Material des Ortes Der Baustoff für den ersten viergeschossigen Holzbau Vorarlbergs wurde grösstenteils im gemeindeeigenen Wald geschlagen. Über das «Material Weisstanne» findet auch die Identifikation mit dem Objekt statt, welches unterschiedliche Dienste für die Gemeinde zusammenfasst und eine neue Ortsmitte darstellt. Redaktion: Manuel Pestalozzi, Fotos: Hanspeter Schiess Das Gemeindezentrum liegt talseitig neben der Durchgangsstrasse. Der Haupteingang befindet sich im dritten Geschoss und ist über einen kleinen Platz erschlossen. Das unterste Geschoss nimmt der Kindergarten ein. Er verfügt über einen vor dem Verkehr gut geschützten Aussenraum. 50 | Innenarchitektur | Gemeindezentrum, AT-St. Gerold a+t 2|10 Situation 2|10 a+ t Gemeindezentrum, AT-St. Gerold | Innenarchitektur | 51 Niveau -2 Niveau -1 Niveau 0 Niveau +1 Holz tritt innen sowohl als flächiges wie auch als lineares Element in Erscheinung. Die Raumgrenzen sind klar gefasst, lassen aber auch Durchblicke und Sichtbezüge zu. 52 | Innenarchitektur | Gemeindezentrum, AT-St. Gerold a+t 2|10 Schnitt Auch der Dorfladen beim Haupteingang besitzt das «Uni»-Interieur, welches das ganze Gebäude prägt. Bei den Übergängen zwischen Dach, Wand, und Boden treffen die unterschiedlich behandelten, aber immer roh belassenen Oberflächen aufeinander. Fotos auf dieser Seite: Manuel Pestalozzi Das Grosse Walsertal ist ein dünn besiedeltes, bergbäuerlich geprägtes Bergtal. Die Region kämpft mit der Tendenz zur Talflucht. Verschiedenste nachhaltige Initiativen wie z. B. die Ernennung der Region zum Biosphärenpark versuchen das Bewusstsein und die Identität der Bewohner zu steigern. Das selbe Ziel wird auch mit dem Gemeindezentrum verfolgt. Es wurde nach einem siegreichen Wettbewerbsprojekt realisiert. Kompakter Solitär Das Gemeindezentrum ist ein viergeschossiger Solitär. Es nutzt die beiden bestehenden ebenen Flächen – den Platz auf Strassenniveau sowie den Spielplatz auf Geländeniveau – und platziert sich als verbindendes Element dazwischen. Die Funktionen des neuen Gemeindezentrums werden vertikal über vier Geschosse gestapelt und beinhalten die Bereiche Kindergarten, Kinderspielgruppe, Dorfladen, Mehrzweckraum und Gemeindeverwaltung. Die Lage der Nutzungsbereiche entwickelt sich aus der Frequenz der Benutzer sowie aus der topografischen Zuordnung der Aussenräume. Die Funktionszusammenhänge werden durch einfache räumliche und konstruktive Strukturen zusammengeführt. Gezielt gesetzte Fensteröffnungen in Abhängigkeit von Nutzungsbereich und Lage entwickeln differenzierte räumliche Situationen. 2|10 a+ t Gemeindezentrum, AT-St. Gerold | Innenarchitektur | 53 Kein Tropfen Lack Das neue Gemeindezentrum ist als konstruktiver Holzbau konzipiert, die geländeberührenden Stützwände sind aus Stahlbeton. Das Erscheinungsbild wird vom Wechsel zwischen einheitlichem Fassadenschirm und gezielt gesetzter Öffnung bestimmt und visualisiert subtil die Dynamik der inneren Organisation. Sämtliche Bauteile des Hauses sind aus Massivholz, genauer: Weisstanne. Man hat sie komplett unbehandelt eingebaut. Die Böden sind fein gesägt, die Wände gehobelt, die Deckenleisten fein geschliffen. Es fiel kein Tropfen Lack, die Nutzerspuren werden sich zusammen mit der Wirkung von Licht und Witterung in die Oberflächen einarbeiten. Passivhaus-Standard Das neue Gemeindezentrum ist als kompakter Fotos Adolf Bereuter Baukörper in Passivhaus-Bauweise (Heizenergiebedarf 10,7 kWh/m2a) konzipiert und energietechnisch nahezu autark. Die Energieversor- Tri-2010 – 8. Internationales Symposium für energieeffiziente Architektur Stolz auf dieses Bauwerk sind nicht nur die direkt an seiner Realisierung beteiligten Personen, sondern auch die Organisatoren der Tri-Symposien, die sich seit 1996 intensiv mit dem energieautonomen Bauen im Zusammenhang mit qualitativ hochstehender Architektur befassen. Sie führten die Baufachpresse im vergangenen Jahr an einem schönen Herbstmorgen zu diesem sehr sehenswerten Gemeindezentrum und werden auch den Teilnehmenden des Symposiums auf einer Besuchstour die neuesten im Zeichen des architektonisch hochstehenden Energiesparens realisierten Bauten präsentieren. Die Tri-2010 findet von Do. bis Sa., 6. Bis 8. Mai 2010 im Festspiel- und Kongresshaus Bregenz statt. Nähere Informationen erhält man über die Website www.tri-info.com gung erfolgt über ein intelligentes Kombisystem aus Erdwärme (Erdsondenanlage mit Solekreis- onen, die diese Einbindung betreffen, sich in 3,3 lauf über Wärmepumpe mit Wärmetauscher), Jahren amortisiert haben werden. Geräteabwärme und passiven Gewinnen. Ein Das Projekt wurde von Beginn an ökologisch Die Architekten eigens durchgeführter Vergleich hat ergeben, betreut. Diese Betreuung wurde vom Umwelt- Die Cukrowicz Nachbaur Architekten ZT GmbH dass einer Erdwärmeanlage bei diesem Projekt institut Vorarlberg, dem Energieinstitut Vorarl- haben ihr Büro in AT-Bregenz. Ihre Arbeits- in allen Belangen gegenüber einer Biomasse- berg und der Firma Spektrum unter der Vorgabe Anlage (Hackschnitzel) der Vorzug zu geben ist. «ökologische und nachhaltige Beschaffung im Das Gebäude wurde mit einer Komfortlüftung mit öffentlichen Bereich» und dem «Ökoleitfaden schwerpunkte sind Bildungsbauten, Sportbauten, Ausstellungsbauten undWohnbauten. www.cn-architekten.com Wärmerückgewinnung ausgestattet. Bau» (Baubook, Umweltverband Vorarlberg) als Andreas Cukrowicz, 1969 geboren in Bregenz, Die Einrichtung des Dorfladens bedingte die Pilotprojekt wahrgenommen. n absolvierte von 1988 bis 1993 Architekturstudium Installation diverser Kühlgeräte. Die Abwärme an der TU Wien und von1993-96 an der Akade- sämtlicher Kühlstellen wird in das Hauptener- mie der Bildenden Künste Wien, MS Prof. giesystem eingespeist. Eine detaillierte Kosten- Penttilä. Seit 1996 Gemeinsames Büro mit Anton berechnung zeigte auf, dass sämtliche Investiti- Nachbaur-Sturm, seit 1998 Gestaltungsbeirat in Hittisau, seit 2007 in Lochau und seit 2009 in Das Material schafft – auch dank den grossen Fenstern – Nähe zur Umgebung. Foto: Manuel Pestalozzi Konstanz, seit 2005 Präsident der Zentralvereinigung der Architekten Österreichs Landesverband Vorarlberg. Anton Nachbaur-Sturm, 1965 geboren in Bludenz, absolvierte von 1986 bis 1996 Architekturstudium an der TU Wien. Seit 2004 Gestaltungsbeirat in den Vorderlandgemeinden, seit 2005 in Zwischenwasser. Jüngere Projekte 2007-12 Vorarlberger Landesmuseum Bregenz 2009-09 Bühnenbild «Die Riesen vom Berge», Vorarlberger Landestheater 2003-09 Wohnanlage Am Pfänderhang Lochau/ Bregenz 2007-09 Hofsteigsaal Lauterach Umbau 54 | Innenarchitektur | Gemeindezentrum, AT-St. Gerold a+t 2|10