Med-AUSTRON

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Med-AUSTRON - Ein Österreichisches
Krebsforschungs- und Behandlungszentrum zur
Hadronentherapie in Europa
Machbarkeitsstudie
Gesamtherausgeber:
R. Pötter, T. Auberger, M. Regler
Band I
Arbeitsgemeinschaft zur Planung eines medizinischen Forschungszentrums für die
Krebsbehandlung mit Protonen und Leicht-Ionen in Österreich
Projekt des Vereines AUSTRON in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Gesellschaft
für Radio-Onkologie, Radiobiologie und Medizinische Radiophysik (ÖGRO), der European
Organisation for Nuclear Research (CERN) und den Österreichischen Universitäten
Projektleiter: Prof. Dr. R. Pötter, Wien
Projektmanager: Dr. T. Auberger, Innsbruck
Band I
Med-AUSTRON - Machbarkeitsstudie
Die Bedeutung der Hadronentherapie für die
Krebsbehandlung
Herausgeber Band I: R. Pötter, T. Auberger
mit Beiträgen von: T. Auberger, D. Georg, A. Hackl, U. Haverkamp,
E.B. Hug, K. Kapp, H.D. Kogelnik, P. Lukas, W. Kraft-Weyrather, K. Poljanc,
R. Pötter, H. Rahim, M. Regler, F. Sedlmayer, E. Selzer, H. Tritthart
Gedruckt mit Unterstützung durch die Stadt Wiener Neustadt und durch die
Abteilung Kultur und Wissenschaft des Amtes der NÖ Landesregierung und dem RegionalInnovationszentrum - Niederösterreich Süd
Dezember 1998
Ein ausführlicher englischsprachiger Sonderband (ca. 170 Seiten) der wissenschaftlichen
Zeitschrift „Strahlentherapie und Onkologie“ zum Thema „Hadrons – A Challenge for High
Precision Radiotherapy“ (Proceedings der 1. Med-AUSTRON Konferenz 1997) wird in Kürze
im Verlag Urban und Vogel (München) erscheinen. In diesem Sonderband werden, zum Teil
über diese Machbarkeitsstudie hinausgehend, zahlreiche wesentliche Aspekte der
Hadronentherapie wissenschaftlich abgehandelt.
ISBN 3-9500952-0-9
Arbeitsgemeinschaft zur Planung eines medizinischen Forschungszentrums für die
Krebsbehandlung mit Protonen und Leicht - Ionen in Österreich
Projekt des Vereins AUSTRON in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Gesellschaft für
Radio-Onkologie, Radiobiologie und Medizinische Radiophysik (ÖGRO), der European
Organisation for Nuclear Research (CERN) und den Österreichischen Universitäten
Projektleiter: Univ. Prof. Dr. R. Pötter
Projektmanager: Dr. T. Auberger
Projektassistenz: Dr. K. Eisinger, Mag. R. Galle, Dr. A. Hradsky, DI. K. Poljanc
Obwohl alle Beiträge mit größter Gewissenhaftigkeit geprüft wurden, kann für Schaden, der aus
der Verwendung dieser Studie entsteht, keine Haftung übernommen werden.
Impressum
Arbeitsgemeinschaft zur Planung eines medizinischen Forschungszentrums
für die Krebsbehandlung mit Protonen und Leicht-Ionen in Österreich
c/o RIZ NÖ Süd
Prof. Dr. Stephan Koren-Straße 10
A-2700 Wiener Neustadt
email: [email protected]
Gesamtherausgeber: R. Pötter, T. Auberger, M. Regler
1. Auflage 1998
Alle Rechte, insbesondere das Recht auf Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung,
vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes
Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung der Herausgeber reproduziert oder unter Verwendung
elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
© 1998 Verein zur Förderung einer Großforschungsanlage in Österreich - „Verein AUSTRON“, Projektbüro
Med-AUSTRON, c/o RIZ NÖ Süd, Prof. Dr. Stephan Koren-Straße 10, A-2700 Wiener Neustadt,
Eigenverlag
Wiener Neustadt, Dezember 1998
ISBN 3-9500952-0-9
Band I: Danksagung
Dank der Herausgeber
Zuerst dürfen wir uns herzlich bei all jenen Personen und Institutionen bedanken, die durch
ihre Mitarbeit und ihre aktive beratende bzw. finanzielle Unterstützung zum Gelingen dieser
Studie beigetragen haben. Sie haben damit, wie wir aufrichtig hoffen, die Grundlage zum
Erreichen unseres hochgesteckten Zieles gelegt, ein international bedeutendes und für Österreich
in vieler Hinsicht Frucht bringendes nationales und europäisches Krebsforschungszentrum zu
errichten.
Besonders danken wir allen wissenschaftlich und redaktionell tätigen Mitarbeitern an dieser
Studie, die unter Einsatz eines großen Anteils Ihrer Freizeit und meist völlig unentgeltlich als
Autoren, Korrektoren, Berater, Fachgruppenbetreuer und -mitglieder an dieser Studie mitgewirkt
haben. Da innerhalb Österreichs wissenschaftliche Mitarbeiter aus so vielen universitären und
außeruniversitären Forschungsinstituten, Kliniken und Landeskrankenanstalten beteiligt waren,
dürfen wir auch auf die im Anhang des Bandes III angeführte Liste der Mitarbeiter verweisen.
Vor allem sei hier unseren auswärtigen Mitarbeitern und Beratern, die durch ihre
Mitarbeit ihr überregionales wissenschaftliches Interesse an unserem Projekt gezeigt haben,
sowie unserem internationalen „Advisory Board“ gedankt. Stellvertretend für sie alle dürfen wir
hier nennen: Herrn Prof. Dr. André Wambersie, Université Catholique de Louvain, Cliniques
Universitaires St. Luc, Bruxelles, Belgien, Vorsitzender der „European Hadron Therapy Group“,
Herrn Prof. Eugen Hug, MD vom Loma Linda University Medical Center, Loma Linda,
California, USA, Herrn Prof. Dr. Gerhard Kraft und Frau Dr. Wilma Kraft-Weyrather, beide
von der Gesellschaft für Schwerionenforschung in Darmstadt, Deutschland, Herrn Prof. José R.
Alonso, PhD vom Lawrence-Berkeley-Laboratory der University of California in Berkeley/San
Francisco, USA, Herrn Dr. Nick Schreuder und Herrn Dr. Dan Jones vom National
Accelerator Center, Cape Town, Südafrika, Herrn PD. Dr. Wolfgang Enghardt, Institut für
Kern- und Hadronenphysik FZR-Rossendorf, Berlin, Deutschland und Herrn Prof. Dr. Günther
Gademann, Universitätsklinik für Strahlentherapie der Otto Guericke Universität Magdeburg.
Herzlich danken möchten wir auch der Medizinbeschleuniger-Arbeitsgruppe des
Europäischen Laboratoriums für Teilchenphysik CERN in Genf, insbesondere dem Leiter
der Arbeitsgruppe, Herrn Dr. Phillip Bryant, PhD, Herrn DI Dr. Horst Schönauer für sein
langjähriges ehrenamtliches Engagement, Herrn Dr. Charles Steinbach, sowie Herrn DI Dr.
i
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I: Danksagung
Michael Benedikt, Herrn Mag. Dr. Andrew Mayer und Herrn DI Stefan Reimoser für die
intensive wissenschaftliche Zusammenarbeit und für zahlreiche fruchtbare Diskussionen. Unser
Dank gilt ebenso herzlich dem Direktor für Beschleuniger, DI Dr. Kurt Hübner und dem
„PS-Division Leader“ Dr. Daniel Simons für die mentale Unterstützung des Projektes und für
die langzeitige Freistellung der Mitarbeiter.
Ein besonders großer Dank geht natürlich an alle öffentlichen Institutionen, die uns
finanziell und beratend während der beiden Jahre unserer Studienarbeit unterstützt haben. Ohne
ihre Förderung wäre eine Durchführung dieser Studie unmöglich gewesen.
Zunächst sei den Vertretern der Stadt Wiener Neustadt gedankt, die in einer Zeit, in der
noch
kaum
jemand
an
die
Sinnhaftigkeit
und
Machbarkeit
eines
internationalen
Hadronentherapiezentrums in Österreich glaubte, durch ihre finanzielle Vorleistung im
September 1996 unter Herrn Bürgermeister Dr. Peter Wittmann mit der Finanzierung eines
Projektbüros für die Dauer von zwei Jahren gleichsam den Startschuß für den Beginn dieser
Studie gaben, und uns auch in der Folgezeit unter Frau Bürgermeister Traude Dierdorf immer
wieder die finanzielle Rückendeckung gewährten, die es uns ermöglichte, in unserem Projekt
fortzufahren. Besonders danken möchen wir hier Herrn Vizebürgermeister Holger Linhart, der
sich persönlich mit großem Engagement für unser Projekt einsetzte, und uns in allen Problemen
mit Wohlwollen zur Seite stand. Ein großer Dank geht auch an den Direktor des Regionalen
Innovations-Zentrums (RIZ) in Wiener Neustadt und Leiter der Fachhochschule WN, Herrn
Prof. Mag. Werner Jungwirth, durch dessen Initiative und Förderung es möglich war, für die
gesamte Dauer der Studie ohne finanziellen Aufwand ein Projektbüro für Med-AUSTRON im
RIZ zu etablieren, und der sich auch maßgeblich für die Unterstützung des Projektes durch die
Niederösterreichische Landesregierung eingesetzt hat.
Von der Fachhochschule Wiener Neustadt danken wir ebenfalls sehr herzlich Herrn Univ.
Doz. DI Dr. Erich Griesmayer, der auch in seiner Freizeit wesentliche Aufgaben bei der
Koordination des Planungsbüros übernahm, Frau Mag. Michaela Stockinger für die
fachkundige Unterstützung bei Pressekonferenzen und Frau Dr. Barbara Stöttinger, die durch
die Betreuung einer Diplomarbeit zum Themenkomplex „Internationale medizinische
Forschungszentren und EU“ einen wichtigen Beitrag leistete. Weiterhin danken wir den
Vertretern des Allgemeinen Öffentlichen Krankenhauses der Stadt Wiener Neustadt,
insbesondere der Primaria der Abteilung für Strahlentherapie und Radioonkologie, Frau Univ.
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
ii
Band I: Danksagung
Doz. Dr. Brigitte Pakisch, Herrn Verwaltungsdirektor Mag. Herbert Schnötzinger und der
Direktorin der Akademie für den radiologisch technischen Dienst, Frau Michaela Rosenblattl
für ihre Unterstützung in Fragen des Klinikbetriebes und der Logistik.
Durch
die
großzügige
finanzielle
Unterstützung
der
Niederösterreichischen
Landesregierung wurde es 1997 möglich, den Mitarbeiterstab unseres Projektbüros zu
verdoppeln und wesentliche Konsulententätigkeiten für diese Studie durchführen zu lassen.
Unser Dank gebührt vor allem Herrn Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll, der durch seinen
persönlichen Einsatz den Grundstein für eine schnelle und unbürokratische Unterstützung
unserer Studienarbeit gelegt hat. Weiterhin danken wir herzlich dem Leiter des Kulturreferates
des Amtes der NÖ Landesregierung Herrn Univ. Doz. Hofrat Dr. Georg Schmitz und dem für
unser Projekt zuständigem Sachreferenten des Kulturreferates, Herrn Dr. Andreas Kusternig,
der unser Projekt mit großer Geduld und hohem persönlichen Einsatz begleitete.
Auch vom Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr wurde uns wertvolle
Unterstützung zuteil. Wir danken vor allem Frau Ministerialrätin Dr. Anneliese Stoklaska, die
uns immer wieder mit ihrem Rat zur Seite stand und manche wertvollen Arbeitskontakte
vermittelte. Großer Dank geht an Herrn Sektionschef Dr. Raoul Kneucker für seinen Einsatz,
unser Projekt im Rahmen der wissenschaftspolitischen EU-Aktivitäten der Bundesregierung
wohlwollend zu berücksichtigen, und für die finanzielle Unterstützung einer epidemiologischen
Ergänzungsstudie zum Bedarf eines internationalen Hadronentherapiezentrums in Österreich und
den östlichen Nachbarstaaten.
Vom Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales danken wir Frau Dr.
Brigitte Kraus und vom Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten Herrn
Ministerialrat Dr. Gerhard Burian für regelmäßige Kontakte und Hilfestellungen.
Frau Dr. Diana Ehrenwert von der Wirtschaftsuniversität Wien danken wir sehr herzlich
für die Beratung in Fragen des „Fund Raisings“ und des Managements.
Danken möchten wir auch denjenigen privaten Institutionen, die uns sowohl durch ihren
fachlichen Beistand als auch durch finanzielle Hilfe unterstützt haben. Von der Firma Siemens
AG Österreich danken wir Herrn Direktor DI Dr. Peter Flicker und Herrn Direktor Ing.
Adolf Hasenauer für die finanzielle Unterstützung von Workshops und Symposien. Herrn
Direktor DI Dr. Siegfried Glatz und Herrn Ing. Gerhard Hilscher von der Abteilung Bau- und
Anlageplanung,
sowie
Herrn
DI
Dr.
Ernestinus
iii
Schwab
von
der
Abteilung
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I: Danksagung
Medizintechnik/Therapie danken wir für zahlreiche äußerst wertvolle beratende Gespräche und
Kalkulationen.
Der Firma IC-Consulenten, Wien (Dr. Willi Reismann), der Firma IBA, Brüssel, und
dem Architekturbüro Sommer, Weisser und Partner, Berlin, danken wir für die begleitende
Projektberatung in Bezug auf Haustechnik und Kostenkalkulation. Für die Infrastrukturplanung
war die Zusammenarbeit mit der Civitas-Nova-Gesellschaft, Wiener Neustadt, und
insbesondere mit Herrn Dipl. Architekt Adolf Holubowsky, dem wir für seine kostenlose
Unterstützung sehr herzlich danken, eine große Hilfe. Die Ergebnisse einer begleitenden Studie
zum Standort Wiener Neustadt des Industriewissenschaftlichen Institutes (IWI), unter der
Leitung von Herrn Univ. Prof. Dr. Werner Clement und Herrn Mag. Richard Winklhofer,
sind in den regionalanalytischen Teil unseres dritten Studienbandes eingeflossen. Wir danken
dem IWI für die Möglichkeit der Mitnutzung dieser Ergebnisse.
Dem
Präsidenten
der
Österreichischen
Gesellschaft
für
Radioonkologie,
Strahlenbiologie und medizinische Radiophysik, ÖGRO (bis Sept.98), Herrn Univ. Doz. Dr.
Josef Hammer, Primarius des Institutes für Radioonkologie des Krankenhauses der
Barmherzigen Schwestern in Linz, danken wir für die großartige und einheitliche Unterstützung
des Projektes durch die österreichischen Strahlentherapeuten und für seine persönlichen
Bemühungen um die Studie, insbesondere auch für das hilfreiche Korrekturlesen. Auch seinem
Nachfolger, Herrn Univ. Prof. Dr. Arnulf Hackl, Vorstand der Abteilung für Radioonkologie
der radiologischen Universitätsklinik der Universität Graz, der durch mehrere eigene Beiträge in
der Studie seine Verbundenheit mit dem Projekt gezeigt hat, gebührt großer Dank für die
konsequente Fortführung der Unterstützung. Herzlich danken wir auch der Österreichischen
Krebshilfe Salzburg für deren finanzielle Unterstützung unseres Projektes.
Dem Verein AUSTRON, seinem Vorsitzenden Magnifizenz O. Univ. Prof. DI Dr. Peter
Skalicky, Vorsitzender der Österreichischen Rektorenkonferenz, und dem medizinischen Beirat
des Vereins mit seinem Vorsitzenden, Herrn Univ. Prof. Dr. H. Dieter Kogelnik, Primarius des
Institutes für Strahlentherapie und Radioonkologie der Landeskrankenanstalten Salzburg, und
seinem stellvertretenden Vorsitzenden, Herrn O. Univ. Prof. Dipl.-Phys. Dr. Peter Lukas,
Vorstand der Universitätsklinik für Strahlentherapie-Radioonkologie der Leopold-FranzensUniversität Innsbruck, danken wir dafür, daß sie unserem Projekt stets eine wissenschaftliche
Heimat und ein Diskussionsforum gegeben haben. Den beiden Kassieren Herrn DI Dr. Winfried
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
iv
Band I: Danksagung
Mitaroff und Herrn DI Dr. Martin Schuster danken wir für die sorgfältige ehrenamtliche
Verwaltung des Förderbugets.
Last but not least dürfen wir unseren jungen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in unserem
Projektbüro in Wiener Neustadt, Frau DI Karin Poljanc, Frau Mag. FH Ingrid Hergovich,
Herrn Mag. Dr. Kurt Eisinger, Herrn Mag. Rolf Galle, Herrn Mag. Dr. Andreas Hradsky,
Herrn DI Georg Schmitz, Herrn Mag. FH Florian Rappelsberger und Herrn Dr. Luca
Marzoli, danken, die sich mit uns ganz oder zeitweise in das Abenteuer dieser Studienarbeit
gewagt haben.
Da die vorgelegten Studienbände nicht alles erfassen können, was in den beiden Jahren an
wissenschaftlichem Material zusammmengetragen wurde, und da nicht alle Mitarbeiter an dieser
Machbarkeitsstudie auch mit eigenen Textbeiträgen in diesen Bänden vertreten sind, sind im
Anschluß alle an der Machbarkeitsstudie Med-AUSTRON beteiligten Mitarbeiter und Institute
nochmals aufgelistet.
Thomas Auberger
Richard Pötter
v
Meinhard Regler
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I: Danksagung
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
vi
Band I: Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Vorworte .............................................................................................................................5
Short preface for the Med-AUSTRON programme (A. Wambersie, EHTG).................... 5
Med-AUSTRON und die ÖGRO (J. Hammer, ÖGRO) ..................................................... 7
Med-AUSTRON und die Synergien mit der geplanten Großforschungsanlage
AUSTRON (P. Skalicky, Verein AUSTRON) .................................................... 9
Wiener Neustadt als Standort für Med-AUSTRON (T. Dierdorf, H. Linhart,
Wiener Neustadt) .............................................................................................. 10
Der Stellenwert von Med-AUSTRON aus radioonkologischer Sicht (R. Pötter,
T. Auberger, M. Regler, Herausgeber).............................................................. 11
I.1 Einleitung: Ziel der Gesamtstudie ............................................................................15
I.2 Stand der Krebsbehandlung in Europa unter besonderer Berücksichtigung der
Strahlentherapie..................................................................................................17
I.2.1 Bedeutung der lokalen Tumorkontrolle in der Krebstherapie ........................ 18
I.2.2 Allgemeine Bemerkungen zur Radiotherapie.................................................... 19
I.2.3 Mögliche strahlenbiologische Ursachen von Rezidiven nach Radio- therapie
und klinische Implikationen .......................................................................... 20
I.2.4 Zur Situation der Radioonkologie in Europa (mit ausgewählten Beispielen)24
I.2.5 Schlußfolgerungen und Ausblick ........................................................................ 29
I.3 Die Rolle der Strahlentherapie im Rahmen onkologischer Therapiekonzepte ....33
I.3.1 Wirkungsweise der Strahlentherapie ................................................................. 33
I.3.1.1 Sauerstoffeffekt ...................................................................................... 34
I.3.1.2 Linearer Energietransfer....................................................................... 34
I.3.2 Klinischer Einsatz der ionisierenden Strahlen .................................................. 35
I.3.2.1 Wirkung ionisierender Strahlen auf Tumoren ....................................... 36
I.3.2.2 Kombinierter Einsatz mit Operation ..................................................... 37
I.3.2.3 Prinzipien der Kombination von Radio- und Chemotherapie ............... 39
I.3.2.4 Schlußbemerkungen............................................................................... 41
1
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I: Inhaltsverzeichnis
I.4 Physikalische Grundlagen......................................................................................... 45
I.4.1 Die Rolle der Beschleuniger in der Teletherapie............................................... 45
I.4.1.1 Historischer Abriß................................................................................. 45
I.4.1.2 Das Betatron ......................................................................................... 47
I.4.1.3 Der Elektron-Linearbeschleuniger........................................................ 49
I.4.1.4 Das Zyklotron........................................................................................ 50
I.4.1.5 Das Synchrotron.................................................................................... 51
I.4.1.6 Der Med-AUSTRON-Beschleuniger...................................................... 52
I.4.2 Physikalische Eigenschaften von Protonen und Leichtionen im Vergleich mit
hochenergetischen Röntgenstrahlen ............................................................. 55
I.4.2.1 Einleitung .............................................................................................. 55
I.4.2.2 Wechselwirkungen................................................................................. 55
I.4.2.3 Bestrahlungstechnik .............................................................................. 59
I.4.2.4 Dosisverteilung...................................................................................... 60
I.4.2.5 Definition der Zielvolumina .................................................................. 63
I.4.2.6 Schlußbemerkungen............................................................................... 63
I.5 Strahlenbiologische Grundlagen .............................................................................. 65
I.5.1 Einleitung .............................................................................................................. 65
I.5.2 Physikalische Grundlagen der Strahlenbiologie für Protonen und Leichtionen65
I.5.3 Erhöhung der relativen biologischen Wirksamkeit .......................................... 67
I.5.4 Biologische Effekte ionisierender Strahlen........................................................ 69
I.5.5 Strahlenbiologische Aspekte einer Therapie mit Ionen und Biophysikalische
Grundlagen der Bestrahlungsplanung ......................................................... 76
I.5.6 Strahlenbiologische Grundlagenforschung innerhalb von Med-AUSTRON Offene Fragen und Experimente................................................................... 80
I.5.7 Zukunftsaspekte: Von der klassischen Strahlenbiologie zur modernen
Strahlenbiologie .............................................................................................. 81
I.5.8 Biologisches Begleitprogramm: Beispiele für wichtige Fragestellungen der
klinischen und experimentellen Strahlenbiologie........................................ 83
I.6 Bisherige klinische Resultate der Protonen- und Leichtionentherapie ................ 89
I.6.1 Einleitung .............................................................................................................. 89
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
2
Band I: Inhaltsverzeichnis
I.6.2 Tumoren im Bereich der Schädelbasis ............................................................... 91
I.6.3 Komplikationen der Leichtionenbestrahlung im Bereich der Schädelbasis... 94
I.6.4 Juxtaspinale und sakrale Tumoren .................................................................... 95
I.6.5 Hirnstamm- und Rückenmarkstumoren............................................................ 96
I.6.6 Uveamelanome ...................................................................................................... 96
I.6.7 Arteriovenöse Malformationen ........................................................................... 99
I.6.8 Klinische Erfahrungen mit Teilchenbestrahlung mit hohem linearen
Energietransfer (High-LET) ........................................................................ 100
I.6.8.1 Speicheldrüsenkarzinome .................................................................... 100
I.6.8.2 Prostatakarzinom................................................................................. 100
I.6.8.3 Weichteilsarkome................................................................................. 102
I.6.8.4 Knochensarkome ................................................................................. 103
I.6.8.5 Kopf/Halstumoren ............................................................................... 103
I.6.8.6 Gallengangskarzinome ........................................................................ 104
I.6.8.7 Pankreaskarzinome ............................................................................. 105
I.6.8.8 Maligne Gliome ................................................................................... 105
I.6.8.9 Nicht kleinzellige Lungenkarzinome (NSCLC).................................... 106
I.7 Aktuelle klinische Studien zur Hadronentherapie ................................................115
I.8 Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionen-therapie in der Welt ............123
I.8.1 Einleitung ............................................................................................................ 123
I.8.2 Weltweiter Trend zur Patientenbehandlung in den Jahren 1990-94 anhand
der Zentrendaten .......................................................................................... 128
I.8.3 Weltweit verwendete technische Einrichtungen zum Beamdelivery bzw. zur
Aufweitung des Strahles............................................................................... 130
I.8.4 Weltweit verwendete Strahlendgeräte (Fixed Beam/Gantries)...................... 131
I.8.5 Ausblicke ............................................................................................................. 134
I.9 Entwicklung der Protonen- und Leichtionenradio- therapie im Licht der
aktuellen Möglichkeiten der Strahlentherapie mit Photonen.......................139
I.9.1 Resultate der Strahlentherapie mit schweren Teilchen .................................. 141
3
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I: Inhaltsverzeichnis
I.9.2 Neutronentherapie (Vorteil höherer biologischer Effektivität) ..................... 141
I.9.3 Protonentherapie (Vorteil höherer physikalischer Selektivität).................... 143
I.9.4 Leichtionentherapie (Vorteil höherer biologischer Effektivität und
physikalischer Selektivität).......................................................................... 144
I.9.5 Notwendigkeit der wissenschaftlichen Evaluation der Leichtionen- und
Protonentherapie im Vergleich mit der aktuellen Photonen-Radiotherapie145
I.10 Anhang.................................................................................................................... 157
I.10.1 Ausblick auf Band II und III .......................................................................... 157
I.10.2 Autorenliste Band I .......................................................................................... 157
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
4
Band I: Vorworte
Short preface for the Med-AUSTRON programme
Univ. Prof. Dr. A. Wambersie, Secretary of the European Hadron Therapy Group (EHTG)
Université Catholique de Louvain, Belgien; Gastprofessor, Universitätsklinik für
Strahlentherapie und Strahlenbiologie, Wien
In the treatment of cancer patients, local failure is still an important issue. As a matter of
fact, about 1/3 of the patients who have only a localized disease at the time of the first
presentation, experience a local recurrence and finally die from their cancer. Radiation therapy
has an obvious role to play in improving local control, alone or in combination with surgery and
in some cases with chemotherapy, e.g., radiosensitizers.
The most dramatic steps in the improvement of radiation therapy results are the consequence
of technical progress. Modern linear accelerators have reached a high degree of reliability; they
allow the radiation oncologist to apply more and more complex techniques such as conformal
therapy (IMRT). However a kind of plateau seems to be reached in the efficiency of photon beam
therapy, and any further progress would need other types of radiation.
Radiation oncologists have indeed, since many years, tried to apply new types of radiation.
Among them, protons are the next logical step to do in order to improve the physical selectivity
of the irradiation. The recent increasing number of patients treated with protons, and the clinical
data available so far indicate that proton therapy is a promising and safe way to go.
Today commercial companies offer relatively simple, proton therapy machines, which are
compact, easy to handle and to maintain. In contrast some „research“ proton therapy centers aim
at exploiting fully the properties of protons, and optimising the beam delivery system (using e.g.,
scanning beam, energy modulation, etc.) which implies the design and development of complex
equipment.
Nevertheless, a question remains open: to what extent is there a real need for such most
complex equipment in proton beam therapy and what benefit do they provide? Med-AUSTRON
is a proton therapy machine planned to offer the highest and most complete technical
possibilities; it will be able to contribute to the debate about the optimum machine for proton
beam therapy and about the need for the most complex treatment delivery.
However, the specificity of the Med-AUSTRON project lies in the possibility to deliver
either proton or carbon-ion beams in similar conditions, with the same physical selectivity, even
when needed, the same beam arrangement, and patient positioning and immobilisation devices.
5
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I: Vorworte
In addition the treatment will be delivered by the same medical, physics and technical team
allowing for a true evaluation of the relative merits of proton beams (low-LET radiation) and
carbon-ion beams (high-LET radiation).
The clinical experience gained with fast neutrons has shown that, for certain well selected
types of tumours, high-LET radiation is more efficient than low-LET radiation. Neutrons were
shown to be superior to photons for salivary gland tumours, prostatic adenocarcinomas and some
slowly growing soft tissue sarcomas. Clinical experience has also shown the role of the physical
selectivity if one wants to avoid severe late complications.
With heavy ions, one can expect the benefit of fast neutrons for local tumour control,
combined with the absence of severe complications due to their excellent physical selectivity.
The clinical experience available so far (e.g. Berkeley), although limited, indicates that this
approach is sound and promising.
From a clinical point of view, Med-AUSTRON will provide suitable treatment for patients
with inoperable, radioresistant tumours, close to critical normal structures, difficult to treat and
for which there is no adequate alternative (e.g., tumours of the base of skull, or adjacent to the
spinal cord). Patients from Austria and surrounding countries could benefit from this novel
opportunity.
In addition, AUSTRON will offer a promising alternative for more frequent tumours (e.g.,
prostate, bronchus, etc). A large number of patients could be treated and it can thus be expected
that these studies could open new perspectives and changes in our therapeutic approach.
In addition to this straightforward advantage from a clinical point of view for the Austrian
population and the populations of the neighbouring countries, Med-AUSTRON will provide a
unique opportunity and facility for research in the clinical field, radiobiology and oncology. It
can be expected that Med-AUSTRON will be able to attract enthusiastic research teams from
Austria, Europe and abroad.
For the future, successful treatment and research in oncology, like in other disciplines,
requires a multidisciplinary approach. It is what Med-AUSTRON is aiming at, combining
collaboration of different University Faculties, such as physics, engineering, biology and of
course medicine. Lastly, the city of the region which will be selected to host Med-AUSTRON
will benefit from obvious fall-out as far as development, social and economical advantages are
concerned.
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
6
Band I: Vorworte
Med-AUSTRON und die ÖGRO
Univ. Doz. Prim. Dr. J. Hammer, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für
Radioonkologie, Radiobiologie und medizinische Radiophysik (ÖGRO)
In der im Auftrag der EU erstellten Studie „Europa gegen den Krebs“, in der u.a. die
Möglichkeiten untersucht werden, die globale Krebsheilungsrate in Europa um 20% zu erhöhen,
wird der Entwicklung neuer Bestrahlungstechniken und der Erprobung neuer Strahlenarten für
die Krebsbehandlung ein wesentlicher Wert beigemessen.
Bereits heute ist die Strahlentherapie entweder alleine oder in der Kombination mit anderen
Therapieformen (Chirurgie) für etwa 50% aller Krebsheilungen verantwortlich. Auch in
Österreich wurden durch die Neuerrichtung und Neuausstattung vieler Strahlentherapieabteilungen landesweit enorme Verbesserungen in der Tumorbehandlung erzielt. Durch die
Errichtung
eines
internationalen
Therapie-
und
Forschungszentrums
wurde
für
die
österreichische Medizin, und insbesondere für die österreichische Onkologie, eine wesentliche
Verbindung zur internationalen Forschungsspitze auf dem Gebiet der Strahlentherapie, auf dem
bereits in den Anfängen des Faches ganz wesentliche Initiativen von Österreich ausgegangen
waren, geschaffen.
Durch die Errichtung von Med-AUSTRON stünde Österreich das derzeit in der Welt
modernste Therapiezentrum und das erste Hadronenzentrum, an dem sowohl eine Behandlung
mit Protonen als auch mit Ionen möglich ist, zur Verfügung, was für die gesamte Radioonkologie
in Europa von unschätzbarem Wert wäre.
Von der Möglichkeit, zudem ein nationales Krebsforschungszentrum mit dem Schwerpunkt
Radioonkologie in Österreich zu etablieren, in dem sowohl Grundlagenforschung als auch
klinische Forschung unter Beteiligung aller österreichischen radioonkologischen Institute und
Krankenhausabteilungen erfolgen kann, und in dem eine Vertiefung der Ausbildung auf
verschiedenen Spezialgebieten möglich ist, würde die ganze österreichische Radioonkologie
erheblich profitieren.
Im Namen der Österreichischen Gesellschaft für Radioonkologie, Radiobiologie und
medizinischen Radiophysik (ÖGRO) darf ich allen Personen und Institutionen, die bisher an
diesem Projekt mitgearbeitet haben und die diese Arbeit gefördert haben, sehr herzlich danken.
7
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I: Vorworte
Insbesondere danke ich der Projektleitung, dem Projektmanagement und dem Planungsbüro für
ihr enormes Engagement.
Der Stadt Wiener Neustadt, der Niederösterreichischen Landesregierung und dem RIZ
Niederösterreich Süd gebührt unser aufrichtiger Dank für die großartige Unterstützung dieser
Machbarkeitsstudie.
Ich glaube sagen zu dürfen, daß Med-AUSTRON nicht nur für die medizinische
Forschungsgemeinschaft, sondern auch als wissenschaftliches Leitprojekt für Stadt, Land und
Bund eine Vielzahl höchst fruchtbarer regionaler Effekte haben würde. Im Namen der ÖGRO
wünsche ich diesem Projekt eine baldige positive politische Entscheidung, die die Einleitung der
notwendigen Realisierungsschritte rasch vorantreibt.
September 1998
Univ. Doz. Dr. Josef Hammer
Vorsitzender der ÖGRO
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
8
Band I: Vorworte
Med-AUSTRON und die Synergien mit der geplanten Großforschungsanlage AUSTRON
Magnifizenz Univ. Prof. Dr. Peter Skalicky, Vorsitzender der Österreichischen
Rektorenkonferenz und Präsident des Vereins AUSTRON
Das Med-AUSTRON Projekt ist ein vorzügliches Beispiel für eine Symbiose zwischen der
Grundlagen- und der angewandten Forschung. Seitdem das von Prof. Meinhard Regler initiierte
AUSTRON Projekt existiert, gab es ein brennendes Interesse aus dem medizinischen Bereich.
Therapiemöglichkeiten, die durch die Nutzung eines Beschleunigers, wie er im Med-AUSTRON
Projekt geplant ist, sind von außerordentlichem Interesse für die Onkologie.
Med-AUSTRON steht im Zusammenhang mit dem AUSTRON Projekt, das sich jetzt im
Stadium der Internationalisierung befindet, ist jedoch im Anwendungsbereich unabhängig. Dies
ist ein erfolgreiches Beispiel der Weiterentwicklung und anwendungsorientierten Spezialisierung
eines internationalen Großforschungsprojektes mit einem starken nationalen Standbein.
Die Bedeutung der Krebstherapie bedarf wohl keiner besonderen Erklärung, wenngleich die
Besonderheiten des Med-AUSTRON Projektes sehr wohl hervorgehoben werden müssen. Die
spezielle Form der Strahlentherapie, besonders erfolgversprechend in der Tumorbehandlung von
Kindern und Jugendlichen, Tumoren im HNO-Bereich, bei Lungenkarzinomen und in der Nähe
von Risikoorganen, rechtfertigt das außerordentliche Interesse und das Engagement der RadioOnkologie für dieses Projekt.
Ein Leitprojekt für die Region Wr.Neustadt, stellt Med-AUSTRON ein erstklassiges
Beispiel für interdisziplinäre Zusammenarbeit und den sooft beschworenen Spin-off von
Grundlagenforschung für höchst relevante Anwendungen dar. Anzumerken ist ebenfalls, daß im
Gegenzug auch die Beschleunigerphysik vom Aufbau des Know-How für den anspruchsvollen
RCS Beschleuniger des Gesamtzentrums AUSTRON profitieren wird.
Die nunmehr vorliegende Machbarkeitsstudie eröffnet eine weitere, wichtige Perspektive für
"Europe against Cancer".
9
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I: Vorworte
Wiener Neustadt als Standort für Med-AUSTRON
Traude Dierdorf, Bürgermeisterin der Statutarstadt Wiener Neustadt
Holger Linhart, Erster Vizebürgermeister der Statutarstadt Wiener Neustadt
Wiener Neustadt präsentiert sich heute längst nicht mehr als Industriestadt im
herkömmlichen Sinne. Durch Einrichtungen wie das Technologiezentrum, die Fachhochschule
sowie das Regionale Innovationszentrum erfolgt eine dynamische und zukunftsorientierte
Entwicklung, die durch das Stadtentwicklungsprojekt Civitas Nova auch eine zentraleuropäische
Dimension bekommt: Auf zwei Millionen Quadratmetern Fläche entsteht ein städtebaulicher
Mix aus Produktion, Forschung, Erholungseinrichtungen und Wohnungen auf der Höhe der Zeit.
In diesem Zusammenhang ist das Projekt AUSTRON beziehungsweise Med-AUSTRON
von allergrößter Bedeutung. Die Stadt hat ihr Interesse an der Umsetztung dieser Vorhaben durch
nachhaltige Unterstützung dokumentiert: Erwähnt sei in diesem Zusammenhang die
Zurverfügungstellung der Büroinfrastruktur sowie die Finanzierung der Feasibility-Studie.
Schließlich stellt Med-AUSTRON für die Stadt als Standort einer der modernsten
Radioonkologien Österreichs sowie des Technologiezentrums Medizintechnik eine geradezu
ideale Ergänzung dieser Einrichtung dar.
Der für AUSTRON beziehungsweise Med-AUSTRON vorgesehene Standort im Norden
Wiener Neustadts war lange Zeit Zentrum der Schwerindustrie. Erst der Zweite Weltkrieg
beendete diese Entwicklung. Heute entsteht hier mit der Civitas Nova jenes neue Stadtviertel, das
über Wiener Neustadt hinaus auch der gesamten Region entscheidende Impulse für das
kommende Jahrtausend geben wird. Auf dem Weg dazu ist AUSTRON ein willkommener
Partner.
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
10
Band I: Vorworte
Der Stellenwert von Med-AUSTRON aus radioonkologischer Sicht
Die Gesamtherausgeber:
Univ. Prof. Dr. R. Pötter, Projektleiter Med-AUSTRON, Vorstand der Klinik für
Strahlentherapie und Strahlenbiologie der Universität Wien, AKH der Stadt Wien
Dr. T. Auberger, Med-AUSTRON Projektmanager, leitender Oberarzt des Instituts für
Strahlentherapie und Radioonkologie der Leopold Franzens Universität Innsbruck
Univ. Prof. DI Dr. M. Regler, vertretungsbeauftragter 1. Vizepräsident des Vereins AUSTRON,
Institut für Hochenergiephysik der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
In Österreich wird seit geraumer Zeit der Umfang der Radioonkologie entsprechend dem
wachsenden Bedarf an onkologischer Patientenversorgung und Forschung in bedeutendem Maße
erweitert. Dies geschieht durch Modernisierung und Ausbau vorhandener strahlentherapeutischer
Abteilungen, durch Eröffnung neuer Abteilungen, sowie durch eine zunehmende Zahl klinisch
und wissenschaftlich engagierter Radioonkologen. Dank dieser Entwicklungen kann die
Strahlentherapie die ihr aufgrund ihrer zentralen Stellung in der Onkologie zukommenden
vielfältigen Aufgaben, sowohl im Rahmen der interdisziplinären Krebsbehandlung, wie auch in
der interdisziplinären Krebsforschung in zunehmendem Maße erfüllen.
Durch die umfassendere und qualitativ verbesserte radioonkologische Krebsbehandlung
konnten wesentliche Fortschritte erzielt werden, sowohl bezüglich einer Verbesserung der
Heilungsraten wie auch bezüglich einer Verminderung therapieassoziierter Nebenwirkungen.
Allerdings sind bei zahlreichen Tumorgruppen die Heilungschancen noch immer nicht
zufriedenstellend, so daß hier weitere wesentliche Aktivitäten notwendig sind, die grundlegende
klinische Forschungstätigkeiten miteinbeziehen müssen. Im Bereich der Radioonkologie sind vor
allem weitere Fortschritte durch Forschungen möglich, die sich auf grundlegende
strahlenbiologische und strahlenphysikalische Aspekte beziehen. Eine bedeutende Forschungsund Entwicklungsrichtung befaßt sich mit Untersuchungen der Wirkungsweise besonderer
Strahlenarten (Protonen, Leichtionen, Neutronen), die sich von den bisher verwendeten
Photonen-Strahlen grundlegend unterscheiden hinsichtlich physikalischer und biologischer
Eigenschaften. Wahrscheinlich lassen sich durch den Einsatz dieser Teilchenstrahlen die
Wirkungen der Strahlentherapie bei bestimmten Tumorgruppen deutlich verbessern.
11
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I: Vorworte
Zu Beginn der 90er Jahre entstand am Atominstitut der Österreichischen Universitäten und
an der Technischen Universität in Wien in Verbindung mit dem CERN in Genf eine bedeutende
Initiative
zur
Errichtung
eines
speziellen
Beschleunigers
für
grundlegende
und
anwendungsbezogene physikalische Untersuchungen mit Hilfe der Neutronenstrahlung
(AUSTRON). Schon nach kurzer Zeit kam es zu intensiven Kontakten dieser Gruppe mit
Strahlentherapeuten, um die Möglichkeiten einer synergistischen Nutzung einer derartigen
Anlage zum Zwecke der Krebsbehandlung frühzeitig mit zu bedenken. Diese Überlegungen
stellten zunächst lediglich einen zusätzlichen interessanten Aspekt zu dem physikalischen
Großforschungsprojekt AUSTRON dar. Im Rahmen der im November 1994 fertiggestellten
Machbarkeitsstudie für das Gesamtprojekt „AUSTRON“ war der medizinische Teil folgerichtig
zwar schon integriert, jedoch im wesentlichen entsprechend dem damaligen Entwicklungsstand
als „Appendix“ angefügt.
In den letzten Jahren gelang es in der weiteren Entwicklung, eine selbständig arbeitende
interdisziplinäre Gruppe in Österreich zu etablieren, die sich intensiv mit der Thematik eines
radioonkologischen Therapieprojektes und der Errichtung eines speziellen Beschleunigers zur
Krebsbehandlung mit Protonen und Leichtionen auseinandersetzt: Med-AUSTRON.
Die aktuelle geopolitische Situation Österreichs nach dem Fall des „eisernen Vorhangs“ und
dem Beitritt zur Europäischen Union spielt hierbei eine herausragende Rolle: bei einem
derartigen Therapieprojekt handelt es sich von vornherein um eine über die nationalen Grenzen
hinausgehende Behandlungs- und Forschungseinrichtung, bei der die benachbarten Staaten mit
einbezogen werden müssen.
Diese selbständige Med-AUSTRON-Initiative wurde möglich dank des Engagements und
der Kooperationsbereitschaft zahlreicher Radioonkologen, Physiker und Biologen aus Österreich
und den Nachbarländern, sowie weiteren europäischen Ländern und aus dem außereuropäischen
Ausland, unterstützt von der Österreichischen Gesellschaft für Radioonkologie, Strahlenbiologie
und Medizinphysik (ÖGRO), der AUSTRON-Projektgruppe einschließlich dem Medizinischen
Beirat, einer maßgeblichen Gruppe von Beschleunigerphysikern aus dem CERN, Vertretern des
Wissenschafts-
und
Gesundheitsministeriums,
sowie
Vertretern
zahlreicher
anderer
Berufsgruppen aus unterschiedlichsten Bereichen wie Architektur, Wirtschaft und Technik.
Als erstes Ziel dieser Med-AUSTRON-Projektgruppe wurde die Erstellung einer
Machbarkeitsstudie definiert, um die Bedingungen für ein zukunftsweisendes internationales
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
12
Band I: Vorworte
radioonkologisches Projekt in der Krebsforschung und Krebsbehandlung zu untersuchen,
entweder als eigenständiges Projekt oder in Zusammenhang mit der Errichtung einer
physikalischen Großforschungsanlage (AUSTRON). Letztendlich ist die Erstellung einer
derartigen Machbarkeitsstudie jedoch ernsthaft nicht möglich, wenn nicht tatkräftige finanzielle
Unterstützung von Seiten Dritter zuteil wird. Diese Unterstützung erfolgte zunächst durch die
Stadt Wiener Neustadt und die Direktion des CERN in Genf, seit dem Juli 1997 auch durch das
Land Niederösterreich. Von Wiener Neustadt und dem Land Niederösterreich wurden die
finanziellen Mittel für das Projektmanagement und den Aufbau, sowie den Unterhalt einer
koordinierenden Büroorganisation im Regional-Innovationszentrum in Wiener Neustadt
bereitgestellt. Vom CERN in Genf wurde eine Gruppe von Beschleunigerphysikern mit der
Planung eines speziell für die Protonen- und Leichtionentherapie ausgerichteten Beschleunigers
für zwei Jahre betraut.
Dank dieser hervorragenden Unterstützung konnten wir vor zwei Jahren mit der Erstellung
der Machbarkeitsstudie für dieses onkologische Therapieprojekt beginnen, die wir hiermit
vorlegen. Entsprechend den unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkten haben wir eine
Gliederung in drei Hauptteile (Bände) vorgenommen, für die entprechend der jeweiligen
Thematik eine bestimmte Herausgebergruppe maßgeblich war:
Band I:
Die Bedeutung der Hadronentherapie für die Krebsbehandlung: R. Pötter,
T. Auberger
Band II:
Der Med-AUSTRON Beschleuniger - ein europäisches Konzept zur Protonen- und
Ionentherapie - Aspekte der Beschleunigerphysik und der Medizinphysik: M. Regler,
E. Griesmayer, U. Haverkamp
Band III:
Konzept zur Realisierung eines österreichischen Hadronentherapiezentrums:
T. Auberger, R. Pötter, K. Poljanc
Appendix: Accelerator Complex Study Group (CERN)
Die einzelnen Beiträge wurden von zahlreichen Beteiligten mit großem Engagement verfaßt.
Im Anschluß an die einzelnen Bände wird im Anhang (Appendix) ein Beschleunigerkonzept von
der Gruppe der Beschleunigerphysiker am CERN vorgelegt (PIMMS), das im Zusammenhang
dieser Studie unter Beteiligung österreichischer Wissenschafter entwickelt wurde, denen hierfür
ein großer Dank gilt.
13
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I: Vorworte
Ein großer Dank darf an dieser Stelle allen an dieser Machbarkeitsstudie Beteiligten
ausgesprochen werden, nicht zuletzt der Redaktionsgruppe im Med-AUSTRON-Büro. Der
koordinierenden
Redaktionsgruppe
im
Med-AUSTRON-Büro
gebührt
eine
besondere
Anerkennung für das unermüdliche Engagement. Nicht unerwähnt bleiben sollte auch die
Tatsache, daß sämtliche Autoren und Co-Autoren ihre Beiträge unentgeltlich zusammengestellt
haben.
Zum Schluß sei noch einmal ausdrücklich ein besonderer Dank an die politischen Kräfte in
Wiener Neustadt und an das Land Niederösterreich ausgesprochen, die das Bisherige ermöglicht
haben. Es ist zu hoffen, daß der eingeschlagene Weg über die Fertigstellung der
Machbarkeitsstudie hinaus letztendlich bis zur Realisierung dieses - für die Krebstherapie zukunftsweisenden Projekts in das nächste Jahrhundert führt.
Die Herausgeber
Wr. Neustadt, Dezember 1998
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
14
Band I.1: Einleitung
I.1 Einleitung: Ziel der Gesamtstudie
T. Auberger, R. Pötter
Ziel dieser Machbarkeitsstudie war es, Sinn und Notwendigkeit eines internationalen
Forschungs- und Behandlungszentrums für Protonen und leichte Ionen vor dem Hintergrund der
Entwicklung der internationalen Krebstherapieforschung und insbesondere der technischen
Entwicklung der Strahlentherapie aufzuzeigen. Insbesondere sollten die physikalischen und
biologischen Vorteile der neuen Strahlenarten erläutert und die bisherigen klinischen Ergebnisse
der neuen Therapieformen vorgestellt werden.
Des weiteren sollte gezeigt werden, welche Tumorarten mit einer Hadronentherapie besser
zu behandeln sind als mit den bisherigen Behandlungsmethoden und wie viele Patienten aus dem
In- und Ausland von dieser Therapie profitieren könnten. All diese Fragen werden im Band I
dieser Studie im Detail diskutiert.
Ein weiteres Ziel war es, die wissenschaftlichen Voraussetzungen eines solchen neuartigen
Behandlungszentrums aufzuzeigen und die technische und bauliche Durchführbarkeit der
Konstruktion darzulegen. Antworten auf diese Fragen soll der Band II dieser Studie geben, ohne
daß eine technische Designstudie, die Details bis zur Konstruktionsreife entwickeln wird,
vorweggenommen werden kann. Durch die enge wissenschaftliche Verbindung mit dem
internationalen Forschungszentrum CERN in Genf ist es möglich, innerhalb eines
beschleunigerphysikalischen Ergänzungsbandes bereits weiter in die technischen Details des
geplanten Medizin-Großbeschleunigers vorzudringen, als es für eine Machbarkeitsstudie üblich
ist. Dieser ergänzte Band erscheint noch im Herbst dieses Jahres in Form eines CERN Reports in
englischer Sprache als Ergänzung zu dem physikalisch-technischen Band II unserer
Machbarkeitsstudie.
Im Band III der Studie werden die Eckdaten des medizinisch-klinischen und des
wissenschaftlichen
Betriebes
dargestellt,
die
möglichen
Patientenkapazitäten,
der
Personalaufwand für die verschiedenen Betriebsphasen, sowie Ausstattungs-, Raum- und
Architekturkonzepte vorgelegt. Des weiteren wird der Aufwand an Investitions- und
Betriebskosten kalkuliert und die Synergieeffekte mit dem Standort Wiener Neustadt
insbesondere mit dem dort geplanten neuen Stadtteil „Civitas Nova“ diskutiert.
15
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.1: Einleitung
Ein weiterer wesentlicher Punkt der Diskussion war der Stellenwert eines österreichischen
Hadronentherapiezentrums im Rahmen eines europäischen Gesamtkonzeptes. Selbstverständlich
konnten mit den vorhandenen Mitteln und im vorgesteckten Zeitrahmen nicht alle Details in
vollem Maße ausgeschöpft werden. Insbesondere ist zu berücksichtigen, daß alle Kalkulationen
und Schätzungen, besonders die Berechnungen der Investitions- und Betriebskosten, von den
augenblicklich bestehenden wirtschaftlichen Verhältnissen ausgehen. Eine Vertiefung, bzw.
Ergänzung der Studie erscheint vor allem im Bereich epidemiologischer Evaluationen, im
Bereich der östlichen Nachbarländer und im Bereich der Wertschöpfungsanalysen sinnvoll.
Im Rahmen der Arbeit an dieser Studie ist eine enge Zusammenarbeit mit Wissenschaftern
in Österreich und dem Ausland entstanden. Eine daraus hervorgegangene Arbeitsgruppe wird
sich auch weiterhin intensiv mit der wissenschaftlichen Fortentwicklung der Hadronentherapie
und mit Verbesserungen der vorgelegten Konzepte befassen, die wie alle anderen
wissenschaftlichen Projekte stets nur eine Momentaufnahme in der immer fortschreitenden
Entwicklung neuer Wege sein können.
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
16
Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa
I.2 Stand der Krebsbehandlung in Europa unter besonderer
Berücksichtigung der Strahlentherapie
H.D. Kogelnik, P. Lukas, A. Hackl, F. Sedlmayer
Die unzähligen Herausforderungen an die moderne Medizin inkludieren wissenschaftlich
ungelöste Probleme (z.B. Krebs, Aids), die nicht immer ausreichende Verfügbarkeit einer
Spitzenmedizin, einen ungenügenden Transfer vorhandenen Wissens, die Problematik durch die
gesteigerte Lebenserwartung, etc. Krebserkrankungen sind nach wie vor eines der größten
Probleme der Medizin. Derzeit erkrankt bereits etwa jede dritte Person im Laufe des Lebens an
einem malignen Tumor, und jeder fünfte Mensch stirbt durch Krebs [1].
Jeder 3. Mensch erkrankt im Laufe seines Lebens an Krebs
Jeder 5. Mensch stirbt an Krebs
Im Laufe der Jahrzehnte sind die Krebsüberlebensraten graduell von etwa 5% am Beginn
des Jahrhunderts auf 15% in den dreißiger Jahren, und dann von 30% um 1960 auf etwa 45% in
den frühen neunziger Jahren angestiegen. Die gegenwärtige „beobachtete“ 5-JahresÜberlebensrate ist 40%. Nach Adjustierung für die normale Lebenserwartung (Berücksichtigung
von
Faktoren
wie
Todesursachen
durch
Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
Unfälle
und
Erkrankungen des höheren Alters) wird jetzt für alle Krebsarten eine „relative“ 5-JahresÜberlebensrate von 54% erzielt [1]. Um Fortschritte in der Karzinomtherapie messen zu können,
wird gewöhnlich die relative Überlebensrate verwendet.
Zum Diagnosezeitpunkt haben zirka 70% aller Krebspatienten keine nachweisbaren
Fernmetastasen und benötigen in erster Linie eine lokoregionale Behandlung (Operation
und/oder
Strahlentherapie).
Mit
vermehrten
Screening-Untersuchungen
und
früherer
Diagnosestellung kann eine weitere Zunahme lokal heilbarer Karzinome erwartet werden.
Der
relative
Beitrag
zu
den
Krebsheilungen
durch
die
drei
wesentlichen
Therapiemodalitäten (Chirurgie, Strahlentherapie, Chemotherapie) ist aus nachfolgender
Aufzählung ersichtlich [18]. Die moderne Radiotherapie (Radioonkologie) ist bei nahezu der
17
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa
Hälfte aller Heilungen beteiligt. Gegenwärtig erfolgen etwa 90% aller Krebsheilungen
ausschließlich durch die lokoregionale Behandlung, also durch Operation und Strahlentherapie
(„Stahl und Strahl“) [8].
Krebsheilungen nach Behandlungsmodalitäten [18]
Von 100 Krebspatienten werden:
· 22 durch Chirurgie geheilt
· 18 durch Strahlentherapie geheilt (allein oder kombiniert mit anderen Modalitäten, aber
mit Radiotherapie als die dominierende Behandlungsform)
· 5 durch Chemotherapie geheilt (allein, oder häufiger kombiniert mit anderen
Modalitäten)
Von allen Krebsheilungen erfolgen 90% im wesentlichen durch lokale Therapie
(Operation und/oder Radiotherapie)
I.2.1 Bedeutung der lokalen Tumorkontrolle in der Krebstherapie
Für die überwiegende Mehrzahl aller Krebsarten gilt, daß die permanente Beherrschung der
lokoregionalen Krebsgeschwulst (lokale Tumorkontrolle) die unabdingbare Vorbedingung für
eine Krebsheilung ist. Eine erfolglose Behandlung des Primärtumors führt letztlich immer zum
Tode des betroffenen Patienten, da ein nicht mehr heilbares Fortschreiten des Krebswachstums
(lokoregional und/oder Fernmetastasen) eintritt.
Es existieren klare wissenschaftliche Analysen, aus denen hervorgeht, daß durch eine
verbesserte lokale Krebstherapie höhere Heilungsraten erzielbar sind [17]. Außerdem wird eine
effektivere strahlentherapeutische Lokalbehandlung vermehrt zu organerhaltenden Therapien
führen und somit zu einer verbesserten Lebensqualität beitragen.
Von den zirka 55% der derzeit nicht heilbaren Krebspatienten muß immer noch ein Drittel
(18%) deshalb sterben, weil trotz des optimalen Einsatzes aller heute zur Verfügung stehenden
Behandlungsformen die lokale Krebsgeschwulst nicht beherrschbar ist (etwa 37% aller
Krebspatienten sterben wegen unheilbarer Fernmetastasen) [4]. Dies bedeutet mit anderen
Worten, daß insgesamt noch immer jeder sechste Krebspatient primär aufgrund der
Unbeherrschbarkeit der lokalen Krebsgeschwulst stirbt. Wenn eine 100%ige lokale
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
18
Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa
Tumorkontrolle gelingen könnte, wäre es möglich, die derzeitigen Heilungsraten um zirka 15%
zu erhöhen [16], und außerdem könnten vermehrt organerhaltende Behandlungen durchgeführt
werden.
I.2.2 Allgemeine Bemerkungen zur Radiotherapie
Im Rahmen der interdisziplinären Krebstherapie kommt der Radioonkologie sowohl im
kurativen, als auch im palliativen Behandlungskonzept ein besonderer Stellenwert zu. Zwei
Drittel aller Krebspatienten benötigen die Hilfe der Strahlentherapie, welche somit die häufigst
angewandte
Therapieform
bei
Tumorpatienten
ist
[8].
Etwa
die
Hälfte
aller
Bestrahlungsindikationen ist kurativ, die andere Hälfte palliativ. Durch die moderne
Radioonkologie können bei zirka 40% aller geheilten Patienten schonendere organerhaltende
Behandlungsformen (z.B. Mammakarzinom) ermöglicht werden, was für die Lebensqualität der
betroffenen Patienten von großer Bedeutung ist [3].
Kobaltgeräte
und
Linearbeschleuniger
stellen
für die Photonen-Teletherapie die
Standardausrüstung radioonkologischer Zentren dar. Bei modernen Linearbeschleunigern
kommen zwei unterschiedliche Photonenenergien, sowie variable Elektronenenergien bis 25
MeV zum Einsatz. Für die Brachytherapie werden Nachladegeräte sowohl für das High-doserate-, als auch für das Low-dose-rate-Verfahren verwendet.
Die Strahlentherapie mit Hadronen ist derzeit weltweit nur in einigen wenigen Zentren
möglich. Die bei der Hadronentherapie applizierten Teilchen inkludieren Neutronen, Protonen,
Pionen (negative Pi-Mesonen), Leichtionen und Schwerionen. Bei der Ionentherapie werden
Teilchen bis zur Atomzahl 20 (Neon) als Leichtionen bezeichnet, während alle übrigen Nuclei
mit höheren Atomzahlen zu den Schwerionen zählen (z.B. Silizium, Argon).
Die „philosophische“ Grundlage der Strahlentherapie wie überhaupt die der gesamten
Medizin liegt darin, einen maximalen therapeutischen Effekt mit einem Minimum an Morbidität
zu
erreichen, d.h. die sigmoidförmig verlaufenden Dosis-Wirkungs-Kurven für die
Wahrscheinlichkeit einer Tumorkontrolle (TCP, tumor control probability) und für das Auftreten
von Normalgewebsschädigungen (NTCP, normal tissue complication probability) sollten
möglichst weit voneinander entfernt sein.
19
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa
Prinzipiell bestimmen in der Radioonkologie sowohl strahlenbiologische als auch technischphysikalische Faktoren die lokale Tumorkontrolle. Während radiobiologische Faktoren im
allgemeinen darauf abzielen, bei gleicher Strahlendosis einen relativ größeren Schaden im Tumor
hervorzurufen, sind physikalisch-technische Faktoren in erster Linie darauf ausgerichtet, höhere
Strahlendosen auf den Tumor als auf das umliegende Normalgewebe zu applizieren
(Hochpräzisions-Strahlentherapie
mit
verbesserter
Dosisverteilung
und
topographischer
Selektivität). Es werden in der Radioonkologie ständig intensive Forschungsarbeiten in beiden
Richtungen
durchgeführt,
um
höhere
Tumorkontrollraten
mit
einer
akzeptablen
Nebenwirkungsrate zu erzielen.
I.2.3 Mögliche strahlenbiologische Ursachen von Rezidiven nach Radiotherapie und klinische Implikationen
Der sinnvollste Ansatz zur Verbesserung radiotherapeutischer Erfolge liegt in der Studie
und Analyse der Ursachen von strahlentherapeutischen Mißerfolgen (z.B. Rezidive).
Grundsätzlich gibt es drei ursächliche strahlenbiologische Möglichkeiten von Versagern nach
Radiotherapie:
· Tumor-Klonogen-Faktoren
· Normalgewebs-Faktoren und
· die Zufallswahrscheinlichkeit des Zellabtötens durch ionisierende Strahlen.
Tumor-Klonogen-Faktoren, welche für eine gegebene Strahlendosis die Wahrscheinlichkeit
einer Tumorkontrolle limitieren, inkludieren ein großes Tumorvolumen (große Anzahl von
klonogenen Tumorzellen), ein Tumorwachstum bzw. eine (akzelerierte) Regeneration der
klonogenen
Tumorzellen
während
der
Strahlentherapie,
eine
variable
inhärente
Strahlensensibilität, eine inadäquate Progression von Tumorzellen innerhalb des Zellzyklus
(mangelnde Redistribution in strahlensensiblere Zellzyklusphasen), die Reparatur von potentiell
letalen Schäden sowie die Hypoxie (erhöhte Strahlenresistenz um einen Faktor von etwa drei).
Auch Normalgewebs-Faktoren können zu einem Therapieversagen beitragen, da sie die
tolerable Strahlendosis limitieren. Die funktionelle Bedeutung eines Organs ist dafür ein
Beispiel, weil einige Tumoren wegen ihrer unmittelbaren Nachbarschaft zu kritischen Strukturen
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
20
Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa
und Organen (z.B. Myelon) durch die herkömmliche Strahlentherapie schwer zu heilen sind.
Eine relativ kleine Anzahl von Stammzellen ist die Ursache für eine niedrige „Toleranzdosis“
mancher Organe (z.B. Niere). Die mangelnde Regeneration von Stammzellen während der
Radiotherapie hat in jenen Geweben und Organen eine besondere Bedeutung, in welchen
Spätfolgen auftreten, und daher können in solchen Situationen nur relativ niedrige Strahlendosen
toleriert werden. Auch das Ausmaß des Volumens des bestrahlten Normalgewebes kann zu einer
beträchtlichen Dosislimitierung und daher zu einer verminderten TCP führen. Schließlich können
etliche patho-physiologische Faktoren als Ursache für ein Rezidiv nach einer Strahlentherapie
verantwortlich gemacht werden (z.B. schlechte Mundhygiene und Karies bei HNO-Patienten,
Hypertension, Diabetes und andere Systemerkrankungen, Anämie, Rauchen).
Die Zufallswahrscheinlichkeit, mit der durch die Strahlentherapie Zellen abgetötet werden,
führt zu einer logarithmischen Abnahme der Tumorzellzahl. Es besteht allein aus diesem Grunde
immer eine Chance, daß eine Zelle überlebt, auch wenn die meisten anderen Zellen schon
mehrfach letal getroffen wurden. Dieses Gesetz der Zufallswahrscheinlichkeit beim Überleben
von Zellen nach Bestrahlung ist auch die Basis für die sigmoide Dosis-Wirkungs-Beziehung.
Durch Integration strahlenbiologischer Prinzipien in die klinische Praxis hat sich bei
„operablen“ Tumoren die Kombination von Chirurgie und Strahlentherapie bei einer großen
Anzahl von Tumoren als die optimale lokoregionale Therapie durchgesetzt. Die Radiotherapie
kann kleinere Tumormanifestationen im subklinischen Bereich (bis etwa 106 klonogene
Tumorzellen) mit relativ niedrigen Strahlendosen in einem sehr hohen Prozentsatz bei
gleichzeitig minimaler Morbidität permanent sterilisieren, ist aber bei zunehmender Tumorgröße
weniger erfolgreich. Umgekehrt ist die Chirurgie optimal zur Entfernung der makroskopisch
vorhandenen Tumormassen geeignet, hat jedoch ihre Schwächen im subklinischen Bereich, weil
dann wesentlich radikalere und oft unnotwendig mutilierende Eingriffe mit fragwürdiger
Effizienz
eingesetzt
werden
müßten.
Daher
ergänzen
sich
chirurgische
und
strahlentherapeutische Kombinationsbehandlungen (insbesondere auch bei schonenderen
organerhaltenden Behandlungen), weil nicht nur die TCP erhöht, sondern auch die
Wahrscheinlichkeit von Komplikationen reduziert wird.
Auch die Interaktion von Strahlentherapie und Chemotherapie kann das therapeutische
Verhältnis verbessern (z.B. Tumorverkleinerung durch Chemotherapie beim M. Hodgkin,
anschließend Radiotherapie mit reduzierter Dosis auf ein verkleinertes Volumen). Eine Variation
21
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa
des gleichen Prinzips ist die feldverkleinernde Bestrahlungstechnik (Dosisaufsättigung auf
zentrale Tumormassen), sowie der Einsatz der Brachytherapie für diese zentralen
Tumorresiduen. Geänderte Dosisfraktionierungen (z.B. Hyperfraktionierung bzw. akzelerierte
Fraktionierung), der Einsatz von Strahlensensibilisatoren und Radioprotektoren sowie die
Anwendung von Hadronen mit einem hohen linearen Energietransfer (Neutronen, Leicht- und
Schwerionen, Pionen) für „strahlenresistente“ Tumoren sind weitere klinische Implikationen,
welche aus strahlenbiologischen Prinzipien gewonnen wurden.
Physikalisch-technische Faktoren, die Einfluß auf die lokale Tumorkontrolle haben
Physikalisch-technische Faktoren, die einen signifikanten Einfluß auf die lokale
Tumorkontrolle besitzen, zielen in erster Linie darauf ab, das Bestrahlungsvolumen für
makroskopisch vorhandene Tumorzellmassen zu reduzieren. Bei Hadronen mit hohem linearen
Energietransfer (LET) kommt zusätzlich zu ihrer besonderen radiobiologischen Wirkung (RBE)
noch der Vorteil ihrer hohen physikalischen (topographischen) Selektivität hinzu (siehe auch
Kapitel I.4).
Bedeutende physikalisch-technische Faktoren für die Radioonkologie inkludieren die
gesamte Entwicklung der Hochenergiestrahlen (bis zu den modernsten Linearbeschleunigern)
und alle brachytherapeutischen Errungenschaften. Die verbesserten bildgebenden Verfahren (z.B.
Computertomographie, Kernspintomographie), die dreidimensionale Dosisberechnung, die
Verwendung von Mehrfachblenden-Kollimatoren, die stereotaktische Radiotherapie, die
intraoperative Radiotherapie, verbesserte Patientenlagerungsmöglichkeiten sowie eine Megavoltonline-Bildgebung sind weitere Ansatzpunkte zur Erreichung höherer Heilungsraten.
Vorteil der Leichtionen:
hohe radiobiologische Effektivität
hohe topographische Selektivität
Für die im Laufe der letzten Jahrzehnte erzielten signifikanten Zuwächse an Heilungsraten
in der Radiotherapie haben vor allem die technisch-physikalischen Fortschritte, welche zu einer
verbesserten Dosisverteilung im Zielvolumen führten, beigetragen. Dabei wurden die höheren
Tumorkontrollraten primär dadurch erreicht, weil höhere Strahlendosen auf kleinere
Behandlungsvolumina appliziert werden konnten. Als Beispiel werden in Tabelle 2.3-1 die
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
22
Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa
eindrucksvollen Verbesserungen der Heilungsraten von verschiedenen Krebsarten durch die
Hochvolttherapie (Kobaltgeräte und Beschleunigeranlagen) in den sechziger Jahren im Vergleich
zur vorher ausschließlich vorhandenen Orthovolttherapie (konventionelle Röntgentherapie)
angeführt [14].
Tabelle 2.3-1: Verbesserte Überlebensraten durch Hochvolttherapie bei verschiedenen
Krebsarten [14].
Repräsentative 5-Jahres-Überlebensraten (%)
Krebsart
Orthovolttherapie
Hochvolttherapie
M. Hodgkin
30-35
70-75
Zervixkarzinom
35-45
55-65
Prostatakarzinom
5-15
55-60
20-25
45-50
0- 5
25-35
Eierstockkrebs
15-20
50-60
Retinoblastom
30-40
80-85
Seminom
65-70
90-95
Embryonaler Hodenkrebs
20-25
55-70
Tonsillenkarzinom
25-30
40-50
Nasopharynxkarzinom
Harnblasenkrebs
Wie die geschichtliche Entwicklung zeigt, bestehen berechtigte Hoffnungen, daß durch
geladene Teilchen (Protonen, Leichtionen, Schwerionen) allein aufgrund der damit verbundenen
überlegenen topographischen Selektivität zukünftig weitere Anstiege der Krebsheilungsraten zu
erwarten sind.
23
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa
I.2.4 Zur Situation der Radioonkologie in Europa
(mit ausgewählten Beispielen)
Allgemein kann man zur Situation der Radioonkologie in Europa sagen, daß in den meisten
Ländern insbesondere in den vergangenen 20 Jahren ein enormer Aufschwung dieser klinischen
Spezialdisziplin stattgefunden hat und sich die Anzahl der radioonkologischen Zentren (mit der
gesamten dazugehörigen Infrastruktur) deutlich erhöht hat. Einschränkend muß hinzugefügt
werden, daß quantitativ die international vorgegebenen Standards (bis zu zwei von drei
Krebspatienten würden von einer Strahlentherapie profitieren) [8, 13] von vielen europäischen
Ländern noch nicht erreicht werden. Im Unterschied dazu ist die radiotherapeutische Versorgung
in den USA und in Kanada sehr gut. Es gibt in vielen Ländern Europas regional noch deutliche
Unterschiede hinsichtlich der Verfügbarkeit von strahlentherapeutischen Zentren. Außerdem
besteht insgesamt ein klares West-Ost-Gefälle, teilweise auch ein Nord-Süd-Gefälle.
Aus einer 1990 veröffentlichten Studie geht hervor, daß in den damaligen Ländern der
Europäischen Gemeinschaft im Jahr 1980 1,186.000 neue Krebsfälle aufgetreten sind, und im
gleichen Jahr 730.000 Todesfälle durch Krebs zu verzeichnen waren [12]. Diese Zahlen sollen
lediglich veranschaulichen, wie viele Menschen bei einer relativen strahlentherapeutischen
Unterversorgung betroffen sein können. Die Krebsinzidenzrate pro Jahr pro 100.000 Einwohner
variierte in den damaligen Mitgliedstaaten bei Frauen von 0,5 (Larynxkarzinom) bis 56,8
(Brustkrebs), bei den Männern von 1,5 (Gallenblasenkarzinom) bis 64,0 (Lungenkrebs) [12].
Hierzu ist zu bemerken, daß die jährliche Zunahme der Krebsinzidenz bei etwa 1 - 2% liegt, so
daß allein dadurch ein zusätzlicher Bedarf an strahlentherapeutischen Einrichtungen erforderlich
sein wird [15].
Pro Jahr nimmt die Krebshäufigkeit um 1 % bis 2 % zu
In Schweden (Einwohnerzahl 8,6 Millionen) werden jährlich etwa 40.000 neue
Krebspatienten diagnostiziert, und 20.000 Menschen sterben durch Krebs. In einer kürzlich
erschienenen
Publikation
einer
Arbeitsgruppe
wurden
für
Schweden
u.a.
folgende
Schlußfolgerungen gezogen [15]: Knapp ein Drittel aller schwedischen Karzinompatienten erhält
eine Strahlentherapie (die radiotherapeutische Unterversorgung bezieht sich in erster Linie auf
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
24
Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa
palliative Bestrahlungsindikationen); bis zum Jahr 2010 wird mit einer Zunahme an
Krebspatienten von 18% gerechnet, und dies wird zu einem größeren Bedarf an
Strahlenbehandlungen führen; trotz wissenschaftlicher Sicherstellung ist die Anwendung der
hyperfraktionierten Radiotherapie in Schweden noch limitiert; es gibt in der einschlägigen
Literatur keinen Hinweis, daß in absehbarer Zeit die Strahlentherapie durch eine andere
Krebsbehandlungsform ersetzt werden könnte.
Auf dem Sektor der Protonentherapie und der Radiochirurgie hat Schweden bereits vor
Jahrzehnten Pionierarbeit geleistet.
In den Niederlanden bestehen 19 strahlentherapeutische Zentren. In diesen Institutionen
wurden im Jahre 1990 insgesamt 27.000 neue Krebspatienten bestrahlt, das sind etwa 47% aller
Patienten [9]. In Großbritannien liegt der Vergleichswert bei etwa 53% [15].
Frankreich hat entsprechend seiner großen strahlentherapeutischen Tradition bereits 1968
die formelle Trennung von Röntgendiagnostik und Radiotherapie vollzogen. In allen 30
medizinischen Fakultäten wurde ein Professor für Radioonkologie bestellt. Im Jahre 1995
existierten in Frankreich 185 spezialisierte radiotherapeutische Zentren (Einwohnerzahl 58
Millionen), und über 600 Radioonkologen betreiben 223 Hochvolttherapiegeräte [19]. Außerdem
sind drei Zyklotrone zur Hadronentherapie im Einsatz gegen den Krebs.
In Deutschland ist in den letzten Jahren der klinische und technische Standard der
Radiotherapie, ebenso auch die wissenschaftliche Leistung, wieder mit dem internationalen
Standard vergleichbar geworden (insbesondere bezogen auf die USA, Großbritannien, Frankreich
und die skandinavischen Länder) [6].
In der Schweiz (Einwohnerzahl 7 Millionen) sind 16 radioonkologische Institutionen
vorhanden (davon 5 Universitätskliniken). Mit 37 Hochvolttherapiegeräten wurden 1995 über
12.000 Krebspatienten bestrahlt [11]. Das Paul Scherrer Institut in Villigen/Schweiz ist
zusätzlich eines der führenden Protonen-Forschungszentren der Welt.
In Österreich hat sich in den vergangenen 10 Jahren die strahlentherapeutische Versorgung
der Krebspatienten drastisch verbessert und an internationale Standards angenähert. In einer
1992/1993 erhobenen Studie wurde festgestellt, daß nahezu 11.000 von 30.000 neuen
Krebspatienten, i.e. 37%, bestrahlt wurden [7]. Damals standen für die 8 Millionen Österreicher
in 11 strahlentherapeutischen Institutionen insgesamt 22 moderne Hochvolttherapiegeräte zur
Verfügung (im Jahr 1989 lediglich 15 moderne Geräte). 1998 sind bundesweit bereits 32
25
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa
Hochvolttherapiegeräte in 12 radioonkologischen Zentren im Einsatz. Die Errichtung weiterer
Therapiezentren ist in Planung.
Italien hat bei einer Einwohnerzahl von 57 Millionen Menschen jährlich etwa 240.000 neue
Krebspatienten (145.200 Krebstodesfälle im Jahr 1988). Etwa 50.000 Patienten pro Jahr
bekommen keine adäquate strahlentherapeutische Behandlung, wobei die Unterversorgung
besonders im Süden des Landes evident ist [20]. In 93 radiotherapeutischen Institutionen sind
155 Hochvolttherapiegeräte im Einsatz.
In Spanien (Einwohnerzahl 1991: 38.872.279) existieren 77 radiotherapeutische
Institutionen mit 130 Hochvolttherapiegeräten (davon 84 Kobaltgeräte) [10]. Etwa 39.500
Krebspatienten wurden 1991 und 1992 pro Jahr bestrahlt (internationaler Sollwert: 77.800).
Österreich im internationalen Vergleich
6
5
4
Zentren / Mio Einwohner
3
Geräte / Mio Einwohner
2
1
0
F
Ch
E
I
Ö
Abbildung 2.4-1: Relative Anzahl der Zentren und Geräte in ausgewählten
europäischen Ländern.
1.Europäische Krebsforschungsstrategie
Vor wenigen Jahren wurde von der Kommission der Europäischen Gemeinschaft,
Generaldirektion XII - Abteilung Medizin, ein Strategiepapier mit dem Titel „Europäische
Krebsforschungsstrategie“ veröffentlicht [8]. Der Strategieansatz II (Verbesserung der
Lokalbehandlung) wurde teilweise weiterentwickelt und gleichzeitig als „Strategie der
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
26
Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa
Europäischen Gemeinschaft im Hinblick auf die Verbesserung der Ergebnisse von
Krebstherapien durch Verbesserung der Strahlentherapie“ publiziert [8].
Im Anhang A1 der Europäischen Krebsforschungsstrategie wird als Ziel die Senkung der
(alterskorrigierten) Zahl der Todesfälle um 15% bis zum Jahr 2000 (im Vergleich zum Trend)
und um 25% bis zum Jahr 2010 definiert. Der strategische Ansatz zur Senkung der Zahl der
Krebstodesfälle ist aus Tabelle 2.4-2 ersichtlich.
Tabelle 2.4-2: Strategie zur Senkung der Krebstodesfälle in Europa [8].
Problem
Abhilfe
I. Späte Diagnose
Reihenuntersuchungen
II. a) Unzureichende Behandlung
Qualitätskontrolle
Verbesserte Lokaltherapien 1
b) Tumoren mit schwieriger
- Konforme Strahlentherapie 2
Lokalisation
- Protonen 3
- Leichtionen 3
- Bor-Neutroneneinfangtherapie (BNCT)
c) Tumoren gegenwärtig
Leichtionen und BNCT
strahlenresistent
III. Konventionelle Therapien nicht
effektiv
1
2
3
4
Verbesserte Lokaltherapien in Kombination mit
verbesserten systemischen Therapien 4
siehe Kapitel I.4
siehe Kapitel I.6
siehe Kapitel I.6
siehe Kapitel I.4
Die Schlußbemerkungen des Strategieansatzes II der Europäischen Krebsforschungsstrategie
beginnen mit nachfolgenden Statements:
27
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa
„In den letzten vier Jahren entwickelte die Arbeitsgruppe Krebsforschung eine
europäische Strategie für die Krebsforschung, die von dem Committee of High Level Cancer
Experts und (in einer früheren Fassung) von der CGC Medical and Health Research gebilligt
wurde. Diese Strategie bezweckt, den Forderungen nach effektiver Senkung der Todesfälle
durch Krebs in angemessener Zeit nachzukommen und die Wettbewerbssituation der
europäischen Industrie zu verbessern.
Bei dieser Strategie wird das Schwergewicht auf die Weiterentwicklung der
Strahlentherapie gelegt. Forschung auf dem Gebiet der Strahlentherapie kann mehr als die
auf den Gebieten der Chirurgie oder Chemotherapie und Immunotherapie Nutzen aus einem
transnationalen Ansatz ziehen, da sie große Anlagen benötigt. Ferner bedarf die
Strahlentherapie in höherem Maße als Chirurgie, Chemotherapie und Immunotherapie der
öffentlichen Finanzierung, da ihre Unterstützung durch die Industrie sehr viel weniger
bedeutend ist. Aus diesen Gründen konzentriert sich das vorliegende Dokument, welches eine
Lücke und Chance innerhalb des Programmes „Europa gegen den Krebs“ beschreibt, auf das
Thema der Verbesserung der Strahlentherapie. Es wird damit gerechnet, daß in Westeuropa
eine
signifikante
Steigerung
der
Krebs-Überlebensrate
(5%)
durch
Hebung
des
Qualitätsniveaus der Strahlentherapie erreicht werden könnte. Für die osteuropäischen
Länder könnte diese Steigerung sogar 15% ausmachen.“
Das EU-Dokument endet mit folgendem Wortlaut:
„Um eine kontinuierliche Entwicklung der Strahlentherapie sicherzustellen und der
europäischen Industrie zu ermöglichen, ihre Wettbewerbsposition bei Neuentwicklungen in
dieser Behandlungsart zu wahren, müssen einige Hochtechnologieprojekte gefördert werden,
die für die Strahlentherapie insgesamt und die mit ihr verknüpften diagnostischen
Bildgebungstechniken Spin-offs erbringen würden.
Experten sind der Ansicht, daß angesichts des Prinzips der Subsidiarität insbesondere
Forschungen über Leichtionentherapie und Bor-Neutroneneinfangtherapie einer direkten
Intervention seitens der Kommission bedürfen, während bei der Protonentherapie der
technische und medizinische Fortschritt bereits so groß ist, daß die Implementierung Sache
der Mitgliedstaaten sein sollte. Jedoch sollte die Kommission so bald wie möglich die
Einführung koordinieren und stimulieren.“
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
28
Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa
I.2.5 Schlußfolgerungen und Ausblick
Die ständigen Fortschritte in der Radioonkologie basieren im wesentlichen auf technischphysikalischem Gebiet im Sinne einer verbesserten Dosisverteilung innerhalb der zu
bestrahlenden Region, auf radiobiologischen Erkenntnissen (Erhöhung des Differentialeffektes
zwischen Tumor- und Normalgewebe), sowie auf den neueren Möglichkeiten der „predictive
assays“ (vorhersehbares Verhalten von Tumoren und Normalgeweben bei der Bestrahlung
individueller Patienten).
Die Unbeherrschbarkeit des lokoregionalen Krebsgeschehens ist derzeit noch bei jedem
sechsten Krebspatienten (bei 18% aller Patienten) die primäre Todesursache; eine Verbesserung
dieser unbefriedigenden Situation wäre von enormer Bedeutung. Wenn eine 100-prozentige
lokale Tumorkontrollrate gelingen könnte, würden die Krebsheilungsraten sofort von 45% auf
60% ansteigen.
In den letzten Jahren hat sich zunehmend gezeigt, daß durch die Hadronentherapie bei
selektierten Patienten ein beträchtliches Potential besteht, eine weitere Verbesserung der
Tumorkontroll- und Heilungsraten zu erzielen. Von besonderer Bedeutung ist hierbei der Einsatz
geladener Partikel wie Protonen und Leichtionen.
Bezüglich der Behandlungskosten ist von Interesse, daß die Bestrahlung mit Leichtionen
unter den durchschnittlichen Kosten einer Krebsbehandlung durchgeführt werden kann [5]. In
diesem Zusammenhang wurde vor einigen Jahren in den USA festgestellt, daß für einen
geheilten Krebspatienten die Gesamtbehandlungskosten US Dollar 15.000,- betragen, für nicht
heilbare Patienten jedoch durch die wiederholten Spitalsaufenthalte und Behandlungen den 5fachen Betrag kosten, nämlich US$ 75.000,- [2].
Gesamtkosten einer Krebsbehandlung:
geheilter Patient
USD 15.000,-
nicht geheilter Patient USD 75.000,-
29
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa
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Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
30
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31
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
32
Band I.3: Die Rolle der Strahlentherapie
I.3 Die Rolle der Strahlentherapie im Rahmen onkologischer
Therapiekonzepte
A. Hackl, H. D. Kogelnik, F. Sedlmayer
I.3.1 Wirkungsweise der Strahlentherapie
Die Wirkung der Strahlentherapie beruht auf der Ionisation von Gewebsmolekülen. Bei der
ionisierenden Strahlung wird die Energie im Gewebe nach dem Zufallsprinzip deponiert.
Sie bewirkt damit durch Schädigungen an der DNS des Zellkerns, an der Kernmembran,
aber auch durch akkumulierte Schäden an Zellbestandteilen eine Störung des Zellwachstums, die
letztlich zum Zelluntergang führt. Obwohl alle zellulären Bestandteile geschädigt werden, ist was das Überleben der Zelle betrifft - die Schädigung an der DNS und dabei wiederum ein
Doppelstrangbruch die wichtigste Wirkung: Die Mitose ist nicht mehr unbegrenzt möglich. Eine
Krebszelle ohne Zellteilung ist damit keine Krebszelle mehr.
Dabei werden diese Schäden unmittelbar oder mittelbar durch eine Ionisation des Wassers,
einem der Hauptbestandteile der Zellen, verursacht. Dementsprechend kann man zwischen direkt
ionisierender Wirkung, als unmittelbaren Eingriff in das Zellwachstum und indirekt ionisierender
Wirkung, als Einwirkung von sehr aggressiven Wasserradikalen auf die umgebenden
Zellstrukturen sprechen. Etwa zwei Drittel der Schädigungen beruhen allerdings auf der
indirekten Wirkung freier Radikale, die im Rahmen der Ionisation des Wassers entstehen. Diese
Radikale haben eine Lebenszeit von wenigen Mikrosekunden und können sich daher nur über
sehr kurze Wegstrecken in einem Radius von etwa 10 nm ausbreiten.
Verschiedene Faktoren beeinflussen das Ausmaß der Schädigung am lebenden Gewebe
(siehe auch Kapitel I.4.3).
33
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.3: Die Rolle der Strahlentherapie
I.3.1.1 Sauerstoffeffekt
Die Wirkung ionisierender Strahlen auf lebende Materie kann durch die Anwesenheit von
molekularem Sauerstoff verstärkt werden. Dies wird dadurch bewirkt, daß die instabilen
Radikale durch Sauerstoff viel aggressiver mit umgebenden Strukturen reagieren. Durch seine
Verbindung mit einem Elektron in der äußeren Hülle der freien Radikale entsteht ein Peroxid,
das wesentlich stabiler aber auch gewebsschädigender ist als das freie Radikal selbst [5]. Fehlt
Sauerstoff, kann zum Erzielen einer gleichen biologischen Wirkung eine bis zu 3-fache Dosis
benötigt werden. Somit ist die Sauerstoffversorgung eines Tumors und damit seine Durchblutung
ein wichtiger Faktor für seine Strahlenempfindlichkeit.
Wegen der guten Versorgung mit Sauerstoff ist auch der Mitose-Index (Anteil von Zellen,
die sich in der Mitose befinden) in der Nähe von Gefäßen am höchsten. Allerdings wandern diese
Zellen innerhalb von etwa 48 Stunden von den Gefäßen über einen schmalen Bereich mit
Hypoxie in Richtung Nekrosezone [21]. Diese Wanderung kann mit jener von Zellen in
Darmkrypten verglichen werden. Experimentell konnte nachgewiesen werden, daß diese 48
Stunden nur für einen Teil der Zellen eines bestimmten Tumors gelten, somit eine große
Streubreite der Zellzykluszeit innerhalb eines Tumors besteht [18]. Sie umfaßt bedeutende
stochastische, also nicht gesetzmäßig immer in gleicher Weise auftretende Elemente und zeigt
nur eine geringe Regelmäßigkeit. Die lebenden Tumorzellen stellen somit eine sehr dynamische
Zellpopulation dar, womit auch die kinetische Heterogenität von Tumoren erklärt werden kann
[15].
I.3.1.2 Linearer Energietransfer
Der Lineare Energietransfer (LET) beschreibt die Dichte von Ionisationsvorgängen im
Verlauf einer Bahn. Sie wird ausgedrückt in der durchschnittlichen Energie (in keV), die ein
geladenes Teilchen abgibt, wenn es eine Strecke von 1 mm durchdringt.
Ein LET-Anstieg bedeutet einen größeren Anteil abgetöteter Zellen pro Gy (Gray,
physikalische Einheit der in Materie absorbierten Energie), die Überlebenskurve für Zellen wird
steiler und verliert die ausgeprägte Schulter. Dies wiederum ist Ausdruck einer Zunahme letaler
Schäden gegenüber potentiell letalen.
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
34
Band I.3: Die Rolle der Strahlentherapie
Neutronen verursachen, obwohl ungeladen, Zellschädigungen ebenso durch freie Radikale
wie die Photonenstrahlung. Der Unterschied besteht darin, daß Neutronen und ebenso andere
schwere Teilchen aus dem Molekülkern andere Teilchen herausschlagen und dadurch eine
deutlich dichter ionisierende Strahlenspur verursachen. Deshalb treten dabei mehr irreparable
Doppelstrangbrüche der DNS auf, als dies bei der Photonenstrahlung der Fall ist.
Wenn eine Strahlung mit hohem LET verwendet wird, ist die unterschiedliche
Strahlensensibilität bei oxygenierten bzw. bei hypoxischen Zellen weitgehend aufgehoben [1].
Strahlen mit hohem LET, also Neutronen, a-Strahlen und andere schwere Teilchen sind so dicht
ionisierend, daß sie, wenn sie durch ein DNS-Molekül strahlen, auch ohne Anwesenheit von
Sauerstoff einen direkten Effekt mit zahlreichen Ionisationsvorgängen pro Wegstrecke
aufweisen.
Auch bei niedriger O2-Sättigung sind high LET Strahlen hoch effektiv
I.3.2 Klinischer Einsatz der ionisierenden Strahlen
Die Strahlentherapie ist - außer bei Anwendung einer Ganzkörperbestrahlung - eine reine
lokoregionäre Maßnahme und unterscheidet sich demnach deutlich von den anderen
Behandlungsarten maligner Tumoren.
Nicht nur im Rahmen des organerhaltenden Therapiekonzeptes ist in vielen Fällen eine
begrenzte operative Entfernung von Tumoren und nicht eine exzessive operative Radikalität weit
im gesunden Gewebe im Hinblick auf die damit verbundene Reduktion der Morbidität sinnvoll.
Bei der Chemotherapie ist wiederum die Wirkung weitgehend an den Zellzyklus gebunden, so
daß Tumoren mit prozentuell nur wenigen Zellen in Teilung und solche mit ungenügender
Gefäßversorgung, wie es ja im Tumorbettbereich nach Operationen meist der Fall ist, von den
Zytostatika nicht adäquat erfaßt werden.
35
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.3: Die Rolle der Strahlentherapie
I.3.2.1 Wirkung ionisierender Strahlen auf Tumoren
In Tumoren können unterschiedlich große Anteile sehr schnell proliferierender Zellen
vorkommen, die dann auch frühzeitig eine Wirkung auf ionisierende Strahlen zeigen. Andere
Tumoranteile reagieren wiederum sehr langsam.
Das Ansprechen eines Tumors auf die Bestrahlung hängt jedoch von mehreren Faktoren ab.
Neben der Proliferationskinetik maligner klonogener Zellen sind dies, wie auch beim Gewebe
aus dem sie hervorgegangen sind, die vorbestimmte Lebenszeit differenzierter Zellen innerhalb
des Tumors und die Eliminationsgeschwindigkeit abgestorbener Zellen.
Obwohl man annehmen kann, daß bei bestimmten Tumorentitäten die lokale Kontrollrate
für schnell regrediente Tumoren etwas besser ist als für jene, die sich langsam zurückbilden,
sollte man deshalb bei der Bestrahlung nicht die Gesamtdosis reduzieren [20]. Manche Tumoren,
die sich sehr schnell zurückbilden, können auch frühzeitig ein Rezidiv entwickeln. Deshalb muß
man zwischen der Geschwindigkeit einer Tumorregression und der Wahrscheinlichkeit einer
lokalen Tumorkontrolle unterscheiden. In einigen Studien konnte eine Korrelation zwischen der
Rückbildungsrate und der lokalen Kontrollrate gefunden werden, es trifft dies aber nicht auf alle
klinischen Situationen zu [Lit. bei 14]. Tumoren mit einem geringen Anteil von Zellen in der SPhase scheinen gegenüber einer konventionell fraktionierten Radiotherapie deutlich resistenter
zu sein. Dies wird damit begründet, daß proportional zu diesem niedrigen Zellzyklusanteil auch
die Redistribution dieser Zellen langsamer abläuft [22]. Als Folge davon wurde bei
Glottiskarzinomen des Stadium T3 N0 eine Erhöhung der Rezidivrate festgestellt.
Letztlich ist das Hauptproblem jedoch nicht die kleine Gruppe der an und für sich schon
sehr rasch wachsenden Tumoren, sondern das stark beschleunigte Wachstum von Tumoren nach
Beginn der onkologischen Behandlung.
Viele Tumoren proliferieren genau so schnell wie früh reagierendes, normales Gewebe;
deshalb ist bei einer Verlängerung der Gesamtbehandlungszeit eine deutliche Anhebung der
Gesamtdosis notwendig. Eine Prolongation der Gesamtbehandlungszeit bedeutet aber - bei
gleicher Gesamtdosis - für die Tumorkontrolle einen Nachteil.
Zwischen der 3. und der 7. Woche ist bei konventionell fraktionierter Bestrahlung von
HNO-Tumoren bei Bestrahlungsunterbrechungen mit einem Verlust von täglich 0,5 - 0,7 Gy zu
rechnen [23]. Dies konnte in zahlreichen Studien nachgewiesen werden. So zeigte sich anhand
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
36
Band I.3: Die Rolle der Strahlentherapie
einer Metaanalyse von insgesamt 12 Studien über Tumoren aus dem HNO-Bereich [6] bei der
Verlängerung
der
Gesamtbehandlungszeit
durch
eine
1-wöchige
Unterbrechung
der
Radiotherapie eine Verringerung der Tumorkontrollwahrscheinlichkeit um durchschnittlich 14%
(3 - 25%).
Bei einer Verlängerung der Gesamtbehandlungszeit muß deshalb die Gesamtdosis erhöht
werden weil bei Verwendung niedrigerer Einzelfraktionen jede einzelne weniger wirksam ist als
eine höhere Einzelfraktion und weil eine Kompensation der Proliferation von Tumorgewebe und
früh reagierendem Gewebe notwendig ist.
Die Verlängerung der Gesamtbehandlungszeit (z.B. split course) - ohne Erhöhung der
Gesamtdosis - hat aber nur einen geringen Einfluß auf eine Reduktion von Spätschäden an
normalen Geweben, weil die entsprechenden Zellpopulationen während der Wochen der
Bestrahlung nicht signifikant proliferieren (siehe auch [25]).
I.3.2.2 Kombinierter Einsatz mit Operation
Die rationale Begründung für die Kombination einer Operation mit einer Radiotherapie liegt
in dem unterschiedlichen Wirkungsbereich beider Behandlungsarten. Die Strahlentherapie
versagt häufig im zentralen Tumorbereich mit einem großen Anteil klonogener, meist außerdem
noch hypoxischer Zellen. Sie versagt selten in der Tumorperipherie mit einer guten Durchblutung
und der relativ geringen Zahl von Tumorzellen. Die Radikalität einer Tumoroperation dagegen
wird durch die notwendige Schonung des normalen Gewebes in unmittelbarer Umgebung zum
Tumor begrenzt. Wenn operativ eine radikale Tumorentfernung nicht erreicht werden kann, ist
dies bedingt durch mikroskopische Tumorzellresiduen in der Peripherie.
Ein Vorteil der präoperativen Radiotherapie besteht in der Abtötung von peripher, im
Bereich des späteren Resektionsrandes gelegenen, gut oxygenierten Tumorzellen [3, 8] sowie im
Abtöten möglicherweise intraoperativ verschleppter Tumorzellen. Ein weiterer Vorteil besteht
darin, daß unter Umständen primär nicht operable Tumoren durch eine Vorbestrahlung
resezierbar werden [11, 13]. Diese Tumorverkleinerung scheint aber nur in seltenen Fällen
postoperativ mit einer lokalen Kontrolle verbunden zu sein. Der bekannte Nachteil einer
präoperativen Radiotherapie ist die für eine Indikationsstellung fehlende pathohistologische
37
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.3: Die Rolle der Strahlentherapie
Stadieneinteilung, so daß unter Umständen auch niedrige Stadien, die eigentlich nur operativ
behandelt werden sollten, vorbestrahlt werden.
Die von chirurgischer Seite häufig als Nachteil angeführte Verzögerung eines operativen
Eingriffs wird dagegen nicht unbedingt als Nachteil empfunden [9], denn es sollte, solange
überhaupt eine Tumorbehandlung stattfindet, die Art der Behandlung keinen Unterschied
ausmachen.
Bei der präoperativen Dosierung gibt es Differenzierungen zwischen Serien mit geringen
Dosen bis zu 20 Gy und solchen mit höheren Dosen von 40 - 50 Gy, die entweder über 4 - 5
Wochen oder akzeleriert mit höheren Einzeldosen und angepaßten Gesamtdosen appliziert
werden. Die Vorbestrahlung mit einer niedrigen Dosis sollte die intraoperative Implantation von
Tumorzellen verhindern, aber eine baldige Operation ermöglichen. Bei Dosen von 40 - 50 Gy ist
dagegen bis zur Operation ein Intervall von 3 - 4 Wochen einzuhalten, da dann die akute
Strahlenreaktion abgeklungen ist. Nach niedrig dosierter präoperativer Radiotherapie ist auch
eine postoperative Aufsättigung möglich (Sandwich-Methode).
Die postoperative Radiotherapie hat ebenfalls Vor- und Nachteile. Eine genaue
pathohistologische Abklärung ermöglicht eine stadiengerechte Therapie, unnötige Bestrahlungen
können somit vermieden werden. Nach einer postoperativen Erholungsphase kann die
Radiotherapie ohne wesentliche Behinderung der Wundheilung begonnen werden. Als Nachteile
werden die fehlende Beeinflussung der intraoperativen Tumorzellaussaat sowie die z.B. nach
abdominalen
Operationen
Komplikationsrate
[7]
durch
gesehen.
Adhäsionen
Außerdem
von
werden
Dünndarmabschnitten
durch
die
operativ
verstärkte
notwendige
Gefäßunterbindung verbliebene, präoperativ euoxische Tumorzellen hypoxisch und damit
gegenüber einer Radiotherapie weniger strahlenempfindlich [4, 28]. Es muß auch angenommen
werden, daß in der postoperativen Indikationsstellung verbliebene Tumorzellen ihre
Wachstumsrate deutlich beschleunigen. Diese Meinung wird erhärtet durch Daten, die für HNOTumoren eine reduzierte lokale Kontrollrate nachwiesen, wenn das Intervall bis zum Beginn der
Radiotherapie eine Dauer von 6 Wochen übersteigt [24].
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
38
Band I.3: Die Rolle der Strahlentherapie
I.3.2.3 Prinzipien der Kombination von Radio- und Chemotherapie
Bei der Kombination dieser Therapiemaßnahmen gibt es Möglichkeiten mit und ohne
Interaktion [19].
Bei einem rein örtlichen Zusammenwirken werden Radio- und Chemotherapie für
verschiedene anatomische Bereiche des Tumorleidens eingesetzt. Sie wirken jeweils getrennt, es
besteht also keine Interaktion. Als Beispiel kann die Behandlung der Leukämie angeführt
werden; die Chemotherapie wirkt auf die Systemisierung, die Radiotherapie auf anatomische
Gebiete, die chemotherapeutisch nicht ausreichend behandelt werden (z.B. Hirnhäute).
Ein auf eine Tumorentität ausgerichtetes Zusammenwirken kann auch ohne Interaktion zu
einer verstärkten Tumorrückbildung führen. Jede Behandlungsform ist für sich wirksam, kann
aber wegen starker Nebenwirkungen nur begrenzt eingesetzt werden. Durch die Kombination
verteilen sich die Nebenwirkungen auf unterschiedliche Organe, die Wirkung auf das
Tumorgewebe wird dagegen verstärkt.
Mit einer Interaktion von Radio- und Chemotherapie ist ein potenzierendes (supra-additives)
Zusammenwirken möglich. Diese Wirkung geht über einen rein additiven Effekt hinaus. Sie ist
allerdings nur schwer nachzuweisen, da ja primär die Dosiseffektkurven - außer bei Strahlungen
mit hohem LET - nicht linear verlaufen.
Einzelne Zytostatika können durch ihre Wirkung auf bestimmte Zellzyklusphasen sowie
durch die Blockierung einer weiteren Progression der Zellen im Zellzyklus zur potentiellen
Synchronisation eingesetzt werden. Diese an und für sich elegante Methode der Strahlentherapie
durch zeitliche Gleichschaltung empfindlicher Zyklusphasen hat sich im klinischen Betrieb durch
die große kinetische Heterogenität der Tumoren nicht verwirklichen lassen [12]. Positive
Ergebnisse wurden vorwiegend in Zellkulturen und rasch wachsenden Experimentaltumoren
gefunden.
Aus den Überlegungen für eine Synchronisation des Zellzyklus ergibt sich aber auch eine
weitere Folgerung. Sie besteht darin, daß durch die Bestrahlung nicht proliferierende Zellen
stimuliert werden, sich wieder in den Zellzyklus einzuordnen. Dies wurde vor allem bei der
Kombination mit einer Chemotherapie untersucht. In experimentellen Tumoren konnte nach der
Initialzündung durch eine entsprechende Tumorhandlung eine gesteigerte Wachstumsfraktion
nachgewiesen werden [17]. Der therapeutische Gewinn ist allerdings eher zu vernachlässigen.
39
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.3: Die Rolle der Strahlentherapie
Eine weitere Möglichkeit der Interaktion ist die Eigenschaft vieler Chemotherapeutika, die
Reparatur des Strahlenschadens zu verhindern [10]. Es gibt jedoch fast keine Anhaltspunkte, daß
dieser Effekt nur Tumoren und nicht auch normale Gewebe betrifft.
Im Hinblick auf die Kinetik des Tumoransprechens ist die neoadjuvante Chemotherapie mit
2 - 3 Zyklen vor einer Radiotherapie insbesondere bei HNO-Tumoren in Frage zu stellen. So ist
durch die Chemotherapie gegen Ende der Bestrahlungsserie eine beschleunigte Repopulation
klonogener Tumorzellen zu erwarten. Es ist nun durchaus möglich, daß dadurch die
chemotherapeutisch erzielte Zytoreduktion mehr als kompensiert wird. Dies kann sich in der
Folge durchaus negativ auf die lokale Kontrollrate auswirken [26]. Dagegen waren in einer
Studie mit wöchentlicher Radio- und Chemotherapie in konkomitanter Form, jeweils alternierend
mit einer Woche Pause, die Ergebnisse, was die lokale Kontrolle betrifft, trotz verdoppelter
Gesamtbestrahlungszeit nicht schlechter als nach konventioneller Radiotherapie [27].
Es gibt es auch Beweise anhand experimenteller Tumoren, daß die Chemotherapie, einige
Tage nach der Radiotherapie verabfolgt, deutlich stärkere biologische Effekte bewirkt [16].
Damit ist leider auch eine verstärkte Schädigung des normalen Gewebes verbunden, das nach
Beendigung der Radiotherapie verstärkt proliferiert.
Die Verringerung der Tumormasse durch die Chemotherapie sollte außerdem zu einer
Reoxygenierung durch die Verringerung des Anteils hypoxischer Zellen und damit zu einer
Steigerung der Strahlenempfindlichkeit von Tumoren bei der nachfolgenden Radiotherapie
führen.
Es gibt jedoch nur wenig Anhaltspunkte für diese Wirkungsweise. Es könnte die
Reoxygenierung auch durch die ersten Fraktionen der Bestrahlung verursacht werden [2].
Bei bestimmten Tumoren bietet die
Kombination von Operation, Chemotherapie und Radiotherapie
die besten Ergebnisse
bezüglich der Lokalrezidivrate als auch der Überlebensraten
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
40
Band I.3: Die Rolle der Strahlentherapie
I.3.2.4 Schlußbemerkungen
Für
den
klinischen
Einsatz
ionisierender
Strahlen
wird
es
immer
wichtiger,
strahlenbiologische Erkenntnisse in die Überlegungen zur Verbesserung der lokalen
Tumorkontrolle und der weitgehenden Schonung des Normalgewebes mit einzubeziehen. Da
aber vielfach tierexperimentelle Untersuchungen die Grundlage für strahlenbiologische Analysen
lieferten, muß diese Einbeziehung kritisch erfolgen.
Fest steht, daß geänderte Fraktionierungsschemata sowie der zeitlich abgestimmte Einsatz
der Chemotherapie die zytotoxische Wirkung der Strahlentherapie verbessern können. Die
Ausgewogenheit zwischen Radikalität der Operation und der bei einer adjuvanten Radiotherapie
notwendigen Höhe der Strahlendosis ist ein weiterer Punkt, der für die Organerhaltung, die
Tumorkontrolle und das umgebende Normalgewebe von ausschlaggebender Bedeutung ist.
Es ist zu erwarten und konnte zum Teil schon bestätigt werden, daß durch
strahlenbiologisch begründete Änderungen der Behandlungsschemata genauso wie durch
physikalisch-technische Fortschritte und den Möglichkeiten einer weitgehend tumorkonformen
Bestrahlung Verbesserungen der Behandlungsergebnisse maligner Tumoren erzielt werden
können.
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43
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.3: Die Rolle der Strahlentherapie
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
44
Band I.4: Physikalische Grundlagen
I.4 Physikalische Grundlagen
M. Regler, U. Haverkamp, H. Rahim, D. Georg
I.4.1 Die Rolle der Beschleuniger in der Teletherapie
Dieser Abschnitt folgt im wesentlichen der Darstellung in dem Buch Lucha W, Regler M.
Elementarteilchenphysik. Theorie und Experiment. Schulbuch- und Lehrmittelverlag Paul Sappl,
1997. (Mit freundlicher Genehmigung des Verlages.)
I.4.1.1 Historischer Abriß
Die Geschichte der Bestrahlung von Tumoren mit ionisierenden Teilchen (für die
Teilchenphysiker gehört auch das Photon zu den elementaren Teilchen) war von Anfang an eng
mit der Entwicklungsgeschichte der Beschleuniger in der physikalischen Grundlagenforschung
verbunden. Dabei muß zwischen zwei Klassen von Teilchen unterschieden werden, den
Teilchen, die beschleunigt werden können (stabile geladene Teilchen wie Elektronen, Protonen,
diverse Ionen), sowie jenen Teilchen, die mithilfe der Wechselwirkung geladener Teilchen in
einem Target erzeugt werden (das sind die ungeladenen Photonen und Neutronen, sowie
geladene Pionen, wobei letztere nur mehr historische Bedeutung haben).
So wird auch die 1897 entdeckte Röntgenstrahlung mit Hilfe eines statischen
Elektronenbeschleunigers über ein (Zwischen-)Target erzeugt. Mittels einer Glühkathode werden
in der klassischen Röntgenröhre Elektronen freigesetzt, um dann nach Beschleunigung durch
eine angelegte Hochspannung im kV-Bereich auf eine Anode (das Target) aufzuprallen. Dabei
werden als Anode Metalle mit hoher Kernladung verwendet. Der im starken Feld des Kernes
entstehenden Bremsstrahlung ist im kV-Bereich die charakteristische Strahlung der Anode
überlagert.
Durch die Erfindung des Betatrons (erste Überlegungen durch SLEPIAN 1922/23,
Stabilitätsbedingung durch WIDERÖE 1928) standen plötzlich Elektronenenergien im MegavoltBereich zur Verfügung, die sowohl zur direkten Bestrahlung mit Elektronen als auch für
Bestrahlung mit harter Röntgenstrahlung (abermals unter Benützung eines Targets) benützt
45
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.4: Physikalische Grundlagen
wurden. Die letzte Bestrahlung mit Hilfe eines Betatrons fand im „alten“ Allgemeinen
Krankenhaus in Wien im Jahre 1996 statt. Die Maschine, die bereits 1969 ihren Betrieb aufnahm,
stellte eine Photonenenergie von maximal 42 MeV, sowie diverse (prinzipiell kontinuierlich
regelbare, aus dosimetrischen Gründen jedoch auf einige fixe Werte beschränkte)
Elektronenenergien im Bereich von 5-40 MeV zur Verfügung. Die höchste Energie mit einem
Betatron wurde 1950 von KERST (University of Ilinuis/USA) mit 300 MeV erreicht. Parallel
arbeitete LAWRENCE am Konzept des Zyklotrons (1920), das 1931 erstmals von
LIVINGSTONE (Berkeley, CA/USA), einem Studenten von Lawrence, realisiert wurde. Das
Zyklotron ist heute ein Standardinstrument in der Hadronentherapie.
VEKSLER (Ex-UdSSR) sowie McMILLAN (USA) lösten 1944/45 das Prinzip der
Phasenstabilität, womit der Weg für das Synchrotron gebahnt war. Nach Einsatz des Prinzips
der starken Fokussierung durch COURANT, LIVINGSTONE und SNYDER (Brookhaven,
NY/USA) 1952 trat das Synchrotron seinen endgültigen Siegeszug in der Kern- und
Teilchenphysik an. Neuerdings findet es auch in der fortschrittlichen Hadronentherapie
Verwendung (Vorversuche in Berkeley, Routinebetrieb in Loma Linda (CA/USA), ferner
HIMAC (Japan), sowie erste Patientenbehandlungen bei GSI (Darmstadt/D)). Der Hauptvorteil
des Synchrotrons liegt in der Möglichkeit einer fein abgestuften (aktiven) Variation der Energie,
wodurch die vielen Nachteile passiver Elemente für Strahlaufweitung und Energieanpassung
vermieden werden.
Interessant ist, daß der berühmte Beschleuniger- und Teilchenphysiker WILSON neben
seinen persönlichen Freundschaften zu Ärzten auch durch die wesentlich reichlicheren
Forschungsmittel der Medizin motiviert wurde, an einen medizinischen Einsatz des Zyklotrons
zu denken, wobei ihm sein Lehrer Lawrence zur Seite stand. Vorerst war der Schwerpunkt dieser
Zusammenarbeit die Herstellung künstlicher radioaktiver Substanzen. Schließlich wurde Wilson
- inspiriert durch die Anforderungen des Strahlenschutzes - klar, daß die Protonenstrahlen zwei
für die Radiotherapie interessante Eigenschaften besaßen: erstens haben sie im Gewebe eine
definierte Reichweite und zweitens geben sie den Großteil ihrer Energie am Ende ihrer
Wegstrecke ab, wobei letztere über die Einschußenergie gesteuert werden kann. Außerdem
werden die Protonen im Gewebe relativ gering gestreut. Die Ärzte waren skeptisch, und so waren
es vorerst eher „ausrangierte“ Beschleuniger, die in der Medizin Einzug fanden.
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
46
Band I.4: Physikalische Grundlagen
In der Grundversorgung der modernen Strahlentherapie werden heute vorwiegend ElektronLinearbeschleuniger eingesetzt. In einem Hohlraumwellenleiter werden Elektronen mittels
einer elektromagnetischen Welle auf bis zu 25 MeV beschleunigt. Die ersten Entwicklungen für
diesen Beschleunigertypus fanden nach dem 2. Weltkrieg im Stanford Linear Accelerator Center
(SLAC, CA/USA) und am Massachusettes Institut of Technology (MIT; Boston/USA) statt.
I.4.1.2 Das Betatron
Wegen seiner Bedeutung für Medizin und Technik sei das Betatron noch einmal ausführlich
beschrieben.
Beim Betatron handelt es sich, von einem rein prinzipiellen Standpunkt aus betrachtet, im
wesentlichen um nichts anderes als einen „Freiflug“-Transformator. Die elektrische
Umlaufspannung U in einer Leiterschleife eines Transformators ist nach dem Induktionsgesetz
gleich der (negativen) zeitlichen Änderung des magnetischen Flusses f, welcher die von dieser
Leiterschleife begrenzte Fläche F durchsetzt:
U =-
dj
.
dt
Für ein räumlich konstantes Magnetfeld ist der magnetische Induktionsfluß f das Produkt
aus Flußdichte B und umgrenzter Fläche F:
j = BF .
Die Umlaufspannung U hängt für eine kreisförmige Leiterschleife mit dem Radius r, wie sie
ja - zwar immateriell, aber doch - auch beim Betatron vorliegt, mit der beschleunigten
r
elektrischen Feldstärke E º E gemäß
U = 2prE
zusammen. Genau diese Umlaufspannung durchläuft auch ein im Betatron beschleunigtes
Teilchen der Ladung q bei jedem Umlauf. Es erfährt daher bei jedem Umlauf einen
Energiezuwachs DE der Größe
DE =qU.
47
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.4: Physikalische Grundlagen
Während jedoch beim Transformator der Strom durch die Wicklungen der Spule kontrolliert
wird, muß beim Betatron durch eine speziell geformte Form der Polschuhe das Magnetfeld so
beschaffen sein, daß die Teilchenbahnen um die Sollbahn stabil bleiben (Abbildung 4.1-1).
Gleichzeitig dient der Magnet auch als Biegemagnet. Mit dem maximal möglichen Magnetfeld
ist zugleich auch die maximal erzielbare Teilchenenergie erreicht.
Joch
Polschuh
Spule
Sollbahn
VakuumInduktionsfeld
röhre
Abbildung 4.1-1: Betatron (schematisch nach [1]). In der Mitte zwischen den
Polschuhen liegt das gepulste Induktionsfeld, außen das Joch zur
Rückleitung des magnetischen Flusses. Die Elektronen oszillieren während
der Beschleunigung um die Sollbahn, die innerhalb des evakuierten
Strahlrohrs liegt.
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
48
Band I.4: Physikalische Grundlagen
I.4.1.3 Der Elektron-Linearbeschleuniger
Während man in Linearbeschleunigern für Protonen Resonatoren mit einer stehenden Welle
benützt, werden Elektronen, die wegen ihrer deutlich geringeren Masse ziemlich bald
Geschwindigkeiten in der Nähe der Lichtgeschwindigkeit erreichen, durch eine in einem
Hohlleiter laufende elektromagnetische Welle - ähnlich wie beim Surfen auf einer
Brandungswelle - beschleunigt. Die Wellengeschwindigkeit wird der Bewegung der Elektronen
durch Blenden angepaßt, die Driftröhren entfallen.
Abbildung 4.1-2: Linearbeschleuniger (siehe auch [2, 3]). Der Linearbeschleuniger
selbst befindet sich im Pendelteil des Gerätes.
49
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.4: Physikalische Grundlagen
I.4.1.4 Das Zyklotron
Der Weg zu den großen Beschleunigern für schwere Teilchen begann mit der Erfindung des
Zyklotrons. (Die Linearbeschleuniger für Protonen und Ionen waren vorerst recht bescheiden).
Dabei ist das Prinzip im höchsten Grade einfach: Wird an ein Paar von (wegen ihrer
offensichtlichen Erscheinungsform als solche bezeichneten) „D-Elektroden“ - die zusammen
eine „geschlitzte Dose“ bilden - ein elektrisches Wechselfeld zur Beschleunigung von (schweren)
Teilchen angelegt, und werden diese Teilchen durch ein konstantes Magnetfeld auf einer
Kreisbahn gehalten, so gibt es (allerdings nur in nichtrelativistischer Näherung!) genau eine
bestimmte Umlauffrequenz der Teilchen, welche (über die Stärke des Magnetfeldes) auf die
Frequenz des Wechselfeldes abgestimmt werden kann (Abbildung 4.1-3):
wµ
qB
.
m
Im nichtrelativistischen Grenzfall ist nämlich die Umlaufzeit von der Geschwindigkeit
unabhängig, da der Radius der Teilchenbahn durch die Beziehung r µ
mv
gegeben ist.
qB
Werden nun Teilchen aus einer Quelle extrahiert und auf einer stabilen Kreisbahn auf die
Reise geschickt, so können diese Teilchen solange mit fester Frequenz beschleunigt werden, bis
der maximale Radius erreicht ist. Dort verlassen die Teilchen das Zyklotron in Richtung Target.
Bei höheren Energien ist selbstverständlich die relativistisch korrekte Form für die
Umlauffrequenz w des beschleunigten Teilchens zu verwenden. Dies bedeutet aber, in oben
angeführter Gleichung ist die Masse m des Teilchens durch den von der Teilchengeschwindigkeit
v und damit von Teilchenenergie abhängigen Ausdruck
gm º
m
1-
v2
c2
zu ersetzen, so daß die Frequenz des beschleunigenden elektrischen Wechselfelds entsprechend
nachgeführt („synchronisiert“) werden muß. Man spricht in diesem Fall von einem
Synchrozyklotron. Die Frequenz der Beschleunigungsspannung muß also während der
Beschleunigung entsprechend abnehmen, um der Reduzierung der Umlauffrequenz Rechnung
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
50
Band I.4: Physikalische Grundlagen
tragen zu können. Die Umlauffrequenz zu korrigieren, indem man das Magnetfeld mit
steigendem Radius anwachsen läßt, scheitert an der defokussierenden Wirkung einer solchen
Magnetfeldkonfiguration.
Abbildung 4.1-3: Zyklotron [1]. Teilchen bewegen sich in einem homogenen
Magnetfeld auf einer spiralförmigen Bahn und gewinnen bei jedem
Durchlauf der Spannung im Spalt zwischen den beiden D-förmigen
Elektroden Energie.
I.4.1.5 Das Synchrotron
Statt den Radius der Teilchenbahnen wie im Zyklotron mit zunehmender Energie anwachsen
zu lassen, werden im Synchrotron die Teilchen segmentweise auf einer Kreisbahn mit festem
Durchmesser gehalten, indem das Magnetfeld entsprechend dem Impulszuwachs erhöht wird.
Dementsprechend muß die Frequenz der beschleunigenden Resonatoren mit der durch die
anwachsende Energie steigenden Umlauffrequenz abgeglichen („synchronisiert“) werden.
Anfangs stellte die Magnetfeldkonfiguration ein großes Problem dar. Nahm das Magnetfeld
nach außen hin zu schwach ab, führte dies zu Instabilitäten; nahm es zu stark ab, gingen die
Teilchen einfach nach außen hin verloren. So stand nur wenig Spielraum für die Fixierung
stabiler Teilchenbahnen zur Verfügung, und die große laterale Amplitude stellte eine ernsthafte
51
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.4: Physikalische Grundlagen
Begrenzung für die erzielbaren Intensitäten dar („schwache Fokussierung“). Ein Ausweg wurde
im Prinzip der starken Fokussierung gefunden.
Das Magnetfeld stammt nicht mehr nur von einem einzelnen Magneten, sondern von einer
Folge von ringförmig angeordneten Biegemagneten (Dipolmagneten), die wegen ihrer relativ
geringen Größe auch leichter „gepulst“ werden können. Der Energiezuwachs der Teilchen wird
durch mit Vielfachen der Umlauffrequenz angeregten Resonatoren bewirkt; Quadrupole und/oder
wechselnder Gradient der Biegemagnete dienen der Fokussierung (Abbildung 4.1-4). In
modernen Maschinen werden die Funktionen der Ablenkung - durch Biegemagnete - und der
starken Fokussierung - durch ein Quadrupolfeld - getrennt bewerkstelligt. Die Protonenanlagen
arbeiten mit einem linearen Vorbeschleuniger.
Erst durch das variable („gepulste“) Magnetfeld wird die Flexibilität, durch verschiedene
Magnetzyklen unterschiedliche Teilchen zu verschiedenen Endenergien zu beschleunigen,
ermöglicht.
Abbildung 4.1-4: Starke Fokussierung [1].
I.4.1.6 Der Med-AUSTRON-Beschleuniger
Das Herzstück des Med-AUSTRON-Beschleunigerkomplexes ist ein Synchrotron, basierend
auf dem Prinzip der „starken Fokussierung“, wie oben beschrieben. Die Verwendung eines
Synchrotrons ermöglicht die Beschleunigung verschiedener Teilchenarten, im Falle von Med-
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
52
Band I.4: Physikalische Grundlagen
AUSTRON sind dies Protonen und Kohlenstoff-Ionen. Das Med-AUSTRON Synchrotron [3] hat
einen Umfang von ca. 75m, die Hauptstruktur bilden 16 Dipol- und 32 Quadrupolmagnete.
Vor der Injektion in das Synchrotron müssen sowohl die Protonen als auch die KohlenstoffIonen
vorbeschleunigt
werden.
Im
Med-AUSTRON
Komplex
sind
hierfür
zwei
Linearbeschleuniger vorgesehen. Im Synchrotron erfolgt dann die Beschleunigung der injizierten
Teilchen auf die jeweils zur Patientenbestrahlung erforderliche Energie. Anschließend werden
die Teilchen unter Verwendung eines speziellen Verfahrens, der sogenannten „langsamen
Resonanzextraktion“, extrahiert und in einen der Bestrahlungsräume gelenkt. Die langsame
Extraktion ermöglicht die „online Messung“ der applizierten Dosis sowie die Verwendung der
aktiven Bestrahlungstechnik, welche die beste Anpassung der Dosisverteilung an das
Zielvolumen garantiert.
Horizontaler Grundriß
2.5 m x 2.5 m Skalierung
Med-AUSTRON Synchroton
Umfang U = 74.04
Abbildung 4.1-5: Med-AUSTRON Synchrotron [1, 4].
53
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.4: Physikalische Grundlagen
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[4]
Benedikt M. Optical Design of a Synchrotron with Optimisation of the Slow
Extraction for Hadrontherapy. Dissertation, Technische Universität Wien, 1997.
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
54
Band I.4: Physikalische Grundlagen
I.4.2 Physikalische Eigenschaften von Protonen und Leichtionen im Vergleich
mit hochenergetischen Röntgenstrahlen
I.4.2.1 Einleitung
Leichtionen und Protonen, wie sie bei Med-AUSTRON verwendet werden sollen, auf der
einen Seite, und Photonen, wie sie bei der Strahlentherapie heute üblich sind, auf der anderen
Seite, unterscheiden sich in Bezug auf die klinische Strahlenphysik im wesentlichen im Hinblick
auf den vertikalen und horizontalen Dosisverlauf in der Gewebetiefe. Dieses hat insbesonders
Folgen für die notwendige Bestrahlungstechnik, wobei das Tumorvolumen optimal behandelt
werden soll, bei gleichzeitiger Schonung des gesunden Gewebes.
I.4.2.2 Wechselwirkungen
Beim Eintritt von hochenergetischer Röntgenstrahlung in biologisches Gewebe treten eine
Reihe von Wechselwirkungen auf (Streuung, Photoeffekt, Comptoneffekt, Paarbildung), die zum
Teil zur Ionisation und damit zur Bildung von Ionen und Sekundärelektronen führen. Die
Sekundärelektronen sind für die biologische Wirkung verantwortlich (Abbildung 4.2-1). Der
Photonenfluß nimmt exponentiell ab, die Sekundärelektronen/ Masseeinheit und damit die
Strahlendosis nimmt zunächst zu (Aufbaueffekt, 0,5 cm bis 3,5 cm, je nach Energie) und fällt
dann nahezu exponentiell ab.
Photonenfluß
Y = Y0 e-mx
(m - Schwächungskoeffizient, x - Gewebetiefe)
Dosisverlauf
D = D0 ò (x + D)2 dx e-mx
(D - Tiefe des Dosismaximums)
55
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.4: Physikalische Grundlagen
Strahlungsfeld energiereicher Photonen
10
Eintritt in biologische Kö rper,
Wechselwirkung mit Atomen
Gestreutes Photon
-16
10 -13
Sekundä relektron
Chemische Verä nderung
Bremsstrahlungsphoton
10
-13
-
10
-2
-2
Biologische
Wirkung
10 -10 8
( s)
Abbildung 4.2-1: Schema der Wechselwirkungen von Strahleintritt bis zur biologischen
Wirkung für Photonen (frei nach Reich [1]).
Teilchenstrahl
Leichtionen/Protonen
Eintritt in biologische Körper
Wechselwirkungen mit Atomen
gestreutes Teilchen
Stoßprozesse mit
Ionisation
(primär und sekundär)
Chemische Veränderungen
Biologische Wirkungen
Abbildung 4.2-2: Schema der Wechselwirkungen von Strahleintritt bis zur biologischen
Wirkung für Protonen/Leichtionen.
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
56
Band I.4: Physikalische Grundlagen
Wenn geladene Teilchen, wie Protonen oder Leichtionen, auf ein absorbierendes Medium
treffen, verlieren sie infolge von Wechselwirkungsprozessen (Coulomb Wechselwirkung mit den
Targetelektronen, quasi-elastische Streuung) Energie (Abbildung 4.2-2). Der Energieverlust pro
Weglänge kann mit der Bethe-Bloch-Gleichung beschrieben werden (nach [2]):
-dE/dx = 4p Zeff² e4 /mv² N Ztarget [ln 2mv²/I- ln (1-ß²) - ß²]
mit
Zeff
N
Ztarget
I
m,e
v=ßc
Effektive Kernladung
Anzahl der Targetatome pro Volumen [cm³]
Kernladungszahl des Targetmaterials
mittleres Ionisierungspotential der Targetatome
Masse, Ladung des Elektrons
Projektilgeschwindigkeit
Dabei nimmt der Energieverlust /Weglänge mit abnehmender Partikelgeschwindigkeit zu
(üblicherweise angegeben in keV/mm). Dieses führt im Vergleich zu Photonen zu einer
„inversen“ Dosisverteilung: Die Dosis nimmt mit der Tiefe nur gering zu, bis es zu einem
scharfen Maximum kommt (Bragg-Peak), in dessen Bereich der Energieverlust der Teilchen
maximal ist, bis sie schließlich ihre Reichweite erreicht haben. Graphisch ergibt sich eine Kurve,
die mit einer Parallelen zur Abzisse beginnt (Plateau) und in einen steilen Peak übergeht
(Abbildung 4.2-3).
57
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.4: Physikalische Grundlagen
Abbildung 4.2-3: Tiefendosiskurven für unterschiedliche Strahlenarten [3]. Die Vorteile
der Ionen sind offensichtlich. Hochenergetische Photonen (im MVBereich) führen zu einer relativ geringen (und daher hautschonenden)
Dosis an der Oberfläche. Das Dosismaximum liegt einige Zentimeter
unter der Haut, kann allerdings nicht in tiefere Bereiche verschoben
werden. Darüber hinaus ist auch die Seitenstreuung relativ gering. Mit
invertierter Planung
für intensitätsmodulierte Vielfeldbestrahlung
werden heute gut lokalisierte Dosisverteilungen erzielt. Für 60Co
Gammastrahlung gehen diese Vorteile weitgehend verloren. Bei
Neutronen ist die Hautschonung am geringsten. Neutronen haben auch
außerhalb des Zielvolumens einen hohen RBW-Wert. Die bei geringer
Intensität
ansteigende
RBW
verringert
die
Vorteile
der
Vielfeldbestrahlung. Die Applizierung hochenergetischer Neutronen
zwecks besserer Hautschonung führt zu einem teilweisen Verlust der
höheren RBW. Auch die Dosiskontrolle ist relativ schwierig.
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
58
Band I.4: Physikalische Grundlagen
Ein Maß für die Energieübertragung auf das Gewebe ist der lineare Energietransfer (LET),
der den Verlust der Strahlungsenergie im Gewebe beschreibt und in Beziehung zur relativen
biologischen Wirksamkeit steht. Kohlenstoffionen zeigen eine deutlich höhere Ionisationsdichte
als Protonen (siehe Abbildung 4.2-4). Die entscheidenden Vorteile der Ionen gegenüber den
Protonen liegen neben der höheren RBW im bragg peak auch in der besseren physikalischen
Dosisverteilung. Von wenigen Indikationen abgesehen, ist noch ungeklärt, ob die Protonen
Vorteile gegenüber einer intensitätsmodulierten 3D-Photonenbestrahlung haben.
Abbildung 4.2-4: Schema zur unterschiedlichen biologischen Wirkung von Protonen und
Kohlenstoffionen [4]. Die Kohlenstoffionen führen zu einer höheren
Dichte von Sekundärteilchen, die Wahrscheinlichkeit von Brüchen der
DNA steigt und damit die biologische Wirksamkeit. (Monte-CarloSimulation
der
Produktion
von
d-Elektronen
und
deren
Wechselwirkung beim Durchgang durch Wasser).
I.4.2.3 Bestrahlungstechnik
Die charakteristischen Unterschiede im Tiefendosisverlauf von Röntgenstrahlung und
Leichtionen/Protonen stellen die Basis für die unterschiedliche physikalische Selektivität dar.
Unter physikalischer Selektivität wird die Möglichkeit verstanden, das gewünschte Zielvolumen
59
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.4: Physikalische Grundlagen
ausreichend mit der notwendigen Strahlendosis zu versorgen und dabei das umliegende Gewebe
zu schonen. Betrachtet man die Bestrahlung nur über ein Stehfeld, werden die Unterschiede
deutlich: Bei Röntgenstrahlung gibt es zwar einen Hautschonungseffekt, aber die Dosis nimmt
mit der Tiefe ab, es muß also immer mehr Dosis eingestrahlt werden, als im Zielvolumen
benötigt wird. Bei Leichtionen/Protonen ist für ein einzelnes Teilchen die Wechselwirkung mit
Gewebe im Zielvolumen maximal, allerdings muß die Reichweite der einzelnen Teilchen variiert
werden, um eine ausreichende Volumendosis zu erreichen. Griffin [5] bewertet den
Tiefendosisverlauf von Protonen und Kohlenstoffionen als sehr gut, während der von Neutronen
und, man darf hinzufügen auch der von Photonen, als schlecht betrachtet wird.
Tabelle
4.2-1:
Zusammenstellung
der
physikalischen
Eigenschaften
üblicher
Strahlenarten sowie für Protonen und Leichtionen (frei nach [5,6]).
Photonen Elektronen Neutronen
Protonen
Leichtionen
Ladung
0
-1
0
+1
+2 bis +8
Masse (MeV)
0
0,511
939,6
938,3
4 bis 16 x 103
Tiefendosisverlauf*
expon.
plateauartig
expon.
Bragg Peak
Bragg Peak
Tiefendosisvorteil
keiner
+, ger. Tiefe
keiner
+++
+++
+
+
++
-
-
klein
klein
hoch
klein
Hoch
Halbschatten
LET
(* näherungsweise Beschreibung, Aufbaueffekt und ähnliches nicht berücksichtigend)
I.4.2.4 Dosisverteilung
Ein Vergleich von Tiefendosisverläufen bietet allerdings nur einen Aspekt, um Unterschiede
bei der Patientenbestrahlung bei der Leichtionen/Protonentherapie diskutieren zu können. Die
weiteren Aspekte sind die Art der Bestrahlungsfelder und die Möglichkeiten eine homogene
räumliche Dosisverteilung zu erreichen. Dabei müssen technische Möglichkeiten verglichen
werden, die jeweils den zur Zeit geltenden Stand von Wissenschaft und Technik wiedergeben.
Die Geschichte der Neutronentherapie zeigt, daß Vergleiche von Therapieergebnissen basierend
auf Maschienen und Techniken unterschiedlichen Entwicklungsstandes eine Aussage über die
Wirksamkeit bestimmter Strahlenarten nicht sicher möglich machen [7,8,9]. Der Standard ist die
Photonentherapie mit einem Strahlenfeld, dessen Homogenität etwa ± 5% beträgt und einen
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
60
Band I.4: Physikalische Grundlagen
Abfall der Dosis am Feldrand („Halbschatten“) von 80% auf 20% innerhalb von 1 cm aufweist.
Die Feldform ist rechteckig und kann durch spezielle Blenden irregulär geformt werden. Bei
einer 3D-Bestrahlungstechnik wird über mehrere Felder bestrahlt, bei neueren Techniken mit
einer Modulation der Strahlintensität [10]. Über die Energie kann die Tiefendosis variiert
werden. Auf diese Weise lassen sich Zielvolumina mit einer Homogenität von +8% und -5% der
Referenzdosis bestrahlen, das gesunde Gewebe, sofern es in einem Strahlengang liegt, erhält
etwa 70% der Referenzdosis. Bei Leichtionen/Protonen wird die räumliche Dosisverteilung
grundsätzlich anders erreicht. Je nach Energie haben die Teilchen eine bestimmte Reichweite, die
durch Absorber oder durch Energievariationen erreicht werden kann (passive und aktive
Modulation). Voxel für Voxel des Zielvolumens kann durch Reichweiteveränderungen und
Ortsveränderungen
des
Strahls
erreicht
werden.
Dadurch
verändert
sich auch der
Tiefendosisverlauf, es entsteht eine mehr oder weniger konstante Tiefendosis, bis die maximale
Reichweite erreicht ist (Abbildung 4.2-5, Tabelle 4.2-1).
Abbildung
4.2-5:
Tiefendosiskurven,
zusammengesetzt
aus
„Einzelkurven“
zur
Bestrahlung eines Volumens mit geladenen Teilchen, sowie für
Neutronen [6].
61
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.4: Physikalische Grundlagen
Ein weiterer Vorteil ist der geringe Halbschatten, der durch die geringe Seitenstreuung der
Ionen bedingt ist. Dieses führt vor allen Dingen bei Feldkombinationen zu deutlich geringeren
Dosen im Betrachtungsvolumen (Tabelle 4.2-2).
Tabelle 4.2-2: Dosis im Bestrahlungsvolumen, relativ zum Referenzpunkt, für
unterschiedliche
Feldanordnungen
bei
der
Photonen-
Protonen/Leichtionentherapie
Bestrahlungstechnik
Dosis im Referenzpunkt
Stehfeld
2 opp. Felder
3-Felder-Box
4-Felder-Box
100 %
100 %
100 %
100 %
Dosis
Dosis im Bestrahlungsvolumen
(gesundes Gewebe)
Photonen
Protonen/
Leichtionen
bis zu 170 %
bis zu 46 %
bis zu 115 %
bis zu 23 %
bis zu 77 %
bis zu 15 %
bis zu 58 %
bis zu 12 %
15MeV Photonen
1,5
Protonen
1,0
0,5
0,0
0
10
20
30
Tiefe in cm
Abbildung 4.2-6: Dosisprofile für eine 4-Felderanordnung (Box-Technik).
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
62
und
Band I.4: Physikalische Grundlagen
I.4.2.5 Definition der Zielvolumina
Eine Basis für den Vergleich der Photonen- und Protonen/Leichtionentherapie z.B. im
Rahmen von Therapiestudien ist die Dosisspezifikation, hier insbesonders die Definition des zu
bestrahlenden Volumens. Die Richtlinie gibt der ICRU-Report 50 [11] mit der Beschreibung von
drei Volumina: Das „Gross Tumor Volume“ (GTV) entspricht dem makroskopischen
Tumorvolumen, dem sichtbaren oder tastbaren Tumor, das „Clinical Target Volume“ (CTV)
schließt zusätzlich den vermuteten klinischen (mikroskopischen) Befall ein, das „Planning Target
Volume“ (PTV) umschließt das CTV mit einem Sicherheitsrand, der durch räumliche
Unsicherheiten (Organbewegungen, Halbschatten etc.) bestimmt wird. Die zu erwartenden
Unterschiede zwischen der Photonen- und Protonen/Leichtionentherapie liegen in der Variation
der Strahlgeometrie, bedingt durch das Voxel Scanning und die geringere Seitenstreuung bei
Protonen/Leichtionen.
Tabelle 4.2-3: Einfluß Patienten bedingter und technisch bedingter Parameter auf das
Planungs-Zielvolumen (PTV)
Parameter, die einen Einfluß auf das PTV haben
Photonentherapie
Bewegung der Organe, die im CTV enthalten sind
Bewegung des Patienten
Variation der Form der Organe die im CTV
enthalten sind (z.B. Blasenfüllung)
Variation der Strahlgeometrie Feldgröße
Strahlrichtung
Halbschatten
+
+
Protonen /
Leichtionentherapie
+
+
+
----
I.4.2.6 Schlußbemerkungen
Die „Nagelprobe“, inwieweit der physikalische Vorteil der Protonen/Leichtionen von
Bedeutung ist, kann die physikalische Therapieplanung erbringen. Hier müssen für eine
ausreichende Patientenzahl und Tumorlokalisationen die Isodosenverläufe für Photonen und
Leichtionen/Protonen verglichen werden.
63
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.4: Physikalische Grundlagen
Literatur
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Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
64
Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen
I.5 Strahlenbiologische Grundlagen
E. Selzer, W. Weyrather, A. Hackl, H. Tritthart, R. Pötter
I.5.1 Einleitung
Das Wissen um die biologischen Effekte nach Strahleneinwirkung hat mit den technischen
Fortschritten, die in den letzten Jahrzehnten in der Strahlentherapie erreicht werden konnten,
nicht Schritt gehalten. So basiert die Optimierung von Behandlungsplänen primär noch
weitgehend auf mathematischen sowie physikalischen Modellen; strahlenbiologische Effekte
können derzeit nur in begrenztem Umfang in die Bestrahlungsplanung mit einbezogen werden.
Um die Kenntnisse besonders über strahlenbiologische Effekte von Protonen und
Leichtionen zu verbessern, ist als Voraussetzung parallel zum Beginn der Patientenbehandlung
im Rahmen des Med-AUSTRON Projektes eine Intensivierung der strahlenbiologischen
Forschung notwendig. Es ist wünschenswert, daß neben der Strahlenquelle die dafür vorgesehene
Forschungseinheit (das Labor) möglichst bald zur Verfügung steht und in die geplante
Therapieeinheit integriert wird. Dadurch kann eine enge Kooperation zwischen den in der
Grundlagenforschung tätigen Spezialisten und den rein klinisch tätigen Strahlentherapeuten
ermöglicht werden.
I.5.2 Physikalische Grundlagen der Strahlenbiologie für Protonen und
Leichtionen
Der Einsatz leichter Ionen für die Behandlung von Tumoren beruht vor allem auf zwei
wesentlichen Vorteilen gegenüber „konventionellen“ Strahlenarten: Der genau bestimmbaren
Abgabe einer erhöhten Dosis im Tumor und der verstärkten biologischen Wirksamkeit der im
Tumor deponierten Dosis. Die scharf begrenzte Dosisverteilung ergibt sich aus der definierten
Reichweite, der Zunahme des linearen Energietransfers (LET) am Ende der Reichweite sowie der
65
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen
geringen seitlichen Aufstreuung des Ionenstrahls. Dies sind Effekte, die auf den physikalischen
Eigenschaften schwerer geladener Teilchen beruhen: Die Wechselwirkung des Ionenstrahls mit
Materie vollzieht sich hauptsächlich mit den Elektronen des Targetmaterials. Dadurch wird die
Energieabgabe und die seitliche Aufstreuung des Schwerionenstrahls bestimmt.
Die Begründung für die therapeutische Anwendung leichter Ionen wie z.B. Protonen oder
Kohlenstoffionen liegt darin, daß ab einer definierten Eindringtiefe die Energiedeposition bis
zum Bragg-Maximum stark zunimmt und danach steil abfällt. Diese Verlaufskurve des linearen
Energietransfers (LET) ist von der Ordnungszahl der verwendeten Elemente und der Energie der
Teilchen abhängig [1]. Somit ergibt sich für schwere geladene Teilchen eine im Eintrittsbereich
kleinere Energiedeposition als am Ende der Reichweite.
Bei hoher Teilchengeschwindigkeit ist die Wechselwirkung zwischen den Projektil-Ionen
und den Targetelektronen gering und damit die Energieabgabe zunächst klein. Die resultierende
Kurve weist einen für die Therapie sehr günstigen Dosisverlauf auf: Eine niedrige Dosis im
Eingangskanal und eine hohe am Ende der Reichweite mit einem steilen Dosisabfall (siehe Abb.
4.2-3). Für Photonen und Neutronen ist dagegen die integrale Energieabgabe im Eingangskanal
stets größer als im tiefer gelegenen Tumorbereich.
Aufgrund des großen Massenunterschiedes von Elektronen und Ionen sind bei allen
Streuprozessen schwerer Ionen die Ablenkwinkel klein. Diese Massenunterschiede sind auch der
Grund, daß die seitliche Aufstreuung des Ionenstrahls mit steigender Ordnungszahl abnimmt.
Eine deutliche Verringerung der seitlichen Streuung ergibt sich vor allem, wenn man von den
Protonen ausgeht, für die Heliumstahlung und weiter bis zur Kohlenstoffionenstrahlung (jeweils
um den Faktor 2). Ähnlich ist auch die Reichweitenstreuung von Kohlenstoffionen gegenüber
Protonen deutlich reduziert. Für Ionen von Elementen schwerer als Kohlenstoff ist die seitliche
Abgrenzung nur noch unwesentlich schärfer, die Reichweitenstreuung wird durch die
zunehmende Produktion von leichteren Kernfragmenten sogar noch vergrößert, so daß der
Dosisabfall am Ende der Reichweite verflacht.
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
66
Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen
I.5.3 Erhöhung der relativen biologischen Wirksamkeit
Da die Zellinaktivierung im wesentlichen durch DNA-Schäden hervorgerufen wird, hängt
die biologische Wirkung eines Teilchens von der im Zellkern abgegebenen Dosis und damit von
der lokalen Ionisationsdichte innerhalb der Teilchenspur ab. Für beschleunigte Ionen verringert
sich mit abnehmender Geschwindigkeit die Querschnittsfläche der individuellen Teilchenspuren.
Sowohl der LET als auch die lokale Ionisationsdichte innerhalb der Spur sind im Vergleich zu
dünn ionisierender Strahlung - wie Röntgen- oder Gammastrahlung - deutlich erhöht. Dies führt
bei gleicher physikalischer Energieabgabe, d.h. bei gleicher Dosis, zu einer größeren Ausbeute an
nicht reparierbaren Doppelstrangbrüchen und damit zu einem erhöhten biologischen Effekt - der
letztlich zum Zelltod führt [2]. Bei weiterer Erhöhung der lokalen Ionisationsdichten treten
Sättigungseffekte auf und die relative biologische Wirksamkeit (RBW sinkt wieder ab [3]. Bei
den verschiedenen Strahlenqualitäten werden diese Veränderungen durch die RBW beschrieben.
Sie ist definiert als das Verhältnis der Dosen von Röntgen- und Teilchenstrahlen, die zum
gleichen biologischen Effekt führen.
Die Erhöhung der RBW am Ende der Teilchenreichweite bewirkt damit neben einer
günstigeren physikalischen Dosisverteilung noch zusätzlich eine Steigerung des biologischen
Effektes im Tumor gegenüber dem Eingangsbereich (Abb.5.3-1).
67
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen
Abbildung 5.3-1: Bestrahlung von Zellen des Chinesischen Hamsters (CHO) mit 2x107 cm2
Kohlenstoffionen einer Anfangsenergie von 270 MeV/u in verschiedenen
Tiefen einer Wassersäule. oberes Bild: die gestrichelte Linie zeigt die
physikalische Dosis, die durchgezogene Linie zeigt die biologisch effektive
Dosis, die sich aus der Multiplikation der physikalischen Dosis mit der RBW
an den einzelnen Punkten ergibt. Das mittlere Bild zeigt das gemessene
Überleben
und
das
untere
Bild
die
jeweilige relative biologische
Wirksamkeit.
Dieser Effekt, der sich bei Protonen noch nicht bemerkbar macht, nimmt mit steigender
Ordnungszahl des Targetmaterials zu. Bei Ionen von Elementen mit einer höheren Ordnungszahl
als Sauerstoff ist allerdings die RBW schon im Eingangskanal stark erhöht (Abb. 5.3-2). Dadurch
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
68
Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen
sind Hoch-LET-Effekte und in der Folge auch vermehrt Spätschäden im gesunden Gewebe nicht
auszuschließen. Neben einem größeren Anteil letaler Schäden verursacht der hohe LET auch auf
chromosomaler Ebene effektivere und schwerwiegendere genetische Veränderungen [4,5].
Abbildung 5.3-2: Relative biologische Wirksamkeit als Funktion der Eindringtiefe für C,
Ne, Si und Ar-Ionen [6].
Um vermehrte Langzeitschäden im gesunden Gewebe zu vermeiden, ist es nötig, die
maximale Wirkung der ionisierenden Strahlen auf das Tumorvolumen zu beschränken und nur
Ionen zu verwenden, deren RBW im Eingangskanal noch entsprechend niedrig ist. Bei
Kohlenstoffionen sind die Verhältnisse der biologischen Wirkung zwischen Eingangs- und
Tumorbereich optimal und auch bezüglich ihrer Seiten- und Reichweitenstreuung sowie ihrer
Kernfragmentierung zeigen sie günstige Werte. Erste Analysen nach Bestrahlungen mit
Kohlenstoffionen zeigten, daß die geringe RBW-Erhöhung im Eingangsbereich
mit einer
verringerten Anzahl an chromosomalen Veränderungen einhergeht [7].
I.5.4 Biologische Effekte ionisierender Strahlen
Die in der Strahlentherapie übliche fraktionierte Bestrahlung, d.h. die Aufteilung der
Gesamtdosis in eine Anzahl von Einzelfraktionen, die über einen längeren Zeitraum in
regelmäßigen Abständen (üblicherweise 24 Stunden) gegeben werden, dient dazu, das gesunde
69
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen
Gewebe zu schonen und die Wirkung auf den Tumor zu erhöhen. Die strahlenbiologischen
Ursachen, die zu diesem Effekt führen, erklären die 4 R´s [8]:
1. Reparatur subletaler Schäden
2. Redistribution (reassortment) der Zellen innerhalb des Zellzyklus
3. Repopulation
4. Reoxygenierung
Bei der Bestrahlung mit geladenen Teilchen ist zu beachten, daß in Bezug auf die oben
angeführten Effekte die Niedrig-LET-Komponente im Eingangskanal und die Hoch-LETKomponente im Tumor eine unterschiedliche Wirkung hervorrufen. Die Hoch-LET-Komponente
verursacht einen großen Anteil letaler Schäden und gleichzeitig die Abnahme potentiell
reparabler Schäden mit einer Änderung der reparaturabhängigen Effekte. Dies führt zu einer
Erniedrigung des Sauerstoffeffektes, zu einer Nivellierung der Strahlensensibilität zwischen
verschiedenen Zellzyklusphasen, bzw. zwischen schnell und langsam proliferierenden Zellen und
zur Verringerung der Reparatur bei fraktionierter Bestrahlung, - einem wesentlichen Effekt für
die Strahlentherapie mit Ionenstrahlen, die einen hohen LET aufweisen.
Reparatur subletaler Schäden
Wenn eine hohe Gesamtdosis in mehrere Fraktionen unterteilt appliziert wird, können - bei
nicht letalen Dosen - Reparatur- und Erholungsmechanismen wirksam werden. Damit durch die
fraktionierte Bestrahlung der gleiche biologische Effekt wie bei einer Einzelbestrahlung
hervorgerufen wird, muß demnach die Gesamtdosis aus der Summe der Einzelfraktionen einen
höheren Wert ergeben. Dies beruht auf der Fähigkeit vieler Zellen subletale Strahlenschäden zu
reparieren und äußert sich durch eine ausgeprägte Schulter in der Überlebenskurve bei NiedrigLET-Strahlung. Ganz allgemein gilt, daß langsam reagierendes Gewebe langsam repariert wird,
schnell reagierendes Gewebe dagegen in wesentlich kürzeren Zeitabschnitten.
Bei einer fraktionierten Bestrahlung mit Kohlenstoffionen bleibt im Eingangsbereich die
Reparaturfähigkeit im bestrahlungsfreien Intervall weitgehend erhalten. Die Fähigkeit zur
Reparatur nimmt mit steigendem LET jedoch so stark ab, daß sie in einzelnen Fällen bei Hoch-
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
70
Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen
LET-Bestrahlung sogar zu einer Potenzierung der tumorizidalen Wirksamkeit der fraktionierten
Bestrahlung führt.
Redistribution der Zellen innerhalb des Zellzyklus
Die Zellkinetik kann von zwei Gesichtspunkten aus gemessen werden, nämlich der Zellzahl
(Gesamtzellzahl, Mitoseindex usw.) oder zeitlichen Parametern, wie der Zellzykluszeit, der
Verdoppelungszeit usw. Für Tumoren des Menschen betragen Zellzykluszeiten zwischen 15 und
mehr als 100 Stunden, durchschnittlich sind das etwa 2,3 Tage [9]. Im Gegensatz dazu sind die
Volumenverdoppelungszeiten für Tumoren wesentlich länger. Sie betragen zwischen 4 Tagen bis
über 1 Jahr, im Mittel etwa 3 Monate [10].
Die potentielle Verdoppelungszeit (Tpot) wird dabei als Zeit definiert, innerhalb welcher
sich die Zellzahl verdoppeln würde, wenn es zu keinem Zellverlust käme. Biopsien aus Tumoren
weisen etwa zu 2/3 eine Tpot von < 7 Tagen auf [11]. Bei einer Differenzierung nach Tumorart
konnten besonders bei Karzinomen aus dem HNO-Bereich und Zervixkarzinomen sehr kurze
Verdoppelungszeiten von unter 5 Tagen nachgewiesen werden.
Für dünn ionisierende Strahlung zeigen Zellen je nach ihrer Stellung im Zellzyklus eine
unterschiedliche Strahlenempfindlichkeit. Dabei stellt sich zwischen sensiblen und weniger
empfindlichen Phasen ein Unterschied dar, der ähnlich jenem ist, wie er für die Bestrahlung
aerober bzw. hypoxischer Zellen nachgewiesen werden konnte. Am Ende einer S-Phase des
Zellzyklus besteht die größte Strahlenresistenz [12].
Durch eine fraktionierte Bestrahlung können Zellen in empfindlichen Phasen soweit
geschädigt werden, daß sie ihre unbegrenzte Teilungsfähigkeit verlieren und letztlich - meist
nach Durchlaufen von ein bis zwei weiteren Zellzyklen - absterben. Zellen in resistenten
Zyklusphasen verharren kurz in der Phase, in der sie sich unmittelbar vor der Bestrahlung
befunden haben und entwickeln sich dann im Zellzyklus weiter. Dadurch ist zu erwarten, daß bei
der Applikation der nächsten Fraktion - bei der konventionellen Bestrahlung nach etwa 24
Stunden - neuerlich Zellen in einer strahlenempfindlichen Phase vorliegen und damit bleibend
geschädigt werden. Dieses Phänomen einer induzierten Teilsynchronisation, verbunden mit dem
Fortschreiten im Zellzyklus, wird als Redistribution (= reassortment) bezeichnet.
Bei vielen experimentellen Tumoren wurde eine wesentlich geringere Wachstumsrate
nachgewiesen als man primär vermutete. Dies ergibt sich aus der hohen Zellverlustrate. Der
71
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen
Zellverlust kann in zwei Formen ablaufen: dem passiven, zur Nekrose führenden Zelluntergang
und der von der Zelle selbst ausgelösten Apoptose.
Mit steigendem LET nimmt die Anzahl reparaturfähiger Schäden immer mehr ab. Dies
führt zu einer Nivellierung der Empfindlichkeitsunterschiede der einzelnen Zellzyklusphasen.
Bei sehr hohem LET tritt an deren Stelle die Abhängigkeit des Überlebens von der
Zellkerngröße. Zellen mit größerem Zellkern haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, getroffen
und damit inaktiviert zu werden als Zellen mit kleinem Zellkern. Dies gilt sowohl für normale
Zellen und die oft größeren Tumorzellen, aber auch wenn man die verschiedenen
Zellzyklusphasen ein- und derselben Zellinie miteinander vergleicht.
Repopulation
Unter Repopulation versteht man das Wiederauffüllen des Zellpools durch die Zellteilung
und das Weiterwachsen der Zellpopulation nach einer Bestrahlung. Sowohl in Tumoren als auch
in Normalgeweben mit proliferierenden Stammzellen können während einer fraktionierten
Bestrahlung Zellteilungen nachgewiesen werden. Damit wirkt sich die Repopulation für das
gesunde Gewebe als Vorteil, bei Tumoren aber als Nachteil aus. Die Behandlung des Tumors mit
einem zytotoxisch wirkenden Agens - also sowohl eine Radio- als auch eine Chemotherapie kann allerdings eine schnellere Teilung der überlebenden Zellen auslösen. Dies wird als
beschleunigte (akzelerierte) Repopulation bezeichnet. Nach der initialen Einwirkung durch
ionisierende Strahlen ist die Wachstumsrate 3-4 Wochen danach deutlich größer.
Durchschnittlich wachsen diese Tumorzellen 15-20mal schneller als bei Beginn der Bestrahlung
[13-16]. Bisher wurde bei Karzinomen im HNO-Bereich, bei Harnblasen-, Haut- und
inflammatorischem Mammakarzinom, sowie beim Melanom eine beschleunigte Repopulation
nachgewiesen.
Bei der Bestrahlung mit Kohlenstoffionen führt die Hoch-LET-Komponente der Dosis im
Tumor
zu
einer
drastischen
Reduzierung
der
Repopulationswahrscheinlichkeit.
Die
unterschiedliche Repopulation entlang des Kohlenstoffionenstrahls kann daher als ein positiver
Effekt für das Normalgewebe angenommen werden.
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
72
Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen
Reoxygenierung
Als Sauerstoffeffekt definiert man die bis zu dreimal geringere Strahlenempfindlichkeit für
hypoxische Zellen oder Gewebeteile, wie sie in schlecht vaskularisierten Tumoren auftreten
können, verglichen mit Zellen und Gewebeteilen, die gut mit Sauerstoff versorgt sind. Er beruht
darauf, daß potentiell letale Schäden, die in Abwesenheit von Sauerstoff repariert werden
können, in Anwesenheit von Sauerstoff als Schäden fixiert werden.
In Tumoren überwiegt der Sauerstoffverbrauch das Sauerstoffangebot. Wegen der relativ
geringen Diffusionsstrecke von 30-100µm [17] kann es schon bei Tumoren der Größe von etwa
0,75 ml zu einer Hypoxie und damit zu einer reduzierten Strahlenempfindlichkeit kommen. In
einer prospektiven Studie konnte nachgewiesen werden, daß beim Zervixkarzinom der
prätherapeutisch bestimmte Sauerstoffpartialdruck im Tumor einen signifikanten Prognosefaktor
darstellt [18]. Dabei wurde der Mittelwert aus mehreren Messungen bestimmt und eine Gruppe
mit einem pO2 < 10 mmHg einer weitgehend gleichen Gruppe mit einem pO2 = 10 mmHg
gegenübergestellt. Sowohl das Gesamtüberleben als auch das rezidivfreie Überleben waren bei
den zuletzt genannten Patienten mit einem höheren pO2 signifikant besser.
Durch eine Bestrahlung z.B. mit einer hohen Einzeldosis können die meisten der gut mit
Sauerstoff versorgten Zellen abgetötet werden. Die überlebenden Zellen sind überwiegend
hypoxisch und daher weniger strahlensensibel. Da die Abtötung von Zellen letztendlich aber
auch eine Reduktion des Tumorvolumens bewirkt, wird die Durchblutung und damit die
Sauerstoffversorgung der verbliebenen Zellen wieder besser. Dieses Phänomen wird als
Reoxygenierung bezeichnet.
Mit zunehmendem LET verschwindet der Unterschied in der Strahlenempfindlichkeit
zwischen hypoxischen und oxischen Zellen [19]. Das bedeutet, daß bei Bestrahlung mit
Kohlenstoffionen die Strahlenempfindlichkeit eines Tumors durch Reoxygenierung nicht
wesentlich verändert werden kann.
Folgerungen für die Fraktionierung
Ausgehend von einer konventionellen Fraktionierung mit Einzeldosen von 1,8 oder 2 Gy
täglich, 5mal pro Woche, gibt es zahlreiche Möglichkeiten einer Änderung der Applikation von
Einzelfraktionen. Um das therapeutische Verhältnis, das ist der Abstand zwischen der
Tumorkontrollwahrscheinlichkeits- (TCP-) Kurve und der Kurve der Komplikationswahr-
73
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen
scheinlichkeit des normalen Gewebes (NTPC), zu verbessern, wurden verschiedene
Fraktionsschemata eingeführt.
Durch strahlenbiologische Untersuchungen konnte festgestellt werden, daß wenige aber
hohe Einzelfraktionen eher zum Auftreten von Spätschäden führten als zahlreiche Fraktionen mit
einer niedrigen Dosis. Daraus wurde abgeleitet, daß eine Hyperfraktionierung durch die größere
Schonung des Normalgewebes zu besseren strahlentherapeutischen Ergebnissen führt.
Eine hyperfraktionierte Bestrahlung, mehr als 1mal am Tag, wird unter anderem auch
deshalb angewendet, weil man annimmt, daß nach einer Pause von 4-6 Stunden die
Strahlenempfindlichkeit eines Tumors wieder den Ausgangswert angenommen hat. Zellen, die
sich bei der ersten Bestrahlung in der weniger strahlenempfindlichen späten S-Phase befinden,
entwickeln sich im Zellzyklus weiter und kommen dabei nach der angegebenen Zeit in die
sensible Phase (optimale Nutzung des Redistributionseffektes). Die meisten Schemata einer
Hyperfraktionierung sind jedoch Mischformen mit der akzelerierten Bestrahlung, die dadurch
gleichzeitig einer beschleunigten Repopulation entgegenwirken. Eine akzelerierte Fraktionierung
und die daraus resultierende Verkürzung der Gesamtbehandlungszeit ist somit besonders bei
schnell proliferierenden Tumoren wirksam. Die akuten Nebenwirkungen begrenzen jedoch die
Möglichkeiten der Akzeleration, die Spätfolgen bleiben niedrig. Die Vorteile einer akzelerierten
Radiotherapie konnten in mehreren Untersuchungen nachgewiesen werden [20]. Eine
Sonderform
der
akzelerierten
Fraktionierung
stellt
die
kontinuierliche,
nicht
durch
bestrahlungsfreie Wochenenden unterbrochene, hyperfraktioniert-akzelerierte Bestrahlung
(CHART) dar. Dabei wird die Gesamtbehandlungszeit von 6-7 Wochen auf 12 Tage reduziert.
Niedrige Einzeldosen von etwa 1,5 Gy werden 3mal täglich - in zumindest 6-stündlichen
Intervallen - in 36 Fraktionen verabfolgt.
Die hypofraktionierte Bestrahlung mit erhöhten Einzeldosen sollte wegen der dabei
vermehrt auftretenden Spätschäden nur im Rahmen palliativer Therapiekonzepte Anwendung
finden, weil dabei potentielle Spätschäden in der Regel klinisch nicht mehr manifest werden. Bei
der Auswahl zeitlicher Parameter einer Bestrahlungsserie sollte, was die Gesamtbestrahlungszeit
betrifft,
folgendes
Strahlentherapie
ist
Kriterium
die
unbedingt
berücksichtigt
Gesamtbehandlungszeit
Nebenwirkungen so kurz wie möglich zu halten.
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
74
unter
werden:
Nach
Berücksichtigung
Beginn
der
einer
akuten
Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen
Bei der Bestrahlung mit beschleunigten Teilchen sind aufgrund der strahlenbiologischen
Eigenschaften des Teilchenstrahls andere Fraktionierungsschemata möglich. Im Gegensatz zur
Photonentherapie ist dabei ein Einfluß der Fraktionierung auf die Tumorkontrolle wegen der
wirksamen Hoch-LET-Effekte zu vernachlässigen. Zwei andere Faktoren erlauben jedoch
kürzere Fraktionierungsschemata: Erstens bewirkt das inverse Dosisprofil eine niedrigere
effektive Dosis im Normalgewebe. Dadurch kann die Tumordosis erhöht und die Zahl der
Fraktionen verringert werden. Zweitens ist auch für hochenergetische Kohlenstoffionen im
Vergleich zur Photonenstrahlung das a/b- Verhältnis im Eingangskanal erhöht. Dadurch wird der
biologische Sättigungseffekt der Treffer schon bei einer geringen Anzahl von Fraktionen erreicht.
Vergleich Protonen - Kohlenstoffionen
Bei der klinischen Anwendung dieser Strahlung muß sowohl die erhöhte biologische
Wirksamkeit im Tumor als auch im gesunden Gewebe in Betracht gezogen werden. Spätfolgen
im gesunden Gewebe zeigen normalerweise eine Dosiswirkungskurve mit einer ausgeprägten
Schulter, das entspricht einem niedrigen a/b-Verhältnis. Um von der erhöhten biologischen
Wirksamkeit in der Hoch-LET-Region zu profitieren, sollte das a/b-Verhältnis im Tumor kleiner
sein als dasjenige für Spätfolgen im Normalgewebe oder zumindest diesem vergleichbar. Ist in
der Dosiswirkungskurve für den Tumor der a-Term deutlich größer, kann unter Umständen bei
der Bestrahlung mit Kohlenstoffionen die RBW gegenüber einer Photonenbestrahlung nicht
erhöht sein und dadurch gegenüber der Photonentherapie auch kein Vorteil bestehen. In diesem
Fall kann die Bestrahlung mit Protonen günstiger sein. Battermann et al. [21] fanden einen
Zusammenhang zwischen der Form der Dosiswirkungskurve für Photonen und der
Verdopplungszeit des Tumors bei Lungenmetastasen verschiedener Primärtumoren. Langsam
wachsende Metastasen zeigen Dosis-Responsekurven mit ausgeprägten Schultern. Für diese
langsam wachsenden Metastasen konnten nach Neutronenbestrahlung die höchsten RBW-Werte
nachgewiesen werden. Daher ist zu erwarten, daß auch langsam wachsende, für eine
Photonentherapie als nicht strahlenresponsibel geltende Tumoren wie z.B. Chordome,
Chondrosarkome und adenoid-zystische Karzinome, aufgrund der Hoch-LET-Effekte mit
Kohlenstoffionen eher kontrolliert werden können.
75
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen
I.5.5 Strahlenbiologische Aspekte einer Therapie mit Ionen und
Biophysikalische Grundlagen der Bestrahlungsplanung
Derzeit hängt die Planung einer strahlentherapeutischen Behandlung von der Tumorart, der
zu
applizierenden
Gesamtdosis,
den
zu
erwartenden
Nebenwirkungen,
dem
Fraktionierungsschema wie der Definition des Planungszielvolumens ab. Aufgrund dieser
Parameter wird eine Dosisverteilung auf
zweidimensionaler oder dreidimensionaler Basis
berechnet. Weiters können nach Auswertung der Dosisverteilungen die sogenannten DosisVolumen-Histogramme erstellt werden. Die Werte für die Normalgewebstoleranz und die
vorgeschriebene therapeutische Dosis basieren einerseits auf klinischer Erfahrung, andererseits
auch auf experimentellen Daten der Literatur, z.B. aus Tierexperimenten oder Versuchen in der
Zellkultur. Für eine Niedrig-LET Therapie mit Photonen oder Elektronen kann zum Beispiel
angenommen werden, daß die biologisch effektive Dosis weitgehend mit der physikalischen
Dosis übereinstimmt. Diese Annahme gilt nicht für eine Bestrahlung mit Hoch-LET Strahlen;
besonders nicht für eine Bestrahlung mit Leichtionen, die in Abhängigkeit von ihrer Position
entlang der Tiefendosiskurve innerhalb des Planungszielvolumens eine unterschiedliche
biologische Wirkung haben. Um dem Ziel einer biologischen Bestrahlungsplanung näher zu
kommen, müssen weitere experimentelle Studien durchgeführt werden, deren Ziel es ist, den
Zusammenhang zwischen dem biologischen Effekt und der Position des Teilchens zu erforschen.
Daraus geht hervor, daß die Erstellung geeigneter biologisch-mathematischer Modelle eine
der Hauptaufgaben der Forschungstätigkeiten innerhalb des Med-AUSTRON Projektes sein
wird. Die Forschung auf diesem Gebiet soll in näherer Zukunft die Grundlagen für eine
biologische Bestrahlungsplanung liefern.
Mehrdimensionale Strahlentherapie
Historisch betrachtet hat die Entwicklung innerhalb der Radiotherapie von der sogenannten
zweidimensionalen zur dreidimensionalen Bestrahlungsplanung und weiter zur Konformationstherapie [22] geführt.
Fortschritte in dieser Richtung werden auch in die Photonentherapie eingehen, wobei,
basierend auf unterschiedlichen Modellen, zusätzlich individuelle und/oder tumorspezifische
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
76
Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen
Parameter (die sogenannte vierdimensionale Bestrahlungsplanung) mit einbezogen werden. Zur
grafischen Erläuterung dieses Begriffes siehe Abbildung 5.5-1.
Abbildung 5.5-1: Vier-dimensionale Strahlentherapie: Technische Fortschritte haben es
ermöglicht eine höhere Tumordosis zu applizieren und gleichzeitig das
Normalgewebe zu schonen (drei Dimensionen); eine zusätzliche
Verbesserung kann durch die Einbeziehung einer vierten Dimension
(biologische Faktoren) erzielt werden.
77
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen
Für die Behandlung ausgedehnter Tumorbereiche muß die natürliche, einige Millimeter
betragende Ausdehnung des Bragg-Maximums verbreitert werden. Durch aktive Energievariation
kann die Reichweite verändert und damit das Bragg-Maximum über den gesamten Tumorbereich
ausgedehnt werden; Plateaubereich und Bragg-Peak-Bereich werden überlagert. Durch die
Reichweitenmodulation wird die starke Überhöhung im Bragg-Peak reduziert. Trotzdem bleibt
die Tiefendosisverteilung, bezogen auf das Normal- und Tumorgewebe, erheblich günstiger
verglichen mit dem, bei elektromagnetischer Strahlung und bei Neutronen nachzuweisendem,
exponentiellen Abfall der Dosis (Abbildung 5.5-2).
Abbildung 5.5-2: Zellüberleben von CHO Zellen nach Bestrahlung mit einem
Kohlenstoffionenstrahl mit 227 MeV/u maximaler Energie. Das obere
Bild zeigt die eingestrahlte Dosis, das mittlere Bild das jeweilige
Überleben und das untere die RBW, die sich daraus an jedem Punkt
ergibt. Wie erwartet, ist die RBW in dem als Tumor definierten und
mit stoppenden Teilchen belegten Teil am höchsten, man sieht aber
auch die geringere absolute RBW bei niedrigerem Überleben.
Bei einer tumorkonformen Bestrahlung irregulärer Volumina ergeben sich für Leichtionen
besondere Schwierigkeiten. Es ändert sich nicht nur die Zusammensetzung des Strahls mit
Energie undOrdnungszahl an den einzelnen Punkten des Targetvolumens sondern in
beschränktem Maße auch diejenige des Eingangskanals durch Energievariation, Energieverlust
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
78
Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen
und Kernfragmentation Das führt dazu, daß sich die Dosis in jedem einzelnen Targetpunkt aus
einer Reihe von Einzeldosen mit unterschiedlichem LET zusammensetzt. Für solch ein
Strahlungsfeld mit unterschiedlicher Teilchenzusammensetzung läßt sich kein einheitlicher
Zusammenhang zwischen Dosis und biologischer Wirkung herstellen.
Für die Ermittlung der biologisch effektiven Dosis muß also die Zusammensetzung des
Strahls nach Energie, Ordnungszahl und LET bekannt sein. Dann kann die RBW jedes Teilchens
einzeln
berechnet
werden.
Dabei
sind
die
vorher
dargelegten
Änderungen
des
Reparaturverhaltens ebenso zu berücksichtigen wie die Tatsache, daß die RBW für
unterschiedliche Überlebensniveaus nicht einheitlich ist. Um diese Schwierigkeiten zu
überwinden, wurde ein Modell entwickelt, das die Empfindlichkeit von Gewebe gegenüber
Ionenbestrahlung von der Empfindlichkeit gegenüber einer Bestrahlung mit Photonen ableitet. Es
benutzt als Eingangsgrößen die Überlebenskurve nach Photonenstrahlung die radiale
Dosisverteilung innerhalb der Teilchenspur und die Größe des sensitiven Targetsd.h. des
Zellkerns. Dieses Modell, das zunächst für Zellkulturen entwickelt wurde, läßt sich auf beliebige
Gewebe übertragen, sofern deren Verhalten gegenüber dünn ionisierender Strahlung bekannt ist
[23,24].
Bei Kenntnis sämtlicher physikalischer Parameter des Strahls und der aus dem oben
angegebenen
Modell
ermittelten
RBW-Werte
kann
mit
Hilfe
einer
geeigneten
Näherungsmethode eine Bestrahlungsplanung erfolgen
79
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen
.
I.5.6 Strahlenbiologische Grundlagenforschung innerhalb von
Med-AUSTRON - Offene Fragen und Experimente
Derzeit gibt es nur einige wenige Forschungszentren weltweit, an denen strahlenbiologische
Grundlagenforschung mit Leichtionen durchgeführt wird. Das Lawrence Berkely Laboratory ist
derzeit eine der wenigen Institutionen, die eine nennenswerte klinische Erfahrung mit
Leichtionen haben und an denen auch gleichzeitig strahlenbiologische Grundlagenforschung
betrieben wird. Das Med-AUSTRON Projekt wird daher einen ganz wesentlichen Platz - auch
aus internationaler Sicht - einnehmen.
Allgemeines
Die Individualisierung der Strahlentherapie ist eines der wichtigen ungelösten Probleme der
Strahlentherapie.
Dieses
Problem
bezieht
sich
nicht
nur auf die Anpassung des
Behandlungsvolumens an das entsprechende Tumorvolumen, sondern auch auf das individuelle
biologische Verhalten des Tumors. Bei der Ionentherapie kommt hierzu noch die Abhängigkeit
von der unterschiedlichen RBW des Tumor- und Normalgewebes. Um solche Fragen zu lösen,
ist es notwendig, ein biologisches Begleitprogramm zu erstellen, in dem versucht wird, eine
Korrelation der biologischen Wirkung zwischen den durch Biopsie entnommenen, und im Labor
weiter kultivierten und bestrahlten Zellen und den in-vivo bestrahlten Normalgeweben und
Tumoren herzustellen. Hauptaufgabe der strahlenbiologischen Forschung für die Ionentherapie
wird es sein, solche Korrelationen zu finden, um mit Hilfe von prädiktiven Tests in Zukunft eine
auf den jeweiligen Tumor und Patienten bezogene biologische Bestrahlungsplanung erstellen zu
können. Es ist deshalb notwendig, die Effekte einer Bestrahlung auf verschiedene biologische
Systeme genauer zu untersuchen. Innerhalb der physikalischen, chemischen und biochemischen
und biologischen Verlaufskette der Strahlenwirkungen sind die biologischen (klinischen)
Wirkungen das letzte Glied.
Die biochemischen Effekte können letztendlich zu Zellschäden und zum Zelltod führen.
Auch mit der Erforschung und Beschreibung dieser Phänomene auf makroskopischer wie auch
mikroskopischer Ebene beschäftigt sich die Strahlenbiologie.
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
80
Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen
Spätfolgen
Während das Problem der tumorkonformen Bestrahlung schon annäherungsweise lösbar
scheint, ist über die Entstehung von Spätfolgen im gesunden Gewebe nach Ionenbestrahlung
noch sehr wenig bekannt. Es ist anzunehmen, daß durch die Einführung geeigneter Systeme mit
Primärkulturen, durch Tierversuche mit Langzeitbeobachtungen und durch klinische
Beobachtungen am Menschen mehr Erfahrungen zu diesem wichtigen Punkt gewonnen werden
können.
Fraktionierung
Ein weiteres, noch nicht gelöstes Problem der Bestrahlung mit Leichtionen ist die Erstellung
geeigneter
Fraktionierungsschemata.
Wie
aus
experimentellen
und
auch
klinischen
Beobachtungen bekannt ist, beeinflußt die Fraktionierung die Effekte auf den Tumor wie auch
auf das Normalgewebe. Sowohl für die konventionelle Fraktionierungsmethode über 6 Wochen
als auch für eine ausgesprochen kurze Behandlungszeit von 10-14 Tagen lassen sich – je nach
der individuellen Behandlungssituation - Argumente finden. Zell- und auch Tierexperimente, die
– ähnlich wie im Rahmen einer Bestrahlungsserie - über einen längeren Zeitraum gehen, können
über das Reparaturverhalten der unterschiedlichen biologischen Systeme Aufschluß geben.
I.5.7 Zukunftsaspekte: Von der klassischen Strahlenbiologie zur modernen
Strahlenbiologie
Die Konvergenz von strahlenbiologischer Grundlagenforschung und Molekularbiologie wie
auch das Zusammenwachsen mit anderen strahlenbiologischen Teilgebieten, wie etwa der
Strahlenchemie, wird zu vollkommen neuen Entwicklungen innerhalb der Strahlenbiologie
führen [25].
Das Konzept eines kritischen Volumens in der Zelle, in der ionisierende Ereignisse
stattfinden müssen, um zu meßbaren zellulären Reaktionen zu führen, war lange ein Paradigma
der „klassischen“ Strahlenbiologie. Das Chromosom wurde als die wichtigste strahlensensitive
Substruktur in der Zelle betrachtet. Jedoch hat sich dieses Bild in letzter Zeit verändert. Durch
81
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen
die Einführung neuer Methoden aus der Molekularbiologie ist es erst in den letzten Jahren
möglich geworden, die strahleninduzierten Veränderungen auf molekularer Ebene besser
nachzuvollziehen.
In
den
letzten
zwei
Dekaden
hat
sich
der
Schwerpunkt
der
Forschungsaktivitäten auf die Mechanismen der strahleninduzierten Veränderungen vor allem an
der Erbsubstanz (Strangbruchinduktion) konzentriert. Diese Forschungsaktivitäten können
inzwischen der klassischen Strahlenbiologie zugeordnet werden. Das Bild einer sogenannten
„klassischen“ Strahlenbiologie kann der „modernen“ Strahlenbiologie gegenüber gestellt werden.
In dem neueren Modell ist zum Beispiel die Aktivierung verschiedener Gene oder die
Beeinflussung von Signaltransduktionswegen bereits mit berücksichtigt.
Sehr
wenig
ist
über
die
Effekte
radioaktiver
Strahlen
auf
zytoplasmatische
Signaltransduktionswege bekannt. Kürzlich wurde entdeckt, daß ionisierende Strahlen eine
Kaskade intrazellulärer Ereignisse in der Zelle bewirken können. Ein wichtiges Forschungsgebiet
wird
daher
das
Studium
der
durch
Strahlen
bedingten
Veränderungen
der
Signaltransduktionswege sein. Diese Veränderungen können sowohl zu einer Aktivierung als
auch zu einer Inhibierung intrazellulärer Enzyme führen (zum Beispiel zu einer Aktivierung der
Protein Kinase C oder zu einer Aktivierung verschiedener Tyrosinkinasen). Auch hier wird ein
Schwerpunkt im Rahmen von Med-AUSTRON die Untersuchung von Unterschieden in den
Einflüssen verschiedener Strahlenqualitäten auf diese Prozesse sein.
In den letzten Jahren wurde erkannt, daß ioniserende Strahlen zu spezifischen
Veränderungen in der Zelle führen können. Dazu zählt man die Induktion wie auch Inhibierung
der Expression verschiedener Wachstumsfaktoren und Zytokine. Diese Effekte haben
möglicherweise eine Bedeutung für die Kontrolle des Zellzyklus, von Reparaturprozessen und
auch für die Repopulation. Sie
könnten auch für die Entstehung und Entwicklung
von
Strahlenschäden, bspw. einer Fibrose von Bedeutung sein. Weiters ist anzunehmen, daß diese
Faktoren auch einen Einfluß auf die Strahlensensibilität von Geweben und Organen haben.
Welche Mechanismen, abgesehen von Doppelstrangbrüchen, können den Eintritt des
Zelltodes verursachen (zum Beispiel Apoptose, Membranveränderungen, etc.)? Ist es möglich,
diese durch eine Bestrahlung induzierten Prozesse selektiv zu beeinflussen?
Die Aktivität verschiedener Gene wird durch Strahlung moduliert. Dazu zählen der GewebePlasminogen Aktivator (t-Pa), Onkogene sowie Gene, die das Wachstum und die Differenzierung
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
82
Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen
regulieren. Die Induktion (und Repression) von Genen durch radioaktive Strahlen hängt sehr
wahrscheinlich mit der phänotypischen Antwort der Zelle zusammen und wirkt u.a. über eine
Beeinflussung von DNA-Reparatur, Apoptose, mitotischem Zelltod, Mutagenese und
Karzinogenese. Es wird sicherlich von entscheidender Bedeutung sein, in Zukunft mehr Wissen
über die durch Bestrahlung induzierten Veränderungen in der Genexpression zu gewinnen.
Wird es möglich sein, Faktoren zu bestimmen, die die Strahlensensibilität einzelner Zellen
oder Gewebe vorhersagen? Kürzlich wurden Gene identifiziert, (p53, Bcl-2, ATM, Ras, SOD,
u.a.), deren Expression mit der Strahlensensibilität in manchen Geweben korreliert. Einige
dieser Faktoren (Gene) könnten in Zukunft eine Rolle im Rahmen von sogenannten „predictive
assays“ spielen.
Siehe auch allgemeine und weiterführende Literatur über moderne Aspekte der
Strahlenbiologie und Apoptose [26,27] einschließlich Gentherapie [28,29].
I.5.8 Biologisches Begleitprogramm: Beispiele für wichtige Fragestellungen
der klinischen und experimentellen Strahlenbiologie
Eine Liste der wesentlichen experimentellen Fragestellungen, die im Rahmen von MedAUSTRON untersucht werden sollen, ist im Folgenden angeführt. Insbesondere soll darauf
hingewiesen werden, daß sich viele Experimente auch mit den Unterschieden in den
biologischen Wirkungen zwischen den verschiedenen Strahlenqualitäten beschäftigen sollen.
Molekulare Genetik
· Untersuchungen zu den Mechanismen der durch Strahlen induzierten DNA-Schäden und
chromosomalen Aberrationen.
· Untersuchungen zum Einfluß genetischer Faktoren auf die Strahlenwirkungen (z.B. bei
AT, XP, Bloom's Syndrom, Fanconi Anämie, Cocakyne Syndrom u.a. Erkrankungen).
· Einfluß von Onkogenen u.a. auf die Strahlenresistenz von Tumoren.
· Untersuchungen zur strahleninduzierten Karzinogenese und zu den hereditären Effekten
einer Bestrahlung. Wirkungen von Strahlen auf den Embryo und auf den Fötus.
83
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen
Zellüberleben und Zelltod
· Bestimmung des Zellüberlebens und Erstellen von Dosis-Wirkungsbeziehungen für
verschiedene Normal- und Tumorgewebe (Untersuchungen zur Radiosensitivität und
ihrem Zusammenhang mit der Histologie). Untersuchungen der Wirkungsmechanismen
neuer Strahlenqualitäten. Bestimmung der relativen biologischen Effekte verschiedener
Strahlenqualitäten.
· Untersuchungen zu den Mechanismen des Zelltodes (z.B. Bedeutung der Apoptose).
Experimentelle Modelle
· Die Entwicklung von geeigneten Modellen - sowohl tierexperimentell wie auch in vitro um die Strahleneffekte auf Menschen möglichst gut nachzuvollziehen.
Aufklärung der DNA-Reparaturmechanismen
· Aufklärung der Mechanismen der DNA-Reparatur und der involvierten Enzyme nach
Bestrahlung mit unterschiedlichen Strahlenarten.
Mechanismen der inter- und inrazellulären Signaltransduktion
· Untersuchungen der Wirkungen von Strahlen auf die Signaltransduktion und auf die
Expression von Genen.
Quantitative Strahlenbiologie
· Erstellung mathematischer Modelle zur Vorhersage der optimalen Dosis und
Fraktionierung.
Wechselwirkungen mit anderen Substanzen
· Wechselwirkungen von Strahlen mit Chemotherapeutika, Pharmaka und anderen
Modifikatoren der Strahlenwirkung, z.B. Hyperthemie; Entwicklung von
Radiosensitizern und Radioprotektoren.
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
84
Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen
Predictive assays
· Erforschung von Parametern der individuellen Strahlensensibilität und Entwicklung von
prädiktiven Assays.
Evaluation neuer potentieller Therapien
· Neue potentielle Therapien sollen evaluiert werden, um die Effizienz der Strahlentherapie
zu steigern: z.B. durch Einsatz von Zytokinen oder der Gentherapie - Modifikation von
erwünschten und unerwünschten Wirkungen.
Strahlenbiologie und Strahlenschutz bei der bemannten Raumfahrt
Ein wesentliches Problem der bemannten Raumfahrt ist die kosmische Strahlung, der die
Astronauten ausgesetzt sind. Diese Strahlung, die sich aus verschiedenen Partikeln
zusammensetzt, führt zu einer signifikanten Gesundheitsgefährdung, die nicht ausreichend
abgeschätzt werden kann. Das Risiko steigt mit der Länge der Aufenthaltsdauer an, wie zum
Beispiel in den Raumstationen, die in permanentem Betrieb sind, oder wie es bei den geplanten
Missionen zum Mars sein könnte.
Die Untersuchung von biologischen Effekten verschiedener Partikel und eine experimentelle
Evaluierung von RBW-Werten zur Abschätzung des Risikos ist daher von großer Bedeutung.
Diese Fragestellungen könnten im Rahmen des Med-AUSTRON Projektes untersucht werden
[30].
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Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
88
Band I.6: Bisherige klinische Resultate
I.6 Bisherige klinische Resultate der Protonen- und
Leichtionentherapie
F. Sedlmayer, K. Kapp, A. Hackl, H.D. Kogelnik,
I.6.1 Einleitung
Erste Erfahrungen über die klinische Anwendung von Protonen stammen aus den 50er
Jahren aus Berkeley [50, 80] und aus Uppsala [48, 49].
Die damaligen Indikationen am Lawrence Berkeley Laboratory (LBL) lagen primär in der
Behandlung
von
Hypophysentumoren,
diabetischen
Retinopathien
und
Hypophysen-
Ausschaltungen bei metastasierten Mammakarzinomen [51, 54, 81]. Es kamen dabei durchwegs
wenige Fraktionen in hoher Einzeldosierung zum Einsatz.
In Uppsala wurden zunächst funktionelle neurologische Erkrankungen einer Bestrahlung
zugeführt, erst sekundär wurde die Behandlung von malignen Tumoren in das Programm
inkludiert.
Am Massachussetts General Hospital - Harvard Cyclotron Laboratory (MGH-HCL) wurden
Protonen in den 60er Jahren klinisch eingesetzt, wobei primär die Behandlung von
Hypophysenerkrankungen und die Therapie zerebraler arteriovenöser Malformationen im
Vordergrund standen [38, 39, 40, 41]. Auch in diesem Zentrum wurde erst in den folgenden
Jahren die Tumortherapie in das Programm aufgenommen.
Ebenfalls aus den 60er Jahren stammen die ersten Erfahrungen vom Institut für theoretische
Physik in Moskau (ITEP) sowie aus Japan vom Nationalen Institut für Radiologische
Wissenschaften (NIRS) und in der Folge dem Proton Medical Research Center (PARMS) in
Tsukuba. Auch in diesen Instituten stand die Radiotherapie hypophysärer Erkrankungen im
Vordergrund der klinischen Forschung.
Am MGH-HCL begannen 1974 Suit et al. Langzeitstudien über lokale DosisEffektbeziehungen im Bragg-peak-Bereich an ausgewählten Tumorentitäten, die einer
fraktionierten Protonenbestrahlung zugeführt wurden. Die technischen Vorgaben hinsichtlich
Strahlenenergie und Eindringtiefe an diesem Beschleuniger beschränkte die klinische Forschung
89
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.6: Bisherige klinische Resultate
im wesentlichen auf eher oberflächennahe gelegene Zielvolumina wie Tumoren des
Kopf/Halsbereichs, paraspinale Tumoren, aber auch selektiert auf Prostatakarzinome [2, 3, 4, 5,
30, 62, 63, 76, 78].
1975 begannen Castro et al. an der University of San Francisco (UCSF) in Zusammenarbeit
mit dem LBL klinische Dosis-Effekt-Studien von Leichtionen bei der Bestrahlung maligner
Tumoren [13, 14, 17, 20, 56, 57]. Ziel dieser Untersuchungen war primär, den relativen Beitrag
der physikalisch-ballistischen Eigenschaften oder aber der radiobiologischen Vorteile bei der
Verwendung dieser Strahlenqualitäten zu definieren.
Nach der Verfügbarkeit der Computertomographie sowie - darauf basierend - der
Entwicklung computerunterstützter, dreidimensionaler Bestrahlungsplanungssysteme wurden am
MGH-HCL und am UCSF-LBL die ersten umfangreicheren Studien zur fraktionierten Braggpeak-Therapie ermöglicht.
Bis 1996 wurden weltweit über 17.000 Patienten einer Ionenbestrahlung zugeführt, von
diesen Patienten wurden ca. 14.000 mit Protonen behandelt. Einrichtungen zur Radiotherapie mit
Protonen existieren derzeit in 10 Ländern; in einigen Staaten werden in naher Zukunft
zusätzliche Zentren eröffnet werden. Am UCSF-LBL kamen aufgrund der leichteren technischen
Herstellbarkeit Heliumionen anstatt Protonen zum Einsatz.
Die OER (oxygen enhancement ratio: Sauerstoffverstärkungseffekt) von Heliumionen
wurde mit einem Faktor 2,5 - 3 angegeben [8, 9, 50]. Die klinische Wertigkeit scheint mit jener
von Protonen vergleichbar zu sein, obwohl für Heliumionen die RBE (relative biologische
Effektivität) für die meisten Gewebearten mit einem 1,2 bis 1,4-fachen Wert angegeben wird
(lediglich für das ZNS wurden Werte um 1,6 angenommen). Im Vergleich dazu wurde am MGHHCL für die Wertung der RBE von Protonen ein geschätzter Faktor von 1,1 verwendet.
Das verfügbare Energiespektrum der Heliumionen reichte von 150 - 232 MeV. Tumordosen
wurden in GyE (Gray-Äquivalent) ausgedrückt, wobei die physikalische Dosis mit dem RBEFaktor multipliziert wurde, so daß im Vergleich zu Photonenbestrahlungen von gleichen
Wahrscheinlichkeiten im Auftreten von Spätreaktionen auszugehen war.
Die physikalischen Eigenschaften von Protonen und Heliumionen, aber auch z.B. von
Kohlenstoffionen sind hervorragend geeignet, eine präzise Hochdosisbestrahlung eines
Zielvolumens bei gleichzeitiger besserer Schonung umliegender Risikostrukturen (wie etwa
zentralnervöse Strukturen, Hirnnerven und Rückenmark) durchzuführen [70, 71]. Dadurch
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
90
Band I.6: Bisherige klinische Resultate
werden im Vergleich zu konventionellen Photonenbestrahlungen bei bestimmten Tumorentitäten
Dosiseskalationen von 10% - 35% ermöglicht, die über eine Zunahme der lokalen
Tumorkontrollraten letztlich zu höheren Überlebensraten führen.
Der klinische Einsatz dieser Strahlenqualitäten erforderte intensive Vorarbeiten auf dem
Gebiet der radiobiologischen Grundlagenforschung, aber auch im technisch-apparativen Bereich,
beginnend mit CT-, MRI- und PET- gestützter Bestrahlungsplanung über die Entwicklung von
dreidimensionalen Planungssystemen, geeigneten Lagerungsvorrichtungen und vieles mehr. Die
bisherigen Erfahrungen am MGH-HCL und am UCSF-LBL haben für einige Tumorentitäten im
Vergleich zu historischen Daten eine deutliche Verbesserung der lokalen Tumorkontrollen und
des Gesamtüberlebens gezeigt.
I.6.2 Tumoren im Bereich der Schädelbasis
Bei der Leichtionenbestrahlung von Tumoren im Bereich der Schädelbasis wurden während
der letzten 15 Jahre Verbesserungen in der Bestrahlungsplanung und der Genauigkeit der
Dosisapplikation erzielt. Einerseits wurde durch die verbesserte Diagnostik (CT, MRI)
konsekutiv eine präzisere Umsetzung in immer komplexeren Planungssystemen erreicht,
andererseits erlaubt die Entwicklung auf dem Feld neurochirurgischer Techniken heute oft
zumindest eine Tumorreduktion in anatomisch schwer zugänglichen Regionen. Verbliebene
Tumorreste sind für die Strahlentherapie besser geeignet. Da diese Tumoren überwiegend nicht
metastasieren, drückt sich eine Zunahme lokaler Tumorkontrollraten direkt in erhöhten
Gesamtüberlebensraten aus. Die prognostisch wichtigsten Faktoren sind Tumorhistologie,
Tumorgröße und Zeitpunkt der Behandlung (Ersttherapie/Rezidivtherapie).
Resultate am UCSF-LBL
Zwischen 1977 und 1992 wurden am UCSF-LBL 126 Patienten mit Schädelbasistumoren
bestrahlt [7, 12, 71]. 109 Patienten wurden mit Heliumionen behandelt, bei 17 Patienten wurde
ein Teil der Therapie mittels Neonionen durchgeführt. Die mittlere Nachbeobachtungszeit beträgt
61 Monate.
Bei 53 Patienten lag ein Chordom vor, bei je 27 Patienten lautete die Histologie
Chondrosarkom bzw. Meningeom, bei 19 Patienten wurden andere Histologien beschrieben (wie
91
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.6: Bisherige klinische Resultate
Osteosarkom oder Neurofibrosarkom). In 4 Fraktionen pro Woche wurden Gesamtdosen von
60 - 80 GyE (im Mittel 68 GyE) mit einer täglichen Einzeldosis von 2 GyE appliziert. Die
gerechnete RBE für Heliumionen betrug an ZNS-Strukturen 1,6, für alle anderen Gewebe 1,3.
Die oberen Grenzen der Toleranzdosen lagen beim Hirnstamm bei 60 GyE, am Chiasma opticum
bei 55 GyE und am Halsrückenmark bei 45 GyE.
Durch Einschränkungen in der zeitlichen Verfügbarkeit wurden die Heliumbehandlungen oft
mit Photonenbestrahlungen im Ausmaß von 30-70% der Gesamtdosis kombiniert. Die lokale
Tumorkontrolle und das Gesamtüberleben waren bei allen Tumorhistologien im Vergleich zu
historischen Kollektiven verbessert. Bezogen auf alle 126 Patienten lagen die lokalen
Tumorkontrollraten nach 5 Jahren bei 71% und nach 10 Jahren bei 57%; die Überlebensraten
nach Kaplan/Meier [35] betrugen nach 5 Jahren 77% und nach 10 Jahren 62%. Die 5-JahresTumorkontrollraten für Meningeome betrugen 85%, Chondrosarkomen 78%, Chordomen 63%
und für andere Sarkome 58% (Tabelle 6.2-1).
Die lokalen Tumorkontrollraten nach 5 Jahren nahmen von 60% bei den ersten Patienten,
die zwischen 1977 und 1986 behandelt wurden, auf 78% bei den zwischen 1978 und 1992
bestrahlten Patienten zu, was den Einfluß der verbesserten Technologien hinsichtlich
Bestrahlungsplanung,
Dosisapplikation,
Einsatz
von
MRI
und
verbesserter
Patientenimmobilisierung klar dokumentiert.
Für die 109 Patienten, die mit Heliumionen bestrahlt wurden, lagen die 5- und 10-JahresTumorkontrollraten bei 78% bzw. 62%; die Überlebensraten nach 5 und 10 Jahren betrugen 84%
und 70%. In der histologischen Zuordnung lagen die 5-Jahres-Raten bezogen auf die lokale
Tumorkontrolle bei 88% für 23 Patienten mit Chondrosarkomen, weiters bei 60% für 48
Patienten mit Chordomen und bei 89% für 26 Patienten mit Meningeomen [10]. Bei anderen
Sarkomhistologien (inkl. Osteosarkome) lagen die 5-Jahres- Lokalkontrollraten bei 58%, wobei
die Gesamtüberlebensrate nach 5 Jahren 71% betrug.
Kaplan und Mitarbeiter werteten die Ergebnisse nach Heliumbestrahlung von nicht oder nur
teilweise resezierten Meningeomen der Schädelbasis oder des Rückenmarks aus [36]. Zwischen
1981 und 1992 wurden am LBL 29 Patienten mit solchen Tumoren mittels Heliumionen
bestrahlt; 26 Tumorlokalisationen lagen intrakraniell, 3 Patienten litten an einem spinalen
Tumor. Es wurden Gesamtdosen von 53-80 GyE (im Mittel 63 GyE) verabreicht. Die lokalen
Tumorkontrollraten sowie die Gesamtüberlebensraten nach 10 Jahren betrugen 84% bzw. 80%.
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
92
Band I.6: Bisherige klinische Resultate
Die einzigen Tumorrezidive wurden bei 4 Patienten in der Frühphase der Studie verzeichnet.
Mittlerweile wird bei nicht- oder teilresezierbaren Meningeomen, die in unmittelbarer Nähe von
radiosensiblen ZNS-Strukturen oder Hirnnerven gelegen sind, eine Leichtionenbestrahlung mit
60 GyE als Standardbehandlung empfohlen.
Am LBL wurden darüber hinaus 97 Patienten bestrahlt, bei denen die primäre
Tumorlokalisation im Bereich der Speicheldrüsen, des Nasopharynx oder der paranasalen Sinus
gelegen war und die sekundär in die Schädelbasis einwuchsen. Auch bei diesen prognostisch
sehr ungünstigen Situationen wurden nach 5 Jahren sehr gute lokale Tumorkontrollraten erzielt,
die je nach Histologie zwischen 45 und 83% gelegen waren [28, 62]. Behandlungstechnik und
Dosierung waren vergleichbar mit den Patienten mit primären Schädelbasistumoren.
Resultate am MGH-HCL
Am MGH-HCL wurden seit 1974 über 250 Patienten mit Tumoren der Schädelbasis und des
zervikalen
Rückenmarks
bestrahlt,
wobei
primär
Chordome
und
niedrig
maligne
Chondrosarkome behandelt wurden [1, 3, 6, 62, 77]. Diese Studien wurden von Munzenrider et
al. [63] in einem Bericht über 194 Patienten mit Chordomen und niedrig malignen
Chondrosarkomen erneut analysiert. Die Tumordosen lagen bei 57-76 GyE (mediane Dosis
68 GyE), wobei eine RBE für Protonen von 1,1 gerechnet wurde. Die üblichen täglichen
Einzeldosen lagen bei 1,8 GyE, die Therapie erfolgte an 5 Tagen pro Woche, üblicherweise
kamen 4 Fraktionen mit Protonen und 1 Fraktion mit Photonen zum Einsatz. Das
lokalrezidivfreie Überleben lag nach 5 Jahren bei 76%, das Gesamtüberleben nach 5 Jahren für
das gesamte Kollektiv bei 90%. Bei Patienten mit Chondrosarkomen betrug das lokalrezidivfreie
Überleben 95% nach 5 Jahren, bei den nicht-chondroiden Chordomen lag das lokalrezidivfreie
Überleben nach 5 Jahren lediglich bei 62%. In dieser Gruppe wurde auch ein
geschlechtsspezifischer Unterschied beschrieben (das lokalrezidivfreie 5-Jahres-Überleben
betrug 63% bei weiblichen Patienten im Vergleich zu 89% bei männlichen Patienten), wobei die
Gründe unklar blieben.
Derzeit sind weitere Studien der Proton Radiation Oncology Group (PROG) im Gange, um
vor allem für die Chordome der Schädelbasis den Effekt höherer Enddosen bis zu 79 GyE zu
bestimmen.
93
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.6: Bisherige klinische Resultate
Patienten mit Tumoren im Bereich des zervikalen Rückenmarks zeigten eine schlechtere
Prognose als Patienten mit Schädelbasistumoren, wobei das Gesamtüberleben nach 5 Jahren für
erstere 73% und 90% für letztere betrug.
Am MGH-HCL wurden bei paraklival gelegenen Meningeomen ähnliche Resultate
berichtet. Austin-Seymour et al. veröffentlichten einen Bericht über 13 Patienten, die nach
subtotaler Resektion mit einer Protonenbestrahlung von 59,4 GyE im Mittel behandelt wurden
[3]. Nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 26 Monaten waren alle 13 Patienten lokal
tumorfrei.
I.6.3 Komplikationen der Leichtionenbestrahlung im Bereich der
Schädelbasis
Am MGH-HCL berichtete Munzenrider über eine Gesamtkomplikationsrate von 34% (alle
Komplikationsgrade) [62, 63, 83]. Grad 3-4 Komplikationen wurden lediglich bei 8% der
Patienten beobachtet, kein Patient verstarb an therapieinduzierten Nebenwirkungen. Als
häufigste Nebenwirkungen wurden Einschränkungen des Hörvermögens berichtet (36 Patienten),
weiters endokrine Dysfunktionen (28 Patienten), Hirnnekrosen unterschiedlichen Ausmaßes bei
24 Patienten sowie Visusbeeinträchtigungen bei 8 Patienten.
Am UCSF-LBL konnten 185 Patienten mit primären Schädelbasistumoren ausgewertet
werden, davon waren 126 Patienten nach 1-15 Jahren tumorfrei [7, 12]. Dabei zeigte sich, daß
zwischen 1977 und 1986, als die Bestrahlungsplanung noch primär CT-gestützt erfolgte und die
Behandlungstechniken erst in Entwicklung waren, 12 von 29 (41%) Patienten Grad 3, 4 oder 5 (=
letale) Komplikationen aufwiesen. Von 1987 bis 1992 erfolgte die Bestimmung des
Zielvolumens routinemäßig mittels MRI. Während dieses Zeitraumes standen verbesserte
Lagerungstechniken zur Verfügung. Überdies wurden inzwischen neue radiobiologische
Erkenntnisse über Normalgewebstoleranzen berücksichtigt. Während dieser Zeit fiel die Rate der
Behandlungskomplikationen auf 20% (nur mehr 11 von 55 tumorfreien Patienten zeigten Grad 35 Komplikationen). Dabei wurde in erster Linie über Spätreaktionen am Nervusoptikus, am
Hirnstamm, sowie am Temporallappen berichtet. Als schwere Komplikationen wurden
Hirnnekrosen, Osteoradionekrosen im Schädelbasisbereich und schwere Temporallappenschäden
angeführt. Bei 4 von 85 Patienten wurden Grad 5 Komplikationen beschrieben (3 dieser
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
94
Band I.6: Bisherige klinische Resultate
Patienten waren bereits früher bestrahlt worden). Durch die Optimierung der Protonentherapie
für Schädelbasistumoren wird für Patienten, die keine vorangegangene Bestrahlung hatten, eine
Rate von unter 5% an schweren Spätreaktionen erwartet Die Verwendung von high-LET-Ionen
(schwerer als Protonen oder Heliumionen) muß in diesen Regionen aufgrund der größeren RBE
mit äußerster Vorsicht erfolgen, um die Rate an ZNS-Spätschäden gering zu halten.
I.6.4 Juxtaspinale und sakrale Tumoren
Resultate am UCSF-LBL
Am UCSF-LBL wurden 62 Patienten mit Chordomen oder Chondrosarkomen der
Wirbelsäule und des Sakrums bestrahlt [65, 74]. Die meisten Patienten wurden mit Heliumionen
behandelt (davon 21 Patienten kombiniert mit Photonen), einige Patienten mit Neonionen. Die
median applizierte Dosis betrug 70 GyE.
Insgesamt waren die lokalen Tumorkontrollraten niedriger als bei Schädelbasistumoren:
50% für Chondrosarkome (11 von 22 Patienten, mediane Nachbeobachtung 31 Monate) und 45%
für Chordome (18 von 40 Patienten, mediane Nachbeobachtungszeit von 40 Monaten). Bei
Patienten, die mit Neonionen bestrahlt wurden, konnte eine höhere lokale Tumorkontrollrate
beobachtet werden: bei 6 von 8 Patienten mit Chordomen wurde mit Neonbestrahlung eine
lokale Tumorkontrolle erzielt, im Vergleich dazu nur bei 12 von 32 Patienten, die mit
Heliumionen
behandelt
worden
waren.
Bei
Patienten
mit
juxtaspinalen
Sarkomen
(Osteosarkome, Neurofibrosarkome, maligen fibrösen Histiozytomen etc.) wurde bei 16 von 29
Patienten eine lokale Tumorkontrolle erreicht (mediane Nachbeobachtungszeit von 32 Monaten).
Resultate am MGH-HCL
Hug et al. berichteten 1995 über Langzeitresultate von Patienten nach Protonenbestrahlung
von Tumoren des Stammskelettes [34]. Zwischen 1980 und 1992 waren 47 Patienten auswertbar,
wobei die 5-Jahres-Kontrollraten und Überlebensraten bei Chordomen 53 bzw. 50% und bei
Chondrosarkomen 100% betrugen. Für Osteosarkome wurde nach 5 Jahren eine lokale
Tumorkontrollrate von 59% berichtet. Aufgrund der Metastasierungsneigung dieser Erkrankung
war jedoch nur eine Gesamtüberlebensrate von 44% erreicht.
95
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.6: Bisherige klinische Resultate
I.6.5 Hirnstamm- und Rückenmarkstumoren
Resultate am UCSF-LBL
Am UCSF-LBL wurde für die Teilchenbestrahlung von Tumoren, die teilweise oder
vollständig den Hirnstamm oder das Rückenmark umschließen, eine spezielle Technik entwickelt
[11, 23]. Durch den enormen Aufwand dieser komplexen Methode konnten bei den ersten 47
Patienten
mit
Chordomen,
Chondrosarkomen,
Meningeomen,
Osteosarkomen
und
metastatischen Absiedelungen lokale Tumorkontrollraten von 62% erreicht werden (mediane
Nachbeobachtungszeit: 20 Monate). Die Rate an radiogenen Schäden am Rückenmark oder
Hirnstamm war trotz der hohen Enddosen von 60 GyE und darüber mit 6% bemerkenswert
niedrig. Mit dieser Methode wurde unter Beweis bestellt, daß unmittelbar an hochsensiblen
Strukturen gelegene Läsionen mit Dosen bestrahlt werden können, die in der gegenwärtigen
„konventionellen“ Photonentherapie nicht erreichbar sind.
I.6.6 Uveamelanome
Über die Behandlung von Uveamelanomen mit Protonen oder Heliumionen wird seit
nunmehr fast 20 Jahren berichtet. Aufgrund der Möglichkeit, mit diesen Strahlenqualitäten eine
hohe Dosis an ein Zielvolumen meist geringer Größe zu verabreichen, können extrem hohe
lokale Tumorkontrollraten von rund 96% erreicht werden. Dadurch gelingt in 85-94% der Fälle
die Organerhaltung und bei knapp der Hälfte der Patienten auch die Erhaltung der Sehfähigkeit.
Diese Behandlung wird mittlerweile in mehr als 10 Ländern der Welt durchgeführt. Als Pioniere
der Teilchenbestrahlung von Uveamelanomen gelten Constable, Suit, Gragoudas et al. im MGHHCL [22, 29, 30, 61, 64] und am UCSF-LBL Char, Castro et al. [17, 18, 19, 20, 55, 59].
Resultate am MGH-HCL
Am MGH-HCL und an der Massachusetts Augen- und Ohrenklinik (MEEI) wurden seit
1976 mehr als 1.500 Patienten bestrahlt [25, 30, 61, 64, 75]. In 5 Sitzungen (über 1-2 Wochen)
wurden mittels Protonen Gesamtdosen um die 70 GyE appliziert. Bei einem Mindestabstand des
Tumorvolumens von der Fovea oder dem Nervus opticus von 3 mm konnte bei zwei Drittel der
Patienten ein hohes Maß an Visusschärfe erhalten werden.
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
96
Band I.6: Bisherige klinische Resultate
Die Enukleationsrate betrug insgesamt lediglich 10% (primär bei Ziliarkörper - und/oder
fovea-nahen Prozessen mit Tumordicken über 8 mm) [61, 64]. Gradoudas et al. berichtete bei
1.077 Patienten, die seit 1987 behandelt worden waren, über äußerst niedrige Lokalrezidivraten
von 4% [30]. Die meisten Lokalrezidive waren Feldrandrezidive, lediglich 3 Patienten wiesen ein
Rezidiv innerhalb des Bestrahlungsvolumens auf.
Resultate am UCSF-LBL
Am UCSF-LBL wurden zwischen 1978 und 1992 347 Patienten mit Heliumionen bestrahlt:
Innerhalb einer Behandlungsdauer von 4-16 Tagen wurden mittels 4-5 Fraktionen Gesamtdosen
zwischen 48 und 80 GyE appliziert. Unabhängig von der Dosis und der Tumorgröße wurden
annähernd gleich hohe lokale Tumorkontrollraten von 96% beobachtet. Von diesen 347 Patienten
sind 230 noch am Leben (mediane Nachbeobachtungszeit 75 Monate). 14 Patienten (4%)
entwickelten ein Lokalrezidiv und benötigten entweder eine Enukleation oder eine neuerliche
Bestrahlung. Von diesen 14 Patienten sind 6 an Fernmetastasen verstorben. Neunundvierzig
Patienten (14%) mußten aufgrund von Komplikationen der Heliumbestrahlung enukleiert
werden.
Auch in dieser Serie bestätigte sich, daß Patienten mit Tumorlokalisationen nahe am Nervus
opticus oder der Fovea eine geringere Chance auf die Erhaltung (oder Verbesserung) ihres
prätherapeutischen Sehvermögens aufweisen. Insgesamt konnte das Sehvermögen bei 81
Patienten nach einer Nachbeobachtungszeit von mindestens 5 Jahren ausgewertet werden: als
stärkste Risikofaktoren hinsichtlich einer Verschlechterung des Visusresultates erwiesen sich
zunehmende Tumorgröße, abnehmende Distanz zur Fovea, sowie verminderte Visusschärfe vor
der Bestrahlung [59].
Char et al. publizierten 1993 die Ergebnisse einer randomisiert prospektiven Untersuchung
an 184 Patienten mit Uveamelanomen, die alternativ einer Heliumionentherapie oder einer
Brachytherapie mittels Jod-125-Plaques zugeführt wurden [20]. Trotz augenscheinlich
äquivalenter Dosierung war im brachytherapeutischen Arm eine signifikant höhere
Lokalrezidivrate zu beobachten; ebenso wurde nach Brachytherapie häufiger enukleiert. Nach
Heliumionenbestrahlung
von
Tumoren
im
vorderen
Uveasegment
traten
häufiger
Komplikationen auf. Die lokale Tumorkontrolle war im Heliumarm signifikant höher (100%
gegen 87% im Brachytherapie-Arm), die Rate an Enukleationen war signifikant niedriger (9%
97
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.6: Bisherige klinische Resultate
gegen 17%). Die Autoren zogen den Schluß, daß vor allem für dorsal im Bulbus gelegene
Läsionen die Teilchenbestrahlung die überlegene Therapieform darstellt.
Derzeit entwickeln ca. 20% aller Patienten mit Uveamelanomen in weiterer Folge
Fernmetastasen. Diese Metastasierung ist Ausdruck präexistenter Mikrometastasen zum
Zeitpunkt der Primärtumorbestrahlung [66].
Eine besondere Stellung nehmen Melanome, die den Ziliarkörper (mit-)betreffen, ein; im
Vergleich mit allen anderen Uveamelanomen weisen diese Patienten eine schlechtere Prognose
auf. Decker und Mitarbeiter [24] berichteten über 54 Patienten mit Ziliarkörpermelanomen, die
zwischen 1978 und 1985 einer Helium-Ionenbestrahlung zugeführt worden waren. Trotz der
hohen lokalen Tumorkontrollrate von 98% betrug aufgrund der hohen Metastasierungsrate bei
diesem Kollektiv das tumorfreie Überleben nach 5 Jahren nur 59 %. Wichtigster Prognosefaktor
war auch hier die Tumorgröße. Aufgrund der Lokalisation lag die Inzidenz der neovaskulären
Glaukome nach 5 Jahren bei 43% und die Rate schmerz- oder glaukombedingter Enukleationen
bei 26%.
Mittlerweile stellt die Protonentherapie von Uveamelanomen eine etablierte Methode dar,
wobei in mehr als 10 Ländern eine große Zahl von Patienten erfolgreich behandelt werden
konnte:
So wurden am Paul-Scherrer-Institut/Schweiz rund 1.500 Patienten bestrahlt, im
Protonentherapiezentrum Orsay/Frankreich 400 Patienten, im Zentrum Antoine Lacassagne,
Nizza/Frankreich
rund
340
Patienten,
und
an
der
Douglas
Cyclotron
Unit,
Clatterbridge/Großbritannien über 500 Patienten [21, 26, 72].
Offene Fragen bestehen hinsichtlich der Reduktion der Vorderkammerglaukomrate und der
Entwicklung effektiver Therapieformen für Patienten, die ein hohes Metastasierungsrisiko
aufweisen. Weitere Dosisreduktionen und die Verwendung von Mehrfeldtechniken sollen die
Rate an Komplikationen vermindern helfen; diesbezüglich sind Studien am UCSF-LBL im
Gange (in Verwendung des Crocker Nuclear Laboratory Cyclotron). An der MGH-HCL-MEEI
ist eine randomisierte Protonenstudie beendet worden, wobei 70 GyE gegen 50 GyE verglichen
wurden, die Auswertung ist noch offen.
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
98
Band I.6: Bisherige klinische Resultate
I.6.7 Arteriovenöse Malformationen
Protonen und Heliumionen sind zur stereotaktischen radiochirurgischen Behandlung von
arteriovenösen Malformationen (AVMs) mehrfach verwendet worden.
Die Protonentherapie vom AVMs wurde von Kjellberg et al. am MGH-HCL eingeführt, wo
über 1.300 Patienten bestrahlt wurden [37]. Am LBL sind seit 1980 über 400 Patienten mit
inoperablen intrakraniellen AVMs mit Heliumionen behandelt worden [27, 52, 53].
Am Borodenko Neurochirurgischen Institut für theoretische und experimentelle Physik in
Moskau, sowie am Leningrader Institut für Nuklearphysik, sind über 250 Patienten mit AVMs
einer Protonenbestrahlung zugeführt worden [67]. Diese Behandlungen werden u.a. auch noch in
Südafrika an der South African Proton Facility in Faure durchgeführt.
Kjellberg berichtete 1988 über 709 Patienten mit einer 20jährigen Nachbeobachtungszeit;
wonach in den meisten Fällen eine partielle oder komplette Obliteration erreicht werden konnte
[37]. Die Autoren zogen den Schluß, daß eine Radiochirurgie mittels Protonen für inoperable
AVMs eine hochgradig wirkungsvolle Therapieform darstellt.
In einer Studie aus dem LBL wurde eine volumenabhängige Obliterationsrate nach
Radiochirurgie mit Heliumionen berichtet. Für Volumina unter 40cm3 betrug die komplette
angiographisch diagnostizierte Obliterationsrate 3 Jahre nach der Radiochirurgie zwischen 90
und 95%, für größere Behandlungsvolumina 60-70%. Die Gesamtobliterationsrate bei allen 230
Patienten (Zielvolumina bis 70cm3) lag bei 80-85%. Bei Patienten, die weniger als 25 GyE
erhielten, wurden bis dato keine Komplikationen registriert. Lediglich bei höherer Dosierung
mußten z.T. schwere Komplikationen bis hin zu symptomatischen vasogenen Ödemen und
Vaskulopathien festgestellt werden [27]. Trotz der Effektivität der Methode liegen die Nachteile
einer Teilchenbestrahlung von AVMs in der langen Periode bis zur kompletten Obliteration. Die
Rolle der Protonen im Vergleich zur stereotaktischen Radiochirurgie am Linearbeschleuniger ist
noch nicht definitiv gesichert. Bei großen irregulären Läsionen, die mit herkömmlichen
stereotaktischen Photonentechniken nicht mehr erfaßbar sind, können Protonen entscheidende
Vorteile bieten.
99
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.6: Bisherige klinische Resultate
I.6.8 Klinische Erfahrungen mit Teilchenbestrahlung mit hohem linearen
Energietransfer (High-LET)
I.6.8.1 Speicheldrüsenkarzinome
Weltweit
sind
bis
dato
Hunderte
von
Patienten
mit
nicht
resezierbaren
Speicheldrüsenkarzinomen in Phase I / II Studien mit high-LET-Strahlen bestrahlt worden. Alle
diese Untersuchungen zeigten verbesserte Therapieresultate im Vergleich mit konventionell
bestrahlten historischen Kollektiven [45, 84].
1993 wurde über eine Phase III RTOG/MRC Neutronen Studie an Patienten mit nichtresektablen
Speicheldrüsenmalignomen
berichtet
[45].
Zwölf
Patienten
wurden
mit
konventioneller Photonen- oder Elektronentherapie behandelt; 13 Patienten wurden mit
Neutronen bestrahlt. Die 10-Jahres-Analysen zeigten einen signifikanten Vorteil in der lokalen
Tumorkontrolle zugunsten der Neutronen (56% gegen 17%), obwohl kein Unterschied im
Gesamtüberleben gezeigt werden konnte. Die Neutronenpatienten zeigten primär eine hohe Rate
an Fernmetastasen, wohingegen im konventionellen Arm lokoregionäre Rezidive vorherrschten.
Schwere Nebenreaktionen waren im Neutronenarm häufiger, tödliche Komplikationen wurden
nicht beobachtet.
Am LBL behandelten Linstatt et al. 18 Patienten mit primär inoperablen oder rezidivierten
Speicheldrüsenmalignomen mit high-LET-Neonionen. Die lokale Tumorkontrollrate nach 5
Jahren betrug 61%, das krankheitsfreie Überleben 59% [57]. Eine Nachfolgeanalyse 1995 zeigte
abermals eine signifikant hohe lokale Tumorkontrolle und Überlebensrate von ca. 50% [10].
Im Vergleich von high-LET-Bestrahlungen mit einer „klassischen“ Photonentherapie hat
sich die high-LET-Behandlung als überlegene Therapieform beim nicht oder nur teilweise
resezierten Speicheldrüsentumoren erwiesen.
I.6.8.2 Prostatakarzinom
Bei langsam wachsenden Tumoren wie dem Prostatakarzinom kann sich eine high-LETTeilchenbestrahlung aus mehreren Gründen als vorteilhaft erweisen:
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
100
Band I.6: Bisherige klinische Resultate
Unterschiede in der Empfindlichkeit während verschiedener Zellzyklusphasen werden
eliminiert. Darüber hinaus sind bei diesen Tumoren oft hypoxische Areale vorhanden, die
gegenüber einer low-LET-Bestrahlung wesentlich radioresistenter sind. Die modernen
Konformationstechniken in der Bestrahlung des Prostatakarzinomes finden auch in der
Hadronentherapie Anwendung.
Zur Zeit sind zwei Phase III-Studien der RTOG/Neutron Therapy Clinical Working Group
abgeschlossen, in denen eine Neutronen- mit einer Photonenbestrahlung für lokal fortgeschrittene
Prostatakarzinome verglichen wurde [47,69].
Zwischen 1977 und 1983 wurden in der ersten Studie 91 Patienten in den Tumorstadien T3
N0 oder N1 entweder mit Hochvoltbestrahlung (36 Patienten) oder gemischter Photonen/Neutronentherapie behandelt (55 Patienten) [47]. Die 10-Jahres-Analysen zeigten einen
signifikanten Vorteil für den Neutronenarm in puncto lokaler Tumorkontrolle (70% gegenüber
58% in der Photonengruppe), ebenso zeigte sich ein klarer Vorteil hinsichtlich des
Gesamtüberlebens (46% gegenüber 29% im Photonenarm) [46].
In der zweiten Studie wurden ab 1986 172 Patienten in den Tumorstadien T2-4; N0-1
analysiert, wobei 87 Patienten mit Neutronen und 85 mit Photonen behandelt wurden. Abermals
waren nach 5 Jahren die mittels Neutronen bestrahlten Patienten hinsichtlich der lokalen
Tumorkontrolle signifikant im Vorteil (89% gegenüber 68% im Photonenarm) [69]. Zu diesem
Zeitpunkt wurden keine signifikanten Unterschiede im krankheitsfreien- oder Gesamtüberleben
beobachtet. Schwere Spätreaktionen waren in der Neutronengruppe häufiger (11% gegenüber
3%).
Trotz der höheren lokalen Tumorkontrollrate in den Neutronenarmen der beiden Studien
bleibt die Rolle einer Neutronentherapie in der Behandlung lokal fortgeschrittener
Prostatakarzinome unklar.
Vor allem im Hinblick auf die zwischenzeitlich publizierten Resultate nach neoadjuvanter
antiandrogener Therapie und konformaler Photonenbestrahlung kann die Wertigkeit der beiden
Bestrahlungsmodalitäten derzeit nicht geklärt werden.
Interessant ist der therapeutische Ansatz, der im UCSF-LBL gewählt wurde: In einer kleinen
Studie an 23 Patienten wurden Boostbestrahlungen der Prostata nach herkömmlicher
Photonenbeckenbestrahlung
mit
Neonionen
durchgeführt.
Nach
einer
medianen
Nachbeobachtungszeit von 51 Monaten zeigten lediglich 2 Patienten ein gesichertes
101
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.6: Bisherige klinische Resultate
Lokalrezidiv. Nach 7,5 Jahren liegt die Tumorkontrollrate bei 85% und die Überlebensrate bei
64% [10]. Die Applikation von high-LET-Teilchenstrahlung scheint die Lokalrezidivrate auch
bei lokal fortgeschrittenen Tumoren auf 10 - 15% zu reduzieren. Allerdings entwickelten 3 dieser
23
Patienten
z.T.
schwerere
Rektumkomplikationen,
die
möglicherweise
auf
die
Neonboostbestrahlung zurückgeführt werden müssen. Die Dosisempfehlungen aus dieser kleinen
Serie lauten 45-50 Gy Photonenbestrahlung des Beckens, gefolgt von einem Boost von 15-20
GyE, einer physikalischen Dosis von 5-7 Gy entsprechend.
I.6.8.3 Weichteilsarkome
Weichteilsarkome mit ungünstigen prognostischen Kriterien weisen permanente lokale
Tumorkontrollraten von nur 35 - 38% auf, im Vergleich zu 80 - 90% bei anatomisch günstiger
gelegenen Läsionen.
Aus einigen Phase II Studien an insgesamt 297 Patienten mit Weichteilsarkomen und
ungünstigen Prognosefaktoren wurden nach Neutronentherapie lokale Tumorkontrollraten von
53% berichtet [44]. Ähnliche Verbesserungen wurden für Osteosarkome und Chondrosarkome
berichtet [33]. Nachdem noch keine Resultate aus Phase III Studien vorliegen, kann trotz
ermutigender Zwischenresultate keine abschließende Beurteilung hinsichtlich der Rolle von
high-LET-Strahlen bei Sarkomen gefällt werden.
Zwischen 1978 und 1989 wurden 32 Patienten mit Weichteilsarkomen und ungünstigen
Prognosefaktoren im LBL einer Radiotherapie mit Helium- und/oder Neonionen einer
Behandlung unterzogen [56, 68]. Bei 22 Patienten befand sich die Tumorlokalisation am Stamm,
bei 10 Patienten im Kopf/Halsbereich; bei 22 Patienten lag zum Zeitpunkt der Bestrahlung ein
makroskopischer Tumor vor. Bei den überlebenden Patienten konnte nach 3 Jahren eine lokale
Tumorkontrollrate von 62% erzielt werden, die korrespondierende Überlebensrate betrug 50%.
Patienten mit makroskopischen Tumoren erreichten nach 3 Jahren lokale Tumorkontrollraten
von 48%, wohingegen bei allen Patienten mit mikroskopischen Residuen eine lokale
Tumorkontrolle von 100% erreicht werden konnte. Die korrespondierenden Überlebensraten
nach 3 Jahren betrugen 40% bei Patienten mit makroskopischen Resten und 78% bei Patienten
mit mikroskopischen Residuen. Patienten mit retroperitoneal gelegenen Sarkomen zeigten einen
günstigeren Verlauf mit lokalen Tumorkontrollraten von 64% und eine Gesamtüberlebensrate
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
102
Band I.6: Bisherige klinische Resultate
von 62%. Die Komplikationsrate wurde als akzeptabel bezeichnet, therapieassoziierte letale
Komplikationen wurden keine beschrieben. In einer neuerlichen Analyse von 1992 bestätigte
sich der günstige Trend; nach 5 Jahren lagen die Überlebensraten bei 42% und die lokalen
Tumorkontrollraten bei 59% [10].
I.6.8.4 Knochensarkome
Zwischen 1979 und 1989 wurden am LBL 17 Patienten mit prognostisch ungünstigen
Knochensarkomen (Osteosarkome, Ewing-Sarkome, Osteoblastomrezidive) zur Gänze oder
teilweise einer Bestrahlung mit Helium- und/oder Neonionen zugeführt [82]. Die Mehrzahl
dieser Tumoren war in unmittelbarer Nachbarschaft von kritischen Organstrukturen wie dem
Rückenmark gelegen. Zum Zeitpunkt der Bestrahlung lag bei 15% ein makroskopischer Befall
vor (davon 6 Rezidivtumoren). Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 40 Monaten
betrug die 5-Jahres-Überlebensrate 41%. Über die Hälfte der Patienten verstarb an der
Fernmetastasierung.
Eine 1995 durchgeführte Folgeanalyse bestätigte diese Resultate, wobei nach 5 Jahren lokale
Tumorkontrollraten von 59% und Überlebensraten von 45% berichtet wurden [10].
I.6.8.5 Kopf/Halstumoren
Die bisherigen Resultate mit high-LET-Neutronenbestrahlungen für Kopf/Halskarzinome
waren weniger ermutigend. Es wurden zwei Phase III Studien der RTOG durchgeführt, in denen
eine
alleinige
Neutronen-
mit
einer
Photonenbestrahlung
und
eine
gemischte
Neutronen/Photonentherapie mit alleiniger Photonenbehandlung verglichen wurde.
Im ersten Ansatz konnte ein Vorteil für die Neutronengruppe hinsichtlich kompletter lokaler
Remissionsraten erzielt werden (52% gegenüber 17%), der sich jedoch nicht in einem
Gesamtüberlebensvorteil niederschlug [31].
In der zweiten Studie konnte auch hinsichtlich der lokalen Tumorkontrolle kein Vorteil für
den
high-LET-Arm
beschrieben
werden
[32].
Die
lokale
Kontrolle
von
Halslymphknotenmetastasen war im gemischten Neutronen/Photonenarm statistisch der
Kontrollrate nach Photonenbestrahlung überlegen (komplette Remissionsraten 69% gegenüber
103
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.6: Bisherige klinische Resultate
55%; nach 2 Jahren regionäre Kontrollraten 46% gegenüber 33%), ohne das Gesamtüberleben zu
beeinflussen [85].
Von Maor et al. stammt eine Analyse der jüngsten internationalen HNO-Tumor-Studie aus
mehreren Zentren in den Vereinigten Staaten und Großbritannien [60]. In dieser Studie wurden
20,4 Gy Neutronen (12 Fraktionen über 4 Wochen) mit 70 Gy Photonen (35 Fraktionen über
7
Wochen)
bei
lokal
fortgeschrittenen
Plattenepithelkarzinomen
des
Oropharynx,
Laryngopharynx und der Mundhöhle verglichen. In der Neutronengruppe wurde eine erhöhte
komplette Remissionsrate beschrieben; in der abschließenden Analyse zeigten sich allerdings
keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der lokoregionären Tumorkontroll- oder
Überlebensrate, obwohl ein Trend zu Gunsten des Neutronenarms zu verzeichnen war. Die
Komplikationsrate war im Neutronenarm erhöht. In einer Phase I/II Studie am LBL an 13
Patienten mit lokal fortgeschrittenen HNO-Tumoren konnten bislang ebenso keine Vorteile zu
Gunsten einer Neonionenbestrahlung demonstriert werden [14, 57]. Allerdings waren in dieser
Studie die verwendeten Dosen niedrig, so daß mit Dosiseskalationen durch konformale Therapie
die Resultate verbessert werden könnten.
I.6.8.6 Gallengangskarzinome
Schöntaler et al. analysierten retrospektiv 48 Patienten mit Gallengangkarzinomen, die
postoperativ einer Radiotherapie am UCSF-LBL zwischen 1977 und 1987 zugeführt worden
waren [73]. Dreißig Patienten erhielten eine Photonentherapie (mediane Dosis 54 Gy), während
18 Patienten mit Helium und/oder Neonionen (mediane Dosis 60 GyE) bestrahlt wurden.
Sechsunddreißig dieser Patienten hatten zum Zeitpunkt der Radiotherapie makroskopische
Tumorresiduen, die übrigen mikroskopische Residuen.
Die Gesamtüberlebensrate nach 2 Jahren betrug 28%: 44% für die mit high-LET bestrahlten
Patienten und 18% für die lediglich mit Photonen bestrahlten Patienten. Das mediane Überleben
lag in der ersten Gruppe bei 23 Monaten, in der zweiten bei 12 Monaten. Auch war die lokale
Tumorkontrolle bei den 18 Patienten, die einer Hadronenbestrahlung zugeführt worden waren,
signifikant erhöht.
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
104
Band I.6: Bisherige klinische Resultate
I.6.8.7 Pankreaskarzinome
Über die Anwendung von Hadronen liegen zwei randomisiert prospektive Studien vor: In
einer RTOG-Studie wurde an 49 Patienten der Einsatz von Photonen gegenüber einer gemischten
Neutronen/Photonenbestrahlung,
sowie
einer
alleinigen
Neutronentherapie
verglichen.
Aufgeschlüsselt nach der verwendeten Strahlenqualität betrugen die medianen Überlebensraten
bei Neutronen 5,6 Monate, bei gemischten Strahlenqualitäten 7,8 Monate, und bei Photonen 8,3
Monate [79].
Eine Studie der NCOG verglich an 49 Patienten den Einsatz von Heliumionen gegenüber
Photonen; das mediane Überleben war 7,8 Monate für die Helium-, und 6,5 Monate für die
Photonentherapie (nicht signifikant) [58, 86]. Die Resultate aller mit Neonionen behandelten
Patienten zeigten vergleichbare Überlebensraten gegenüber den derzeitigen Radiotherapien mit
Photonen. Ähnliche Ergebnisse wurden in kleinen Analysen bei der Bestrahlung von
Magenkarzinomen und Ösophaguskarzinomen mit Neonionen publiziert [57,16].
I.6.8.8 Maligne Gliome
In einer Dosisfindungsstudie der RTOG wurden insgesamt 190 Patienten einer gemischten
Photonen/Neutronentherapie zugeführt. Das mediane Überleben lag bei 9,9 Monaten bei
Patienten mit einem Glioblastoma multiforme; anaplastische Astrozytome zeigten ein medianes
Überleben von 22 Monaten. Die unterschiedlichen Neutronendosen bewirkten keine Änderung
des medianen Überlebens [43] und sind denen der herkömmlichen Hochvolttherapie nicht
überlegen.
Am LBL wurden 16 Patienten mit Neonionen bestrahlt, wobei nur ein Patient mit einem
anaplastischen
Astrozytom
überlebte
[15,
57].
Eine
Folgestudie
über
hochdosierte
Neonionenbestrahlung an weiteren 14 Patienten mit Glioblastomen zeigte keinen signifikanten
Überlebensvorteil.
105
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.6: Bisherige klinische Resultate
I.6.8.9 Nicht kleinzellige Lungenkarzinome (NSCLC)
102 Patienten mit NSCLC wurden in einer randomisierten RTOG Studie einer
Radiotherapie mit Neutronen, Photonen oder einer gemischten Neutronen/Photonen-Bestrahlung
zugeführt
[42].
Zwischen
den
Therapiearmen
zeigte
sich
kein
signifikanter
Überlebensunterschied; die 3-Jahres-Überlebensraten betrugen 8% für die Photonengruppe, 16%
für die gemischten Strahlenqualitäten und 5% für die Neutronentherapie. Tödliche
Komplikationen und radiogene Myelitiden wurden nur in der Neutronentherapiegruppe
beobachtet.
In einer kleinen Serie vom LBL an 20 Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC, die einer
Neonionenbestrahlung zugeführt worden waren, wurden nach 5 Jahren Überlebensraten von nur
5% erzielt [57].
Tabelle 3.3-1: Ergebnisse nach Teilchenbestrahlung von Schädelbasistumoren.
Lokale Tumorkontrolle nach
5 Jahren
UCSF-LBL MGH-HCL
Meningeome:
85%
100%
Chondrosarkome:
78%
95%
Chordome:
63%
62%
Andere Sarkome:
58%
59%
Meningeome:
82%
100%
Chondrosarkome:
83%
95%
Chordome:
75%
81%
Andere Sarkome:
71 %
44%
Überleben nach 5 Jahren
UCSF-LBL: mediane Nachbeobachtungszeit 53 Monate (4-201 Mo)
MGH-HCL: mediane Nachbeobachtungszeit 40 Monate (2-211 Mo)
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
106
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Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
114
Band I.7: Aktuelle klinische Studien
I.7 Aktuelle klinische Studien zur Hadronentherapie
E.B. Hug, T. Auberger
1. Augenmelanome
Seit 1994 wurden mehr als 2000 Patienten am Allgemeinen Krankenhaus Massachusetts /
Harvard Cyclotron Laboratorium behandelt. Die überwiegende Anzahl der Patienten erhielt
70 CGE (Cobalt Gray Äquivalent) in 5 Fraktionen. Die lokale 5 Jahres–Tumorkontrollrate
beläuft sich auf über 96 %. Bei etwa 93% dieser Patienten konnten die Augen erhalten werden.
(Die Ergebnisse variieren in Abhängigkeit von der Tumorgröße sowie Tumorlokalisation im
Globus). Andere Zentren bestätigten die exzellenten, lokalen Kontrollraten. Im Allgemeinen
beläuft sich die 5 Jahres-Überlebensrate auf etwa 85%. Im Vergleich zur chirurgischen
Enukleation stellt dieses ein vergleichbares Ergebnis dar. Eine prospektive Studie mit einer
Randomisierung zwischen 50 und 70 CGE wurde initiiert und durchgeführt, um den Effekt einer
niedrigeren Zielvolumendosis auf die Visusveränderungen zu untersuchen. Die Studie wurde
bereits abgeschlossen, aber längere Nachbeobachtungszeiten sind noch erforderlich, um die
Durchführbarkeit und den tatsächlichen Effekt der niedrigeren Zielvolumendosis vollständig zu
analysieren.
2. Chordome / Chondrosarkome der Schädelbasis
Über 400 Patienten mit Chordomen oder Chondrosarkomen der Schädelbasis oder des
Achsenskeletts erhielten eine Protonenbestrahlung. Die Mehrzahl der Patienten wurde im
Rahmen einer kooperativen prospektiven Studie (PROG Protokoll 85 - 26) zwischen dem
Allgemeinen Krankenhaus Massachusetts / Harvard Cyclotron Laboratorium und dem
medizinischen Zentrum der Loma Linda-Universität behandelt. Die initiale Randomisierung der
Patienten erfolgte im Hinblick auf die Dosis von 66,6 CGE oder 72,0 CGE bezogen auf das
Zielvolumen.
Die
lokale
5
Jahres-Tumorkontrollrate
für
Chondrosarkome
im
Schädelbasisbereich ist größer als 95 %. Für Chordome beträgt der entsprechende Wert etwa
60%.
115
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.7: Aktuelle klinische Studien
Diese Daten sind mit historischen Angaben großer Institutionen in Beziehung zu setzen,
welche konventionelle Bestrahlungsformen verwandten. Hierbei erreichen die besten Serien bis
zu 40 % (Princess Margaret Hospital: 20% nach 5 Jahren). Bei weiteren Subgruppen-Analysen
wurden zahlreiche Untergruppen mit unterschiedliche Risikofaktoren identifiziert.
Zu der Hochrisikogruppe zählen Patientinnen mit Schädelbasis-Chordomen sowie
Tumormanifestationen im cervicalen Wirbelsäulenbereich unabhängig von Geschlecht und
Histologie.
Zu der Niedrigrisikogruppe zählen Männer mit Chordomen im Schädelbasisbereich oder
Chondrosarkome ohne geschlechtsspezifische Unterschiede.
Daher wurde das aktuelle Protokoll modifiziert. Für Hochrisikopatienten erfolgt eine
Randomisierung in Gruppen, welche entweder 72,0 CGE oder 97,2 CGE erhalten. In Bezug auf
die Niedrigrisikogruppen wurde die Randomisierung mit entweder 66,6 CGE oder 72,0 CGE
beibehalten. Im Vergleich zum initialen Studiendesign haben an dieser Studie bereits mehr
Patienten als ursprünglich vorgesehen teilgenommen. Daher wird diese Studie in Kürze beendet.
Die weiteren Ergebnisse bleiben abzuwarten.
3. Sarkome des Achsenskeletts
Eine Vielzahl von osteogenetischen und chondrogenetischen paraspinalen Sarkomen wurde
mit einer Protonenbestrahlung behandelt. Im Vergleich zur konventionellen Strahlentherapie
zeigte sich in einer Analyse von 47 Patienten eine verbesserte lokale Kontrolle für die
unterschiedlichen Histologien (E. Hug; IJROBP).
4. Weichteilsarkome der Kopf-Hals-Region
Unter Berücksichtigung der schlechten Prognose der Patienten sowie der gravierenden
Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität auf Grund funktioneller und kosmetischer Veränderungen
stellen diese Tumoren eine besondere Herausforderung dar. Mehr als 50 Patienten wurden an
dem Allgemeinen Krankenhaus Massachusetts und dem Medizinischen Zentrum der Loma Linda
Universität behandelt. In einer Analyse von 34 Patienten (E. Hug) variierte die lokale
Tumorkontrollrate in Abhängigkeit von den unterschiedlichen histologischen Untergruppen
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
116
Band I.7: Aktuelle klinische Studien
sowie dem Differenzierungsgrad der Tumoren. Die lokale Kontrolle der gesamten Gruppe war
größer als 60%. Unter Berücksichtigung der negativen Patientenselektion mit Tumoren im
Rezidivstadium (Mehrzahl der Patienten) oder großen, im Schädelbasisbereich lokalisierten und
teilweise infiltrierend wachsenden Resttumoren, erscheinen diese Daten günstiger als historische
Daten auf der Basis konventioneller Bestrahlungen.
5. Tumoren der Nasennebenhöhlen
45 Patienten mit ausgedehnten Tumoren im Bereich der Nasennebenhöhlen (überwiegend
Karzinome) erhielten eine aggressive Behandlung mit 76,0 CGE in
Fraktionierungsschema.
Bei
den
Patienten
wurden
am
Morgen
einem BID-
zunächst
1,8
Gy
Photonenbestrahlung appliziert. Nach einem zeitlichen Intervall von mindestens 6 Stunden
erfolgte dann die Protonenbestrahlung (1,4 CGE). Die vorläufigen Ergebnisse zeigen bei 19 von
21 Patienten einen lokal kontrollierten Tumor. 2 Patienten verstarben mit Tumorrezidiv. Die
Toleranz dieses vergleichsweise aggressiven Behandlungsregimes war zufriedenstellend.
6. Retinoblastome
13 Kinder wurden bisher behandelt, wobei eine gute akute Toleranz verbunden mit einer
frühen Tumorregression feststellbar war. Bisher wurden keine Rezidive im Bestrahlungsfeld bei
Patienten beobachtet, welche eine Dosis von 40 - 46 CGE mit 2 CGE pro Fraktion erhielten und
bei denen die Therapie an 4 Tagen pro Woche auf der Basis einer 3 D-Bestrahlungsplanung
erfolgte. Das Zielvolumen umfaßte den individuellen Tumor an unterschiedlichen Lokalisationen
im Globus, die gesamte Retina hinter dem Äquator bzw. größere Anteile bei weiter
fortgeschrittenen Tumoren.
Wenn die Behandlung über ein einzelnes laterales Feld erfolgt, besteht keine Dosisbelastung
jenseits der Mittellinie. Hieraus ergibt sich eine geringere Bestrahlung des gesunden Gewebes im
Vergleich zur Behandlung mit Photonen. Die Reduktion des bestrahlten, gesunden Gewebes
könnte
ein
wichtiger
Bestrahlungsvolumen
Faktor
sein,
was
für
die
die
Reduktion
häufigste
der
Zweitmalignomhäufigkeit
Todesursache
bei
erblich
im
bedingten
Retinoblastomen darstellt. Diese sehr jungen Patienten (ca. 1 Jahr) sind als eine besondere
117
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.7: Aktuelle klinische Studien
Herausforderung zu betrachten, weil eine allgemeine Anästhesie für die adäquate Immobilisation
und Augenfixierung erforderlich ist. (Eine entsprechende Publikation ist in Vorbereitung).
Entwickelt wurde eine neue Behandlungstechnik, welche die nahezu vollständige
Aussparung der Knochenwachstumsregionen bei gleichzeitiger ausreichender Erfassung der
Tumorregion mit Sicherheitssaum ermöglicht (Krengli, Hug).
Im Kindesalter stellt das Retinoblastom den häufigsten Augentumor dar, welcher mit einer
Häufigkeit von 1:15.000–30.000 auftritt. Die Zahl an Neuerkrankungen in Amerika beläuft sich
auf geschätzte 200-350 pro Jahr
Retinoblastome sind die Ursache für 5 % aller Erblindungen im Kindesalter. Diese
Erkrankung kann als erbliche oder nicht erblich bedingte Form in Erscheinung treten und ein unioder bilaterales Befallsmuster aufweisen. Traditionell wurde die Enukleation als Behandlung der
Wahl für den unilateralen Augenbefall betrachtet. Bei bilateraler Retinoblastommanifestation
wurde die Enukleation des vergleichsweise stärker befallenen Auges empfohlen.
Die konventionelle Radiotherapie hat sich als effektive, lokale Behandlungsmethode bei
frühen Tumorstadien erwiesen. Bei Tumoren über 10 mm ist trotzdem die Enukleation des
Auges in 30 % der Fälle erforderlich. Des weiteren müssen 80 - 90 % der Augen mit
fortgeschrittenem Tumorbefall letztlich enukleiert werden.
Ungeklärte Fragen im Rahmen der konventionellen Strahlentherapie beinhalten:
1. Die Reproduzierbarkeit der täglichen Einstellung, sowie mögliche, geographische
Ungenauigkeiten.
2. Die Bestrahlung von Normalgewebe und der Effekt auf Wachstum und Entwicklung des
Normalgewebes.
3. Das nachgewiesene potentielle Risiko der Zweitmalignominduktion im Bestrahlungsfeld,
insbesondere bei Patienten, welche das Retinoblastomgen tragen.
7. Atypische und maligne Meningeome
Etwa 7 % - 10 % aller Meningeome weisen atypische oder maligne Formen auf. In Amerika
sind jährlich etwa 150 - 225 Neuerkrankungen zu verzeichnen.
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
118
Band I.7: Aktuelle klinische Studien
Eine vergleichbare Zahl an Patienten erkrankt in Amerika jährlich an SchädelbasisChordomen und Chondrosarkomen.
Unabhängig vom Ausmaß der chirurgischen Resektion rezidivieren die meisten Patienten
mit malignen oder atypischen Meningeomen lokal. Daher wird im allgemeinen eine Bestrahlung
als erforderlich betrachtet. Trotzdem sind die Ergebnisse auf der Basis der konventionellen
Megavoltphotonenbestrahlung bis 60 Gy unbefriedigend, da je nach Histologie und Dauer der
Nachbeobachtung eine lokale Rezidivrate von 30%-74% feststellbar ist. Atypische oder maligne
Meningeome sind zumeist in der Konvexität, der parasagittalen Region oder am Os sphenoidale
lokalisiert.
Zwischen 1974 und 1995 wurden 34 Patienten an dem Allgemeinen Krankenhaus
Massachusetts wegen eines atypischen oder malignen Meningeoms im Schädelbereich
bestrahlt. Die Behandlung bestand aus einer Megavolt-Photonen- oder Protonenbestrahlung. Für
maligne und atypische Meningeome zeigten sich statistisch signifikant verbesserte, lokale
Tumorkontrollraten nach 5 bzw. 8 Jahren bei der Protonenbestrahlung im Vergleich zur
Photonentherapie (80% versus 29 %). Für beide Tumorentitäten ergaben sich verbesserte
Heilungsraten für eine Zielvolumendosis von mehr als 60 Gy.
Eine kooperative, prospektive Studie durchläuft derzeitig den Genehmigungsprozeß am
Allgemeinen Krankenhaus Massachusetts und dem medizinischen Zentrum der Loma LindaUniversität. In dieser prospektiven Studie sollen maligne Meningeome bis zu einer Gesamtdosis
von 72 CGE und atypische Meningeome bis zu einer Dosis von 69 CGE behandelt werden.
Eine ähnliche Rekrutierungsquote wie bei den Schädelbasischordomen soll erzielt werden.
8. Benigne Meningeome
Patienten
mit rezidivierenden oder partiell resezierten Meningeomen intrakranieller
Lokalisation werden im Rahmen einer prospektiven Studie (PROG Protokoll 92 - 13) behandelt.
Die Randomisierung erfolgt hierbei zwischen 55,8 CGE sowie 63 CGE.
Meningeome liegen in etwa 20% aller primär intrakraniellen Neoplasien vor. In Amerika
sind etwa 2000 Neuerkrankungen pro Jahr zu verzeichnen. Unkontrolliertes Tumorwachstum
kann zu einer erheblichen Morbidität bis hin zum Tod führen. Die meisten Patienten werden
primär chirurgisch behandelt, wobei das Ausmaß der Resektion jedoch variiert. Am Allgemeinen
119
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.7: Aktuelle klinische Studien
Krankenhaus Massachusetts konnten vollständige Tumorresektionen bei 64% der Patienten
durchgeführt werden. Ein vergleichbares Ergebnis wurde an der Universität von Florida erzielt.
Demgegenüber erfolgten an den Universitäten von Kalifornien und San Francisco komplette
Tumorresektionen nur in 38% der Fälle. In der MGH-Serie war die Wahrscheinlichkeit eines
Tumorrezidives bei inkompletten Resektionen statistisch signifikant kleiner als bei subtotaler
Tumorresektion (70% versus 55% nach 10 Jahren). In bezug auf die lediglich subtotal resezierten
Tumoren waren an der UCSF Rezidivraten von 40% bzw. 100% nach 5 bzw. 10 Jahren
feststellbar.
Konventionelle Photonenbestrahlungen wurden bei inoperablen, inkomplett resezierten oder
rezidivierenden Meningeomen bis zu einer Gesamtdosis von 50 - 55 Gy verwandt. Die UCSFErfahrungen illustrieren den vorteilhaften Effekt einer derartigen Behandlungsform. Nach
alleiniger Operation beläuft sich die lokale Rezidivrate bei inkomplett resezierten Tumoren nach
5 bzw. 10 Jahren auf 40% bzw. 100%. Durch eine zusätzliche postoperative Bestrahlung
(mittlere Dosis 52 Gy) konnten diese Werte auf 20% bzw. 52% verringert werden.
Aus diesen Daten ist jedoch auch ersichtlich, daß trotz Operation und anschließender
Bestrahlung bei einer erheblichen Zahl von Patienten ein Lokalrezidiv auftritt. Im Rahmen des
Protonenprotokolls soll geprüft werden, ob eine ansteigende Tumordosis ohne Erhöhung der
Dosis im umgebenden Normalgewebe zu einer verbesserten lokalen Tumorkontrollrate ohne
ansteigende Häufigkeit der späten Nebenwirkungen führt.
9. Prostatakarzinome
Eine Erhöhung der Bestrahlungsdosis führt zu einer verbesserten lokalen Tumorkontrolle.
(Hanks, GE International Journal of Radiation Oncology, Biology and Physics). Im Rahmen
einer früheren, randomisierten Studie wurden konventionelle Dosierungsschemata verglichen mit
einer Dosiseskalation auf der Basis von Protonen am Allgemeinen Krankenhaus Massachusetts
und kürzlich publiziert (Shipley WLI et al. JIRBP, 1995). Im Rahmen dieser Studie wurden T3 T4 Tumoren behandelt. Es zeigte sich eine verbesserte lokale Tumorkontrollrate für eine Dosis
von 75,6 CGE im Vergleich zu einer Dosis von lediglich 67,2 CGE, was in der Untergruppe der
histologisch wenig differenzierten Tumoren ein statistisch signifikantes Ergebnis darstellte. Es
erscheint wahrscheinlich, daß bei kleineren Tumoren die Applikation einer höheren Dosis mit
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
120
Band I.7: Aktuelle klinische Studien
Verbesserungen der lokalen Tumorkontrollraten einhergehen wird. Daher werden in der
laufenden Studie des Allgemeinen Krankenhauses Massachusetts und dem
medizinischen
Zentrum der Loma Linda-Universität zwei Behandlungsarme verglichen. Diese Studie wird von
der Proton Radiation Oncology Group (PROG 95 09) durchgeführt. Im Rahmen dieser
Untersuchung erfolgt die Randomisierung zwischen 70,2 CGE sowie 79,2 CGE. Als
Einschlußkriterien in diese Studie gelten: PSA Werte £ 15, Nx oder NO - Status sowie die
klinischen Stadien TIP - T2B. Der Studienverlauf ist sehr befriedigend und die Anzahl der
rekrutierten Patienten übersteigt die Protokollanforderungen. In einer aktuellen Auswertung des
medizinischen Zentrums der Loma Linda Universität von mehr als 600 Patienten mit
Prostatakarzinomen zeigen sich hinsichtlich des biochemischen erkrankungsfreien Überlebens
die besten derzeit verfügbaren Ergebnisse. Im Vergleich zu publizierten, historischen Daten
zeigte sich darüber hinaus eine Verringerung nennenswerter Nebenwirkungen insbesondere der
rektalen Blutungen.
10. Glioblastoma multiforme
Eine Pilotstudie ist am Allgemeinen Krankenhaus Massachusetts durchgeführt worden. Im
Anschluß an die maximal mögliche Resektion erhielten die Patienten auf der Basis von
schrittweise verkleinerten Zielvolumina letztendlich eine Gesamtdosis von 90 CGE im Bereich
der potentiellen Tumorregion. Diese Daten wurden kürzlich analysiert und werden zur
Publikation vorbereitet. Es zeigte sich, daß das mediane Überleben nach Beendigung der
strahlentherapeutischen Behandlung auf 20 -22 Monate anstieg. Für diese spezifische
Patientengruppe stellen die Resultate eine statistisch signifikante Verbesserung gegenüber einem
durchschnittlichen
medianen
Übenleben
von
11-13
Monaten
nach
konventioneller
Strahlentherapie mit herkömmlichen Dosierungschemata dar. Die einzige Therapiemodalität, bei
welcher über eine vergleichbare Verbesserung des Überlebens berichtet wurde, stellt die
Brachytherapie dar. Sicherlich ist die strahlentherapeutische Induktion von Nekrosen durch das
aggressive Behandlungsschema als ein wichtiges ungelöstes Problem zu betrachten. Zur Zeit
wird das laufende Protokoll überarbeitet.
121
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.7: Aktuelle klinische Studien
11. Bronchialkarzinome
Eine Pilotstudie für frühe Stadien eines Bronchialkarzinoms wird derzeitig an dem
medizinischen Zentrum der Loma Linda-Universität durchgeführt. In Abhängigkeit von der
Lungenfunktion sieht das Protokoll zwei Therapiearme vor. Bei Patienten mit guter
Lungenfunktion ist die Applikation von 73 CGE in einem Zeitraum von 4 Wochen mit
kombinierter Photonen- und Protonenbestrahlung vorgesehen. Die Therapie erfolgt in einem
hyperfraktionierten, akzelerierten Bestrahlungsschema mit 1,8 Gy pro Fraktion BID. Im Rahmen
der Photonenbestrahlung wird die Tumorregion sowie das Mediastinum erfaßt. Die Applikation
der Protonentherapie erfolgt als Boost im Bereich der initialen Tumorregion. Bei Patienten mit
einer schlechten Lungenfunktion sind 51 CGE in einem Zeitraum von 2 Wochen vorgesehen,
wobei sich die Einzeldosis pro Fraktion auf 5,1 CGE beläuft. Die vorläufigen Ergebnisse sind
ermutigend und weisen auf eine verbesserte lokale Kontrollrate ohne ansteigende, akute
Morbidität hin. Die Langzeitergebnisse bleiben abzuwarten.
12. Pädiatrische Hirntumoren
Momentan werden bei Kindern mit niedriggradigen Tumoren i.e. niedriggradige
Astrozytome, Craniopharyngeome, Hypophysenadenome, etc. Protonenbestrahlungen mit
konventionellen Dosierungsschemata angewandt. Der größte Vorteil besteht in einer Reduktion
der Spätnebenwirkungen in dem im Wachstum befindlichen Gewebe. Ein Schwerpunkt in naher
Zukunft wird die Erstellung formaler Protokolle eventuell mit Dosiseskalationen insbesondere
bei niedriggradigen Astrozytomen mit residualem Tumor sein. Diese Entwicklung wird
insbesondere von den Eltern und der Gruppe der pädiatrischen Onkologen mit großem Interesse
verfolgt.
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
122
Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie
I.8 Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie in der Welt
K. Poljanc, T. Auberger
I.8.1 Einleitung
Bis ins Jahr 1996 waren weltweit 17 Protonen- und Leichtionen-Behandlungsanlagen in
Betrieb, 15 davon im andauernden Patientenbetrieb. Seit 1996 nimmt die Anzahl der
strahlentherapeutisch genutzten Anlagen immer weiter zu. Zumeist werden zur Erzeugung der
Protonen bzw. ionisierenden Teilchen Beschleuniger im grundlagenphysikalischen Einsatz für
Forschung und Entwicklung mit genutzt. Man findet daher Hadronentherapieanlagen meist als
Teilprojekte von Großforschungsanlagen der Beschleunigerphysik. Die durch den physikalischen
Forschungsbetrieb limitierten Strahlzeiten beschränken die Anzahl der Patienten. Nur im Loma
Linda University Medical Center (LLUMC)/USA ist es gelungen, einen Protonen-Beschleuniger
im alleinigen Spitalsbetrieb im Dauereinsatz zu führen. Ein weiteres im alleinigen Spitalsbetrieb
befindliches Zentrum wird das im Bau befindliche North East Proton Therapy Center (NPT) am
Massachusetts General Hospital in Boston/USA sein. Der Routinebetrieb dieser klinikgestützten
Protonentherapieanlage wird in etwa 1 ½ Jahren beginnen.
Im folgenden Überblick soll die Verteilung der im Betrieb befindlichen Protonen- und
Ionenbestrahlungsanlagen veranschaulicht werden, wobei die Protonenanlagen rot, die
Ionenanlagen schwarz dargestellt sind. Das in Klammer gesetzte Zentrum der Gesellschaft für
Schwerionenforschung (GSI) in Darmstadt/Deutschland befindet sich im Probebetrieb und kann
zur Zeit nur auf wenige behandelte Patienten verweisen. Für den ausschließlichen Spitalsbetrieb
ist nur die Anlage im Loma Linda University Medical Center (LLMUC)/Kalifornien/USA
konzipiert. Loma Linda liegt in der Anzahl der mit Protonen behandelten Patienten weltweit in
Führung. HIMAC (Heavy Ion Medical Accelerator Center) in Chiba/Japan ist das zur Zeit
einzige im Routinebetrieb befindliche Ionenzentrum der Welt. Nachfolgend sei anhand der
überarbeiteten Quelle [1] ein Überblick über die derzeit in Betrieb befindlichen Zentren
aufgezeigt:
123
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie
Uppsala
Vancouver
Boston
Dubna
Gatchina
Moscow
Clatterbridge
Orsey
Nice
PSI Villigen
Louvrain-la-Neuve
(GSI)
Chiba
Tsukuba
Loma Linda
Indiana
Sacramento
Faure
Abbildung 8.1-1: Weltweite Hadronentherapieanlagen.
Nachfolgende Tabelle listet die Patientenzahlen und die Zeiträume der Datenerhebung der
Zentren auf. Der Zeitraum der Datenerhebung kann sich in einigen Fällen auch auf den Zeitraum
des Patientenbetriebs beziehen (Berkeley, Indiana University, Louvain-la-Neuve). Von den
Zentren der ehemaligen Sowjetunion liegen nur vereinzelte Daten vor. Tabelle 8.1-1 bezieht sich
in überarbeiteter Form auf Quelle [2] und [3].
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
124
Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie
Tabelle 8.1-1: Therapiezentren an Protonen- und Ionen-Quellen nach Jahren und
Betriebsphasen.
Zentren
Land
Berkeley 184 CA.USA
Berkeley
CA. USA
Uppsala
Harvard
Dubna
ITEP Moskau
Los Alamos
St. Petersburg
Berkeley
Schweden
MA. USA
Rußland
Rußland
NM. USA
Rußland
CA. USA
Teilchen- Energie Patienten BetriebsAnmerkungen
art
(MeV)
zeiten
p
740
30
1954-57 keine Behandlung
He
2054
1957-92 Juni 91
keine Behandlung
p
185
73
1957-76 keine Behandlung
p
160
7694 1961-98/1
p
680
84
1967-74 keine Behandlung
p
200
3039 1969-96/5
pi 230 1974-1982 keine Behandlung
p
1000
1029 1975-97/12
heavy ion
433 1975-1992 Juni 91
keine Behandlung
Chiba
Japan
p
TRIUMPF
Canada
pi PSI (SIN)
Schweiz
pi PMRC,
Japan
p
Tsukuba
PSI
Schweiz
p
Dubna
Rußland
p
Uppsala
Schweden
p
Clatterbridge England
p
Loma Linda USA
p
Louvain-laBelgien
p
Neuve
Nice
Frankreich
p
Orsey
Frankreich
p
NAC Faure
Süd Afrika
p
IUCF Indiana IN. USA
p
UCSF-CNL CA. USA
p
HIMAC Chiba Japan
heavy ion
TRIUMF
Canada
p
PSI
Schweiz
p
GSIDeutschland heavy ion
Darmstadt
Berlin
Deutschland
p
86
520
250
72
62
250
90
65
200
200
200
125
96 1979-96/10
367 1979-93/12 keine Behandlung
503
1980-93 keine Behandlung
576 1983-97/7
2487
40
147
817
3433
21
1984-97/12
1987-97/12
1989-97/4
1989-97/7
1990-97/12 Spitalsbetrieb
1991-93/11
1010
956
263
1
162
389
37
9
2
1991-98/1
1991-97/5
1993-97/12
1993-97/12
1994-97/12
1994-97/8
1995-98/1
1996-97/12
1997-98/3
3
1998-
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie
In Summe sind in den Jahren 1954 bis etwa 1997 25.985 Patienten einer Hadronentherapie
zugeführt worden. Betrachtet man die Anzahl der Patienten nach den Teilchenarten, so wurden
1100 Patienten (=4,2%) mit Pionen, 2878 Patienten (=11,1%) mit schweren Ionen und 22007
Patienten (=84,7%) mit Protonen behandelt. Der überwiegende Teil der Tumoren fällt somit
einer Therapie mit Protonen zu, die in folgenden Zentren behandelt wurden:
·
Harvard in Massachussets/USA (7694 Patienten),
·
Loma Linda in Kalifornien/USA (3433 Patienten),
·
ITEP Moskau/Rußland (3039 Patienten) und
·
PSI in Villigen/Schweiz (2487 Patienten).
Erfahrungen mit Ionen stützen sich noch nicht auf eine solch umfangreiche Statistik. Das
einzige zur Zeit im ständigen Betrieb befindliche Zentrum für Tumortherapie mit Ionen ist das
Heavy Ion Medical Accelerator Center (HIMAC) in Chiba/Japan, in dem bis dato etwa 400
Patienten behandelt wurden.
Tabelle 8.1-2: Anzahl der Protonenbestrahlungsanlagen nach Jahren.
(> ... ansteigend, genaue Daten liegen nicht vor)
1990
1994
1996
1997/98
Gesamtzahl der Protonenbestrahlunsanlagen
10
16
17
21
Zentren mit Patientenbetrieb
10
14
15
16
geschätzte Anzahl an Patientenbehandlungen
876
1732
>
>
pro Jahr, weltweit
Drei der bis ins Jahr 1996 in Betrieb befindlichen Zentren erzeugen hochenergetische
Teilchen mittels Synchrotronen, neun mittels Zyklotronen und fünf Zentren verwenden
Synchrozyklotrone. Der wesentliche Unterschied dieser Großgeräte liegt in der diskreten bzw.
variablen Energiedisposition und in der Maximalenergie der erzeugten Teilchenpakete.
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
126
Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie
Tabelle 8.1-3: Jährliches Patientenaufkommen gegliedert nach Protonenbestrahlungsanlagen.
(> ... Tendenz steigend; < ... Tendenz sinkend)
1990
Teilt
1994
1996
1997/98
<= 10 Patienten / Jahr
3
2
<
<
11 - 100 Patienten / Jahr
4
5-6
>
>
101 - 200 Patienten / Jahr
2
3-4
>
>
201 - 300 Patienten / Jahr
1
2
>
>
>= 400 Patienten / Jahr
0
1
>
>
man
die
bis
ins
Jahr
1996
weltweit
im
Patientenbetrieb
befindlichen
Hadronentherapieanlagen nach ihrer möglichen Maximalenergie, so kann in 5 Zentren (PSIAugen, Clatterbridge, Nice, ...) entweder aufgrund der Beschleuniger oder der Strahlführung eine
maximale Energie von kleiner als 75 MeV erzeugt, bzw. weitergeleitet werden. In einigen
Zentren (Chiba Protonen, Harvard (USA), Louvain-la-Neuve, ITEP-Moskau, Orsay, NAC-Faure,
IUCF-Indianapolis) liegt die maximale Energie der Teilchen zwischen 75 und 200 MeV, nur bei
wenigen Zentren (Loma Linda, PMRC-Tsukuba, St. Petersburg) können optimale Energiewerte
für alle Tumoren erreicht werden. Um verschiedene Tumorarten in allen Gewebetiefen sicher
erreichen zu können, sind Protonenenergien zwischen 235 und 250MeV nötig. Zentren mit
geringerer maximaler Energie müssen sich auf geringere Eindringtiefen beschränken und sind
daher in den Indikationen der zu behandelnden Tumoren stark eingeschränkt. Typisch dafür ist
die Behandlung von Augentumoren bei geringer Energiedeposition im tief sitzenden Gewebe.
Augentumoren können mit Energien zwischen 55 und 60 MeV bestrahlt werden [5].
127
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie
I.8.2 Weltweiter Trend zur Patientenbehandlung in den Jahren 1990-94 anhand der
Zentrendaten
Der allgemeine Trend der Behandlung von Tumoren ist der nachfolgenden Statistik zu
entnehmen. Es zeigt sich, daß der Grundtendenz einer steigenden Patientenzahl durch die
Errichtung von immer mehr Zentren Rechnung getragen wird. Die angefügte Übersicht behandelt
die Jahre 1990 bis 1994 im Detail. Therapiezentren, die im Jahre 1990 noch nicht in Betrieb
waren, scheinen daher nur in der Statistik des Jahres 1994 auf. Die Anzahl der Fraktionen ist nun
vergleichbar mit der Anzahl der Fraktionen einer konventionellen Therapie. Dem Trend einer
hochfraktionierten Therapie wird auch bei der Behandlung mit Protonen Rechnung getragen.
35%
30%
25%
20%
Jahr 1990
Jahr 1994
15%
10%
5%
LLUMC
HCL
PSI - Augen
Orsay
Moskau
Nice
Clatterbridge
Tsukuba
NAC
St. Petersburg
UCSF-CNL
Uppsala
Dubna
Chiba
0%
Abbildung 8.2-1: Prozentuelle Aufteilung der Patienten nach Zentren (Überblick 1990 und
1994).
Die Anzahl der Patienten ist ein wesentlicher Aspekt zur Beurteilung der Etablierung eines
Therapiezentrums. Allerdings sollten auch Daten zur Anzahl der gegebenen Fraktionen und zur
behandelten Tumorart nicht außer Acht gelassen werden. Im Vergleich zur konventionellen
Therapie liegt einer der in der Praxis bemerkbaren Unterschiede in der meist geringeren Anzahl
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
128
Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie
der Fraktionen. Zu Beginn der Tumortherapie mit Hadronen beschränkte man sich auf nur
wenige Fraktionen. Wie die Abbildung 8.2-2 erkennen läßt, hat sich dies in den letzten Jahren
gründlich geändert. Die Einzelbestrahlungen nehmen einen geringen Anteil an allen
Patientenbestrahlungen ein. (Anmerkung: Von Rußland liegen keine detaillierten Angaben vor
und gehen daher in der nachfolgenden Statistik nicht ein). Der Trend geht eindeutig zu einer
Fraktionierung in kleinere Dosen, wie sie bei der herkömmlichen Strahlentherapie üblich ist, bis
hin zur Hyperfraktionierung (mehrmals tägliche Bestrahlung).
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
Einzelfraktionen
Abbildung
8.2-2:
Prozentuelle
Anzahl
von
1994
1993
1992
1991
1990
Mehrfachfraktionen
Einzelfraktionen
im
Vergleich
zu
Mehrfachfraktionen in den Jahren 1990-94.
129
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie
Betrachtet man das Fraktionierungsverhalten gegliedert nach Einzelbestrahlungen und
fraktionierter Therapie bei verschiedenen Tumorarten der Jahre 1990 bis 1994, so ergibt sich
folgende Übersicht.
Tabelle 8.2-1: Behandelte Tumorentitäten der Jahre 1990-1994 nach Einzel und
Mehrfachfraktionen.
Jahr
Einzelbestrahlungen
Hypophysentumoren
AVMs
Andere
Fraktionierte Therapie
(Mehrfachbestrahlungen)
Uveale Melanome
verschiedene Augenerkrankungen
andere ausgewählte Tumoren,
fraktioniert
Prostata
Chordome & Chondrosarkome
Meningeome
Leber
Kopf und Hals
Gliome
Weichteilsarkome
AVM etc.
Nasennebenhöhlen Tumoren
Hypophysentumoren
Ösophagus
Lunge
Verschiedene
1990
1991
1992
1993
1994
3,8
14,1
0
3,7
11,4
0,6
1,5
4,9
1,1
1,6
3,5
1,3
1,3
5,6
2,2
59,8
3,5
59,8
2,6
53,8
3,3
52,6
3,7
48,8
4,9
1,0
5,1
0,9
1,7
0,7
0,7
0,7
0
0
0,3
0,9
0,7
6,4
1,1
5,2
1,8
1,6
1,1
0,7
1,2
0,4
0,5
1,3
0,6
0,6
5,5
14,2
4,3
1,9
1,4
2,1
2,2
0,5
0,4
1,1
1,6
0,4
0
5,5
16,4
5,6
1,6
1,8
1,8
1,0
0,6
1,1
0,8
0,6
0,1
0,1
5,6
14,9
4,9
2,6
1,9
1,9
1,8
1,1
0,8
0,8
0,6
0,1
0,1
5,8
I.8.3 Weltweit verwendete technische Einrichtungen zum Beamdelivery bzw. zur
Aufweitung des Strahles
Der herausragende Vorteil der Protonen- und Ionentherapie liegt in der exakten Deposition
der Energie in ein vorher definiertes lokal begrenztes Tumorvolumen. Die meisten in Betrieb
stehenden Anlagen stützen sich auf die Technik der passiven Streuung, wobei der Strahl in der
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
130
Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie
lateralen Dimension durch Streufolien aufgeweitet wird. Die dritte Dimension der Abgabe der
Dosis über einen definierten Tiefenbereich [6] kann mittels spezieller Vorrichtungen, wie
rotierender Propeller, Ridge Filter, etc. gewährleistet werden. Um den Strahl lateral aufzuweiten,
kommen abhängig von der Feldgröße einfache, doppelte, oder konturierte Streusysteme zum
Einsatz. Typische Größenordnungen von erzielten Tiefen für Feldgrößen von 40cm im
Durchmesser liegen bei 15cm (Harvard Cyclotron) [4]. Passive Streutechniken werden meist in
der Adaption einer oder mehrerer Beamlines von bestehenden Physik-Beschleunigeranlagen
verwendet. Durch passives Streuen können relativ große homogene Felder erzeugt werden.
Durch diese Streutechnik nimmt man allerdings den Verlust einiger Eindringtiefen und
Strahlintensitäten in Kauf. Als Alternative bietet sich hier aktives Scanning an. Die nur an
einigen wenigen Zentren im Einsatz befindliche Technik basiert auf dem Prinzip der Rasterung
einzelner Volumina. Zur Zeit wird eine Form der Rastertechnik am PSI in Villigen/Schweiz und
am GSI in Darmstadt/Deutschland eingesetzt. Geplante Zentren, wie Med-AUSTRON/Österreich
und TERA/Italien wollen diese Technik der Voxel-für-Voxel-Abrasterung in zeitabhängigen
Schritten („microvoxel-scanning“) fix in ihr Programm aufnehmen.
I.8.4 Weltweit verwendete Strahlendgeräte (Fixed Beam/Gantries)
Um die Energiedisposition mittels Rasterscanning zu verwirklichen und um der
herkömmlichen Strahlentherapie vergleichbare Behandlungstechniken einsetzen zu können, ist
der Einsatz von drehbaren Strahlführungssystemen (Gantries) zur optimalen Behandlung von
Patienten unumgänglich.
Weltweit bildet noch das fixe Strahlrohr das häufigste Ende der Bestrahlungskette:
Linearbeschleuniger - Kreisbeschleuniger - Beamlines – vertikales oder horizontales fixes
Strahlrohr. Nur in Loma Linda sind drei Gantries seit nunmehr mehreren Jahren ständig im
Einsatz. Die Tendenz der Strahlführung über eine Gantry ist steigend, man kann damit im
optimalen Fall eine 4p-Geometrie (Einstrahlwinkel von allen Seiten) gewährleisten und so den
Patienten im für ihn individuell günstigsten Winkel behandeln.
Für Protonentherapieanlagen wurde im Forschungsbetrieb im Jahr 1996 am PSI in
Villigen/Schweiz eine kompakte Gantry entwickelt. In Kashiwa/Japan werden ab 1999 zwei
Protonengantries zum Einsatz kommen. Ein weiterer horizontaler Fixstrahl kann als Augenstrahl
131
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie
eingesetzt werden. Der dazugehörige Behandlungsstuhl kann zu einem Tisch umgestellt werden
und bietet die Möglichkeit der Gegenfeldbestrahlung im Kopf-Halsbereich und im Bereich des
Körperstammes [7].
Am GSI in Darmstadt/Deutschland werden Überlegungen zur Installation einer 60° Gantry
angestellt. Hier geht man von einer kompakten, nicht supraleitenden Gantry eventuell in
Kombination mit einem vertikalen fixen Strahl aus. Um eine 4p-Geometrie gewährleisten zu
können, wurden Überlegungen angestellt, die Lage des Patienten im Extremfall bis zu ± 15° aus
der Horizontalen zu verändern. Für den täglichen Routinebetrieb ist die im Extremfall ständige
Umlagerung und die damit verbundene Neueinstellung des Patienten schwer durchzusetzen [8].
Parallel dazu werden Überlegungen zur Entwicklung einer Gantry angestellt, die sich sowohl für
den Protonen- als auch für den Ionenbetrieb eignet.
Von den Zentren der ehemaligen Sowjetunion liegen derzeit keine detaillierten Daten vor.
Sicher ist, daß in St. Petersburg, in Dubna und am ITEP in Moskau keine Gantries im Einsatz
sind. An den genannten Anlagen werden Patienten mit Fixstrahlen an Forschungszentren
behandelt.
In Deutschland sind einige Zentren in Planung bzw. in Betrieb. Das Hahn-Meitner-Institut
(HMI) in Berlin besitzt einen Beschleuniger mit fixem Strahlaustritt. Am deutschen
Krebsforschungszentrum Heidelberg ist ein eigenständiges Protonen- und Ionenzentrum (1
horizontaler Fixstrahl, 2 Gantries) mit der technischen Unterstützung der GSI-Darmstadt in
Planung. Eine Protonentherapieanlage in Erlangen ist im Projektzustand. Beim Erlangener
Projekt soll ein kommerziell erhältliches Komplettsystem mit Fixstrahlen und Gantries mit
privaten Sponsorengeldern finanziert werden. Es gibt weltweit 2 Firmen, die kommerziell
erhältliche Protonenbestrahlungsanlagen anbieten: IBA/Brüssel und Optivus Technology/Loma
Linda.
Alle geplanten Zentren in Europa implementieren Protonengantries in ihre Anlagen. Alle
drei für die Ionentherapie konzipierten Anlagen planen darüber hinaus auch die weit schwieriger
zu realisierende Konstruktion von großen Ionen-Gantries für die Carbon-Ionentherapie. Das
einzige zur Zeit primär für den Patientenbetrieb erbaute Ionenzentrum der Welt, HIMAC in
Chiba (Japan), ist nur mit fixen Strahlaustritten (horizontale/vertikale und in Kombination)
ausgestattet [9].
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
132
Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie
Ausstattung am Beispiel einiger Zentren:
Loma Linda University Medical Center/Kalifornien/USA
Linearbeschleuniger: für Protonen
Kreisbeschleuniger: Synchrotron, 4 diskrete Energieniveaus, die durch „shifter“ variiert
werden können, Konstruktion und Errichtung durch das Forschungszentrum Los Alamos/USA
und durch die Firma Optivus
5 Beamlines: 3 Gantries und ein Fixstrahlraum zum Patientenbetrieb, 1 Strahl für den
Forschungsbetrieb; auffällig ist bei näherer Betrachtung der Strahlführung, daß einige der
Ablenkmagneten nicht horizontal gelagert sind.
CT, MRI (Zur Planung werden zur Zeit nur CT Daten verwendet)
Zur Lagerung der Patienten mit Tumoren am Körperstamm werden individuelle Schalen
angefertigt. Für Patienten mit Tumoren im Kopf-Hals-Bereich werden Gesichtsmasken mit
Vakuumsystem verwendet, wie sie auch in der konventionellen Präzisionstherapie zum Einsatz
kommen. Der Augenstuhl ist, im Gegensatz zum Augenstuhl in Kashiwa, nicht zum Tisch
umbaufähig. Für jeden Patienten werden individuelle Blöcke bzw. Keile angefertigt.
Bestrahlungsprogramm: Parallel zum 3D Bestrahlungsprogramm des Massachussettes
General Hospital ist das auf WinNT4.0/Win95/Win97 aufgesetzte Bestrahlungsplanungsprogramm, entwickelt von Dr. D. Miller im Einsatz. Für etwa 100 Patienten, die pro Tag einer
Bestrahlung mit Protonen zugeführt werden, werden individuelle 3D-Pläne erstellt.
Die Peripherie, wie CT, Bestrahlungsplanung, Mulagenraum, Computerräume, Büros, etc.
nehmen im Vergleich zu anderen Zentren einen geringen Anteil ein, da sie teilweise – ebenso
wie der gesamte Diagnostik – und Ambulanzbereich – nicht der Protonentherapie sondern
institutsüberschreitend der gesamten Klinik für Radioonkologie zugeordnet sind.
Chiba/Japan
Beschleuniger: 2 übereinander gelagerte Kreisbeschleuniger (für „slow and fast extraction“),
die nach der Extraktion in einer Beamline zusammengeführt werden.
Beamlines: Die Beamlines erstrecken sich über 2 - 3 Geschosse, die eine vertikale
Strahlführung in die beiden Behandlungsräume ermöglichen. Im ersten Behandlungsraum ist
zusätzlich ein horizontaler Fixstrahl im Einsatz. Weiters bietet ein Strahl für biologische
133
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie
Experimente ausreichende Möglichkeiten für strahlenbiologische und medizinphysikalische
Forschung.
Zur Bildgebung werden CT Schnittbilder herangezogen. Die Lagerung erfolgt in eigenen
Schalen analog der Lagerung am Loma Linda University Medical Center. Zusätzlich wird bei
manchen Patienten eine Synchronisation der Dosisabgabe mittels Atemtriggerung durchgeführt.
Die Bestrahlungsplanung erfolgt mittels HIPLAN, einem 3 D-Bestrahlungsplanungsprogramm.
Von der Ausstattung her ist reichlich Platz für die Patientenvoruntersuchung an CT, MRI
und konventionellen Röntgeneinrichtungen. In jedem Bestrahlungsraum befindet sich ein CT zur
Kontrolle der Bestrahlungsposition.
I.8.5 Ausblicke
Derzeit ist in den westlichen Staaten die Intention groß, die Kapazität für die Tumortherapie
mit Hadronen erheblich zu erweitern und neue Therapie- und Forschungszentren zu errichten.
Eine Zusammenfassung der geplanten Zentren in Europa und Übersee gibt der nachfolgende
Überblick:
Tabelle 8.5-1: Geplante Protonen- und Ionentherapieanlagen.
Institution
Land
Energie Anmerkung
in MeV
Berlin
NPTC (Harvard)
Teilchen geplanter
-art
Zeitpunkt
der Erstbestrahlung
Deutschland p
1998
MA USA p
1998
Kashiwa
Japan
p
1998
235
INFN-LNS,
Catalina
Bratislava
Italien
p
1999
70
Slowakei
p, ion
2000
75
CGMH, Northern Taiwan
Taiwan
HYOGO
Japan
p
2000
250
p, ion
2001
NAC, Faure
p
2001
Südafrika
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
134
72
235
Zyklotron, Augentumoren
Zyklotron
2 Gantries, 3 horizontaler
Zyclotron
2 Gantries, 1 horizontaler
1 horizontal
Zyclotron, Protonen und
Ionen,
+ BNCT
Synchrotron
3 Gantries, 1 Fixed beam
2 Gantries
2 horizontale, 1 vertikaler,
45°
neuer Behandlungsraum mit
Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie
Tsukuba
Japan
Wakasa Bay
Japan
Shizuoka Cancer Japan
Center
CNAO,
Italien
Milano/Pavia
p
p
2001
270
2001?
2002?
230?
2002?
Med-AUSTRON Österreich
p, C-ion ?
235
Peking
Zentralitalien
Clatterbridge
TOP / ISS Rome
3 Projekte in
Moskau
HIRFL, Lanzhou
Jülich
Krakau
KVI Groningen
Moskau
Proton
Development
N.A.Inc.
PROTOX
30° von der Vertikalen
2 Gantries, 1
Forschungsstrahl
Mehrzweckbeschleuniger
Synchrotron
2 Gantries, 1 horizontaler
Synchrotron, 1 Gantry, 2
Fixed beam, 1
Forschungsstrahl
Synchrotron,
2 Protonengantries,
1 Ionengantry,
1 Protonen Fixed,
1 Ionen fixed,
1 Forschungsstrahl
Synchrotron
Zyklotron, 1 Gantry, 1 Fixed
Upgrading, Boost
Linearbeschleuniger
Linac, 1 Augenstrahl, Gantry?
China
Italien
Großbritannien
Italien
Rußland
p
p
p
?
?
?
250
p
p
?
?
200
VR China
Deutschland
Polen
NL
Rußland
IL USA
C-ion
p
p
p
p
p
?
?
?
?
?
?
60
200
320
300
1 Gantry, 1 Fixed beam
Fixed beam
Therapie und Forschung
Großbritannien
p
2001?
250
Synchrotron, 3 Gantries
Forschungsstrahl, Therapie?
135
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie
Tabelle
8.5-2:
Zusammenstellung
der
Strahleigenschaft
der
zur
Zeit
fünf
bedeutendsten Hadronentherapieanlagen im Vergleich mit der aus CERN geplanten
Therapieanlage für Med-AUSTRON [10].
LLUMC
Loma
Linda/USA
in Betrieb
Protonen Passives
Spreading
Aktives
Scanning
Leichte
Passives
Ionen
Spreading
Aktives
Scanning
x
MGH
PSI
HIMAC
GSI
MedBoston/ Villingen/ Chiba/ Darmstadt/ AUSTRON
USA
Schweiz Japan Deutschland Österreich
in
Betrieb
x
in
Testphase
x
in
Betrieb
in Testphase
teilweise
Designphase
x
x
X
x
x
Im Gegensatz zu den bisher in Betrieb befindlichen Therapiezentren kann Med-AUSTRON
sowohl Passive Streutechniken, als auch Aktives Scanning für Protonen und Leichte Ionen
anbieten, sodaß erstmals für beide Strahlarten eine Präzision erreicht wird, die der
stereotaktischen Bestrahlung mit Photonen deutlich überlegen ist.
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
136
Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie
Literatur
[1]
überarbeitete Quelle: http://www-medical.kek.jp/WFacility.html
[2]
überarbeitete Quelle: http://www-medical.kek.jp/Wfacility.html
[3]
Particle Newsletter, No21, PTCOG, Editor J.M. Sisterson, January 1998
[4]
Sisterson J.M., Proton Therapy in 1996; CP392; Application of Accelerators in
Research and Industry, edited by J.L. Duggan and I.L.Morgan, AIP Press, New
York,1997
[5]
Goitein M. et al., Int. J. Radiat. Oncol. Biol. Phys. 9 (1983) 259-260
[6]
Chu W.T. et al., Rev. Sci. Instr. 64 (1993) 2055-2122
[7]
IBA, Proton Therapy System, Technical Description, July 1997
[8]
Pawlovich M., GSI-Report and privat communication, as well as presentation at the
GSI-Gantry workshop in Darmstadt, March 1998 and PTCOG XXIX, Heidelberg,
Darmstadt
[9]
HIMAC/ Chiba/Japan
[10] Bryant P., Benedikt M., Regler M.; Zusammenstellung einiger weltweit in Betrieb
oder in Bau befindlichen Hadronentherapiezentren der Welt
137
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
138
Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick
I.9 Entwicklung der Protonen- und Leichtionenradiotherapie im Licht der aktuellen Möglichkeiten der
Strahlentherapie mit Photonen
Zusammenfassung und Ausblick auf Med-AUSTRON
R. Pötter, T. Auberger
Fortschritte in der Tumorbehandlung sind innerhalb der letzten Jahrzehnte wesentlich durch
die Weiterentwicklungen lokoregionaler Maßnahmen beeinflußt worden. Die Tumorkontrollrate
konnte durch verbessertes chirurgisches Vorgehen in unterschiedlichem Ausmaß angehoben
werden:
Im Bereich des Abdomens geringfügig bei Tumoren des Pankreas und des Magens, deutlich
bei Tumoren des Rektums, der Prostata und der Harnblase; im Bereich des Thorax geringfügig
bei Tumoren des Ösophagus, z.T. deutlich bei Tumoren des Bronchus; in der Gynäkologie
geringfügig bei Tumoren der Gebärmutter, deutlich bei Tumoren des Ovars; im Bereich der
Kopf-Hals-Region nur geringfügig bei der Mehrzahl der Tumoren; im Bereich des ZNS deutlich
bei gut abgrenzbaren Tumoren; bei Tumoren der Weichteile und Knochen deutlich bei der
Mehrzahl der Tumoren.
Abhängig von der biologischen Aggressivität dieser Tumoren führten diese Verbesserungen
des chirurgischen Vorgehens über eine Steigerung der lokalen Tumorkontrolle zu einer
Verbesserung der Heilungsraten. Bezogen auf die Lebensqualität der Patienten konnte des
weiteren ein wesentlicher Fortschritt durch eine Reduktion mutilierender operativer Eingriffe
erzielt werden.
Hinsichtlich der lokoregionalen Tumorkontrolle gilt die Strahlentherapie nach der Chirurgie
als zweitwichtigste onkologische Behandlungsform und wird bei einer Vielzahl von Tumoren
entweder allein oder in Kombination mit einem operativen Verfahren eingesetzt. Verbesserungen
auf
dem
Gebiet
der
lokoregionalen
Tumorkontrolle
139
durch
gezielten
Einsatz
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick
strahlentherapeutischer Maßnahmen sind nicht zuletzt auf gerätetechnische Weiterentwicklungen
der Strahlentherapie zurückzuführen. Darüber hinaus ist es u.a. durch die Verbesserung
radioonkologischer Behandlungstechniken zu einer deutlichen Reduktion strahlenbedingter
Morbidität gekommen.
Die medikamentöse onkologische Therapie, die in erster Linie der Bekämpfung klinisch
okkulter und manifester metastatischer Absiedlungen dient, spielt eine zunehmend bedeutende
Rolle bei metastastierenden Malignomen. Sie trägt aber nur in geringem Umfang zur
Verbesserung der lokoregionalen Tumorkontrolle bei.
Die aktuelle Forschung auf dem Gebiet der Strahlentherapie bedarf nennenswert großer
technischer Einrichtungen. Technisch kostenintensive Institutionen profitieren mehr als
chirurgische, chemotherapeutische oder immuntherapeutische Zentren von internationaler
Zusammenarbeit. Darüberhinaus ist die Strahlentherapie in großem Umfang von der finanziellen
Unterstützung öffentlicher Geldgeber abhängig, weil sie nur in geringem Ausmaß von der
Industrie (z.B. Pharmafirmen) unterstützt wird.
Innerhalb der europäischen Krebsforschungsstrategien - neuerlich publiziert durch die
Kommission der EG unter dem Titel „European Cancer Research Strategies“ - wird der
Hauptschwerpunkt auf die Weiterentwicklung der Strahlentherapie gelegt. Die hier
vorgeschlagene Strategie für die Anhebung der lokoregionalen Tumorkontrolle besteht einerseits
in einer Verbesserung der Strahlentherapie vor allem durch Qualitätssteigerung, andererseits in
der Einführung und Evaluation neuer strahlentherapeutischer Behandlungsmethoden wie der
Hadronentherapie, hier in erster Linie der Radiotherapie mit Leichtionen.
Für Tumoren, die vor allem lokal wachsen und unter konventioneller Therapie (Photonen-,
Elektronentherapie) als wenig strahlenempfindlich gelten, besteht die Möglichkeit, diese relative
Strahlenresistenz durch Erhöhung der Strahlendosis zu überwinden. Eine Steigerung der
Strahlendosis ohne wesentliche Steigerung der strahlentherapieassoziierten Morbidität kann nur
dann erreicht werden, wenn spezifische Formen der Strahlentherapie eingesetzt werden, die das
tumorumgebende Normalgewebe aussparen oder dies in geringerem Maße beeinträchtigen
würden: Dies sind spezielle Techniken der Dosisapplikation (konformal, stereotaktisch,
intraoperativ),
spezielle
Fraktionierungsschemata
(hyperfraktioniert-akzeleriert),
Teilchenstrahlung mit höherer biologischer Effektivität (Neutronen) und physikalischer
Selektivität (Protonen). Leichtionen vereinigen die Vorteile der Neutronen und Protonen.
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
140
Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick
Die Leichtionentherapie wurde am Lawrence Berkeley-Laboratorium der Universität von
Kalifornien erstmals eingesetzt und untersucht. Weiters gibt es ein Forschungs- und
Behandlungsprojekt am „Heavy Ion Medical Accelerator“ in Chiba/Japan (HIMAC). In
Deutschland werden grundlegende Aspekte der Leichtionenstrahlen von der „Gesellschaft für
Schwerionenforschung“
in
Darmstadt
in
Kooperation
mit
dem
Deutschen
Krebsforschungszentrum in Heidelberg und der Radiologischen Universitätsklinik in Heidelberg
bearbeitet [3].
I.9.1 Resultate der Strahlentherapie mit schweren Teilchen
Neutronen, Protonen und Leichtionen
Im Folgenden werden die bisher erzielten Resultate bei lokal wachsenden Tumoren, die
gegenüber einer konventionellen Strahlentherapie als relativ strahlenresistent gelten, kurz
zusammengefaßt. Nichtsdestoweniger erscheint es angezeigt, auf die Übersichtsarbeiten in
diesem Bericht und spezielle Literaturartikel zu verweisen, da ein detaillierter kritischer
Überblick weit über den hier vorgesehenen Rahmen hinausgehen würde.
I.9.2 Neutronentherapie (Vorteil höherer biologischer Effektivität)
Die besten Behandlungsergebnisse bezüglich der lokalen Tumorkontrolle finden sich bei
Speicheldrüsentumoren,
Kopf/Halstumoren
(Lymphknotenmetasen)
und
bei
lokal
fortgeschrittenen Prostatakarzinomen.
Diese Resultate entstammen in erster Linie Langzeitnachbeobachtungen von prospektiven,
randomisierten klinischen Studien, die die Neutronentherapie mit der Photonentherapie
vergleichen.
Inoperable und rezidivierende Tumoren der Speicheldrüse
Die lokale 10 Jahres-Kontrollrate beträgt für Photonen 17 % gegenüber 56 % für Neutronen.
Es gibt keinen signifikanten Unterschied in der Überlebensrate und in der Morbidität [4].
141
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick
Lokal
fortgeschrittene
Plattenepithelkarzinome
der
Kopf-Hals-Region
(Mundhöhle,
Oropharynx, Hypopharynx, Larynx)
Bei primären Tumoren, insbesondere in den frühen Stadien, fand sich kein signifikanter
Unterschied zwischen der Behandlung mit Photonen und Neutronen, was die lokale
Tumorkontrolle betrifft. Vorteile der Neutronentherapie ergaben sich aber bei fixierten
Lymphknotenmetastasen [5]. Ein Problem stellt die unmittelbare Nähe von Tumoren im KopfHals-Bereich zu Risikoorganen dar. Es fand sich allerdings kein Unterschied in der
Überlebensrate, jedoch eine höhere Gewebetoxizität bei Patienten, die mit einer Kombination
von Photonen und Neutronen behandelt worden waren.
Lokal fortgeschrittene Prostatakarzinome
Eine Multicenterstudie amerikanischer Universitäten zeigte einen signifikanten Vorteil
zugunsten der Behandlung mit Neutronen: die lokoregionale Kontrollrate nach 68 Monaten
betrug 87% für Neutronen gegenüber 68% für Photonen [6]. Es fand sich kein signifikanter
Unterschied in der Überlebensrate (nach 5 Jahren) und in der Morbidität, wenn lediglich die
konformalen Techniken der Neutronentherapie berücksichtigt wurden. Die vorangehende Studie
der nordamerikanischen Gruppe hatte einen Vorteil der Neutronentherapie in Bezug auf die
lokale Tumorkontrolle und die 10-Jahres-Überlebenszeit erbracht [7].
Diese auf randomisierten Studien basierenden Daten (Phase III) entsprechen Ergebnissen
zahlreicher Phase I/II-Studien, die in Überblicksarbeiten zusammengefaßt sind [8,9].
Entsprechend klinischen Erfahrungen und wissenschaftlichen Mitteilungen, die auf Daten
von Phase I/II-Studien basieren, findet man darüberhinaus weitere Indikationen, bei denen der
Einsatz der Neutronentherapie vorteilhaft sein dürfte:
· Tumoren der Nasennebenhöhlen (lokale Kontrollrate 50 %),
· inoperable Weichteilsarkome (lokale Kontrollrate 53 %),
· inoperable Chondrosarkome (lokale Kontrollrate 56 %),
· Osteosarkome (lokale Kontrollrate 62 %),
· Rezidive von Rektumkarzinomen,
· Melanome (lokale Kontrollrate 64%).
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
142
Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick
I.9.3 Protonentherapie (Vorteil höherer physikalischer Selektivität)
Die wesentliche Verbesserung der Therapieergebnisse wurde bei gut abgrenzbaren Tumoren
erzielt sowie bei Tumoren in unmittelbarer Nähe von Risikoorganen.
Der Vorteil dieser Therapie wurde bisher durch einen Vergleich mit historischen Daten der
Photonentherapie hergeleitet, da zur Zeit keine Daten aus prospektiv randomisierten klinischen
Studien vorliegen.
Ein großes Ausmaß an Erfahrungen wurde für folgende Tumoren gesammelt.
· Augentumoren
(Melanome der Aderhaut, mehr als 4000 Patienten)
Die lokale Kontrollrate beträgt 96%, unabhängig von der Tumorgröße, (MGH/Boston [10],
PSI/Schweiz, [2]) und ist bei Tumoren mit über 5 mm Dicke der Brachytherapie mit
radioaktivem Material beschichteten Applikatoren (Ru 106, J 125, Co 60) überlegen [11,12].
Bei völligem Erhalt der Sehfähigkeit erreicht hiermit die Protonentherapie eine nahezu
identische Heilungsrate wie eine operative Entfernung des Auges.
Ähnliche Resultate wurden bei einer kleineren Patientenzahl mit der Leichtionentherapie unter
Verwendung von Helium erreicht [13]. Die biologische Effektivität von Helium ist ähnlich
der Protonen- und Photonentherapie einzustufen.
· Tumoren im Bereich der Schädelbasis
(Chordome und Chondrosarkome, mehr als 300 Patienten)
Die 5-Jahres-Überlebensrate beträgt 94% für Chondrosarkome und 63% für Chordome
gegenüber etwa 35% bei konventioneller Photonentherapie (MGH/Boston) [14,21].
Ähnlich vielversprechende Resultate wurden sowohl für maligne als auch nichtmaligne
Tumoren im Bereich der Schädelbasis, am Hirnstamm und im Bereich des Rückenmarks
publiziert: z.B. inkomplett resektable Meningeome, Hypophysentumoren, Neurinome,
Sarkome (Überblick über die MGH-Erfahrungen [15]).
Über diese klinischen Erfahrungen hinausgehend ist ein interessanter Überblick über
potentielle Applikationen der Protonentherapie enthalten in einem Bericht anläßlich eines
143
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick
Workshops am National Cancer-Institute unter dem Titel „Potential clinical gains by use of
superior radiation dose distribution“. Untersucht wurden hier Hirntumoren (pädiatrisch),
paraspinale Tumoren, retroperitoneale Tumoren, spezielle Tumoren der Kopf-Hals-Region,
Oesophagusmalingome,
nicht
kleinzellige
Lungenkarzinome,
Weichteilsarkome,
Cervixkarzinome, Prostata- und Rektumkarzinome [16].
I.9.4 Leichtionentherapie (Vorteil höherer biologischer Effektivität und
physikalischer Selektivität)
Zu den möglichen Anwendungen der Leichtionentherapie, die den Vorteil der besseren
Dosisverteilung (physikalische Selektivität: Protonen) mit dem Vorteil der besseren biologischen
Effektivität (Neutronen) verbindet, liegen vielversprechende Daten aus Phase I/II-Studien vor.
Diese Studien erfolgten in Berkeley an einer Behandlungseinheit innerhalb eines großen
Beschleunigerkomplexes in Verbindung mit der Universität von San Franzisco.
Die möglichen Anwendungen ergeben sich systematisch aus den positiven Ergebnissen der
Neutronentherapie und der Protonentherapie.
1. Primär inoperable oder rezidivierende Tumoren der Speicheldrüsen
Die Lokalkontrolle der 18 in Berkeley behandelten Patienten betrug nach 5 Jahren 61%
[17];
2. Nasennebenhöhlentumoren
Die Lokalkontrolle der 12 in Berkeley behandelten Patienten betrug 69% nach 5 Jahren
[17];
3. Prostatakarzinom
Die Lokalkontrolle nach 5 Jahren betrug 75% bei 12 Patienten, die in Berkeley mittels
einer Neon-Ionen-Boost-Radiotherapie behandelt worden waren [17];
4. Fortgeschrittene Weichteil- und Knochensarkome
Die Lokalkontrolle war nach 5 Jahren 65% bzw. 69% bei 12 bzw. 18 der in Berkeley
behandelten Patienten [17].
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
144
Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick
In den oft numerisch kleinen Studien, die in Berkeley durchgeführt wurden, ließ sich bei
folgenden Tumorgruppen kein Vorteil der Leichtionentherapie feststellen: maligne Gliome,
Pankreas-, Gallengangs-, Magen-, Oesophagus- und Bronchialkarzinome sowie fortgeschrittene
Tumoren bzw. Rezidive von Karzinomen der Kopf-Hals-Region.
Bei Chordomen und Chondrosarkomen nahe der Schädelbasis wurde in 45 Fällen eine
Heliumbehandlung durchgeführt (vergleichbar der Protonentherapie).
Das Ergebnis war ähnlich den Resultaten der Protonentherapie, wobei die lokale
Tumorkontrollrate für Chondrosarkome höher lag als die für Chordome [18].
I.9.5 Notwendigkeit der wissenschaftlichen Evaluation der Leichtionen- und
Protonentherapie im Vergleich mit der aktuellen PhotonenRadiotherapie
Es gibt einige bedeutsame klinische Hinweise bezüglich der Überlegenheit der
Leichtionentherapie
und
der
Protonentherapie
im
(historischen)
Vergleich
mit
der
herkömmlichen Strahlentherapie, die sich auf Erfahrungen aus Phase I/II-Studien stützen.
Diese Resultate werden sich allerdings nur verallgemeinern lassen, wenn sie im Rahmen
von prospektiven randomisierten klinischen Studien bestätigt werden können. Eines der
Hauptprobleme der von der Gruppe in Berkeley präsentierten Daten ist die geringe Patientenzahl
und die erhebliche Inhomogenität bezüglich Patienten- und Behandlungscharakteristika, ein
allgemein bekanntes Problem der Therapie mit schweren Teilchen [9]. Diese Schwierigkeiten
resultieren oft aus den spezifischen Bedingungen, unter denen Schwerteilchentherapie betrieben
wurde bzw. wird. Diese besondere Form der Strahlentherapie hat sich in der Regel als
„Appendix“ großer physikalischer Beschleunigereinheiten (z.B. mit beschränkten Zugriffszeiten)
fernab von spitalsbezogener Medizin im allgemeinen sowie der (Radio-) Onkologie im
besonderen entwickelt. Des weiteren lag der Schwerpunkt der Forschung häufig auf dem Gebiet
der (Medizin-)Physik und Technik. Im Bereich der klinischen Studien resultierten hieraus meist
kleine Patientenzahlen mit erheblichen Variationen bezogen auf die gesamte klinische Situation
(Tumorvolumen, Tumorausbreitung, Histologie, Ausmaß operativer Verfahren) und bezogen auf
behandlungsrelevante
physikalisch-technische
und
klinisch-biologische
Parameter
(Behandlungsvolumina, Behandlungstechnik, Gesamtdosis, Einzeldosis, Fraktionierung und
145
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick
Ausmaß der Kombination mit der Photonentherapie). Nicht selten sind die Informationen über
die
Dosis-/Volumenbelastung
von
Normalgewebe
nicht
ausreichend,
ebenso
wie
Langzeitnachbeobachtungen bezogen auf Tumorkontrolle, Rezidivmuster, und Strahlentherapie
assoziierte Morbidität nicht immer umfassend vorliegen.
Für die Neutronentherapie lagen über lange Zeiträume (Mitte der 60er bis Mitte der 80er
Jahre) ausschließlich Mitteilungen aus Phase I/II-Studien vor. Als klinische Ergebnisse vorgelegt
wurden,
die
die
Überlegenheit
dieser
Therapieform
unter
Verwendung
moderner
Bestrahlungsmethoden überzeugend im prospektiv randomisierten Vergleich für einzelne
Tumorgruppen belegten (Prostatakarzinom, Speicheldrüsentumoren), war die Mehrzahl der
Radioonkologen sowohl auf nationaler wie internationaler Ebene hieran aus unterschiedlichsten
Gründen nur noch peripher interessiert. Letztendlich ist der Neutronentherapie der in den 70er
Jahren vorausgesagte richtungsweisende Durchbruch nicht gelungen.
Die Protonentherapie konnte diese Schwierigkeiten zumindest für einige Tumorgruppen wie
Aderhautmelanome, Chordome und Chondrosarkome weitgehend überwinden durch frühzeitige
Präsentation
hervorragender
Therapieergebnisse
mit
geringen
Variationen
der
Behandlungscharakteristika, die zunächst vor allem aus einem Zentrum stammten (Boston,
MGH).
Die
hervorragenden
Ergebnisse
der
bulbuserhaltenden
Protonentherapie
bei
Augentumoren wurden rasch von anderen Zentren bestätigt, zudem stand eine alternative
Therapiemethode außer der Enukleation nicht zur Verfügung. Die gesamte 3D-Therapieplanung
der Protonentherapie entwickelte sich zum Paradigma für die moderne 3D-Planung in der
Photonenradiotherapie (Konformation/Stereotaxie). So wurde die Protonentherapie rasch
international anerkannt und zunehmend etabliert. Wegen der besonderen Vorteile der
physikalischen
Selektivität
und
der
zunehmenden
Zahl
zur
Verfügung
stehender
Therapieeinheiten wurde während des letzten Jahrzehnts das Indikationsspektrum kontinuierlich
erweitert. Neuerdings werden hierbei auch Therapieeinheiten innerhalb von Krankenhäusern
errichtet („hospital based“), die sowohl bezogen auf medizinphysikalische Parameter wie auch
auf die medizinische Infrastruktur einschließlich Patientenaufkommen mit dem Betrieb einer
modernen Strahlentherapieabteilung mit Photonen vergleichbar sind (Loma Linda, Boston
MGH). Tatsächlich müssen sich die klassische Protonentherapie (einfache Strahlführung als
„Appendix“ von Physikbeschleunigern) und letztendlich die moderne Protonentherapie
(Strahlführung in mehreren Richtungen an speziellen Protonenbeschleunigern, spezielle Gantry)
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
146
Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick
im direkten Vergleich mit den sich rasch entwickelnden Möglichkeiten der aktuellen
Photonentherapie (Konformationstherapie, stereotaktische Radiotherapie) behaupten und ihre
Überlegenheit unter Beweis stellen.
Die oben aufgeführten Probleme treffen in besonderem Maße für die Charakterisierung der
Ergebnisse der Leichtionentherapie zu, da sowohl bezüglich der technischen Anlagen wie auch
der klinischen Ergebnisse bisher kein richtungsweisender Durchbruch gelungen ist. Tatsächlich
wurde 1995 eine speziell konstruierte Großanlage in Chiba/Japan eröffnet (eine weitere ist
geplant). Ein klinischer Patientenbetrieb wurde vor kurzem in Darmstadt/Heidelberg an einem
Synchrotron, das für die physikalische Forschung bestimmt ist, aufgenommen. Dort wurden
bislang erst wenige Patienten bestrahlt. In Italien ist ein Protonen- und Leichtionenprojekt in
Planung (TERA). In Nordamerika sind nach der Schließung des Beschleunigers in Berkeley
keine
nennenswerten,
erfolgversprechenden
Anstrengungen
in
Richtung
auf
ein
Nachfolgeprojekt zur Leichtionentherapie erkennbar. Diese Situation weist darauf hin, daß die
Ergebnisse der Leichtionentherapie innerhalb der wissenschaftlichen radioonkologischen
„community“ nicht allgemein akzeptiert werden.
Bis vor kurzem war vielmehr unter den Anhängern der Therapie mit schweren Teilchen die
Meinung vorherrschend, daß unter den möglichen Therapien mit schweren Teilchen in Zukunft
die richtungsweisende Bedeutung der Protonentherapie zukommt, insbesondere für eine
eindeutig definierte Gruppe von Patienten mit gut abgrenzbaren, seltenen Tumoren
(Aderhautmelanome, Chordome, Chondrosarkome). Diese Meinung wird allerdings durch die
dynamischen Entwicklungen der Photonentherapie (3D-Planung, spezielle Techniken der
konformalen und stereotaktischen Bestrahlung) und angesichts bisher fehlender Ergebnisse aus
randomisierten klinischen Studien zur Protonentherapie in Frage gestellt.
Parallel zu dieser Entwicklung stellt sich zunehmend die Frage, ob nicht vor allem die
Leichtionentherapie als die richtungsweisende zukünftige Therapieform mit schweren Teilchen
zu verstehen ist, da diese zusätzlich über den Vorteil einer höheren biologischen Effektivität
verfügt. Wenn unterstellt werden kann, daß die Unterschiede zwischen moderner
Protonentherapie und moderner Photonentherapie bezüglich der physikalischen Selektivität
zumindest geringer werden und möglicherweise sogar verwischen, ist eigentlich nur von einer
Therapieform, die zusätzlich über den Vorteil einer höheren biologischen Effektivität verfügt,
147
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick
eine richtungsweisende Verbesserung von Therapieergebnissen bei relativ strahlenresistenten
Tumoren zu erwarten.
Angesichts
der
so
gekennzeichneten
komplexen
technologie-,
gesundheits-
und
wissenschaftspolitischen Situation, die sich erst langfristig klären wird, erscheint es in
besonderer Weise lohnenswert zu versuchen, die hier aufgezeigten Therapiemöglichkeiten aktiv
zusammenzuführen und im direkten Vergleich miteinander zu untersuchen.
Ein lohnenswerter Vergleich würde erfordern, daß die vielschichtigen typischen Probleme
der Pionierzeiten der Teilchentherapie von vornherein eliminiert würden:
· die Technologie der verschiedenen Strahlenarten (Photonen, Protonen, Leichtionen) muß
einem vergleichbaren, entwickelten modernen Standard entsprechen;
· (radio-)onkologische Behandlungen müssen entsprechend der vorgegebenen Standards
über einen bestimmten Zeitraum konsistent durchgeführt werden;
· prospektiv angelegte klinische Studien müssen von einer erfahrenen kooperativen
Studiengruppe, die eine genügend große Patientenzahl in einem bestimmten,
überschaubaren Zeitraum rekrutieren kann, durchführbar sein.
Wenn eine wissenschaftlich-klinische Evaluation der Leichtionentherapie geplant wird, die
innerhalb der (radio-)onkologischen „scientific community“ methodisch akzeptabel ist, kann eine
derartige Therapieform nur in einem systematischen und prospektiv randomisierten Vorgehen bei
einer
ausreichenden
Zahl
von
Patienten
mit
modernen
(radio-)onkologischen
Behandlungsverfahren verglichen werden.
Im Großen und Ganzen ist ein Vorteil einer verbesserten lokalen Behandlung hauptsächlich
bei Tumoren zu erwarten, bei denen die lokale Kontrollrate unzureichend ist und bei denen die
lokale Tumorkontrolle ausschlaggebend ist für den letztendlichen Therapieerfolg.
Entsprechend den strahlenbiologischen Eigenschaften der Leichtionen wird voraussichtlich
ähnlich wie bei den Neutronen am ehesten ein Nutzen für differenzierte, langsam wachsende
Tumoren mit hypoxischen Tumoranteilen zu erzielen sein.
Was die physikalischen Eigenschaften betrifft, wird ein potentieller Erfolg bei eher kleinen,
gut abgrenzbaren Tumoren mit strahlenempfindlichen Strukturen in der Nachbarschaft zu
erwarten sein.
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
148
Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick
Gemäß
den
radioonkologischen
Erfahrungen
und
den
wissenschaftlichen
Literaturmitteilungen sind die Haupttumorentitäten, die diese Forderungen in unterschiedlichem
Ausmaß erfüllen, im folgenden aufgeführt.
1. Definitive Behandlung: Behandlung durch schwere Teilchen allein
· Inoperable Tumoren oder Rezidive von Speicheldrüsentumoren (im besonderen
adenoidzystische Karzinome und gut differenzierte andere Histologien);
· Chordome und Chondrosarkome GI/GII (Schädelbasis; ggf. am Kreuzbein);
· Augenmelanome (Aderhaut);
· (Inoperable) Sarkome (Weichteilsarkome, Knochensarkome) vor allem der Kopf-HalsRegion, des Achsenskeletts, der Retroperitonealregion bei Erwachsenen, Kindern und
Jugendlichen;
· Fixierte Lymphknotenmetastasen bei Plattenepithelkarzinomen der Kopf-Hals-Region;
· Tumoren der Nasennebenhöhlen;
· Tumoren nahe der Schädelbasis und des Rückenmarkes mit einem hohen lokalen
Rezidivrisiko (nicht komplett resektable Meningeome, atypische bzw. maligne
Meningeome);
· Rezidivierende Adenokarzinome des Rektums;
· Inoperable Hautmelanome;
· Pädiatrische Hirntumoren und Retinoblastome;
· Pankreaskarzinome;
· Karzinome der Gallenwege;
· Bronchuskarzinome (NSCLC Stadium I).
2. Boosttherapie: Behandlung durch Photonen in Kombination mit schweren Teilchen
· Lokal fortgeschrittene Prostatakarzinome;
· Nasopharynxkarzinome;
· Bronchuskarzinome (NSCLC Stadium III);
· Ösophaguskarzinome;
· Verschiedene fortgeschrittene Plattenepithelkarzinome der Kopf-Hals-Region (Pharynx,
Mundhöhle).
149
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick
Die hier vorgestellten (möglichen) Indikationen beziehen sich auf klinische Erfahrungen,
wissenschaftliche Studien und auf grundsätzliche Überlegungen angesichts unzureichender
Therapieerfolge bei bestimmten Tumorgruppen. Die Mehrzahl der zugrundeliegenden Vergleiche
bezieht sich auf historische Resultate der konventionellen Photonentherapie. Randomisierte
Studien liegen vor für die Überlegenheit der Neutronentherapie bei Speicheldrüsentumoren, lokal
fortgeschrittenen Prostatakarzinomen und bei fixierten Lymphknotenmetastasen von Kopf-HalsMalignomen.
Ernsthafte klinische Hinweise bezüglich der Überlegenheit der Protonentherapie gibt es für
die Aderhauttumoren und die Chordome/Chondrosarkome. Diese Erfahrungen scheinen
insbesondere für Augentumoren so evident, daß bei einer zunehmenden Anzahl von
ophthalmologischen
und
radiologischen
Onkologen
die
Behandlung
von
großen
Augenmelanomen mit Protonen als Behandlung der Wahl angesehen wird.
Diese wachsende (wissenschaftliche) Überzeugung hat zu einer wachsenden Anzahl von
Protonen-Behandlungs-Zentren in Nordamerika, Japan und Europa geführt, die entweder schon
in Betrieb sind oder sich in einer konkreten Planungsphase befinden.
Die Beantwortung der Frage - „Ist die Therapie mit Leichtionen der Photonentherapie
überlegen?“
-
ist
von
erheblicher
technologiepolitischer,
gesundheitspolitischer
und
wissenschaftspolitischer Relevanz. In der Onkologie sind die wesentlichen klinischen Endpunkte
derartiger randomisierter klinischer Studien: die lokale und regionale Tumorkontrolle, das
Überleben der Patienten und die mit der Therapie assoziierte Morbidität.
Die
Standardmethode,
Photonenradiotherapie
unter
mit
der
verglichen
besonderer
werden
Berücksichtigung
muß,
der
ist
die
moderne
computergestützten
Konformationstherapie und der stereotaktischen Radiotherapie basierend jeweils auf
schnittbildgestützter 3D-Bestrahlungsplanung [19,20].
Mit dieser Methode müssen die Methoden der konformalen Protonenradiotherapie und die
Methoden der konformalen Leichtionenradiotherapie verglichen werden.
Die Hauptfrage, die beantwortet werden muß, ist, ob eine dieser Behandlungsmodalitäten zu
signifikant unterschiedlichen Resultaten bezogen auf Tumorkontrolle, Überlebensrate und
Morbidität führt.
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
150
Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick
Um eine derartige Studie zur Evaluation der Leichtionen- und Protonentherapie erfolgreich
durchzuführen, müssen gewisse Überlegungen zur Vorbereitung eines adäquaten klinischen
Studienentwurfes erfolgen.
Zunächst sollten einige der oben aufgeführten Tumorentitäten unter dem Aspekt der
Relevanz, der Durchführbarkeit, der zu erwartenden Verbesserungen und der Möglichkeiten der
Patientenrekrutierung ausgewählt werden.
Einige dieser Tumoren könnten Speicheldrüsentumoren, Aderhautmelanome, Meningeome,
Chordome, lokal fortgeschrittene Prostatakarzinome, nichtkleinzellige Bronchialkarzinome sein.
Ausgehend von den vorliegenden Erfahrungen sind die zu erwartenden Unterschiede für die
einzelnen Tumorentitäten bezogen auf die Tumorkontrolle, die Überlebensrate und die
behandlungsassoziierte Morbidität zu definieren. Die Unterschiede können bezogen auf die
einzelnen Parameter nur wenige Prozent (z.B. Tumorkontrolle bei Aderhautmelanomen) oder
einen nennenswerten Prozentsatz betragen (z.B. Unterschiede von 30-40% in der Tumorkontrolle
von Speicheldrüsentumoren). Bei kleinen zu erwartenden Unterschieden sind große
Patientenzahlen notwendig, die naturgemäß erhebliche Probleme in der Patientenrekrutierung
beinhalten. Bei zu erwartenden Differenzen etwa zwischen 20 und 30 % zwischen verschiedenen
Behandlungsarmen würden Patientenzahlen von maximal einigen 100 Patienten zur eindeutigen
Beantwortung einer Fragestellung genügen. Bei einer angenommenen Patientenzahl von 200 in
einem Therapiearm würde dies z.B. pro Jahr jeweils 50 Patienten für Leichtionentherapie, für
Protonentherapie und für Photonentherapie für jede Tumorentität erfordern. Innerhalb eines
überschaubaren Zeitraumes von z.B. 4 Jahren würde eine entsprechende Patientenanzahl von 200
für die Leichtionentherapie, von 200 für die Protonentherapie und von 200 für die
Photonentherapie erreicht werden. Für eine zu untersuchende Tumorentität, würde entsprechend
dieser Berechnung Platz für ca. 100 Patienten/Jahr an einer Schwerteilchentherapieeinheit und 50
Patienten/Jahr an einer Radiotherapieeinheit zur Verfügung stehen müssen, an der eine moderne
kombinierte konformale und stereotaktische Radiotherapie unter klinischen Bedingungen
evaluiert werden kann.
Die wissenschaftliche Untersuchung von Augentumoren, uvealen Melanomen, die eine
Therapie mit schweren Teilchen z.B. mit einer stereotaktischen Photonentherapie hinsichtlich der
Tumorkontrolle vergleichen möchte, würde viel größere Patientenzahlen erfordern, da nach
vorliegenden Erfahrungen eher nur ein geringer Unterschied, was die lokale Tumorkontrolle
151
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick
betrifft - wenn überhaupt -, zu erwarten ist. Hierbei sind die in großem Umfang vorliegenden
exzellenten Langzeitresultate der lokalen Kontrolle bei traditioneller Protonentherapie (> 95%)
und die erst seit kurzem vorliegenden ähnlich guten Resultate der stereotaktischen Radiotherapie
zugrundegelegt [22, 23].
Die Behandlung von Aderhautmelanomen (>5 mm Dicke) mit Protonen wird von einer
zunehmenden Zahl von ophthalmologischen und strahlentherapeutischen Onkologen als
augenerhaltende Therapie der Wahl („Standard“) betrachtet, ist aber im Moment in
Zentralosteuropa
nicht
verfügbar.
Nachdem
diese
Tumoren
selten
sind
(0,8
neue
Patienten/100.000/Jahr in Österreich), würde das nur zu einer Höchstzahl von etwa 60
Patienten/Jahr in Österreich führen. Nachdem für gewöhnlich nur ein gewisser Prozentsatz an
Patienten derartigen Behandlungen zugeführt wird, wäre es notwendig, zusätzlich Patienten zu
rekrutieren - vor allem aus den angrenzenden Staaten Zentralosteuropas -, um so die
Behandlungszahl realistisch auf etwa 50 bis 100 neue Patienten/Jahr für diese Tumorentität
anzuheben.
Die Frage der möglichen Patientenrekrutierung ist somit aufs engste mit der
Durchführbarkeit klinischer Studien und der Art der möglichen klinischen Fragestellungen
verknüpft.
Mit Ausnahme weniger Tumorentitäten ist die Mehrzahl der Tumorgruppen selten, bei
denen bisher ein Vorteil der Therapie mit schweren Teilchen nachgewiesen wurde (Ausnahme
Prostatakarzinom). Die ausreichende Patientenrekrutierung ist ein bekanntes Problem der
Schwerteilchentherapie, wobei wiederum die Augentumoren eine gewisse Ausnahme darstellen:
an den Protonentherapieeinheiten in Nordamerika und Europa nimmt die Patientenzahl innerhalb
der letzten Jahre kontinuierlich zu.
Um
eine
derartige
Therapieanlage
in
einen
sinnvollen
gesundheits-
und
wissenschaftspolitischen Zusammenhang zu stellen, scheint es deshalb von vornherein geboten,
eine Integration in die onkologische „Umgebung“ weitestmöglich anzustreben. Auf regionaler,
nationaler und internationaler Ebene sind hiermit gemeint onkologische Zentren (Spitäler) und
Forschungseinrichtungen
(Universitäten),
radioonkologisch
und
onkologisch
orientierte
Organisationen (z.B. ÖGRO, ACO, Vereinigung für klinische Onkologie, „Krebshilfe“ für
Österreich; entsprechende Organisationen in angrenzenden Staaten; EORTC auf internationaler
europäischer Ebene). Eine kooperative, multizentrische klinische und wissenschaftliche
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
152
Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick
Arbeitsweise scheint die erfolgversprechende Methode, um schon in der Planungsphase die
schließlich notwendige Infrastruktur für eine erfolgversprechende Integration aufzubauen. In
jedem Fall wird es sinnvoll und notwendig sein, daß eine oder mehrere größere onkologische
Einheiten und Forschungseinrichtungen ein derartiges Projekt aktiv unterstützen, wie dies z.B. in
Österreich mit Unterstützung der Gesellschaft für Radioonkologie vorgesehen ist. Darüber
hinaus wird es notwendig sein, onkologische Zentren und Forschungseinrichtungen aus den
angrenzenden Nachbarstaaten aktiv in die Entwicklung dieses Projekts mit einzubinden. Auf
diese Art und Weise wird es möglich werden, ein international bedeutendes Behandlungs- und
Forschungszentrum zu etablieren, das von kompetenten onkologischen Institutionen getragen
wird. Ein derart strukturiertes Zentrum wäre letztendlich auch in der Lage, die medizinische
Infrastruktur bereitzustellen, um wissenschaftliche Studien mit ausreichenden Patientenzahlen in
einem überschaubaren Zeitraum durchzuführen.
Im allgemeinen wird es notwendig sein, die Akzeptanz und Unterstützung innerhalb der
nationalen und internationalen radioonkologischen und onkologischen sowie der allgemeinen
gesundheits- und wissenschaftspolitischen Gruppen durch zahlreiche Maßnahmen weiter zu
fördern, um einen positiven politischen Hintergrund für die Realisierung der skizzierten
onkologischen Möglichkeiten zu schaffen.
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155
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
156
Band I.10: Anhang
I.10 Anhang
I.10.1 Ausblick auf Band II und III
Im folgenden Band werden die Kapitel der Physik (Beschleunigerphysik und
Medizinphysik), behandelt. Der dritte Band ist der praktischen Umsetzung gewidmet und
behandelt die Machbarkeit in den Bereichen des medizinischen und wissenschaftlichen
Konzeptes, der betrieblichen und baulichen Struktur, der Rechtsfrage, der Personalstruktur, den
Kosten und der regionalen Anbindung, sowie der Architektur, dem zugehörigem Zeitprofil und
der regionalen Einbindung.
I.10.2 Autorenliste Band I
Dr. Thomas Auberger
Projektmanager
Universitätsklinik für Strahlentherapie und
Radioonkologie der Leopold Franzens Universität
Innsbruck
Anichstraße 35
A-6020 Innsbruck
DI Dr. Dietmar Georg
Universitätsklinik für Strahlentherapie
Strahlenbiologie des AKH-Wien
Währinger Gürtel 18-20
A-1090 Wien
Univ. Prof. Dr. Arnulf Hackl
Vorstand der Universitätsklinik für
Radiologie
Universitätsklinik Graz
Auernbruggernplatz 9
A-8036 Graz
157
und
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
Band I.10: Anhang
DP Dr. Uwe Haverkamp
Clemens Hospital Münster
Abteilung für Radiologie
Düesberg Weg 124
D-48153 Münster
Universitätsklinik für Strahlentherapie und
Strahlenbiologie des AKH-Wien
Währinger Gürtel 18-20
A-1090 Wien
M.D. Eugen B. Hug
Loma Linda University Medical Center
Dept. of Radiation Medicine
Loma Linda 92354
USA, California
Univ. Doz. Dr. Karin Kapp
Universitätsklinik für Radiologie
Universitätsklinik Graz
Auernbruggernplatz 9
A-8036 Graz
Univ. Prof. Dr. H. Dieter Kogelnik Vorstand des Instituts für Radiotherapie und
Onkologie der Landeskrankenanstalten Salzburg
Müllner Hauptstraße 48
A-5020 Salzburg
DP Dr. Wilma Kraft-Weyrather
Gesellschaft für Schwerionen Forschung (GSIDarmstadt)
Planckstraße 1
D-64291 Darmstadt
DI Karin Poljanc
Med-AUSTRON Projektbüro
Prof. Dr. Stefan Koren - Straße 10
A-2700 Wr. Neustadt
Univ. Prof. Dr. Richard Pötter
Projektleiter
Vorstand der Universitätsklinik für
Strahlentherapie und Strahlenbiologie des AKHWien
Währinger Gürtel 18-20
A-1090 Wien
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
158
Band I.10: Anhang
Dr. Hassan Rahim
Institut für Radiotherapie und Onkologie der
Landeskrankenanstalten Salzburg
Müllner Hauptstraße 48
A-5020 Salzburg
Univ. Prof. DI Dr. Meinhard Regler Verein AUSTRON
Atominstitut der Österreichischen Universitäten
Stadionallee 2
A-1020 Wien
Dr. Felix Sedlmayer
Institut für Radiotherapie und Onkologie der
Landeskrankenanstalten Salzburg
Müllner Hauptstraße 48
A-5020 Salzburg
Dr. Edgar Selzer
Universitätsklinik für Strahlentherapie und
Strahlenbiologie des AKH-Wien
Währinger Gürtel 18-20
A-1090 Wien
Univ. Prof. Dr. H. A. Tritthart
Inst. für Med. Physik und Biophysik,
Universität Graz
Harrachgasse 21
A-8010 Graz
159
Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie
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