Med-AUSTRON - Ein Österreichisches Krebsforschungs- und Behandlungszentrum zur Hadronentherapie in Europa Machbarkeitsstudie Gesamtherausgeber: R. Pötter, T. Auberger, M. Regler Band I Arbeitsgemeinschaft zur Planung eines medizinischen Forschungszentrums für die Krebsbehandlung mit Protonen und Leicht-Ionen in Österreich Projekt des Vereines AUSTRON in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Gesellschaft für Radio-Onkologie, Radiobiologie und Medizinische Radiophysik (ÖGRO), der European Organisation for Nuclear Research (CERN) und den Österreichischen Universitäten Projektleiter: Prof. Dr. R. Pötter, Wien Projektmanager: Dr. T. Auberger, Innsbruck Band I Med-AUSTRON - Machbarkeitsstudie Die Bedeutung der Hadronentherapie für die Krebsbehandlung Herausgeber Band I: R. Pötter, T. Auberger mit Beiträgen von: T. Auberger, D. Georg, A. Hackl, U. Haverkamp, E.B. Hug, K. Kapp, H.D. Kogelnik, P. Lukas, W. Kraft-Weyrather, K. Poljanc, R. Pötter, H. Rahim, M. Regler, F. Sedlmayer, E. Selzer, H. Tritthart Gedruckt mit Unterstützung durch die Stadt Wiener Neustadt und durch die Abteilung Kultur und Wissenschaft des Amtes der NÖ Landesregierung und dem RegionalInnovationszentrum - Niederösterreich Süd Dezember 1998 Ein ausführlicher englischsprachiger Sonderband (ca. 170 Seiten) der wissenschaftlichen Zeitschrift „Strahlentherapie und Onkologie“ zum Thema „Hadrons – A Challenge for High Precision Radiotherapy“ (Proceedings der 1. Med-AUSTRON Konferenz 1997) wird in Kürze im Verlag Urban und Vogel (München) erscheinen. In diesem Sonderband werden, zum Teil über diese Machbarkeitsstudie hinausgehend, zahlreiche wesentliche Aspekte der Hadronentherapie wissenschaftlich abgehandelt. ISBN 3-9500952-0-9 Arbeitsgemeinschaft zur Planung eines medizinischen Forschungszentrums für die Krebsbehandlung mit Protonen und Leicht - Ionen in Österreich Projekt des Vereins AUSTRON in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Gesellschaft für Radio-Onkologie, Radiobiologie und Medizinische Radiophysik (ÖGRO), der European Organisation for Nuclear Research (CERN) und den Österreichischen Universitäten Projektleiter: Univ. Prof. Dr. R. Pötter Projektmanager: Dr. T. Auberger Projektassistenz: Dr. K. Eisinger, Mag. R. Galle, Dr. A. Hradsky, DI. K. Poljanc Obwohl alle Beiträge mit größter Gewissenhaftigkeit geprüft wurden, kann für Schaden, der aus der Verwendung dieser Studie entsteht, keine Haftung übernommen werden. Impressum Arbeitsgemeinschaft zur Planung eines medizinischen Forschungszentrums für die Krebsbehandlung mit Protonen und Leicht-Ionen in Österreich c/o RIZ NÖ Süd Prof. Dr. Stephan Koren-Straße 10 A-2700 Wiener Neustadt email: [email protected] Gesamtherausgeber: R. Pötter, T. Auberger, M. Regler 1. Auflage 1998 Alle Rechte, insbesondere das Recht auf Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung der Herausgeber reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. © 1998 Verein zur Förderung einer Großforschungsanlage in Österreich - „Verein AUSTRON“, Projektbüro Med-AUSTRON, c/o RIZ NÖ Süd, Prof. Dr. Stephan Koren-Straße 10, A-2700 Wiener Neustadt, Eigenverlag Wiener Neustadt, Dezember 1998 ISBN 3-9500952-0-9 Band I: Danksagung Dank der Herausgeber Zuerst dürfen wir uns herzlich bei all jenen Personen und Institutionen bedanken, die durch ihre Mitarbeit und ihre aktive beratende bzw. finanzielle Unterstützung zum Gelingen dieser Studie beigetragen haben. Sie haben damit, wie wir aufrichtig hoffen, die Grundlage zum Erreichen unseres hochgesteckten Zieles gelegt, ein international bedeutendes und für Österreich in vieler Hinsicht Frucht bringendes nationales und europäisches Krebsforschungszentrum zu errichten. Besonders danken wir allen wissenschaftlich und redaktionell tätigen Mitarbeitern an dieser Studie, die unter Einsatz eines großen Anteils Ihrer Freizeit und meist völlig unentgeltlich als Autoren, Korrektoren, Berater, Fachgruppenbetreuer und -mitglieder an dieser Studie mitgewirkt haben. Da innerhalb Österreichs wissenschaftliche Mitarbeiter aus so vielen universitären und außeruniversitären Forschungsinstituten, Kliniken und Landeskrankenanstalten beteiligt waren, dürfen wir auch auf die im Anhang des Bandes III angeführte Liste der Mitarbeiter verweisen. Vor allem sei hier unseren auswärtigen Mitarbeitern und Beratern, die durch ihre Mitarbeit ihr überregionales wissenschaftliches Interesse an unserem Projekt gezeigt haben, sowie unserem internationalen „Advisory Board“ gedankt. Stellvertretend für sie alle dürfen wir hier nennen: Herrn Prof. Dr. André Wambersie, Université Catholique de Louvain, Cliniques Universitaires St. Luc, Bruxelles, Belgien, Vorsitzender der „European Hadron Therapy Group“, Herrn Prof. Eugen Hug, MD vom Loma Linda University Medical Center, Loma Linda, California, USA, Herrn Prof. Dr. Gerhard Kraft und Frau Dr. Wilma Kraft-Weyrather, beide von der Gesellschaft für Schwerionenforschung in Darmstadt, Deutschland, Herrn Prof. José R. Alonso, PhD vom Lawrence-Berkeley-Laboratory der University of California in Berkeley/San Francisco, USA, Herrn Dr. Nick Schreuder und Herrn Dr. Dan Jones vom National Accelerator Center, Cape Town, Südafrika, Herrn PD. Dr. Wolfgang Enghardt, Institut für Kern- und Hadronenphysik FZR-Rossendorf, Berlin, Deutschland und Herrn Prof. Dr. Günther Gademann, Universitätsklinik für Strahlentherapie der Otto Guericke Universität Magdeburg. Herzlich danken möchten wir auch der Medizinbeschleuniger-Arbeitsgruppe des Europäischen Laboratoriums für Teilchenphysik CERN in Genf, insbesondere dem Leiter der Arbeitsgruppe, Herrn Dr. Phillip Bryant, PhD, Herrn DI Dr. Horst Schönauer für sein langjähriges ehrenamtliches Engagement, Herrn Dr. Charles Steinbach, sowie Herrn DI Dr. i Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I: Danksagung Michael Benedikt, Herrn Mag. Dr. Andrew Mayer und Herrn DI Stefan Reimoser für die intensive wissenschaftliche Zusammenarbeit und für zahlreiche fruchtbare Diskussionen. Unser Dank gilt ebenso herzlich dem Direktor für Beschleuniger, DI Dr. Kurt Hübner und dem „PS-Division Leader“ Dr. Daniel Simons für die mentale Unterstützung des Projektes und für die langzeitige Freistellung der Mitarbeiter. Ein besonders großer Dank geht natürlich an alle öffentlichen Institutionen, die uns finanziell und beratend während der beiden Jahre unserer Studienarbeit unterstützt haben. Ohne ihre Förderung wäre eine Durchführung dieser Studie unmöglich gewesen. Zunächst sei den Vertretern der Stadt Wiener Neustadt gedankt, die in einer Zeit, in der noch kaum jemand an die Sinnhaftigkeit und Machbarkeit eines internationalen Hadronentherapiezentrums in Österreich glaubte, durch ihre finanzielle Vorleistung im September 1996 unter Herrn Bürgermeister Dr. Peter Wittmann mit der Finanzierung eines Projektbüros für die Dauer von zwei Jahren gleichsam den Startschuß für den Beginn dieser Studie gaben, und uns auch in der Folgezeit unter Frau Bürgermeister Traude Dierdorf immer wieder die finanzielle Rückendeckung gewährten, die es uns ermöglichte, in unserem Projekt fortzufahren. Besonders danken möchen wir hier Herrn Vizebürgermeister Holger Linhart, der sich persönlich mit großem Engagement für unser Projekt einsetzte, und uns in allen Problemen mit Wohlwollen zur Seite stand. Ein großer Dank geht auch an den Direktor des Regionalen Innovations-Zentrums (RIZ) in Wiener Neustadt und Leiter der Fachhochschule WN, Herrn Prof. Mag. Werner Jungwirth, durch dessen Initiative und Förderung es möglich war, für die gesamte Dauer der Studie ohne finanziellen Aufwand ein Projektbüro für Med-AUSTRON im RIZ zu etablieren, und der sich auch maßgeblich für die Unterstützung des Projektes durch die Niederösterreichische Landesregierung eingesetzt hat. Von der Fachhochschule Wiener Neustadt danken wir ebenfalls sehr herzlich Herrn Univ. Doz. DI Dr. Erich Griesmayer, der auch in seiner Freizeit wesentliche Aufgaben bei der Koordination des Planungsbüros übernahm, Frau Mag. Michaela Stockinger für die fachkundige Unterstützung bei Pressekonferenzen und Frau Dr. Barbara Stöttinger, die durch die Betreuung einer Diplomarbeit zum Themenkomplex „Internationale medizinische Forschungszentren und EU“ einen wichtigen Beitrag leistete. Weiterhin danken wir den Vertretern des Allgemeinen Öffentlichen Krankenhauses der Stadt Wiener Neustadt, insbesondere der Primaria der Abteilung für Strahlentherapie und Radioonkologie, Frau Univ. Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie ii Band I: Danksagung Doz. Dr. Brigitte Pakisch, Herrn Verwaltungsdirektor Mag. Herbert Schnötzinger und der Direktorin der Akademie für den radiologisch technischen Dienst, Frau Michaela Rosenblattl für ihre Unterstützung in Fragen des Klinikbetriebes und der Logistik. Durch die großzügige finanzielle Unterstützung der Niederösterreichischen Landesregierung wurde es 1997 möglich, den Mitarbeiterstab unseres Projektbüros zu verdoppeln und wesentliche Konsulententätigkeiten für diese Studie durchführen zu lassen. Unser Dank gebührt vor allem Herrn Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll, der durch seinen persönlichen Einsatz den Grundstein für eine schnelle und unbürokratische Unterstützung unserer Studienarbeit gelegt hat. Weiterhin danken wir herzlich dem Leiter des Kulturreferates des Amtes der NÖ Landesregierung Herrn Univ. Doz. Hofrat Dr. Georg Schmitz und dem für unser Projekt zuständigem Sachreferenten des Kulturreferates, Herrn Dr. Andreas Kusternig, der unser Projekt mit großer Geduld und hohem persönlichen Einsatz begleitete. Auch vom Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr wurde uns wertvolle Unterstützung zuteil. Wir danken vor allem Frau Ministerialrätin Dr. Anneliese Stoklaska, die uns immer wieder mit ihrem Rat zur Seite stand und manche wertvollen Arbeitskontakte vermittelte. Großer Dank geht an Herrn Sektionschef Dr. Raoul Kneucker für seinen Einsatz, unser Projekt im Rahmen der wissenschaftspolitischen EU-Aktivitäten der Bundesregierung wohlwollend zu berücksichtigen, und für die finanzielle Unterstützung einer epidemiologischen Ergänzungsstudie zum Bedarf eines internationalen Hadronentherapiezentrums in Österreich und den östlichen Nachbarstaaten. Vom Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales danken wir Frau Dr. Brigitte Kraus und vom Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten Herrn Ministerialrat Dr. Gerhard Burian für regelmäßige Kontakte und Hilfestellungen. Frau Dr. Diana Ehrenwert von der Wirtschaftsuniversität Wien danken wir sehr herzlich für die Beratung in Fragen des „Fund Raisings“ und des Managements. Danken möchten wir auch denjenigen privaten Institutionen, die uns sowohl durch ihren fachlichen Beistand als auch durch finanzielle Hilfe unterstützt haben. Von der Firma Siemens AG Österreich danken wir Herrn Direktor DI Dr. Peter Flicker und Herrn Direktor Ing. Adolf Hasenauer für die finanzielle Unterstützung von Workshops und Symposien. Herrn Direktor DI Dr. Siegfried Glatz und Herrn Ing. Gerhard Hilscher von der Abteilung Bau- und Anlageplanung, sowie Herrn DI Dr. Ernestinus iii Schwab von der Abteilung Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I: Danksagung Medizintechnik/Therapie danken wir für zahlreiche äußerst wertvolle beratende Gespräche und Kalkulationen. Der Firma IC-Consulenten, Wien (Dr. Willi Reismann), der Firma IBA, Brüssel, und dem Architekturbüro Sommer, Weisser und Partner, Berlin, danken wir für die begleitende Projektberatung in Bezug auf Haustechnik und Kostenkalkulation. Für die Infrastrukturplanung war die Zusammenarbeit mit der Civitas-Nova-Gesellschaft, Wiener Neustadt, und insbesondere mit Herrn Dipl. Architekt Adolf Holubowsky, dem wir für seine kostenlose Unterstützung sehr herzlich danken, eine große Hilfe. Die Ergebnisse einer begleitenden Studie zum Standort Wiener Neustadt des Industriewissenschaftlichen Institutes (IWI), unter der Leitung von Herrn Univ. Prof. Dr. Werner Clement und Herrn Mag. Richard Winklhofer, sind in den regionalanalytischen Teil unseres dritten Studienbandes eingeflossen. Wir danken dem IWI für die Möglichkeit der Mitnutzung dieser Ergebnisse. Dem Präsidenten der Österreichischen Gesellschaft für Radioonkologie, Strahlenbiologie und medizinische Radiophysik, ÖGRO (bis Sept.98), Herrn Univ. Doz. Dr. Josef Hammer, Primarius des Institutes für Radioonkologie des Krankenhauses der Barmherzigen Schwestern in Linz, danken wir für die großartige und einheitliche Unterstützung des Projektes durch die österreichischen Strahlentherapeuten und für seine persönlichen Bemühungen um die Studie, insbesondere auch für das hilfreiche Korrekturlesen. Auch seinem Nachfolger, Herrn Univ. Prof. Dr. Arnulf Hackl, Vorstand der Abteilung für Radioonkologie der radiologischen Universitätsklinik der Universität Graz, der durch mehrere eigene Beiträge in der Studie seine Verbundenheit mit dem Projekt gezeigt hat, gebührt großer Dank für die konsequente Fortführung der Unterstützung. Herzlich danken wir auch der Österreichischen Krebshilfe Salzburg für deren finanzielle Unterstützung unseres Projektes. Dem Verein AUSTRON, seinem Vorsitzenden Magnifizenz O. Univ. Prof. DI Dr. Peter Skalicky, Vorsitzender der Österreichischen Rektorenkonferenz, und dem medizinischen Beirat des Vereins mit seinem Vorsitzenden, Herrn Univ. Prof. Dr. H. Dieter Kogelnik, Primarius des Institutes für Strahlentherapie und Radioonkologie der Landeskrankenanstalten Salzburg, und seinem stellvertretenden Vorsitzenden, Herrn O. Univ. Prof. Dipl.-Phys. Dr. Peter Lukas, Vorstand der Universitätsklinik für Strahlentherapie-Radioonkologie der Leopold-FranzensUniversität Innsbruck, danken wir dafür, daß sie unserem Projekt stets eine wissenschaftliche Heimat und ein Diskussionsforum gegeben haben. Den beiden Kassieren Herrn DI Dr. Winfried Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie iv Band I: Danksagung Mitaroff und Herrn DI Dr. Martin Schuster danken wir für die sorgfältige ehrenamtliche Verwaltung des Förderbugets. Last but not least dürfen wir unseren jungen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in unserem Projektbüro in Wiener Neustadt, Frau DI Karin Poljanc, Frau Mag. FH Ingrid Hergovich, Herrn Mag. Dr. Kurt Eisinger, Herrn Mag. Rolf Galle, Herrn Mag. Dr. Andreas Hradsky, Herrn DI Georg Schmitz, Herrn Mag. FH Florian Rappelsberger und Herrn Dr. Luca Marzoli, danken, die sich mit uns ganz oder zeitweise in das Abenteuer dieser Studienarbeit gewagt haben. Da die vorgelegten Studienbände nicht alles erfassen können, was in den beiden Jahren an wissenschaftlichem Material zusammmengetragen wurde, und da nicht alle Mitarbeiter an dieser Machbarkeitsstudie auch mit eigenen Textbeiträgen in diesen Bänden vertreten sind, sind im Anschluß alle an der Machbarkeitsstudie Med-AUSTRON beteiligten Mitarbeiter und Institute nochmals aufgelistet. Thomas Auberger Richard Pötter v Meinhard Regler Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I: Danksagung Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie vi Band I: Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Vorworte .............................................................................................................................5 Short preface for the Med-AUSTRON programme (A. Wambersie, EHTG).................... 5 Med-AUSTRON und die ÖGRO (J. Hammer, ÖGRO) ..................................................... 7 Med-AUSTRON und die Synergien mit der geplanten Großforschungsanlage AUSTRON (P. Skalicky, Verein AUSTRON) .................................................... 9 Wiener Neustadt als Standort für Med-AUSTRON (T. Dierdorf, H. Linhart, Wiener Neustadt) .............................................................................................. 10 Der Stellenwert von Med-AUSTRON aus radioonkologischer Sicht (R. Pötter, T. Auberger, M. Regler, Herausgeber).............................................................. 11 I.1 Einleitung: Ziel der Gesamtstudie ............................................................................15 I.2 Stand der Krebsbehandlung in Europa unter besonderer Berücksichtigung der Strahlentherapie..................................................................................................17 I.2.1 Bedeutung der lokalen Tumorkontrolle in der Krebstherapie ........................ 18 I.2.2 Allgemeine Bemerkungen zur Radiotherapie.................................................... 19 I.2.3 Mögliche strahlenbiologische Ursachen von Rezidiven nach Radio- therapie und klinische Implikationen .......................................................................... 20 I.2.4 Zur Situation der Radioonkologie in Europa (mit ausgewählten Beispielen)24 I.2.5 Schlußfolgerungen und Ausblick ........................................................................ 29 I.3 Die Rolle der Strahlentherapie im Rahmen onkologischer Therapiekonzepte ....33 I.3.1 Wirkungsweise der Strahlentherapie ................................................................. 33 I.3.1.1 Sauerstoffeffekt ...................................................................................... 34 I.3.1.2 Linearer Energietransfer....................................................................... 34 I.3.2 Klinischer Einsatz der ionisierenden Strahlen .................................................. 35 I.3.2.1 Wirkung ionisierender Strahlen auf Tumoren ....................................... 36 I.3.2.2 Kombinierter Einsatz mit Operation ..................................................... 37 I.3.2.3 Prinzipien der Kombination von Radio- und Chemotherapie ............... 39 I.3.2.4 Schlußbemerkungen............................................................................... 41 1 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I: Inhaltsverzeichnis I.4 Physikalische Grundlagen......................................................................................... 45 I.4.1 Die Rolle der Beschleuniger in der Teletherapie............................................... 45 I.4.1.1 Historischer Abriß................................................................................. 45 I.4.1.2 Das Betatron ......................................................................................... 47 I.4.1.3 Der Elektron-Linearbeschleuniger........................................................ 49 I.4.1.4 Das Zyklotron........................................................................................ 50 I.4.1.5 Das Synchrotron.................................................................................... 51 I.4.1.6 Der Med-AUSTRON-Beschleuniger...................................................... 52 I.4.2 Physikalische Eigenschaften von Protonen und Leichtionen im Vergleich mit hochenergetischen Röntgenstrahlen ............................................................. 55 I.4.2.1 Einleitung .............................................................................................. 55 I.4.2.2 Wechselwirkungen................................................................................. 55 I.4.2.3 Bestrahlungstechnik .............................................................................. 59 I.4.2.4 Dosisverteilung...................................................................................... 60 I.4.2.5 Definition der Zielvolumina .................................................................. 63 I.4.2.6 Schlußbemerkungen............................................................................... 63 I.5 Strahlenbiologische Grundlagen .............................................................................. 65 I.5.1 Einleitung .............................................................................................................. 65 I.5.2 Physikalische Grundlagen der Strahlenbiologie für Protonen und Leichtionen65 I.5.3 Erhöhung der relativen biologischen Wirksamkeit .......................................... 67 I.5.4 Biologische Effekte ionisierender Strahlen........................................................ 69 I.5.5 Strahlenbiologische Aspekte einer Therapie mit Ionen und Biophysikalische Grundlagen der Bestrahlungsplanung ......................................................... 76 I.5.6 Strahlenbiologische Grundlagenforschung innerhalb von Med-AUSTRON Offene Fragen und Experimente................................................................... 80 I.5.7 Zukunftsaspekte: Von der klassischen Strahlenbiologie zur modernen Strahlenbiologie .............................................................................................. 81 I.5.8 Biologisches Begleitprogramm: Beispiele für wichtige Fragestellungen der klinischen und experimentellen Strahlenbiologie........................................ 83 I.6 Bisherige klinische Resultate der Protonen- und Leichtionentherapie ................ 89 I.6.1 Einleitung .............................................................................................................. 89 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 2 Band I: Inhaltsverzeichnis I.6.2 Tumoren im Bereich der Schädelbasis ............................................................... 91 I.6.3 Komplikationen der Leichtionenbestrahlung im Bereich der Schädelbasis... 94 I.6.4 Juxtaspinale und sakrale Tumoren .................................................................... 95 I.6.5 Hirnstamm- und Rückenmarkstumoren............................................................ 96 I.6.6 Uveamelanome ...................................................................................................... 96 I.6.7 Arteriovenöse Malformationen ........................................................................... 99 I.6.8 Klinische Erfahrungen mit Teilchenbestrahlung mit hohem linearen Energietransfer (High-LET) ........................................................................ 100 I.6.8.1 Speicheldrüsenkarzinome .................................................................... 100 I.6.8.2 Prostatakarzinom................................................................................. 100 I.6.8.3 Weichteilsarkome................................................................................. 102 I.6.8.4 Knochensarkome ................................................................................. 103 I.6.8.5 Kopf/Halstumoren ............................................................................... 103 I.6.8.6 Gallengangskarzinome ........................................................................ 104 I.6.8.7 Pankreaskarzinome ............................................................................. 105 I.6.8.8 Maligne Gliome ................................................................................... 105 I.6.8.9 Nicht kleinzellige Lungenkarzinome (NSCLC).................................... 106 I.7 Aktuelle klinische Studien zur Hadronentherapie ................................................115 I.8 Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionen-therapie in der Welt ............123 I.8.1 Einleitung ............................................................................................................ 123 I.8.2 Weltweiter Trend zur Patientenbehandlung in den Jahren 1990-94 anhand der Zentrendaten .......................................................................................... 128 I.8.3 Weltweit verwendete technische Einrichtungen zum Beamdelivery bzw. zur Aufweitung des Strahles............................................................................... 130 I.8.4 Weltweit verwendete Strahlendgeräte (Fixed Beam/Gantries)...................... 131 I.8.5 Ausblicke ............................................................................................................. 134 I.9 Entwicklung der Protonen- und Leichtionenradio- therapie im Licht der aktuellen Möglichkeiten der Strahlentherapie mit Photonen.......................139 I.9.1 Resultate der Strahlentherapie mit schweren Teilchen .................................. 141 3 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I: Inhaltsverzeichnis I.9.2 Neutronentherapie (Vorteil höherer biologischer Effektivität) ..................... 141 I.9.3 Protonentherapie (Vorteil höherer physikalischer Selektivität).................... 143 I.9.4 Leichtionentherapie (Vorteil höherer biologischer Effektivität und physikalischer Selektivität).......................................................................... 144 I.9.5 Notwendigkeit der wissenschaftlichen Evaluation der Leichtionen- und Protonentherapie im Vergleich mit der aktuellen Photonen-Radiotherapie145 I.10 Anhang.................................................................................................................... 157 I.10.1 Ausblick auf Band II und III .......................................................................... 157 I.10.2 Autorenliste Band I .......................................................................................... 157 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 4 Band I: Vorworte Short preface for the Med-AUSTRON programme Univ. Prof. Dr. A. Wambersie, Secretary of the European Hadron Therapy Group (EHTG) Université Catholique de Louvain, Belgien; Gastprofessor, Universitätsklinik für Strahlentherapie und Strahlenbiologie, Wien In the treatment of cancer patients, local failure is still an important issue. As a matter of fact, about 1/3 of the patients who have only a localized disease at the time of the first presentation, experience a local recurrence and finally die from their cancer. Radiation therapy has an obvious role to play in improving local control, alone or in combination with surgery and in some cases with chemotherapy, e.g., radiosensitizers. The most dramatic steps in the improvement of radiation therapy results are the consequence of technical progress. Modern linear accelerators have reached a high degree of reliability; they allow the radiation oncologist to apply more and more complex techniques such as conformal therapy (IMRT). However a kind of plateau seems to be reached in the efficiency of photon beam therapy, and any further progress would need other types of radiation. Radiation oncologists have indeed, since many years, tried to apply new types of radiation. Among them, protons are the next logical step to do in order to improve the physical selectivity of the irradiation. The recent increasing number of patients treated with protons, and the clinical data available so far indicate that proton therapy is a promising and safe way to go. Today commercial companies offer relatively simple, proton therapy machines, which are compact, easy to handle and to maintain. In contrast some „research“ proton therapy centers aim at exploiting fully the properties of protons, and optimising the beam delivery system (using e.g., scanning beam, energy modulation, etc.) which implies the design and development of complex equipment. Nevertheless, a question remains open: to what extent is there a real need for such most complex equipment in proton beam therapy and what benefit do they provide? Med-AUSTRON is a proton therapy machine planned to offer the highest and most complete technical possibilities; it will be able to contribute to the debate about the optimum machine for proton beam therapy and about the need for the most complex treatment delivery. However, the specificity of the Med-AUSTRON project lies in the possibility to deliver either proton or carbon-ion beams in similar conditions, with the same physical selectivity, even when needed, the same beam arrangement, and patient positioning and immobilisation devices. 5 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I: Vorworte In addition the treatment will be delivered by the same medical, physics and technical team allowing for a true evaluation of the relative merits of proton beams (low-LET radiation) and carbon-ion beams (high-LET radiation). The clinical experience gained with fast neutrons has shown that, for certain well selected types of tumours, high-LET radiation is more efficient than low-LET radiation. Neutrons were shown to be superior to photons for salivary gland tumours, prostatic adenocarcinomas and some slowly growing soft tissue sarcomas. Clinical experience has also shown the role of the physical selectivity if one wants to avoid severe late complications. With heavy ions, one can expect the benefit of fast neutrons for local tumour control, combined with the absence of severe complications due to their excellent physical selectivity. The clinical experience available so far (e.g. Berkeley), although limited, indicates that this approach is sound and promising. From a clinical point of view, Med-AUSTRON will provide suitable treatment for patients with inoperable, radioresistant tumours, close to critical normal structures, difficult to treat and for which there is no adequate alternative (e.g., tumours of the base of skull, or adjacent to the spinal cord). Patients from Austria and surrounding countries could benefit from this novel opportunity. In addition, AUSTRON will offer a promising alternative for more frequent tumours (e.g., prostate, bronchus, etc). A large number of patients could be treated and it can thus be expected that these studies could open new perspectives and changes in our therapeutic approach. In addition to this straightforward advantage from a clinical point of view for the Austrian population and the populations of the neighbouring countries, Med-AUSTRON will provide a unique opportunity and facility for research in the clinical field, radiobiology and oncology. It can be expected that Med-AUSTRON will be able to attract enthusiastic research teams from Austria, Europe and abroad. For the future, successful treatment and research in oncology, like in other disciplines, requires a multidisciplinary approach. It is what Med-AUSTRON is aiming at, combining collaboration of different University Faculties, such as physics, engineering, biology and of course medicine. Lastly, the city of the region which will be selected to host Med-AUSTRON will benefit from obvious fall-out as far as development, social and economical advantages are concerned. Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 6 Band I: Vorworte Med-AUSTRON und die ÖGRO Univ. Doz. Prim. Dr. J. Hammer, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Radioonkologie, Radiobiologie und medizinische Radiophysik (ÖGRO) In der im Auftrag der EU erstellten Studie „Europa gegen den Krebs“, in der u.a. die Möglichkeiten untersucht werden, die globale Krebsheilungsrate in Europa um 20% zu erhöhen, wird der Entwicklung neuer Bestrahlungstechniken und der Erprobung neuer Strahlenarten für die Krebsbehandlung ein wesentlicher Wert beigemessen. Bereits heute ist die Strahlentherapie entweder alleine oder in der Kombination mit anderen Therapieformen (Chirurgie) für etwa 50% aller Krebsheilungen verantwortlich. Auch in Österreich wurden durch die Neuerrichtung und Neuausstattung vieler Strahlentherapieabteilungen landesweit enorme Verbesserungen in der Tumorbehandlung erzielt. Durch die Errichtung eines internationalen Therapie- und Forschungszentrums wurde für die österreichische Medizin, und insbesondere für die österreichische Onkologie, eine wesentliche Verbindung zur internationalen Forschungsspitze auf dem Gebiet der Strahlentherapie, auf dem bereits in den Anfängen des Faches ganz wesentliche Initiativen von Österreich ausgegangen waren, geschaffen. Durch die Errichtung von Med-AUSTRON stünde Österreich das derzeit in der Welt modernste Therapiezentrum und das erste Hadronenzentrum, an dem sowohl eine Behandlung mit Protonen als auch mit Ionen möglich ist, zur Verfügung, was für die gesamte Radioonkologie in Europa von unschätzbarem Wert wäre. Von der Möglichkeit, zudem ein nationales Krebsforschungszentrum mit dem Schwerpunkt Radioonkologie in Österreich zu etablieren, in dem sowohl Grundlagenforschung als auch klinische Forschung unter Beteiligung aller österreichischen radioonkologischen Institute und Krankenhausabteilungen erfolgen kann, und in dem eine Vertiefung der Ausbildung auf verschiedenen Spezialgebieten möglich ist, würde die ganze österreichische Radioonkologie erheblich profitieren. Im Namen der Österreichischen Gesellschaft für Radioonkologie, Radiobiologie und medizinischen Radiophysik (ÖGRO) darf ich allen Personen und Institutionen, die bisher an diesem Projekt mitgearbeitet haben und die diese Arbeit gefördert haben, sehr herzlich danken. 7 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I: Vorworte Insbesondere danke ich der Projektleitung, dem Projektmanagement und dem Planungsbüro für ihr enormes Engagement. Der Stadt Wiener Neustadt, der Niederösterreichischen Landesregierung und dem RIZ Niederösterreich Süd gebührt unser aufrichtiger Dank für die großartige Unterstützung dieser Machbarkeitsstudie. Ich glaube sagen zu dürfen, daß Med-AUSTRON nicht nur für die medizinische Forschungsgemeinschaft, sondern auch als wissenschaftliches Leitprojekt für Stadt, Land und Bund eine Vielzahl höchst fruchtbarer regionaler Effekte haben würde. Im Namen der ÖGRO wünsche ich diesem Projekt eine baldige positive politische Entscheidung, die die Einleitung der notwendigen Realisierungsschritte rasch vorantreibt. September 1998 Univ. Doz. Dr. Josef Hammer Vorsitzender der ÖGRO Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 8 Band I: Vorworte Med-AUSTRON und die Synergien mit der geplanten Großforschungsanlage AUSTRON Magnifizenz Univ. Prof. Dr. Peter Skalicky, Vorsitzender der Österreichischen Rektorenkonferenz und Präsident des Vereins AUSTRON Das Med-AUSTRON Projekt ist ein vorzügliches Beispiel für eine Symbiose zwischen der Grundlagen- und der angewandten Forschung. Seitdem das von Prof. Meinhard Regler initiierte AUSTRON Projekt existiert, gab es ein brennendes Interesse aus dem medizinischen Bereich. Therapiemöglichkeiten, die durch die Nutzung eines Beschleunigers, wie er im Med-AUSTRON Projekt geplant ist, sind von außerordentlichem Interesse für die Onkologie. Med-AUSTRON steht im Zusammenhang mit dem AUSTRON Projekt, das sich jetzt im Stadium der Internationalisierung befindet, ist jedoch im Anwendungsbereich unabhängig. Dies ist ein erfolgreiches Beispiel der Weiterentwicklung und anwendungsorientierten Spezialisierung eines internationalen Großforschungsprojektes mit einem starken nationalen Standbein. Die Bedeutung der Krebstherapie bedarf wohl keiner besonderen Erklärung, wenngleich die Besonderheiten des Med-AUSTRON Projektes sehr wohl hervorgehoben werden müssen. Die spezielle Form der Strahlentherapie, besonders erfolgversprechend in der Tumorbehandlung von Kindern und Jugendlichen, Tumoren im HNO-Bereich, bei Lungenkarzinomen und in der Nähe von Risikoorganen, rechtfertigt das außerordentliche Interesse und das Engagement der RadioOnkologie für dieses Projekt. Ein Leitprojekt für die Region Wr.Neustadt, stellt Med-AUSTRON ein erstklassiges Beispiel für interdisziplinäre Zusammenarbeit und den sooft beschworenen Spin-off von Grundlagenforschung für höchst relevante Anwendungen dar. Anzumerken ist ebenfalls, daß im Gegenzug auch die Beschleunigerphysik vom Aufbau des Know-How für den anspruchsvollen RCS Beschleuniger des Gesamtzentrums AUSTRON profitieren wird. Die nunmehr vorliegende Machbarkeitsstudie eröffnet eine weitere, wichtige Perspektive für "Europe against Cancer". 9 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I: Vorworte Wiener Neustadt als Standort für Med-AUSTRON Traude Dierdorf, Bürgermeisterin der Statutarstadt Wiener Neustadt Holger Linhart, Erster Vizebürgermeister der Statutarstadt Wiener Neustadt Wiener Neustadt präsentiert sich heute längst nicht mehr als Industriestadt im herkömmlichen Sinne. Durch Einrichtungen wie das Technologiezentrum, die Fachhochschule sowie das Regionale Innovationszentrum erfolgt eine dynamische und zukunftsorientierte Entwicklung, die durch das Stadtentwicklungsprojekt Civitas Nova auch eine zentraleuropäische Dimension bekommt: Auf zwei Millionen Quadratmetern Fläche entsteht ein städtebaulicher Mix aus Produktion, Forschung, Erholungseinrichtungen und Wohnungen auf der Höhe der Zeit. In diesem Zusammenhang ist das Projekt AUSTRON beziehungsweise Med-AUSTRON von allergrößter Bedeutung. Die Stadt hat ihr Interesse an der Umsetztung dieser Vorhaben durch nachhaltige Unterstützung dokumentiert: Erwähnt sei in diesem Zusammenhang die Zurverfügungstellung der Büroinfrastruktur sowie die Finanzierung der Feasibility-Studie. Schließlich stellt Med-AUSTRON für die Stadt als Standort einer der modernsten Radioonkologien Österreichs sowie des Technologiezentrums Medizintechnik eine geradezu ideale Ergänzung dieser Einrichtung dar. Der für AUSTRON beziehungsweise Med-AUSTRON vorgesehene Standort im Norden Wiener Neustadts war lange Zeit Zentrum der Schwerindustrie. Erst der Zweite Weltkrieg beendete diese Entwicklung. Heute entsteht hier mit der Civitas Nova jenes neue Stadtviertel, das über Wiener Neustadt hinaus auch der gesamten Region entscheidende Impulse für das kommende Jahrtausend geben wird. Auf dem Weg dazu ist AUSTRON ein willkommener Partner. Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 10 Band I: Vorworte Der Stellenwert von Med-AUSTRON aus radioonkologischer Sicht Die Gesamtherausgeber: Univ. Prof. Dr. R. Pötter, Projektleiter Med-AUSTRON, Vorstand der Klinik für Strahlentherapie und Strahlenbiologie der Universität Wien, AKH der Stadt Wien Dr. T. Auberger, Med-AUSTRON Projektmanager, leitender Oberarzt des Instituts für Strahlentherapie und Radioonkologie der Leopold Franzens Universität Innsbruck Univ. Prof. DI Dr. M. Regler, vertretungsbeauftragter 1. Vizepräsident des Vereins AUSTRON, Institut für Hochenergiephysik der Österreichischen Akademie der Wissenschaften In Österreich wird seit geraumer Zeit der Umfang der Radioonkologie entsprechend dem wachsenden Bedarf an onkologischer Patientenversorgung und Forschung in bedeutendem Maße erweitert. Dies geschieht durch Modernisierung und Ausbau vorhandener strahlentherapeutischer Abteilungen, durch Eröffnung neuer Abteilungen, sowie durch eine zunehmende Zahl klinisch und wissenschaftlich engagierter Radioonkologen. Dank dieser Entwicklungen kann die Strahlentherapie die ihr aufgrund ihrer zentralen Stellung in der Onkologie zukommenden vielfältigen Aufgaben, sowohl im Rahmen der interdisziplinären Krebsbehandlung, wie auch in der interdisziplinären Krebsforschung in zunehmendem Maße erfüllen. Durch die umfassendere und qualitativ verbesserte radioonkologische Krebsbehandlung konnten wesentliche Fortschritte erzielt werden, sowohl bezüglich einer Verbesserung der Heilungsraten wie auch bezüglich einer Verminderung therapieassoziierter Nebenwirkungen. Allerdings sind bei zahlreichen Tumorgruppen die Heilungschancen noch immer nicht zufriedenstellend, so daß hier weitere wesentliche Aktivitäten notwendig sind, die grundlegende klinische Forschungstätigkeiten miteinbeziehen müssen. Im Bereich der Radioonkologie sind vor allem weitere Fortschritte durch Forschungen möglich, die sich auf grundlegende strahlenbiologische und strahlenphysikalische Aspekte beziehen. Eine bedeutende Forschungsund Entwicklungsrichtung befaßt sich mit Untersuchungen der Wirkungsweise besonderer Strahlenarten (Protonen, Leichtionen, Neutronen), die sich von den bisher verwendeten Photonen-Strahlen grundlegend unterscheiden hinsichtlich physikalischer und biologischer Eigenschaften. Wahrscheinlich lassen sich durch den Einsatz dieser Teilchenstrahlen die Wirkungen der Strahlentherapie bei bestimmten Tumorgruppen deutlich verbessern. 11 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I: Vorworte Zu Beginn der 90er Jahre entstand am Atominstitut der Österreichischen Universitäten und an der Technischen Universität in Wien in Verbindung mit dem CERN in Genf eine bedeutende Initiative zur Errichtung eines speziellen Beschleunigers für grundlegende und anwendungsbezogene physikalische Untersuchungen mit Hilfe der Neutronenstrahlung (AUSTRON). Schon nach kurzer Zeit kam es zu intensiven Kontakten dieser Gruppe mit Strahlentherapeuten, um die Möglichkeiten einer synergistischen Nutzung einer derartigen Anlage zum Zwecke der Krebsbehandlung frühzeitig mit zu bedenken. Diese Überlegungen stellten zunächst lediglich einen zusätzlichen interessanten Aspekt zu dem physikalischen Großforschungsprojekt AUSTRON dar. Im Rahmen der im November 1994 fertiggestellten Machbarkeitsstudie für das Gesamtprojekt „AUSTRON“ war der medizinische Teil folgerichtig zwar schon integriert, jedoch im wesentlichen entsprechend dem damaligen Entwicklungsstand als „Appendix“ angefügt. In den letzten Jahren gelang es in der weiteren Entwicklung, eine selbständig arbeitende interdisziplinäre Gruppe in Österreich zu etablieren, die sich intensiv mit der Thematik eines radioonkologischen Therapieprojektes und der Errichtung eines speziellen Beschleunigers zur Krebsbehandlung mit Protonen und Leichtionen auseinandersetzt: Med-AUSTRON. Die aktuelle geopolitische Situation Österreichs nach dem Fall des „eisernen Vorhangs“ und dem Beitritt zur Europäischen Union spielt hierbei eine herausragende Rolle: bei einem derartigen Therapieprojekt handelt es sich von vornherein um eine über die nationalen Grenzen hinausgehende Behandlungs- und Forschungseinrichtung, bei der die benachbarten Staaten mit einbezogen werden müssen. Diese selbständige Med-AUSTRON-Initiative wurde möglich dank des Engagements und der Kooperationsbereitschaft zahlreicher Radioonkologen, Physiker und Biologen aus Österreich und den Nachbarländern, sowie weiteren europäischen Ländern und aus dem außereuropäischen Ausland, unterstützt von der Österreichischen Gesellschaft für Radioonkologie, Strahlenbiologie und Medizinphysik (ÖGRO), der AUSTRON-Projektgruppe einschließlich dem Medizinischen Beirat, einer maßgeblichen Gruppe von Beschleunigerphysikern aus dem CERN, Vertretern des Wissenschafts- und Gesundheitsministeriums, sowie Vertretern zahlreicher anderer Berufsgruppen aus unterschiedlichsten Bereichen wie Architektur, Wirtschaft und Technik. Als erstes Ziel dieser Med-AUSTRON-Projektgruppe wurde die Erstellung einer Machbarkeitsstudie definiert, um die Bedingungen für ein zukunftsweisendes internationales Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 12 Band I: Vorworte radioonkologisches Projekt in der Krebsforschung und Krebsbehandlung zu untersuchen, entweder als eigenständiges Projekt oder in Zusammenhang mit der Errichtung einer physikalischen Großforschungsanlage (AUSTRON). Letztendlich ist die Erstellung einer derartigen Machbarkeitsstudie jedoch ernsthaft nicht möglich, wenn nicht tatkräftige finanzielle Unterstützung von Seiten Dritter zuteil wird. Diese Unterstützung erfolgte zunächst durch die Stadt Wiener Neustadt und die Direktion des CERN in Genf, seit dem Juli 1997 auch durch das Land Niederösterreich. Von Wiener Neustadt und dem Land Niederösterreich wurden die finanziellen Mittel für das Projektmanagement und den Aufbau, sowie den Unterhalt einer koordinierenden Büroorganisation im Regional-Innovationszentrum in Wiener Neustadt bereitgestellt. Vom CERN in Genf wurde eine Gruppe von Beschleunigerphysikern mit der Planung eines speziell für die Protonen- und Leichtionentherapie ausgerichteten Beschleunigers für zwei Jahre betraut. Dank dieser hervorragenden Unterstützung konnten wir vor zwei Jahren mit der Erstellung der Machbarkeitsstudie für dieses onkologische Therapieprojekt beginnen, die wir hiermit vorlegen. Entsprechend den unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkten haben wir eine Gliederung in drei Hauptteile (Bände) vorgenommen, für die entprechend der jeweiligen Thematik eine bestimmte Herausgebergruppe maßgeblich war: Band I: Die Bedeutung der Hadronentherapie für die Krebsbehandlung: R. Pötter, T. Auberger Band II: Der Med-AUSTRON Beschleuniger - ein europäisches Konzept zur Protonen- und Ionentherapie - Aspekte der Beschleunigerphysik und der Medizinphysik: M. Regler, E. Griesmayer, U. Haverkamp Band III: Konzept zur Realisierung eines österreichischen Hadronentherapiezentrums: T. Auberger, R. Pötter, K. Poljanc Appendix: Accelerator Complex Study Group (CERN) Die einzelnen Beiträge wurden von zahlreichen Beteiligten mit großem Engagement verfaßt. Im Anschluß an die einzelnen Bände wird im Anhang (Appendix) ein Beschleunigerkonzept von der Gruppe der Beschleunigerphysiker am CERN vorgelegt (PIMMS), das im Zusammenhang dieser Studie unter Beteiligung österreichischer Wissenschafter entwickelt wurde, denen hierfür ein großer Dank gilt. 13 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I: Vorworte Ein großer Dank darf an dieser Stelle allen an dieser Machbarkeitsstudie Beteiligten ausgesprochen werden, nicht zuletzt der Redaktionsgruppe im Med-AUSTRON-Büro. Der koordinierenden Redaktionsgruppe im Med-AUSTRON-Büro gebührt eine besondere Anerkennung für das unermüdliche Engagement. Nicht unerwähnt bleiben sollte auch die Tatsache, daß sämtliche Autoren und Co-Autoren ihre Beiträge unentgeltlich zusammengestellt haben. Zum Schluß sei noch einmal ausdrücklich ein besonderer Dank an die politischen Kräfte in Wiener Neustadt und an das Land Niederösterreich ausgesprochen, die das Bisherige ermöglicht haben. Es ist zu hoffen, daß der eingeschlagene Weg über die Fertigstellung der Machbarkeitsstudie hinaus letztendlich bis zur Realisierung dieses - für die Krebstherapie zukunftsweisenden Projekts in das nächste Jahrhundert führt. Die Herausgeber Wr. Neustadt, Dezember 1998 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 14 Band I.1: Einleitung I.1 Einleitung: Ziel der Gesamtstudie T. Auberger, R. Pötter Ziel dieser Machbarkeitsstudie war es, Sinn und Notwendigkeit eines internationalen Forschungs- und Behandlungszentrums für Protonen und leichte Ionen vor dem Hintergrund der Entwicklung der internationalen Krebstherapieforschung und insbesondere der technischen Entwicklung der Strahlentherapie aufzuzeigen. Insbesondere sollten die physikalischen und biologischen Vorteile der neuen Strahlenarten erläutert und die bisherigen klinischen Ergebnisse der neuen Therapieformen vorgestellt werden. Des weiteren sollte gezeigt werden, welche Tumorarten mit einer Hadronentherapie besser zu behandeln sind als mit den bisherigen Behandlungsmethoden und wie viele Patienten aus dem In- und Ausland von dieser Therapie profitieren könnten. All diese Fragen werden im Band I dieser Studie im Detail diskutiert. Ein weiteres Ziel war es, die wissenschaftlichen Voraussetzungen eines solchen neuartigen Behandlungszentrums aufzuzeigen und die technische und bauliche Durchführbarkeit der Konstruktion darzulegen. Antworten auf diese Fragen soll der Band II dieser Studie geben, ohne daß eine technische Designstudie, die Details bis zur Konstruktionsreife entwickeln wird, vorweggenommen werden kann. Durch die enge wissenschaftliche Verbindung mit dem internationalen Forschungszentrum CERN in Genf ist es möglich, innerhalb eines beschleunigerphysikalischen Ergänzungsbandes bereits weiter in die technischen Details des geplanten Medizin-Großbeschleunigers vorzudringen, als es für eine Machbarkeitsstudie üblich ist. Dieser ergänzte Band erscheint noch im Herbst dieses Jahres in Form eines CERN Reports in englischer Sprache als Ergänzung zu dem physikalisch-technischen Band II unserer Machbarkeitsstudie. Im Band III der Studie werden die Eckdaten des medizinisch-klinischen und des wissenschaftlichen Betriebes dargestellt, die möglichen Patientenkapazitäten, der Personalaufwand für die verschiedenen Betriebsphasen, sowie Ausstattungs-, Raum- und Architekturkonzepte vorgelegt. Des weiteren wird der Aufwand an Investitions- und Betriebskosten kalkuliert und die Synergieeffekte mit dem Standort Wiener Neustadt insbesondere mit dem dort geplanten neuen Stadtteil „Civitas Nova“ diskutiert. 15 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.1: Einleitung Ein weiterer wesentlicher Punkt der Diskussion war der Stellenwert eines österreichischen Hadronentherapiezentrums im Rahmen eines europäischen Gesamtkonzeptes. Selbstverständlich konnten mit den vorhandenen Mitteln und im vorgesteckten Zeitrahmen nicht alle Details in vollem Maße ausgeschöpft werden. Insbesondere ist zu berücksichtigen, daß alle Kalkulationen und Schätzungen, besonders die Berechnungen der Investitions- und Betriebskosten, von den augenblicklich bestehenden wirtschaftlichen Verhältnissen ausgehen. Eine Vertiefung, bzw. Ergänzung der Studie erscheint vor allem im Bereich epidemiologischer Evaluationen, im Bereich der östlichen Nachbarländer und im Bereich der Wertschöpfungsanalysen sinnvoll. Im Rahmen der Arbeit an dieser Studie ist eine enge Zusammenarbeit mit Wissenschaftern in Österreich und dem Ausland entstanden. Eine daraus hervorgegangene Arbeitsgruppe wird sich auch weiterhin intensiv mit der wissenschaftlichen Fortentwicklung der Hadronentherapie und mit Verbesserungen der vorgelegten Konzepte befassen, die wie alle anderen wissenschaftlichen Projekte stets nur eine Momentaufnahme in der immer fortschreitenden Entwicklung neuer Wege sein können. Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 16 Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa I.2 Stand der Krebsbehandlung in Europa unter besonderer Berücksichtigung der Strahlentherapie H.D. Kogelnik, P. Lukas, A. Hackl, F. Sedlmayer Die unzähligen Herausforderungen an die moderne Medizin inkludieren wissenschaftlich ungelöste Probleme (z.B. Krebs, Aids), die nicht immer ausreichende Verfügbarkeit einer Spitzenmedizin, einen ungenügenden Transfer vorhandenen Wissens, die Problematik durch die gesteigerte Lebenserwartung, etc. Krebserkrankungen sind nach wie vor eines der größten Probleme der Medizin. Derzeit erkrankt bereits etwa jede dritte Person im Laufe des Lebens an einem malignen Tumor, und jeder fünfte Mensch stirbt durch Krebs [1]. Jeder 3. Mensch erkrankt im Laufe seines Lebens an Krebs Jeder 5. Mensch stirbt an Krebs Im Laufe der Jahrzehnte sind die Krebsüberlebensraten graduell von etwa 5% am Beginn des Jahrhunderts auf 15% in den dreißiger Jahren, und dann von 30% um 1960 auf etwa 45% in den frühen neunziger Jahren angestiegen. Die gegenwärtige „beobachtete“ 5-JahresÜberlebensrate ist 40%. Nach Adjustierung für die normale Lebenserwartung (Berücksichtigung von Faktoren wie Todesursachen durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Unfälle und Erkrankungen des höheren Alters) wird jetzt für alle Krebsarten eine „relative“ 5-JahresÜberlebensrate von 54% erzielt [1]. Um Fortschritte in der Karzinomtherapie messen zu können, wird gewöhnlich die relative Überlebensrate verwendet. Zum Diagnosezeitpunkt haben zirka 70% aller Krebspatienten keine nachweisbaren Fernmetastasen und benötigen in erster Linie eine lokoregionale Behandlung (Operation und/oder Strahlentherapie). Mit vermehrten Screening-Untersuchungen und früherer Diagnosestellung kann eine weitere Zunahme lokal heilbarer Karzinome erwartet werden. Der relative Beitrag zu den Krebsheilungen durch die drei wesentlichen Therapiemodalitäten (Chirurgie, Strahlentherapie, Chemotherapie) ist aus nachfolgender Aufzählung ersichtlich [18]. Die moderne Radiotherapie (Radioonkologie) ist bei nahezu der 17 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa Hälfte aller Heilungen beteiligt. Gegenwärtig erfolgen etwa 90% aller Krebsheilungen ausschließlich durch die lokoregionale Behandlung, also durch Operation und Strahlentherapie („Stahl und Strahl“) [8]. Krebsheilungen nach Behandlungsmodalitäten [18] Von 100 Krebspatienten werden: · 22 durch Chirurgie geheilt · 18 durch Strahlentherapie geheilt (allein oder kombiniert mit anderen Modalitäten, aber mit Radiotherapie als die dominierende Behandlungsform) · 5 durch Chemotherapie geheilt (allein, oder häufiger kombiniert mit anderen Modalitäten) Von allen Krebsheilungen erfolgen 90% im wesentlichen durch lokale Therapie (Operation und/oder Radiotherapie) I.2.1 Bedeutung der lokalen Tumorkontrolle in der Krebstherapie Für die überwiegende Mehrzahl aller Krebsarten gilt, daß die permanente Beherrschung der lokoregionalen Krebsgeschwulst (lokale Tumorkontrolle) die unabdingbare Vorbedingung für eine Krebsheilung ist. Eine erfolglose Behandlung des Primärtumors führt letztlich immer zum Tode des betroffenen Patienten, da ein nicht mehr heilbares Fortschreiten des Krebswachstums (lokoregional und/oder Fernmetastasen) eintritt. Es existieren klare wissenschaftliche Analysen, aus denen hervorgeht, daß durch eine verbesserte lokale Krebstherapie höhere Heilungsraten erzielbar sind [17]. Außerdem wird eine effektivere strahlentherapeutische Lokalbehandlung vermehrt zu organerhaltenden Therapien führen und somit zu einer verbesserten Lebensqualität beitragen. Von den zirka 55% der derzeit nicht heilbaren Krebspatienten muß immer noch ein Drittel (18%) deshalb sterben, weil trotz des optimalen Einsatzes aller heute zur Verfügung stehenden Behandlungsformen die lokale Krebsgeschwulst nicht beherrschbar ist (etwa 37% aller Krebspatienten sterben wegen unheilbarer Fernmetastasen) [4]. Dies bedeutet mit anderen Worten, daß insgesamt noch immer jeder sechste Krebspatient primär aufgrund der Unbeherrschbarkeit der lokalen Krebsgeschwulst stirbt. Wenn eine 100%ige lokale Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 18 Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa Tumorkontrolle gelingen könnte, wäre es möglich, die derzeitigen Heilungsraten um zirka 15% zu erhöhen [16], und außerdem könnten vermehrt organerhaltende Behandlungen durchgeführt werden. I.2.2 Allgemeine Bemerkungen zur Radiotherapie Im Rahmen der interdisziplinären Krebstherapie kommt der Radioonkologie sowohl im kurativen, als auch im palliativen Behandlungskonzept ein besonderer Stellenwert zu. Zwei Drittel aller Krebspatienten benötigen die Hilfe der Strahlentherapie, welche somit die häufigst angewandte Therapieform bei Tumorpatienten ist [8]. Etwa die Hälfte aller Bestrahlungsindikationen ist kurativ, die andere Hälfte palliativ. Durch die moderne Radioonkologie können bei zirka 40% aller geheilten Patienten schonendere organerhaltende Behandlungsformen (z.B. Mammakarzinom) ermöglicht werden, was für die Lebensqualität der betroffenen Patienten von großer Bedeutung ist [3]. Kobaltgeräte und Linearbeschleuniger stellen für die Photonen-Teletherapie die Standardausrüstung radioonkologischer Zentren dar. Bei modernen Linearbeschleunigern kommen zwei unterschiedliche Photonenenergien, sowie variable Elektronenenergien bis 25 MeV zum Einsatz. Für die Brachytherapie werden Nachladegeräte sowohl für das High-doserate-, als auch für das Low-dose-rate-Verfahren verwendet. Die Strahlentherapie mit Hadronen ist derzeit weltweit nur in einigen wenigen Zentren möglich. Die bei der Hadronentherapie applizierten Teilchen inkludieren Neutronen, Protonen, Pionen (negative Pi-Mesonen), Leichtionen und Schwerionen. Bei der Ionentherapie werden Teilchen bis zur Atomzahl 20 (Neon) als Leichtionen bezeichnet, während alle übrigen Nuclei mit höheren Atomzahlen zu den Schwerionen zählen (z.B. Silizium, Argon). Die „philosophische“ Grundlage der Strahlentherapie wie überhaupt die der gesamten Medizin liegt darin, einen maximalen therapeutischen Effekt mit einem Minimum an Morbidität zu erreichen, d.h. die sigmoidförmig verlaufenden Dosis-Wirkungs-Kurven für die Wahrscheinlichkeit einer Tumorkontrolle (TCP, tumor control probability) und für das Auftreten von Normalgewebsschädigungen (NTCP, normal tissue complication probability) sollten möglichst weit voneinander entfernt sein. 19 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa Prinzipiell bestimmen in der Radioonkologie sowohl strahlenbiologische als auch technischphysikalische Faktoren die lokale Tumorkontrolle. Während radiobiologische Faktoren im allgemeinen darauf abzielen, bei gleicher Strahlendosis einen relativ größeren Schaden im Tumor hervorzurufen, sind physikalisch-technische Faktoren in erster Linie darauf ausgerichtet, höhere Strahlendosen auf den Tumor als auf das umliegende Normalgewebe zu applizieren (Hochpräzisions-Strahlentherapie mit verbesserter Dosisverteilung und topographischer Selektivität). Es werden in der Radioonkologie ständig intensive Forschungsarbeiten in beiden Richtungen durchgeführt, um höhere Tumorkontrollraten mit einer akzeptablen Nebenwirkungsrate zu erzielen. I.2.3 Mögliche strahlenbiologische Ursachen von Rezidiven nach Radiotherapie und klinische Implikationen Der sinnvollste Ansatz zur Verbesserung radiotherapeutischer Erfolge liegt in der Studie und Analyse der Ursachen von strahlentherapeutischen Mißerfolgen (z.B. Rezidive). Grundsätzlich gibt es drei ursächliche strahlenbiologische Möglichkeiten von Versagern nach Radiotherapie: · Tumor-Klonogen-Faktoren · Normalgewebs-Faktoren und · die Zufallswahrscheinlichkeit des Zellabtötens durch ionisierende Strahlen. Tumor-Klonogen-Faktoren, welche für eine gegebene Strahlendosis die Wahrscheinlichkeit einer Tumorkontrolle limitieren, inkludieren ein großes Tumorvolumen (große Anzahl von klonogenen Tumorzellen), ein Tumorwachstum bzw. eine (akzelerierte) Regeneration der klonogenen Tumorzellen während der Strahlentherapie, eine variable inhärente Strahlensensibilität, eine inadäquate Progression von Tumorzellen innerhalb des Zellzyklus (mangelnde Redistribution in strahlensensiblere Zellzyklusphasen), die Reparatur von potentiell letalen Schäden sowie die Hypoxie (erhöhte Strahlenresistenz um einen Faktor von etwa drei). Auch Normalgewebs-Faktoren können zu einem Therapieversagen beitragen, da sie die tolerable Strahlendosis limitieren. Die funktionelle Bedeutung eines Organs ist dafür ein Beispiel, weil einige Tumoren wegen ihrer unmittelbaren Nachbarschaft zu kritischen Strukturen Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 20 Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa und Organen (z.B. Myelon) durch die herkömmliche Strahlentherapie schwer zu heilen sind. Eine relativ kleine Anzahl von Stammzellen ist die Ursache für eine niedrige „Toleranzdosis“ mancher Organe (z.B. Niere). Die mangelnde Regeneration von Stammzellen während der Radiotherapie hat in jenen Geweben und Organen eine besondere Bedeutung, in welchen Spätfolgen auftreten, und daher können in solchen Situationen nur relativ niedrige Strahlendosen toleriert werden. Auch das Ausmaß des Volumens des bestrahlten Normalgewebes kann zu einer beträchtlichen Dosislimitierung und daher zu einer verminderten TCP führen. Schließlich können etliche patho-physiologische Faktoren als Ursache für ein Rezidiv nach einer Strahlentherapie verantwortlich gemacht werden (z.B. schlechte Mundhygiene und Karies bei HNO-Patienten, Hypertension, Diabetes und andere Systemerkrankungen, Anämie, Rauchen). Die Zufallswahrscheinlichkeit, mit der durch die Strahlentherapie Zellen abgetötet werden, führt zu einer logarithmischen Abnahme der Tumorzellzahl. Es besteht allein aus diesem Grunde immer eine Chance, daß eine Zelle überlebt, auch wenn die meisten anderen Zellen schon mehrfach letal getroffen wurden. Dieses Gesetz der Zufallswahrscheinlichkeit beim Überleben von Zellen nach Bestrahlung ist auch die Basis für die sigmoide Dosis-Wirkungs-Beziehung. Durch Integration strahlenbiologischer Prinzipien in die klinische Praxis hat sich bei „operablen“ Tumoren die Kombination von Chirurgie und Strahlentherapie bei einer großen Anzahl von Tumoren als die optimale lokoregionale Therapie durchgesetzt. Die Radiotherapie kann kleinere Tumormanifestationen im subklinischen Bereich (bis etwa 106 klonogene Tumorzellen) mit relativ niedrigen Strahlendosen in einem sehr hohen Prozentsatz bei gleichzeitig minimaler Morbidität permanent sterilisieren, ist aber bei zunehmender Tumorgröße weniger erfolgreich. Umgekehrt ist die Chirurgie optimal zur Entfernung der makroskopisch vorhandenen Tumormassen geeignet, hat jedoch ihre Schwächen im subklinischen Bereich, weil dann wesentlich radikalere und oft unnotwendig mutilierende Eingriffe mit fragwürdiger Effizienz eingesetzt werden müßten. Daher ergänzen sich chirurgische und strahlentherapeutische Kombinationsbehandlungen (insbesondere auch bei schonenderen organerhaltenden Behandlungen), weil nicht nur die TCP erhöht, sondern auch die Wahrscheinlichkeit von Komplikationen reduziert wird. Auch die Interaktion von Strahlentherapie und Chemotherapie kann das therapeutische Verhältnis verbessern (z.B. Tumorverkleinerung durch Chemotherapie beim M. Hodgkin, anschließend Radiotherapie mit reduzierter Dosis auf ein verkleinertes Volumen). Eine Variation 21 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa des gleichen Prinzips ist die feldverkleinernde Bestrahlungstechnik (Dosisaufsättigung auf zentrale Tumormassen), sowie der Einsatz der Brachytherapie für diese zentralen Tumorresiduen. Geänderte Dosisfraktionierungen (z.B. Hyperfraktionierung bzw. akzelerierte Fraktionierung), der Einsatz von Strahlensensibilisatoren und Radioprotektoren sowie die Anwendung von Hadronen mit einem hohen linearen Energietransfer (Neutronen, Leicht- und Schwerionen, Pionen) für „strahlenresistente“ Tumoren sind weitere klinische Implikationen, welche aus strahlenbiologischen Prinzipien gewonnen wurden. Physikalisch-technische Faktoren, die Einfluß auf die lokale Tumorkontrolle haben Physikalisch-technische Faktoren, die einen signifikanten Einfluß auf die lokale Tumorkontrolle besitzen, zielen in erster Linie darauf ab, das Bestrahlungsvolumen für makroskopisch vorhandene Tumorzellmassen zu reduzieren. Bei Hadronen mit hohem linearen Energietransfer (LET) kommt zusätzlich zu ihrer besonderen radiobiologischen Wirkung (RBE) noch der Vorteil ihrer hohen physikalischen (topographischen) Selektivität hinzu (siehe auch Kapitel I.4). Bedeutende physikalisch-technische Faktoren für die Radioonkologie inkludieren die gesamte Entwicklung der Hochenergiestrahlen (bis zu den modernsten Linearbeschleunigern) und alle brachytherapeutischen Errungenschaften. Die verbesserten bildgebenden Verfahren (z.B. Computertomographie, Kernspintomographie), die dreidimensionale Dosisberechnung, die Verwendung von Mehrfachblenden-Kollimatoren, die stereotaktische Radiotherapie, die intraoperative Radiotherapie, verbesserte Patientenlagerungsmöglichkeiten sowie eine Megavoltonline-Bildgebung sind weitere Ansatzpunkte zur Erreichung höherer Heilungsraten. Vorteil der Leichtionen: hohe radiobiologische Effektivität hohe topographische Selektivität Für die im Laufe der letzten Jahrzehnte erzielten signifikanten Zuwächse an Heilungsraten in der Radiotherapie haben vor allem die technisch-physikalischen Fortschritte, welche zu einer verbesserten Dosisverteilung im Zielvolumen führten, beigetragen. Dabei wurden die höheren Tumorkontrollraten primär dadurch erreicht, weil höhere Strahlendosen auf kleinere Behandlungsvolumina appliziert werden konnten. Als Beispiel werden in Tabelle 2.3-1 die Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 22 Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa eindrucksvollen Verbesserungen der Heilungsraten von verschiedenen Krebsarten durch die Hochvolttherapie (Kobaltgeräte und Beschleunigeranlagen) in den sechziger Jahren im Vergleich zur vorher ausschließlich vorhandenen Orthovolttherapie (konventionelle Röntgentherapie) angeführt [14]. Tabelle 2.3-1: Verbesserte Überlebensraten durch Hochvolttherapie bei verschiedenen Krebsarten [14]. Repräsentative 5-Jahres-Überlebensraten (%) Krebsart Orthovolttherapie Hochvolttherapie M. Hodgkin 30-35 70-75 Zervixkarzinom 35-45 55-65 Prostatakarzinom 5-15 55-60 20-25 45-50 0- 5 25-35 Eierstockkrebs 15-20 50-60 Retinoblastom 30-40 80-85 Seminom 65-70 90-95 Embryonaler Hodenkrebs 20-25 55-70 Tonsillenkarzinom 25-30 40-50 Nasopharynxkarzinom Harnblasenkrebs Wie die geschichtliche Entwicklung zeigt, bestehen berechtigte Hoffnungen, daß durch geladene Teilchen (Protonen, Leichtionen, Schwerionen) allein aufgrund der damit verbundenen überlegenen topographischen Selektivität zukünftig weitere Anstiege der Krebsheilungsraten zu erwarten sind. 23 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa I.2.4 Zur Situation der Radioonkologie in Europa (mit ausgewählten Beispielen) Allgemein kann man zur Situation der Radioonkologie in Europa sagen, daß in den meisten Ländern insbesondere in den vergangenen 20 Jahren ein enormer Aufschwung dieser klinischen Spezialdisziplin stattgefunden hat und sich die Anzahl der radioonkologischen Zentren (mit der gesamten dazugehörigen Infrastruktur) deutlich erhöht hat. Einschränkend muß hinzugefügt werden, daß quantitativ die international vorgegebenen Standards (bis zu zwei von drei Krebspatienten würden von einer Strahlentherapie profitieren) [8, 13] von vielen europäischen Ländern noch nicht erreicht werden. Im Unterschied dazu ist die radiotherapeutische Versorgung in den USA und in Kanada sehr gut. Es gibt in vielen Ländern Europas regional noch deutliche Unterschiede hinsichtlich der Verfügbarkeit von strahlentherapeutischen Zentren. Außerdem besteht insgesamt ein klares West-Ost-Gefälle, teilweise auch ein Nord-Süd-Gefälle. Aus einer 1990 veröffentlichten Studie geht hervor, daß in den damaligen Ländern der Europäischen Gemeinschaft im Jahr 1980 1,186.000 neue Krebsfälle aufgetreten sind, und im gleichen Jahr 730.000 Todesfälle durch Krebs zu verzeichnen waren [12]. Diese Zahlen sollen lediglich veranschaulichen, wie viele Menschen bei einer relativen strahlentherapeutischen Unterversorgung betroffen sein können. Die Krebsinzidenzrate pro Jahr pro 100.000 Einwohner variierte in den damaligen Mitgliedstaaten bei Frauen von 0,5 (Larynxkarzinom) bis 56,8 (Brustkrebs), bei den Männern von 1,5 (Gallenblasenkarzinom) bis 64,0 (Lungenkrebs) [12]. Hierzu ist zu bemerken, daß die jährliche Zunahme der Krebsinzidenz bei etwa 1 - 2% liegt, so daß allein dadurch ein zusätzlicher Bedarf an strahlentherapeutischen Einrichtungen erforderlich sein wird [15]. Pro Jahr nimmt die Krebshäufigkeit um 1 % bis 2 % zu In Schweden (Einwohnerzahl 8,6 Millionen) werden jährlich etwa 40.000 neue Krebspatienten diagnostiziert, und 20.000 Menschen sterben durch Krebs. In einer kürzlich erschienenen Publikation einer Arbeitsgruppe wurden für Schweden u.a. folgende Schlußfolgerungen gezogen [15]: Knapp ein Drittel aller schwedischen Karzinompatienten erhält eine Strahlentherapie (die radiotherapeutische Unterversorgung bezieht sich in erster Linie auf Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 24 Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa palliative Bestrahlungsindikationen); bis zum Jahr 2010 wird mit einer Zunahme an Krebspatienten von 18% gerechnet, und dies wird zu einem größeren Bedarf an Strahlenbehandlungen führen; trotz wissenschaftlicher Sicherstellung ist die Anwendung der hyperfraktionierten Radiotherapie in Schweden noch limitiert; es gibt in der einschlägigen Literatur keinen Hinweis, daß in absehbarer Zeit die Strahlentherapie durch eine andere Krebsbehandlungsform ersetzt werden könnte. Auf dem Sektor der Protonentherapie und der Radiochirurgie hat Schweden bereits vor Jahrzehnten Pionierarbeit geleistet. In den Niederlanden bestehen 19 strahlentherapeutische Zentren. In diesen Institutionen wurden im Jahre 1990 insgesamt 27.000 neue Krebspatienten bestrahlt, das sind etwa 47% aller Patienten [9]. In Großbritannien liegt der Vergleichswert bei etwa 53% [15]. Frankreich hat entsprechend seiner großen strahlentherapeutischen Tradition bereits 1968 die formelle Trennung von Röntgendiagnostik und Radiotherapie vollzogen. In allen 30 medizinischen Fakultäten wurde ein Professor für Radioonkologie bestellt. Im Jahre 1995 existierten in Frankreich 185 spezialisierte radiotherapeutische Zentren (Einwohnerzahl 58 Millionen), und über 600 Radioonkologen betreiben 223 Hochvolttherapiegeräte [19]. Außerdem sind drei Zyklotrone zur Hadronentherapie im Einsatz gegen den Krebs. In Deutschland ist in den letzten Jahren der klinische und technische Standard der Radiotherapie, ebenso auch die wissenschaftliche Leistung, wieder mit dem internationalen Standard vergleichbar geworden (insbesondere bezogen auf die USA, Großbritannien, Frankreich und die skandinavischen Länder) [6]. In der Schweiz (Einwohnerzahl 7 Millionen) sind 16 radioonkologische Institutionen vorhanden (davon 5 Universitätskliniken). Mit 37 Hochvolttherapiegeräten wurden 1995 über 12.000 Krebspatienten bestrahlt [11]. Das Paul Scherrer Institut in Villigen/Schweiz ist zusätzlich eines der führenden Protonen-Forschungszentren der Welt. In Österreich hat sich in den vergangenen 10 Jahren die strahlentherapeutische Versorgung der Krebspatienten drastisch verbessert und an internationale Standards angenähert. In einer 1992/1993 erhobenen Studie wurde festgestellt, daß nahezu 11.000 von 30.000 neuen Krebspatienten, i.e. 37%, bestrahlt wurden [7]. Damals standen für die 8 Millionen Österreicher in 11 strahlentherapeutischen Institutionen insgesamt 22 moderne Hochvolttherapiegeräte zur Verfügung (im Jahr 1989 lediglich 15 moderne Geräte). 1998 sind bundesweit bereits 32 25 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa Hochvolttherapiegeräte in 12 radioonkologischen Zentren im Einsatz. Die Errichtung weiterer Therapiezentren ist in Planung. Italien hat bei einer Einwohnerzahl von 57 Millionen Menschen jährlich etwa 240.000 neue Krebspatienten (145.200 Krebstodesfälle im Jahr 1988). Etwa 50.000 Patienten pro Jahr bekommen keine adäquate strahlentherapeutische Behandlung, wobei die Unterversorgung besonders im Süden des Landes evident ist [20]. In 93 radiotherapeutischen Institutionen sind 155 Hochvolttherapiegeräte im Einsatz. In Spanien (Einwohnerzahl 1991: 38.872.279) existieren 77 radiotherapeutische Institutionen mit 130 Hochvolttherapiegeräten (davon 84 Kobaltgeräte) [10]. Etwa 39.500 Krebspatienten wurden 1991 und 1992 pro Jahr bestrahlt (internationaler Sollwert: 77.800). Österreich im internationalen Vergleich 6 5 4 Zentren / Mio Einwohner 3 Geräte / Mio Einwohner 2 1 0 F Ch E I Ö Abbildung 2.4-1: Relative Anzahl der Zentren und Geräte in ausgewählten europäischen Ländern. 1.Europäische Krebsforschungsstrategie Vor wenigen Jahren wurde von der Kommission der Europäischen Gemeinschaft, Generaldirektion XII - Abteilung Medizin, ein Strategiepapier mit dem Titel „Europäische Krebsforschungsstrategie“ veröffentlicht [8]. Der Strategieansatz II (Verbesserung der Lokalbehandlung) wurde teilweise weiterentwickelt und gleichzeitig als „Strategie der Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 26 Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa Europäischen Gemeinschaft im Hinblick auf die Verbesserung der Ergebnisse von Krebstherapien durch Verbesserung der Strahlentherapie“ publiziert [8]. Im Anhang A1 der Europäischen Krebsforschungsstrategie wird als Ziel die Senkung der (alterskorrigierten) Zahl der Todesfälle um 15% bis zum Jahr 2000 (im Vergleich zum Trend) und um 25% bis zum Jahr 2010 definiert. Der strategische Ansatz zur Senkung der Zahl der Krebstodesfälle ist aus Tabelle 2.4-2 ersichtlich. Tabelle 2.4-2: Strategie zur Senkung der Krebstodesfälle in Europa [8]. Problem Abhilfe I. Späte Diagnose Reihenuntersuchungen II. a) Unzureichende Behandlung Qualitätskontrolle Verbesserte Lokaltherapien 1 b) Tumoren mit schwieriger - Konforme Strahlentherapie 2 Lokalisation - Protonen 3 - Leichtionen 3 - Bor-Neutroneneinfangtherapie (BNCT) c) Tumoren gegenwärtig Leichtionen und BNCT strahlenresistent III. Konventionelle Therapien nicht effektiv 1 2 3 4 Verbesserte Lokaltherapien in Kombination mit verbesserten systemischen Therapien 4 siehe Kapitel I.4 siehe Kapitel I.6 siehe Kapitel I.6 siehe Kapitel I.4 Die Schlußbemerkungen des Strategieansatzes II der Europäischen Krebsforschungsstrategie beginnen mit nachfolgenden Statements: 27 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa „In den letzten vier Jahren entwickelte die Arbeitsgruppe Krebsforschung eine europäische Strategie für die Krebsforschung, die von dem Committee of High Level Cancer Experts und (in einer früheren Fassung) von der CGC Medical and Health Research gebilligt wurde. Diese Strategie bezweckt, den Forderungen nach effektiver Senkung der Todesfälle durch Krebs in angemessener Zeit nachzukommen und die Wettbewerbssituation der europäischen Industrie zu verbessern. Bei dieser Strategie wird das Schwergewicht auf die Weiterentwicklung der Strahlentherapie gelegt. Forschung auf dem Gebiet der Strahlentherapie kann mehr als die auf den Gebieten der Chirurgie oder Chemotherapie und Immunotherapie Nutzen aus einem transnationalen Ansatz ziehen, da sie große Anlagen benötigt. Ferner bedarf die Strahlentherapie in höherem Maße als Chirurgie, Chemotherapie und Immunotherapie der öffentlichen Finanzierung, da ihre Unterstützung durch die Industrie sehr viel weniger bedeutend ist. Aus diesen Gründen konzentriert sich das vorliegende Dokument, welches eine Lücke und Chance innerhalb des Programmes „Europa gegen den Krebs“ beschreibt, auf das Thema der Verbesserung der Strahlentherapie. Es wird damit gerechnet, daß in Westeuropa eine signifikante Steigerung der Krebs-Überlebensrate (5%) durch Hebung des Qualitätsniveaus der Strahlentherapie erreicht werden könnte. Für die osteuropäischen Länder könnte diese Steigerung sogar 15% ausmachen.“ Das EU-Dokument endet mit folgendem Wortlaut: „Um eine kontinuierliche Entwicklung der Strahlentherapie sicherzustellen und der europäischen Industrie zu ermöglichen, ihre Wettbewerbsposition bei Neuentwicklungen in dieser Behandlungsart zu wahren, müssen einige Hochtechnologieprojekte gefördert werden, die für die Strahlentherapie insgesamt und die mit ihr verknüpften diagnostischen Bildgebungstechniken Spin-offs erbringen würden. Experten sind der Ansicht, daß angesichts des Prinzips der Subsidiarität insbesondere Forschungen über Leichtionentherapie und Bor-Neutroneneinfangtherapie einer direkten Intervention seitens der Kommission bedürfen, während bei der Protonentherapie der technische und medizinische Fortschritt bereits so groß ist, daß die Implementierung Sache der Mitgliedstaaten sein sollte. Jedoch sollte die Kommission so bald wie möglich die Einführung koordinieren und stimulieren.“ Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 28 Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa I.2.5 Schlußfolgerungen und Ausblick Die ständigen Fortschritte in der Radioonkologie basieren im wesentlichen auf technischphysikalischem Gebiet im Sinne einer verbesserten Dosisverteilung innerhalb der zu bestrahlenden Region, auf radiobiologischen Erkenntnissen (Erhöhung des Differentialeffektes zwischen Tumor- und Normalgewebe), sowie auf den neueren Möglichkeiten der „predictive assays“ (vorhersehbares Verhalten von Tumoren und Normalgeweben bei der Bestrahlung individueller Patienten). Die Unbeherrschbarkeit des lokoregionalen Krebsgeschehens ist derzeit noch bei jedem sechsten Krebspatienten (bei 18% aller Patienten) die primäre Todesursache; eine Verbesserung dieser unbefriedigenden Situation wäre von enormer Bedeutung. Wenn eine 100-prozentige lokale Tumorkontrollrate gelingen könnte, würden die Krebsheilungsraten sofort von 45% auf 60% ansteigen. In den letzten Jahren hat sich zunehmend gezeigt, daß durch die Hadronentherapie bei selektierten Patienten ein beträchtliches Potential besteht, eine weitere Verbesserung der Tumorkontroll- und Heilungsraten zu erzielen. Von besonderer Bedeutung ist hierbei der Einsatz geladener Partikel wie Protonen und Leichtionen. Bezüglich der Behandlungskosten ist von Interesse, daß die Bestrahlung mit Leichtionen unter den durchschnittlichen Kosten einer Krebsbehandlung durchgeführt werden kann [5]. In diesem Zusammenhang wurde vor einigen Jahren in den USA festgestellt, daß für einen geheilten Krebspatienten die Gesamtbehandlungskosten US Dollar 15.000,- betragen, für nicht heilbare Patienten jedoch durch die wiederholten Spitalsaufenthalte und Behandlungen den 5fachen Betrag kosten, nämlich US$ 75.000,- [2]. Gesamtkosten einer Krebsbehandlung: geheilter Patient USD 15.000,- nicht geheilter Patient USD 75.000,- 29 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa Literatur [1] American Cancer Society; Cancer Facts & Figures 1995. [2] Brady LW, Sheline GE, Suntharalingam N, Sutherland RM. The interdisciplinary program for radiation oncology research - Introduction and overview. Cancer Treatment Symposia 1984; 1; 1 - 11. [3] Brady LW, Markoe AM, Fisher SA, Micaily B. Cancer cure with organ preservation using radiation therapy. Acta Oncologica 1988; 27; 195 - 202. [4] De Vita VT. Progress in cancer management. Cancer 1983; 51; 2401 - 2409. [5] EULIMA. Final Report Part 1. Cancer treatment with light ions in Europe. General Feasibility Study 1993. [6] Heilmann H-P. Radiation oncology: Historical development in Germany. Int J Rad Onc Biol Phys 1996; 35; 207 - 217. [7] Kogelnik HD. 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Obwohl alle zellulären Bestandteile geschädigt werden, ist was das Überleben der Zelle betrifft - die Schädigung an der DNS und dabei wiederum ein Doppelstrangbruch die wichtigste Wirkung: Die Mitose ist nicht mehr unbegrenzt möglich. Eine Krebszelle ohne Zellteilung ist damit keine Krebszelle mehr. Dabei werden diese Schäden unmittelbar oder mittelbar durch eine Ionisation des Wassers, einem der Hauptbestandteile der Zellen, verursacht. Dementsprechend kann man zwischen direkt ionisierender Wirkung, als unmittelbaren Eingriff in das Zellwachstum und indirekt ionisierender Wirkung, als Einwirkung von sehr aggressiven Wasserradikalen auf die umgebenden Zellstrukturen sprechen. Etwa zwei Drittel der Schädigungen beruhen allerdings auf der indirekten Wirkung freier Radikale, die im Rahmen der Ionisation des Wassers entstehen. Diese Radikale haben eine Lebenszeit von wenigen Mikrosekunden und können sich daher nur über sehr kurze Wegstrecken in einem Radius von etwa 10 nm ausbreiten. Verschiedene Faktoren beeinflussen das Ausmaß der Schädigung am lebenden Gewebe (siehe auch Kapitel I.4.3). 33 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.3: Die Rolle der Strahlentherapie I.3.1.1 Sauerstoffeffekt Die Wirkung ionisierender Strahlen auf lebende Materie kann durch die Anwesenheit von molekularem Sauerstoff verstärkt werden. Dies wird dadurch bewirkt, daß die instabilen Radikale durch Sauerstoff viel aggressiver mit umgebenden Strukturen reagieren. Durch seine Verbindung mit einem Elektron in der äußeren Hülle der freien Radikale entsteht ein Peroxid, das wesentlich stabiler aber auch gewebsschädigender ist als das freie Radikal selbst [5]. Fehlt Sauerstoff, kann zum Erzielen einer gleichen biologischen Wirkung eine bis zu 3-fache Dosis benötigt werden. Somit ist die Sauerstoffversorgung eines Tumors und damit seine Durchblutung ein wichtiger Faktor für seine Strahlenempfindlichkeit. Wegen der guten Versorgung mit Sauerstoff ist auch der Mitose-Index (Anteil von Zellen, die sich in der Mitose befinden) in der Nähe von Gefäßen am höchsten. Allerdings wandern diese Zellen innerhalb von etwa 48 Stunden von den Gefäßen über einen schmalen Bereich mit Hypoxie in Richtung Nekrosezone [21]. Diese Wanderung kann mit jener von Zellen in Darmkrypten verglichen werden. Experimentell konnte nachgewiesen werden, daß diese 48 Stunden nur für einen Teil der Zellen eines bestimmten Tumors gelten, somit eine große Streubreite der Zellzykluszeit innerhalb eines Tumors besteht [18]. Sie umfaßt bedeutende stochastische, also nicht gesetzmäßig immer in gleicher Weise auftretende Elemente und zeigt nur eine geringe Regelmäßigkeit. Die lebenden Tumorzellen stellen somit eine sehr dynamische Zellpopulation dar, womit auch die kinetische Heterogenität von Tumoren erklärt werden kann [15]. I.3.1.2 Linearer Energietransfer Der Lineare Energietransfer (LET) beschreibt die Dichte von Ionisationsvorgängen im Verlauf einer Bahn. Sie wird ausgedrückt in der durchschnittlichen Energie (in keV), die ein geladenes Teilchen abgibt, wenn es eine Strecke von 1 mm durchdringt. Ein LET-Anstieg bedeutet einen größeren Anteil abgetöteter Zellen pro Gy (Gray, physikalische Einheit der in Materie absorbierten Energie), die Überlebenskurve für Zellen wird steiler und verliert die ausgeprägte Schulter. Dies wiederum ist Ausdruck einer Zunahme letaler Schäden gegenüber potentiell letalen. Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 34 Band I.3: Die Rolle der Strahlentherapie Neutronen verursachen, obwohl ungeladen, Zellschädigungen ebenso durch freie Radikale wie die Photonenstrahlung. Der Unterschied besteht darin, daß Neutronen und ebenso andere schwere Teilchen aus dem Molekülkern andere Teilchen herausschlagen und dadurch eine deutlich dichter ionisierende Strahlenspur verursachen. Deshalb treten dabei mehr irreparable Doppelstrangbrüche der DNS auf, als dies bei der Photonenstrahlung der Fall ist. Wenn eine Strahlung mit hohem LET verwendet wird, ist die unterschiedliche Strahlensensibilität bei oxygenierten bzw. bei hypoxischen Zellen weitgehend aufgehoben [1]. Strahlen mit hohem LET, also Neutronen, a-Strahlen und andere schwere Teilchen sind so dicht ionisierend, daß sie, wenn sie durch ein DNS-Molekül strahlen, auch ohne Anwesenheit von Sauerstoff einen direkten Effekt mit zahlreichen Ionisationsvorgängen pro Wegstrecke aufweisen. Auch bei niedriger O2-Sättigung sind high LET Strahlen hoch effektiv I.3.2 Klinischer Einsatz der ionisierenden Strahlen Die Strahlentherapie ist - außer bei Anwendung einer Ganzkörperbestrahlung - eine reine lokoregionäre Maßnahme und unterscheidet sich demnach deutlich von den anderen Behandlungsarten maligner Tumoren. Nicht nur im Rahmen des organerhaltenden Therapiekonzeptes ist in vielen Fällen eine begrenzte operative Entfernung von Tumoren und nicht eine exzessive operative Radikalität weit im gesunden Gewebe im Hinblick auf die damit verbundene Reduktion der Morbidität sinnvoll. Bei der Chemotherapie ist wiederum die Wirkung weitgehend an den Zellzyklus gebunden, so daß Tumoren mit prozentuell nur wenigen Zellen in Teilung und solche mit ungenügender Gefäßversorgung, wie es ja im Tumorbettbereich nach Operationen meist der Fall ist, von den Zytostatika nicht adäquat erfaßt werden. 35 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.3: Die Rolle der Strahlentherapie I.3.2.1 Wirkung ionisierender Strahlen auf Tumoren In Tumoren können unterschiedlich große Anteile sehr schnell proliferierender Zellen vorkommen, die dann auch frühzeitig eine Wirkung auf ionisierende Strahlen zeigen. Andere Tumoranteile reagieren wiederum sehr langsam. Das Ansprechen eines Tumors auf die Bestrahlung hängt jedoch von mehreren Faktoren ab. Neben der Proliferationskinetik maligner klonogener Zellen sind dies, wie auch beim Gewebe aus dem sie hervorgegangen sind, die vorbestimmte Lebenszeit differenzierter Zellen innerhalb des Tumors und die Eliminationsgeschwindigkeit abgestorbener Zellen. Obwohl man annehmen kann, daß bei bestimmten Tumorentitäten die lokale Kontrollrate für schnell regrediente Tumoren etwas besser ist als für jene, die sich langsam zurückbilden, sollte man deshalb bei der Bestrahlung nicht die Gesamtdosis reduzieren [20]. Manche Tumoren, die sich sehr schnell zurückbilden, können auch frühzeitig ein Rezidiv entwickeln. Deshalb muß man zwischen der Geschwindigkeit einer Tumorregression und der Wahrscheinlichkeit einer lokalen Tumorkontrolle unterscheiden. In einigen Studien konnte eine Korrelation zwischen der Rückbildungsrate und der lokalen Kontrollrate gefunden werden, es trifft dies aber nicht auf alle klinischen Situationen zu [Lit. bei 14]. Tumoren mit einem geringen Anteil von Zellen in der SPhase scheinen gegenüber einer konventionell fraktionierten Radiotherapie deutlich resistenter zu sein. Dies wird damit begründet, daß proportional zu diesem niedrigen Zellzyklusanteil auch die Redistribution dieser Zellen langsamer abläuft [22]. Als Folge davon wurde bei Glottiskarzinomen des Stadium T3 N0 eine Erhöhung der Rezidivrate festgestellt. Letztlich ist das Hauptproblem jedoch nicht die kleine Gruppe der an und für sich schon sehr rasch wachsenden Tumoren, sondern das stark beschleunigte Wachstum von Tumoren nach Beginn der onkologischen Behandlung. Viele Tumoren proliferieren genau so schnell wie früh reagierendes, normales Gewebe; deshalb ist bei einer Verlängerung der Gesamtbehandlungszeit eine deutliche Anhebung der Gesamtdosis notwendig. Eine Prolongation der Gesamtbehandlungszeit bedeutet aber - bei gleicher Gesamtdosis - für die Tumorkontrolle einen Nachteil. Zwischen der 3. und der 7. Woche ist bei konventionell fraktionierter Bestrahlung von HNO-Tumoren bei Bestrahlungsunterbrechungen mit einem Verlust von täglich 0,5 - 0,7 Gy zu rechnen [23]. Dies konnte in zahlreichen Studien nachgewiesen werden. So zeigte sich anhand Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 36 Band I.3: Die Rolle der Strahlentherapie einer Metaanalyse von insgesamt 12 Studien über Tumoren aus dem HNO-Bereich [6] bei der Verlängerung der Gesamtbehandlungszeit durch eine 1-wöchige Unterbrechung der Radiotherapie eine Verringerung der Tumorkontrollwahrscheinlichkeit um durchschnittlich 14% (3 - 25%). Bei einer Verlängerung der Gesamtbehandlungszeit muß deshalb die Gesamtdosis erhöht werden weil bei Verwendung niedrigerer Einzelfraktionen jede einzelne weniger wirksam ist als eine höhere Einzelfraktion und weil eine Kompensation der Proliferation von Tumorgewebe und früh reagierendem Gewebe notwendig ist. Die Verlängerung der Gesamtbehandlungszeit (z.B. split course) - ohne Erhöhung der Gesamtdosis - hat aber nur einen geringen Einfluß auf eine Reduktion von Spätschäden an normalen Geweben, weil die entsprechenden Zellpopulationen während der Wochen der Bestrahlung nicht signifikant proliferieren (siehe auch [25]). I.3.2.2 Kombinierter Einsatz mit Operation Die rationale Begründung für die Kombination einer Operation mit einer Radiotherapie liegt in dem unterschiedlichen Wirkungsbereich beider Behandlungsarten. Die Strahlentherapie versagt häufig im zentralen Tumorbereich mit einem großen Anteil klonogener, meist außerdem noch hypoxischer Zellen. Sie versagt selten in der Tumorperipherie mit einer guten Durchblutung und der relativ geringen Zahl von Tumorzellen. Die Radikalität einer Tumoroperation dagegen wird durch die notwendige Schonung des normalen Gewebes in unmittelbarer Umgebung zum Tumor begrenzt. Wenn operativ eine radikale Tumorentfernung nicht erreicht werden kann, ist dies bedingt durch mikroskopische Tumorzellresiduen in der Peripherie. Ein Vorteil der präoperativen Radiotherapie besteht in der Abtötung von peripher, im Bereich des späteren Resektionsrandes gelegenen, gut oxygenierten Tumorzellen [3, 8] sowie im Abtöten möglicherweise intraoperativ verschleppter Tumorzellen. Ein weiterer Vorteil besteht darin, daß unter Umständen primär nicht operable Tumoren durch eine Vorbestrahlung resezierbar werden [11, 13]. Diese Tumorverkleinerung scheint aber nur in seltenen Fällen postoperativ mit einer lokalen Kontrolle verbunden zu sein. Der bekannte Nachteil einer präoperativen Radiotherapie ist die für eine Indikationsstellung fehlende pathohistologische 37 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.3: Die Rolle der Strahlentherapie Stadieneinteilung, so daß unter Umständen auch niedrige Stadien, die eigentlich nur operativ behandelt werden sollten, vorbestrahlt werden. Die von chirurgischer Seite häufig als Nachteil angeführte Verzögerung eines operativen Eingriffs wird dagegen nicht unbedingt als Nachteil empfunden [9], denn es sollte, solange überhaupt eine Tumorbehandlung stattfindet, die Art der Behandlung keinen Unterschied ausmachen. Bei der präoperativen Dosierung gibt es Differenzierungen zwischen Serien mit geringen Dosen bis zu 20 Gy und solchen mit höheren Dosen von 40 - 50 Gy, die entweder über 4 - 5 Wochen oder akzeleriert mit höheren Einzeldosen und angepaßten Gesamtdosen appliziert werden. Die Vorbestrahlung mit einer niedrigen Dosis sollte die intraoperative Implantation von Tumorzellen verhindern, aber eine baldige Operation ermöglichen. Bei Dosen von 40 - 50 Gy ist dagegen bis zur Operation ein Intervall von 3 - 4 Wochen einzuhalten, da dann die akute Strahlenreaktion abgeklungen ist. Nach niedrig dosierter präoperativer Radiotherapie ist auch eine postoperative Aufsättigung möglich (Sandwich-Methode). Die postoperative Radiotherapie hat ebenfalls Vor- und Nachteile. Eine genaue pathohistologische Abklärung ermöglicht eine stadiengerechte Therapie, unnötige Bestrahlungen können somit vermieden werden. Nach einer postoperativen Erholungsphase kann die Radiotherapie ohne wesentliche Behinderung der Wundheilung begonnen werden. Als Nachteile werden die fehlende Beeinflussung der intraoperativen Tumorzellaussaat sowie die z.B. nach abdominalen Operationen Komplikationsrate [7] durch gesehen. Adhäsionen Außerdem von werden Dünndarmabschnitten durch die operativ verstärkte notwendige Gefäßunterbindung verbliebene, präoperativ euoxische Tumorzellen hypoxisch und damit gegenüber einer Radiotherapie weniger strahlenempfindlich [4, 28]. Es muß auch angenommen werden, daß in der postoperativen Indikationsstellung verbliebene Tumorzellen ihre Wachstumsrate deutlich beschleunigen. Diese Meinung wird erhärtet durch Daten, die für HNOTumoren eine reduzierte lokale Kontrollrate nachwiesen, wenn das Intervall bis zum Beginn der Radiotherapie eine Dauer von 6 Wochen übersteigt [24]. Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 38 Band I.3: Die Rolle der Strahlentherapie I.3.2.3 Prinzipien der Kombination von Radio- und Chemotherapie Bei der Kombination dieser Therapiemaßnahmen gibt es Möglichkeiten mit und ohne Interaktion [19]. Bei einem rein örtlichen Zusammenwirken werden Radio- und Chemotherapie für verschiedene anatomische Bereiche des Tumorleidens eingesetzt. Sie wirken jeweils getrennt, es besteht also keine Interaktion. Als Beispiel kann die Behandlung der Leukämie angeführt werden; die Chemotherapie wirkt auf die Systemisierung, die Radiotherapie auf anatomische Gebiete, die chemotherapeutisch nicht ausreichend behandelt werden (z.B. Hirnhäute). Ein auf eine Tumorentität ausgerichtetes Zusammenwirken kann auch ohne Interaktion zu einer verstärkten Tumorrückbildung führen. Jede Behandlungsform ist für sich wirksam, kann aber wegen starker Nebenwirkungen nur begrenzt eingesetzt werden. Durch die Kombination verteilen sich die Nebenwirkungen auf unterschiedliche Organe, die Wirkung auf das Tumorgewebe wird dagegen verstärkt. Mit einer Interaktion von Radio- und Chemotherapie ist ein potenzierendes (supra-additives) Zusammenwirken möglich. Diese Wirkung geht über einen rein additiven Effekt hinaus. Sie ist allerdings nur schwer nachzuweisen, da ja primär die Dosiseffektkurven - außer bei Strahlungen mit hohem LET - nicht linear verlaufen. Einzelne Zytostatika können durch ihre Wirkung auf bestimmte Zellzyklusphasen sowie durch die Blockierung einer weiteren Progression der Zellen im Zellzyklus zur potentiellen Synchronisation eingesetzt werden. Diese an und für sich elegante Methode der Strahlentherapie durch zeitliche Gleichschaltung empfindlicher Zyklusphasen hat sich im klinischen Betrieb durch die große kinetische Heterogenität der Tumoren nicht verwirklichen lassen [12]. Positive Ergebnisse wurden vorwiegend in Zellkulturen und rasch wachsenden Experimentaltumoren gefunden. Aus den Überlegungen für eine Synchronisation des Zellzyklus ergibt sich aber auch eine weitere Folgerung. Sie besteht darin, daß durch die Bestrahlung nicht proliferierende Zellen stimuliert werden, sich wieder in den Zellzyklus einzuordnen. Dies wurde vor allem bei der Kombination mit einer Chemotherapie untersucht. In experimentellen Tumoren konnte nach der Initialzündung durch eine entsprechende Tumorhandlung eine gesteigerte Wachstumsfraktion nachgewiesen werden [17]. Der therapeutische Gewinn ist allerdings eher zu vernachlässigen. 39 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.3: Die Rolle der Strahlentherapie Eine weitere Möglichkeit der Interaktion ist die Eigenschaft vieler Chemotherapeutika, die Reparatur des Strahlenschadens zu verhindern [10]. Es gibt jedoch fast keine Anhaltspunkte, daß dieser Effekt nur Tumoren und nicht auch normale Gewebe betrifft. Im Hinblick auf die Kinetik des Tumoransprechens ist die neoadjuvante Chemotherapie mit 2 - 3 Zyklen vor einer Radiotherapie insbesondere bei HNO-Tumoren in Frage zu stellen. So ist durch die Chemotherapie gegen Ende der Bestrahlungsserie eine beschleunigte Repopulation klonogener Tumorzellen zu erwarten. Es ist nun durchaus möglich, daß dadurch die chemotherapeutisch erzielte Zytoreduktion mehr als kompensiert wird. Dies kann sich in der Folge durchaus negativ auf die lokale Kontrollrate auswirken [26]. Dagegen waren in einer Studie mit wöchentlicher Radio- und Chemotherapie in konkomitanter Form, jeweils alternierend mit einer Woche Pause, die Ergebnisse, was die lokale Kontrolle betrifft, trotz verdoppelter Gesamtbestrahlungszeit nicht schlechter als nach konventioneller Radiotherapie [27]. Es gibt es auch Beweise anhand experimenteller Tumoren, daß die Chemotherapie, einige Tage nach der Radiotherapie verabfolgt, deutlich stärkere biologische Effekte bewirkt [16]. Damit ist leider auch eine verstärkte Schädigung des normalen Gewebes verbunden, das nach Beendigung der Radiotherapie verstärkt proliferiert. Die Verringerung der Tumormasse durch die Chemotherapie sollte außerdem zu einer Reoxygenierung durch die Verringerung des Anteils hypoxischer Zellen und damit zu einer Steigerung der Strahlenempfindlichkeit von Tumoren bei der nachfolgenden Radiotherapie führen. Es gibt jedoch nur wenig Anhaltspunkte für diese Wirkungsweise. Es könnte die Reoxygenierung auch durch die ersten Fraktionen der Bestrahlung verursacht werden [2]. Bei bestimmten Tumoren bietet die Kombination von Operation, Chemotherapie und Radiotherapie die besten Ergebnisse bezüglich der Lokalrezidivrate als auch der Überlebensraten Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 40 Band I.3: Die Rolle der Strahlentherapie I.3.2.4 Schlußbemerkungen Für den klinischen Einsatz ionisierender Strahlen wird es immer wichtiger, strahlenbiologische Erkenntnisse in die Überlegungen zur Verbesserung der lokalen Tumorkontrolle und der weitgehenden Schonung des Normalgewebes mit einzubeziehen. Da aber vielfach tierexperimentelle Untersuchungen die Grundlage für strahlenbiologische Analysen lieferten, muß diese Einbeziehung kritisch erfolgen. Fest steht, daß geänderte Fraktionierungsschemata sowie der zeitlich abgestimmte Einsatz der Chemotherapie die zytotoxische Wirkung der Strahlentherapie verbessern können. Die Ausgewogenheit zwischen Radikalität der Operation und der bei einer adjuvanten Radiotherapie notwendigen Höhe der Strahlendosis ist ein weiterer Punkt, der für die Organerhaltung, die Tumorkontrolle und das umgebende Normalgewebe von ausschlaggebender Bedeutung ist. Es ist zu erwarten und konnte zum Teil schon bestätigt werden, daß durch strahlenbiologisch begründete Änderungen der Behandlungsschemata genauso wie durch physikalisch-technische Fortschritte und den Möglichkeiten einer weitgehend tumorkonformen Bestrahlung Verbesserungen der Behandlungsergebnisse maligner Tumoren erzielt werden können. Literatur [1] Barendsen GW. Responses of cultured cells, tumours and normal tissues to radiation of different linear energy transfer. Current Topics Rad Res 1968; Quart 4; 293 - 356. 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Georg I.4.1 Die Rolle der Beschleuniger in der Teletherapie Dieser Abschnitt folgt im wesentlichen der Darstellung in dem Buch Lucha W, Regler M. Elementarteilchenphysik. Theorie und Experiment. Schulbuch- und Lehrmittelverlag Paul Sappl, 1997. (Mit freundlicher Genehmigung des Verlages.) I.4.1.1 Historischer Abriß Die Geschichte der Bestrahlung von Tumoren mit ionisierenden Teilchen (für die Teilchenphysiker gehört auch das Photon zu den elementaren Teilchen) war von Anfang an eng mit der Entwicklungsgeschichte der Beschleuniger in der physikalischen Grundlagenforschung verbunden. Dabei muß zwischen zwei Klassen von Teilchen unterschieden werden, den Teilchen, die beschleunigt werden können (stabile geladene Teilchen wie Elektronen, Protonen, diverse Ionen), sowie jenen Teilchen, die mithilfe der Wechselwirkung geladener Teilchen in einem Target erzeugt werden (das sind die ungeladenen Photonen und Neutronen, sowie geladene Pionen, wobei letztere nur mehr historische Bedeutung haben). So wird auch die 1897 entdeckte Röntgenstrahlung mit Hilfe eines statischen Elektronenbeschleunigers über ein (Zwischen-)Target erzeugt. Mittels einer Glühkathode werden in der klassischen Röntgenröhre Elektronen freigesetzt, um dann nach Beschleunigung durch eine angelegte Hochspannung im kV-Bereich auf eine Anode (das Target) aufzuprallen. Dabei werden als Anode Metalle mit hoher Kernladung verwendet. Der im starken Feld des Kernes entstehenden Bremsstrahlung ist im kV-Bereich die charakteristische Strahlung der Anode überlagert. Durch die Erfindung des Betatrons (erste Überlegungen durch SLEPIAN 1922/23, Stabilitätsbedingung durch WIDERÖE 1928) standen plötzlich Elektronenenergien im MegavoltBereich zur Verfügung, die sowohl zur direkten Bestrahlung mit Elektronen als auch für Bestrahlung mit harter Röntgenstrahlung (abermals unter Benützung eines Targets) benützt 45 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.4: Physikalische Grundlagen wurden. Die letzte Bestrahlung mit Hilfe eines Betatrons fand im „alten“ Allgemeinen Krankenhaus in Wien im Jahre 1996 statt. Die Maschine, die bereits 1969 ihren Betrieb aufnahm, stellte eine Photonenenergie von maximal 42 MeV, sowie diverse (prinzipiell kontinuierlich regelbare, aus dosimetrischen Gründen jedoch auf einige fixe Werte beschränkte) Elektronenenergien im Bereich von 5-40 MeV zur Verfügung. Die höchste Energie mit einem Betatron wurde 1950 von KERST (University of Ilinuis/USA) mit 300 MeV erreicht. Parallel arbeitete LAWRENCE am Konzept des Zyklotrons (1920), das 1931 erstmals von LIVINGSTONE (Berkeley, CA/USA), einem Studenten von Lawrence, realisiert wurde. Das Zyklotron ist heute ein Standardinstrument in der Hadronentherapie. VEKSLER (Ex-UdSSR) sowie McMILLAN (USA) lösten 1944/45 das Prinzip der Phasenstabilität, womit der Weg für das Synchrotron gebahnt war. Nach Einsatz des Prinzips der starken Fokussierung durch COURANT, LIVINGSTONE und SNYDER (Brookhaven, NY/USA) 1952 trat das Synchrotron seinen endgültigen Siegeszug in der Kern- und Teilchenphysik an. Neuerdings findet es auch in der fortschrittlichen Hadronentherapie Verwendung (Vorversuche in Berkeley, Routinebetrieb in Loma Linda (CA/USA), ferner HIMAC (Japan), sowie erste Patientenbehandlungen bei GSI (Darmstadt/D)). Der Hauptvorteil des Synchrotrons liegt in der Möglichkeit einer fein abgestuften (aktiven) Variation der Energie, wodurch die vielen Nachteile passiver Elemente für Strahlaufweitung und Energieanpassung vermieden werden. Interessant ist, daß der berühmte Beschleuniger- und Teilchenphysiker WILSON neben seinen persönlichen Freundschaften zu Ärzten auch durch die wesentlich reichlicheren Forschungsmittel der Medizin motiviert wurde, an einen medizinischen Einsatz des Zyklotrons zu denken, wobei ihm sein Lehrer Lawrence zur Seite stand. Vorerst war der Schwerpunkt dieser Zusammenarbeit die Herstellung künstlicher radioaktiver Substanzen. Schließlich wurde Wilson - inspiriert durch die Anforderungen des Strahlenschutzes - klar, daß die Protonenstrahlen zwei für die Radiotherapie interessante Eigenschaften besaßen: erstens haben sie im Gewebe eine definierte Reichweite und zweitens geben sie den Großteil ihrer Energie am Ende ihrer Wegstrecke ab, wobei letztere über die Einschußenergie gesteuert werden kann. Außerdem werden die Protonen im Gewebe relativ gering gestreut. Die Ärzte waren skeptisch, und so waren es vorerst eher „ausrangierte“ Beschleuniger, die in der Medizin Einzug fanden. Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 46 Band I.4: Physikalische Grundlagen In der Grundversorgung der modernen Strahlentherapie werden heute vorwiegend ElektronLinearbeschleuniger eingesetzt. In einem Hohlraumwellenleiter werden Elektronen mittels einer elektromagnetischen Welle auf bis zu 25 MeV beschleunigt. Die ersten Entwicklungen für diesen Beschleunigertypus fanden nach dem 2. Weltkrieg im Stanford Linear Accelerator Center (SLAC, CA/USA) und am Massachusettes Institut of Technology (MIT; Boston/USA) statt. I.4.1.2 Das Betatron Wegen seiner Bedeutung für Medizin und Technik sei das Betatron noch einmal ausführlich beschrieben. Beim Betatron handelt es sich, von einem rein prinzipiellen Standpunkt aus betrachtet, im wesentlichen um nichts anderes als einen „Freiflug“-Transformator. Die elektrische Umlaufspannung U in einer Leiterschleife eines Transformators ist nach dem Induktionsgesetz gleich der (negativen) zeitlichen Änderung des magnetischen Flusses f, welcher die von dieser Leiterschleife begrenzte Fläche F durchsetzt: U =- dj . dt Für ein räumlich konstantes Magnetfeld ist der magnetische Induktionsfluß f das Produkt aus Flußdichte B und umgrenzter Fläche F: j = BF . Die Umlaufspannung U hängt für eine kreisförmige Leiterschleife mit dem Radius r, wie sie ja - zwar immateriell, aber doch - auch beim Betatron vorliegt, mit der beschleunigten r elektrischen Feldstärke E º E gemäß U = 2prE zusammen. Genau diese Umlaufspannung durchläuft auch ein im Betatron beschleunigtes Teilchen der Ladung q bei jedem Umlauf. Es erfährt daher bei jedem Umlauf einen Energiezuwachs DE der Größe DE =qU. 47 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.4: Physikalische Grundlagen Während jedoch beim Transformator der Strom durch die Wicklungen der Spule kontrolliert wird, muß beim Betatron durch eine speziell geformte Form der Polschuhe das Magnetfeld so beschaffen sein, daß die Teilchenbahnen um die Sollbahn stabil bleiben (Abbildung 4.1-1). Gleichzeitig dient der Magnet auch als Biegemagnet. Mit dem maximal möglichen Magnetfeld ist zugleich auch die maximal erzielbare Teilchenenergie erreicht. Joch Polschuh Spule Sollbahn VakuumInduktionsfeld röhre Abbildung 4.1-1: Betatron (schematisch nach [1]). In der Mitte zwischen den Polschuhen liegt das gepulste Induktionsfeld, außen das Joch zur Rückleitung des magnetischen Flusses. Die Elektronen oszillieren während der Beschleunigung um die Sollbahn, die innerhalb des evakuierten Strahlrohrs liegt. Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 48 Band I.4: Physikalische Grundlagen I.4.1.3 Der Elektron-Linearbeschleuniger Während man in Linearbeschleunigern für Protonen Resonatoren mit einer stehenden Welle benützt, werden Elektronen, die wegen ihrer deutlich geringeren Masse ziemlich bald Geschwindigkeiten in der Nähe der Lichtgeschwindigkeit erreichen, durch eine in einem Hohlleiter laufende elektromagnetische Welle - ähnlich wie beim Surfen auf einer Brandungswelle - beschleunigt. Die Wellengeschwindigkeit wird der Bewegung der Elektronen durch Blenden angepaßt, die Driftröhren entfallen. Abbildung 4.1-2: Linearbeschleuniger (siehe auch [2, 3]). Der Linearbeschleuniger selbst befindet sich im Pendelteil des Gerätes. 49 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.4: Physikalische Grundlagen I.4.1.4 Das Zyklotron Der Weg zu den großen Beschleunigern für schwere Teilchen begann mit der Erfindung des Zyklotrons. (Die Linearbeschleuniger für Protonen und Ionen waren vorerst recht bescheiden). Dabei ist das Prinzip im höchsten Grade einfach: Wird an ein Paar von (wegen ihrer offensichtlichen Erscheinungsform als solche bezeichneten) „D-Elektroden“ - die zusammen eine „geschlitzte Dose“ bilden - ein elektrisches Wechselfeld zur Beschleunigung von (schweren) Teilchen angelegt, und werden diese Teilchen durch ein konstantes Magnetfeld auf einer Kreisbahn gehalten, so gibt es (allerdings nur in nichtrelativistischer Näherung!) genau eine bestimmte Umlauffrequenz der Teilchen, welche (über die Stärke des Magnetfeldes) auf die Frequenz des Wechselfeldes abgestimmt werden kann (Abbildung 4.1-3): wµ qB . m Im nichtrelativistischen Grenzfall ist nämlich die Umlaufzeit von der Geschwindigkeit unabhängig, da der Radius der Teilchenbahn durch die Beziehung r µ mv gegeben ist. qB Werden nun Teilchen aus einer Quelle extrahiert und auf einer stabilen Kreisbahn auf die Reise geschickt, so können diese Teilchen solange mit fester Frequenz beschleunigt werden, bis der maximale Radius erreicht ist. Dort verlassen die Teilchen das Zyklotron in Richtung Target. Bei höheren Energien ist selbstverständlich die relativistisch korrekte Form für die Umlauffrequenz w des beschleunigten Teilchens zu verwenden. Dies bedeutet aber, in oben angeführter Gleichung ist die Masse m des Teilchens durch den von der Teilchengeschwindigkeit v und damit von Teilchenenergie abhängigen Ausdruck gm º m 1- v2 c2 zu ersetzen, so daß die Frequenz des beschleunigenden elektrischen Wechselfelds entsprechend nachgeführt („synchronisiert“) werden muß. Man spricht in diesem Fall von einem Synchrozyklotron. Die Frequenz der Beschleunigungsspannung muß also während der Beschleunigung entsprechend abnehmen, um der Reduzierung der Umlauffrequenz Rechnung Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 50 Band I.4: Physikalische Grundlagen tragen zu können. Die Umlauffrequenz zu korrigieren, indem man das Magnetfeld mit steigendem Radius anwachsen läßt, scheitert an der defokussierenden Wirkung einer solchen Magnetfeldkonfiguration. Abbildung 4.1-3: Zyklotron [1]. Teilchen bewegen sich in einem homogenen Magnetfeld auf einer spiralförmigen Bahn und gewinnen bei jedem Durchlauf der Spannung im Spalt zwischen den beiden D-förmigen Elektroden Energie. I.4.1.5 Das Synchrotron Statt den Radius der Teilchenbahnen wie im Zyklotron mit zunehmender Energie anwachsen zu lassen, werden im Synchrotron die Teilchen segmentweise auf einer Kreisbahn mit festem Durchmesser gehalten, indem das Magnetfeld entsprechend dem Impulszuwachs erhöht wird. Dementsprechend muß die Frequenz der beschleunigenden Resonatoren mit der durch die anwachsende Energie steigenden Umlauffrequenz abgeglichen („synchronisiert“) werden. Anfangs stellte die Magnetfeldkonfiguration ein großes Problem dar. Nahm das Magnetfeld nach außen hin zu schwach ab, führte dies zu Instabilitäten; nahm es zu stark ab, gingen die Teilchen einfach nach außen hin verloren. So stand nur wenig Spielraum für die Fixierung stabiler Teilchenbahnen zur Verfügung, und die große laterale Amplitude stellte eine ernsthafte 51 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.4: Physikalische Grundlagen Begrenzung für die erzielbaren Intensitäten dar („schwache Fokussierung“). Ein Ausweg wurde im Prinzip der starken Fokussierung gefunden. Das Magnetfeld stammt nicht mehr nur von einem einzelnen Magneten, sondern von einer Folge von ringförmig angeordneten Biegemagneten (Dipolmagneten), die wegen ihrer relativ geringen Größe auch leichter „gepulst“ werden können. Der Energiezuwachs der Teilchen wird durch mit Vielfachen der Umlauffrequenz angeregten Resonatoren bewirkt; Quadrupole und/oder wechselnder Gradient der Biegemagnete dienen der Fokussierung (Abbildung 4.1-4). In modernen Maschinen werden die Funktionen der Ablenkung - durch Biegemagnete - und der starken Fokussierung - durch ein Quadrupolfeld - getrennt bewerkstelligt. Die Protonenanlagen arbeiten mit einem linearen Vorbeschleuniger. Erst durch das variable („gepulste“) Magnetfeld wird die Flexibilität, durch verschiedene Magnetzyklen unterschiedliche Teilchen zu verschiedenen Endenergien zu beschleunigen, ermöglicht. Abbildung 4.1-4: Starke Fokussierung [1]. I.4.1.6 Der Med-AUSTRON-Beschleuniger Das Herzstück des Med-AUSTRON-Beschleunigerkomplexes ist ein Synchrotron, basierend auf dem Prinzip der „starken Fokussierung“, wie oben beschrieben. Die Verwendung eines Synchrotrons ermöglicht die Beschleunigung verschiedener Teilchenarten, im Falle von Med- Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 52 Band I.4: Physikalische Grundlagen AUSTRON sind dies Protonen und Kohlenstoff-Ionen. Das Med-AUSTRON Synchrotron [3] hat einen Umfang von ca. 75m, die Hauptstruktur bilden 16 Dipol- und 32 Quadrupolmagnete. Vor der Injektion in das Synchrotron müssen sowohl die Protonen als auch die KohlenstoffIonen vorbeschleunigt werden. Im Med-AUSTRON Komplex sind hierfür zwei Linearbeschleuniger vorgesehen. Im Synchrotron erfolgt dann die Beschleunigung der injizierten Teilchen auf die jeweils zur Patientenbestrahlung erforderliche Energie. Anschließend werden die Teilchen unter Verwendung eines speziellen Verfahrens, der sogenannten „langsamen Resonanzextraktion“, extrahiert und in einen der Bestrahlungsräume gelenkt. Die langsame Extraktion ermöglicht die „online Messung“ der applizierten Dosis sowie die Verwendung der aktiven Bestrahlungstechnik, welche die beste Anpassung der Dosisverteilung an das Zielvolumen garantiert. Horizontaler Grundriß 2.5 m x 2.5 m Skalierung Med-AUSTRON Synchroton Umfang U = 74.04 Abbildung 4.1-5: Med-AUSTRON Synchrotron [1, 4]. 53 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.4: Physikalische Grundlagen Literatur [1] Lucha W, Regler M. Elementarteilchenphysik. Theorie und Experiment. Schulbuchund Lehrmittelverlag Paul Sappl, 1997. [2] Siemens Medical Systems/Oncology Care Systems Training Center. Digital Mevatron / Digital Service I. Course Handouts, Concord, CA, 1997. [3] Organisation Européene pour la recherche nucléaire CERN. CAS Accelerator school fifth general accelerator physics course. S. Turner (Editor). PROCEEDINGS. Vol. 2; 855. University of Jyväskylä, Finland, 7-18 September 1992. [4] Benedikt M. Optical Design of a Synchrotron with Optimisation of the Slow Extraction for Hadrontherapy. Dissertation, Technische Universität Wien, 1997. Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 54 Band I.4: Physikalische Grundlagen I.4.2 Physikalische Eigenschaften von Protonen und Leichtionen im Vergleich mit hochenergetischen Röntgenstrahlen I.4.2.1 Einleitung Leichtionen und Protonen, wie sie bei Med-AUSTRON verwendet werden sollen, auf der einen Seite, und Photonen, wie sie bei der Strahlentherapie heute üblich sind, auf der anderen Seite, unterscheiden sich in Bezug auf die klinische Strahlenphysik im wesentlichen im Hinblick auf den vertikalen und horizontalen Dosisverlauf in der Gewebetiefe. Dieses hat insbesonders Folgen für die notwendige Bestrahlungstechnik, wobei das Tumorvolumen optimal behandelt werden soll, bei gleichzeitiger Schonung des gesunden Gewebes. I.4.2.2 Wechselwirkungen Beim Eintritt von hochenergetischer Röntgenstrahlung in biologisches Gewebe treten eine Reihe von Wechselwirkungen auf (Streuung, Photoeffekt, Comptoneffekt, Paarbildung), die zum Teil zur Ionisation und damit zur Bildung von Ionen und Sekundärelektronen führen. Die Sekundärelektronen sind für die biologische Wirkung verantwortlich (Abbildung 4.2-1). Der Photonenfluß nimmt exponentiell ab, die Sekundärelektronen/ Masseeinheit und damit die Strahlendosis nimmt zunächst zu (Aufbaueffekt, 0,5 cm bis 3,5 cm, je nach Energie) und fällt dann nahezu exponentiell ab. Photonenfluß Y = Y0 e-mx (m - Schwächungskoeffizient, x - Gewebetiefe) Dosisverlauf D = D0 ò (x + D)2 dx e-mx (D - Tiefe des Dosismaximums) 55 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.4: Physikalische Grundlagen Strahlungsfeld energiereicher Photonen 10 Eintritt in biologische Kö rper, Wechselwirkung mit Atomen Gestreutes Photon -16 10 -13 Sekundä relektron Chemische Verä nderung Bremsstrahlungsphoton 10 -13 - 10 -2 -2 Biologische Wirkung 10 -10 8 ( s) Abbildung 4.2-1: Schema der Wechselwirkungen von Strahleintritt bis zur biologischen Wirkung für Photonen (frei nach Reich [1]). Teilchenstrahl Leichtionen/Protonen Eintritt in biologische Körper Wechselwirkungen mit Atomen gestreutes Teilchen Stoßprozesse mit Ionisation (primär und sekundär) Chemische Veränderungen Biologische Wirkungen Abbildung 4.2-2: Schema der Wechselwirkungen von Strahleintritt bis zur biologischen Wirkung für Protonen/Leichtionen. Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 56 Band I.4: Physikalische Grundlagen Wenn geladene Teilchen, wie Protonen oder Leichtionen, auf ein absorbierendes Medium treffen, verlieren sie infolge von Wechselwirkungsprozessen (Coulomb Wechselwirkung mit den Targetelektronen, quasi-elastische Streuung) Energie (Abbildung 4.2-2). Der Energieverlust pro Weglänge kann mit der Bethe-Bloch-Gleichung beschrieben werden (nach [2]): -dE/dx = 4p Zeff² e4 /mv² N Ztarget [ln 2mv²/I- ln (1-ß²) - ß²] mit Zeff N Ztarget I m,e v=ßc Effektive Kernladung Anzahl der Targetatome pro Volumen [cm³] Kernladungszahl des Targetmaterials mittleres Ionisierungspotential der Targetatome Masse, Ladung des Elektrons Projektilgeschwindigkeit Dabei nimmt der Energieverlust /Weglänge mit abnehmender Partikelgeschwindigkeit zu (üblicherweise angegeben in keV/mm). Dieses führt im Vergleich zu Photonen zu einer „inversen“ Dosisverteilung: Die Dosis nimmt mit der Tiefe nur gering zu, bis es zu einem scharfen Maximum kommt (Bragg-Peak), in dessen Bereich der Energieverlust der Teilchen maximal ist, bis sie schließlich ihre Reichweite erreicht haben. Graphisch ergibt sich eine Kurve, die mit einer Parallelen zur Abzisse beginnt (Plateau) und in einen steilen Peak übergeht (Abbildung 4.2-3). 57 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.4: Physikalische Grundlagen Abbildung 4.2-3: Tiefendosiskurven für unterschiedliche Strahlenarten [3]. Die Vorteile der Ionen sind offensichtlich. Hochenergetische Photonen (im MVBereich) führen zu einer relativ geringen (und daher hautschonenden) Dosis an der Oberfläche. Das Dosismaximum liegt einige Zentimeter unter der Haut, kann allerdings nicht in tiefere Bereiche verschoben werden. Darüber hinaus ist auch die Seitenstreuung relativ gering. Mit invertierter Planung für intensitätsmodulierte Vielfeldbestrahlung werden heute gut lokalisierte Dosisverteilungen erzielt. Für 60Co Gammastrahlung gehen diese Vorteile weitgehend verloren. Bei Neutronen ist die Hautschonung am geringsten. Neutronen haben auch außerhalb des Zielvolumens einen hohen RBW-Wert. Die bei geringer Intensität ansteigende RBW verringert die Vorteile der Vielfeldbestrahlung. Die Applizierung hochenergetischer Neutronen zwecks besserer Hautschonung führt zu einem teilweisen Verlust der höheren RBW. Auch die Dosiskontrolle ist relativ schwierig. Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 58 Band I.4: Physikalische Grundlagen Ein Maß für die Energieübertragung auf das Gewebe ist der lineare Energietransfer (LET), der den Verlust der Strahlungsenergie im Gewebe beschreibt und in Beziehung zur relativen biologischen Wirksamkeit steht. Kohlenstoffionen zeigen eine deutlich höhere Ionisationsdichte als Protonen (siehe Abbildung 4.2-4). Die entscheidenden Vorteile der Ionen gegenüber den Protonen liegen neben der höheren RBW im bragg peak auch in der besseren physikalischen Dosisverteilung. Von wenigen Indikationen abgesehen, ist noch ungeklärt, ob die Protonen Vorteile gegenüber einer intensitätsmodulierten 3D-Photonenbestrahlung haben. Abbildung 4.2-4: Schema zur unterschiedlichen biologischen Wirkung von Protonen und Kohlenstoffionen [4]. Die Kohlenstoffionen führen zu einer höheren Dichte von Sekundärteilchen, die Wahrscheinlichkeit von Brüchen der DNA steigt und damit die biologische Wirksamkeit. (Monte-CarloSimulation der Produktion von d-Elektronen und deren Wechselwirkung beim Durchgang durch Wasser). I.4.2.3 Bestrahlungstechnik Die charakteristischen Unterschiede im Tiefendosisverlauf von Röntgenstrahlung und Leichtionen/Protonen stellen die Basis für die unterschiedliche physikalische Selektivität dar. Unter physikalischer Selektivität wird die Möglichkeit verstanden, das gewünschte Zielvolumen 59 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.4: Physikalische Grundlagen ausreichend mit der notwendigen Strahlendosis zu versorgen und dabei das umliegende Gewebe zu schonen. Betrachtet man die Bestrahlung nur über ein Stehfeld, werden die Unterschiede deutlich: Bei Röntgenstrahlung gibt es zwar einen Hautschonungseffekt, aber die Dosis nimmt mit der Tiefe ab, es muß also immer mehr Dosis eingestrahlt werden, als im Zielvolumen benötigt wird. Bei Leichtionen/Protonen ist für ein einzelnes Teilchen die Wechselwirkung mit Gewebe im Zielvolumen maximal, allerdings muß die Reichweite der einzelnen Teilchen variiert werden, um eine ausreichende Volumendosis zu erreichen. Griffin [5] bewertet den Tiefendosisverlauf von Protonen und Kohlenstoffionen als sehr gut, während der von Neutronen und, man darf hinzufügen auch der von Photonen, als schlecht betrachtet wird. Tabelle 4.2-1: Zusammenstellung der physikalischen Eigenschaften üblicher Strahlenarten sowie für Protonen und Leichtionen (frei nach [5,6]). Photonen Elektronen Neutronen Protonen Leichtionen Ladung 0 -1 0 +1 +2 bis +8 Masse (MeV) 0 0,511 939,6 938,3 4 bis 16 x 103 Tiefendosisverlauf* expon. plateauartig expon. Bragg Peak Bragg Peak Tiefendosisvorteil keiner +, ger. Tiefe keiner +++ +++ + + ++ - - klein klein hoch klein Hoch Halbschatten LET (* näherungsweise Beschreibung, Aufbaueffekt und ähnliches nicht berücksichtigend) I.4.2.4 Dosisverteilung Ein Vergleich von Tiefendosisverläufen bietet allerdings nur einen Aspekt, um Unterschiede bei der Patientenbestrahlung bei der Leichtionen/Protonentherapie diskutieren zu können. Die weiteren Aspekte sind die Art der Bestrahlungsfelder und die Möglichkeiten eine homogene räumliche Dosisverteilung zu erreichen. Dabei müssen technische Möglichkeiten verglichen werden, die jeweils den zur Zeit geltenden Stand von Wissenschaft und Technik wiedergeben. Die Geschichte der Neutronentherapie zeigt, daß Vergleiche von Therapieergebnissen basierend auf Maschienen und Techniken unterschiedlichen Entwicklungsstandes eine Aussage über die Wirksamkeit bestimmter Strahlenarten nicht sicher möglich machen [7,8,9]. Der Standard ist die Photonentherapie mit einem Strahlenfeld, dessen Homogenität etwa ± 5% beträgt und einen Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 60 Band I.4: Physikalische Grundlagen Abfall der Dosis am Feldrand („Halbschatten“) von 80% auf 20% innerhalb von 1 cm aufweist. Die Feldform ist rechteckig und kann durch spezielle Blenden irregulär geformt werden. Bei einer 3D-Bestrahlungstechnik wird über mehrere Felder bestrahlt, bei neueren Techniken mit einer Modulation der Strahlintensität [10]. Über die Energie kann die Tiefendosis variiert werden. Auf diese Weise lassen sich Zielvolumina mit einer Homogenität von +8% und -5% der Referenzdosis bestrahlen, das gesunde Gewebe, sofern es in einem Strahlengang liegt, erhält etwa 70% der Referenzdosis. Bei Leichtionen/Protonen wird die räumliche Dosisverteilung grundsätzlich anders erreicht. Je nach Energie haben die Teilchen eine bestimmte Reichweite, die durch Absorber oder durch Energievariationen erreicht werden kann (passive und aktive Modulation). Voxel für Voxel des Zielvolumens kann durch Reichweiteveränderungen und Ortsveränderungen des Strahls erreicht werden. Dadurch verändert sich auch der Tiefendosisverlauf, es entsteht eine mehr oder weniger konstante Tiefendosis, bis die maximale Reichweite erreicht ist (Abbildung 4.2-5, Tabelle 4.2-1). Abbildung 4.2-5: Tiefendosiskurven, zusammengesetzt aus „Einzelkurven“ zur Bestrahlung eines Volumens mit geladenen Teilchen, sowie für Neutronen [6]. 61 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.4: Physikalische Grundlagen Ein weiterer Vorteil ist der geringe Halbschatten, der durch die geringe Seitenstreuung der Ionen bedingt ist. Dieses führt vor allen Dingen bei Feldkombinationen zu deutlich geringeren Dosen im Betrachtungsvolumen (Tabelle 4.2-2). Tabelle 4.2-2: Dosis im Bestrahlungsvolumen, relativ zum Referenzpunkt, für unterschiedliche Feldanordnungen bei der Photonen- Protonen/Leichtionentherapie Bestrahlungstechnik Dosis im Referenzpunkt Stehfeld 2 opp. Felder 3-Felder-Box 4-Felder-Box 100 % 100 % 100 % 100 % Dosis Dosis im Bestrahlungsvolumen (gesundes Gewebe) Photonen Protonen/ Leichtionen bis zu 170 % bis zu 46 % bis zu 115 % bis zu 23 % bis zu 77 % bis zu 15 % bis zu 58 % bis zu 12 % 15MeV Photonen 1,5 Protonen 1,0 0,5 0,0 0 10 20 30 Tiefe in cm Abbildung 4.2-6: Dosisprofile für eine 4-Felderanordnung (Box-Technik). Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 62 und Band I.4: Physikalische Grundlagen I.4.2.5 Definition der Zielvolumina Eine Basis für den Vergleich der Photonen- und Protonen/Leichtionentherapie z.B. im Rahmen von Therapiestudien ist die Dosisspezifikation, hier insbesonders die Definition des zu bestrahlenden Volumens. Die Richtlinie gibt der ICRU-Report 50 [11] mit der Beschreibung von drei Volumina: Das „Gross Tumor Volume“ (GTV) entspricht dem makroskopischen Tumorvolumen, dem sichtbaren oder tastbaren Tumor, das „Clinical Target Volume“ (CTV) schließt zusätzlich den vermuteten klinischen (mikroskopischen) Befall ein, das „Planning Target Volume“ (PTV) umschließt das CTV mit einem Sicherheitsrand, der durch räumliche Unsicherheiten (Organbewegungen, Halbschatten etc.) bestimmt wird. Die zu erwartenden Unterschiede zwischen der Photonen- und Protonen/Leichtionentherapie liegen in der Variation der Strahlgeometrie, bedingt durch das Voxel Scanning und die geringere Seitenstreuung bei Protonen/Leichtionen. Tabelle 4.2-3: Einfluß Patienten bedingter und technisch bedingter Parameter auf das Planungs-Zielvolumen (PTV) Parameter, die einen Einfluß auf das PTV haben Photonentherapie Bewegung der Organe, die im CTV enthalten sind Bewegung des Patienten Variation der Form der Organe die im CTV enthalten sind (z.B. Blasenfüllung) Variation der Strahlgeometrie Feldgröße Strahlrichtung Halbschatten + + Protonen / Leichtionentherapie + + + ---- I.4.2.6 Schlußbemerkungen Die „Nagelprobe“, inwieweit der physikalische Vorteil der Protonen/Leichtionen von Bedeutung ist, kann die physikalische Therapieplanung erbringen. Hier müssen für eine ausreichende Patientenzahl und Tumorlokalisationen die Isodosenverläufe für Photonen und Leichtionen/Protonen verglichen werden. 63 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.4: Physikalische Grundlagen Literatur [1] Reich H, (Hrsg.): Dosimetrie ionisierender Strahlung, Verlag B.G. Teubner, Stuttgart, (1990). [2] Scholz M, Zellzyklusverzögerungen synchroner Zellpopulationen nach Schwerionenstrahlung: GSI-Report 92-28 (1993). [3] Amaldi U., Tosi G. Overview of the Hadrontherapy Project and Summary of this Feasibility Study. In: Amaldi U., Silari M. (eds.), The TERA Project and the Centre for Oncological Hadrontherapy. Vol. I. 1995. [4] Krämer M, Kraft G. Heavy Ion Track Structure Calculations. In: Biophysical Modelling of Radiation Effects (Hrsg.: Chadwick, K.H., Moschini, G., Varma, M.N.) Adam Holger, Bristol (1992). [5] Griffin TW. Particle Beam Therapy in: C.A.Perez, L.W.Brady Principles and Practise of Radiation Oncology, J.B.Lippincott Company, New York, London, Hagerstown (1992). [6] Phillips MH, Griffin W. Physics of High Linear Energy Transfer (LET) Particles and Protons aus Principles and Practise of Radiation Oncology, 3rd Ed. by C.A. Perez, L. Brady Lippincott-Raven Publishers, Philadelphia 1997, 593-606. [7] Schmidt R, Rassow J, Haverkamp U, Hess A, Höver KH, Jahn U, Kronholz HL, Meissner P, Regel K. The physical and technical outlook for neutron therapy in Germany Strahlenth.Onkol. 169, 171-178 (1993). [8] Cattarell M. Good news for a tenth anniversary, Strahlenth.Oncol. 166 (49-51) 1990. [9] Scalliet P. The trouble with neutrons, Europ.J.Cancer 27 (225-230) 1991. [10] Bortfeld T, Kahler DL, Waldron TJ, Boyer AL. X-ray field compensation with multileaf collimators. Int.J.Radiat.Oncol.Biol.Phys. 28, 723-730 (1994). [11] Prescribing, Recording, and Reporting Photon Beam Therapy, ICRU-Report 50 (1993). Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 64 Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen I.5 Strahlenbiologische Grundlagen E. Selzer, W. Weyrather, A. Hackl, H. Tritthart, R. Pötter I.5.1 Einleitung Das Wissen um die biologischen Effekte nach Strahleneinwirkung hat mit den technischen Fortschritten, die in den letzten Jahrzehnten in der Strahlentherapie erreicht werden konnten, nicht Schritt gehalten. So basiert die Optimierung von Behandlungsplänen primär noch weitgehend auf mathematischen sowie physikalischen Modellen; strahlenbiologische Effekte können derzeit nur in begrenztem Umfang in die Bestrahlungsplanung mit einbezogen werden. Um die Kenntnisse besonders über strahlenbiologische Effekte von Protonen und Leichtionen zu verbessern, ist als Voraussetzung parallel zum Beginn der Patientenbehandlung im Rahmen des Med-AUSTRON Projektes eine Intensivierung der strahlenbiologischen Forschung notwendig. Es ist wünschenswert, daß neben der Strahlenquelle die dafür vorgesehene Forschungseinheit (das Labor) möglichst bald zur Verfügung steht und in die geplante Therapieeinheit integriert wird. Dadurch kann eine enge Kooperation zwischen den in der Grundlagenforschung tätigen Spezialisten und den rein klinisch tätigen Strahlentherapeuten ermöglicht werden. I.5.2 Physikalische Grundlagen der Strahlenbiologie für Protonen und Leichtionen Der Einsatz leichter Ionen für die Behandlung von Tumoren beruht vor allem auf zwei wesentlichen Vorteilen gegenüber „konventionellen“ Strahlenarten: Der genau bestimmbaren Abgabe einer erhöhten Dosis im Tumor und der verstärkten biologischen Wirksamkeit der im Tumor deponierten Dosis. Die scharf begrenzte Dosisverteilung ergibt sich aus der definierten Reichweite, der Zunahme des linearen Energietransfers (LET) am Ende der Reichweite sowie der 65 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen geringen seitlichen Aufstreuung des Ionenstrahls. Dies sind Effekte, die auf den physikalischen Eigenschaften schwerer geladener Teilchen beruhen: Die Wechselwirkung des Ionenstrahls mit Materie vollzieht sich hauptsächlich mit den Elektronen des Targetmaterials. Dadurch wird die Energieabgabe und die seitliche Aufstreuung des Schwerionenstrahls bestimmt. Die Begründung für die therapeutische Anwendung leichter Ionen wie z.B. Protonen oder Kohlenstoffionen liegt darin, daß ab einer definierten Eindringtiefe die Energiedeposition bis zum Bragg-Maximum stark zunimmt und danach steil abfällt. Diese Verlaufskurve des linearen Energietransfers (LET) ist von der Ordnungszahl der verwendeten Elemente und der Energie der Teilchen abhängig [1]. Somit ergibt sich für schwere geladene Teilchen eine im Eintrittsbereich kleinere Energiedeposition als am Ende der Reichweite. Bei hoher Teilchengeschwindigkeit ist die Wechselwirkung zwischen den Projektil-Ionen und den Targetelektronen gering und damit die Energieabgabe zunächst klein. Die resultierende Kurve weist einen für die Therapie sehr günstigen Dosisverlauf auf: Eine niedrige Dosis im Eingangskanal und eine hohe am Ende der Reichweite mit einem steilen Dosisabfall (siehe Abb. 4.2-3). Für Photonen und Neutronen ist dagegen die integrale Energieabgabe im Eingangskanal stets größer als im tiefer gelegenen Tumorbereich. Aufgrund des großen Massenunterschiedes von Elektronen und Ionen sind bei allen Streuprozessen schwerer Ionen die Ablenkwinkel klein. Diese Massenunterschiede sind auch der Grund, daß die seitliche Aufstreuung des Ionenstrahls mit steigender Ordnungszahl abnimmt. Eine deutliche Verringerung der seitlichen Streuung ergibt sich vor allem, wenn man von den Protonen ausgeht, für die Heliumstahlung und weiter bis zur Kohlenstoffionenstrahlung (jeweils um den Faktor 2). Ähnlich ist auch die Reichweitenstreuung von Kohlenstoffionen gegenüber Protonen deutlich reduziert. Für Ionen von Elementen schwerer als Kohlenstoff ist die seitliche Abgrenzung nur noch unwesentlich schärfer, die Reichweitenstreuung wird durch die zunehmende Produktion von leichteren Kernfragmenten sogar noch vergrößert, so daß der Dosisabfall am Ende der Reichweite verflacht. Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 66 Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen I.5.3 Erhöhung der relativen biologischen Wirksamkeit Da die Zellinaktivierung im wesentlichen durch DNA-Schäden hervorgerufen wird, hängt die biologische Wirkung eines Teilchens von der im Zellkern abgegebenen Dosis und damit von der lokalen Ionisationsdichte innerhalb der Teilchenspur ab. Für beschleunigte Ionen verringert sich mit abnehmender Geschwindigkeit die Querschnittsfläche der individuellen Teilchenspuren. Sowohl der LET als auch die lokale Ionisationsdichte innerhalb der Spur sind im Vergleich zu dünn ionisierender Strahlung - wie Röntgen- oder Gammastrahlung - deutlich erhöht. Dies führt bei gleicher physikalischer Energieabgabe, d.h. bei gleicher Dosis, zu einer größeren Ausbeute an nicht reparierbaren Doppelstrangbrüchen und damit zu einem erhöhten biologischen Effekt - der letztlich zum Zelltod führt [2]. Bei weiterer Erhöhung der lokalen Ionisationsdichten treten Sättigungseffekte auf und die relative biologische Wirksamkeit (RBW sinkt wieder ab [3]. Bei den verschiedenen Strahlenqualitäten werden diese Veränderungen durch die RBW beschrieben. Sie ist definiert als das Verhältnis der Dosen von Röntgen- und Teilchenstrahlen, die zum gleichen biologischen Effekt führen. Die Erhöhung der RBW am Ende der Teilchenreichweite bewirkt damit neben einer günstigeren physikalischen Dosisverteilung noch zusätzlich eine Steigerung des biologischen Effektes im Tumor gegenüber dem Eingangsbereich (Abb.5.3-1). 67 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen Abbildung 5.3-1: Bestrahlung von Zellen des Chinesischen Hamsters (CHO) mit 2x107 cm2 Kohlenstoffionen einer Anfangsenergie von 270 MeV/u in verschiedenen Tiefen einer Wassersäule. oberes Bild: die gestrichelte Linie zeigt die physikalische Dosis, die durchgezogene Linie zeigt die biologisch effektive Dosis, die sich aus der Multiplikation der physikalischen Dosis mit der RBW an den einzelnen Punkten ergibt. Das mittlere Bild zeigt das gemessene Überleben und das untere Bild die jeweilige relative biologische Wirksamkeit. Dieser Effekt, der sich bei Protonen noch nicht bemerkbar macht, nimmt mit steigender Ordnungszahl des Targetmaterials zu. Bei Ionen von Elementen mit einer höheren Ordnungszahl als Sauerstoff ist allerdings die RBW schon im Eingangskanal stark erhöht (Abb. 5.3-2). Dadurch Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 68 Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen sind Hoch-LET-Effekte und in der Folge auch vermehrt Spätschäden im gesunden Gewebe nicht auszuschließen. Neben einem größeren Anteil letaler Schäden verursacht der hohe LET auch auf chromosomaler Ebene effektivere und schwerwiegendere genetische Veränderungen [4,5]. Abbildung 5.3-2: Relative biologische Wirksamkeit als Funktion der Eindringtiefe für C, Ne, Si und Ar-Ionen [6]. Um vermehrte Langzeitschäden im gesunden Gewebe zu vermeiden, ist es nötig, die maximale Wirkung der ionisierenden Strahlen auf das Tumorvolumen zu beschränken und nur Ionen zu verwenden, deren RBW im Eingangskanal noch entsprechend niedrig ist. Bei Kohlenstoffionen sind die Verhältnisse der biologischen Wirkung zwischen Eingangs- und Tumorbereich optimal und auch bezüglich ihrer Seiten- und Reichweitenstreuung sowie ihrer Kernfragmentierung zeigen sie günstige Werte. Erste Analysen nach Bestrahlungen mit Kohlenstoffionen zeigten, daß die geringe RBW-Erhöhung im Eingangsbereich mit einer verringerten Anzahl an chromosomalen Veränderungen einhergeht [7]. I.5.4 Biologische Effekte ionisierender Strahlen Die in der Strahlentherapie übliche fraktionierte Bestrahlung, d.h. die Aufteilung der Gesamtdosis in eine Anzahl von Einzelfraktionen, die über einen längeren Zeitraum in regelmäßigen Abständen (üblicherweise 24 Stunden) gegeben werden, dient dazu, das gesunde 69 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen Gewebe zu schonen und die Wirkung auf den Tumor zu erhöhen. Die strahlenbiologischen Ursachen, die zu diesem Effekt führen, erklären die 4 R´s [8]: 1. Reparatur subletaler Schäden 2. Redistribution (reassortment) der Zellen innerhalb des Zellzyklus 3. Repopulation 4. Reoxygenierung Bei der Bestrahlung mit geladenen Teilchen ist zu beachten, daß in Bezug auf die oben angeführten Effekte die Niedrig-LET-Komponente im Eingangskanal und die Hoch-LETKomponente im Tumor eine unterschiedliche Wirkung hervorrufen. Die Hoch-LET-Komponente verursacht einen großen Anteil letaler Schäden und gleichzeitig die Abnahme potentiell reparabler Schäden mit einer Änderung der reparaturabhängigen Effekte. Dies führt zu einer Erniedrigung des Sauerstoffeffektes, zu einer Nivellierung der Strahlensensibilität zwischen verschiedenen Zellzyklusphasen, bzw. zwischen schnell und langsam proliferierenden Zellen und zur Verringerung der Reparatur bei fraktionierter Bestrahlung, - einem wesentlichen Effekt für die Strahlentherapie mit Ionenstrahlen, die einen hohen LET aufweisen. Reparatur subletaler Schäden Wenn eine hohe Gesamtdosis in mehrere Fraktionen unterteilt appliziert wird, können - bei nicht letalen Dosen - Reparatur- und Erholungsmechanismen wirksam werden. Damit durch die fraktionierte Bestrahlung der gleiche biologische Effekt wie bei einer Einzelbestrahlung hervorgerufen wird, muß demnach die Gesamtdosis aus der Summe der Einzelfraktionen einen höheren Wert ergeben. Dies beruht auf der Fähigkeit vieler Zellen subletale Strahlenschäden zu reparieren und äußert sich durch eine ausgeprägte Schulter in der Überlebenskurve bei NiedrigLET-Strahlung. Ganz allgemein gilt, daß langsam reagierendes Gewebe langsam repariert wird, schnell reagierendes Gewebe dagegen in wesentlich kürzeren Zeitabschnitten. Bei einer fraktionierten Bestrahlung mit Kohlenstoffionen bleibt im Eingangsbereich die Reparaturfähigkeit im bestrahlungsfreien Intervall weitgehend erhalten. Die Fähigkeit zur Reparatur nimmt mit steigendem LET jedoch so stark ab, daß sie in einzelnen Fällen bei Hoch- Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 70 Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen LET-Bestrahlung sogar zu einer Potenzierung der tumorizidalen Wirksamkeit der fraktionierten Bestrahlung führt. Redistribution der Zellen innerhalb des Zellzyklus Die Zellkinetik kann von zwei Gesichtspunkten aus gemessen werden, nämlich der Zellzahl (Gesamtzellzahl, Mitoseindex usw.) oder zeitlichen Parametern, wie der Zellzykluszeit, der Verdoppelungszeit usw. Für Tumoren des Menschen betragen Zellzykluszeiten zwischen 15 und mehr als 100 Stunden, durchschnittlich sind das etwa 2,3 Tage [9]. Im Gegensatz dazu sind die Volumenverdoppelungszeiten für Tumoren wesentlich länger. Sie betragen zwischen 4 Tagen bis über 1 Jahr, im Mittel etwa 3 Monate [10]. Die potentielle Verdoppelungszeit (Tpot) wird dabei als Zeit definiert, innerhalb welcher sich die Zellzahl verdoppeln würde, wenn es zu keinem Zellverlust käme. Biopsien aus Tumoren weisen etwa zu 2/3 eine Tpot von < 7 Tagen auf [11]. Bei einer Differenzierung nach Tumorart konnten besonders bei Karzinomen aus dem HNO-Bereich und Zervixkarzinomen sehr kurze Verdoppelungszeiten von unter 5 Tagen nachgewiesen werden. Für dünn ionisierende Strahlung zeigen Zellen je nach ihrer Stellung im Zellzyklus eine unterschiedliche Strahlenempfindlichkeit. Dabei stellt sich zwischen sensiblen und weniger empfindlichen Phasen ein Unterschied dar, der ähnlich jenem ist, wie er für die Bestrahlung aerober bzw. hypoxischer Zellen nachgewiesen werden konnte. Am Ende einer S-Phase des Zellzyklus besteht die größte Strahlenresistenz [12]. Durch eine fraktionierte Bestrahlung können Zellen in empfindlichen Phasen soweit geschädigt werden, daß sie ihre unbegrenzte Teilungsfähigkeit verlieren und letztlich - meist nach Durchlaufen von ein bis zwei weiteren Zellzyklen - absterben. Zellen in resistenten Zyklusphasen verharren kurz in der Phase, in der sie sich unmittelbar vor der Bestrahlung befunden haben und entwickeln sich dann im Zellzyklus weiter. Dadurch ist zu erwarten, daß bei der Applikation der nächsten Fraktion - bei der konventionellen Bestrahlung nach etwa 24 Stunden - neuerlich Zellen in einer strahlenempfindlichen Phase vorliegen und damit bleibend geschädigt werden. Dieses Phänomen einer induzierten Teilsynchronisation, verbunden mit dem Fortschreiten im Zellzyklus, wird als Redistribution (= reassortment) bezeichnet. Bei vielen experimentellen Tumoren wurde eine wesentlich geringere Wachstumsrate nachgewiesen als man primär vermutete. Dies ergibt sich aus der hohen Zellverlustrate. Der 71 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen Zellverlust kann in zwei Formen ablaufen: dem passiven, zur Nekrose führenden Zelluntergang und der von der Zelle selbst ausgelösten Apoptose. Mit steigendem LET nimmt die Anzahl reparaturfähiger Schäden immer mehr ab. Dies führt zu einer Nivellierung der Empfindlichkeitsunterschiede der einzelnen Zellzyklusphasen. Bei sehr hohem LET tritt an deren Stelle die Abhängigkeit des Überlebens von der Zellkerngröße. Zellen mit größerem Zellkern haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, getroffen und damit inaktiviert zu werden als Zellen mit kleinem Zellkern. Dies gilt sowohl für normale Zellen und die oft größeren Tumorzellen, aber auch wenn man die verschiedenen Zellzyklusphasen ein- und derselben Zellinie miteinander vergleicht. Repopulation Unter Repopulation versteht man das Wiederauffüllen des Zellpools durch die Zellteilung und das Weiterwachsen der Zellpopulation nach einer Bestrahlung. Sowohl in Tumoren als auch in Normalgeweben mit proliferierenden Stammzellen können während einer fraktionierten Bestrahlung Zellteilungen nachgewiesen werden. Damit wirkt sich die Repopulation für das gesunde Gewebe als Vorteil, bei Tumoren aber als Nachteil aus. Die Behandlung des Tumors mit einem zytotoxisch wirkenden Agens - also sowohl eine Radio- als auch eine Chemotherapie kann allerdings eine schnellere Teilung der überlebenden Zellen auslösen. Dies wird als beschleunigte (akzelerierte) Repopulation bezeichnet. Nach der initialen Einwirkung durch ionisierende Strahlen ist die Wachstumsrate 3-4 Wochen danach deutlich größer. Durchschnittlich wachsen diese Tumorzellen 15-20mal schneller als bei Beginn der Bestrahlung [13-16]. Bisher wurde bei Karzinomen im HNO-Bereich, bei Harnblasen-, Haut- und inflammatorischem Mammakarzinom, sowie beim Melanom eine beschleunigte Repopulation nachgewiesen. Bei der Bestrahlung mit Kohlenstoffionen führt die Hoch-LET-Komponente der Dosis im Tumor zu einer drastischen Reduzierung der Repopulationswahrscheinlichkeit. Die unterschiedliche Repopulation entlang des Kohlenstoffionenstrahls kann daher als ein positiver Effekt für das Normalgewebe angenommen werden. Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 72 Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen Reoxygenierung Als Sauerstoffeffekt definiert man die bis zu dreimal geringere Strahlenempfindlichkeit für hypoxische Zellen oder Gewebeteile, wie sie in schlecht vaskularisierten Tumoren auftreten können, verglichen mit Zellen und Gewebeteilen, die gut mit Sauerstoff versorgt sind. Er beruht darauf, daß potentiell letale Schäden, die in Abwesenheit von Sauerstoff repariert werden können, in Anwesenheit von Sauerstoff als Schäden fixiert werden. In Tumoren überwiegt der Sauerstoffverbrauch das Sauerstoffangebot. Wegen der relativ geringen Diffusionsstrecke von 30-100µm [17] kann es schon bei Tumoren der Größe von etwa 0,75 ml zu einer Hypoxie und damit zu einer reduzierten Strahlenempfindlichkeit kommen. In einer prospektiven Studie konnte nachgewiesen werden, daß beim Zervixkarzinom der prätherapeutisch bestimmte Sauerstoffpartialdruck im Tumor einen signifikanten Prognosefaktor darstellt [18]. Dabei wurde der Mittelwert aus mehreren Messungen bestimmt und eine Gruppe mit einem pO2 < 10 mmHg einer weitgehend gleichen Gruppe mit einem pO2 = 10 mmHg gegenübergestellt. Sowohl das Gesamtüberleben als auch das rezidivfreie Überleben waren bei den zuletzt genannten Patienten mit einem höheren pO2 signifikant besser. Durch eine Bestrahlung z.B. mit einer hohen Einzeldosis können die meisten der gut mit Sauerstoff versorgten Zellen abgetötet werden. Die überlebenden Zellen sind überwiegend hypoxisch und daher weniger strahlensensibel. Da die Abtötung von Zellen letztendlich aber auch eine Reduktion des Tumorvolumens bewirkt, wird die Durchblutung und damit die Sauerstoffversorgung der verbliebenen Zellen wieder besser. Dieses Phänomen wird als Reoxygenierung bezeichnet. Mit zunehmendem LET verschwindet der Unterschied in der Strahlenempfindlichkeit zwischen hypoxischen und oxischen Zellen [19]. Das bedeutet, daß bei Bestrahlung mit Kohlenstoffionen die Strahlenempfindlichkeit eines Tumors durch Reoxygenierung nicht wesentlich verändert werden kann. Folgerungen für die Fraktionierung Ausgehend von einer konventionellen Fraktionierung mit Einzeldosen von 1,8 oder 2 Gy täglich, 5mal pro Woche, gibt es zahlreiche Möglichkeiten einer Änderung der Applikation von Einzelfraktionen. Um das therapeutische Verhältnis, das ist der Abstand zwischen der Tumorkontrollwahrscheinlichkeits- (TCP-) Kurve und der Kurve der Komplikationswahr- 73 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen scheinlichkeit des normalen Gewebes (NTPC), zu verbessern, wurden verschiedene Fraktionsschemata eingeführt. Durch strahlenbiologische Untersuchungen konnte festgestellt werden, daß wenige aber hohe Einzelfraktionen eher zum Auftreten von Spätschäden führten als zahlreiche Fraktionen mit einer niedrigen Dosis. Daraus wurde abgeleitet, daß eine Hyperfraktionierung durch die größere Schonung des Normalgewebes zu besseren strahlentherapeutischen Ergebnissen führt. Eine hyperfraktionierte Bestrahlung, mehr als 1mal am Tag, wird unter anderem auch deshalb angewendet, weil man annimmt, daß nach einer Pause von 4-6 Stunden die Strahlenempfindlichkeit eines Tumors wieder den Ausgangswert angenommen hat. Zellen, die sich bei der ersten Bestrahlung in der weniger strahlenempfindlichen späten S-Phase befinden, entwickeln sich im Zellzyklus weiter und kommen dabei nach der angegebenen Zeit in die sensible Phase (optimale Nutzung des Redistributionseffektes). Die meisten Schemata einer Hyperfraktionierung sind jedoch Mischformen mit der akzelerierten Bestrahlung, die dadurch gleichzeitig einer beschleunigten Repopulation entgegenwirken. Eine akzelerierte Fraktionierung und die daraus resultierende Verkürzung der Gesamtbehandlungszeit ist somit besonders bei schnell proliferierenden Tumoren wirksam. Die akuten Nebenwirkungen begrenzen jedoch die Möglichkeiten der Akzeleration, die Spätfolgen bleiben niedrig. Die Vorteile einer akzelerierten Radiotherapie konnten in mehreren Untersuchungen nachgewiesen werden [20]. Eine Sonderform der akzelerierten Fraktionierung stellt die kontinuierliche, nicht durch bestrahlungsfreie Wochenenden unterbrochene, hyperfraktioniert-akzelerierte Bestrahlung (CHART) dar. Dabei wird die Gesamtbehandlungszeit von 6-7 Wochen auf 12 Tage reduziert. Niedrige Einzeldosen von etwa 1,5 Gy werden 3mal täglich - in zumindest 6-stündlichen Intervallen - in 36 Fraktionen verabfolgt. Die hypofraktionierte Bestrahlung mit erhöhten Einzeldosen sollte wegen der dabei vermehrt auftretenden Spätschäden nur im Rahmen palliativer Therapiekonzepte Anwendung finden, weil dabei potentielle Spätschäden in der Regel klinisch nicht mehr manifest werden. Bei der Auswahl zeitlicher Parameter einer Bestrahlungsserie sollte, was die Gesamtbestrahlungszeit betrifft, folgendes Strahlentherapie ist Kriterium die unbedingt berücksichtigt Gesamtbehandlungszeit Nebenwirkungen so kurz wie möglich zu halten. Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 74 unter werden: Nach Berücksichtigung Beginn der einer akuten Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen Bei der Bestrahlung mit beschleunigten Teilchen sind aufgrund der strahlenbiologischen Eigenschaften des Teilchenstrahls andere Fraktionierungsschemata möglich. Im Gegensatz zur Photonentherapie ist dabei ein Einfluß der Fraktionierung auf die Tumorkontrolle wegen der wirksamen Hoch-LET-Effekte zu vernachlässigen. Zwei andere Faktoren erlauben jedoch kürzere Fraktionierungsschemata: Erstens bewirkt das inverse Dosisprofil eine niedrigere effektive Dosis im Normalgewebe. Dadurch kann die Tumordosis erhöht und die Zahl der Fraktionen verringert werden. Zweitens ist auch für hochenergetische Kohlenstoffionen im Vergleich zur Photonenstrahlung das a/b- Verhältnis im Eingangskanal erhöht. Dadurch wird der biologische Sättigungseffekt der Treffer schon bei einer geringen Anzahl von Fraktionen erreicht. Vergleich Protonen - Kohlenstoffionen Bei der klinischen Anwendung dieser Strahlung muß sowohl die erhöhte biologische Wirksamkeit im Tumor als auch im gesunden Gewebe in Betracht gezogen werden. Spätfolgen im gesunden Gewebe zeigen normalerweise eine Dosiswirkungskurve mit einer ausgeprägten Schulter, das entspricht einem niedrigen a/b-Verhältnis. Um von der erhöhten biologischen Wirksamkeit in der Hoch-LET-Region zu profitieren, sollte das a/b-Verhältnis im Tumor kleiner sein als dasjenige für Spätfolgen im Normalgewebe oder zumindest diesem vergleichbar. Ist in der Dosiswirkungskurve für den Tumor der a-Term deutlich größer, kann unter Umständen bei der Bestrahlung mit Kohlenstoffionen die RBW gegenüber einer Photonenbestrahlung nicht erhöht sein und dadurch gegenüber der Photonentherapie auch kein Vorteil bestehen. In diesem Fall kann die Bestrahlung mit Protonen günstiger sein. Battermann et al. [21] fanden einen Zusammenhang zwischen der Form der Dosiswirkungskurve für Photonen und der Verdopplungszeit des Tumors bei Lungenmetastasen verschiedener Primärtumoren. Langsam wachsende Metastasen zeigen Dosis-Responsekurven mit ausgeprägten Schultern. Für diese langsam wachsenden Metastasen konnten nach Neutronenbestrahlung die höchsten RBW-Werte nachgewiesen werden. Daher ist zu erwarten, daß auch langsam wachsende, für eine Photonentherapie als nicht strahlenresponsibel geltende Tumoren wie z.B. Chordome, Chondrosarkome und adenoid-zystische Karzinome, aufgrund der Hoch-LET-Effekte mit Kohlenstoffionen eher kontrolliert werden können. 75 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen I.5.5 Strahlenbiologische Aspekte einer Therapie mit Ionen und Biophysikalische Grundlagen der Bestrahlungsplanung Derzeit hängt die Planung einer strahlentherapeutischen Behandlung von der Tumorart, der zu applizierenden Gesamtdosis, den zu erwartenden Nebenwirkungen, dem Fraktionierungsschema wie der Definition des Planungszielvolumens ab. Aufgrund dieser Parameter wird eine Dosisverteilung auf zweidimensionaler oder dreidimensionaler Basis berechnet. Weiters können nach Auswertung der Dosisverteilungen die sogenannten DosisVolumen-Histogramme erstellt werden. Die Werte für die Normalgewebstoleranz und die vorgeschriebene therapeutische Dosis basieren einerseits auf klinischer Erfahrung, andererseits auch auf experimentellen Daten der Literatur, z.B. aus Tierexperimenten oder Versuchen in der Zellkultur. Für eine Niedrig-LET Therapie mit Photonen oder Elektronen kann zum Beispiel angenommen werden, daß die biologisch effektive Dosis weitgehend mit der physikalischen Dosis übereinstimmt. Diese Annahme gilt nicht für eine Bestrahlung mit Hoch-LET Strahlen; besonders nicht für eine Bestrahlung mit Leichtionen, die in Abhängigkeit von ihrer Position entlang der Tiefendosiskurve innerhalb des Planungszielvolumens eine unterschiedliche biologische Wirkung haben. Um dem Ziel einer biologischen Bestrahlungsplanung näher zu kommen, müssen weitere experimentelle Studien durchgeführt werden, deren Ziel es ist, den Zusammenhang zwischen dem biologischen Effekt und der Position des Teilchens zu erforschen. Daraus geht hervor, daß die Erstellung geeigneter biologisch-mathematischer Modelle eine der Hauptaufgaben der Forschungstätigkeiten innerhalb des Med-AUSTRON Projektes sein wird. Die Forschung auf diesem Gebiet soll in näherer Zukunft die Grundlagen für eine biologische Bestrahlungsplanung liefern. Mehrdimensionale Strahlentherapie Historisch betrachtet hat die Entwicklung innerhalb der Radiotherapie von der sogenannten zweidimensionalen zur dreidimensionalen Bestrahlungsplanung und weiter zur Konformationstherapie [22] geführt. Fortschritte in dieser Richtung werden auch in die Photonentherapie eingehen, wobei, basierend auf unterschiedlichen Modellen, zusätzlich individuelle und/oder tumorspezifische Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 76 Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen Parameter (die sogenannte vierdimensionale Bestrahlungsplanung) mit einbezogen werden. Zur grafischen Erläuterung dieses Begriffes siehe Abbildung 5.5-1. Abbildung 5.5-1: Vier-dimensionale Strahlentherapie: Technische Fortschritte haben es ermöglicht eine höhere Tumordosis zu applizieren und gleichzeitig das Normalgewebe zu schonen (drei Dimensionen); eine zusätzliche Verbesserung kann durch die Einbeziehung einer vierten Dimension (biologische Faktoren) erzielt werden. 77 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen Für die Behandlung ausgedehnter Tumorbereiche muß die natürliche, einige Millimeter betragende Ausdehnung des Bragg-Maximums verbreitert werden. Durch aktive Energievariation kann die Reichweite verändert und damit das Bragg-Maximum über den gesamten Tumorbereich ausgedehnt werden; Plateaubereich und Bragg-Peak-Bereich werden überlagert. Durch die Reichweitenmodulation wird die starke Überhöhung im Bragg-Peak reduziert. Trotzdem bleibt die Tiefendosisverteilung, bezogen auf das Normal- und Tumorgewebe, erheblich günstiger verglichen mit dem, bei elektromagnetischer Strahlung und bei Neutronen nachzuweisendem, exponentiellen Abfall der Dosis (Abbildung 5.5-2). Abbildung 5.5-2: Zellüberleben von CHO Zellen nach Bestrahlung mit einem Kohlenstoffionenstrahl mit 227 MeV/u maximaler Energie. Das obere Bild zeigt die eingestrahlte Dosis, das mittlere Bild das jeweilige Überleben und das untere die RBW, die sich daraus an jedem Punkt ergibt. Wie erwartet, ist die RBW in dem als Tumor definierten und mit stoppenden Teilchen belegten Teil am höchsten, man sieht aber auch die geringere absolute RBW bei niedrigerem Überleben. Bei einer tumorkonformen Bestrahlung irregulärer Volumina ergeben sich für Leichtionen besondere Schwierigkeiten. Es ändert sich nicht nur die Zusammensetzung des Strahls mit Energie undOrdnungszahl an den einzelnen Punkten des Targetvolumens sondern in beschränktem Maße auch diejenige des Eingangskanals durch Energievariation, Energieverlust Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 78 Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen und Kernfragmentation Das führt dazu, daß sich die Dosis in jedem einzelnen Targetpunkt aus einer Reihe von Einzeldosen mit unterschiedlichem LET zusammensetzt. Für solch ein Strahlungsfeld mit unterschiedlicher Teilchenzusammensetzung läßt sich kein einheitlicher Zusammenhang zwischen Dosis und biologischer Wirkung herstellen. Für die Ermittlung der biologisch effektiven Dosis muß also die Zusammensetzung des Strahls nach Energie, Ordnungszahl und LET bekannt sein. Dann kann die RBW jedes Teilchens einzeln berechnet werden. Dabei sind die vorher dargelegten Änderungen des Reparaturverhaltens ebenso zu berücksichtigen wie die Tatsache, daß die RBW für unterschiedliche Überlebensniveaus nicht einheitlich ist. Um diese Schwierigkeiten zu überwinden, wurde ein Modell entwickelt, das die Empfindlichkeit von Gewebe gegenüber Ionenbestrahlung von der Empfindlichkeit gegenüber einer Bestrahlung mit Photonen ableitet. Es benutzt als Eingangsgrößen die Überlebenskurve nach Photonenstrahlung die radiale Dosisverteilung innerhalb der Teilchenspur und die Größe des sensitiven Targetsd.h. des Zellkerns. Dieses Modell, das zunächst für Zellkulturen entwickelt wurde, läßt sich auf beliebige Gewebe übertragen, sofern deren Verhalten gegenüber dünn ionisierender Strahlung bekannt ist [23,24]. Bei Kenntnis sämtlicher physikalischer Parameter des Strahls und der aus dem oben angegebenen Modell ermittelten RBW-Werte kann mit Hilfe einer geeigneten Näherungsmethode eine Bestrahlungsplanung erfolgen 79 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen . I.5.6 Strahlenbiologische Grundlagenforschung innerhalb von Med-AUSTRON - Offene Fragen und Experimente Derzeit gibt es nur einige wenige Forschungszentren weltweit, an denen strahlenbiologische Grundlagenforschung mit Leichtionen durchgeführt wird. Das Lawrence Berkely Laboratory ist derzeit eine der wenigen Institutionen, die eine nennenswerte klinische Erfahrung mit Leichtionen haben und an denen auch gleichzeitig strahlenbiologische Grundlagenforschung betrieben wird. Das Med-AUSTRON Projekt wird daher einen ganz wesentlichen Platz - auch aus internationaler Sicht - einnehmen. Allgemeines Die Individualisierung der Strahlentherapie ist eines der wichtigen ungelösten Probleme der Strahlentherapie. Dieses Problem bezieht sich nicht nur auf die Anpassung des Behandlungsvolumens an das entsprechende Tumorvolumen, sondern auch auf das individuelle biologische Verhalten des Tumors. Bei der Ionentherapie kommt hierzu noch die Abhängigkeit von der unterschiedlichen RBW des Tumor- und Normalgewebes. Um solche Fragen zu lösen, ist es notwendig, ein biologisches Begleitprogramm zu erstellen, in dem versucht wird, eine Korrelation der biologischen Wirkung zwischen den durch Biopsie entnommenen, und im Labor weiter kultivierten und bestrahlten Zellen und den in-vivo bestrahlten Normalgeweben und Tumoren herzustellen. Hauptaufgabe der strahlenbiologischen Forschung für die Ionentherapie wird es sein, solche Korrelationen zu finden, um mit Hilfe von prädiktiven Tests in Zukunft eine auf den jeweiligen Tumor und Patienten bezogene biologische Bestrahlungsplanung erstellen zu können. Es ist deshalb notwendig, die Effekte einer Bestrahlung auf verschiedene biologische Systeme genauer zu untersuchen. Innerhalb der physikalischen, chemischen und biochemischen und biologischen Verlaufskette der Strahlenwirkungen sind die biologischen (klinischen) Wirkungen das letzte Glied. Die biochemischen Effekte können letztendlich zu Zellschäden und zum Zelltod führen. Auch mit der Erforschung und Beschreibung dieser Phänomene auf makroskopischer wie auch mikroskopischer Ebene beschäftigt sich die Strahlenbiologie. Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 80 Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen Spätfolgen Während das Problem der tumorkonformen Bestrahlung schon annäherungsweise lösbar scheint, ist über die Entstehung von Spätfolgen im gesunden Gewebe nach Ionenbestrahlung noch sehr wenig bekannt. Es ist anzunehmen, daß durch die Einführung geeigneter Systeme mit Primärkulturen, durch Tierversuche mit Langzeitbeobachtungen und durch klinische Beobachtungen am Menschen mehr Erfahrungen zu diesem wichtigen Punkt gewonnen werden können. Fraktionierung Ein weiteres, noch nicht gelöstes Problem der Bestrahlung mit Leichtionen ist die Erstellung geeigneter Fraktionierungsschemata. Wie aus experimentellen und auch klinischen Beobachtungen bekannt ist, beeinflußt die Fraktionierung die Effekte auf den Tumor wie auch auf das Normalgewebe. Sowohl für die konventionelle Fraktionierungsmethode über 6 Wochen als auch für eine ausgesprochen kurze Behandlungszeit von 10-14 Tagen lassen sich – je nach der individuellen Behandlungssituation - Argumente finden. Zell- und auch Tierexperimente, die – ähnlich wie im Rahmen einer Bestrahlungsserie - über einen längeren Zeitraum gehen, können über das Reparaturverhalten der unterschiedlichen biologischen Systeme Aufschluß geben. I.5.7 Zukunftsaspekte: Von der klassischen Strahlenbiologie zur modernen Strahlenbiologie Die Konvergenz von strahlenbiologischer Grundlagenforschung und Molekularbiologie wie auch das Zusammenwachsen mit anderen strahlenbiologischen Teilgebieten, wie etwa der Strahlenchemie, wird zu vollkommen neuen Entwicklungen innerhalb der Strahlenbiologie führen [25]. Das Konzept eines kritischen Volumens in der Zelle, in der ionisierende Ereignisse stattfinden müssen, um zu meßbaren zellulären Reaktionen zu führen, war lange ein Paradigma der „klassischen“ Strahlenbiologie. Das Chromosom wurde als die wichtigste strahlensensitive Substruktur in der Zelle betrachtet. Jedoch hat sich dieses Bild in letzter Zeit verändert. Durch 81 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen die Einführung neuer Methoden aus der Molekularbiologie ist es erst in den letzten Jahren möglich geworden, die strahleninduzierten Veränderungen auf molekularer Ebene besser nachzuvollziehen. In den letzten zwei Dekaden hat sich der Schwerpunkt der Forschungsaktivitäten auf die Mechanismen der strahleninduzierten Veränderungen vor allem an der Erbsubstanz (Strangbruchinduktion) konzentriert. Diese Forschungsaktivitäten können inzwischen der klassischen Strahlenbiologie zugeordnet werden. Das Bild einer sogenannten „klassischen“ Strahlenbiologie kann der „modernen“ Strahlenbiologie gegenüber gestellt werden. In dem neueren Modell ist zum Beispiel die Aktivierung verschiedener Gene oder die Beeinflussung von Signaltransduktionswegen bereits mit berücksichtigt. Sehr wenig ist über die Effekte radioaktiver Strahlen auf zytoplasmatische Signaltransduktionswege bekannt. Kürzlich wurde entdeckt, daß ionisierende Strahlen eine Kaskade intrazellulärer Ereignisse in der Zelle bewirken können. Ein wichtiges Forschungsgebiet wird daher das Studium der durch Strahlen bedingten Veränderungen der Signaltransduktionswege sein. Diese Veränderungen können sowohl zu einer Aktivierung als auch zu einer Inhibierung intrazellulärer Enzyme führen (zum Beispiel zu einer Aktivierung der Protein Kinase C oder zu einer Aktivierung verschiedener Tyrosinkinasen). Auch hier wird ein Schwerpunkt im Rahmen von Med-AUSTRON die Untersuchung von Unterschieden in den Einflüssen verschiedener Strahlenqualitäten auf diese Prozesse sein. In den letzten Jahren wurde erkannt, daß ioniserende Strahlen zu spezifischen Veränderungen in der Zelle führen können. Dazu zählt man die Induktion wie auch Inhibierung der Expression verschiedener Wachstumsfaktoren und Zytokine. Diese Effekte haben möglicherweise eine Bedeutung für die Kontrolle des Zellzyklus, von Reparaturprozessen und auch für die Repopulation. Sie könnten auch für die Entstehung und Entwicklung von Strahlenschäden, bspw. einer Fibrose von Bedeutung sein. Weiters ist anzunehmen, daß diese Faktoren auch einen Einfluß auf die Strahlensensibilität von Geweben und Organen haben. Welche Mechanismen, abgesehen von Doppelstrangbrüchen, können den Eintritt des Zelltodes verursachen (zum Beispiel Apoptose, Membranveränderungen, etc.)? Ist es möglich, diese durch eine Bestrahlung induzierten Prozesse selektiv zu beeinflussen? Die Aktivität verschiedener Gene wird durch Strahlung moduliert. Dazu zählen der GewebePlasminogen Aktivator (t-Pa), Onkogene sowie Gene, die das Wachstum und die Differenzierung Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 82 Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen regulieren. Die Induktion (und Repression) von Genen durch radioaktive Strahlen hängt sehr wahrscheinlich mit der phänotypischen Antwort der Zelle zusammen und wirkt u.a. über eine Beeinflussung von DNA-Reparatur, Apoptose, mitotischem Zelltod, Mutagenese und Karzinogenese. Es wird sicherlich von entscheidender Bedeutung sein, in Zukunft mehr Wissen über die durch Bestrahlung induzierten Veränderungen in der Genexpression zu gewinnen. Wird es möglich sein, Faktoren zu bestimmen, die die Strahlensensibilität einzelner Zellen oder Gewebe vorhersagen? Kürzlich wurden Gene identifiziert, (p53, Bcl-2, ATM, Ras, SOD, u.a.), deren Expression mit der Strahlensensibilität in manchen Geweben korreliert. Einige dieser Faktoren (Gene) könnten in Zukunft eine Rolle im Rahmen von sogenannten „predictive assays“ spielen. Siehe auch allgemeine und weiterführende Literatur über moderne Aspekte der Strahlenbiologie und Apoptose [26,27] einschließlich Gentherapie [28,29]. I.5.8 Biologisches Begleitprogramm: Beispiele für wichtige Fragestellungen der klinischen und experimentellen Strahlenbiologie Eine Liste der wesentlichen experimentellen Fragestellungen, die im Rahmen von MedAUSTRON untersucht werden sollen, ist im Folgenden angeführt. Insbesondere soll darauf hingewiesen werden, daß sich viele Experimente auch mit den Unterschieden in den biologischen Wirkungen zwischen den verschiedenen Strahlenqualitäten beschäftigen sollen. Molekulare Genetik · Untersuchungen zu den Mechanismen der durch Strahlen induzierten DNA-Schäden und chromosomalen Aberrationen. · Untersuchungen zum Einfluß genetischer Faktoren auf die Strahlenwirkungen (z.B. bei AT, XP, Bloom's Syndrom, Fanconi Anämie, Cocakyne Syndrom u.a. Erkrankungen). · Einfluß von Onkogenen u.a. auf die Strahlenresistenz von Tumoren. · Untersuchungen zur strahleninduzierten Karzinogenese und zu den hereditären Effekten einer Bestrahlung. Wirkungen von Strahlen auf den Embryo und auf den Fötus. 83 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen Zellüberleben und Zelltod · Bestimmung des Zellüberlebens und Erstellen von Dosis-Wirkungsbeziehungen für verschiedene Normal- und Tumorgewebe (Untersuchungen zur Radiosensitivität und ihrem Zusammenhang mit der Histologie). Untersuchungen der Wirkungsmechanismen neuer Strahlenqualitäten. Bestimmung der relativen biologischen Effekte verschiedener Strahlenqualitäten. · Untersuchungen zu den Mechanismen des Zelltodes (z.B. Bedeutung der Apoptose). Experimentelle Modelle · Die Entwicklung von geeigneten Modellen - sowohl tierexperimentell wie auch in vitro um die Strahleneffekte auf Menschen möglichst gut nachzuvollziehen. Aufklärung der DNA-Reparaturmechanismen · Aufklärung der Mechanismen der DNA-Reparatur und der involvierten Enzyme nach Bestrahlung mit unterschiedlichen Strahlenarten. Mechanismen der inter- und inrazellulären Signaltransduktion · Untersuchungen der Wirkungen von Strahlen auf die Signaltransduktion und auf die Expression von Genen. Quantitative Strahlenbiologie · Erstellung mathematischer Modelle zur Vorhersage der optimalen Dosis und Fraktionierung. Wechselwirkungen mit anderen Substanzen · Wechselwirkungen von Strahlen mit Chemotherapeutika, Pharmaka und anderen Modifikatoren der Strahlenwirkung, z.B. Hyperthemie; Entwicklung von Radiosensitizern und Radioprotektoren. Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 84 Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen Predictive assays · Erforschung von Parametern der individuellen Strahlensensibilität und Entwicklung von prädiktiven Assays. Evaluation neuer potentieller Therapien · Neue potentielle Therapien sollen evaluiert werden, um die Effizienz der Strahlentherapie zu steigern: z.B. durch Einsatz von Zytokinen oder der Gentherapie - Modifikation von erwünschten und unerwünschten Wirkungen. Strahlenbiologie und Strahlenschutz bei der bemannten Raumfahrt Ein wesentliches Problem der bemannten Raumfahrt ist die kosmische Strahlung, der die Astronauten ausgesetzt sind. Diese Strahlung, die sich aus verschiedenen Partikeln zusammensetzt, führt zu einer signifikanten Gesundheitsgefährdung, die nicht ausreichend abgeschätzt werden kann. Das Risiko steigt mit der Länge der Aufenthaltsdauer an, wie zum Beispiel in den Raumstationen, die in permanentem Betrieb sind, oder wie es bei den geplanten Missionen zum Mars sein könnte. Die Untersuchung von biologischen Effekten verschiedener Partikel und eine experimentelle Evaluierung von RBW-Werten zur Abschätzung des Risikos ist daher von großer Bedeutung. Diese Fragestellungen könnten im Rahmen des Med-AUSTRON Projektes untersucht werden [30]. Literatur [1] Kraft G. Radiobiological effects of very heavy ions. Nuclear Science Applications 1987; 3:1-18. [2] Kraft G. Biologische Effekte schwerer Ionen. In: zum Winkel K.(ed) Wirkungssteigerung der Strahlentherapie maligner Tumoren. Springer, Berlin, Heidelberg, New York, London, Paris, Tokyo, 1987. 85 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen [3] Kraft G, Kraft-Weyrather W. Biophysical aspects of track structure. 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Kogelnik, I.6.1 Einleitung Erste Erfahrungen über die klinische Anwendung von Protonen stammen aus den 50er Jahren aus Berkeley [50, 80] und aus Uppsala [48, 49]. Die damaligen Indikationen am Lawrence Berkeley Laboratory (LBL) lagen primär in der Behandlung von Hypophysentumoren, diabetischen Retinopathien und Hypophysen- Ausschaltungen bei metastasierten Mammakarzinomen [51, 54, 81]. Es kamen dabei durchwegs wenige Fraktionen in hoher Einzeldosierung zum Einsatz. In Uppsala wurden zunächst funktionelle neurologische Erkrankungen einer Bestrahlung zugeführt, erst sekundär wurde die Behandlung von malignen Tumoren in das Programm inkludiert. Am Massachussetts General Hospital - Harvard Cyclotron Laboratory (MGH-HCL) wurden Protonen in den 60er Jahren klinisch eingesetzt, wobei primär die Behandlung von Hypophysenerkrankungen und die Therapie zerebraler arteriovenöser Malformationen im Vordergrund standen [38, 39, 40, 41]. Auch in diesem Zentrum wurde erst in den folgenden Jahren die Tumortherapie in das Programm aufgenommen. Ebenfalls aus den 60er Jahren stammen die ersten Erfahrungen vom Institut für theoretische Physik in Moskau (ITEP) sowie aus Japan vom Nationalen Institut für Radiologische Wissenschaften (NIRS) und in der Folge dem Proton Medical Research Center (PARMS) in Tsukuba. Auch in diesen Instituten stand die Radiotherapie hypophysärer Erkrankungen im Vordergrund der klinischen Forschung. Am MGH-HCL begannen 1974 Suit et al. Langzeitstudien über lokale DosisEffektbeziehungen im Bragg-peak-Bereich an ausgewählten Tumorentitäten, die einer fraktionierten Protonenbestrahlung zugeführt wurden. Die technischen Vorgaben hinsichtlich Strahlenenergie und Eindringtiefe an diesem Beschleuniger beschränkte die klinische Forschung 89 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.6: Bisherige klinische Resultate im wesentlichen auf eher oberflächennahe gelegene Zielvolumina wie Tumoren des Kopf/Halsbereichs, paraspinale Tumoren, aber auch selektiert auf Prostatakarzinome [2, 3, 4, 5, 30, 62, 63, 76, 78]. 1975 begannen Castro et al. an der University of San Francisco (UCSF) in Zusammenarbeit mit dem LBL klinische Dosis-Effekt-Studien von Leichtionen bei der Bestrahlung maligner Tumoren [13, 14, 17, 20, 56, 57]. Ziel dieser Untersuchungen war primär, den relativen Beitrag der physikalisch-ballistischen Eigenschaften oder aber der radiobiologischen Vorteile bei der Verwendung dieser Strahlenqualitäten zu definieren. Nach der Verfügbarkeit der Computertomographie sowie - darauf basierend - der Entwicklung computerunterstützter, dreidimensionaler Bestrahlungsplanungssysteme wurden am MGH-HCL und am UCSF-LBL die ersten umfangreicheren Studien zur fraktionierten Braggpeak-Therapie ermöglicht. Bis 1996 wurden weltweit über 17.000 Patienten einer Ionenbestrahlung zugeführt, von diesen Patienten wurden ca. 14.000 mit Protonen behandelt. Einrichtungen zur Radiotherapie mit Protonen existieren derzeit in 10 Ländern; in einigen Staaten werden in naher Zukunft zusätzliche Zentren eröffnet werden. Am UCSF-LBL kamen aufgrund der leichteren technischen Herstellbarkeit Heliumionen anstatt Protonen zum Einsatz. Die OER (oxygen enhancement ratio: Sauerstoffverstärkungseffekt) von Heliumionen wurde mit einem Faktor 2,5 - 3 angegeben [8, 9, 50]. Die klinische Wertigkeit scheint mit jener von Protonen vergleichbar zu sein, obwohl für Heliumionen die RBE (relative biologische Effektivität) für die meisten Gewebearten mit einem 1,2 bis 1,4-fachen Wert angegeben wird (lediglich für das ZNS wurden Werte um 1,6 angenommen). Im Vergleich dazu wurde am MGHHCL für die Wertung der RBE von Protonen ein geschätzter Faktor von 1,1 verwendet. Das verfügbare Energiespektrum der Heliumionen reichte von 150 - 232 MeV. Tumordosen wurden in GyE (Gray-Äquivalent) ausgedrückt, wobei die physikalische Dosis mit dem RBEFaktor multipliziert wurde, so daß im Vergleich zu Photonenbestrahlungen von gleichen Wahrscheinlichkeiten im Auftreten von Spätreaktionen auszugehen war. Die physikalischen Eigenschaften von Protonen und Heliumionen, aber auch z.B. von Kohlenstoffionen sind hervorragend geeignet, eine präzise Hochdosisbestrahlung eines Zielvolumens bei gleichzeitiger besserer Schonung umliegender Risikostrukturen (wie etwa zentralnervöse Strukturen, Hirnnerven und Rückenmark) durchzuführen [70, 71]. Dadurch Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 90 Band I.6: Bisherige klinische Resultate werden im Vergleich zu konventionellen Photonenbestrahlungen bei bestimmten Tumorentitäten Dosiseskalationen von 10% - 35% ermöglicht, die über eine Zunahme der lokalen Tumorkontrollraten letztlich zu höheren Überlebensraten führen. Der klinische Einsatz dieser Strahlenqualitäten erforderte intensive Vorarbeiten auf dem Gebiet der radiobiologischen Grundlagenforschung, aber auch im technisch-apparativen Bereich, beginnend mit CT-, MRI- und PET- gestützter Bestrahlungsplanung über die Entwicklung von dreidimensionalen Planungssystemen, geeigneten Lagerungsvorrichtungen und vieles mehr. Die bisherigen Erfahrungen am MGH-HCL und am UCSF-LBL haben für einige Tumorentitäten im Vergleich zu historischen Daten eine deutliche Verbesserung der lokalen Tumorkontrollen und des Gesamtüberlebens gezeigt. I.6.2 Tumoren im Bereich der Schädelbasis Bei der Leichtionenbestrahlung von Tumoren im Bereich der Schädelbasis wurden während der letzten 15 Jahre Verbesserungen in der Bestrahlungsplanung und der Genauigkeit der Dosisapplikation erzielt. Einerseits wurde durch die verbesserte Diagnostik (CT, MRI) konsekutiv eine präzisere Umsetzung in immer komplexeren Planungssystemen erreicht, andererseits erlaubt die Entwicklung auf dem Feld neurochirurgischer Techniken heute oft zumindest eine Tumorreduktion in anatomisch schwer zugänglichen Regionen. Verbliebene Tumorreste sind für die Strahlentherapie besser geeignet. Da diese Tumoren überwiegend nicht metastasieren, drückt sich eine Zunahme lokaler Tumorkontrollraten direkt in erhöhten Gesamtüberlebensraten aus. Die prognostisch wichtigsten Faktoren sind Tumorhistologie, Tumorgröße und Zeitpunkt der Behandlung (Ersttherapie/Rezidivtherapie). Resultate am UCSF-LBL Zwischen 1977 und 1992 wurden am UCSF-LBL 126 Patienten mit Schädelbasistumoren bestrahlt [7, 12, 71]. 109 Patienten wurden mit Heliumionen behandelt, bei 17 Patienten wurde ein Teil der Therapie mittels Neonionen durchgeführt. Die mittlere Nachbeobachtungszeit beträgt 61 Monate. Bei 53 Patienten lag ein Chordom vor, bei je 27 Patienten lautete die Histologie Chondrosarkom bzw. Meningeom, bei 19 Patienten wurden andere Histologien beschrieben (wie 91 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.6: Bisherige klinische Resultate Osteosarkom oder Neurofibrosarkom). In 4 Fraktionen pro Woche wurden Gesamtdosen von 60 - 80 GyE (im Mittel 68 GyE) mit einer täglichen Einzeldosis von 2 GyE appliziert. Die gerechnete RBE für Heliumionen betrug an ZNS-Strukturen 1,6, für alle anderen Gewebe 1,3. Die oberen Grenzen der Toleranzdosen lagen beim Hirnstamm bei 60 GyE, am Chiasma opticum bei 55 GyE und am Halsrückenmark bei 45 GyE. Durch Einschränkungen in der zeitlichen Verfügbarkeit wurden die Heliumbehandlungen oft mit Photonenbestrahlungen im Ausmaß von 30-70% der Gesamtdosis kombiniert. Die lokale Tumorkontrolle und das Gesamtüberleben waren bei allen Tumorhistologien im Vergleich zu historischen Kollektiven verbessert. Bezogen auf alle 126 Patienten lagen die lokalen Tumorkontrollraten nach 5 Jahren bei 71% und nach 10 Jahren bei 57%; die Überlebensraten nach Kaplan/Meier [35] betrugen nach 5 Jahren 77% und nach 10 Jahren 62%. Die 5-JahresTumorkontrollraten für Meningeome betrugen 85%, Chondrosarkomen 78%, Chordomen 63% und für andere Sarkome 58% (Tabelle 6.2-1). Die lokalen Tumorkontrollraten nach 5 Jahren nahmen von 60% bei den ersten Patienten, die zwischen 1977 und 1986 behandelt wurden, auf 78% bei den zwischen 1978 und 1992 bestrahlten Patienten zu, was den Einfluß der verbesserten Technologien hinsichtlich Bestrahlungsplanung, Dosisapplikation, Einsatz von MRI und verbesserter Patientenimmobilisierung klar dokumentiert. Für die 109 Patienten, die mit Heliumionen bestrahlt wurden, lagen die 5- und 10-JahresTumorkontrollraten bei 78% bzw. 62%; die Überlebensraten nach 5 und 10 Jahren betrugen 84% und 70%. In der histologischen Zuordnung lagen die 5-Jahres-Raten bezogen auf die lokale Tumorkontrolle bei 88% für 23 Patienten mit Chondrosarkomen, weiters bei 60% für 48 Patienten mit Chordomen und bei 89% für 26 Patienten mit Meningeomen [10]. Bei anderen Sarkomhistologien (inkl. Osteosarkome) lagen die 5-Jahres- Lokalkontrollraten bei 58%, wobei die Gesamtüberlebensrate nach 5 Jahren 71% betrug. Kaplan und Mitarbeiter werteten die Ergebnisse nach Heliumbestrahlung von nicht oder nur teilweise resezierten Meningeomen der Schädelbasis oder des Rückenmarks aus [36]. Zwischen 1981 und 1992 wurden am LBL 29 Patienten mit solchen Tumoren mittels Heliumionen bestrahlt; 26 Tumorlokalisationen lagen intrakraniell, 3 Patienten litten an einem spinalen Tumor. Es wurden Gesamtdosen von 53-80 GyE (im Mittel 63 GyE) verabreicht. Die lokalen Tumorkontrollraten sowie die Gesamtüberlebensraten nach 10 Jahren betrugen 84% bzw. 80%. Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 92 Band I.6: Bisherige klinische Resultate Die einzigen Tumorrezidive wurden bei 4 Patienten in der Frühphase der Studie verzeichnet. Mittlerweile wird bei nicht- oder teilresezierbaren Meningeomen, die in unmittelbarer Nähe von radiosensiblen ZNS-Strukturen oder Hirnnerven gelegen sind, eine Leichtionenbestrahlung mit 60 GyE als Standardbehandlung empfohlen. Am LBL wurden darüber hinaus 97 Patienten bestrahlt, bei denen die primäre Tumorlokalisation im Bereich der Speicheldrüsen, des Nasopharynx oder der paranasalen Sinus gelegen war und die sekundär in die Schädelbasis einwuchsen. Auch bei diesen prognostisch sehr ungünstigen Situationen wurden nach 5 Jahren sehr gute lokale Tumorkontrollraten erzielt, die je nach Histologie zwischen 45 und 83% gelegen waren [28, 62]. Behandlungstechnik und Dosierung waren vergleichbar mit den Patienten mit primären Schädelbasistumoren. Resultate am MGH-HCL Am MGH-HCL wurden seit 1974 über 250 Patienten mit Tumoren der Schädelbasis und des zervikalen Rückenmarks bestrahlt, wobei primär Chordome und niedrig maligne Chondrosarkome behandelt wurden [1, 3, 6, 62, 77]. Diese Studien wurden von Munzenrider et al. [63] in einem Bericht über 194 Patienten mit Chordomen und niedrig malignen Chondrosarkomen erneut analysiert. Die Tumordosen lagen bei 57-76 GyE (mediane Dosis 68 GyE), wobei eine RBE für Protonen von 1,1 gerechnet wurde. Die üblichen täglichen Einzeldosen lagen bei 1,8 GyE, die Therapie erfolgte an 5 Tagen pro Woche, üblicherweise kamen 4 Fraktionen mit Protonen und 1 Fraktion mit Photonen zum Einsatz. Das lokalrezidivfreie Überleben lag nach 5 Jahren bei 76%, das Gesamtüberleben nach 5 Jahren für das gesamte Kollektiv bei 90%. Bei Patienten mit Chondrosarkomen betrug das lokalrezidivfreie Überleben 95% nach 5 Jahren, bei den nicht-chondroiden Chordomen lag das lokalrezidivfreie Überleben nach 5 Jahren lediglich bei 62%. In dieser Gruppe wurde auch ein geschlechtsspezifischer Unterschied beschrieben (das lokalrezidivfreie 5-Jahres-Überleben betrug 63% bei weiblichen Patienten im Vergleich zu 89% bei männlichen Patienten), wobei die Gründe unklar blieben. Derzeit sind weitere Studien der Proton Radiation Oncology Group (PROG) im Gange, um vor allem für die Chordome der Schädelbasis den Effekt höherer Enddosen bis zu 79 GyE zu bestimmen. 93 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.6: Bisherige klinische Resultate Patienten mit Tumoren im Bereich des zervikalen Rückenmarks zeigten eine schlechtere Prognose als Patienten mit Schädelbasistumoren, wobei das Gesamtüberleben nach 5 Jahren für erstere 73% und 90% für letztere betrug. Am MGH-HCL wurden bei paraklival gelegenen Meningeomen ähnliche Resultate berichtet. Austin-Seymour et al. veröffentlichten einen Bericht über 13 Patienten, die nach subtotaler Resektion mit einer Protonenbestrahlung von 59,4 GyE im Mittel behandelt wurden [3]. Nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 26 Monaten waren alle 13 Patienten lokal tumorfrei. I.6.3 Komplikationen der Leichtionenbestrahlung im Bereich der Schädelbasis Am MGH-HCL berichtete Munzenrider über eine Gesamtkomplikationsrate von 34% (alle Komplikationsgrade) [62, 63, 83]. Grad 3-4 Komplikationen wurden lediglich bei 8% der Patienten beobachtet, kein Patient verstarb an therapieinduzierten Nebenwirkungen. Als häufigste Nebenwirkungen wurden Einschränkungen des Hörvermögens berichtet (36 Patienten), weiters endokrine Dysfunktionen (28 Patienten), Hirnnekrosen unterschiedlichen Ausmaßes bei 24 Patienten sowie Visusbeeinträchtigungen bei 8 Patienten. Am UCSF-LBL konnten 185 Patienten mit primären Schädelbasistumoren ausgewertet werden, davon waren 126 Patienten nach 1-15 Jahren tumorfrei [7, 12]. Dabei zeigte sich, daß zwischen 1977 und 1986, als die Bestrahlungsplanung noch primär CT-gestützt erfolgte und die Behandlungstechniken erst in Entwicklung waren, 12 von 29 (41%) Patienten Grad 3, 4 oder 5 (= letale) Komplikationen aufwiesen. Von 1987 bis 1992 erfolgte die Bestimmung des Zielvolumens routinemäßig mittels MRI. Während dieses Zeitraumes standen verbesserte Lagerungstechniken zur Verfügung. Überdies wurden inzwischen neue radiobiologische Erkenntnisse über Normalgewebstoleranzen berücksichtigt. Während dieser Zeit fiel die Rate der Behandlungskomplikationen auf 20% (nur mehr 11 von 55 tumorfreien Patienten zeigten Grad 35 Komplikationen). Dabei wurde in erster Linie über Spätreaktionen am Nervusoptikus, am Hirnstamm, sowie am Temporallappen berichtet. Als schwere Komplikationen wurden Hirnnekrosen, Osteoradionekrosen im Schädelbasisbereich und schwere Temporallappenschäden angeführt. Bei 4 von 85 Patienten wurden Grad 5 Komplikationen beschrieben (3 dieser Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 94 Band I.6: Bisherige klinische Resultate Patienten waren bereits früher bestrahlt worden). Durch die Optimierung der Protonentherapie für Schädelbasistumoren wird für Patienten, die keine vorangegangene Bestrahlung hatten, eine Rate von unter 5% an schweren Spätreaktionen erwartet Die Verwendung von high-LET-Ionen (schwerer als Protonen oder Heliumionen) muß in diesen Regionen aufgrund der größeren RBE mit äußerster Vorsicht erfolgen, um die Rate an ZNS-Spätschäden gering zu halten. I.6.4 Juxtaspinale und sakrale Tumoren Resultate am UCSF-LBL Am UCSF-LBL wurden 62 Patienten mit Chordomen oder Chondrosarkomen der Wirbelsäule und des Sakrums bestrahlt [65, 74]. Die meisten Patienten wurden mit Heliumionen behandelt (davon 21 Patienten kombiniert mit Photonen), einige Patienten mit Neonionen. Die median applizierte Dosis betrug 70 GyE. Insgesamt waren die lokalen Tumorkontrollraten niedriger als bei Schädelbasistumoren: 50% für Chondrosarkome (11 von 22 Patienten, mediane Nachbeobachtung 31 Monate) und 45% für Chordome (18 von 40 Patienten, mediane Nachbeobachtungszeit von 40 Monaten). Bei Patienten, die mit Neonionen bestrahlt wurden, konnte eine höhere lokale Tumorkontrollrate beobachtet werden: bei 6 von 8 Patienten mit Chordomen wurde mit Neonbestrahlung eine lokale Tumorkontrolle erzielt, im Vergleich dazu nur bei 12 von 32 Patienten, die mit Heliumionen behandelt worden waren. Bei Patienten mit juxtaspinalen Sarkomen (Osteosarkome, Neurofibrosarkome, maligen fibrösen Histiozytomen etc.) wurde bei 16 von 29 Patienten eine lokale Tumorkontrolle erreicht (mediane Nachbeobachtungszeit von 32 Monaten). Resultate am MGH-HCL Hug et al. berichteten 1995 über Langzeitresultate von Patienten nach Protonenbestrahlung von Tumoren des Stammskelettes [34]. Zwischen 1980 und 1992 waren 47 Patienten auswertbar, wobei die 5-Jahres-Kontrollraten und Überlebensraten bei Chordomen 53 bzw. 50% und bei Chondrosarkomen 100% betrugen. Für Osteosarkome wurde nach 5 Jahren eine lokale Tumorkontrollrate von 59% berichtet. Aufgrund der Metastasierungsneigung dieser Erkrankung war jedoch nur eine Gesamtüberlebensrate von 44% erreicht. 95 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.6: Bisherige klinische Resultate I.6.5 Hirnstamm- und Rückenmarkstumoren Resultate am UCSF-LBL Am UCSF-LBL wurde für die Teilchenbestrahlung von Tumoren, die teilweise oder vollständig den Hirnstamm oder das Rückenmark umschließen, eine spezielle Technik entwickelt [11, 23]. Durch den enormen Aufwand dieser komplexen Methode konnten bei den ersten 47 Patienten mit Chordomen, Chondrosarkomen, Meningeomen, Osteosarkomen und metastatischen Absiedelungen lokale Tumorkontrollraten von 62% erreicht werden (mediane Nachbeobachtungszeit: 20 Monate). Die Rate an radiogenen Schäden am Rückenmark oder Hirnstamm war trotz der hohen Enddosen von 60 GyE und darüber mit 6% bemerkenswert niedrig. Mit dieser Methode wurde unter Beweis bestellt, daß unmittelbar an hochsensiblen Strukturen gelegene Läsionen mit Dosen bestrahlt werden können, die in der gegenwärtigen „konventionellen“ Photonentherapie nicht erreichbar sind. I.6.6 Uveamelanome Über die Behandlung von Uveamelanomen mit Protonen oder Heliumionen wird seit nunmehr fast 20 Jahren berichtet. Aufgrund der Möglichkeit, mit diesen Strahlenqualitäten eine hohe Dosis an ein Zielvolumen meist geringer Größe zu verabreichen, können extrem hohe lokale Tumorkontrollraten von rund 96% erreicht werden. Dadurch gelingt in 85-94% der Fälle die Organerhaltung und bei knapp der Hälfte der Patienten auch die Erhaltung der Sehfähigkeit. Diese Behandlung wird mittlerweile in mehr als 10 Ländern der Welt durchgeführt. Als Pioniere der Teilchenbestrahlung von Uveamelanomen gelten Constable, Suit, Gragoudas et al. im MGHHCL [22, 29, 30, 61, 64] und am UCSF-LBL Char, Castro et al. [17, 18, 19, 20, 55, 59]. Resultate am MGH-HCL Am MGH-HCL und an der Massachusetts Augen- und Ohrenklinik (MEEI) wurden seit 1976 mehr als 1.500 Patienten bestrahlt [25, 30, 61, 64, 75]. In 5 Sitzungen (über 1-2 Wochen) wurden mittels Protonen Gesamtdosen um die 70 GyE appliziert. Bei einem Mindestabstand des Tumorvolumens von der Fovea oder dem Nervus opticus von 3 mm konnte bei zwei Drittel der Patienten ein hohes Maß an Visusschärfe erhalten werden. Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 96 Band I.6: Bisherige klinische Resultate Die Enukleationsrate betrug insgesamt lediglich 10% (primär bei Ziliarkörper - und/oder fovea-nahen Prozessen mit Tumordicken über 8 mm) [61, 64]. Gradoudas et al. berichtete bei 1.077 Patienten, die seit 1987 behandelt worden waren, über äußerst niedrige Lokalrezidivraten von 4% [30]. Die meisten Lokalrezidive waren Feldrandrezidive, lediglich 3 Patienten wiesen ein Rezidiv innerhalb des Bestrahlungsvolumens auf. Resultate am UCSF-LBL Am UCSF-LBL wurden zwischen 1978 und 1992 347 Patienten mit Heliumionen bestrahlt: Innerhalb einer Behandlungsdauer von 4-16 Tagen wurden mittels 4-5 Fraktionen Gesamtdosen zwischen 48 und 80 GyE appliziert. Unabhängig von der Dosis und der Tumorgröße wurden annähernd gleich hohe lokale Tumorkontrollraten von 96% beobachtet. Von diesen 347 Patienten sind 230 noch am Leben (mediane Nachbeobachtungszeit 75 Monate). 14 Patienten (4%) entwickelten ein Lokalrezidiv und benötigten entweder eine Enukleation oder eine neuerliche Bestrahlung. Von diesen 14 Patienten sind 6 an Fernmetastasen verstorben. Neunundvierzig Patienten (14%) mußten aufgrund von Komplikationen der Heliumbestrahlung enukleiert werden. Auch in dieser Serie bestätigte sich, daß Patienten mit Tumorlokalisationen nahe am Nervus opticus oder der Fovea eine geringere Chance auf die Erhaltung (oder Verbesserung) ihres prätherapeutischen Sehvermögens aufweisen. Insgesamt konnte das Sehvermögen bei 81 Patienten nach einer Nachbeobachtungszeit von mindestens 5 Jahren ausgewertet werden: als stärkste Risikofaktoren hinsichtlich einer Verschlechterung des Visusresultates erwiesen sich zunehmende Tumorgröße, abnehmende Distanz zur Fovea, sowie verminderte Visusschärfe vor der Bestrahlung [59]. Char et al. publizierten 1993 die Ergebnisse einer randomisiert prospektiven Untersuchung an 184 Patienten mit Uveamelanomen, die alternativ einer Heliumionentherapie oder einer Brachytherapie mittels Jod-125-Plaques zugeführt wurden [20]. Trotz augenscheinlich äquivalenter Dosierung war im brachytherapeutischen Arm eine signifikant höhere Lokalrezidivrate zu beobachten; ebenso wurde nach Brachytherapie häufiger enukleiert. Nach Heliumionenbestrahlung von Tumoren im vorderen Uveasegment traten häufiger Komplikationen auf. Die lokale Tumorkontrolle war im Heliumarm signifikant höher (100% gegen 87% im Brachytherapie-Arm), die Rate an Enukleationen war signifikant niedriger (9% 97 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.6: Bisherige klinische Resultate gegen 17%). Die Autoren zogen den Schluß, daß vor allem für dorsal im Bulbus gelegene Läsionen die Teilchenbestrahlung die überlegene Therapieform darstellt. Derzeit entwickeln ca. 20% aller Patienten mit Uveamelanomen in weiterer Folge Fernmetastasen. Diese Metastasierung ist Ausdruck präexistenter Mikrometastasen zum Zeitpunkt der Primärtumorbestrahlung [66]. Eine besondere Stellung nehmen Melanome, die den Ziliarkörper (mit-)betreffen, ein; im Vergleich mit allen anderen Uveamelanomen weisen diese Patienten eine schlechtere Prognose auf. Decker und Mitarbeiter [24] berichteten über 54 Patienten mit Ziliarkörpermelanomen, die zwischen 1978 und 1985 einer Helium-Ionenbestrahlung zugeführt worden waren. Trotz der hohen lokalen Tumorkontrollrate von 98% betrug aufgrund der hohen Metastasierungsrate bei diesem Kollektiv das tumorfreie Überleben nach 5 Jahren nur 59 %. Wichtigster Prognosefaktor war auch hier die Tumorgröße. Aufgrund der Lokalisation lag die Inzidenz der neovaskulären Glaukome nach 5 Jahren bei 43% und die Rate schmerz- oder glaukombedingter Enukleationen bei 26%. Mittlerweile stellt die Protonentherapie von Uveamelanomen eine etablierte Methode dar, wobei in mehr als 10 Ländern eine große Zahl von Patienten erfolgreich behandelt werden konnte: So wurden am Paul-Scherrer-Institut/Schweiz rund 1.500 Patienten bestrahlt, im Protonentherapiezentrum Orsay/Frankreich 400 Patienten, im Zentrum Antoine Lacassagne, Nizza/Frankreich rund 340 Patienten, und an der Douglas Cyclotron Unit, Clatterbridge/Großbritannien über 500 Patienten [21, 26, 72]. Offene Fragen bestehen hinsichtlich der Reduktion der Vorderkammerglaukomrate und der Entwicklung effektiver Therapieformen für Patienten, die ein hohes Metastasierungsrisiko aufweisen. Weitere Dosisreduktionen und die Verwendung von Mehrfeldtechniken sollen die Rate an Komplikationen vermindern helfen; diesbezüglich sind Studien am UCSF-LBL im Gange (in Verwendung des Crocker Nuclear Laboratory Cyclotron). An der MGH-HCL-MEEI ist eine randomisierte Protonenstudie beendet worden, wobei 70 GyE gegen 50 GyE verglichen wurden, die Auswertung ist noch offen. Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 98 Band I.6: Bisherige klinische Resultate I.6.7 Arteriovenöse Malformationen Protonen und Heliumionen sind zur stereotaktischen radiochirurgischen Behandlung von arteriovenösen Malformationen (AVMs) mehrfach verwendet worden. Die Protonentherapie vom AVMs wurde von Kjellberg et al. am MGH-HCL eingeführt, wo über 1.300 Patienten bestrahlt wurden [37]. Am LBL sind seit 1980 über 400 Patienten mit inoperablen intrakraniellen AVMs mit Heliumionen behandelt worden [27, 52, 53]. Am Borodenko Neurochirurgischen Institut für theoretische und experimentelle Physik in Moskau, sowie am Leningrader Institut für Nuklearphysik, sind über 250 Patienten mit AVMs einer Protonenbestrahlung zugeführt worden [67]. Diese Behandlungen werden u.a. auch noch in Südafrika an der South African Proton Facility in Faure durchgeführt. Kjellberg berichtete 1988 über 709 Patienten mit einer 20jährigen Nachbeobachtungszeit; wonach in den meisten Fällen eine partielle oder komplette Obliteration erreicht werden konnte [37]. Die Autoren zogen den Schluß, daß eine Radiochirurgie mittels Protonen für inoperable AVMs eine hochgradig wirkungsvolle Therapieform darstellt. In einer Studie aus dem LBL wurde eine volumenabhängige Obliterationsrate nach Radiochirurgie mit Heliumionen berichtet. Für Volumina unter 40cm3 betrug die komplette angiographisch diagnostizierte Obliterationsrate 3 Jahre nach der Radiochirurgie zwischen 90 und 95%, für größere Behandlungsvolumina 60-70%. Die Gesamtobliterationsrate bei allen 230 Patienten (Zielvolumina bis 70cm3) lag bei 80-85%. Bei Patienten, die weniger als 25 GyE erhielten, wurden bis dato keine Komplikationen registriert. Lediglich bei höherer Dosierung mußten z.T. schwere Komplikationen bis hin zu symptomatischen vasogenen Ödemen und Vaskulopathien festgestellt werden [27]. Trotz der Effektivität der Methode liegen die Nachteile einer Teilchenbestrahlung von AVMs in der langen Periode bis zur kompletten Obliteration. Die Rolle der Protonen im Vergleich zur stereotaktischen Radiochirurgie am Linearbeschleuniger ist noch nicht definitiv gesichert. Bei großen irregulären Läsionen, die mit herkömmlichen stereotaktischen Photonentechniken nicht mehr erfaßbar sind, können Protonen entscheidende Vorteile bieten. 99 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.6: Bisherige klinische Resultate I.6.8 Klinische Erfahrungen mit Teilchenbestrahlung mit hohem linearen Energietransfer (High-LET) I.6.8.1 Speicheldrüsenkarzinome Weltweit sind bis dato Hunderte von Patienten mit nicht resezierbaren Speicheldrüsenkarzinomen in Phase I / II Studien mit high-LET-Strahlen bestrahlt worden. Alle diese Untersuchungen zeigten verbesserte Therapieresultate im Vergleich mit konventionell bestrahlten historischen Kollektiven [45, 84]. 1993 wurde über eine Phase III RTOG/MRC Neutronen Studie an Patienten mit nichtresektablen Speicheldrüsenmalignomen berichtet [45]. Zwölf Patienten wurden mit konventioneller Photonen- oder Elektronentherapie behandelt; 13 Patienten wurden mit Neutronen bestrahlt. Die 10-Jahres-Analysen zeigten einen signifikanten Vorteil in der lokalen Tumorkontrolle zugunsten der Neutronen (56% gegen 17%), obwohl kein Unterschied im Gesamtüberleben gezeigt werden konnte. Die Neutronenpatienten zeigten primär eine hohe Rate an Fernmetastasen, wohingegen im konventionellen Arm lokoregionäre Rezidive vorherrschten. Schwere Nebenreaktionen waren im Neutronenarm häufiger, tödliche Komplikationen wurden nicht beobachtet. Am LBL behandelten Linstatt et al. 18 Patienten mit primär inoperablen oder rezidivierten Speicheldrüsenmalignomen mit high-LET-Neonionen. Die lokale Tumorkontrollrate nach 5 Jahren betrug 61%, das krankheitsfreie Überleben 59% [57]. Eine Nachfolgeanalyse 1995 zeigte abermals eine signifikant hohe lokale Tumorkontrolle und Überlebensrate von ca. 50% [10]. Im Vergleich von high-LET-Bestrahlungen mit einer „klassischen“ Photonentherapie hat sich die high-LET-Behandlung als überlegene Therapieform beim nicht oder nur teilweise resezierten Speicheldrüsentumoren erwiesen. I.6.8.2 Prostatakarzinom Bei langsam wachsenden Tumoren wie dem Prostatakarzinom kann sich eine high-LETTeilchenbestrahlung aus mehreren Gründen als vorteilhaft erweisen: Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 100 Band I.6: Bisherige klinische Resultate Unterschiede in der Empfindlichkeit während verschiedener Zellzyklusphasen werden eliminiert. Darüber hinaus sind bei diesen Tumoren oft hypoxische Areale vorhanden, die gegenüber einer low-LET-Bestrahlung wesentlich radioresistenter sind. Die modernen Konformationstechniken in der Bestrahlung des Prostatakarzinomes finden auch in der Hadronentherapie Anwendung. Zur Zeit sind zwei Phase III-Studien der RTOG/Neutron Therapy Clinical Working Group abgeschlossen, in denen eine Neutronen- mit einer Photonenbestrahlung für lokal fortgeschrittene Prostatakarzinome verglichen wurde [47,69]. Zwischen 1977 und 1983 wurden in der ersten Studie 91 Patienten in den Tumorstadien T3 N0 oder N1 entweder mit Hochvoltbestrahlung (36 Patienten) oder gemischter Photonen/Neutronentherapie behandelt (55 Patienten) [47]. Die 10-Jahres-Analysen zeigten einen signifikanten Vorteil für den Neutronenarm in puncto lokaler Tumorkontrolle (70% gegenüber 58% in der Photonengruppe), ebenso zeigte sich ein klarer Vorteil hinsichtlich des Gesamtüberlebens (46% gegenüber 29% im Photonenarm) [46]. In der zweiten Studie wurden ab 1986 172 Patienten in den Tumorstadien T2-4; N0-1 analysiert, wobei 87 Patienten mit Neutronen und 85 mit Photonen behandelt wurden. Abermals waren nach 5 Jahren die mittels Neutronen bestrahlten Patienten hinsichtlich der lokalen Tumorkontrolle signifikant im Vorteil (89% gegenüber 68% im Photonenarm) [69]. Zu diesem Zeitpunkt wurden keine signifikanten Unterschiede im krankheitsfreien- oder Gesamtüberleben beobachtet. Schwere Spätreaktionen waren in der Neutronengruppe häufiger (11% gegenüber 3%). Trotz der höheren lokalen Tumorkontrollrate in den Neutronenarmen der beiden Studien bleibt die Rolle einer Neutronentherapie in der Behandlung lokal fortgeschrittener Prostatakarzinome unklar. Vor allem im Hinblick auf die zwischenzeitlich publizierten Resultate nach neoadjuvanter antiandrogener Therapie und konformaler Photonenbestrahlung kann die Wertigkeit der beiden Bestrahlungsmodalitäten derzeit nicht geklärt werden. Interessant ist der therapeutische Ansatz, der im UCSF-LBL gewählt wurde: In einer kleinen Studie an 23 Patienten wurden Boostbestrahlungen der Prostata nach herkömmlicher Photonenbeckenbestrahlung mit Neonionen durchgeführt. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 51 Monaten zeigten lediglich 2 Patienten ein gesichertes 101 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.6: Bisherige klinische Resultate Lokalrezidiv. Nach 7,5 Jahren liegt die Tumorkontrollrate bei 85% und die Überlebensrate bei 64% [10]. Die Applikation von high-LET-Teilchenstrahlung scheint die Lokalrezidivrate auch bei lokal fortgeschrittenen Tumoren auf 10 - 15% zu reduzieren. Allerdings entwickelten 3 dieser 23 Patienten z.T. schwerere Rektumkomplikationen, die möglicherweise auf die Neonboostbestrahlung zurückgeführt werden müssen. Die Dosisempfehlungen aus dieser kleinen Serie lauten 45-50 Gy Photonenbestrahlung des Beckens, gefolgt von einem Boost von 15-20 GyE, einer physikalischen Dosis von 5-7 Gy entsprechend. I.6.8.3 Weichteilsarkome Weichteilsarkome mit ungünstigen prognostischen Kriterien weisen permanente lokale Tumorkontrollraten von nur 35 - 38% auf, im Vergleich zu 80 - 90% bei anatomisch günstiger gelegenen Läsionen. Aus einigen Phase II Studien an insgesamt 297 Patienten mit Weichteilsarkomen und ungünstigen Prognosefaktoren wurden nach Neutronentherapie lokale Tumorkontrollraten von 53% berichtet [44]. Ähnliche Verbesserungen wurden für Osteosarkome und Chondrosarkome berichtet [33]. Nachdem noch keine Resultate aus Phase III Studien vorliegen, kann trotz ermutigender Zwischenresultate keine abschließende Beurteilung hinsichtlich der Rolle von high-LET-Strahlen bei Sarkomen gefällt werden. Zwischen 1978 und 1989 wurden 32 Patienten mit Weichteilsarkomen und ungünstigen Prognosefaktoren im LBL einer Radiotherapie mit Helium- und/oder Neonionen einer Behandlung unterzogen [56, 68]. Bei 22 Patienten befand sich die Tumorlokalisation am Stamm, bei 10 Patienten im Kopf/Halsbereich; bei 22 Patienten lag zum Zeitpunkt der Bestrahlung ein makroskopischer Tumor vor. Bei den überlebenden Patienten konnte nach 3 Jahren eine lokale Tumorkontrollrate von 62% erzielt werden, die korrespondierende Überlebensrate betrug 50%. Patienten mit makroskopischen Tumoren erreichten nach 3 Jahren lokale Tumorkontrollraten von 48%, wohingegen bei allen Patienten mit mikroskopischen Residuen eine lokale Tumorkontrolle von 100% erreicht werden konnte. Die korrespondierenden Überlebensraten nach 3 Jahren betrugen 40% bei Patienten mit makroskopischen Resten und 78% bei Patienten mit mikroskopischen Residuen. Patienten mit retroperitoneal gelegenen Sarkomen zeigten einen günstigeren Verlauf mit lokalen Tumorkontrollraten von 64% und eine Gesamtüberlebensrate Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 102 Band I.6: Bisherige klinische Resultate von 62%. Die Komplikationsrate wurde als akzeptabel bezeichnet, therapieassoziierte letale Komplikationen wurden keine beschrieben. In einer neuerlichen Analyse von 1992 bestätigte sich der günstige Trend; nach 5 Jahren lagen die Überlebensraten bei 42% und die lokalen Tumorkontrollraten bei 59% [10]. I.6.8.4 Knochensarkome Zwischen 1979 und 1989 wurden am LBL 17 Patienten mit prognostisch ungünstigen Knochensarkomen (Osteosarkome, Ewing-Sarkome, Osteoblastomrezidive) zur Gänze oder teilweise einer Bestrahlung mit Helium- und/oder Neonionen zugeführt [82]. Die Mehrzahl dieser Tumoren war in unmittelbarer Nachbarschaft von kritischen Organstrukturen wie dem Rückenmark gelegen. Zum Zeitpunkt der Bestrahlung lag bei 15% ein makroskopischer Befall vor (davon 6 Rezidivtumoren). Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 40 Monaten betrug die 5-Jahres-Überlebensrate 41%. Über die Hälfte der Patienten verstarb an der Fernmetastasierung. Eine 1995 durchgeführte Folgeanalyse bestätigte diese Resultate, wobei nach 5 Jahren lokale Tumorkontrollraten von 59% und Überlebensraten von 45% berichtet wurden [10]. I.6.8.5 Kopf/Halstumoren Die bisherigen Resultate mit high-LET-Neutronenbestrahlungen für Kopf/Halskarzinome waren weniger ermutigend. Es wurden zwei Phase III Studien der RTOG durchgeführt, in denen eine alleinige Neutronen- mit einer Photonenbestrahlung und eine gemischte Neutronen/Photonentherapie mit alleiniger Photonenbehandlung verglichen wurde. Im ersten Ansatz konnte ein Vorteil für die Neutronengruppe hinsichtlich kompletter lokaler Remissionsraten erzielt werden (52% gegenüber 17%), der sich jedoch nicht in einem Gesamtüberlebensvorteil niederschlug [31]. In der zweiten Studie konnte auch hinsichtlich der lokalen Tumorkontrolle kein Vorteil für den high-LET-Arm beschrieben werden [32]. Die lokale Kontrolle von Halslymphknotenmetastasen war im gemischten Neutronen/Photonenarm statistisch der Kontrollrate nach Photonenbestrahlung überlegen (komplette Remissionsraten 69% gegenüber 103 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.6: Bisherige klinische Resultate 55%; nach 2 Jahren regionäre Kontrollraten 46% gegenüber 33%), ohne das Gesamtüberleben zu beeinflussen [85]. Von Maor et al. stammt eine Analyse der jüngsten internationalen HNO-Tumor-Studie aus mehreren Zentren in den Vereinigten Staaten und Großbritannien [60]. In dieser Studie wurden 20,4 Gy Neutronen (12 Fraktionen über 4 Wochen) mit 70 Gy Photonen (35 Fraktionen über 7 Wochen) bei lokal fortgeschrittenen Plattenepithelkarzinomen des Oropharynx, Laryngopharynx und der Mundhöhle verglichen. In der Neutronengruppe wurde eine erhöhte komplette Remissionsrate beschrieben; in der abschließenden Analyse zeigten sich allerdings keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der lokoregionären Tumorkontroll- oder Überlebensrate, obwohl ein Trend zu Gunsten des Neutronenarms zu verzeichnen war. Die Komplikationsrate war im Neutronenarm erhöht. In einer Phase I/II Studie am LBL an 13 Patienten mit lokal fortgeschrittenen HNO-Tumoren konnten bislang ebenso keine Vorteile zu Gunsten einer Neonionenbestrahlung demonstriert werden [14, 57]. Allerdings waren in dieser Studie die verwendeten Dosen niedrig, so daß mit Dosiseskalationen durch konformale Therapie die Resultate verbessert werden könnten. I.6.8.6 Gallengangskarzinome Schöntaler et al. analysierten retrospektiv 48 Patienten mit Gallengangkarzinomen, die postoperativ einer Radiotherapie am UCSF-LBL zwischen 1977 und 1987 zugeführt worden waren [73]. Dreißig Patienten erhielten eine Photonentherapie (mediane Dosis 54 Gy), während 18 Patienten mit Helium und/oder Neonionen (mediane Dosis 60 GyE) bestrahlt wurden. Sechsunddreißig dieser Patienten hatten zum Zeitpunkt der Radiotherapie makroskopische Tumorresiduen, die übrigen mikroskopische Residuen. Die Gesamtüberlebensrate nach 2 Jahren betrug 28%: 44% für die mit high-LET bestrahlten Patienten und 18% für die lediglich mit Photonen bestrahlten Patienten. Das mediane Überleben lag in der ersten Gruppe bei 23 Monaten, in der zweiten bei 12 Monaten. Auch war die lokale Tumorkontrolle bei den 18 Patienten, die einer Hadronenbestrahlung zugeführt worden waren, signifikant erhöht. Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 104 Band I.6: Bisherige klinische Resultate I.6.8.7 Pankreaskarzinome Über die Anwendung von Hadronen liegen zwei randomisiert prospektive Studien vor: In einer RTOG-Studie wurde an 49 Patienten der Einsatz von Photonen gegenüber einer gemischten Neutronen/Photonenbestrahlung, sowie einer alleinigen Neutronentherapie verglichen. Aufgeschlüsselt nach der verwendeten Strahlenqualität betrugen die medianen Überlebensraten bei Neutronen 5,6 Monate, bei gemischten Strahlenqualitäten 7,8 Monate, und bei Photonen 8,3 Monate [79]. Eine Studie der NCOG verglich an 49 Patienten den Einsatz von Heliumionen gegenüber Photonen; das mediane Überleben war 7,8 Monate für die Helium-, und 6,5 Monate für die Photonentherapie (nicht signifikant) [58, 86]. Die Resultate aller mit Neonionen behandelten Patienten zeigten vergleichbare Überlebensraten gegenüber den derzeitigen Radiotherapien mit Photonen. Ähnliche Ergebnisse wurden in kleinen Analysen bei der Bestrahlung von Magenkarzinomen und Ösophaguskarzinomen mit Neonionen publiziert [57,16]. I.6.8.8 Maligne Gliome In einer Dosisfindungsstudie der RTOG wurden insgesamt 190 Patienten einer gemischten Photonen/Neutronentherapie zugeführt. Das mediane Überleben lag bei 9,9 Monaten bei Patienten mit einem Glioblastoma multiforme; anaplastische Astrozytome zeigten ein medianes Überleben von 22 Monaten. Die unterschiedlichen Neutronendosen bewirkten keine Änderung des medianen Überlebens [43] und sind denen der herkömmlichen Hochvolttherapie nicht überlegen. Am LBL wurden 16 Patienten mit Neonionen bestrahlt, wobei nur ein Patient mit einem anaplastischen Astrozytom überlebte [15, 57]. Eine Folgestudie über hochdosierte Neonionenbestrahlung an weiteren 14 Patienten mit Glioblastomen zeigte keinen signifikanten Überlebensvorteil. 105 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.6: Bisherige klinische Resultate I.6.8.9 Nicht kleinzellige Lungenkarzinome (NSCLC) 102 Patienten mit NSCLC wurden in einer randomisierten RTOG Studie einer Radiotherapie mit Neutronen, Photonen oder einer gemischten Neutronen/Photonen-Bestrahlung zugeführt [42]. Zwischen den Therapiearmen zeigte sich kein signifikanter Überlebensunterschied; die 3-Jahres-Überlebensraten betrugen 8% für die Photonengruppe, 16% für die gemischten Strahlenqualitäten und 5% für die Neutronentherapie. Tödliche Komplikationen und radiogene Myelitiden wurden nur in der Neutronentherapiegruppe beobachtet. In einer kleinen Serie vom LBL an 20 Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC, die einer Neonionenbestrahlung zugeführt worden waren, wurden nach 5 Jahren Überlebensraten von nur 5% erzielt [57]. Tabelle 3.3-1: Ergebnisse nach Teilchenbestrahlung von Schädelbasistumoren. Lokale Tumorkontrolle nach 5 Jahren UCSF-LBL MGH-HCL Meningeome: 85% 100% Chondrosarkome: 78% 95% Chordome: 63% 62% Andere Sarkome: 58% 59% Meningeome: 82% 100% Chondrosarkome: 83% 95% Chordome: 75% 81% Andere Sarkome: 71 % 44% Überleben nach 5 Jahren UCSF-LBL: mediane Nachbeobachtungszeit 53 Monate (4-201 Mo) MGH-HCL: mediane Nachbeobachtungszeit 40 Monate (2-211 Mo) Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 106 Band I.6: Bisherige klinische Resultate Literatur [1] Austin JP, Urie M, Cardenosa G et al. Probable causes of recurrence in patients with chordoma and chondrosarcoma of the base of skull and cervical spine. Int J Radiat Oncol Biol Phys 1993; 25(3); 439. [2] Austin-Seymour M, Munzenrider J, Goitein M et al. Fractionated proton radiation therapy of chordoma and low grade chondrosarcoma of the base of the skull. Neurosurgery 1989; 70; 13. 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Eine prospektive Studie mit einer Randomisierung zwischen 50 und 70 CGE wurde initiiert und durchgeführt, um den Effekt einer niedrigeren Zielvolumendosis auf die Visusveränderungen zu untersuchen. Die Studie wurde bereits abgeschlossen, aber längere Nachbeobachtungszeiten sind noch erforderlich, um die Durchführbarkeit und den tatsächlichen Effekt der niedrigeren Zielvolumendosis vollständig zu analysieren. 2. Chordome / Chondrosarkome der Schädelbasis Über 400 Patienten mit Chordomen oder Chondrosarkomen der Schädelbasis oder des Achsenskeletts erhielten eine Protonenbestrahlung. Die Mehrzahl der Patienten wurde im Rahmen einer kooperativen prospektiven Studie (PROG Protokoll 85 - 26) zwischen dem Allgemeinen Krankenhaus Massachusetts / Harvard Cyclotron Laboratorium und dem medizinischen Zentrum der Loma Linda-Universität behandelt. Die initiale Randomisierung der Patienten erfolgte im Hinblick auf die Dosis von 66,6 CGE oder 72,0 CGE bezogen auf das Zielvolumen. Die lokale 5 Jahres-Tumorkontrollrate für Chondrosarkome im Schädelbasisbereich ist größer als 95 %. Für Chordome beträgt der entsprechende Wert etwa 60%. 115 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.7: Aktuelle klinische Studien Diese Daten sind mit historischen Angaben großer Institutionen in Beziehung zu setzen, welche konventionelle Bestrahlungsformen verwandten. Hierbei erreichen die besten Serien bis zu 40 % (Princess Margaret Hospital: 20% nach 5 Jahren). Bei weiteren Subgruppen-Analysen wurden zahlreiche Untergruppen mit unterschiedliche Risikofaktoren identifiziert. Zu der Hochrisikogruppe zählen Patientinnen mit Schädelbasis-Chordomen sowie Tumormanifestationen im cervicalen Wirbelsäulenbereich unabhängig von Geschlecht und Histologie. Zu der Niedrigrisikogruppe zählen Männer mit Chordomen im Schädelbasisbereich oder Chondrosarkome ohne geschlechtsspezifische Unterschiede. Daher wurde das aktuelle Protokoll modifiziert. Für Hochrisikopatienten erfolgt eine Randomisierung in Gruppen, welche entweder 72,0 CGE oder 97,2 CGE erhalten. In Bezug auf die Niedrigrisikogruppen wurde die Randomisierung mit entweder 66,6 CGE oder 72,0 CGE beibehalten. Im Vergleich zum initialen Studiendesign haben an dieser Studie bereits mehr Patienten als ursprünglich vorgesehen teilgenommen. Daher wird diese Studie in Kürze beendet. Die weiteren Ergebnisse bleiben abzuwarten. 3. Sarkome des Achsenskeletts Eine Vielzahl von osteogenetischen und chondrogenetischen paraspinalen Sarkomen wurde mit einer Protonenbestrahlung behandelt. Im Vergleich zur konventionellen Strahlentherapie zeigte sich in einer Analyse von 47 Patienten eine verbesserte lokale Kontrolle für die unterschiedlichen Histologien (E. Hug; IJROBP). 4. Weichteilsarkome der Kopf-Hals-Region Unter Berücksichtigung der schlechten Prognose der Patienten sowie der gravierenden Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität auf Grund funktioneller und kosmetischer Veränderungen stellen diese Tumoren eine besondere Herausforderung dar. Mehr als 50 Patienten wurden an dem Allgemeinen Krankenhaus Massachusetts und dem Medizinischen Zentrum der Loma Linda Universität behandelt. In einer Analyse von 34 Patienten (E. Hug) variierte die lokale Tumorkontrollrate in Abhängigkeit von den unterschiedlichen histologischen Untergruppen Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 116 Band I.7: Aktuelle klinische Studien sowie dem Differenzierungsgrad der Tumoren. Die lokale Kontrolle der gesamten Gruppe war größer als 60%. Unter Berücksichtigung der negativen Patientenselektion mit Tumoren im Rezidivstadium (Mehrzahl der Patienten) oder großen, im Schädelbasisbereich lokalisierten und teilweise infiltrierend wachsenden Resttumoren, erscheinen diese Daten günstiger als historische Daten auf der Basis konventioneller Bestrahlungen. 5. Tumoren der Nasennebenhöhlen 45 Patienten mit ausgedehnten Tumoren im Bereich der Nasennebenhöhlen (überwiegend Karzinome) erhielten eine aggressive Behandlung mit 76,0 CGE in Fraktionierungsschema. Bei den Patienten wurden am Morgen einem BID- zunächst 1,8 Gy Photonenbestrahlung appliziert. Nach einem zeitlichen Intervall von mindestens 6 Stunden erfolgte dann die Protonenbestrahlung (1,4 CGE). Die vorläufigen Ergebnisse zeigen bei 19 von 21 Patienten einen lokal kontrollierten Tumor. 2 Patienten verstarben mit Tumorrezidiv. Die Toleranz dieses vergleichsweise aggressiven Behandlungsregimes war zufriedenstellend. 6. Retinoblastome 13 Kinder wurden bisher behandelt, wobei eine gute akute Toleranz verbunden mit einer frühen Tumorregression feststellbar war. Bisher wurden keine Rezidive im Bestrahlungsfeld bei Patienten beobachtet, welche eine Dosis von 40 - 46 CGE mit 2 CGE pro Fraktion erhielten und bei denen die Therapie an 4 Tagen pro Woche auf der Basis einer 3 D-Bestrahlungsplanung erfolgte. Das Zielvolumen umfaßte den individuellen Tumor an unterschiedlichen Lokalisationen im Globus, die gesamte Retina hinter dem Äquator bzw. größere Anteile bei weiter fortgeschrittenen Tumoren. Wenn die Behandlung über ein einzelnes laterales Feld erfolgt, besteht keine Dosisbelastung jenseits der Mittellinie. Hieraus ergibt sich eine geringere Bestrahlung des gesunden Gewebes im Vergleich zur Behandlung mit Photonen. Die Reduktion des bestrahlten, gesunden Gewebes könnte ein wichtiger Bestrahlungsvolumen Faktor sein, was für die die Reduktion häufigste der Zweitmalignomhäufigkeit Todesursache bei erblich im bedingten Retinoblastomen darstellt. Diese sehr jungen Patienten (ca. 1 Jahr) sind als eine besondere 117 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.7: Aktuelle klinische Studien Herausforderung zu betrachten, weil eine allgemeine Anästhesie für die adäquate Immobilisation und Augenfixierung erforderlich ist. (Eine entsprechende Publikation ist in Vorbereitung). Entwickelt wurde eine neue Behandlungstechnik, welche die nahezu vollständige Aussparung der Knochenwachstumsregionen bei gleichzeitiger ausreichender Erfassung der Tumorregion mit Sicherheitssaum ermöglicht (Krengli, Hug). Im Kindesalter stellt das Retinoblastom den häufigsten Augentumor dar, welcher mit einer Häufigkeit von 1:15.000–30.000 auftritt. Die Zahl an Neuerkrankungen in Amerika beläuft sich auf geschätzte 200-350 pro Jahr Retinoblastome sind die Ursache für 5 % aller Erblindungen im Kindesalter. Diese Erkrankung kann als erbliche oder nicht erblich bedingte Form in Erscheinung treten und ein unioder bilaterales Befallsmuster aufweisen. Traditionell wurde die Enukleation als Behandlung der Wahl für den unilateralen Augenbefall betrachtet. Bei bilateraler Retinoblastommanifestation wurde die Enukleation des vergleichsweise stärker befallenen Auges empfohlen. Die konventionelle Radiotherapie hat sich als effektive, lokale Behandlungsmethode bei frühen Tumorstadien erwiesen. Bei Tumoren über 10 mm ist trotzdem die Enukleation des Auges in 30 % der Fälle erforderlich. Des weiteren müssen 80 - 90 % der Augen mit fortgeschrittenem Tumorbefall letztlich enukleiert werden. Ungeklärte Fragen im Rahmen der konventionellen Strahlentherapie beinhalten: 1. Die Reproduzierbarkeit der täglichen Einstellung, sowie mögliche, geographische Ungenauigkeiten. 2. Die Bestrahlung von Normalgewebe und der Effekt auf Wachstum und Entwicklung des Normalgewebes. 3. Das nachgewiesene potentielle Risiko der Zweitmalignominduktion im Bestrahlungsfeld, insbesondere bei Patienten, welche das Retinoblastomgen tragen. 7. Atypische und maligne Meningeome Etwa 7 % - 10 % aller Meningeome weisen atypische oder maligne Formen auf. In Amerika sind jährlich etwa 150 - 225 Neuerkrankungen zu verzeichnen. Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 118 Band I.7: Aktuelle klinische Studien Eine vergleichbare Zahl an Patienten erkrankt in Amerika jährlich an SchädelbasisChordomen und Chondrosarkomen. Unabhängig vom Ausmaß der chirurgischen Resektion rezidivieren die meisten Patienten mit malignen oder atypischen Meningeomen lokal. Daher wird im allgemeinen eine Bestrahlung als erforderlich betrachtet. Trotzdem sind die Ergebnisse auf der Basis der konventionellen Megavoltphotonenbestrahlung bis 60 Gy unbefriedigend, da je nach Histologie und Dauer der Nachbeobachtung eine lokale Rezidivrate von 30%-74% feststellbar ist. Atypische oder maligne Meningeome sind zumeist in der Konvexität, der parasagittalen Region oder am Os sphenoidale lokalisiert. Zwischen 1974 und 1995 wurden 34 Patienten an dem Allgemeinen Krankenhaus Massachusetts wegen eines atypischen oder malignen Meningeoms im Schädelbereich bestrahlt. Die Behandlung bestand aus einer Megavolt-Photonen- oder Protonenbestrahlung. Für maligne und atypische Meningeome zeigten sich statistisch signifikant verbesserte, lokale Tumorkontrollraten nach 5 bzw. 8 Jahren bei der Protonenbestrahlung im Vergleich zur Photonentherapie (80% versus 29 %). Für beide Tumorentitäten ergaben sich verbesserte Heilungsraten für eine Zielvolumendosis von mehr als 60 Gy. Eine kooperative, prospektive Studie durchläuft derzeitig den Genehmigungsprozeß am Allgemeinen Krankenhaus Massachusetts und dem medizinischen Zentrum der Loma LindaUniversität. In dieser prospektiven Studie sollen maligne Meningeome bis zu einer Gesamtdosis von 72 CGE und atypische Meningeome bis zu einer Dosis von 69 CGE behandelt werden. Eine ähnliche Rekrutierungsquote wie bei den Schädelbasischordomen soll erzielt werden. 8. Benigne Meningeome Patienten mit rezidivierenden oder partiell resezierten Meningeomen intrakranieller Lokalisation werden im Rahmen einer prospektiven Studie (PROG Protokoll 92 - 13) behandelt. Die Randomisierung erfolgt hierbei zwischen 55,8 CGE sowie 63 CGE. Meningeome liegen in etwa 20% aller primär intrakraniellen Neoplasien vor. In Amerika sind etwa 2000 Neuerkrankungen pro Jahr zu verzeichnen. Unkontrolliertes Tumorwachstum kann zu einer erheblichen Morbidität bis hin zum Tod führen. Die meisten Patienten werden primär chirurgisch behandelt, wobei das Ausmaß der Resektion jedoch variiert. Am Allgemeinen 119 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.7: Aktuelle klinische Studien Krankenhaus Massachusetts konnten vollständige Tumorresektionen bei 64% der Patienten durchgeführt werden. Ein vergleichbares Ergebnis wurde an der Universität von Florida erzielt. Demgegenüber erfolgten an den Universitäten von Kalifornien und San Francisco komplette Tumorresektionen nur in 38% der Fälle. In der MGH-Serie war die Wahrscheinlichkeit eines Tumorrezidives bei inkompletten Resektionen statistisch signifikant kleiner als bei subtotaler Tumorresektion (70% versus 55% nach 10 Jahren). In bezug auf die lediglich subtotal resezierten Tumoren waren an der UCSF Rezidivraten von 40% bzw. 100% nach 5 bzw. 10 Jahren feststellbar. Konventionelle Photonenbestrahlungen wurden bei inoperablen, inkomplett resezierten oder rezidivierenden Meningeomen bis zu einer Gesamtdosis von 50 - 55 Gy verwandt. Die UCSFErfahrungen illustrieren den vorteilhaften Effekt einer derartigen Behandlungsform. Nach alleiniger Operation beläuft sich die lokale Rezidivrate bei inkomplett resezierten Tumoren nach 5 bzw. 10 Jahren auf 40% bzw. 100%. Durch eine zusätzliche postoperative Bestrahlung (mittlere Dosis 52 Gy) konnten diese Werte auf 20% bzw. 52% verringert werden. Aus diesen Daten ist jedoch auch ersichtlich, daß trotz Operation und anschließender Bestrahlung bei einer erheblichen Zahl von Patienten ein Lokalrezidiv auftritt. Im Rahmen des Protonenprotokolls soll geprüft werden, ob eine ansteigende Tumordosis ohne Erhöhung der Dosis im umgebenden Normalgewebe zu einer verbesserten lokalen Tumorkontrollrate ohne ansteigende Häufigkeit der späten Nebenwirkungen führt. 9. Prostatakarzinome Eine Erhöhung der Bestrahlungsdosis führt zu einer verbesserten lokalen Tumorkontrolle. (Hanks, GE International Journal of Radiation Oncology, Biology and Physics). Im Rahmen einer früheren, randomisierten Studie wurden konventionelle Dosierungsschemata verglichen mit einer Dosiseskalation auf der Basis von Protonen am Allgemeinen Krankenhaus Massachusetts und kürzlich publiziert (Shipley WLI et al. JIRBP, 1995). Im Rahmen dieser Studie wurden T3 T4 Tumoren behandelt. Es zeigte sich eine verbesserte lokale Tumorkontrollrate für eine Dosis von 75,6 CGE im Vergleich zu einer Dosis von lediglich 67,2 CGE, was in der Untergruppe der histologisch wenig differenzierten Tumoren ein statistisch signifikantes Ergebnis darstellte. Es erscheint wahrscheinlich, daß bei kleineren Tumoren die Applikation einer höheren Dosis mit Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 120 Band I.7: Aktuelle klinische Studien Verbesserungen der lokalen Tumorkontrollraten einhergehen wird. Daher werden in der laufenden Studie des Allgemeinen Krankenhauses Massachusetts und dem medizinischen Zentrum der Loma Linda-Universität zwei Behandlungsarme verglichen. Diese Studie wird von der Proton Radiation Oncology Group (PROG 95 09) durchgeführt. Im Rahmen dieser Untersuchung erfolgt die Randomisierung zwischen 70,2 CGE sowie 79,2 CGE. Als Einschlußkriterien in diese Studie gelten: PSA Werte £ 15, Nx oder NO - Status sowie die klinischen Stadien TIP - T2B. Der Studienverlauf ist sehr befriedigend und die Anzahl der rekrutierten Patienten übersteigt die Protokollanforderungen. In einer aktuellen Auswertung des medizinischen Zentrums der Loma Linda Universität von mehr als 600 Patienten mit Prostatakarzinomen zeigen sich hinsichtlich des biochemischen erkrankungsfreien Überlebens die besten derzeit verfügbaren Ergebnisse. Im Vergleich zu publizierten, historischen Daten zeigte sich darüber hinaus eine Verringerung nennenswerter Nebenwirkungen insbesondere der rektalen Blutungen. 10. Glioblastoma multiforme Eine Pilotstudie ist am Allgemeinen Krankenhaus Massachusetts durchgeführt worden. Im Anschluß an die maximal mögliche Resektion erhielten die Patienten auf der Basis von schrittweise verkleinerten Zielvolumina letztendlich eine Gesamtdosis von 90 CGE im Bereich der potentiellen Tumorregion. Diese Daten wurden kürzlich analysiert und werden zur Publikation vorbereitet. Es zeigte sich, daß das mediane Überleben nach Beendigung der strahlentherapeutischen Behandlung auf 20 -22 Monate anstieg. Für diese spezifische Patientengruppe stellen die Resultate eine statistisch signifikante Verbesserung gegenüber einem durchschnittlichen medianen Übenleben von 11-13 Monaten nach konventioneller Strahlentherapie mit herkömmlichen Dosierungschemata dar. Die einzige Therapiemodalität, bei welcher über eine vergleichbare Verbesserung des Überlebens berichtet wurde, stellt die Brachytherapie dar. Sicherlich ist die strahlentherapeutische Induktion von Nekrosen durch das aggressive Behandlungsschema als ein wichtiges ungelöstes Problem zu betrachten. Zur Zeit wird das laufende Protokoll überarbeitet. 121 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.7: Aktuelle klinische Studien 11. Bronchialkarzinome Eine Pilotstudie für frühe Stadien eines Bronchialkarzinoms wird derzeitig an dem medizinischen Zentrum der Loma Linda-Universität durchgeführt. In Abhängigkeit von der Lungenfunktion sieht das Protokoll zwei Therapiearme vor. Bei Patienten mit guter Lungenfunktion ist die Applikation von 73 CGE in einem Zeitraum von 4 Wochen mit kombinierter Photonen- und Protonenbestrahlung vorgesehen. Die Therapie erfolgt in einem hyperfraktionierten, akzelerierten Bestrahlungsschema mit 1,8 Gy pro Fraktion BID. Im Rahmen der Photonenbestrahlung wird die Tumorregion sowie das Mediastinum erfaßt. Die Applikation der Protonentherapie erfolgt als Boost im Bereich der initialen Tumorregion. Bei Patienten mit einer schlechten Lungenfunktion sind 51 CGE in einem Zeitraum von 2 Wochen vorgesehen, wobei sich die Einzeldosis pro Fraktion auf 5,1 CGE beläuft. Die vorläufigen Ergebnisse sind ermutigend und weisen auf eine verbesserte lokale Kontrollrate ohne ansteigende, akute Morbidität hin. Die Langzeitergebnisse bleiben abzuwarten. 12. Pädiatrische Hirntumoren Momentan werden bei Kindern mit niedriggradigen Tumoren i.e. niedriggradige Astrozytome, Craniopharyngeome, Hypophysenadenome, etc. Protonenbestrahlungen mit konventionellen Dosierungsschemata angewandt. Der größte Vorteil besteht in einer Reduktion der Spätnebenwirkungen in dem im Wachstum befindlichen Gewebe. Ein Schwerpunkt in naher Zukunft wird die Erstellung formaler Protokolle eventuell mit Dosiseskalationen insbesondere bei niedriggradigen Astrozytomen mit residualem Tumor sein. Diese Entwicklung wird insbesondere von den Eltern und der Gruppe der pädiatrischen Onkologen mit großem Interesse verfolgt. Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 122 Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie I.8 Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie in der Welt K. Poljanc, T. Auberger I.8.1 Einleitung Bis ins Jahr 1996 waren weltweit 17 Protonen- und Leichtionen-Behandlungsanlagen in Betrieb, 15 davon im andauernden Patientenbetrieb. Seit 1996 nimmt die Anzahl der strahlentherapeutisch genutzten Anlagen immer weiter zu. Zumeist werden zur Erzeugung der Protonen bzw. ionisierenden Teilchen Beschleuniger im grundlagenphysikalischen Einsatz für Forschung und Entwicklung mit genutzt. Man findet daher Hadronentherapieanlagen meist als Teilprojekte von Großforschungsanlagen der Beschleunigerphysik. Die durch den physikalischen Forschungsbetrieb limitierten Strahlzeiten beschränken die Anzahl der Patienten. Nur im Loma Linda University Medical Center (LLUMC)/USA ist es gelungen, einen Protonen-Beschleuniger im alleinigen Spitalsbetrieb im Dauereinsatz zu führen. Ein weiteres im alleinigen Spitalsbetrieb befindliches Zentrum wird das im Bau befindliche North East Proton Therapy Center (NPT) am Massachusetts General Hospital in Boston/USA sein. Der Routinebetrieb dieser klinikgestützten Protonentherapieanlage wird in etwa 1 ½ Jahren beginnen. Im folgenden Überblick soll die Verteilung der im Betrieb befindlichen Protonen- und Ionenbestrahlungsanlagen veranschaulicht werden, wobei die Protonenanlagen rot, die Ionenanlagen schwarz dargestellt sind. Das in Klammer gesetzte Zentrum der Gesellschaft für Schwerionenforschung (GSI) in Darmstadt/Deutschland befindet sich im Probebetrieb und kann zur Zeit nur auf wenige behandelte Patienten verweisen. Für den ausschließlichen Spitalsbetrieb ist nur die Anlage im Loma Linda University Medical Center (LLMUC)/Kalifornien/USA konzipiert. Loma Linda liegt in der Anzahl der mit Protonen behandelten Patienten weltweit in Führung. HIMAC (Heavy Ion Medical Accelerator Center) in Chiba/Japan ist das zur Zeit einzige im Routinebetrieb befindliche Ionenzentrum der Welt. Nachfolgend sei anhand der überarbeiteten Quelle [1] ein Überblick über die derzeit in Betrieb befindlichen Zentren aufgezeigt: 123 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie Uppsala Vancouver Boston Dubna Gatchina Moscow Clatterbridge Orsey Nice PSI Villigen Louvrain-la-Neuve (GSI) Chiba Tsukuba Loma Linda Indiana Sacramento Faure Abbildung 8.1-1: Weltweite Hadronentherapieanlagen. Nachfolgende Tabelle listet die Patientenzahlen und die Zeiträume der Datenerhebung der Zentren auf. Der Zeitraum der Datenerhebung kann sich in einigen Fällen auch auf den Zeitraum des Patientenbetriebs beziehen (Berkeley, Indiana University, Louvain-la-Neuve). Von den Zentren der ehemaligen Sowjetunion liegen nur vereinzelte Daten vor. Tabelle 8.1-1 bezieht sich in überarbeiteter Form auf Quelle [2] und [3]. Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 124 Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie Tabelle 8.1-1: Therapiezentren an Protonen- und Ionen-Quellen nach Jahren und Betriebsphasen. Zentren Land Berkeley 184 CA.USA Berkeley CA. USA Uppsala Harvard Dubna ITEP Moskau Los Alamos St. Petersburg Berkeley Schweden MA. USA Rußland Rußland NM. USA Rußland CA. USA Teilchen- Energie Patienten BetriebsAnmerkungen art (MeV) zeiten p 740 30 1954-57 keine Behandlung He 2054 1957-92 Juni 91 keine Behandlung p 185 73 1957-76 keine Behandlung p 160 7694 1961-98/1 p 680 84 1967-74 keine Behandlung p 200 3039 1969-96/5 pi 230 1974-1982 keine Behandlung p 1000 1029 1975-97/12 heavy ion 433 1975-1992 Juni 91 keine Behandlung Chiba Japan p TRIUMPF Canada pi PSI (SIN) Schweiz pi PMRC, Japan p Tsukuba PSI Schweiz p Dubna Rußland p Uppsala Schweden p Clatterbridge England p Loma Linda USA p Louvain-laBelgien p Neuve Nice Frankreich p Orsey Frankreich p NAC Faure Süd Afrika p IUCF Indiana IN. USA p UCSF-CNL CA. USA p HIMAC Chiba Japan heavy ion TRIUMF Canada p PSI Schweiz p GSIDeutschland heavy ion Darmstadt Berlin Deutschland p 86 520 250 72 62 250 90 65 200 200 200 125 96 1979-96/10 367 1979-93/12 keine Behandlung 503 1980-93 keine Behandlung 576 1983-97/7 2487 40 147 817 3433 21 1984-97/12 1987-97/12 1989-97/4 1989-97/7 1990-97/12 Spitalsbetrieb 1991-93/11 1010 956 263 1 162 389 37 9 2 1991-98/1 1991-97/5 1993-97/12 1993-97/12 1994-97/12 1994-97/8 1995-98/1 1996-97/12 1997-98/3 3 1998- Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie In Summe sind in den Jahren 1954 bis etwa 1997 25.985 Patienten einer Hadronentherapie zugeführt worden. Betrachtet man die Anzahl der Patienten nach den Teilchenarten, so wurden 1100 Patienten (=4,2%) mit Pionen, 2878 Patienten (=11,1%) mit schweren Ionen und 22007 Patienten (=84,7%) mit Protonen behandelt. Der überwiegende Teil der Tumoren fällt somit einer Therapie mit Protonen zu, die in folgenden Zentren behandelt wurden: · Harvard in Massachussets/USA (7694 Patienten), · Loma Linda in Kalifornien/USA (3433 Patienten), · ITEP Moskau/Rußland (3039 Patienten) und · PSI in Villigen/Schweiz (2487 Patienten). Erfahrungen mit Ionen stützen sich noch nicht auf eine solch umfangreiche Statistik. Das einzige zur Zeit im ständigen Betrieb befindliche Zentrum für Tumortherapie mit Ionen ist das Heavy Ion Medical Accelerator Center (HIMAC) in Chiba/Japan, in dem bis dato etwa 400 Patienten behandelt wurden. Tabelle 8.1-2: Anzahl der Protonenbestrahlungsanlagen nach Jahren. (> ... ansteigend, genaue Daten liegen nicht vor) 1990 1994 1996 1997/98 Gesamtzahl der Protonenbestrahlunsanlagen 10 16 17 21 Zentren mit Patientenbetrieb 10 14 15 16 geschätzte Anzahl an Patientenbehandlungen 876 1732 > > pro Jahr, weltweit Drei der bis ins Jahr 1996 in Betrieb befindlichen Zentren erzeugen hochenergetische Teilchen mittels Synchrotronen, neun mittels Zyklotronen und fünf Zentren verwenden Synchrozyklotrone. Der wesentliche Unterschied dieser Großgeräte liegt in der diskreten bzw. variablen Energiedisposition und in der Maximalenergie der erzeugten Teilchenpakete. Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 126 Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie Tabelle 8.1-3: Jährliches Patientenaufkommen gegliedert nach Protonenbestrahlungsanlagen. (> ... Tendenz steigend; < ... Tendenz sinkend) 1990 Teilt 1994 1996 1997/98 <= 10 Patienten / Jahr 3 2 < < 11 - 100 Patienten / Jahr 4 5-6 > > 101 - 200 Patienten / Jahr 2 3-4 > > 201 - 300 Patienten / Jahr 1 2 > > >= 400 Patienten / Jahr 0 1 > > man die bis ins Jahr 1996 weltweit im Patientenbetrieb befindlichen Hadronentherapieanlagen nach ihrer möglichen Maximalenergie, so kann in 5 Zentren (PSIAugen, Clatterbridge, Nice, ...) entweder aufgrund der Beschleuniger oder der Strahlführung eine maximale Energie von kleiner als 75 MeV erzeugt, bzw. weitergeleitet werden. In einigen Zentren (Chiba Protonen, Harvard (USA), Louvain-la-Neuve, ITEP-Moskau, Orsay, NAC-Faure, IUCF-Indianapolis) liegt die maximale Energie der Teilchen zwischen 75 und 200 MeV, nur bei wenigen Zentren (Loma Linda, PMRC-Tsukuba, St. Petersburg) können optimale Energiewerte für alle Tumoren erreicht werden. Um verschiedene Tumorarten in allen Gewebetiefen sicher erreichen zu können, sind Protonenenergien zwischen 235 und 250MeV nötig. Zentren mit geringerer maximaler Energie müssen sich auf geringere Eindringtiefen beschränken und sind daher in den Indikationen der zu behandelnden Tumoren stark eingeschränkt. Typisch dafür ist die Behandlung von Augentumoren bei geringer Energiedeposition im tief sitzenden Gewebe. Augentumoren können mit Energien zwischen 55 und 60 MeV bestrahlt werden [5]. 127 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie I.8.2 Weltweiter Trend zur Patientenbehandlung in den Jahren 1990-94 anhand der Zentrendaten Der allgemeine Trend der Behandlung von Tumoren ist der nachfolgenden Statistik zu entnehmen. Es zeigt sich, daß der Grundtendenz einer steigenden Patientenzahl durch die Errichtung von immer mehr Zentren Rechnung getragen wird. Die angefügte Übersicht behandelt die Jahre 1990 bis 1994 im Detail. Therapiezentren, die im Jahre 1990 noch nicht in Betrieb waren, scheinen daher nur in der Statistik des Jahres 1994 auf. Die Anzahl der Fraktionen ist nun vergleichbar mit der Anzahl der Fraktionen einer konventionellen Therapie. Dem Trend einer hochfraktionierten Therapie wird auch bei der Behandlung mit Protonen Rechnung getragen. 35% 30% 25% 20% Jahr 1990 Jahr 1994 15% 10% 5% LLUMC HCL PSI - Augen Orsay Moskau Nice Clatterbridge Tsukuba NAC St. Petersburg UCSF-CNL Uppsala Dubna Chiba 0% Abbildung 8.2-1: Prozentuelle Aufteilung der Patienten nach Zentren (Überblick 1990 und 1994). Die Anzahl der Patienten ist ein wesentlicher Aspekt zur Beurteilung der Etablierung eines Therapiezentrums. Allerdings sollten auch Daten zur Anzahl der gegebenen Fraktionen und zur behandelten Tumorart nicht außer Acht gelassen werden. Im Vergleich zur konventionellen Therapie liegt einer der in der Praxis bemerkbaren Unterschiede in der meist geringeren Anzahl Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 128 Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie der Fraktionen. Zu Beginn der Tumortherapie mit Hadronen beschränkte man sich auf nur wenige Fraktionen. Wie die Abbildung 8.2-2 erkennen läßt, hat sich dies in den letzten Jahren gründlich geändert. Die Einzelbestrahlungen nehmen einen geringen Anteil an allen Patientenbestrahlungen ein. (Anmerkung: Von Rußland liegen keine detaillierten Angaben vor und gehen daher in der nachfolgenden Statistik nicht ein). Der Trend geht eindeutig zu einer Fraktionierung in kleinere Dosen, wie sie bei der herkömmlichen Strahlentherapie üblich ist, bis hin zur Hyperfraktionierung (mehrmals tägliche Bestrahlung). 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Einzelfraktionen Abbildung 8.2-2: Prozentuelle Anzahl von 1994 1993 1992 1991 1990 Mehrfachfraktionen Einzelfraktionen im Vergleich zu Mehrfachfraktionen in den Jahren 1990-94. 129 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie Betrachtet man das Fraktionierungsverhalten gegliedert nach Einzelbestrahlungen und fraktionierter Therapie bei verschiedenen Tumorarten der Jahre 1990 bis 1994, so ergibt sich folgende Übersicht. Tabelle 8.2-1: Behandelte Tumorentitäten der Jahre 1990-1994 nach Einzel und Mehrfachfraktionen. Jahr Einzelbestrahlungen Hypophysentumoren AVMs Andere Fraktionierte Therapie (Mehrfachbestrahlungen) Uveale Melanome verschiedene Augenerkrankungen andere ausgewählte Tumoren, fraktioniert Prostata Chordome & Chondrosarkome Meningeome Leber Kopf und Hals Gliome Weichteilsarkome AVM etc. Nasennebenhöhlen Tumoren Hypophysentumoren Ösophagus Lunge Verschiedene 1990 1991 1992 1993 1994 3,8 14,1 0 3,7 11,4 0,6 1,5 4,9 1,1 1,6 3,5 1,3 1,3 5,6 2,2 59,8 3,5 59,8 2,6 53,8 3,3 52,6 3,7 48,8 4,9 1,0 5,1 0,9 1,7 0,7 0,7 0,7 0 0 0,3 0,9 0,7 6,4 1,1 5,2 1,8 1,6 1,1 0,7 1,2 0,4 0,5 1,3 0,6 0,6 5,5 14,2 4,3 1,9 1,4 2,1 2,2 0,5 0,4 1,1 1,6 0,4 0 5,5 16,4 5,6 1,6 1,8 1,8 1,0 0,6 1,1 0,8 0,6 0,1 0,1 5,6 14,9 4,9 2,6 1,9 1,9 1,8 1,1 0,8 0,8 0,6 0,1 0,1 5,8 I.8.3 Weltweit verwendete technische Einrichtungen zum Beamdelivery bzw. zur Aufweitung des Strahles Der herausragende Vorteil der Protonen- und Ionentherapie liegt in der exakten Deposition der Energie in ein vorher definiertes lokal begrenztes Tumorvolumen. Die meisten in Betrieb stehenden Anlagen stützen sich auf die Technik der passiven Streuung, wobei der Strahl in der Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 130 Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie lateralen Dimension durch Streufolien aufgeweitet wird. Die dritte Dimension der Abgabe der Dosis über einen definierten Tiefenbereich [6] kann mittels spezieller Vorrichtungen, wie rotierender Propeller, Ridge Filter, etc. gewährleistet werden. Um den Strahl lateral aufzuweiten, kommen abhängig von der Feldgröße einfache, doppelte, oder konturierte Streusysteme zum Einsatz. Typische Größenordnungen von erzielten Tiefen für Feldgrößen von 40cm im Durchmesser liegen bei 15cm (Harvard Cyclotron) [4]. Passive Streutechniken werden meist in der Adaption einer oder mehrerer Beamlines von bestehenden Physik-Beschleunigeranlagen verwendet. Durch passives Streuen können relativ große homogene Felder erzeugt werden. Durch diese Streutechnik nimmt man allerdings den Verlust einiger Eindringtiefen und Strahlintensitäten in Kauf. Als Alternative bietet sich hier aktives Scanning an. Die nur an einigen wenigen Zentren im Einsatz befindliche Technik basiert auf dem Prinzip der Rasterung einzelner Volumina. Zur Zeit wird eine Form der Rastertechnik am PSI in Villigen/Schweiz und am GSI in Darmstadt/Deutschland eingesetzt. Geplante Zentren, wie Med-AUSTRON/Österreich und TERA/Italien wollen diese Technik der Voxel-für-Voxel-Abrasterung in zeitabhängigen Schritten („microvoxel-scanning“) fix in ihr Programm aufnehmen. I.8.4 Weltweit verwendete Strahlendgeräte (Fixed Beam/Gantries) Um die Energiedisposition mittels Rasterscanning zu verwirklichen und um der herkömmlichen Strahlentherapie vergleichbare Behandlungstechniken einsetzen zu können, ist der Einsatz von drehbaren Strahlführungssystemen (Gantries) zur optimalen Behandlung von Patienten unumgänglich. Weltweit bildet noch das fixe Strahlrohr das häufigste Ende der Bestrahlungskette: Linearbeschleuniger - Kreisbeschleuniger - Beamlines – vertikales oder horizontales fixes Strahlrohr. Nur in Loma Linda sind drei Gantries seit nunmehr mehreren Jahren ständig im Einsatz. Die Tendenz der Strahlführung über eine Gantry ist steigend, man kann damit im optimalen Fall eine 4p-Geometrie (Einstrahlwinkel von allen Seiten) gewährleisten und so den Patienten im für ihn individuell günstigsten Winkel behandeln. Für Protonentherapieanlagen wurde im Forschungsbetrieb im Jahr 1996 am PSI in Villigen/Schweiz eine kompakte Gantry entwickelt. In Kashiwa/Japan werden ab 1999 zwei Protonengantries zum Einsatz kommen. Ein weiterer horizontaler Fixstrahl kann als Augenstrahl 131 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie eingesetzt werden. Der dazugehörige Behandlungsstuhl kann zu einem Tisch umgestellt werden und bietet die Möglichkeit der Gegenfeldbestrahlung im Kopf-Halsbereich und im Bereich des Körperstammes [7]. Am GSI in Darmstadt/Deutschland werden Überlegungen zur Installation einer 60° Gantry angestellt. Hier geht man von einer kompakten, nicht supraleitenden Gantry eventuell in Kombination mit einem vertikalen fixen Strahl aus. Um eine 4p-Geometrie gewährleisten zu können, wurden Überlegungen angestellt, die Lage des Patienten im Extremfall bis zu ± 15° aus der Horizontalen zu verändern. Für den täglichen Routinebetrieb ist die im Extremfall ständige Umlagerung und die damit verbundene Neueinstellung des Patienten schwer durchzusetzen [8]. Parallel dazu werden Überlegungen zur Entwicklung einer Gantry angestellt, die sich sowohl für den Protonen- als auch für den Ionenbetrieb eignet. Von den Zentren der ehemaligen Sowjetunion liegen derzeit keine detaillierten Daten vor. Sicher ist, daß in St. Petersburg, in Dubna und am ITEP in Moskau keine Gantries im Einsatz sind. An den genannten Anlagen werden Patienten mit Fixstrahlen an Forschungszentren behandelt. In Deutschland sind einige Zentren in Planung bzw. in Betrieb. Das Hahn-Meitner-Institut (HMI) in Berlin besitzt einen Beschleuniger mit fixem Strahlaustritt. Am deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg ist ein eigenständiges Protonen- und Ionenzentrum (1 horizontaler Fixstrahl, 2 Gantries) mit der technischen Unterstützung der GSI-Darmstadt in Planung. Eine Protonentherapieanlage in Erlangen ist im Projektzustand. Beim Erlangener Projekt soll ein kommerziell erhältliches Komplettsystem mit Fixstrahlen und Gantries mit privaten Sponsorengeldern finanziert werden. Es gibt weltweit 2 Firmen, die kommerziell erhältliche Protonenbestrahlungsanlagen anbieten: IBA/Brüssel und Optivus Technology/Loma Linda. Alle geplanten Zentren in Europa implementieren Protonengantries in ihre Anlagen. Alle drei für die Ionentherapie konzipierten Anlagen planen darüber hinaus auch die weit schwieriger zu realisierende Konstruktion von großen Ionen-Gantries für die Carbon-Ionentherapie. Das einzige zur Zeit primär für den Patientenbetrieb erbaute Ionenzentrum der Welt, HIMAC in Chiba (Japan), ist nur mit fixen Strahlaustritten (horizontale/vertikale und in Kombination) ausgestattet [9]. Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 132 Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie Ausstattung am Beispiel einiger Zentren: Loma Linda University Medical Center/Kalifornien/USA Linearbeschleuniger: für Protonen Kreisbeschleuniger: Synchrotron, 4 diskrete Energieniveaus, die durch „shifter“ variiert werden können, Konstruktion und Errichtung durch das Forschungszentrum Los Alamos/USA und durch die Firma Optivus 5 Beamlines: 3 Gantries und ein Fixstrahlraum zum Patientenbetrieb, 1 Strahl für den Forschungsbetrieb; auffällig ist bei näherer Betrachtung der Strahlführung, daß einige der Ablenkmagneten nicht horizontal gelagert sind. CT, MRI (Zur Planung werden zur Zeit nur CT Daten verwendet) Zur Lagerung der Patienten mit Tumoren am Körperstamm werden individuelle Schalen angefertigt. Für Patienten mit Tumoren im Kopf-Hals-Bereich werden Gesichtsmasken mit Vakuumsystem verwendet, wie sie auch in der konventionellen Präzisionstherapie zum Einsatz kommen. Der Augenstuhl ist, im Gegensatz zum Augenstuhl in Kashiwa, nicht zum Tisch umbaufähig. Für jeden Patienten werden individuelle Blöcke bzw. Keile angefertigt. Bestrahlungsprogramm: Parallel zum 3D Bestrahlungsprogramm des Massachussettes General Hospital ist das auf WinNT4.0/Win95/Win97 aufgesetzte Bestrahlungsplanungsprogramm, entwickelt von Dr. D. Miller im Einsatz. Für etwa 100 Patienten, die pro Tag einer Bestrahlung mit Protonen zugeführt werden, werden individuelle 3D-Pläne erstellt. Die Peripherie, wie CT, Bestrahlungsplanung, Mulagenraum, Computerräume, Büros, etc. nehmen im Vergleich zu anderen Zentren einen geringen Anteil ein, da sie teilweise – ebenso wie der gesamte Diagnostik – und Ambulanzbereich – nicht der Protonentherapie sondern institutsüberschreitend der gesamten Klinik für Radioonkologie zugeordnet sind. Chiba/Japan Beschleuniger: 2 übereinander gelagerte Kreisbeschleuniger (für „slow and fast extraction“), die nach der Extraktion in einer Beamline zusammengeführt werden. Beamlines: Die Beamlines erstrecken sich über 2 - 3 Geschosse, die eine vertikale Strahlführung in die beiden Behandlungsräume ermöglichen. Im ersten Behandlungsraum ist zusätzlich ein horizontaler Fixstrahl im Einsatz. Weiters bietet ein Strahl für biologische 133 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie Experimente ausreichende Möglichkeiten für strahlenbiologische und medizinphysikalische Forschung. Zur Bildgebung werden CT Schnittbilder herangezogen. Die Lagerung erfolgt in eigenen Schalen analog der Lagerung am Loma Linda University Medical Center. Zusätzlich wird bei manchen Patienten eine Synchronisation der Dosisabgabe mittels Atemtriggerung durchgeführt. Die Bestrahlungsplanung erfolgt mittels HIPLAN, einem 3 D-Bestrahlungsplanungsprogramm. Von der Ausstattung her ist reichlich Platz für die Patientenvoruntersuchung an CT, MRI und konventionellen Röntgeneinrichtungen. In jedem Bestrahlungsraum befindet sich ein CT zur Kontrolle der Bestrahlungsposition. I.8.5 Ausblicke Derzeit ist in den westlichen Staaten die Intention groß, die Kapazität für die Tumortherapie mit Hadronen erheblich zu erweitern und neue Therapie- und Forschungszentren zu errichten. Eine Zusammenfassung der geplanten Zentren in Europa und Übersee gibt der nachfolgende Überblick: Tabelle 8.5-1: Geplante Protonen- und Ionentherapieanlagen. Institution Land Energie Anmerkung in MeV Berlin NPTC (Harvard) Teilchen geplanter -art Zeitpunkt der Erstbestrahlung Deutschland p 1998 MA USA p 1998 Kashiwa Japan p 1998 235 INFN-LNS, Catalina Bratislava Italien p 1999 70 Slowakei p, ion 2000 75 CGMH, Northern Taiwan Taiwan HYOGO Japan p 2000 250 p, ion 2001 NAC, Faure p 2001 Südafrika Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 134 72 235 Zyklotron, Augentumoren Zyklotron 2 Gantries, 3 horizontaler Zyclotron 2 Gantries, 1 horizontaler 1 horizontal Zyclotron, Protonen und Ionen, + BNCT Synchrotron 3 Gantries, 1 Fixed beam 2 Gantries 2 horizontale, 1 vertikaler, 45° neuer Behandlungsraum mit Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie Tsukuba Japan Wakasa Bay Japan Shizuoka Cancer Japan Center CNAO, Italien Milano/Pavia p p 2001 270 2001? 2002? 230? 2002? Med-AUSTRON Österreich p, C-ion ? 235 Peking Zentralitalien Clatterbridge TOP / ISS Rome 3 Projekte in Moskau HIRFL, Lanzhou Jülich Krakau KVI Groningen Moskau Proton Development N.A.Inc. PROTOX 30° von der Vertikalen 2 Gantries, 1 Forschungsstrahl Mehrzweckbeschleuniger Synchrotron 2 Gantries, 1 horizontaler Synchrotron, 1 Gantry, 2 Fixed beam, 1 Forschungsstrahl Synchrotron, 2 Protonengantries, 1 Ionengantry, 1 Protonen Fixed, 1 Ionen fixed, 1 Forschungsstrahl Synchrotron Zyklotron, 1 Gantry, 1 Fixed Upgrading, Boost Linearbeschleuniger Linac, 1 Augenstrahl, Gantry? China Italien Großbritannien Italien Rußland p p p ? ? ? 250 p p ? ? 200 VR China Deutschland Polen NL Rußland IL USA C-ion p p p p p ? ? ? ? ? ? 60 200 320 300 1 Gantry, 1 Fixed beam Fixed beam Therapie und Forschung Großbritannien p 2001? 250 Synchrotron, 3 Gantries Forschungsstrahl, Therapie? 135 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie Tabelle 8.5-2: Zusammenstellung der Strahleigenschaft der zur Zeit fünf bedeutendsten Hadronentherapieanlagen im Vergleich mit der aus CERN geplanten Therapieanlage für Med-AUSTRON [10]. LLUMC Loma Linda/USA in Betrieb Protonen Passives Spreading Aktives Scanning Leichte Passives Ionen Spreading Aktives Scanning x MGH PSI HIMAC GSI MedBoston/ Villingen/ Chiba/ Darmstadt/ AUSTRON USA Schweiz Japan Deutschland Österreich in Betrieb x in Testphase x in Betrieb in Testphase teilweise Designphase x x X x x Im Gegensatz zu den bisher in Betrieb befindlichen Therapiezentren kann Med-AUSTRON sowohl Passive Streutechniken, als auch Aktives Scanning für Protonen und Leichte Ionen anbieten, sodaß erstmals für beide Strahlarten eine Präzision erreicht wird, die der stereotaktischen Bestrahlung mit Photonen deutlich überlegen ist. Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 136 Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie Literatur [1] überarbeitete Quelle: http://www-medical.kek.jp/WFacility.html [2] überarbeitete Quelle: http://www-medical.kek.jp/Wfacility.html [3] Particle Newsletter, No21, PTCOG, Editor J.M. Sisterson, January 1998 [4] Sisterson J.M., Proton Therapy in 1996; CP392; Application of Accelerators in Research and Industry, edited by J.L. Duggan and I.L.Morgan, AIP Press, New York,1997 [5] Goitein M. et al., Int. J. Radiat. Oncol. Biol. Phys. 9 (1983) 259-260 [6] Chu W.T. et al., Rev. Sci. Instr. 64 (1993) 2055-2122 [7] IBA, Proton Therapy System, Technical Description, July 1997 [8] Pawlovich M., GSI-Report and privat communication, as well as presentation at the GSI-Gantry workshop in Darmstadt, March 1998 and PTCOG XXIX, Heidelberg, Darmstadt [9] HIMAC/ Chiba/Japan [10] Bryant P., Benedikt M., Regler M.; Zusammenstellung einiger weltweit in Betrieb oder in Bau befindlichen Hadronentherapiezentren der Welt 137 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 138 Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick I.9 Entwicklung der Protonen- und Leichtionenradiotherapie im Licht der aktuellen Möglichkeiten der Strahlentherapie mit Photonen Zusammenfassung und Ausblick auf Med-AUSTRON R. Pötter, T. Auberger Fortschritte in der Tumorbehandlung sind innerhalb der letzten Jahrzehnte wesentlich durch die Weiterentwicklungen lokoregionaler Maßnahmen beeinflußt worden. Die Tumorkontrollrate konnte durch verbessertes chirurgisches Vorgehen in unterschiedlichem Ausmaß angehoben werden: Im Bereich des Abdomens geringfügig bei Tumoren des Pankreas und des Magens, deutlich bei Tumoren des Rektums, der Prostata und der Harnblase; im Bereich des Thorax geringfügig bei Tumoren des Ösophagus, z.T. deutlich bei Tumoren des Bronchus; in der Gynäkologie geringfügig bei Tumoren der Gebärmutter, deutlich bei Tumoren des Ovars; im Bereich der Kopf-Hals-Region nur geringfügig bei der Mehrzahl der Tumoren; im Bereich des ZNS deutlich bei gut abgrenzbaren Tumoren; bei Tumoren der Weichteile und Knochen deutlich bei der Mehrzahl der Tumoren. Abhängig von der biologischen Aggressivität dieser Tumoren führten diese Verbesserungen des chirurgischen Vorgehens über eine Steigerung der lokalen Tumorkontrolle zu einer Verbesserung der Heilungsraten. Bezogen auf die Lebensqualität der Patienten konnte des weiteren ein wesentlicher Fortschritt durch eine Reduktion mutilierender operativer Eingriffe erzielt werden. Hinsichtlich der lokoregionalen Tumorkontrolle gilt die Strahlentherapie nach der Chirurgie als zweitwichtigste onkologische Behandlungsform und wird bei einer Vielzahl von Tumoren entweder allein oder in Kombination mit einem operativen Verfahren eingesetzt. Verbesserungen auf dem Gebiet der lokoregionalen Tumorkontrolle 139 durch gezielten Einsatz Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick strahlentherapeutischer Maßnahmen sind nicht zuletzt auf gerätetechnische Weiterentwicklungen der Strahlentherapie zurückzuführen. Darüber hinaus ist es u.a. durch die Verbesserung radioonkologischer Behandlungstechniken zu einer deutlichen Reduktion strahlenbedingter Morbidität gekommen. Die medikamentöse onkologische Therapie, die in erster Linie der Bekämpfung klinisch okkulter und manifester metastatischer Absiedlungen dient, spielt eine zunehmend bedeutende Rolle bei metastastierenden Malignomen. Sie trägt aber nur in geringem Umfang zur Verbesserung der lokoregionalen Tumorkontrolle bei. Die aktuelle Forschung auf dem Gebiet der Strahlentherapie bedarf nennenswert großer technischer Einrichtungen. Technisch kostenintensive Institutionen profitieren mehr als chirurgische, chemotherapeutische oder immuntherapeutische Zentren von internationaler Zusammenarbeit. Darüberhinaus ist die Strahlentherapie in großem Umfang von der finanziellen Unterstützung öffentlicher Geldgeber abhängig, weil sie nur in geringem Ausmaß von der Industrie (z.B. Pharmafirmen) unterstützt wird. Innerhalb der europäischen Krebsforschungsstrategien - neuerlich publiziert durch die Kommission der EG unter dem Titel „European Cancer Research Strategies“ - wird der Hauptschwerpunkt auf die Weiterentwicklung der Strahlentherapie gelegt. Die hier vorgeschlagene Strategie für die Anhebung der lokoregionalen Tumorkontrolle besteht einerseits in einer Verbesserung der Strahlentherapie vor allem durch Qualitätssteigerung, andererseits in der Einführung und Evaluation neuer strahlentherapeutischer Behandlungsmethoden wie der Hadronentherapie, hier in erster Linie der Radiotherapie mit Leichtionen. Für Tumoren, die vor allem lokal wachsen und unter konventioneller Therapie (Photonen-, Elektronentherapie) als wenig strahlenempfindlich gelten, besteht die Möglichkeit, diese relative Strahlenresistenz durch Erhöhung der Strahlendosis zu überwinden. Eine Steigerung der Strahlendosis ohne wesentliche Steigerung der strahlentherapieassoziierten Morbidität kann nur dann erreicht werden, wenn spezifische Formen der Strahlentherapie eingesetzt werden, die das tumorumgebende Normalgewebe aussparen oder dies in geringerem Maße beeinträchtigen würden: Dies sind spezielle Techniken der Dosisapplikation (konformal, stereotaktisch, intraoperativ), spezielle Fraktionierungsschemata (hyperfraktioniert-akzeleriert), Teilchenstrahlung mit höherer biologischer Effektivität (Neutronen) und physikalischer Selektivität (Protonen). Leichtionen vereinigen die Vorteile der Neutronen und Protonen. Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 140 Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick Die Leichtionentherapie wurde am Lawrence Berkeley-Laboratorium der Universität von Kalifornien erstmals eingesetzt und untersucht. Weiters gibt es ein Forschungs- und Behandlungsprojekt am „Heavy Ion Medical Accelerator“ in Chiba/Japan (HIMAC). In Deutschland werden grundlegende Aspekte der Leichtionenstrahlen von der „Gesellschaft für Schwerionenforschung“ in Darmstadt in Kooperation mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg und der Radiologischen Universitätsklinik in Heidelberg bearbeitet [3]. I.9.1 Resultate der Strahlentherapie mit schweren Teilchen Neutronen, Protonen und Leichtionen Im Folgenden werden die bisher erzielten Resultate bei lokal wachsenden Tumoren, die gegenüber einer konventionellen Strahlentherapie als relativ strahlenresistent gelten, kurz zusammengefaßt. Nichtsdestoweniger erscheint es angezeigt, auf die Übersichtsarbeiten in diesem Bericht und spezielle Literaturartikel zu verweisen, da ein detaillierter kritischer Überblick weit über den hier vorgesehenen Rahmen hinausgehen würde. I.9.2 Neutronentherapie (Vorteil höherer biologischer Effektivität) Die besten Behandlungsergebnisse bezüglich der lokalen Tumorkontrolle finden sich bei Speicheldrüsentumoren, Kopf/Halstumoren (Lymphknotenmetasen) und bei lokal fortgeschrittenen Prostatakarzinomen. Diese Resultate entstammen in erster Linie Langzeitnachbeobachtungen von prospektiven, randomisierten klinischen Studien, die die Neutronentherapie mit der Photonentherapie vergleichen. Inoperable und rezidivierende Tumoren der Speicheldrüse Die lokale 10 Jahres-Kontrollrate beträgt für Photonen 17 % gegenüber 56 % für Neutronen. Es gibt keinen signifikanten Unterschied in der Überlebensrate und in der Morbidität [4]. 141 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick Lokal fortgeschrittene Plattenepithelkarzinome der Kopf-Hals-Region (Mundhöhle, Oropharynx, Hypopharynx, Larynx) Bei primären Tumoren, insbesondere in den frühen Stadien, fand sich kein signifikanter Unterschied zwischen der Behandlung mit Photonen und Neutronen, was die lokale Tumorkontrolle betrifft. Vorteile der Neutronentherapie ergaben sich aber bei fixierten Lymphknotenmetastasen [5]. Ein Problem stellt die unmittelbare Nähe von Tumoren im KopfHals-Bereich zu Risikoorganen dar. Es fand sich allerdings kein Unterschied in der Überlebensrate, jedoch eine höhere Gewebetoxizität bei Patienten, die mit einer Kombination von Photonen und Neutronen behandelt worden waren. Lokal fortgeschrittene Prostatakarzinome Eine Multicenterstudie amerikanischer Universitäten zeigte einen signifikanten Vorteil zugunsten der Behandlung mit Neutronen: die lokoregionale Kontrollrate nach 68 Monaten betrug 87% für Neutronen gegenüber 68% für Photonen [6]. Es fand sich kein signifikanter Unterschied in der Überlebensrate (nach 5 Jahren) und in der Morbidität, wenn lediglich die konformalen Techniken der Neutronentherapie berücksichtigt wurden. Die vorangehende Studie der nordamerikanischen Gruppe hatte einen Vorteil der Neutronentherapie in Bezug auf die lokale Tumorkontrolle und die 10-Jahres-Überlebenszeit erbracht [7]. Diese auf randomisierten Studien basierenden Daten (Phase III) entsprechen Ergebnissen zahlreicher Phase I/II-Studien, die in Überblicksarbeiten zusammengefaßt sind [8,9]. Entsprechend klinischen Erfahrungen und wissenschaftlichen Mitteilungen, die auf Daten von Phase I/II-Studien basieren, findet man darüberhinaus weitere Indikationen, bei denen der Einsatz der Neutronentherapie vorteilhaft sein dürfte: · Tumoren der Nasennebenhöhlen (lokale Kontrollrate 50 %), · inoperable Weichteilsarkome (lokale Kontrollrate 53 %), · inoperable Chondrosarkome (lokale Kontrollrate 56 %), · Osteosarkome (lokale Kontrollrate 62 %), · Rezidive von Rektumkarzinomen, · Melanome (lokale Kontrollrate 64%). Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 142 Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick I.9.3 Protonentherapie (Vorteil höherer physikalischer Selektivität) Die wesentliche Verbesserung der Therapieergebnisse wurde bei gut abgrenzbaren Tumoren erzielt sowie bei Tumoren in unmittelbarer Nähe von Risikoorganen. Der Vorteil dieser Therapie wurde bisher durch einen Vergleich mit historischen Daten der Photonentherapie hergeleitet, da zur Zeit keine Daten aus prospektiv randomisierten klinischen Studien vorliegen. Ein großes Ausmaß an Erfahrungen wurde für folgende Tumoren gesammelt. · Augentumoren (Melanome der Aderhaut, mehr als 4000 Patienten) Die lokale Kontrollrate beträgt 96%, unabhängig von der Tumorgröße, (MGH/Boston [10], PSI/Schweiz, [2]) und ist bei Tumoren mit über 5 mm Dicke der Brachytherapie mit radioaktivem Material beschichteten Applikatoren (Ru 106, J 125, Co 60) überlegen [11,12]. Bei völligem Erhalt der Sehfähigkeit erreicht hiermit die Protonentherapie eine nahezu identische Heilungsrate wie eine operative Entfernung des Auges. Ähnliche Resultate wurden bei einer kleineren Patientenzahl mit der Leichtionentherapie unter Verwendung von Helium erreicht [13]. Die biologische Effektivität von Helium ist ähnlich der Protonen- und Photonentherapie einzustufen. · Tumoren im Bereich der Schädelbasis (Chordome und Chondrosarkome, mehr als 300 Patienten) Die 5-Jahres-Überlebensrate beträgt 94% für Chondrosarkome und 63% für Chordome gegenüber etwa 35% bei konventioneller Photonentherapie (MGH/Boston) [14,21]. Ähnlich vielversprechende Resultate wurden sowohl für maligne als auch nichtmaligne Tumoren im Bereich der Schädelbasis, am Hirnstamm und im Bereich des Rückenmarks publiziert: z.B. inkomplett resektable Meningeome, Hypophysentumoren, Neurinome, Sarkome (Überblick über die MGH-Erfahrungen [15]). Über diese klinischen Erfahrungen hinausgehend ist ein interessanter Überblick über potentielle Applikationen der Protonentherapie enthalten in einem Bericht anläßlich eines 143 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick Workshops am National Cancer-Institute unter dem Titel „Potential clinical gains by use of superior radiation dose distribution“. Untersucht wurden hier Hirntumoren (pädiatrisch), paraspinale Tumoren, retroperitoneale Tumoren, spezielle Tumoren der Kopf-Hals-Region, Oesophagusmalingome, nicht kleinzellige Lungenkarzinome, Weichteilsarkome, Cervixkarzinome, Prostata- und Rektumkarzinome [16]. I.9.4 Leichtionentherapie (Vorteil höherer biologischer Effektivität und physikalischer Selektivität) Zu den möglichen Anwendungen der Leichtionentherapie, die den Vorteil der besseren Dosisverteilung (physikalische Selektivität: Protonen) mit dem Vorteil der besseren biologischen Effektivität (Neutronen) verbindet, liegen vielversprechende Daten aus Phase I/II-Studien vor. Diese Studien erfolgten in Berkeley an einer Behandlungseinheit innerhalb eines großen Beschleunigerkomplexes in Verbindung mit der Universität von San Franzisco. Die möglichen Anwendungen ergeben sich systematisch aus den positiven Ergebnissen der Neutronentherapie und der Protonentherapie. 1. Primär inoperable oder rezidivierende Tumoren der Speicheldrüsen Die Lokalkontrolle der 18 in Berkeley behandelten Patienten betrug nach 5 Jahren 61% [17]; 2. Nasennebenhöhlentumoren Die Lokalkontrolle der 12 in Berkeley behandelten Patienten betrug 69% nach 5 Jahren [17]; 3. Prostatakarzinom Die Lokalkontrolle nach 5 Jahren betrug 75% bei 12 Patienten, die in Berkeley mittels einer Neon-Ionen-Boost-Radiotherapie behandelt worden waren [17]; 4. Fortgeschrittene Weichteil- und Knochensarkome Die Lokalkontrolle war nach 5 Jahren 65% bzw. 69% bei 12 bzw. 18 der in Berkeley behandelten Patienten [17]. Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 144 Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick In den oft numerisch kleinen Studien, die in Berkeley durchgeführt wurden, ließ sich bei folgenden Tumorgruppen kein Vorteil der Leichtionentherapie feststellen: maligne Gliome, Pankreas-, Gallengangs-, Magen-, Oesophagus- und Bronchialkarzinome sowie fortgeschrittene Tumoren bzw. Rezidive von Karzinomen der Kopf-Hals-Region. Bei Chordomen und Chondrosarkomen nahe der Schädelbasis wurde in 45 Fällen eine Heliumbehandlung durchgeführt (vergleichbar der Protonentherapie). Das Ergebnis war ähnlich den Resultaten der Protonentherapie, wobei die lokale Tumorkontrollrate für Chondrosarkome höher lag als die für Chordome [18]. I.9.5 Notwendigkeit der wissenschaftlichen Evaluation der Leichtionen- und Protonentherapie im Vergleich mit der aktuellen PhotonenRadiotherapie Es gibt einige bedeutsame klinische Hinweise bezüglich der Überlegenheit der Leichtionentherapie und der Protonentherapie im (historischen) Vergleich mit der herkömmlichen Strahlentherapie, die sich auf Erfahrungen aus Phase I/II-Studien stützen. Diese Resultate werden sich allerdings nur verallgemeinern lassen, wenn sie im Rahmen von prospektiven randomisierten klinischen Studien bestätigt werden können. Eines der Hauptprobleme der von der Gruppe in Berkeley präsentierten Daten ist die geringe Patientenzahl und die erhebliche Inhomogenität bezüglich Patienten- und Behandlungscharakteristika, ein allgemein bekanntes Problem der Therapie mit schweren Teilchen [9]. Diese Schwierigkeiten resultieren oft aus den spezifischen Bedingungen, unter denen Schwerteilchentherapie betrieben wurde bzw. wird. Diese besondere Form der Strahlentherapie hat sich in der Regel als „Appendix“ großer physikalischer Beschleunigereinheiten (z.B. mit beschränkten Zugriffszeiten) fernab von spitalsbezogener Medizin im allgemeinen sowie der (Radio-) Onkologie im besonderen entwickelt. Des weiteren lag der Schwerpunkt der Forschung häufig auf dem Gebiet der (Medizin-)Physik und Technik. Im Bereich der klinischen Studien resultierten hieraus meist kleine Patientenzahlen mit erheblichen Variationen bezogen auf die gesamte klinische Situation (Tumorvolumen, Tumorausbreitung, Histologie, Ausmaß operativer Verfahren) und bezogen auf behandlungsrelevante physikalisch-technische und klinisch-biologische Parameter (Behandlungsvolumina, Behandlungstechnik, Gesamtdosis, Einzeldosis, Fraktionierung und 145 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick Ausmaß der Kombination mit der Photonentherapie). Nicht selten sind die Informationen über die Dosis-/Volumenbelastung von Normalgewebe nicht ausreichend, ebenso wie Langzeitnachbeobachtungen bezogen auf Tumorkontrolle, Rezidivmuster, und Strahlentherapie assoziierte Morbidität nicht immer umfassend vorliegen. Für die Neutronentherapie lagen über lange Zeiträume (Mitte der 60er bis Mitte der 80er Jahre) ausschließlich Mitteilungen aus Phase I/II-Studien vor. Als klinische Ergebnisse vorgelegt wurden, die die Überlegenheit dieser Therapieform unter Verwendung moderner Bestrahlungsmethoden überzeugend im prospektiv randomisierten Vergleich für einzelne Tumorgruppen belegten (Prostatakarzinom, Speicheldrüsentumoren), war die Mehrzahl der Radioonkologen sowohl auf nationaler wie internationaler Ebene hieran aus unterschiedlichsten Gründen nur noch peripher interessiert. Letztendlich ist der Neutronentherapie der in den 70er Jahren vorausgesagte richtungsweisende Durchbruch nicht gelungen. Die Protonentherapie konnte diese Schwierigkeiten zumindest für einige Tumorgruppen wie Aderhautmelanome, Chordome und Chondrosarkome weitgehend überwinden durch frühzeitige Präsentation hervorragender Therapieergebnisse mit geringen Variationen der Behandlungscharakteristika, die zunächst vor allem aus einem Zentrum stammten (Boston, MGH). Die hervorragenden Ergebnisse der bulbuserhaltenden Protonentherapie bei Augentumoren wurden rasch von anderen Zentren bestätigt, zudem stand eine alternative Therapiemethode außer der Enukleation nicht zur Verfügung. Die gesamte 3D-Therapieplanung der Protonentherapie entwickelte sich zum Paradigma für die moderne 3D-Planung in der Photonenradiotherapie (Konformation/Stereotaxie). So wurde die Protonentherapie rasch international anerkannt und zunehmend etabliert. Wegen der besonderen Vorteile der physikalischen Selektivität und der zunehmenden Zahl zur Verfügung stehender Therapieeinheiten wurde während des letzten Jahrzehnts das Indikationsspektrum kontinuierlich erweitert. Neuerdings werden hierbei auch Therapieeinheiten innerhalb von Krankenhäusern errichtet („hospital based“), die sowohl bezogen auf medizinphysikalische Parameter wie auch auf die medizinische Infrastruktur einschließlich Patientenaufkommen mit dem Betrieb einer modernen Strahlentherapieabteilung mit Photonen vergleichbar sind (Loma Linda, Boston MGH). Tatsächlich müssen sich die klassische Protonentherapie (einfache Strahlführung als „Appendix“ von Physikbeschleunigern) und letztendlich die moderne Protonentherapie (Strahlführung in mehreren Richtungen an speziellen Protonenbeschleunigern, spezielle Gantry) Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 146 Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick im direkten Vergleich mit den sich rasch entwickelnden Möglichkeiten der aktuellen Photonentherapie (Konformationstherapie, stereotaktische Radiotherapie) behaupten und ihre Überlegenheit unter Beweis stellen. Die oben aufgeführten Probleme treffen in besonderem Maße für die Charakterisierung der Ergebnisse der Leichtionentherapie zu, da sowohl bezüglich der technischen Anlagen wie auch der klinischen Ergebnisse bisher kein richtungsweisender Durchbruch gelungen ist. Tatsächlich wurde 1995 eine speziell konstruierte Großanlage in Chiba/Japan eröffnet (eine weitere ist geplant). Ein klinischer Patientenbetrieb wurde vor kurzem in Darmstadt/Heidelberg an einem Synchrotron, das für die physikalische Forschung bestimmt ist, aufgenommen. Dort wurden bislang erst wenige Patienten bestrahlt. In Italien ist ein Protonen- und Leichtionenprojekt in Planung (TERA). In Nordamerika sind nach der Schließung des Beschleunigers in Berkeley keine nennenswerten, erfolgversprechenden Anstrengungen in Richtung auf ein Nachfolgeprojekt zur Leichtionentherapie erkennbar. Diese Situation weist darauf hin, daß die Ergebnisse der Leichtionentherapie innerhalb der wissenschaftlichen radioonkologischen „community“ nicht allgemein akzeptiert werden. Bis vor kurzem war vielmehr unter den Anhängern der Therapie mit schweren Teilchen die Meinung vorherrschend, daß unter den möglichen Therapien mit schweren Teilchen in Zukunft die richtungsweisende Bedeutung der Protonentherapie zukommt, insbesondere für eine eindeutig definierte Gruppe von Patienten mit gut abgrenzbaren, seltenen Tumoren (Aderhautmelanome, Chordome, Chondrosarkome). Diese Meinung wird allerdings durch die dynamischen Entwicklungen der Photonentherapie (3D-Planung, spezielle Techniken der konformalen und stereotaktischen Bestrahlung) und angesichts bisher fehlender Ergebnisse aus randomisierten klinischen Studien zur Protonentherapie in Frage gestellt. Parallel zu dieser Entwicklung stellt sich zunehmend die Frage, ob nicht vor allem die Leichtionentherapie als die richtungsweisende zukünftige Therapieform mit schweren Teilchen zu verstehen ist, da diese zusätzlich über den Vorteil einer höheren biologischen Effektivität verfügt. Wenn unterstellt werden kann, daß die Unterschiede zwischen moderner Protonentherapie und moderner Photonentherapie bezüglich der physikalischen Selektivität zumindest geringer werden und möglicherweise sogar verwischen, ist eigentlich nur von einer Therapieform, die zusätzlich über den Vorteil einer höheren biologischen Effektivität verfügt, 147 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick eine richtungsweisende Verbesserung von Therapieergebnissen bei relativ strahlenresistenten Tumoren zu erwarten. Angesichts der so gekennzeichneten komplexen technologie-, gesundheits- und wissenschaftspolitischen Situation, die sich erst langfristig klären wird, erscheint es in besonderer Weise lohnenswert zu versuchen, die hier aufgezeigten Therapiemöglichkeiten aktiv zusammenzuführen und im direkten Vergleich miteinander zu untersuchen. Ein lohnenswerter Vergleich würde erfordern, daß die vielschichtigen typischen Probleme der Pionierzeiten der Teilchentherapie von vornherein eliminiert würden: · die Technologie der verschiedenen Strahlenarten (Photonen, Protonen, Leichtionen) muß einem vergleichbaren, entwickelten modernen Standard entsprechen; · (radio-)onkologische Behandlungen müssen entsprechend der vorgegebenen Standards über einen bestimmten Zeitraum konsistent durchgeführt werden; · prospektiv angelegte klinische Studien müssen von einer erfahrenen kooperativen Studiengruppe, die eine genügend große Patientenzahl in einem bestimmten, überschaubaren Zeitraum rekrutieren kann, durchführbar sein. Wenn eine wissenschaftlich-klinische Evaluation der Leichtionentherapie geplant wird, die innerhalb der (radio-)onkologischen „scientific community“ methodisch akzeptabel ist, kann eine derartige Therapieform nur in einem systematischen und prospektiv randomisierten Vorgehen bei einer ausreichenden Zahl von Patienten mit modernen (radio-)onkologischen Behandlungsverfahren verglichen werden. Im Großen und Ganzen ist ein Vorteil einer verbesserten lokalen Behandlung hauptsächlich bei Tumoren zu erwarten, bei denen die lokale Kontrollrate unzureichend ist und bei denen die lokale Tumorkontrolle ausschlaggebend ist für den letztendlichen Therapieerfolg. Entsprechend den strahlenbiologischen Eigenschaften der Leichtionen wird voraussichtlich ähnlich wie bei den Neutronen am ehesten ein Nutzen für differenzierte, langsam wachsende Tumoren mit hypoxischen Tumoranteilen zu erzielen sein. Was die physikalischen Eigenschaften betrifft, wird ein potentieller Erfolg bei eher kleinen, gut abgrenzbaren Tumoren mit strahlenempfindlichen Strukturen in der Nachbarschaft zu erwarten sein. Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 148 Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick Gemäß den radioonkologischen Erfahrungen und den wissenschaftlichen Literaturmitteilungen sind die Haupttumorentitäten, die diese Forderungen in unterschiedlichem Ausmaß erfüllen, im folgenden aufgeführt. 1. Definitive Behandlung: Behandlung durch schwere Teilchen allein · Inoperable Tumoren oder Rezidive von Speicheldrüsentumoren (im besonderen adenoidzystische Karzinome und gut differenzierte andere Histologien); · Chordome und Chondrosarkome GI/GII (Schädelbasis; ggf. am Kreuzbein); · Augenmelanome (Aderhaut); · (Inoperable) Sarkome (Weichteilsarkome, Knochensarkome) vor allem der Kopf-HalsRegion, des Achsenskeletts, der Retroperitonealregion bei Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen; · Fixierte Lymphknotenmetastasen bei Plattenepithelkarzinomen der Kopf-Hals-Region; · Tumoren der Nasennebenhöhlen; · Tumoren nahe der Schädelbasis und des Rückenmarkes mit einem hohen lokalen Rezidivrisiko (nicht komplett resektable Meningeome, atypische bzw. maligne Meningeome); · Rezidivierende Adenokarzinome des Rektums; · Inoperable Hautmelanome; · Pädiatrische Hirntumoren und Retinoblastome; · Pankreaskarzinome; · Karzinome der Gallenwege; · Bronchuskarzinome (NSCLC Stadium I). 2. Boosttherapie: Behandlung durch Photonen in Kombination mit schweren Teilchen · Lokal fortgeschrittene Prostatakarzinome; · Nasopharynxkarzinome; · Bronchuskarzinome (NSCLC Stadium III); · Ösophaguskarzinome; · Verschiedene fortgeschrittene Plattenepithelkarzinome der Kopf-Hals-Region (Pharynx, Mundhöhle). 149 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick Die hier vorgestellten (möglichen) Indikationen beziehen sich auf klinische Erfahrungen, wissenschaftliche Studien und auf grundsätzliche Überlegungen angesichts unzureichender Therapieerfolge bei bestimmten Tumorgruppen. Die Mehrzahl der zugrundeliegenden Vergleiche bezieht sich auf historische Resultate der konventionellen Photonentherapie. Randomisierte Studien liegen vor für die Überlegenheit der Neutronentherapie bei Speicheldrüsentumoren, lokal fortgeschrittenen Prostatakarzinomen und bei fixierten Lymphknotenmetastasen von Kopf-HalsMalignomen. Ernsthafte klinische Hinweise bezüglich der Überlegenheit der Protonentherapie gibt es für die Aderhauttumoren und die Chordome/Chondrosarkome. Diese Erfahrungen scheinen insbesondere für Augentumoren so evident, daß bei einer zunehmenden Anzahl von ophthalmologischen und radiologischen Onkologen die Behandlung von großen Augenmelanomen mit Protonen als Behandlung der Wahl angesehen wird. Diese wachsende (wissenschaftliche) Überzeugung hat zu einer wachsenden Anzahl von Protonen-Behandlungs-Zentren in Nordamerika, Japan und Europa geführt, die entweder schon in Betrieb sind oder sich in einer konkreten Planungsphase befinden. Die Beantwortung der Frage - „Ist die Therapie mit Leichtionen der Photonentherapie überlegen?“ - ist von erheblicher technologiepolitischer, gesundheitspolitischer und wissenschaftspolitischer Relevanz. In der Onkologie sind die wesentlichen klinischen Endpunkte derartiger randomisierter klinischer Studien: die lokale und regionale Tumorkontrolle, das Überleben der Patienten und die mit der Therapie assoziierte Morbidität. Die Standardmethode, Photonenradiotherapie unter mit der verglichen besonderer werden Berücksichtigung muß, der ist die moderne computergestützten Konformationstherapie und der stereotaktischen Radiotherapie basierend jeweils auf schnittbildgestützter 3D-Bestrahlungsplanung [19,20]. Mit dieser Methode müssen die Methoden der konformalen Protonenradiotherapie und die Methoden der konformalen Leichtionenradiotherapie verglichen werden. Die Hauptfrage, die beantwortet werden muß, ist, ob eine dieser Behandlungsmodalitäten zu signifikant unterschiedlichen Resultaten bezogen auf Tumorkontrolle, Überlebensrate und Morbidität führt. Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 150 Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick Um eine derartige Studie zur Evaluation der Leichtionen- und Protonentherapie erfolgreich durchzuführen, müssen gewisse Überlegungen zur Vorbereitung eines adäquaten klinischen Studienentwurfes erfolgen. Zunächst sollten einige der oben aufgeführten Tumorentitäten unter dem Aspekt der Relevanz, der Durchführbarkeit, der zu erwartenden Verbesserungen und der Möglichkeiten der Patientenrekrutierung ausgewählt werden. Einige dieser Tumoren könnten Speicheldrüsentumoren, Aderhautmelanome, Meningeome, Chordome, lokal fortgeschrittene Prostatakarzinome, nichtkleinzellige Bronchialkarzinome sein. Ausgehend von den vorliegenden Erfahrungen sind die zu erwartenden Unterschiede für die einzelnen Tumorentitäten bezogen auf die Tumorkontrolle, die Überlebensrate und die behandlungsassoziierte Morbidität zu definieren. Die Unterschiede können bezogen auf die einzelnen Parameter nur wenige Prozent (z.B. Tumorkontrolle bei Aderhautmelanomen) oder einen nennenswerten Prozentsatz betragen (z.B. Unterschiede von 30-40% in der Tumorkontrolle von Speicheldrüsentumoren). Bei kleinen zu erwartenden Unterschieden sind große Patientenzahlen notwendig, die naturgemäß erhebliche Probleme in der Patientenrekrutierung beinhalten. Bei zu erwartenden Differenzen etwa zwischen 20 und 30 % zwischen verschiedenen Behandlungsarmen würden Patientenzahlen von maximal einigen 100 Patienten zur eindeutigen Beantwortung einer Fragestellung genügen. Bei einer angenommenen Patientenzahl von 200 in einem Therapiearm würde dies z.B. pro Jahr jeweils 50 Patienten für Leichtionentherapie, für Protonentherapie und für Photonentherapie für jede Tumorentität erfordern. Innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes von z.B. 4 Jahren würde eine entsprechende Patientenanzahl von 200 für die Leichtionentherapie, von 200 für die Protonentherapie und von 200 für die Photonentherapie erreicht werden. Für eine zu untersuchende Tumorentität, würde entsprechend dieser Berechnung Platz für ca. 100 Patienten/Jahr an einer Schwerteilchentherapieeinheit und 50 Patienten/Jahr an einer Radiotherapieeinheit zur Verfügung stehen müssen, an der eine moderne kombinierte konformale und stereotaktische Radiotherapie unter klinischen Bedingungen evaluiert werden kann. Die wissenschaftliche Untersuchung von Augentumoren, uvealen Melanomen, die eine Therapie mit schweren Teilchen z.B. mit einer stereotaktischen Photonentherapie hinsichtlich der Tumorkontrolle vergleichen möchte, würde viel größere Patientenzahlen erfordern, da nach vorliegenden Erfahrungen eher nur ein geringer Unterschied, was die lokale Tumorkontrolle 151 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick betrifft - wenn überhaupt -, zu erwarten ist. Hierbei sind die in großem Umfang vorliegenden exzellenten Langzeitresultate der lokalen Kontrolle bei traditioneller Protonentherapie (> 95%) und die erst seit kurzem vorliegenden ähnlich guten Resultate der stereotaktischen Radiotherapie zugrundegelegt [22, 23]. Die Behandlung von Aderhautmelanomen (>5 mm Dicke) mit Protonen wird von einer zunehmenden Zahl von ophthalmologischen und strahlentherapeutischen Onkologen als augenerhaltende Therapie der Wahl („Standard“) betrachtet, ist aber im Moment in Zentralosteuropa nicht verfügbar. Nachdem diese Tumoren selten sind (0,8 neue Patienten/100.000/Jahr in Österreich), würde das nur zu einer Höchstzahl von etwa 60 Patienten/Jahr in Österreich führen. Nachdem für gewöhnlich nur ein gewisser Prozentsatz an Patienten derartigen Behandlungen zugeführt wird, wäre es notwendig, zusätzlich Patienten zu rekrutieren - vor allem aus den angrenzenden Staaten Zentralosteuropas -, um so die Behandlungszahl realistisch auf etwa 50 bis 100 neue Patienten/Jahr für diese Tumorentität anzuheben. Die Frage der möglichen Patientenrekrutierung ist somit aufs engste mit der Durchführbarkeit klinischer Studien und der Art der möglichen klinischen Fragestellungen verknüpft. Mit Ausnahme weniger Tumorentitäten ist die Mehrzahl der Tumorgruppen selten, bei denen bisher ein Vorteil der Therapie mit schweren Teilchen nachgewiesen wurde (Ausnahme Prostatakarzinom). Die ausreichende Patientenrekrutierung ist ein bekanntes Problem der Schwerteilchentherapie, wobei wiederum die Augentumoren eine gewisse Ausnahme darstellen: an den Protonentherapieeinheiten in Nordamerika und Europa nimmt die Patientenzahl innerhalb der letzten Jahre kontinuierlich zu. Um eine derartige Therapieanlage in einen sinnvollen gesundheits- und wissenschaftspolitischen Zusammenhang zu stellen, scheint es deshalb von vornherein geboten, eine Integration in die onkologische „Umgebung“ weitestmöglich anzustreben. Auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene sind hiermit gemeint onkologische Zentren (Spitäler) und Forschungseinrichtungen (Universitäten), radioonkologisch und onkologisch orientierte Organisationen (z.B. ÖGRO, ACO, Vereinigung für klinische Onkologie, „Krebshilfe“ für Österreich; entsprechende Organisationen in angrenzenden Staaten; EORTC auf internationaler europäischer Ebene). Eine kooperative, multizentrische klinische und wissenschaftliche Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 152 Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick Arbeitsweise scheint die erfolgversprechende Methode, um schon in der Planungsphase die schließlich notwendige Infrastruktur für eine erfolgversprechende Integration aufzubauen. In jedem Fall wird es sinnvoll und notwendig sein, daß eine oder mehrere größere onkologische Einheiten und Forschungseinrichtungen ein derartiges Projekt aktiv unterstützen, wie dies z.B. in Österreich mit Unterstützung der Gesellschaft für Radioonkologie vorgesehen ist. Darüber hinaus wird es notwendig sein, onkologische Zentren und Forschungseinrichtungen aus den angrenzenden Nachbarstaaten aktiv in die Entwicklung dieses Projekts mit einzubinden. Auf diese Art und Weise wird es möglich werden, ein international bedeutendes Behandlungs- und Forschungszentrum zu etablieren, das von kompetenten onkologischen Institutionen getragen wird. Ein derart strukturiertes Zentrum wäre letztendlich auch in der Lage, die medizinische Infrastruktur bereitzustellen, um wissenschaftliche Studien mit ausreichenden Patientenzahlen in einem überschaubaren Zeitraum durchzuführen. Im allgemeinen wird es notwendig sein, die Akzeptanz und Unterstützung innerhalb der nationalen und internationalen radioonkologischen und onkologischen sowie der allgemeinen gesundheits- und wissenschaftspolitischen Gruppen durch zahlreiche Maßnahmen weiter zu fördern, um einen positiven politischen Hintergrund für die Realisierung der skizzierten onkologischen Möglichkeiten zu schaffen. Literatur [1] Concerted Action: Cancer Treatment with Light Ions in Europe. EULIMA, Final Report Part I, General Feasibility study, November 1992. [2] Missimer J, Wehrle G. PSI Life Sciences and Institute for Medical Radiobiology. Annual Report, Annex II, Newsletter, 1992. [3] Chu WT, Ludewigt BA, Renner TR. Instrumentation for Treatment of Cancer Using Proton and Light-Ion Beams. LBI-33403, UC-406, Lawrence Berkeley Laboratory, University of California, USA, Feb. 1993; 7-10. [4] Laramore GE, Krall JM, Griffin TW, Duncan W, Richter MP, Saroja KR, Maor MH, Davis LW. 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I.10.2 Autorenliste Band I Dr. Thomas Auberger Projektmanager Universitätsklinik für Strahlentherapie und Radioonkologie der Leopold Franzens Universität Innsbruck Anichstraße 35 A-6020 Innsbruck DI Dr. Dietmar Georg Universitätsklinik für Strahlentherapie Strahlenbiologie des AKH-Wien Währinger Gürtel 18-20 A-1090 Wien Univ. Prof. Dr. Arnulf Hackl Vorstand der Universitätsklinik für Radiologie Universitätsklinik Graz Auernbruggernplatz 9 A-8036 Graz 157 und Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie Band I.10: Anhang DP Dr. Uwe Haverkamp Clemens Hospital Münster Abteilung für Radiologie Düesberg Weg 124 D-48153 Münster Universitätsklinik für Strahlentherapie und Strahlenbiologie des AKH-Wien Währinger Gürtel 18-20 A-1090 Wien M.D. Eugen B. Hug Loma Linda University Medical Center Dept. of Radiation Medicine Loma Linda 92354 USA, California Univ. Doz. Dr. Karin Kapp Universitätsklinik für Radiologie Universitätsklinik Graz Auernbruggernplatz 9 A-8036 Graz Univ. Prof. Dr. H. Dieter Kogelnik Vorstand des Instituts für Radiotherapie und Onkologie der Landeskrankenanstalten Salzburg Müllner Hauptstraße 48 A-5020 Salzburg DP Dr. Wilma Kraft-Weyrather Gesellschaft für Schwerionen Forschung (GSIDarmstadt) Planckstraße 1 D-64291 Darmstadt DI Karin Poljanc Med-AUSTRON Projektbüro Prof. Dr. Stefan Koren - Straße 10 A-2700 Wr. Neustadt Univ. Prof. Dr. Richard Pötter Projektleiter Vorstand der Universitätsklinik für Strahlentherapie und Strahlenbiologie des AKHWien Währinger Gürtel 18-20 A-1090 Wien Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 158 Band I.10: Anhang Dr. Hassan Rahim Institut für Radiotherapie und Onkologie der Landeskrankenanstalten Salzburg Müllner Hauptstraße 48 A-5020 Salzburg Univ. Prof. DI Dr. Meinhard Regler Verein AUSTRON Atominstitut der Österreichischen Universitäten Stadionallee 2 A-1020 Wien Dr. Felix Sedlmayer Institut für Radiotherapie und Onkologie der Landeskrankenanstalten Salzburg Müllner Hauptstraße 48 A-5020 Salzburg Dr. Edgar Selzer Universitätsklinik für Strahlentherapie und Strahlenbiologie des AKH-Wien Währinger Gürtel 18-20 A-1090 Wien Univ. Prof. Dr. H. A. Tritthart Inst. für Med. Physik und Biophysik, Universität Graz Harrachgasse 21 A-8010 Graz 159 Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie