Programmheft - Theater- und Konzertkreis Neustadt

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Venedig
im
Schnee
Komödie von Gilles Dyrek
Spielzeit 2014/15
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Dennis Habermehl und Katharina Wilberg.
Venedig im Schnee
Patricia und Christophe haben sich gestritten, und ausgerechnet jetzt wird sie von
ihm zu einem Abendessen bei Jean-Luc und Nathalie mitgeschleppt. Christophe
und Jean-Luc sind alte Studienfreunde, die sich nach zehn Jahren zufällig auf der
Straße begegnet sind und gleich für den Abend verabredet haben. In Hinblick
auf einen harmonischen Abend liegt dieser Essenstermin auch für Nathalie und
Jean-Luc nicht optimal: Sie stecken mitten in den Hochzeitsvorbereitungen
und ihre Wohnung ist noch im Umbau. Die Ausgangsbedingungen sind also
denkbar ungünstig, oder – wie Regisseur Wolfgang Hofmann es beschreibt:
„Niemand ist entspannt an diesem Abend. Es soll ein, wie man so sagt, netter
Abend werden, aber alle Umstände sprechen dafür, dass der Abend nicht nett
wird. Dieses Versprechen löst sich ein, und die Unnettigkeiten, die nach und
nach zu Tage treten, dienen ausschließlich dem Vergnügen des Publikums.“
Der besondere Clou der Geschichte: Patricia ist zu Beginn des Abends so wütend
auf Christophe und genervt von dem verliebt dauerturtelnden Gastgeberpaar,
dass sie erstmal schweigt. „Vielleicht ist sie Ausländerin. Wenn sie unsere
Sprache nicht so gut kann, dann ist es doch ganz normal, dass sie kein Wort
sagt“, lautet die logische Schlussfolgerung des Gastgeberpaares. Perfide und mit
diabolischem Vergnügen lässt Patricia die beiden in dem Glauben: Plötzlich
redet sie in einer Fantasiesprache und erfindet ein vom Krieg heimgesuchtes
Land, aus dem sie angeblich stammt: Chouvenien. Die Gelegenheit für Nathalie
und Jean-Luc, „alle Klischees des Gutmenschentums an ihr abzuarbeiten, von
der einfachen Mitleidsbekundung bis zum ausgewachsenen Spendenmarathon“,
so Wolfgang Hofmann. „Wie verhält man sich Leuten gegenüber, die aus einem
Bürgerkriegsland kommen? Wie versucht man, den besten Eindruck zu machen?
Wie versucht man zu helfen? Mit diesen und anderen Fragen sind Jean-Luc
und Nathalie, aber auch wir als Zuschauer konfrontiert. Das Verhalten, das die
Antworten auf diese Fragen nach sich ziehen kann, wird in VENEDIG IM SCHNEE
prägnant und pointiert, wie es sich für eine gute Komödie gehört, dargestellt.“
Und Patricias Freund Christophe? Ihm bleibt nichts anderes übrig, als das
Spiel seiner Freundin mitzuspielen, das immer absurdere Blüten treibt.
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Gilles Dyrek
Gilles Dyrek, 1966 in Paris geboren, ist ein gefragter Schauspieler und Regisseur
an den Pariser Theatern sowie bei Film und Fernsehen. Bereits seine ersten
Stücke „L’éléphant s’enferme dans la salle de bain pour jouer avec les robinets“
und „Le Projet – Titre Provisoire“ wurden in Frankreich erfolgreich aufgeführt,
doch seine Komödie „Venise sous la neige“ (VENEDIG IM SCHNEE) entwickelte
sich nach der Uraufführung 2003 im Pariser Théâtre de la Pépinière-Opéra
regelrecht zu einem Kassenschlager mit über 400 Vorstellungen auf Tournee.
Zurzeit steht in Paris sein neuestes Werk „La touche étoile“ auf dem Spielplan.
Gilles Dyrek arbeitet aus der Tradition des französischen Lustspiels heraus.
Komik entsteht unter anderem dadurch, dass das Publikum immer mehr weiß
als die handelnden Personen. Man amüsiert sich über Missverständnisse,
Verwechslungen und Orientierungslosigkeit. So wird auch in VENEDIG IM
SCHNEE mit dem von Patricia erfundenen Land und ihrer „Muttersprache“
eine unaufhaltsame Mechanik in Gang gesetzt, gespickt mit Running Gags, bis
ins Groteske gesteigert und durch eine überraschende Schlusspointe gekrönt.
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Katharina Wilberg, Dennis Habermehl,.
Michaela Allendorf und Gotthard Hauschild.
Michaela Allendorf und Gotthard Hauschild
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Das Einzige, was für mich zählt,
ist Leuten in Not zu helfen.
Jean-Luc in VENEDIG IM SCHNEE
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Katharina Wilberg und Michaela Allendorf
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Glückliche Menschen
spenden mehr
Warum spenden Menschen und andere nicht? Sozialforscher Eckhard Priller
erklärt im Gespräch mit Claudia Bleier, woraus Hilfsbereitschaft resultiert.
Herr Priller, ist der Impuls zu helfen angeboren oder ist Helfen etwas, das man lernt?
Eckhard Priller: Beides. Hilfsbereitschaft entspringt einem prosozialen Handeln.
Der Mensch ist Teil einer Gemeinschaft, deshalb liegt das Helfen durchaus in
seinem Wesen. Hinter der Hilfsbereitschaft steckt die Erwartung: Wenn ich helfe,
wird vielleicht auch mir geholfen, wenn ich irgendwann einmal Hilfe benötigte.
Doch das steht nicht im Vordergrund. Ausschlaggebend sind die Erfahrungen,
die ich mit dem Helfen verbinde: Viele Menschen, die helfen, haben positive
Erfahrungen gemacht, also selbst viel Unterstützung bekommen. Sie möchten der
Gesellschaft etwas zurückgeben, das sie von der Gesellschaft bekommen haben.
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Michaela Allendorf, Katharina Wilberg, Gotthard Hauschild.
und Dennis Habermehl.
Sind Menschen, die für andere etwas tun, glücklicher und zufriedener?
Priller: Tatsächlich haben unsere Untersuchungen ergeben: Menschen, die spenden,
sind glücklicher. Doch wissen wir noch nicht, was ist Henne und was ist Ei. Führt
Spenden dazu, dass ein Mensch glücklicher ist – oder sind glückliche Menschen
eher bereit zu spenden? Psychologisch gesehen ist es so: Beim Helfen werden
Endorphine, also Glückshormone freigesetzt, deshalb hat man ein gutes Gefühl dabei.
Ist Spenden ausschließlich positiv?
Priller: Es gibt durchaus auch kritische Aspekte. Einer davon ist, dass nicht
immer dem geholfen wird, der die meiste Hilfe benötigt. Denn Spenden
sammelnde Organisationen wählen Projekte aus und der Spender entscheidet,
wer Unterstützung bekommt.
Dr. sc. Eckhard Priller ist Leiter der Projektgruppe Zivilengagement am Wissen­schafts­zentrum Berlin für Sozialforschung (WZB)
Gotthard Hauschild, Michaela Allendorf und Katharina Wilberg
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WIE MAN DURCH SCHÜTTELN RÜHRT
Geschichte, Magie und Geheimnis der original Wiener Schneekugel
[…] Die Geschichte der Schneekugel begann vor über hundert Jahren, im
experimentierfreudigsten Wien, das es je gab. Alles machte große Sprünge, auch die
Medizin. Das Kohlefadenlicht des Thomas Alva Edison glitzerte in den Augen der
Chirurgen. Dieses kalte, saubere Licht wollten sie im Operationssaal haben. Erwin
Perzy, ein geschätzter, für seine präzisen chirurgischen Instrumente bekannter
Werkzeugmacher, sollte es taghell machen. Auf der Suche nach Modellen verfiel
er auf die Schusterlampe. Das ist ein birnenförmiges, wassergefülltes Glas, das
Lichtstrahlen wie eine Lupe bündelt und helle Flecke auf die Operationsgebiete der
Schuhmacher warf – zu wenig, um in Fleisch zu schneiden. Perzy ließ Metallspäne,
Flitter, Grieß ins Wasser rieseln. Das steigerte kurz die Leuchtkraft, dann sanken
die Materialien langsam zu Boden wie Schnee vor der Wallfahrtskirche in
Mariazell, wo ein Freund von ihm Andenken verkaufte. Kugel, Schnee, Andenken,
Mariazell. Aus diesen Gedanken wurde die erste Schneekugel geboren.
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Gotthard Hauschild, Katharina Wilberg, Dennis Habermehl.
und Michaela Allendorf.
Tausende Figuren, Gebäude und Miniaturlandschaften wurden seitdem in Wien
ersonnen, ihre Negative in stählerne Formen geschnitten, mit Metall, später mit
Kunststoff ausgegossen. Tüchtige Hände bemalten sie mit wasserfesten Farben
und steckten sie in Kugeln aus hauchdünnem Glas, die auf Sockeln aus Holz,
Keramik oder Plastik millionenfach darauf warten, dass man sie anfasst, wie
Firmeninhaber Erwin Perzy III., erklärt: „Das Schlechteste für eine Schneekugel
ist, wenn man sie nie schüttelt. […] Zwischen Kugel und Sockel ist ein Spalt,
da liegt der Schnee. Wenn er jahrelang dort liegt, klebt er. Man muss dann die
Schneekugel sehr lange schütteln, bis sich die Flocken wieder schön verteilen.“ […]
Die Flocken sind des Hauses höchstes Geheimnis. Erwin der Großvater erfand
unverderbliche Flocken, Erwin der Vater machte sie flockiger, Erwin der Enkel schuf
die gültige Mischung aus Kunststoff und Quarz. Die vierte Generation der Perzys,
sie heißt Sabine und ist 14 Jahre alt, wird auf diesem Feld nicht mehr viel forschen
müssen. Die Formel liegt, gut gehütet wie die von Coca-Cola, in einem Tresor […].
Wenn man genau in so ein Aquarium der Sehnsucht schaut, sieht man deutlich seine
anemonische Schönheit: „Die Schneekugel ist eine in sich geschlossene Welt ohne
Umweltverschmutzung, Mord und Totschlag. Schneefall vermittelt Friede und Stille.
Das Betrachten einer Schneekugel beruhigt und erfreut.“ Deshalb kommen Perzy
keine Schusswaffen in die Kugel; diesbezügliche Wünsche hat er stets zurückgewiesen.
„Kaiserin Elisabeth und Riesenrad passen in den Schnee, kleine Skulpturen passen
auch in den Schnee.“ Über einen Penis im Schnee lässt sich allenfalls streiten,
aber dieses Sondermodell hat erstens mit Liebe zu tun, erfreut sich zweitens einer
gewissen Beliebtheit und erscheint deshalb von Zeit zu Zeit in neuer Auflage. Im
offiziellen Katalog des Onlineshops dominieren die klassischen Modelle, „Teddy
mit Herz“ etwa oder „Pinguinfamilie“ und „Weihnachtsmann mit Hirsch“. […]
Wie man durch Schütteln rühren kann, zeigt auch eine Geschichte aus den arabischen
Emiraten. Von Lehrern dort wurde bekannt, dass sie im Naturkundeunterricht
Schneekugeln hervorholen, damit die Kinder der Wüste eine Vorstellung von
jener weißen Kühle bekommen, die bei uns einfach vom Himmel fällt, den Boden
bedeckt und Schnee heißt.
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Venedig im Schnee
(Venise sous la neige)
Komödie von Gilles Dyrek
Aus dem Französischen von Annette und Paul Bäcker
Premiere
15. November 2014 in Barsinghausen
22. November 2014
Hildesheim-Premiere
Aufführungsdauer
Aufführungsrechte
Inszenierung
ca. 2 Stunden, inklusive einer Pause
Theater Verlag Desch, München
Wolfgang Hofmann
Esther Bätschmann
Cornelia Pook
Bühne und Kostüme
Dramaturgie
Nathalie Michaela Allendorf
Jean-Luc Gotthard Hauschild
Patricia Katharina Wilberg
Christophe Dennis Habermehl
Wolfgang Hofmann
Esther Bätschmann
Michaela Allendorf
Gotthard Hauschild
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Katharina Wilberg
Dennis Habermehl
Regieassistenz und Abendspielleitung Anna Sophie Grünwald
Inspizienz Mick Lee Kuzia
Soufflage Heinrich Maas
Technik/Werkstätten
Technische Direktion Guido aus dem Siepen*, Ringo Günther
Ausstattungsleitung Steffen Lebjedzinski*, Anne-Katrin Gendolla, Elisabeth Benning
Technische Leitung Produktion Andrea Radisch*
Bühnentechnik Eckart Büttner*, Jenny Nobbe, Andreas Sander
Beleuchtung Lothar Neumann*, Sven Feikes, Janine Christ
Ton Thomas Bohnsack-Pätsch*, Dirk Kolbe
Maske Carmen Bartsch-Klute*, Birgit Heinzmann, Ines Keßler
Requisite Silvia Meier*
Schneidereien Annette Reineking-Plaumann*, Egon Voppichler*, Anne Lehnberg
Werkstättenleitung Werner Marschler*
Tischlerei Johannes Niepel*
Malsaal Thomas Mache*
Schlosserei Joachim Stief*
Dekoration Danja Eggers-Husarek, Anita Quade
* Abteilungsleiter/-in
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Impressum
TfN · Theater für Niedersachsen
Theaterstr. 6, 31141 Hildesheim
www.tfn-online.de
Spielzeit 2014/15
Intendant Jörg Gade
Prokuristen Claudia Hampe, Werner Seitzer
Redaktion Cornelia Pook
Probenfotos Andreas Hartmann
Porträtfotos T.Behind-Photographics, privat
Texte S. 9/10: Kölner Stadt-Anzeiger, 20.12.2012; S. 10/11: Franz Zauner in NZZ Folio,
Dezember 2003. Die anderen Texte sind Originalbeiträge für dieses Programmheft.
Gestaltung ProSell! Werbeagentur GmbH, Hannover
Layout Jolanta Bienia
Druck Gerstenberg Druck & Direktwerbung GmbH
Gefördert durch: Partner:
Sponsoren:
Freunde des
Theater für Niedersachsen e. V.
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Katharina Wilberg
15
Strupiè!
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