zu exstirpieren. Sind größere Teile des Augenlids
einbezogen, sollte eine Exenteratio orbitae in Betracht gezogen
werden.
Melanom ■ Diese Tumoren treten mitunter bei älteren, grauoder weißhaarigen Schimmeln, insbesondere der Rassen Lipizzaner und Araber auf. Die kutanen, auch in anderen Körperbereichen vorhandenen Neubildungen wachsen langsam und
haben keine Metastasierungstendenz. Die chirurgische Resektion, verbunden mit Kryotherapie, erbringt befriedigende Behandlungserfolge.
Weitere Tumoren ■ Weitaus seltener wurde beim Pferd über
das Vorkommen von Adenokarzinomen, Adenomen, Basalzelltumoren, Fibromen, Hämangiomen, Lymphosarkomen und
Mastzelltumoren am Auge berichtet. Adenokarzinome zeigen,
sofern Tumorreste nach der chirurgischen Intervention verbleiben, Metastasierungstendenz. Basalzellen- und Mastzelltumoren haben bei chirurgischer Intervention in Kombination mit
Kryotherapie eine gute Prognose.
Störungen der Lidbewegung
Blepharospasmus ■ Der krampfhafte Lidschluss hat reflektorische Ursachen bei Reizzuständen der einzelnen Augenabschnitte (Konjunktivitis, Keratitis, Uveitis, Retinitis) oder ist
symptomatisch für degenerative Erkrankungen des Nervensystems (z. B. Borna-Krankheit). Infolge starker Kontraktion des
Augenringmuskels (M. orbicularis oculi) bleibt die Lidspalte unterschiedlich lange und intensiv krampfhaft geschlossen. Bei
der Therapie von Reizzuständen kommt es darauf an, schnellstens den Circulus vitiosus „Reiz – reflektorische Einwärtsdrehung – Reiz“ zu beheben und kausal heranzugehen. Zur kurzzeitigen Unterbrechung des Krampfzustands eignet sich eine
Oberflächenanästhesie der Binde- und Hornhaut (Proparacain,
Buprocain). Krampflösend wirkt die Zufuhr von Wärme.
Schließlich kann durch Blockade des N. auricularis (subfasziale
Injektion von 5–6 ml Anästhetikum in die Arcus-zygomaticusRegion) der Muskelkrampf vorübergehend gelöst werden. Bei
Vorliegen eines symptomatischen Blepharospasmus ist nur die
kausale Therapie von Erfolg.
Ptosis ■ Ein herabhängendes, normal entwickeltes Oberlid
(Ptosis palpebrae superioris) tritt beim Pferd vornehmlich im
Zusammenhang mit Lidödemen und Lidhämatomen auf und ist
hier mechanisch bedingt. Eine echte Ptosis (Ptosis vera) ist auf
Ausfall- oder Lähmungserscheinungen des N. oculomotorius,
des N. facialis und/oder des N. frontalis zurückzuführen. Ein
solcher Zustand kann beim Pferd durch Quetschungen des N.
facialis (zentraler Anteil proximal der Umschlagstelle) temporär
oder stationär auftreten oder ein Zeichen des Horner-Syndroms
sein. Die Behandlung richtet sich nach dem Grundleiden, d. h.,
Schwellungen der Lider werden zum Abklingen gebracht, Tumoren entfernt, spastische Zustände gelöst. Bei Nervenlähmungen sind Gaben von Vitamin B, Glukose und lokale Wärmeapp-
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19.1 Augenkrankheiten
nasal
b
▶ Abb. 19.6 Tarsorrhaphie. Artifizieller Lidverschluss mittels Matratzennaht.
likation empfehlenswert. Allgemeinerkrankungen, die mit
einer Ptosis verlaufen, wie Beschälseuche oder Botulismus, unterliegen einer spezifischen Behandlung. Sind durch die gestörte Lidbewegung Schäden an der Hornhaut absehbar, sollte eine
temporäre Tarsorrhaphie (Nahtadaptation der Lidränder) angelegt werden (▶ Abb. 19.6).
Dritter Augenwinkel ■ Eine beim Pferd häufiger zu beobachtende Lidstellungsanomalie ist der sog. dritte Augenwinkel.
Man spricht von ihm, wenn das obere Augenlid eine winkelartig nach oben aufgezogene Falte aufweist. Der Zustand entwickelt sich bei verkleinertem und/oder zurückverlagertem
Bulbus (z. B. Phthisis bulbi, Enophthalmus). Er ist die Folge
einer ständigen kräftigen Kontraktion des M. levator palpebrae
(Heber des oberen Augenlides), die von dem Tier ausgeübt
wird, um die Lidspalte geöffnet zu halten (▶ Abb. 19.7). Die Behandlung richtet sich nach dem Grundleiden.
Anomalien der Lidstellung
Entropium ■ Ein Einrollen des Lidrands ist beim Pferd selten
und betrifft fast ausschließlich das untere Augenlid. Beim Fohlen kann es kongenitalen Ursprungs sein oder auf perinatal prädisponierende Ursachen wie Enophthalmus, Schwäche der Tarsalplatte, muskuläre Insuffizienzen oder auch Dehydratation
beruhen. Bei älteren Tieren muss an Schmerzzustände von Binde- oder Hornhaut im Zusammenhang mit Entzündungen und/
oder Hornhauterosion gedacht werden (Blepharospasmus).
Mitunter kann auch ein früheres Lidtrauma die Ursache sein.
Das klinische Bild wird durch das Einrollen des Lidrands und
die mechanische Irritation der Hornhaut bestimmt. Es äußert
sich durch eine verkleinert erscheinende Lidspalte, Tränenfluss
(Epiphora), Blepharospasmus, Ödematisierung, Vaskularisation
und/oder Ulzeration der Hornhaut. Beim Neugeborenen und
Fohlen kann durch ein- oder mehrmaliges manuelles Auswärtsdrehen des Lidrands oder durch Ballonieren der Lidhaut mittels
eines subkutanen Flüssigkeitsdepots von ca. 3 ml physiologischer Kochsalzlösung der Blepharospasmus gelöst werden. Des
Weiteren wird das Anlegen einiger situationsgerechter vertikaler Raffnähte mit Liegenlassen über einen begrenzten Zeitraum
(„Heften“) empfohlen. Chirurgische rekonstruktive Maßnahmen sollten erst bei älteren Fohlen zum Einsatz kommen. Bei
Adulten ist das Entropium gewöhnlich durch eine sichelförmige
Lidhautexzision entlang und parallel zum Lidrand mit einem
nachfolgenden Wundverschluss durch feine Knopfnähte effektiv zu korrigieren (Lidkorrektur nach Celsus-Hotz).
Ektropium ■ Die Auswärtsdrehung des Lidrands betrifft fast
▶ Abb. 19.7 Dritter Augenwinkel, hier im Endzustand ein ERU mit Phthisis
bulbi und mechanischem Nickhautvorfall.
ausschließlich ältere Pferde, und zwar im Falle von Senilität beiderseits das Unterlid. Bei einseitiger Erscheinungsform kann es
Folge früherer Traumatisierung des äußeren Auges (Entropium
cicatriceum) sein. Die Therapie erstreckt sich im letztgenannten Falle auf v- oder y-förmige blepharoplastische Maßnahmen.
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a
Krankheiten der Sinnesorgane
787
19 – Krankheiten der Sinnesorgane
788
Krankheiten der Bindehaut (Konjunktiva)
Corinna Eule, Vera Schmidt
Die Untersuchung der Bindehaut (Tunica conjunctiva) erfolgt
vornehmlich durch Inspektion. Um größere Bindehautanteile
betrachten zu können, werden Daumen und Zeigefinger des
Untersuchers von temporal her etwa auf die Mitte der Lider gesetzt und am Bulbus entlang sanft in die Orbitalhöhle gedrückt.
Damit wird unter gleichzeitiger Druck- und Zugwirkung die
Lidspalte geöffnet, die Lidränder drehen sich etwas nach außen
und die Membrana nictitans fällt vor. Somit werden Teile der
Conjunctiva bulbi, der Conjunctiva palpebrarum und der Außenseite der Membrana nictitans sichtbar.
Für die Besichtigung der tiefer gelegenen Konjunktivalübergangsfalten sind nach ausreichender Oberflächenanästhesie
spezielle Instrumente zum Fixieren und Evertieren des Lides
(z. B. Lidpinzetten oder Lidhalter) erforderlich. Bei Vorverlagern
der Nickhaut mittels „Nickhautgriff“ werden weite Teile der
Bindehaut sichtbar. Die Fornices werden mit Hilfe des Lidhalters nach Desmarres der Betrachtung zugänglich gemacht. Besondere Beachtung ist der Membrana nictitans, der knorpelgestützten Bindehautduplikatur, zu widmen.
Die Bindehaut wird mit einer fokalen Lichtquelle und unter
Vergrößerung (Lupe/Spaltlampe) untersucht. Die normale Bindehaut ist blassrosa, glatt, feucht und glänzend. Aufschlussreich
ist der Füllungszustand der Gefäße (Gefäßinjektion). Bei konjunktivaler Injektion (zuständig für konjunktivale Prozesse) erscheinen die Gefäße hellrot, kräftig gefüllt und sind damit in ihrem Verlauf zu verfolgen. Bei ziliarer Injektion (zuständig für
pathologische Prozesse des inneren Auges und/oder des Gesamtorganismus) sind sie blaurot, sehr dünn, in ihrem Verlauf
kaum erkennbar. Bei Anwendung eines Oberflächenanästhetikums werden die Bindehautgefäße verengt, die Schleimhaut
wird anämisch.
Bindehautentzündung (Konjunktivitis)
Vorkommen ■ Die häufigste Erkrankung der Bindehaut überhaupt ist die Entzündung (Konjunktivitis). Sie tritt beim Pferd
meistens beidseitig auf und ist dann keineswegs eine Bagatellerkrankung, sondern muss als wichtiger Hinweis auf andere
pathologische Prozesse der Augen und/oder des Gesamtorganismus gewertet werden. Da sich das Epithel der Bindehaut auf
die Hornhaut fortsetzt, erkranken beide Augenteile oft zugleich,
es entsteht das klinische Bild einer Keratokonjunktivitis.
Klinik ■ Symptome der Bindehautentzündung sind Rötung,
Ödematisierung der Bindehaut (Chemosis conjunctivae) und
Exsudation (serös, mukös, fibrinös, membranös oder purulent).
Der Verlauf ist akut, wenn Ödematisierung und seröse Exsudation dominieren; er ist chronisch, wenn eitrige, membranöse
oder zähklebrige Exsudation vorliegt oder die Schleimhautfalten verdickt sind.
Ätiologie ■ Bindehautentzündungen können Folge vielfältiger
okulärer, aber auch systemischer Noxen sein. Von Bedeutung
sind allergische und irritative Prozesse, Letztere insbesondere
bei im Stall gehaltenen Pferden (Staub- und Fremdkörpereinwirkung bei Stroh- oder Torfmulleinstreu). Sekundäre Binde-
hautprozesse können sich z. B. in Fortleitung einer Blepharitis,
einer Dakryozystitis, fehlender oder verminderter Tränenproduktion, Keratitis oder rezidivierender Uveitis (ERU) entwickeln.
! Bei den Symptomen einer Konjunktivitis sollte immer an
das Vorliegen einer ERU gedacht werden.
Allergische Konjunktivitis Dies ist die häufigste Form einer
selbständigen Konjunktivitis. Sehr oft ist Pollenflug die Ursache,
mitunter sind es auch Augenzubereitungen (Salben, Tropfen).
Ödematisierung (Chemosis) und seröser Augenausfluss sind
markante Symptome. Werden die auslösenden Ursachen nicht
eliminiert oder erfolgt keine Behandlung, ist die Gefahr bakteriellen „Hochschaukelns“ gegeben. Für die Therapie eignen sich
primär kortikosteroidhaltige Ophthalmika, bei Sekundärinfektion örtlich Breitbandantibiotika.
Systemisch bedingte Konjunktivitiden Virale Konjunktivitiden sind auf Infektionen mit folgenden Erregern zurückzuführen:
● Equines Herpesvirus 1 (S. 1108), Tracheobronchitis; am Auge
seröse bis purulente Konjunktivitis
● Equines Herpesvirus 2 und 5 (S. 396), am Auge Lidödem und
rezidivierende Keratokonjunktivitis
● Equines Influenzavirus Typ A2 (S. 389), am Auge Keratokonjunktivitis
● Equines Adenovirus (S. 388), am Auge Konjunktivitis und Rhinitis mucopurulenta, Chemosis, Keratitis, Uveitis
Für den Verlauf der viralen Konjunktivitiden ist bezeichnend,
dass jegliche örtliche antibiotische Therapie misslingt. Bei den
meisten der erkrankten Tiere ist die Konjunktivitis selbstlimitierend und – sofern keine Hornhautbeteiligung auftritt – innerhalb von 8–10 Tagen überwunden.
Bakterielle Prozesse sind meist sekundärer Natur und auf das
„Aufschaukeln“ ubiquitär vorhandener Keime der Bindehaut
(z. B. Staphylococcus spp., Streptococcus spp., Moraxella, Corynebacterium spp., Enterobacter spp., Bacillus spp.) unter Entzündungsbedingungen zurückzuführen. Dann allerdings können
sich die Vorgänge komplizieren (Hornhautulzeration) oder
auch zur Verselbständigung der Infektion führen.
Primär erregerbedingte Konjunktivitiden Eine Moraxellenkonjunktivitis (Moraxella equi) äußert sich klinisch in Schmerzen, Blepharospasmus und erosiven Prozessen am Lidrand. Die
Diagnose wird durch Zytologie, Kulturnachweis und Antibiogramm gestellt. Die Therapie erfolgt mit lokaler Antibiose und
Fliegenbekämpfung.
Die Chlamydienkonjunktivitis (Chlamydophila felis) äußert
sich klinisch als Keratokonjunktivitis und Polyarthritis. Die Diagnose erfolgt ebenfalls durch Zytologie und Kulturnachweis.
Eine Therapie sieht eine lokale Antibiose über 2–3 Wochen vor.
Mykotische Konjunktivalinfektionen werden durch feuchtwarme klimatische Einflüsse stark begünstigt. Man muss mit
ihnen in Mitteleuropa regional und saisonal rechnen, insbesondere im Zusammenhang mit traumatischen Insulten. Sie treten
unter dem Bild einer lokalisierten granulomatösen Entzündung
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19.1.2.2
19.1 Augenkrankheiten
Parasitäre Konjunktivitiden Bei der Onchozerkose (Onchocerca cervicalis, O. reticularis) können aus Hautwunden kommende, intradermal wandernde Larven insbesondere im nasalen
Kanthus lokalisierte Granulome mit geschwürig-käsiger Oberfläche und grießkornähnlichem Inhalt erzeugen. Die Therapie
erfolgt mit Ivermectin oral (Ivomec-P® einmalig 0,2 mg/kg KM)
und Fliegenbekämpfung.
Die Larven von Thelazia lacrimalis befinden sich im Konjunktivalsack und in den Tränenorganen. Klinisch ist eine milde
Konjunktivitis erkennbar. Die Therapie erfolgt mit Tränengangspülungen mit physiologischer Kochsalzlösung und Ivermectin oral (Ivomec-P® einmalig 0,2 mg/kg KM).
Die Habronematidose (S. 215) wird an anderer Stelle besprochen.
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menden Wirkung eignet es sich sehr gut für die Behandlung
von Konjunktivitiden beim Pferd.
Bacitracin ist gegenüber grampositiven Erregern, Spirochäten, Gonokokken, Aktinomyzeten, jedoch nicht gegenüber
gramnegativen Erregern wirksam. Es findet in der Kombination mit Polymyxin B und Neomycin oft Anwendung, es penetriert nicht die Hornhaut.
Neomycin ist wirksam gegenüber Staphylokokken und gramnegativen Erregern, nicht gegenüber Pseudomonas. Bei längerer Anwendung können Unverträglichkeitsreaktionen auftreten.
Polymyxin B ist wirksam gegenüber den meisten grampositiven Kokken und gramnegativen Erregern, auch gegenüber
Pseudomonas. Es ist mit Bacitracin und Neomycin kombinierbar und damit ein exzellentes Therapeutikum für die
initiale Therapie von Konjunktivitiden und Keratitiden. Bei
Zusatz von Kortikosteroiden werden zudem entzündliche
Prozesse gestoppt (Cave: korneale Läsionen!).
Gentamicin ist in Salben- oder Tropfenform ein hervorragendes und leicht anwendbares Ophthalmikum, das sehr breit
gegenüber den meisten gramnegativen Erregern, Proteus
und einigen Pseudomonas-Stämmen wirksam ist.
Tobramycin und Amikacin sollten nur nach Antibiogramm
und bei spezieller Indikation angewandt werden.
Alle genannten Wirkstoffe lassen sich getrennt anwenden, mitunter sind sie jedoch in Kombination effektiver.
Conjunctivitis follicularis
Diagnose ■ Sie stützt sich auf die sorgfältige Erhebung der
Anamnese, die Adspektion und zusätzliche mikrobiologische
Untersuchungen. Hierfür wird das Material mittels eines sterilen Tupfers aus dem unteren Fornix nahe des medialen Kanthus
entnommen, wobei Kontakt des Tupfers mit Zilien oder Lidrand
zu vermeiden ist. Des Weiteren ist ggf. ein Schirmer-Tränentest
auszuführen (bei Verwendung von Standardteststreifen
(5 × 35 mm) 18,3 ± 2,1 mm/min, 11–30 mm/min). Aufschlussreich können zytologische Befunde sein. Das Material wird aus
dem Konjunktivalepithel unter Oberflächenanästhesie mittels
Abschabung gewonnen.
Therapie ■ Die Behandlung gestaltet sich sowohl kausal als
auch symptomatisch. Die Strategie sollte zunächst sein, die in
den Schleimhautfalten, in den Fornices und in den tränenableitenden Wegen angesammelten, mitunter sehr zähen Exsudate
sorgfältig mit reinigenden Lösungen zu entfernen. Hierdurch
werden zusätzliche irritative Noxen beseitigt und die Schleimhaut für die Therapie zugänglich gemacht. Für Spülungen eignen sich galenisch gefertigte Augenspüllösungen, körperwarme
physiologische Kochsalzlösung und/oder milde Desinfizienzien
(1 : 50 verdünnte wässrige Jodlösung). Zähe, eitrig-schleimige
Exsudate erfahren durch Einbringen mukolytisch wirkender
Substanzen (z. B. 5 %iges Acetylcystein) Verflüssigung.
Für die lokale Behandlung bakteriell infizierter Prozesse sind
empfehlenswert:
● Chlortetracyclin ist als Cepemycin®-Augensalbe zur Behandlung der Augenoberfläche für das Pferd zugelassen. Aufgrund
seines breiten Wirkspektrums und der entzündungshem-
Vorkommen ■ Sehr häufig ist beim Pferd der sog. Follikularkatarrh zu beobachten.
Pathogenese und Klinik ■ Der Follikularkatarrh ist in der Regel eine selbständige Erkrankung der Nickhaut, allerdings entsteht er auch aus einem chronischen Bindehautkatarrh. Die
normalerweise in der Nickhautinnenfläche und in allen übrigen Bereichen der Bindehaut anzutreffenden lymphoiden Zellansammlungen hypertrophieren bei chronischen Entzündungszuständen und sind dann durch das Auftreten von etwa
stecknadelkopfgroßen, glasigen, harten, nicht ausquetschbaren,
subepithelial liegenden Knötchen gekennzeichnet. Sie sind an
der Medialfläche der Nickhaut in großer Anzahl zu einem flachen Paket mit unregelmäßiger, gekörnter Oberfläche von hellroter Farbe angeordnet.
Therapie ■ Der wichtigste Teil der Behandlung besteht in dem
Aufspüren der Grundursache der chronischen Irritation der Augenoberfläche (z. B. Schmutz, Staub, Pollen, Parasitenbelastung)
und dem Beheben der chronischen Irritation (z. B. Änderungen
in der Haltung, Fütterung). Zum Schutz des Auges vor Umweltreizen, z. B. während des Reitens in einer staubigen Halle, kann
eine ölige Vitamin-A-Augensalbe angewandt und anschließend
die Augenoberfläche durch eine Spülung mit physiologischer
Kochsalzlösung gereinigt werden. Reicht diese Pflege und Reizreduktion an der Augenoberfläche nicht aus, so kann die örtliche Behandlung mit einem Kortikosteroid (Prednisolonacetat
1 %ig oder 0,1 %iges Dexamethason) in Kombination mit einem
Antibiotikum ergänzt werden. Hierdurch wird erfahrungs-
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der palpebralen oder bulbären Konjunktiva in Erscheinung.
Blastomyces verbreitet sich nasolakrimal und erzeugt eine katarrhalische bis purulente Entzündung. Aspergillus haftet mehr
am Lidrand als granulomatöse Entzündung. Sporothrix verursacht eine chronische, ulzerative, schlecht heilende Konjunktivitis. Der Erreger verbreitet sich auf dem Lymphwege und ruft
chronisch-ulzerierende und therapeutisch schwer zu beeinflussende Entzündungszustände in Konjunktiva, an den Augenlidern und in den Tränendrüsen hervor. Histoplasma farciminosum verbreitet sich auf dem Lymphwege und ruft chronisch-ulzerierende und therapeutisch schwer zu beeinflussende Entzündungszustände in Konjunktiva, an den Augenlidern und in
den Tränendrüsen hervor.
Krankheiten der Sinnesorgane
789
19 – Krankheiten der Sinnesorgane
790
Nickhautvorfall
Klinik ■ Die im nasalen Augenwinkel vorkommende und mit
Pigmentsaum ausgestattete Bindehautfalte überdeckt beim
Nickhautvorfall (Prolapsus membranae nictitantis) die Hornhaut unterschiedlich weit, mitunter nahezu vollkommen.
Ätiologie und Pathogenese ■ Bei einem einseitigen Vorfall
können folgende Ursachen maßgebend sein:
Bulbusverkleinerung (Phthisis bulbi, Mikrophthalmus)
● Enophthalmus infolge krampfhafter Kontraktion des M. retractor bulbi, z. B. bei okulärem Schmerz im Falle einer Konjunktivitis, eines unter der Nickhaut liegenden Fremdkörpers, eines Hornhautgeschwürs und/oder einer anterioren
Uveitis
● Symptom des Horner-Syndroms (okulosympathische Paralyse)
● Nickhautvergrößerung infolge entzündlich-hypertrophischer
oder neoplastischer Prozesse
●
Bei beidseitigem Vorfall der Nickhaut kommen dagegen folgende Ursachen in Betracht:
● Tetanus (spastische Kontraktion beider M. retractor bulbi)
● temporäre Erschlaffungs- oder Lähmungszustände nach Verabreichung von Neuroplegika oder Hypnotika
Therapie ■ Die Behandlung ist auf das Grundleiden auszurichten. Im Falle von Neubildungen ist die Nickhaut zu exstirpieren.
Der Nickhautvorfall bedarf in jedem Fall einer symptomatischen Therapie, wenn Diskontinuität in der Tränenbenetzung
des Nickhautgewebes zu vermuten ist. Die Anwendung artifizieller Tränenlösungen, das Einbringen öliger Ophthalmika
oder auch die Tarsorrhaphie sind geeignete Methoden, Ulzerationen oder Nekrosen des Nickhautgewebes zu vermeiden.
19.1.2.3
Krankheiten des Tränenapparats
Corinna Eule, Vera Schmidt
Beim Tränenapparat (Apparatus lacrimalis) interessiert neben
der Funktionsfähigkeit der tränenproduzierenden Organe (Gl.
lacrimalis, Gl. membranae nictitantis, ferner in der Bindehaut
▶ Abb. 19.8 Einführen einer weichen Tränenwegssonde in das obere Tränenpünktchen.
verstreut liegende akzessorische drüsige Gebilde) die ungestörte Ableitung der Tränenflüssigkeit.
Zur Prüfung der Funktion der tränenerzeugenden Organe
eignet sich der Schirmer-Tränentest. Beim Pferd wird in aller
Regel der Schirmer-Tränentest I (STT I, ohne lokale Anästhesie
der Augenoberfläche) angewandt. Die Durchfeuchtung des in
das temporale Drittel des unteren Bindehautsacks eingelegte
Testpapierstreifens nach Schirmer (5 × 35 mm) sollte im Sommer 22±6 mm/min und 26 mm/min im Winter betragen (Min.
10, Max. 35 mm/min).
Die Durchlässigkeit der tränenableitenden Wege prüft man
beim Pferd in der Regel retrograd, also von der Nase her. In die
distale Öffnung des Tränennasengangs (beim Pferd in der Regel
medianer Teil des Nasenvorhofs, Übergang pigmentierte zu
nichtpigmentierter Nasenschleimhaut) wird unter lokaler Anästhesie (z. B. Lidocain-Gel) ein elastischer Katheter (z. B. Rüden-Harnwegskatheter, Ernährungssonde) eingeführt und über
diesen mit 20–40 ml körperwarmer Spülflüssigkeit (physiologische NaCl-Lösung, o. Ä.) retrograd gespült (▶ Abb. 19.8). Alternativ kann auch orthograd gespült werden. Ist die Durchgängigkeit gegeben, ergießt sich die Spülflüssigkeit in kleinem
Strahl aus den Tränenpünktchen des Auges der betreffenden
Seite.
Atresie der ableitenden Tränenwege
Ätiologie und Pathogenese ■ Angeborene Obstruktionen des
Tränengangsystems betreffen beim Pferd (Fohlen) entweder
die Ausführungspapille oder distale Abschnitte des Tränennasengangs.
Klinik ■ Markantes Symptom beider Formen der Atresie ist ein
ungewöhnlich starker, chronischer, zunächst seröser, später
muköser oder purulenter Augenausfluss, häufig eines Auges, in
seltenen Fällen beider Augen. Bei Chronizität besteht Haarausfall im Verlauf der vom nasalen Augenwinkel ausgehenden Sekretbahn. Fehlt die Ausführungspapille, staut sich die Tränenflüssigkeit, was sich durch Vorwölben der Nasenschleimhaut in
der Nasenöffnung andeutet. Fehlt auch ein Teil des distalen Tränennasengangs, so ist der Flüssigkeitsstau weiter proximal.
Dies deutet sich durch Vorwölben der Haut oberhalb der Nüster, bei starkem Sekretstau durch wurstförmige Anschwellung
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gemäß die akute Entzündung abgeschwächt. Um Rezidive zu
vermeiden, müssen die Grundursachen abgestellt werden.
Die früher angezeigte chirurgische Therapie, wobei nach
Oberflächenanästhesie (wenn notwendig, unter Sedierung) das
Follikelpaket der bulbusseitigen Fläche der evertierten Membrana nictitans mit einem kleinen scharfen Löffel unter Lupenkontrolle hornhautwärts abgeschabt (kürettiert) und möglicherweise sogar mit 2 %iger Silbernitratlösung verödet wurde,
wird heute nur noch selten angewandt. Zum einen besteht die
Gefahr, die Hornhaut zu schädigen, weshalb nach ca. 2 min Einwirkungszeit die (noch immer evertierte) Nickhautinnenfläche
mit 1 %iger NaCl-Lösung zur chemischen Inaktivierung des ätzenden Silbernitrats intensiv gespült wird. Zum anderen wird
das Konjunktiva-assoziierte Lymphgewebe (Conjunctiva Associated Lymphoid Tissue, CALT) als wichtiger Bestandteil des Immunsystems der Augenoberfläche verstanden und sollte nicht
zerstört werden.
19.1 Augenkrankheiten
Diagnose ■ Neben der eindeutigen klinischen Symptomatik
sind diagnostische Spülungen mit farbstoffhaltigen Lösungen
(z. B. Fluoreszein), besser Röntgenkontrastdarstellungen (Dakryozystorhinografie) des Tränenapparats aufschlussreich, insbesondere zur Unterscheidung zwischen einer Atresie der distalen Öffnung des Tränennasengangs und einer Dysgenesie des
distalen Abschnitts des Tränennasengangs (es können 4–6 cm
desselben fehlen). Nicht selten sind die klinischen Symptome
beim Fohlen zunächst sehr diskret und die Diagnose gelingt
erst bei 1- bis 2-Jährigen. Es wird vermutet, dass ein gewisser
Zeitraum für die Füllung und das Anstauen der tränenableitenden Wege und des Saccus lacrimalis erforderlich ist, des Weiteren, dass eine transmuköse Resorption von Tränenflüssigkeit
über die dilatierte Wand des Tränennasengangs erfolgt.
Therapie ■ Die Behandlung erfolgt operativ. Liegt lediglich
eine Atresie der Ausführungspapille vor, so wird am liegenden
Tier unter Positionieren eines von den Tränenpünktchen her
eingeführten zarten Katheters in der Nasenöffnung ein
Schleimhautstückchen exzidiert und so eine artifizielle Öffnung
erzeugt. Die Nasenschleimhaut neigt zu heftiger Blutung, die
ggf. durch Elektrokauterisation beherrscht werden kann. Um
ein Zuheilen der artifiziellen Öffnung in der Nasenschleimhaut
zu verhindern, empfehlen sich das zirkuläre Vernähen der Inzisionsränder und das Einlegen eines Silikonkatheters für 2–3
Wochen.
Betrifft die Atresie den distalen Teil des Tränennasengangs in
mehr oder weniger großer Ausdehnung, dann ist beim Vorführen des Katheters von oben her Vorsicht geboten, da bei Verletzung der Conchae heftige, kaum beherrschbare Blutungen auftreten können. Kompliziert ist die Situation, wenn das Katheterende nicht palpabel ist. Dann muss ein paramedianer Hautschnitt durch die dorsolaterale Wand der Nüster
(Nasentrompete) bis zur Incisura nasoincisiva zum Auffinden
der Katheterspitze geführt werden.
Die Atresie des Tränenpünktchens lässt sich beheben, indem
an der ballonierenden Stelle des Lidrands einer vom Tränennasengang her eingeführten Flüssigkeitssäule mittels Scherenschlag eine breite artifizielle Öffnung geschaffen wird. Zur Verhinderung einer Verwachsung der Wundränder sollte über einige Tage ein weiches Kunststoffröhrchen eingelegt werden,
das an der äußeren Haut durch ein Heft fixiert wird.
Stenosen und Obstruktionen im Bereich der
ableitenden Tränenwege
Ätiologie und Pathogenese ■ Stenosen des Tränennasengangs werden erzeugt durch von außen das Gangsystem einengende Prozesse (Kompressionen) oder durch Verlegungen
des Lumens (Obturationen). Kompressionen können Folge von
Frakturen des Nasenbeins, entzündlicher Prozesse der umgebenden Knochen (Periostitis) bzw. der Nasenhöhle (Rhinitis)
sein oder im Zuge neoplastischer Veränderungen der Gewebe
der Nasenhöhle bzw. des Nasenbeins eintreten. Obturationen
entstehen durch Fremdköper, Entzündungsprodukte oder Parasiten.
Klinik ■ Stenosen des Tränennasengangs äußern sich durch
Tränenfluss aus dem nasalen Augenwinkel, in einer Konjunktivitis und in chronischen Fällen durch Haarausfall und Ekzeme
entlang der Sekretbahn.
Therapie ■ Obturationen werden durch Spülungen (im Wechsel von unten und oben) und durch Vorführen eines elastischen
Katheters und Spülung (Wirbelwirkung) behoben. Das Tier ist
dazu abzulegen. Bei Vorliegen von Kompressionsstenosen sind
therapeutische Handlungen auf das Grundleiden auszurichten.
Dakryozystitis
Ätiologie und Pathogenese ■ Eine Dakryozystitis resultiert
fast regelmäßig aus dem Stau bakteriell kontaminierter Tränenflüssigkeit (Atresien, Stenosen). Ganz selten können auch
Fremdkörper, Parasiten oder infektiöse Prozesse des Respirationsapparats die Ursache sein.
Klinik ■ Anzeichen sind chronischer, mukopurulenter Augenausfluss, Konjunktivitis und Fremdkörpergefühl (Kopfreiben an
Gegenständen).
Therapie ■ Ein Erregernachweis mit Antibiogramm ist für
eine effektive Therapie essenziell. Symptomatisch ist das Nasolakrimalsystem mit reinigenden Lösungen (z. B. physiologische
Kochsalzlösung) mehrmals zu spülen und von allen Entzündungsprodukten weitgehend zu befreien. Zähe, eitrig-schleimige Exsudate können mit Hilfe von mukolytisch wirkenden Substanzen (z. B. 5 %iges Acetylcystein) verflüssigt werden. Sodann
werden lokal Antibiotikum-Kortikosteroid-Lösungen eingebracht, des Weiteren wird eine systemische Antibiose gemäß
dem Ergebnis des Antibiogramms angewandt. Gelingt es nicht,
das Tränengangsystem mittels Spülungen durchgängig zu machen, muss das Tier narkotisiert und abgelegt werden. Nunmehr wird mittels Einführen eines Katheters mit Mandrin und
Spülungen (Wirbelbildung vor der Katheterspitze) versucht, die
Stenose zu beheben. Eventuell kann es notwendig sein, durch
Trepanation eine artifizielle Öffnung in die Nasenhöhle hinein
anzulegen.
Keratoconjunctivitis sicca
Ätiologie und Pathogenese ■ Krankheiten der tränenproduzierenden Organe kommen beim Pferd höchst selten vor.
Fehlende Tränenflüssigkeit führt zu schwerwiegenden nutritiven und physikalischen Schäden an der Hornhaut. Die Ursachen der hieraus entstehenden Keratoconjunctivitis sicca sind
vielfältig:
● Ausfall der parasympathischen Fasern des N. facialis, z. B.
nach traumatischen Insulten auf den Nerv im Bereich der
Mandibula oder der Maulhöhle
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und Vorwölbung der Haut im Bereich der Nasentrompete bzw.
der Incisura nasoincisiva an. In diesem Fall ergeben sich bei Palpation oberhalb des nasalen Vestibulums Fluktuation und bei
digitaler Kompression Flüssigkeitsaustritt aus den Tränenpünktchen. In der stagnierenden Flüssigkeitssäule vermehren
sich vorhandene Bakterien, was zur Dakryozystitis führt. Eine
Atresie eines der Tränenpünktchen (meist des distalen) äußert
sich durch Epiphora.
Krankheiten der Sinnesorgane
791
19 – Krankheiten der Sinnesorgane
792
●
●
direkte Traumatisierung der Tränendrüse, z. B. bei Frakturierung des Os zygomaticum
toxische oder immuninduzierte Schädigung der Tränendrüse
Klinik und Diagnose ■ Zur Feststellung einer gestörten Trä-
Therapie ■ Die Behandlung gestaltet sich symptomatisch (Tränenersatz) und kausal (Elektro- und Physikotherapie im Falle
der traumatischen N.-facialis-Schädigung, örtliche CiclosporinA-Therapie bei Immunopathie).
19.1.2.4
Krankheiten der Hornhaut
Corinna Eule, Vera Schmidt
Als durchsichtiger, speziell ausgestatteter Teil der fibrösen Hülle des Auges ist die Hornhaut im Verhältnis zur Sklera verhältnismäßig groß (1 : 5). Sie hat eine elliptoide Form mit einem
Horizontaldurchmesser von 28–32 mm und einem Vertikaldurchmesser von 23–26 mm. Eine nasal und temporal am Limbus hervortretende weiße Linie repräsentiert die Verbindung
zwischen dem Lig. pectinatum und der Descemet-Membran.
Sie ist durch die ungetrübte Hornhaut hindurch gut erkennbar.
Die Hornhaut ist von außen nach innen aus folgenden
Schichten aufgebaut:
● Hornhautepithel mit Basalmembran
● Stroma (macht 90 % der Hornhautdicke aus)
● Descemet-Membran (Basalmembran des Endothels)
● Endothel
In der Hornhaut sind physiologischerweise weder Blut- noch
Lymphgefäße vorhanden, ihre Ernährung und Sauerstoffversorgung werden maßgeblich durch den präkornealen Tränenfilm
und über das Epithel vermittelt, des Weiteren erfüllen das
Kammerwasser, das Endothel und das sklerale Gefäßrandschlingennetz nutritive Funktionen.
Die Untersuchung der Hornhaut erfolgt mit einer fokussierbaren Lichtquelle im auf- und durchfallenden Licht von vorn
und von der Seite unter Verwenden von Vergrößerungshilfen
(z. B. Lupenbrille, Spaltlampe). Beurteilt werden die Oberfläche
(Glätte, Glanz, Ebenheit; ▶ Abb. 19.9), die Hornhautwölbung
und die Transparenz. Mit der Spaltlampe werden bei variabler
Lichtspaltbreite und Lichtintensität oberflächliche oder im
Hornhautgewebe liegende Details (Auf- oder Einlagerungen,
Blutgefäße) in der Vergrößerung erkennbar.
Die Hornhautsensibilität kann mit einem ausgezogenen Wattefaden überprüft werden. Epithelläsionen, die das gesamte
Hornhautepithel betreffen, lassen sich durch Fluoreszein (farb-
▶ Abb. 19.9 Spiegelbilder (Fensterkreuz) zur Beurteilung der Hornhautoberfläche. a Hornhaut glatt, glänzend, regelmäßige Oberfläche, konturenscharfes Reflexbild. b Hornhaut glänzend mit unregelmäßiger Oberfläche, konturenverzerrtes Bild (Epithel ist intakt und überbrückt Infiltrate
oder Vertiefungen des Stromas). c Stumpfe, nicht reflektierende Oberfläche eines zentral gelegenen Hornhautbereichs infolge fehlenden oder beschädigten Hornhautepithels.
stoffimprägnierte Streifen oder Lösung in Einmal-Ophthiole,
z. B. Fluorescein SE Thilo®) darstellen. Mit Hilfe der Farbstoffe
Bengalrosa und/oder Lissamingrün können Muzindefizite und
geschädigte Epithelzellen sichtbar gemacht werden.
Operative Eingriffe an der Hornhaut wie eine Keratektomie
oder Naht sollten nach Möglichkeit unter Allgemeinanästhesie
und nur unter Verwendung einer Lupenbrille (mindestens
2-fach vergrößernd) oder eines Mikroskops und mit Hilfe geeigneter mikrochirurgischer Instrumente erfolgen.
Sowohl die lokale Anwendung als auch die Ausdosierung aller systemisch verabreichten NSAIDs beeinträchtigen die
Wundheilung der Hornhaut des Pferdes erheblich! Besser ist es
daher, eine halbe Dosierung zu verabreichen (Flunixin-Meglumin z. B. ≤ 1,1 mg/kg KM alle 24 h) und das Pferd ggf. mit niedrigen Gaben von Acepromazin per os zu sedieren.
Angeborene Anomalien – Dermoid
Pathogenese und Klinik ■ Dermoide sind versprengte Hautinseln, die im Bereich der Hornhaut in Abhängigkeit von ihrer
Größe Sehfeldbeeinträchtigungen, zudem durch Erhabenheit,
Unebenheit und ihren Haaranteil am äußeren Auge Irritationen
(Lakrimation, Schmerzen, Konjunktivitis) erzeugen. Vorzugsweise haben sie ihren Sitz in der temporalen Kornea, mitunter
unter Einbeziehen von temporaler epibulbärer Konjunktiva
oder auch des Lidrands im Bereich des temporalen Lidwinkels.
Je frühzeitiger sie beim Fohlen erkannt werden, umso geringer
belasten die Folgeerscheinungen andauernder Irritation das
Auge und umso sicherer ist der Therapieerfolg.
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nenproduktion dient der Schirmer-Tränentest (S. 790). Patienten mit einem Mangel im wässrigen Anteil des Tränenfilms zeigen reduzierte STT-Werte und einen vermehrt mukösen Augenausfluss, um den Mangel auszugleichen. Patienten mit
einem qualitativen Tränenmangel zeigen einen instabilen Tränenfilm aufgrund eines Mangels in der Muzin- oder Lipidschicht. Diese Patienten werden mit einer serösen Tränenstraße
vorgestellt und haben abnorm hohe STT-Werte. Da der Tränenfilm Schutz- und vor allem nutritive Funktion für die Augenoberfläche hat, weisen die Patienten zusätzlich das Bild einer
chronischen Keratokonjunktivitis auf.
19.1 Augenkrankheiten
793
▶ Abb. 19.10 Keratektomie. Von links nach rechts: 1 Initialschnitt mit
senkrecht aufgesetzter Schneide im gesunden Hornhautgewebe, 2 interlamelläres Trennen von krankem und gesundem Gewebe, 3 Situation nach
interlamellärem Vorgehen, 4 Entfernen des abgetragenen Gewebes mittels Schere entlang des Limbus.
Therapie ■ Die Behandlung erfolgt chirurgisch durch eine Keratektomie (▶ Abb. 19.10). Im Falle der Beteiligung von Konjunktiva können nach Abtragen des Dermoidgewebes die konjunktivalen Schnittränder mittels resorbierbaren Nahtmaterials
an der Sklera (z. B. PGA, 8/0) fixiert werden. Bei Lidrandbeteiligung können situationsabhängig blepharoplastische Maßnahmen erforderlich sein. Postoperativ ist eine lokale antibiotische
und die Hornhautepithelregeneration fördernde Therapie (z. B.
Vitamin-A-Zubereitungen) durchzuführen.
Bei Fohlen zu beobachtende korneale Trübungen der lateralen und medialen limbalen Hornhaut sind auf ein anormales
vorderes Anhaften von Fasern des Lig. pectinatum zurückzuführen. Eine Therapie ist nicht notwendig.
Hornhautverletzungen
Das equine Auge ist, obwohl komplett in die knöcherne Orbita
eingebettet, aufgrund seiner Größe, Lage und rassespezifischen
Prominenz stumpfen und penetrierenden äußeren Einwirkungen stark ausgesetzt.
Hornhautabschürfung (Abrasio corneae)
Pathogenese und Klinik ■ Einfachste Form der Hornhautverletzung ist die Hornhautabschürfung. Sie betrifft das Epithel,
seine Basalmembran und die anterioren Stromalagen. Eine Abrasion ruft, obwohl relativ flach, insbesondere beim Pferd heftige konjunktivale Injektion, Ödematisierung und Blepharospasmus hervor. Chronizität des einwirkenden Traumas begünstigt
rasch bakterielle Sekundärinfektionen.
Tiefe, nicht perforierte Hornhautwunden
Pathogenese und Klinik ■ Hier werden das Epithel, dessen
Basalmembran und tiefere Schichten des Stromas erfasst. Die
Wunde präsentiert sich mit klaffenden Wundrändern, in ungünstigen Fällen mit Substanzverlust oder Lappung (Lazeration). Rasche Ödematisierung des Gewebes führt zum Aufwerfen
der Ränder, zur Trübung peripheren Hornhautgewebes. Reaktive Anzeichen für eine Traumatisierung intraokulärer Strukturen sind eine Miose, Blutungen und/oder Fibrinausschüttung in
die vordere Augenkammer.
Therapie ■ Die Behandlung ist auf die Wiederherstellung des
Gewebeverbands auszurichten. Bei einer frischen Wunde geschieht dies am sichersten durch eine direkte Hornhautnaht
(kombinierte Knopf- und Matratzennahttechnik, resorbierbares
Nahtmaterial, z. B. PGA 8/0); erforderlichenfalls erfolgt eine zusätzliche Wund- und Nahtsicherung durch Bindehautplastik,
Nickhautschürze und/oder Tarsorrhaphie. Sind die Wundränder bereits zu stark ödematisiert, retrahiert und/oder nekrotisch, kann eine Keratektomie im Sinne einer Wundauffrischung und -säuberung notwendig sein. Die anschließende medikamentöse Behandlung erfolgt lokal durch eine Breitbandantibiose und Atropinisierung (evtl. über einen transpalpebralen
Katheter, ▶ Abb. 19.11). Systemisch wird bei tiefen und komplizierten Wunden mit einer Breitbandantibiose und Applikation
von NSAIDs (z. B. Phenylbutazon, Flunixin-Meglumin in halber
Dosierung) therapiert. Die Wundheilung vollzieht sich mit Vaskularisation und Ausbildung von Granulations- und Narbengewebe. Die Nähte der Tarsorrhaphie oder Nickhautschürze werden nach ca. 12 Tagen gelöst. Kortikosteroide werden keinesfalls vor Abschluss der Epithelisierung (negative Fluoreszeinprobe!) angewandt. Zurück bleibt eine mehr oder weniger
ausgeprägte Narbe.
▶ Abb. 19.11 Transpalpebrales Kathetersystem (a). Nach Vorbereitung des Operationsfeldes wird der Kathether in den oberen oder unteren (b) Bindehautsack platziert und entlang der Mähne fixiert (c).
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tibiose (z. B. Cepemycin®-Salbe), die Hornhautepithelregeneration fördernde Therapie (z. B. Vitamin-A-Zubereitungen), Zykloplegie (z. B. 0,5 %ige Atropin-Augentropfen) und systemisch
nichtsteroidale Entzündungshemmung (z. B. Flunixin-Meglumin in halber Dosierung). Die Heilung vollzieht sich fast immer
mit Vaskularisation und zelliger Infiltration, einer dezenten
narbigen Trübung und eventueller späterer Pigmentierung des
Abrasionsbereichs.
Krankheiten der Sinnesorgane
Therapie ■ Die Behandlung erfolgt durch lokale Breitbandan-
19 – Krankheiten der Sinnesorgane
794
Hornhautperforation
Pathogenese ■ Solche Verletzungen können durch scharfe
Klinik und Diagnose ■ Die exakte Ermittlung des Umfangs
der Verletzung und der Beteiligung anderer Augenstrukturen,
z. B. durch eine Ultraschalluntersuchung des Bulbus, ist grundlegend für die Therapieauswahl und Prognosestellung. Kontinuierliche Blutungen aus dem Auge (Uveaverletzungen), große Wunden, Linsenverletzung oder -luxation und Glaskörpervorfall sind prognostisch sehr ungünstig zu beurteilen. Dagegen
bestehen Aussichten auf Behandlungserfolg und Wiederherstellung, wenn die Perforationswunde klein ist (< 15 mm), nicht
über den Limbus hinaus in die Sklera reicht, nur wenig Blut in
der Vorderkammer ist und übrige Augenstrukturen schadlos
geblieben sind.
Therapie ■ Die Behandlung der Wahl ist die Hornhautnaht in
Allgemeinnarkose. Die präoperative Säuberung der Augenumgebung und der Lider erfolgt mit milden, desinfizierenden
(nichtalkoholischen) Lösungen (z. B. 1 : 50 verdünnte, wässrige
Jodlösung). Der Bindehautsack wird mit physiologischer Kochsalzlösung gereinigt. Keinesfalls darf Spülflüssigkeit in die
Wunde gelangen! Vermieden werden muss auch, dass der erste
(spontane) Wundverschluss (Fibrin, Blut, Iris) hinweggeschwemmt wird.
Zur besseren Übersicht während der Operation und um
Druck auf den Bulbus zu vermeiden, wird der Bulbus durch Zügelhefte und/oder eine Kanthotomie zugänglich gemacht. Unter
Verwendung einer Lupenbrille (mindestens 2-fach vergrößernd) oder eines Mikroskops und mikrochirurgischer Instrumente wird eine direkte Hornhautnaht angelegt (z. B. PGA 6–8/
0). Der Wundverschluss erfolgt mit Matratzennähten (Nahtverteilung auf größere Fläche, damit geringere Spannung), Einzelheften oder einer fortlaufenden Naht. Bevor die Nähte geknüpft
werden, müssen inkarzerierte Gewebeteile (Iris) und Fibrin aus
dem Wundspalt gelöst, vitale Irisanteile in die vordere Augenkammer reponiert und nekrotische Gewebefetzen exzidiert
werden.
Um Synechien vorzubeugen, sind sicht- und erreichbare
Traubenkörner zu exzidieren, Adrenalin ist intrakameral zu applizieren und vor dem Knüpfen des letzten Nahtfadens Luft
▶ Abb. 19.12 Frische Hornhautverletzung, Irisprolaps, Hyphaema. (Heinz
Bonfig, Hünxe)
▶ Abb. 19.13 Korneosklerale Perforation mit Irisprolaps. (Heinz Bonfig,
Hünxe)
oder ein Viskoelastikum (so viel, wie zum Abheben der Iris von
der Hornhaut erforderlich ist) in die Vorderkammer zu instillieren. Anschließend können zusätzlich eine Nickhaut- oder Bindehautschürze oder/und Tarsorrhaphie (▶ Abb. 19.6) angelegt
werden.
Die postoperative Therapie erfolgt lokal durch Atropin und
eine Breitbandantibiose. Im Falle einer Tarsorrhaphie oder bei
Widersetzlichkeit des Tieres kann ein transpalpebraler Katheter
(▶ Abb. 19.11) gelegt werden. Da mit einer starken posttraumatischen Uveitis gerechnet werden muss, sind zudem systemisch
nichtsteroidale Antiphlogistika (z. B. Flunixin-Meglumin in halber Dosierung) zu verabreichen. Das Tier ist vor äußeren störenden Einwirkungen, z. B. Fliegen, abzuschirmen und in einen
lärm- und lichtgeschützten Raum zu verbringen. Nach etwa 12
Tagen werden die Nähte der Nickhautschürze oder der Tarsorrhaphie gezogen.
Die Heilung verläuft mit Vaskularisation und entzündlicher
Hornhauttrübung. Eine Erfolgsbeurteilung ist erst nach Wochen oder Monaten möglich. Mögliche postoperative Komplikationen sind Infektionen, permanentes Hornhautödem mit chronischer Entzündung, anteriore und posteriore Synechien, sekundäre Katarakt, Netzhautablösung als Folge des Traumas und
plötzlichen Abfalls des Augeninnendrucks, Phthisis bulbi als
Folge einer chronischen Uveitis und sekundäres Glaukom.
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und/oder spitze, aber auch starke stumpfe, rupturerzeugende
Einwirkungen entstehen. Hornhautperforationen entwickeln
sich des Weiteren aus Ulzerationen (S. 795). Im Moment der
Perforation erfolgt ein schwallartiger Austritt von Kammerwasser, der Augeninnendruck sinkt schlagartig ab und die Iris fällt
nach vorne und in die Wunde (Irisprolaps; ▶ Abb. 19.12,
▶ Abb. 19.13). Mit dem Verlust von Kammerwasser entsteht ein
großer Uveitisreiz, die Blut-Kammerwasser-Schranke bricht zusammen und es kommt zu einem Übertritt von Eiweiß, insbesondere Fibrinogen, in das Kammerwasser der vorderen Augenkammer.
Im Falle kleinerer perforierender Wunden kann das Fibrin
gemeinsam mit Teilen der in den Wundspalt getretenen Iris einen ersten Wundverschluss ergeben. Sehr schnell baut sich
dann mit Hilfe des nachgebildeten Kammerwassers der intraokuläre Druck annähernd wieder auf und führt zum „Stehen“
der Vorderkammer.
19.1 Augenkrankheiten
795
Ulzerative Hornhautentzündung (ulzerative Keratitis)
Ätiologie ■ Eine ulzerative Keratitis entsteht primär infolge
von
mechanischen Insulten (Traumen, Fremdkörper), die beim
Pferd aufgrund seiner Lebensweise und Haltungsbedingungen vielfältig gegeben sind,
● Funktionsstörungen der Adnexen (z. B. Lidstellungsanomalien) durch mangelnde Tränenflüssigkeit, z. B. bei Fazialisparese, Keratoconjunctivitis sicca, artifiziell bei lokaler Anästhesie,
● anatomischen Gegebenheiten (großer und prominenter Augapfel, z. B. Vollblut),
● chemischen Insulten (periokuläre Anwendung von Repellents),
● dystrophischen Prozessen (z. B. chronische Epithelerosion).
●
Den genannten Noxen ist gemeinsam, dass mit der Läsion des
Hornhautepithels dessen Barrierefunktion gegenüber infektiösen Agentien aufgehoben wird. Somit wird der Verlauf durch
Mikroorganismen (Bakterien, Pilze) maßgeblich beeinflusst.
Ubiquitär im Bindehautsack vorkommende Erreger wie Streptococcus spp., Staphylococcus spp., Pseudomonas, E. coli, Bacillus
spp., Micrococcus spp., Actinomyces spp. (in ihrem Spektrum
mit geografischen und saisonalen Abhängigkeiten) und die einzigartige Empfindlichkeit des Pferdes gegenüber sekundären
Pilzinfektionen (Aspergillus, Fusarium, Penicillium, Alternaria,
Cladosporum) können das pathologische Hornhautgeschehen
stark beeinflussen.
Pathogenese und Klinik ■ Das klinische Bild der Hornhautulzeration ist variabel und von der Tiefe des örtlichen Prozesses,
der Dauer des Krankheitsprozesses und vom infektiösen Agens
abhängig. Klinisch und prognostisch unterscheidet man die
oberflächlichen Substanzverluste (Erosionen) von unkomplizierten und komplizierten Hornhautulzerationen.
Die Erosio corneae ist eine besondere Form der oberflächlichen Hornhautulzeration, wobei lediglich das Hornhautepithel
betroffen ist (▶ Abb. 19.14). Im Gegensatz zum Hund, bei dem
ein ähnliches Geschehen ablaufen kann, zeigt das Pferd von Anfang des Krankheitsprozesses an heftige Schmerzen, erkennbar
durch Blinzeln, Tränenfluss, Enophthalmus, halbgeschlossene
Lider sowie teilweise ein reduziertes Allgemeinbefinden. Der
gesamte Bereich des freiliegenden Stromas und der Rand des
Defekts trüben aufgrund eines Hornhautödems bläulich ein
und die Hornhaut verdickt sich in diesem Bereich. Eine reine
Epithelerosion sollte innerhalb von 5–7 Tagen abheilen. Bei Infiltration mit Leukozyten und Sekundärinfektionen kann eine
gelbliche Verfärbung beobachtet werden, es werden destruktive Proteasen und Kollagenasen freigesetzt, die durch Einschmelzung des Hornhautstromas zur Vertiefung des Prozesses
beitragen. Die Fluoreszeinfärbung ist in Abhängigkeit von der
Tiefe des Defekts mehr oder weniger brillantgrün.
▶ Abb. 19.14 Zentral gelegene Erosio corneae. Aufgeworfenes Epithel am
Geschwürrand, peripher Trübung infolge Ödematisierung der oberen Stromalagen.
Chronische oberflächliche Defekte haben ähnliche klinische
Zeichen, der Ulkusrand hebt sich vom Stroma etwas ab, zusätzlich besteht eine Neovaskularisation der Hornhaut, deren Stärke für die Chronizität des Prozesses aussagekräftig ist. Bei nicht
infiziertem Verlauf bleibt das Stroma unauffällig (bläulich, ödematös). Chronischen Verlaufsformen liegt eine epitheliale Dysplasie (Fehlen von basalzelligen Hemidesmosomen, damit ungenügende Verbindung zwischen dem Epithel und dem Stroma) zugrunde. Die Ursache ist nicht geklärt, es werden gestörte
Stoffwechselprozesse (EMS, Cushing), Hormonmangel (bei Kastraten), auch immunvermittelte Defekte diskutiert.
Als unkomplizierte Hornhautulzera bezeichnet man Hornhautulzerationen, welche nicht tiefer als 30 %, klar begrenzt
und nicht infiziert sind. Es kann eine milde Begleituveitis mit
Miose der Pupille vorliegen. Die Therapie erfolgt analog zur
Therapie einer Erosion. Gegebenenfalls können Acetylcysteinhaltige Augentropfen (5 %ig) als vorbeugende Kollagenasehemmung 3–4 × täglich verabreicht werden. Eine Kontrolle der
Wundheilung sollte nach 2–3 Tagen erfolgen, um den positiven
Heilungsverlauf (Reepithelisierung des Defekts) sicherzustellen.
Als komplizierte Hornhautulzera werden solche bezeichnet,
die tiefer als 30 % und unklar umschrieben sind sowie Hinweise
auf eine Infektion und Destruktion des Hornhautstromas aufweisen. Sie sind oft mit einer reaktiven Uveitis (Reflexuveitis),
gekennzeichnet durch einen herabgesetzten oder nicht auslösbaren Pupillenreflex, eine Miosis und/oder Exsudation in die
vordere Augenkammer aufgrund des Zusammenbruchs der
Blut-Kammerwasser-Schranke, vergesellschaftet. Komplizierte
Hornhautulzera können sehr schnell fortschreiten und in die
Tiefe, in schweren Fällen bis auf die Descemet-Membran (Descemetozele) gehen (▶ Abb. 19.15).
In diesem Stadium liegt in der Regel aufgrund der lokalen Resistenzminderung von Hornhaut und Bindehaut eine massive
bakterielle Sekundärinfektion (z. B. mit Pseudomonas spp., Enterobacter spp., Acetinobacter spp., Staphylococcus spp., β-hämolysierende Streptokokken, Corynebacterium) vor. Die bakteriellen Erreger und zerfallenden Leukozyten produzieren Proteasen und Kollagenasen, die das Kollagen des ödematös auf-
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Krankheiten der Sinnesorgane
Definition ■ Die ulzerative Keratitis ist eine beim Pferd sehr
häufig auftretende Hornhauterkrankung, die durch umschriebenen Substanzverlust des Hornhautgewebes in unterschiedlicher Tiefe und Ausdehnung charakterisiert ist.
19 – Krankheiten der Sinnesorgane
▶ Abb. 19.15 Skizze einer Descemetocele.
gequollenen Stromas unter dem noch verbliebenen Epithel regelrecht „einschmelzen“ und das klinische Bild eines kriechenden Geschwürs (▶ Abb. 19.16) erzeugen. Zwar widersteht die
Descemet-Membran zunächst den Einschmelzungsvorgängen,
doch dann kann es sein, dass sie dem auf ihr lastenden Druck
nicht mehr gewachsen ist und rupturiert. Kammerwasserabfluss, Irisvorfall, intraokuläre Strukturveränderungen mit Sekundärinfektion sind dramatische Folgen.
Bei einer Pilzinfektion dagegen wird das Hornhautgewebe
mehr „durchwandert“, d. h., der Substanzverlust der Hornhaut
tritt zunächst weniger in Erscheinung. Die „klassische“ Keratomykose des Pferdes imponiert durch unterschiedlich tiefe Ulzerationen, umgeben von stromalem Ödem, eitrigem Augenausfluss und Plaques von weißem oder grauem Material auf der
Hornhautoberfläche (▶ Abb. 19.17). Pferde sind gegenüber Pilzinfektionen der Hornhaut sehr empfänglich. Diese resultieren
aus der physiologischen Keimflora des Auges, werden durch
Fremdkörper (pilzkontaminierte Pflanzenteile) und/oder durch
schmutzige Hände (Candida spp. unter den Fingernägeln) inokuliert, dagegen nicht aus Hautmykosen. Die Entstehung mykotischer Hornhautulzera (▶ Abb. 19.18) wird durch kritiklose,
zudem nicht konsequente Antibiotikaanwendung, Kortikosteroidabusus, durch Haltungsbedingungen (Staub) und durch klimatische Einflüsse (feuchte Wärme) begünstigt.
Diagnose ■ Die Untersuchung gestaltet sich bei der Hornhaut-
▶ Abb. 19.16 Kriechendes Hornhautgeschwür.
ulzeration aufgrund der starken Schmerzen, des damit verbundenen Blepharospasmus und verständlicher Unleidlichkeit des
Tieres schwierig. Deshalb ist eine medikamentöse Immobilisation mittels Xylazinhydrochlorid (0,4–1 mg/kg KM) oder Detomedine (0,02–0,04 mg/kg KM), wenn nicht ausreichend in
Kombination mit Butorphanol (0,01–0,02 mg/kg KM), empfehlenswert. Eine zusätzliche Immobilisation des M. orbicularis
oculi kann durch Akinesie erzielt werden.
Bei der Adspektion werden die Lider (Lidstellungsanomalien), die Bindehaut (Fremdkörper, Dermoid) und die Nickhaut
(Fremdkörper, Follikelschwellung, Neubildung) im Hinblick auf
▶ Abb. 19.17 Aspergillus-Infektion der Hornhaut. (Uwe Gränitz, Chemnitz)
a Stromaler Abszess (3–5 h) mit randständigem Ödem und reaktiver Vaskularisation der Hornhaut. Pupille weit gestellt.
b Stromaler Abszess mit heftiger reaktiver Vaskularisation (fortgeschrittener Zustand von ▶ Abb. 19.17a ). Unterminiertes Hornhautulkus in der Pupillarzone.
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796
19.1 Augenkrankheiten
die Entstehung bzw. Aufrechterhaltung ulzeröser Hornhautprozesse sorgfältig geprüft. Die Hornhaut wird hinsichtlich ihrer
Kontinuität, des Glanzes des Epithels, der Vaskularisation, Trübung, Tiefe des Ulkus und Perforation beurteilt. In die Untersuchung muss die Betrachtung des vorderen Augensegments
im Hinblick auf Anzeichen einer Uveitis (Miosis, Hypopyon, Fibrin, Irisvorfall) einbezogen werden. Sie erfolgt mit einer kleinen, kräftigen Lichtquelle (z. B. ophthalmologische Untersuchungsleuchte, Fa. Heine) von vorn und von der Seite.
Dem schließt sich die Färbung der Hornhaut an. Am besten
geeignet ist hierfür Fluoreszein (farbstoffimprägnierter Teststreifen oder Lösung in Einmalphiolen, z. B. Fluorescein SE Thilo®; Alcon Thilo). Es ist zu beachten, dass mit physiologischer
Kochsalzlösung nachgespült werden muss, anderenfalls sind
Fehlinterpretationen möglich. Bei einem falsch-positiven Ergebnis bleibt überschüssige Farbstofflösung in Hornhautfacetten (epithelisierte Vertiefungen) hängen. Ein falsch-negatives
Ergebnis liegt vor, wenn im ödematisierten Stroma die Aufnahmekapazität für Flüssigkeiten erschöpft ist. Man beachte weiterhin, dass im Falle eines tiefen Ulkus die freiliegende Descemet-Membran den Farbstoff nicht annimmt. Es besteht die Gefahr eines diagnostischen Fehlschlusses.
In jedem Fall (auch bei oberflächlichen, scheinbar nicht infizierten Defekten) sollten von Bindehaut und Hornhaut Abstriche und Geschabsel für die zytologische und mikrobiologische
Untersuchung entnommen werden. Hinsichtlich einer Pilzinfektion muss bedacht werden, dass Pilzsporen und Hyphen
sehr tief sitzen und deshalb durch Geschabsel nicht unbedingt
erreicht werden. Sicherer ist hier die pathohistologische Untersuchung eines durch Keratektomie gewonnenen Gewebestücks.
! Die kulturelle Differenzierung zwischen Pilzen und Bakterien kann durch gegenseitige Hemmung von Stoffwechselprodukten beeinflusst sein. Eine kritische Interpretation des Kulturergebnisses ist deshalb unter Berücksichtigung der Anamnese, der klinischen Befunde, speziell aber
des zytologischen Nachweises von Pilzhyphen vonnöten.
Therapie ■
Epithelerosionen Bei einer akuten Epithelerosion erfolgen
eine lokale Breitbandantibiose (z. B. Cepemycin®-Salbe), eine
Hornhautulzera Für die Therapie von Hornhautulzera gelten
folgende Prinzipien:
● Beachtung, Bekämpfung, Eliminierung aller Kausalfaktoren
● Ruhigstellen des Tieres (licht- und lärmgeschützter Raum
ohne Staub, Pollen, Fliegen)
● gezielte antimikrobielle Therapie nach exaktem kulturellen
und zytologischen Erregernachweis
● Uveitisprophylaxe und/oder -therapie durch Atropinisierung;
zugleich Schmerzbekämpfung durch Ruhigstellen der Iris
! Die unterschiedlichen Ergebnisse über Isolate an kranken
Augen zeigen die Wichtigkeit der Erregerdiagnose. Die
unmittelbare Therapie allerdings basiert zunächst auf
anamnestischen und klinischen sowie zytologischen
Befunden (Gramfärbung) und dem bekannten Erregerspektrum in einer spezifischen Region.
Das medikamentöse Therapiemanagement ist nach dem Charakter und dem Verlauf des ulzerierenden Prozesses auszurichten.
Zunächst muss abgewogen werden, ob eine rein medikamentöse Therapie oder eine Kombination von chirurgischer und
medikamentöser Therapie gewählt wird. Ziel einer chirurgischen Therapie ist neben der Wundreinigung und Erregerreduktion durch Keratektomie der veränderten Hornhautanteile
eine Verbesserung der Wundheilung durch tektonische Maßnahmen (z. B. autologes oder homologes Hornhautransplantat),
Schaffung einer direkten Blutgefäßversorgung durch eine Bindehautlappenplastik und/oder Schutz des Auges durch eine
temporäre Tarsorrhaphie. Das Anlegen einer Nickhautschürze
ist zur Behandlung eines komplizierten Hornhautulkus ungeeignet, da das Auge und der Heilungsverlauf nicht eingesehen
werden können.
In Abhängigkeit von Tiefe und Ausdehnung des Ulkus kann
sich der radikale Austausch von erkranktem Hornhautgewebe
gegen gesundes über eine Hornhauttransplantation (lamellär
oder perforierend) mit homologem Spendermaterial (Wirt und
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▶ Abb. 19.18 Mykotisches Hornhautulkus, ausgedehntes stromales
Ödem, Hypopyon.
die Hornhautepithelregeneration fördernde Therapie (z. B. Vitamin-A-Zubereitungen), bei Miose Zykloplegie (z. B. 0,51 %ige
Atropinlösung-Augentropfen) und einmalige Gabe eines systemischen nichtsteroidalen Entzündungshemmers (z. B. FlunixinMeglumin in halber Dosierung). Eine Kontrolle erfolgt nach 5–7
Tagen.
Bei chronischen Epithelerosionen mit schlechter Heilungstendenz kann zusätzlich zu der oben genannten lokalen und
systemischen Therapie eine lokale Behandlung durch Débridement (Abtragen aller losen Epithelien), eine Keratotomie (mechanische Auffrischung der Wundoberfläche in Sedation und
unter lokaler Anästhesie) oder Keratektomie der chronisch veränderten Hornhautareale notwendig sein. Eine Behandlung der
Wundfläche mit Jodtinkturen muss wegen möglicher allergischer Reaktionen und einer potenziellen Verätzung der Augenoberfläche vorsichtig vorgenommen werden. Zur Unterstützung der Wundheilung können hydrophile Kontaktlinsen (sog.
Bandagelinsen, z. B. an-bandage H1-H9 (Horses), An-Vision
Hennigsdorf) eingesetzt, eine Nickhautschürze oder eine temporäre Tarsorrhaphie angelegt werden.
Krankheiten der Sinnesorgane
797
19 – Krankheiten der Sinnesorgane
Spender sind speziesidentisch) anbieten. Hierdurch wird ein
sonst sehr langsam verlaufender Prozess der Reinigung, Regeneration, Heilung eines Hornhautulkus entscheidend abgekürzt. Strikte Voraussetzung ist, dass das Empfängerbett frei
von Krankheitsveränderungen ist; eine Anforderung, die durch
die mitunter extreme Ödematisierungsbereitschaft der Ulkusperipherie schwer zu erfüllen ist. Dem Eingriff liegen sowohl
therapeutische als auch tektonische Zielstellungen zugrunde,
denen nur durch exaktes Arbeiten eines diesbezüglich versierten und erfahrenen Ophthalmochirurgen entsprochen werden
kann.
Für größere Ulzera bietet sich die Bindehautdeckung an. Allen Methoden der Bindehautdeckung liegt die Zielstellung zugrunde, die Hornhaut vor um sich greifender Ulzeration, insbesondere aber auch Perforation zu schützen und zugleich ihre
Regenerationskraft (Heranführen zellulärer Abwehr über die
Bindehautvaskularisation) zu heben. Limbusnahe Defekte lassen sich durch Bindehaut decken, die vom Skleralrand her auf
100–150° mobilisiert wurde. Für mehr zentral gelegene Defekte
eignen sich spangenähnliche Gewebelappen, die jeweils oder
auch nur einseitig an ihrer Basis mit der bulbären oder bulbopalpebralen Bindehaut in Verbindung bleiben. Für die Fixation
sind einige weitgesetzte Nähte mit resorbierbarem synthetischem Material (z. B. PGA 8/0) ausreichend. Wird dagegen ein
aus dem Gewebeverband der Bindehaut vollständig herausgelöstes autologes Transplantat dem Ulkus aufgelegt, sind seine
Ränder zirkulär in Bereichen gesunder Hornhaut mit eng gesetzten Nähten zu sichern (▶ Abb. 19.19). Ein solches Transplantat wird mitunter in die Heilung einbezogen. Lose Reste
desselben und evtl. verbliebene Knoten müssen im Verlauf des
Einheilens entfernt werden.
Für die gezielte und optimale medikamentöse Therapie sind
die zytologische Untersuchung sowie Erregerfeststellung und
Resistenzbestimmung essenziell. Je nach Untersuchungsbefund
werden 4–6 × täglich lokal kombinierte Breitbandantibiotika
(z. B. Polyspectran®-Augentropfen = Polymyxin B, Bacitracin,
Neomycin), bei Pseudomonas-Infektion Aminoglykoside (z. B.
Soligental®-Augentropfen) verwendet, deren Applikation auch
über einen transpalpebralen Katheter möglich ist.
Für die lokale Therapie von Pilzinfektionen müssen für das
Pferd nicht zugelassene Infusionslösungen zur Anwendung am
Auge umgewidmet werden (z. B. Fluconazol, Diflucan®, Pfizer;
Voriconazol®, V-Fend, Pfizer). Eine Applikation erfolgt 3–5 ×
täglich für mindestens 3 Wochen. In hartnäckigen Fällen lassen
sich Antimykotika auch systemisch einsetzen; die Therapie ist
allerdings sehr teuer und mit unerwünschten Arzneimittelwirkungen wie Kolik und Kolitis nicht ungefährlich. Folgende Substanzen werden empfohlen:
● Itraconazol: 5 mg/kg KM 1 × tägl. p. o. oder besser 1,5 mg/kg
KM 1 × tägl. i. v.
● Fluconazol: initial 14 mg/kg KM, dann 5 mg/kg KM p. o.
1 × tägl.
● Voriconazol: 3 mg/kg KM 2 × tägl.
Des Weiteren sind zur Behebung des Ziliarspasmus und zur intraokulären Schmerzbekämpfung 0,5 %ige Atropin-Tropfen
(2–3 × täglich) und zusätzlich 10 %iges Phenylephrin zur Erzeugung einer stabilen Mydriasis einzusetzen. Sehr hilfreich ist der
örtliche Einsatz von 5 %igem Acetylcystein oder autologem Serum, welches als Kollagenasehemmer dem stromalen Zerfall
entgegenwirkt und mukopurulentes Exsudat verflüssigt. Bei
entzündlicher Mitbeteiligung intraokulärer Strukturen sind
systemisch wirksame nichtsteroidale Antiphlogistika (z. B. Flunixin) empfehlenswert.
Prognose ■ Regeneration und Heilung ulzerativer Hornhautprozesse sind vom Zustand des erkrankten Hornhautgewebes
und vom Zeitpunkt des Einsatzes der Therapie abhängig. Gelingt es, die kausale Therapie innerhalb der ersten 2 Tage zu beginnen, ist eine baldige Detritusreinigung zu erwarten. Das
Limbus
a
a
a
b
b
b
c
c
c
▶ Abb. 19.19 Ulkusabdeckung und Bindehautdeckung.
a Ulkusabdeckung mittels direkter Nahtsicherung eines gestielten Bindehautlappens.
b Bindehautdeckung mittels Brückenlappen.
c Partielle Bindehautdeckung der Hornhaut durch Auflegen und Fixieren mobilisierter Bindehaut.
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798
19.1 Augenkrankheiten
Nichtulzerative Hornhautentzündung (nichtulzerative
Keratitis, immunmediierte Keratitis)
Definition ■ Unter dem Begriff immunmediierte Keratitis
wird eine heterogene Gruppe primär nichtulzerativer Keratitiden mit mutmaßlich immunbedingter Entzündung zusammengefasst. Allen gemeinsam ist ein chronisch progressiver, in
Schüben auftretender Verlauf (> 3 Monate). Unterschieden werden folgende klinische Ausprägungen:
● Die epitheliale IMMK ist durch multifokale punktförmige epitheliale Trübungen, die von einem Mikroödem umgeben
sind, gekennzeichnet. Das Anfärben der Mikroläsionen mit
Fluoreszein gelingt selten, eine Färbung mit Bengalrosa oder
Lissamingrün ist jedoch meist positiv.
● Bei der stromalen Form wird im Hornhautstroma ein zelluläres Infiltrat sowie ein (Begleit-)Ödem und Neovaskularisation
beobachtet.
● Endotheliale Präzipitate sowie mehr oder weniger starke
Ödeme und Blutgefäßeinsprossung im allen Tiefen des Stromas treten im Zusammenhang mit der endothelialen Form
auf.
Klinik ■ Die verschiedenen Verlaufsformen der IMMK unterscheiden sich hauptsächlich in der Tiefe der Hornhautläsionen
(epithelial, oberflächliches Stroma, mittleres Stroma, Endothel)
und der Art der zellulären Infiltration. Die IMMK tritt in 85 %
aller Fälle unilateral auf, Rasse-, Alters- oder Geschlechtsdispositionen scheint es nicht zu geben. Zwischen den Entzündungsschüben können Wochen und Monate liegen. In der Regel
ist der Nachweis einer bakteriellen Infektion negativ, eine Laboruntersuchung (PCR) auf das Vorhandensein viraler DNA
(EHV-2/EHV-5) ist aber häufig positiv. Auch wenn die Rolle
einer Virusinfektion umstritten ist, haben Untersuchungen gezeigt, dass bei fast 90 % der Augen mit einer IMMK-Symptomatik, bei denen eine Keratektomie vorgenommen wurde, equine
Herpes-DNA in den äußeren oder tieferen Schichten der Hornhaut nachgewiesen werden konnte.
Therapie ■ Die Behandlung der verschiedenen Formen der
IMMK sollte unter strenger Indikationsstellung, unter regelmäßiger tierärztlicher Kontrolle und in Abhängigkeit vom Stadium
der Erkrankung erfolgen. In Abhängigkeit von der klinischen
Ausprägung werden lokal Glukokortikoide (z. B. Dexamethason
3 × täglich ausschleichend) angewandt. Eine prophylaktische
Gabe von lokalen Antibiotika kann während der Kortisontherapie sinnvoll sein. Eine antivirale Therapie (z. B. Virgan®, Ganciclovir 4–6 × täglich) ebenso. Die Wirksamkeit von CiclosporinA-haltiger Augensalbe scheint wegen der geringen Penetration
des großen, lipophilen Medikaments in die Hornhaut nur begrenzt zu sein. Bei Entzündungen in den tiefen Schichten der
Hornhaut können systemische Gaben von NSAIDs und/oder
eine chirurgische Intervention durch Keratektomie mit/ohne
Bindehautlappenplastik notwendig werden.
19.1.2.5
Krankheiten der Gefäßhaut (Uvea)
Corinna Eule, Hartmut Gerhards, Vera Schmidt,
Bettina Wollanke
Die Gefäßhaut (Tunica vasculosa oculi) besteht aus den 3 Anteilen Iris (Regenbogenhaut), Corpus ciliare (Ziliarkörper) und
Chorioidea (Aderhaut).
Der Untersuchung ist die Iris am besten zugänglich. Diagnostisch aufschlussreich sind ihre Eigenfarbe, ihr Relief und die Pupille, die mittels fokaler Lichtquelle beurteilt werden. Farbabweichungen der Iris kommen bei angeborenen Pigmentanomalien (partielles oder totales Fehlen des iriseigenen Pigments)
oder bei entzündlichen Prozessen der Iris (dunklere Farbnuancierung bei Hyperämie, Farbabschwächung bei entzündlichen
Auflagerungen) vor. Das Relief (dargestellt durch die Gitterstruktur des Irisgewebes, durch Muskel- und Gefäßfalten) ist
samtartig und verstrichen bei Ödematisierung oder Anlagerung
von Exsudaten. Das Relief geht bei Irisatrophie verloren.
An der Pupille sind die Form, der Rand, ihre Größe und die
Reaktionsfähigkeit von diagnostischer Aussagekraft. Unregelmäßigkeiten der Pupillenform weisen auf Adhäsionen oder
Verwachsungen der Iris mit der Linse (Synechia posterior) oder
mit der Hornhaut (Synechia anterior) hin. Der Pupillenrand
muss frei beweglich und in seiner Kontinuität erhalten sein. Er
ist im unteren und oberen (hier besonders kräftig) Randbereich
mit pigmentierten doppellagigen epithelialen Aufwulstungen,
den Traubenkörnern, ausgestattet, die an der Produktion von
Kammerwasser beteiligt sind.
Die Reaktionsfähigkeit der Pupille wird durch Lichtreize geprüft, die einen Pupillarreflex (direkt und konsensuell, Letzterer beim Pferd weniger deutlich) auslösen. Eine pathologische
Verengung der Pupille (Miosis) kann spastischen Ursprungs bei
Reizung des M. sphincter pupillae sein, z. B. bei entzündlichen
und schmerzhaften Vorgängen an der Uvea, Kopftrauma mit
Traumatisierung der Iris, zerebralen Erkrankungen, bei Vergif-
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korneale Ödem hat dann geringere Ausbreitungstendenz, da
bereits vom Epithel her mit einsetzender Regeneration (Streckung der Epithelzellen, Überbrücken der Ulkusränder) zu
rechnen ist. Dieser Prozess kann unterstützt werden durch die
Auswahl von Zubereitungen, deren Vehikel gut verträglich sind,
durch Applikation von künstlichen Tränen und durch Anwendung von Kollagenasehemmern.
Schwerwiegender, stockender und langsamer ist der Verlauf,
wenn ausgedehnte korneale Einschmelzungen mit größerem
Substanzverlust vorliegen. Bei bakteriellen Ulzerationen benötigt die intensive zielgerichtete Therapie für das „Greifen“ etwa
4–10 Tage. Sie ist umso effektiver, je besser es gelingt, Detritus,
Schleim und Exsudate (mittels künstlicher Tränenlösungen und
Kollagenasehemmern) zu entfernen.
Mykotische Prozesse sprechen auf die Kausaltherapie leider
sehr verzögert oder wenig an. Hier sind erste Zeichen einer
Wirkung günstigenfalls nach ca. 6–7 Tagen zu erwarten. Bereits
Stagnation des Hornhautzerfalls und Verringerung des kornealen Ödems sind als regenerative Tendenzen zu werten.
Sowohl bei bakteriellen als auch bei mykotischen Prozessen
setzt im Verlauf der Regeneration vom Randschlingennetz her
eine zunächst sehr langsame, dann aber heftige tiefe reaktive
Vaskularisation ein, die dem Ulkusbereich zustrebt und maßgeblich am Schließen des Defekts durch Auffüllen mit Granulationsgewebe beteiligt ist. Die Heilung erfolgt mit einer Narbenbildung.
Krankheiten der Sinnesorgane
799
19 – Krankheiten der Sinnesorgane
800
Pigmentanomalien
Vera Schmidt
Sie äußern sich beim Pferd vornehmlich in Pigmentmangelerscheinungen; von außen am besten erkennbar sind die der
Iris. Da sie vorwiegend den Stromaanteil betreffen, sind sie von
blaugrauer bis grauweißer Farbe (die pigmenthaltige Pars iridis
der Retina ist noch vorhanden und durch das pigmentlose Stroma bläulich schimmernd erkennbar). Ist das Irisstroma in seinem gesamten Verlauf pigmentlos, so spricht man von Glasäugigkeit. Umschriebene Pigmentmangelflecke führen zur Bezeichnung Birkauge (▶ Abb. 19.20). Eine Iris bicolor enthält
zwei verschiedene Färbungen und eine Heterochromia iridum
liegt vor, wenn die Färbung der einen Iris von der der anderen
abweicht. Pigmentanomalien sind weit verbreitet. So wird Glasäugigkeit häufiger bei Pferden mit Rumpfscheckung gesehen
und Heterochromie der Iris kann beim Pony mit dem Vorhandensein von Iriszysten auf der Grundlage von Hypoplasien des
Irisstromas gekoppelt sein.
Häufiger als in der Iris ist beim Pferd ein Pigmentmangel der
Chorioidea zu finden. Er ist fast immer mit einem Pigmentman-
▶ Abb. 19.20 Birkauge (Albinismus iridis externum).
gel der Retina gekoppelt. Beim diffusen Albinismus chorioideae leuchtet ein roter Fundus durch die Pupille auf. Der partielle Albinismus der Aderhaut präsentiert sich als multiple
pigmentfreie Bereiche, vorzugsweise beidseits der Papille stationiert. Unter dem Begriff „Tapetuminseln“ bekannt treten sie
jedoch auch im nichttapetalen Anteil des Fundus auf. Der angeborene Pigmentmangel der Gefäßhaut ist ohne klinische Bedeutung.
Uveale Entzündung (Uveitis)
Corinna Eule, Vera Schmidt
Definition ■ Entzündliche Veränderungen werden entsprechend ihrer anatomischen Lokalisation als Iritis, Zyklitis oder
Chorioiditis benannt. Sie können einzeln oder aufgrund der
zwei an der Uvea vorhandenen Gefäßsysteme Aa. ciliares anteriores und Aa. ciliares posteriores (▶ Abb. 19.21) gemeinsam als
Iridozyklitis (Uveitis anterior) und Chorioiditis (Uveitis posterior) auftreten. Sind alle drei Teile der Uvea beteiligt, spricht
man von einer Irido-Zyklo-Chorioiditis (Uveitis, Enophthalmitis), sind die Tunica fibrosa und nervosa ebenfalls in den Entzündungsprozess involviert, spricht man von einer Panophthalmitis.
Ätiologie und Pathogenese ■ Beim Entstehen und im Ablauf
der uvealen Entzündung wird den Prostaglandinen eine besondere entzündungsfördernde Rolle im Auge zuerkannt. Zudem
besitzt die Uvea aufgrund ihres Reichtums an anastomosierenden Blutgefäßen und der großen Anzahl retikuloendothelialer
Elemente eine spezielle immunologische Sensibilität. So wird
erklärbar, dass sie im Verlauf und im Gefolge von Allgemeinerkrankungen, insbesondere systemischen Infektionen, auf den
Erreger oder durch ihn erzeugte Antigene spezifisch reagiert
und das Pferd für uveale Entzündungen außerordentlich empfänglich ist. Erkrankungen wie Brustseuche, Druse, Fohlenlähme, Petechialfieber, infektiöse Anämie oder respiratorische Vi-
▶ Abb. 19.21 Schema der Blutversorgung des Auges der Equiden (in
Klammern jeweils das Versorgungsgebiet). 1 A. centralis retinae (Retina),
2 Aa. ciliares posteriores breves (Chorioidea), 3 Aa. ciliares posteriores longae (Ziliarkörper, Iris), 4 Aa. ciliares anteriores (Gefäßhaut des Bulbus), 5
A. malaris (Kammerwinkelstrukturen), 6 V. ophthalmica externa (Ziliarkörper, Iris), 7 Vv. vorticosae (Ziliarkörper, Iris, Chorioidea), 8 Vv. ciliares anteriores (Kammerwinkel, Randschlingennetz), 9 Plexus venosus sclerae
(Kammerwinkelplexus), 10 Vv. ciliares posteriores breves (Chorioidea, Retina), 11 V. centralis retinae (Retina).
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tungen (Morphin, Harnstoff), Infektionen oder durch Applikation von Parasympathomimetika (z. B. Eserin, Physostigmin, Pilocarpin). Die Miosis ist paralytisch bei Lähmung des vornehmlich sympathisch innervierten M. dilatator pupillae und u. a.
Zeichen des Horner-Syndroms.
Pathologische Pupillenerweiterung (Mydriasis) ist spastischen Ursprungs bei Sympathikusreizung (Spasmus des sympathisch innervierten M. dilatator pupillae). Eine Mydriasis ist
andererseits das Ergebnis von Lähmungen des M. sphincter pupillae, z. B. bei Vergiftungen (Solanin), bei Retinitis oder Papillitis, bei Infektionen (Tetanus) oder nach Anwendung von Parasympatholytika (Atropin, Homatropin, Scopolamin).
Die Chorioidea wird in Mydriasis mit einem Ophthalmoskop
in direkter und indirekter Betrachtung beurteilt. Sie wird in
weiten Bereichen von der Netzhaut bedeckt und unterliegt
demzufolge gemeinsam mit der Netzhaut einer fundoskopischen Beurteilung, insbesondere hinsichtlich farblicher Abweichungen im Zusammenhang mit entzündlichen, degenerativen
bzw. atrophischen Zuständen oder angeborenen Pigmentanomalien. Das Corpus ciliare ist einer Adspektion nicht zugänglich.
19.1 Augenkrankheiten
Ätiologie ■ Hinsichtlich des Verständnisses der Ätiologie gibt
▶ Abb. 19.22 Iritis haemorrhagica. Blut am Boden der Vorderkammer.
▶ Abb. 19.23 Chorioiditis und perivaskuläre Blutungen im Zusammenhang mit einer respiratorischen Virusinfektion. (Uwe Gränitz, Chemnitz)
rusinfektionen können zu heftiger uvealer Reaktion führen, die
durch Hämorrhagien der Iris (▶ Abb. 19.22) und/oder der Chorioidea (▶ Abb. 19.23) gekennzeichnet sind.
Equine rezidivierende Uveitis (ERU)
Corinna Eule, Hartmut Gerhards, Bettina Wollanke
Definition und Vorkommen ■ Die equine rezidivierende
Uveitis (ERU) ist eine ein- oder beidseitig auftretende, serofibrinöse, seltener serohämorrhagische Entzündung einzelner oder
mehrerer Anteile der Uvea, die in unterschiedlichen Intervallen
rezidivieren oder chronisch schleichend ablaufen kann. Sie
führt meist durch progrediente Schädigung intraokularer
Strukturen zur Atrophie und Erblindung der betroffenen Augen. Angaben zur Inzidenz der ERU liegen zwischen 8 % und
12 %. In einer jüngeren Untersuchung konnten in westdeutschen Pferdebeständen bei rund 8 % der untersuchten Pferde
Veränderungen im Sinne der ERU festgestellt werden.
Andere, teils historische Bezeichnungen und Laiensprachgebrauch für diese Erkrankung sind Periodische Augenentzündung (PA), Periodic Ophthalmia, Fluxion Périodique, innere Augenentzündung, Mondblindheit, Moon Blindness und Morbus
es in der Literatur große regionale Unterschiede. In Nordamerika und Großbritannien wird die ERU vornehmlich als eine
Autoimmunerkrankung verstanden. In Deutschland wurde hingegen durch die Untersuchungen zahlreicher im Rahmen der
Vitrektomie aus an ERU erkrankten Augen gewonnenen Glaskörperproben ein häufiger Zusammenhang mit einer Leptospiren-Infektion nachgewiesen. Hinweise auf die Beteiligung von
Leptospiren an der Entstehung der ERU wurden erstmals von
Gsell und Mitarbeitern in den 1940er Jahren und seitdem häufig auch von anderen Untersuchern festgestellt. In unter aseptischen Bedingungen während Vitrektomien entnommenen
Glaskörperproben wurde mittels Kultur, PCR und Mikroagglutinationsreaktion (MAR) der Nachweis einer intraokular persistierenden Leptospireninfektion in an ERU erkrankten Augen erbracht. Leptospiren verschiedener Serogruppen (in Deutschland am häufigsten die Serogruppe Grippotyphosa) konnten
aus über 50 % dieser Glaskörperproben angezüchtet werden.
Der Nachweis der intraokularen Leptospireninfektion ist nur
so lange möglich, wie die ERU besteht. Mit der Vitrektomie
wird die intraokulare Leptospireninfektion beseitigt, so dass
danach weder Leptospiren aus diesen Augen angezüchtet noch
deren Nukleinsäuren in der PCR nachgewiesen werden können.
Zusätzlich sinken die intraokularen Antikörpertiter gegen Leptospiren nach der Operation. Ein Jahr nach Vitrektomie können
mittels MAR in den operierten Augen keine Antikörper mehr
nachgewiesen werden. Mit der Vitrektomie werden der Glaskörper und mit diesem die Leptospireninfektion beseitigt, hingegen bleiben die intraokularen Autoantigene (insbesondere SAntigen und IRBP der Netzhaut) unberührt.
Pathogenese ■ Von spontanen und experimentellen Leptospireninfektionen bei Pferden ist bekannt, dass Monate bis Jahre
nach einer – meist inapparent verlaufenen – Leptospireninfektion vergehen können, bis eine Uveitis auftritt. Für das Fortbestehen der ERU und die rezidivierenden Entzündungen ist
die Leptospirenpersistenz im Auge ausschlaggebend. Das Auge
stellt einerseits eine immunologisch schwer zugängliche „Nische“ dar und besitzt andererseits sehr effektive Mechanismen,
die jede Immunreaktion zurückdrängen. Es wird vermutet, dass
sich die Erreger im Glaskörper aufhalten und dort inmitten von
Entzündungsprodukten durch eigene Schutzmechanismen
(Maskierung mit wirtseigenen Proteinen) oder auch intrazellulär vor dem Immunsystem geschützt überleben können.
Das Auge verfügt über sehr wirksame Mechanismen, die dazu dienen, jede Entzündungsreaktion im Auge zu unterbinden
oder zurückzudrängen. Durch Veränderungen der immunologischen Situation im Auge kann es dazu kommen, dass die immunsuppressiven Mechanismen im Auge das Aufflammen
einer Uveitis nicht mehr unterdrücken können. Nach Zusammenbruch der Blut-Augen-Schranke laufen unvermeidbar auch
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lunaticus. Bis zum Inkrafttreten der neuen Fassung des BGB am
01.01.2002 war „die auf inneren Einwirkungen beruhende entzündliche Veränderung an den inneren Organen des Auges“ als
Hauptmangel „Periodische Augenentzündung“ in der bis zu
diesem Zeitpunkt gültigen Kaiserlichen Verordnung von 1899
definiert.
Krankheiten der Sinnesorgane
801
19 – Krankheiten der Sinnesorgane
802
Die Pathomechanismen der Entstehung der Uveitisrezidive und
die Vorgänge im entzündungsfreien Intervall sind bisher im
Einzelnen noch unbekannt.
▶ Abb. 19.24 Akute vordere Uveitis: serohämorrhagisches Exsudat in der
vorderen Augenkammer. Die Pupille dieses Pferdes wurde bereits mit
Atropin dilatiert.
Klinik ■ Die ERU kann sehr variable klinische Erscheinungsbilder hervorrufen. Die Entzündungsintervalle können eine Woche bis mehrere Jahre betragen. Manche Pferde zeigen erhebliche Schmerzen während eines Uveitisschubs, bei anderen
schwelt die Entzündung lange Zeit für den Pferdehalter unbemerkbar und die Krankheit wird erst erkannt, wenn das Pferd
Sehstörungen zeigt. Bei vielen Pferden nimmt die Intensität der
Entzündung im Krankheitsverlauf zu und die entzündungsfreien Intervalle werden kürzer. Die klinischen Veränderungen
hängen im Wesentlichen davon ab, welche Strukturen des Auges von der Entzündung betroffen sind.
Uveitis anterior Die Entzündung der Iris wird auch als vordere
Uveitis bezeichnet, geht charakteristischerweise mit deutlichen
Schmerzsymptomen einher und wird daher von Pferdehaltern
in der Regel früh erkannt. Während des akuten Schubes bestehen eine deutliche Abwehrtrias (Epiphora, Blepharospasmus
und Photophobie), gerötete Bindehäute und eine diffuse,
hauchartige bis rauchige Hornhauttrübung. Der Bulbus ist hypoton und es entsteht ein schmerzbedingter Enophthalmus, so
dass das erkrankte Auge verkleinert erscheint (Atrophia bulbi).
In der vorderen Augenkammer können infolge der entzündungsbedingten Gefäßwandschäden eine diffuse Trübung (positives Tyndall-Phänomen) und ein seröser, gallertiger, fibrinöser oder auch hämorrhagischer Erguss bestehen (▶ Abb. 19.24).
Bei Pferden mit wenig Pigment in der Iris ist die gelbliche Farbe
der Kammerwassertrübung am besten erkennbar, die durch
Austritt von Blutbestandteilen entsteht. Es liegt zudem eine
Hyperämie der Iris vor, die dazu führen kann, dass die vermehrt gefüllten Blutgefäße rötlich hervortreten (Rubeosis iridis). Die Rubeosis iridis ist ebenfalls bei den Pferden mit wenig
Pigment in der Iris besonders gut sichtbar (▶ Abb. 19.25).
Unbehandelt kommt es bei einer Iritis neben der Deposition
von Entzündungsprodukten in der vorderen Augenkammer immer zu einer Miosis, so dass die hinter der Iris liegenden Strukturen (Linse, Glaskörper, Fundus) in der Regel nicht mehr klar
eingesehen werden können (▶ Abb. 19.26) und deren Zustand
erst nach Behandlung, weitgehender Resorption der Entzündungsprodukte aus der vorderen Augenkammer und Einstel-
▶ Abb. 19.25 Akute vordere Uveitis: Rubeosis iridis und gelbliche Kammerwassertrübung, wodurch die unpigmentierte (weiße) Iris gelb erscheint.
▶ Abb. 19.26 (Sub-)Akute Iritis: Miosis und Fibrin in der vorderen Augenkammer.
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Autoimmunreaktionen ab, da die in der Netzhaut vorhandenen
Autoantigene dann für das Immunsystem angreifbar werden.
Verschiedene Faktoren können zum Ausbruch eines Uveitisschubs beitragen, z. B.:
● Vermehrung der Bakterien im Auge
● Bildung lokaler Immunkomplexe
● Schädigung intraokularer Gewebe durch die Leptospiren
● Schädigung intraokularer Gewebe durch ursprünglich gegen
Leptospiren gerichtete Immunreaktionen („Antigenic mimicry“)
● Stresssituationen (z. B. Transporte, Turnier, Stallwechsel, Klinikaufenthalte)
● Impfungen
● genetische Prädisposition
19.1 Augenkrankheiten
lust des Sehens. Bei einer zirkulären hinteren Synechie des Pupillensaums (Seclusio pupillae) kann das Kammerwasser nicht
mehr durch die Pupille in die vordere Augenkammer gelangen,
was zu einer Vorwölbung der Iris im Sinne einer „Napfkucheniris“ (Iris bombé, Iris bombata) führen kann. Die getrübte und
dadurch weniger elastische Linse kann im fortschreitenden
Krankheitsverlauf schließlich (sub-)luxieren (Luxatio lentis
posterior, seltener Luxatio lentis anterior; ▶ Abb. 19.31,
▶ Abb. 19.32).
Uveitis posterior Die Entzündung des Ziliarkörpers (Zyklitis
oder intermediäre Uveitis) und die Entzündung der Chorioidea
(hintere Uveitis) werden beim Pferd bisher nicht differenziert.
Aus diesem Grund wird im Folgenden der Begriff „hintere Uveitis“ für alle Entzündungen verwendet, die überwiegend in den
dem Glaskörper benachbarten Strukturen ablaufen, um sie von
der Iritis („vorderen Uveitis“) zu unterscheiden. In frühen Stadien der hinteren Uveitis dominiert bei Pferden erfahrungsgemäß die Zyklitis.
Bei einer hinteren Uveitis sind die betroffenen Augen häufig
wenig oder gar nicht schmerzhaft. Dadurch bleibt die Krankheit
▶ Abb. 19.27 (Sub-)Akute Iritis nach medikamentös eingestellter Mydriasis. Diffuse hauchartige Hornhauttrübung.
▶ Abb. 19.28 Temporal auf der Linsenvorderfläche kleines Irisresiduum
als Folge einer hinteren Synechie (Pfeil), das nur bei Mydriasis sichtbar
wird.
▶ Abb. 19.29 Flächige hintere Synechien, Dyskorie und Katarakt nach
chronisch-rezidivierender Iritis.
▶ Abb. 19.30 Chronisch-rezidivierende Iritis: Cataracta complicata als Folge von hinteren Synechien. Dyskorie und Irisresiduen auf der Linsenvorderfläche.
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lung einer Mydriasis beurteilbar wird (▶ Abb. 19.27). Nach unverzüglich und konsequent behandelten Schüben einer vorderen Uveitis sind in frühen Krankheitsstadien nach wenigen
Entzündungsattacken während der entzündungsfreien Intervalle manchmal keine oder nur sehr diskrete krankhafte Augenbefunde feststellbar. Nach mehreren, sehr schweren oder unzureichend behandelten Schüben einer vorderen Uveitis können
im entzündungsfreien Intervall Folgen der Iritis festgestellt
werden. Neben einer mit den Entzündungsschüben fortschreitenden Bulbusatrophie entstehen am häufigsten hintere Synechien oder es sind nach Abreißen einer hinteren Synechie kleine Irisresiduen auf der vorderen Linsenkapsel erkennbar. Seltener bleiben vordere Synechien, vesikuläre Veränderungen oder
Trübungen im Bereich der vorderen Linsenkapsel zurück. Die
Veränderungen im Bereich der Iris und der vorderen Linsenkapsel (Synechien, Irisresiduen, Trübungen) werden in manchen Augen erst bei Mydriasis erkennbar (▶ Abb. 19.28). Wenn
flächige hintere Synechien (▶ Abb. 19.29) oder gar eine Occlusio pupillae (Verschluss der Pupille durch eine flächenhafte
Membran) entstanden sind, führen diese zu einer Cataracta
complicata (▶ Abb. 19.30) und damit zu einem klinischen Ver-
Krankheiten der Sinnesorgane
803
19 – Krankheiten der Sinnesorgane
▶ Abb. 19.32 Luxatio lentis anterior nach ERU. Auf der Linsenvorderfläche
sind Irisresiduen erkennbar.
in vielen Fällen über eine lange Zeit für den Tierhalter verborgen und wird oftmals erst bei Routine- bzw. Kaufuntersuchungen entdeckt. In manchen Fällen geht eine anhaltende hintere
Uveitis jedoch mit einer begleitenden hochgradigen Keratitis
einher (▶ Abb. 19.33). In diesem Fall macht sich eine schmerzhafte Augenerkrankung für den Besitzer bemerkbar und die
Uveitis wird früher diagnostiziert als bei einem nicht oder wenig schmerzhaften Verlauf.
Die hintere Uveitis kann sowohl einen chronisch schleichenden Verlauf nehmen als auch in Schüben auftreten. Wie bei der
vorderen Uveitis kommt es zu einem erniedrigten intraokulären Druck und im Laufe der Zeit zu einer Bulbusatrophie. Bei
einer akuten Entzündung tritt zunächst eine diffuse Trübung
des Glaskörpers durch Proteine und Zellen ein. Diese Trübung
kann hauchartig und nur im Seitenvergleich feststellbar oder
auch so hochgradig sein, dass der Augenhintergrund nicht
mehr einsehbar ist (▶ Abb. 19.34, ▶ Abb. 19.35, ▶ Abb. 19.36).
Wie die Kammerwassertrübung hat auch die Glaskörpertrübung eine gelbliche Farbe. Bei Beleuchtung der Pupillen von
vorne fällt daher bei einseitiger Uveitis im Seitenvergleich ein
Farbunterschied auf: Die diffuse gelbliche Glaskörpertrübung
des erkrankten Auges führt in Verbindung mit dem physiologisch smaragdgrünen bis stahlblauen Augenhintergrund des
Pferdes zu einer schmutzig gelb-grünen Verfärbung des Fundusreflexes (▶ Abb. 19.37). Neben der diffusen Glaskörpertrübung entstehen durch die Entzündungen spinnwebartige oder
dichtere wolkige und später auch membranartige Glaskörpereinlagerungen. Im Gegensatz zu der diffusen Glaskörpertrübung, die nach Abklingen der hinteren Uveitis zurückgeht,
und im Gegensatz zu den Entzündungsprodukten in der vorderen Augenkammer, die nach einer Entzündung meist vollständig resorbiert werden, können diese wolkigen bis membranartigen Glaskörperinfiltrate nicht effektiv abgebaut werden
und sind auch im entzündungsfreien Intervall bei der Ophthalmoskopie sichtbar (▶ Abb. 19.38, ▶ Abb. 19.39).
▶ Abb. 19.33 Keratouveitis: diffuse hauchartige Hornhauttrübung, zirkuläre Hornhautvaskularisation, vordere Augenkammer ohne sichtbare Entzündungsprodukte, Pupille mittelweit, schmutzig-gelbliche Glaskörpertrübung.
▶ Abb. 19.34 Blick auf den Fundus eines gesunden Pferdeauges.
▶ Abb. 19.31 Luxatio lentis posterior nach ERU. Die Linse weist eine vollständig (mature) Katarakt auf.
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804
19.1 Augenkrankheiten
▶ Abb. 19.35 Fundus wegen einer diffusen Glaskörpertrübung bei hinterer Uveitis nur unscharf einsehbar.
▶ Abb. 19.36 Fundus wegen hochgradiger diffuser Glaskörpertrübung bei
hinterer Uveitis nicht einsehbar.
▶ Abb. 19.38 Wolkige Glaskörpertrübungen dorsal nach hinterer Uveitis.
Zusätzlich hintere Synechie bei „2 Uhr“.
▶ Abb. 19.37 Gelblich-schmutzige Glaskörpertrübung links führt zu charakteristischer gelb-grünlicher Verfärbung des Fundusreflexes bei einem
Pferdeauge mit hinterer Uveitis. Rechtes Auge: physiologischer Fundusreflex.
▶ Abb. 19.39 Membranartige Glaskörpereinlagerungen nach hinterer
Uveitis.
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Krankheiten der Sinnesorgane
805
19 – Krankheiten der Sinnesorgane
806
▶ Abb. 19.40 „Bläschenförmige“ oder vakuoläre Katarakt im Bereich der
hinteren Linsenkapsel. Pathognomonischer Befund für ERU.
▶ Abb. 19.42 Sternförmige Ablatio retinae rechts der Papille, beginnende
flächige Ablatio retinae links der Papille. Geringgradige diffuse Glaskörpertrübung.
im Bereich der Chorioidea führt zu einer falten- oder blasenartigen und schließlich vollständigen Ablösung der Netzhaut
(▶ Abb. 19.42, ▶ Abb. 19.43). Nach einem schleichenden und
für den Tierhalter in der Regel unbemerkbaren Verlauf der hinteren Uveitis kann es daher sein, dass das Pferd anscheinend
„plötzlich“ erblindet ist (Katarakt, Netzhautablösung), obwohl
vorher keine Anzeichen für eine Augenkrankheit bemerkt wurden (▶ Abb. 19.44, ▶ Abb. 19.45).
Iridozyklitis und Panuveitis Bei vielen Pferden laufen die beschriebenen Uveitisformen von Krankheitsbeginn an nebeneinander ab. Bei anderen Tieren kann zunächst die eine oder
andere Uveitisform im Vordergrund stehen und die Beteiligung
▶ Abb. 19.41 Präzipitate auf der Linsenrückfläche und beginnende Cataracta complicata. Zusätzlich Dyskorie bei „7.00 Uhr“ infolge geringgradiger hinterer Synechie.
▶ Abb. 19.43 Vollständige Ablatio retinae nach hinterer Uveitis.
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In frühen Stadien der hinteren Uveitis sind die ersten entzündlichen Einlagerungen in der Glaskörperperipherie, bevorzugt hoch dorsal in unmittelbarer Nähe des Ziliarköpers erkennbar. Später entsteht eine zunehmende Glaskörperverflüssigung (Syneresis) und die entzündungsbedingten Einlagerungen
finden
sich
im
gesamten
Glaskörperraum.
Pathognomonisch für die hintere Uveitis ist auch eine sog.
„bläschenförmige“ Katarakt im Bereich der Linsenrückfläche
(▶ Abb. 19.40). Im Laufe der Zeit lagern sich die im Glaskörper
zunehmenden Entzündungsprodukte u. a. an der Linsenrückfläche an und können ebenso wie hintere Synechien nach Iritis
zu einer Cataracta complicata führen (▶ Abb. 19.41). Die fortschreitende hintere Uveitis mit zunehmender Entzündung auch
19.1 Augenkrankheiten
▶ Abb. 19.45 Sonogramm eines Auges mit Katarakt ophthalmoskopisch
unklarer Genese: Glaskörperverflüssigung, Glaskörpereinlagerungen und
möwenflügelartige Ablatio retinae nach hinterer Uveitis (G: Glaskörper; L:
Linse; NO: Nervus opticus; R: Retina).
der gesamten Uvea am Entzündungsgeschehen sich erst im
weiteren Krankheitsverlauf entwickeln. In fortgeschrittenen
Stadien der ERU liegt in den meisten Fällen eine Panuveitis mit
vielen der beschriebenen Veränderungen vor, die zu einer
hochgradigen Bulbusatrophie mit Entstehung des „dritten Augenwinkels“ und schließlich zur Phthisis bulbi führen kann
(▶ Abb. 19.7).
Diagnose ■ In den meisten Fällen ist die klinische Diagnose
eindeutig anhand der klinischen Befunde möglich. Für die vollständige Untersuchung und korrekte Beurteilung eines Auges
ist eine Mydriasis erforderlich. Wenn diese bei Pferden im Dunkelraum nicht spontan eintritt, ist die Gabe von kurzwirksamen
Mydriatika (z. B. Tropicamid) notwendig, deren Wirkung bei ge-
Differenzialdiagnosen ■ Es ist eine Reihe von Differenzialdiagnosen zu berücksichtigen:
Traumatische Uveitis Nach stumpfen Traumata kann eine
Uveitis entstehen, die mit serofibrinösen oder serohämorrhagischen Ergüssen in der vorderen Augenkammer einhergeht und
daher nicht sicher von einer ERU zu unterscheiden ist
(▶ Abb. 19.22). In manchen Fällen wird die Diagnose klar, wenn
die Uveitis abgeklungen ist und das Auge vollständig untersucht werden kann. In anderen Fällen muss die ursprüngliche
Verdachtsdiagnose auf eine „traumatische Uveitis“ bei einem
auftretenden Rezidiv in die Diagnose „ERU“ abgeändert werden. Unabhängig von der Ätiologie ist die konservative Behandlung der Uveitis durchzuführen.
Phakogene Uveitis Nach Traumata oder auch infolge einer
kongenitalen Schwäche oder Undichtigkeit der Linsenkapsel
kann es zum Austritt von Linsenprotein kommen, das vom Im-
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▶ Abb. 19.44 Mature Katarakt: Da keine hinteren Synechien vorhanden
sind, die auf eine abgelaufene ERU hindeuten, kann die Diagnose „ERU“
nur anhand einer Ultraschalluntersuchung und Darstellung entsprechender Glaskörperveränderungen gestellt werden.
sunden Augen etwa nach 15 Minuten eintritt. Die Mydriasis ist
insbesondere für die Erkennung peripherer hinterer Synechien
und früher Stadien einer Zyklitis mit Veränderungen in der
Glaskörperperipherie erforderlich.
In seltenen Fällen können andere Uveitisformen oder andere
schmerzhafte und rezidivierende Augenkrankheiten nicht sicher von frühen Stadien einer ERU (insbesondere einer vorderen Uveitis) unterschieden werden. Um zu klären, ob es sich
bei einer Augenkrankheit um eine ERU handelt, der mit einer
Vitrektomie geholfen werden kann, oder ob eine andere Augenkrankheit vorliegt, können Laboruntersuchungen durchgeführt
werden. Blutuntersuchungen sind hierbei nicht hilfreich, da bis
zu 80 % (in einzelnen Untersuchungen sogar bis zu 100 %) augengesunder Pferde Antikörper im Blut besitzen, bei an ERU erkrankten Pferden hingegen nach der langen Latenzzeit von der
Infektion mit Leptospiren bis zum Auftreten der ERU manchmal
keine mit der MAR nachweisbaren Antikörper mehr im Blut
vorhanden sind. Vor Durchführung einer Vitrektomie sollte
nach entsprechender Vorbehandlung der betroffenen Pferde in
einer Kurznarkose Kammerwasser gewonnen und auf Antikörper gegen Leptospiren mittels MAR in Kammerwasser und Serum sowie auf Leptospiren-Nukleinsäuren mittels PCR im Kammerwasser untersucht werden. Bei positivem Ergebnis eines
oder beider Tests liegt mit Sicherheit eine intraokulare Leptospireninfektion und somit eine ERU mit Indikation für eine Vitrektomie vor. Ist der Antikörpertiter im Kammerwasser mindestens eine Titerstufe höher als im Serum, muss von einer lokalen Antikörperproduktion gegen den lokal abgesiedelten Erreger ausgegangen werden. Sind die Titer in Serum und
Kammerwasser gleich, so ist dieses lediglich Ausdruck einer gestörten Blut-Augen-Schranke. Wenn beide Tests negativ ausfallen, kann mit 80 %iger Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen
werden, dass keine intraokulare Leptospireninfektion vorhanden ist und somit das Pferd nicht von einer Vitrektomie profitieren würde. Eine Restunsicherheit liegt hier jedoch vor, da
in sehr frühen Stadien der Erkrankung manchmal noch keine
Antikörper nachweisbar sind und es nicht in jedem Fall gelingt,
eine intraokulare Leptospireninfektion mittels PCR im Kammerwasser nachzuweisen.
Krankheiten der Sinnesorgane
807
19 – Krankheiten der Sinnesorgane
munsystem als „fremd“ erkannt wird. Die Folge ist eine phakogene Uveitis, deren Symptome denen einer vorderen Uveitis
bei ERU entsprechen und die ebenfalls rezidivierend verlaufen
kann. Die phakogene Uveitis lässt sich häufig daran erkennen,
dass die Linsenkapsel oder der Linsenkortex Läsionen, vakuoläre Veränderungen oder Trübungen aufweist, die in keinem erkennbaren Zusammenhang zu einer zuvor abgelaufenen Uveitis
stehen.
Glaukom Das Glaukom ist beim Pferd in der Regel ein Sekundärglaukom nach Uveitis. Häufig liegen eine chronische und
kaum schmerzhafte Iritis sowie eine Linsensubluxation vor
(▶ Abb. 19.46). Die zu einem Glaukom führende Uveitis ist jedoch von der ERU zu differenzieren. Sowohl der Verlauf als
auch die Ätiologie der Glaukom-auslösenden Uveitis unterscheiden sich von der ERU. Die Symptome der Uveitis sind beim
Glaukom weniger ausgeprägt, diffuse Glaskörpertrübungen treten nur sehr selten auf, Exsudate in der vorderen Augenkammer werden nie beobachtet und eine intraokulare Leptospireninfektion ist nicht nachweisbar.
In frühen Stadien ist die Differenzierung zwischen ERU und
Glaukom manchmal schwierig, da auch in an Glaukom erkrankten Augen fokale Glaskörpereinlagerungen entstehen können.
In fortgeschrittenen Krankheitsstadien wird die Unterscheidung leichter, da der Bulbus beim Glaukom im Gegensatz zu an
ERU erkrankten Augen allmählich größer wird (Buphthalmus).
Zusätzlich werden Bändertrübungen und temporäre oder permanente Hornhautödeme sichtbar (▶ Abb. 19.47), die gut von
einer die ERU begleitenden Keratitis zu unterscheiden sind. Der
intraokulare Druck kann bei an Glaukom erkrankten Augen
temporär oder permanent erhöht sein (> 30 mmHg), bei ERU
hingegen sinkt der Augeninnendruck ab. Der Krankheitsverlauf
bei an Glaukom erkrankten Augen kann durch eine Vitrektomie
nicht beeinflusst werden. Allerdings kann in einzelnen Fällen
durch Entfernung von pathologischen Glaskörpereinlagerungen
temporär eine Visusverbesserung erzielt werden.
Keratitis Bei einer schmerzhaften Keratitis können verschiedene Befunde feststellbar sein, die auch bei einem akuten Schub
▶ Abb. 19.46 Glaukom: Hornhautödem und Linsensubluxation temporodorsal.
einer vorderen Uveitis (Kerato-Uveitis) vorhanden sind. Dazu
gehören die Abwehrtrias, die geröteten Konjunktiven und in
manchen Fällen eine Hornhauttrübung. Eine schmerzhafte Keratitis wird zudem oft von einer Miosis begleitet. Schließlich
neigen manche Formen einer Hornhautentzündung zu Rezidiven und lassen sich mit der gleichen Therapie erfolgreich behandeln, die bei der ERU verwendet wird. Da in manchen Augen nach wenigen Schüben einer gut behandelten vorderen
Uveitis keine krankhaften Veränderungen im Auge feststellbar
sind, kann es vorkommen, dass eine Keratitis für eine ERU gehalten wird und umgekehrt. Nach zahlreichen schmerzhaften
Entzündungen ist bei einer ERU jedoch davon auszugehen, dass
typische entzündungsbedingte Veränderungen im Augeninneren erkennbar werden. Wenn die inneren Augenstrukturen
auch nach zahlreichen Schüben noch keine Veränderungen aufweisen, die vorgenannten Veränderungen jedoch festgestellt
werden, ist die Diagnose einer Keratitis wahrscheinlich.
Therapie ■ Die Therapie der akuten Uveitis gestaltet sich für
die ERU wie für jede andere Uveitis, bei der keine Hornhautverletzung vorliegt. Es ist erforderlich, das erkrankte Pferd sofort
intensiv und konsequent zu behandeln, um irreversible Folgeschäden (z. B. hintere Synechien) soweit möglich zu verhindern
und die Schmerzen zu mildern. Neben begleitenden Maßnahmen sind vor allem 3 Behandlungsprinzipien immer erforderlich:
● Atropin-Augensalbe oder -tropfen
● steroidhaltige Augensalben oder -tropfen
● systemische Verabreichung eines nichtsteroidalen Antiphlogistikums
Lokale Verabreichung von Mydriatika Um hintere Synechien
und damit möglicherweise die Entstehung einer Cataracta complicata zu verhindern, ist es unerlässlich, dass die Pupille weit
gestellt wird. Für diesen Zweck ist Atropin beim Pferd das Mittel der Wahl und kann in Form von Augensalben oder Augentropfen verabreicht werden. Die Häufigkeit der Applikation
richtet sich nach der Pupillenweite. Bis zur Erreichung einer
Mydriasis kann Atropin mehrmals täglich, initial auch stündlich
▶ Abb. 19.47 Glaukom: Bändertrübungen, unregelmäßiges Hornhautödem und fortgeschrittene Hornhautvaskularisation.
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19.1 Augenkrankheiten
Lokale Verabreichung von Kortikosteroiden Zur Eindämmung der Entzündung der Uvea sind glukokortikoidhaltige Augensalben oder -tropfen unentbehrlich. Die beste Wirkung zeigen nach klinischer Erfahrung beim Pferd Dexamethason enthaltende Präparate. Im akuten Uveitisschub empfiehlt es sich,
die steroidhaltige Augensalbe 5–6 × täglich zu verabreichen.
Nach klinischer Besserung können die Intervalle vergrößert
werden. Eine 2- bis 3-malige Salbenapplikation sollte bis zur
vollständigen Resorption der Entzündungsprodukte aus der
vorderen Augenkammer bzw. bis zum Zurückgehen der diffusen Glaskörpertrübung aufrechterhalten werden. Von der subkonjunktivalen Injektion kristalliner Lösungen ist abzusehen,
da diese häufig zu Nekrosen der Tenon-Kapsel führen oder granulomartige Zubildungen in der Bindehaut hervorrufen, die ihrerseits wiederum für Reizungen des Auges verantwortlich sein
können.
Systemische Verabreichung von nichtsteroidalen Antiphlogistika Zur Schmerzreduktion und Entzündungsminimierung
ist die Verabreichung eines nichtsteroidalen Antiphlogistikums
angezeigt, das per os appliziert werden kann. Die beste analgetische und antiphlogistische Wirkung besitzt Flunixin-Meglumin. Eine Gabe über mindestens 14 Tage bzw. eine Woche länger als klinische Symptome bestehen wird dringend angeraten.
Weitere Therapieoptionen Zusätzlich zu diesen drei dringend
erforderlichen Medikamentenbehandlungen können begleitende Maßnahmen getroffen werden. Dazu gehört z. B. der Schutz
vor hellem Licht, ggf. das Aufsetzen einer dunklen Maske. Solange das Allgemeinbefinden infolge der Augenschmerzen gestört ist, sollten die Pferde geschont werden. Nach Abklingen
des akuten Uveitisschubs sollte eine eingehende Augenuntersuchung erfolgen, um mögliche zurückgebliebene Veränderungen im Augeninneren beurteilen zu können und um ggf. einen
Vergleich zum Befund nach dem nächsten Entzündungsschub
zu haben. Anhand dieser Untersuchungsbefunde und auf Basis
einer Kammerwasseruntersuchung sollte entschieden werden,
ob vor einem weiteren Schub im entzündungsfreien Intervall
eine operative Behandlung durchgeführt werden muss oder ob
noch abgewartet werden kann.
Entzündungsfreies Intervall bei chronisch rezidivierender
Uveitis Nach Abheilung eines akuten Uveitisschubs ohne nennenswerte Schäden an den inneren Strukturen des Auges kann
zunächst abgewartet werden. Beide Augen sollten jedoch gut
beobachtet werden. Um eine chronisch-schleichende und nicht
schmerzhafte hintere Uveitis nicht zu übersehen, ist es ratsam,
die Augen der an rezidivierender Uveitis erkrankten Pferde
routinemäßig in 2- bis 3-monatigen Abständen zu kontrollieren. Bei zunehmenden Glaskörpertrübungen sollte, auch wenn
keine schmerzhaften Entzündungen bemerkt wurden, über
eine operative Therapie (Vitrektomie = Glaskörperentfernung)
gesprochen werden, ebenso bei wiederholt abgelaufenen Schüben einer vorderen Uveitis, auch wenn das Auge noch keine
deutlichen Schäden erlitten hat.
Vitrektomie Da die konservative Behandlung einer Uveitis
zwar dringend erforderlich ist, weitere Uveitisschübe jedoch
nicht verhindern kann, wurde gegen Ende der 1980er Jahre
von Werry und Gerhards eine Glaskörperoperation (Vitrektomie) für das Pferd eingeführt (▶ Abb. 19.48). Die Autoren können z. Z. auf über 1200 dieser Operationen zurückblicken. Mit
entsprechender Erfahrung des Operateurs sowie mit geeignetem und den Dimensionen des Pferdeauges angepasstem Instrumentarium handelt es sich mittlerweile um einen Routineeingriff, der das Auftreten weiterer Uveitisschübe bei den Pferden mit einer lokalen Leptospiren-Infektion zuverlässig (mit
einer Wahrscheinlichkeit von bis zu 90 %) verhindert.
Bei Augen, die zum Zeitpunkt der Operation noch nicht stark
vorgeschädigt sind, kann die Sehfähigkeit mit einer guten Prognose erhalten oder durch Entfernung von Glaskörpertrübungen
verbessert werden. Das Risiko für die Entstehung einer Katarakt
liegt in diesen Fällen unter 3 %, das Risiko für eine Netzhautablösung unter 1 %. Bei Augen, die infolge der ERU schon deutliche chronische Veränderungen aufweisen, kann die Sehfähigkeit in einem geringeren Prozentsatz erhalten werden.
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verabreicht werden. Nachdem eine Mydriasis eingetreten ist,
kann eine 2-malige tägliche Anwendung ausreichend sein. Bei
Abklingen des Entzündungsschubs können die Intervalle weiter
vergrößert oder Atropin ganz abgesetzt werden.
Sollte auch die intensive Gabe von Atropin-Augensalben keine Mydriasis herbeiführen oder eine derartige Behandlung
nicht möglich sein, kann eine „Sprengspritze“ in Form einer
subkonjunktivalen Injektion durchgeführt werden. Dafür werden je ein Drittel Atropin-Augentropfen (0,1 %ig), ScopolaminAugentropfen (0,25 %ig) und Phenylephrin-Augentropfen (10 %
ig) auf ein Volumen von insgesamt 1 ml aufgezogen und nach
Oberflächenanästhesie der Bindehaut (z. B. Ophthocain®) unter
die dorsale Conjunctiva bulbi injiziert. Diese Behandlung sollte
nur im Ausnahmefall angewandt werden, da es sich um eine
nicht ganz ungefährliche Therapie handelt.
Im Gegensatz zu manchen Hinweisen in der Literatur, die
nach lokaler Atropinapplikation die Entstehung von Koliken
fürchten, ist die lokale Atropinbehandlung des Auges mit Augensalben und -tropfen nach Auffassung einiger der Autoren
normalerweise komplikationslos und führt nur sehr selten bei
sehr intensiver (ggf. beidäugiger) Anwendung zu klinisch erkennbaren Koliksymptomen. Da manche Pferde (unabhängig
von einer Behandlung mit Atropin) insbesondere dann zu Koliken (Obstipation, Meteorismus) neigen, wenn sie weniger Bewegung als gewohnt erhalten (z. B. Boxenruhe oder Klinikeinstellung), ist es dennoch ratsam, den betroffenen Tieren prophylaktisch 1 × täglich Mash zu füttern bzw. Paraffinöl (im
Mash oder per Magensonde) zu verabreichen.
Eine sehr seltene Komplikation bei der Anwendung von Atropin enthaltenden Ophthalmika ist eine Atropinallergie, die sich
unmittelbar nach Atropinapplikation zeigt. Es entstehen eine
Lidschwellung, Bindehautrötung und bei manchen Pferden erheblicher Juckreiz. Die Pupille wird unter der Atropinbehandlung immer enger und die Uveitis kann sich erheblich verschlimmern. Bei Verdacht auf eine Atropinallergie ist es erforderlich, die Atropinbehandlung unverzüglich abzusetzen und
andere (allerdings weniger wirksame) Mydriatika zu verwenden (z. B. Scopolamin und Phenylephrin).
Krankheiten der Sinnesorgane
809
19 – Krankheiten der Sinnesorgane
810
schädigten Augen besteht jedoch ein erhöhtes Risiko, dass im
Laufe der Zeit Linsenluxationen oder andere Probleme entstehen, die nicht durch die ERU hervorgerufen werden, aber dennoch behandlungsbedürftig sind und die im Einzelfall doch
noch die Bulbusexstirpation erforderlich machen können.
Komplikationen nach Vitrektomie Abgesehen von den mit
jeder Operation bei Pferden verbundenen Risiken (Narkoserisiko, Injektionsrisiko, Kolik, Kolitis X) bestehen spezifische okulare Komplikationsmöglichkeiten. Neben der Netzhautablösung
und der Kataraktbildung, die bei wenig vorgeschädigten Augen
sehr selten sind, können nach Vitrektomie Hornhauterosionen,
intraokulare Blutungen und/oder eine bakterielle Endophthalmitis auftreten.
Befunde, die die Erhaltung der Sehfähigkeit vereiteln können,
sind folgende:
● erhebliche Bulbusatrophie oder gar Phthisis
● flächige hintere Synechien
● deutliche an der Linsenrückfläche anhaftende Entzündungsprodukte
● beginnende Katarakt
● beginnende Netzhautablösung
Eine beginnende Katarakt schreitet in vielen Fällen fort, auch
wenn keine weitere Entzündung auftritt, und aus einer beginnenden Netzhautablösung kann während oder in der ersten
Zeit nach der Operation eine vollständige Netzhautablösung
werden. Je stärker die Augen durch die vorangegangenen Entzündungen vorgeschädigt sind, desto größer ist die Gefahr dafür, dass es zur Erblindung der betroffenen Augen kommt. Der
Operationszeitpunkt sollte daher im günstigsten Fall so gewählt werden, dass einerseits sichergestellt ist, dass die betroffenen Pferdeaugen an ERU erkrankt sind, dass andererseits jedoch noch keine irreversiblen Schäden in den Augen zurückgeblieben sind.
Wenn in an ERU erkrankten Augen bereits flächige hintere
Synechien bestehen, massive Entzündungsprodukte an der Linsenrückfläche anhaften, eine beginnende Katarakt oder eine
beginnende Netzhautablösung erkennbar sind, hat die Vitrektomie zwar eine vorsichtige oder ungünstige Prognose für die
Erhaltung der Sehfähigkeit (Kataraktbildung, Netzhautablösung), kann jedoch auch in diesen Augen mit einer sehr guten
Prognose weitere ERU-Schübe verhindern. Die Pferde benötigen
somit keine weitere dopingrelevante Behandlung und es fallen
nicht fortgesetzt Behandlungskosten an.
In einzelnen Fällen kann die Vitrektomie bei erblindeten Augen durchgeführt werden, um weitere schmerzhafte Entzündungen, die eine permanente und kostenaufwendige Behandlung des Pferdes sowie u. U. die Entnahme des Bulbus nach sich
ziehen, zu verhindern. Wenn bereits eine fortgeschrittene Trübung der Medien (z. B. Katarakt) besteht, wird die Glaskörperoperation unter endoskopischer Kontrolle (vergleichbar der Arthroskopie) mittels Vitroptik durchgeführt. Bei diesen stark ge-
Wirkung der Vitrektomie Die Effektivität der Operation erklärt sich dadurch, dass mit der Entfernung der Entzündungsprodukte und des Glaskörpermaterials aus dem Glaskörperraum auch die ursächliche intraokulare Leptospireninfektion
beseitigt wird. Nach Entfernung des viskösen Glaskörpermaterials besteht eine verbesserte Flüssigkeitszirkulation im Glaskörperraum und es kann sich keine erneute Leptospireninfektion dort manifestieren. Die nach der Operation im Glaskörperraum befindliche Infusionslösung wird innerhalb kurzer Zeit
vom Auge durch Kammerwasser ersetzt.
Die systemische Gabe von Antibiotika kann die Leptospireninfektion nicht eliminieren, wie zahlreiche mit Antibiotika vorbehandelte Pferde mit fortgesetzt ablaufenden Uveitisschüben
beweisen. Es muss unterstellt werden, dass keine ausreichenden Wirkstoffspiegel im Auge erzielt werden können. Die intraokulare Antibiotikaapplikation in einer für die Eliminierung der
Infektion ausreichenden Dosierung birgt das Risiko einer Netzhautschädigung. Zusätzlich können durch Antibiotikabehandlungen nicht die Glaskörpertrübungen beseitigt werden, die
den Visus beeinträchtigen und durch Anlagerung an die Linse
zur Kataraktbildung führen können. Vergleichbar mit einer Gelenkinfektion ist es auch bei der intraokularen Leptospireninfektion erforderlich, eine Lavage durchzuführen und damit
die Entzündungsmediatoren, aktivierte Immunzellen und infektiöses Material zu entfernen.
Ciclosporin-A-Implantate Die bei ERU auftretenden Autoimmunreaktionen können mittels Ciclosporin A (▶ Abb. 19.49)
unterdrückt werden. Für diesen Zweck können bei Pferden mit
negativem Leptospirose-Titer und PCR Ciclosporin-A-Implantate eingesetzt werden, die kontinuierlich Wirkstoff abgeben und
so die ERU-Schübe für eine bestimmte Zeit mildern oder unterdrücken können. Dieses Verfahren ist mit geringerem technischem Aufwand durchführbar. Für das Einsetzen der Ciclosporin-Implantate sind jedoch ebenso wie für die Vitrektomie
eine Vollnarkose und Sklerotomie, d. h. Eröffnung des Bulbus
erforderlich. 2009 wurden von Gilger et al. die Daten von 186
mit einem Ciclosporin-A-Implantat versorgten Augen von 156
Pferden ausgewertet. Die Tiere waren sowohl in den USA als
auch in Europa operiert worden. Die mittlere Kontrollzeit nach
OP betrug 29 Monate (1–7 Jahre). Alle Pferde zeigten eine
deutlich reduzierte Anzahl von Entzündungsschüben (im Mittel
0,05 Schübe/Monat) und 79 % der Augen waren sehfähig zum
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▶ Abb. 19.48 Trans-Pars-plana-Vitrektomie: links Infusionsstutzen und
-leitung, rechts retrolentale Position der Vitrektomie-Klinge.
19.1 Augenkrankheiten
Zeitpunkt der letzten Kontrolle. 3/186 Augen benötigten ein
zweites Implantat, welches 4 Jahre nach der ersten Operation
platziert wurde. Alle anderen Augen blieben reizfrei. Problematisch ist, dass CsA, insbesondere das Implantat, ein nicht für das
Pferd zugelassenes Medikament ist. Aus diesem Grunde ist die
klinische Anwendung zum Zeitpunkt der Drucklegung dieses
Buches leider nicht in der Routine möglich.
Prognose ■ An ERU erkrankte Augen erblinden ohne Behandlung in vielen Fällen innerhalb kurzer Zeit. Mit konsequenter
konservativer Behandlung kann die Erblindung zwar verzögert,
jedoch in der Regel nicht verhindert werden. Die Prognose für
die Erhaltung der Sehfähigkeit ist daher ungünstig bis infaust
und die Prognose für die Erhaltung des Bulbus in der Regel als
vorsichtig zu bezeichnen.
Erblindete Bulbi im Endstadium der ERU mit ausgeprägter
Atrophie (oder Phthisis) leiden häufig unter chronischen Keratitiden. Diese Keratitiden sowie permanenter Tränenfluss, Fliegenbefall der exponierten Conjunctiva im Sommer, Entropiumbildung oder trotz Erblindung anhaltend schmerzhafte ERUSchübe führen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Pferde; die betroffenen Augen sollten entnommen werden. Bei
beidseitiger Erkrankung und Erblindung der Pferde ist aus Tierschutzgründen die Euthanasie anzuraten.
Die Vitrektomie kann die ERU mit einer exzellenten Prognose
stoppen und somit bei wenig geschädigten Augen mit einer
sehr guten Prognose die Sehfähigkeit erhalten und bei stärker
geschädigten Augen verhindern, dass die Bulbusexstirpation erforderlich wird.
Prophylaxe ■ Da die ERU durch eine intraokulare Leptospireninfektion hervorgerufen wird, kann durch verschiedene
Maßnahmen versucht werden, das Risiko einer Leptospireninfektion zu verhindern. Leptospiren werden in der Regel über
den Harn von Kleinnagern (Mäusen und Ratten) übertragen
und können in feuchter Umgebung lange überleben. Aus diesem Grund sollte nur fließendes, sauberes Wasser angeboten
werden und keine Tränke aus Brunnen oder stehenden Gewäs-
Traumatische Iridozyklitis
Corinna Eule, Vera Schmidt
Ätiologie und Pathogenese ■ Verhalten und Lebensbedingungen des Pferdes geben vielfach Anlass zur stumpfen Traumatisierung der Periorbita und des Augapfels, in deren Gefolge
intraokuläre Verletzungen auftreten können. Diese betreffen
insbesondere die zarte, segelartig im Bulbus aufgestellte Iris.
Irisblutungen, partielle oder totale Irisabrisse, mitunter Rupturen der Zonula oder der Linsenkapsel sind hierfür Anzeichen.
Bei Fohlen ist Fibrinaustritt ins Kammerwasser ein Hinweis auf
Strangulation.
Diagnose ■ Die Untersuchung ist im Hinblick auf die möglichen Läsionen sehr sorgfältig durchzuführen. Infolge intraokulärer Blutungen ist die Ophthalmoskopie häufig erschwert. Hier
liefert die Sonografie aufschlussreiche Befunde.
Therapie ■ Ruhigstellung des Tieres, Aufstallung in einem
lichtabgeschirmten Raum und feucht-kalte Kompressen mindern den durch das Trauma erzeugten Reizzustand. Bei Blutungen und Fibrinergüssen sind örtlich 1 %ige Atropinlösung zunächst mehrmals täglich bis zur Herstellung einer Mydriasis
und glukokortikoidhaltige Ophthalmika (5–6 × täglich) angezeigt. Des Weiteren sind zur Schmerz- und Entzündungsminderung systemisch NSAIDs zu verabreichen. Linsenluxationen
oder Linsenkapselrisse ziehen die operative Entfernung der Linse nach sich.
Blutungen in die Vorderkammer
Corinna Eule, Vera Schmidt
Ätiologie ■ Blutungen in die Vorderkammer (Hyphaema) können aufgrund folgender Ursachen entstehen:
● Trauma (in ungünstigen Fällen „Einbluten“ des Glaskörpers)
● chronische Iridozyklitis oder ERU
● intraokuläre Neoplasien (z. B. Lymphosarkom)
● immunpathologische Prozesse (Immundefizienz, monoklonale Gammopathie)
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▶ Abb. 19.49 Suprachoroidale Implantation eines Ciclosporin-A-Implantats im dorso-temporalen Quadranten des Bulbus eines 17 Jahre alten Appaloosa-Wallachs.
sern stattfinden. Pferdeweiden sollten bevorzugt auf trockenem Boden liegen. Im Stall und auf der Koppel sollten Kleinnager dezimiert werden.
Ein Impfstoff gegen Leptospiren ist beim Pferd z. Zt. nicht verfügbar. Es besteht nur dann eine legale Möglichkeit, Pferde gegen Leptospiren zu impfen, wenn zuvor aus einer Probe von
einem Tier aus einem Bestand Leptospiren angezüchtet werden
konnten. Mit dieser Kultur kann dann eine bestandsspezifische
Vakzine hergestellt werden. In Beständen, in denen gehäuft
Equiden an ERU erkranken, kann die Impfung eine Lösung darstellen. Problematisch für die Herstellung eines kommerziellen
Impfstoffes ist, dass Leptospiren verschiedener Serogruppen
aus an ERU erkrankten Pferdeaugen isoliert werden können, so
dass eine polyvalente Vakzine erforderlich wäre, um Pferde effektiv vor der ERU zu schützen. Zusätzlich erschwert die lange
Latenzzeit die Prüfung der Wirksamkeit eines Impfstoffs. Zur
Zeit werden Untersuchungen mit einer bestandsspezifischen
Vakzine durchgeführt. Möglicherweise kann dadurch in der Zukunft ein geeigneter Impfstoff für Pferde entwickelt werden.
Krankheiten der Sinnesorgane
811
19 – Krankheiten der Sinnesorgane
812
bedingen frisches Einbluten in die Kammer (hellrot und diffus)
oder Absenken von koaguliertem Blut (dunkelrot, Lagerung am
Boden der Kammer). Im Falle der ERU sind die hämorrhagischen Extravasate mit weiteren Exsudatsubstraten (Serum,
weiße Blutzellen, Fibrin) untermischt. Es dominieren rötlichweiß-gelb erscheinende Ab- und Einlagerungen in der Vorderkammer. Das Irisrelief ist verschwommen, der Pupillenrand nur
teilweise oder verschwommen erkennbar (▶ Abb. 19.12) und
die Linse mit Auf- oder Ablagerungen versehen.
Therapie ■ Die Behandlung ist sowohl kausal als auch symptomatisch auszurichten. Im Falle einer traumatischen Iridozyklitis erfolgen Pupillenerweiterung und Entzündungshemmung wie bei der ERU (S. 801), keinesfalls sind die Koagula aus
der Kammer zu entfernen. Dagegen kann die fibrinolytische
Aktivität von Urokinase bei mehr als 24 Stunden alten Koagula
hilfreich sein. In Allgemeinanästhesie wird limbal durch eine
2 mm lange Inzision zunächst mit Kochsalz- oder Ringer-Lösung der Blutfarbstoff herausgespült. Sodann werden mehrmals
nacheinander 0,3 ml einer Zubereitung von 25 000 IE Urokinase/ml Aqua dest. in die Kammer verbracht, um nach wenigen
Minuten mittels Kochsalzlösung wieder herausgespült zu werden. Im Falle systemisch bedingter Blutungen ist die Therapie
kausal auszurichten (sofern möglich und sinnvoll).
Prognose ■ In solchen Fällen ist die Prognose ungünstig, besonders wenn weitere intraokulare Schäden wie Linsenluxation, Synechien, Glaskörpereinlagerungen, Retinaablösung vorliegen. Glaskörpereinblutungen wandeln sich farblich in Gelborange um. Blutkoagula bilden sich nur sehr langsam (wenn
überhaupt) zurück. Sie können noch nach mehr als einem Jahr
erkennbar sein. Starke Glaskörpereinblutungen entwickeln im
Zuge des fibrösen Umbaus Retraktionskräfte, die zur Retinaablösung führen können.
Glaukom
Corinna Eule, Vera Schmidt
Definition und Vorkommen ■ Der intraokuläre Druck, mit
Hilfe von Applanationstonometern gemessen (Tono-Pen), beträgt beim Pferd im Mittel 23,3 ± 6,9 mmHg (7–37 mmHg). Mit
dem Rückstoßtonometer (TonoVet) wurden bei gesunden Pferden Werte von 20,9 ± 1,6 mmHg gemessen. Sedierung und
Kopfposition haben einen nicht unerheblichen Einfluss auf die
Messung des intraokulären Drucks und sollten daher immer
vermerkt werden. Druckerhöhungen werden mit kurzfristiger
Ausnahme bei Erregungszuständen höchst selten beobachtet;
dies vermutlich aufgrund der spezifischen anatomischen Verhältnisse des Kammerwinkels (zahlreiche Anastomosen zwischen dem intraskleralen Plexus und dem venösen Vortex-System mit daraus resultierender größerer Kapazität für den Kammerwasserabfluss als z. B. beim Hund, weiter Kammerwinkel,
flacher Ziliarkörpermuskel).
Ätiologie ■ Abgesehen von wenigen Literaturberichten über
erhöhten inneren Augendruck mit Buphthalmus beim Fohlen
auf der Grundlage von Kammerwinkelanomalien (Goniodysgenesis) und einigen Fällen von Primärglaukom (in den USA
0,7 %) ereignen sich die wenigen Fälle gesteigerten Intraokulardrucks und einer Vergrößerung des Augapfels bei Pferden im
Zusammenhang mit Uveitis, uvealer Traumatisierung oder intraokulärer Neubildung (Sekundärglaukom).
Klinik ■ Die Symptomatik ist im akuten Stadium durch
Schmerz (Blepharospasmus, Lichtscheue, Lakrimation), konjunktivale und sklerale Gefäßinjektion, Glaskörpereinlagerungen, korneales Ödem (Druckschädigung des Hornhautendothels), vordere und/oder hintere Synechie infolge Abflachung
der Vorderkammer und fehlenden Pupillarreflex gekennzeichnet. Das chronische Stadium äußert sich durch extreme Erweiterung der konjunktivalen und skleralen Gefäße, durch Buphthalmus, temporäres oder konstantes Hornhautödem mit Bändertrübung (Descemetrisse), ferner Linsenluxation (Druck und
Zug auf die Zonula), Katarakt, Glaskörperinfiltrate, Optikusatrophie, Blindheit im weiteren Verlauf. An den Zustand eines erhöhten inneren Augendrucks kann sich die Phase eines hypotonen Bulbus anschließen. Sehr viel schneller und drastischer als
beim Hund mündet ein erhöhter Augendruck beim Pferd in
Blindheit.
Therapie ■ Eine Drucksenkung kann folgendermaßen erzeugt
werden:
● durch Hemmung der Kammerwasserproduktion mittels Carboanhydrasehemmer (Dorzolamid 2 %ig oder Brinzolamid 1 %
ig, 2–4 × täglich) oder durch Betablocker (z. B. 0,5 %iges Timolol 2–4 × täglich)
● Die drucksenkende Wirkung von Prostaglandinanalogika wie
Latano- und Travoprost ist beim Pferd umstritten und mit
starken unerwünschten Arneimittelwirkungen wie konjunktivaler Hyperämie, Epiphora und Blepharospamus vergesellschaftet.
● Entzündungsbekämpfung: lokal Kortikosteroide, systemisch
nichtsteroidale Entzündungshemmer (z. B. Flunixin-Meglumin)
● chirurgisch durch Methoden der Kapazitätsminderung der
Kammerwasserproduktion: partielle Kryodestruktion des
Corpus ciliare, partielle transsklerale Laser-Cycloablation; alternativ bei Erfolglosigkeit die Enukleation des Bulbus und
Silikonprothese
19.1.2.6
Krankheiten der Augenlinse
Corinna Eule, Vera Schmidt
Pathologische Zustandsänderungen der Linse betreffen vornehmlich ihre Durchsichtigkeit und ihre Lage. Ihre Untersuchung erfolgt zunächst in mäßig lichtabgeschirmtem Raum
im auf- und durchfallenden Licht. Beachtet werden dabei ihre
Lage zur Vorderkammer, zur Iris, zum Pupillenrand und ihre
Durchsichtigkeit. Dem schließt sich die Linsenuntersuchung in
Mydriasis und im abgedunkelten Raum an.
Für die Betrachtung eignen sich fokussierende, kräftige Lichtquellen (z. B. Otoskoplämpchen, Skleralleuchte, Ophthalmoskop, Handspaltlampe). Bei auffallendem Licht sind im unterschiedlichen Einfallwinkel des Lichtes Hornhaut, Vorderkammer, Vorderfläche der Iris und die Linse zu betrachten. Man er-
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Klinik ■ Wiederholte Irisblutungen und Neovaskularisation
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