Uraufführung im Theater Rampe: Christina Rasts Projekt "!Ich rede! Komm zu mir!!!" Gnadenlose Enthüllungen Bis auf ihre Schuhe nackt, so treten sie vor uns, mit missionarischem Eifer im Auge: Vier Männer, vier Gurus mit völlig unterschiedlichen Vorstellungen davon, wie die Menschheit vor dem Untergang gerettet werden muss. VON HORST LOHR Ihre Nacktheit ist das gemeinsame Markenzeichen zeitlos wabernder infantiler Bekehrungsumtriebe mit Hang zur Naturschwärmerei. Sie zitiert aber auch ironisch die Leere nationalsozialistischen Körperkults. "!Ich rede! Komm zu mir!!!" nannte Regisseurin Christina Rast ihr mit vier Schauspielern erarbeitetes Projekt einer "Heilssuche". Der dabei entstandene Text besteht weit gehend aus Originalzitaten der in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts zeitweise auch in Stuttgart aktiven selbst ernannten Weltverbesserer Gregor Gog, Gusto Gräser, Louis Haeusser und Otto Gross. Im wirklichen Leben sind sie sich nicht begegnet. Auf der Bühne indes treffen sie aufeinander und suchen krampfhaft nach gemeinsamen Zielen. Solch eine fiktive Begegnung läuft Gefahr, vom trockenen verbalen Schlagabtausch unvereinbarer Ideologien beherrscht zu werden. Doch Rast erliegt ihr nur an wenigen Stellen. Ohne die Figuren zu denunzieren, gelingt ihrer Inszenierung dank der komischen Präsenz der Schauspieler weit gehend eine witzige Bühnenanamnese des Fanatismus. Parolen säumen die verworrenen Lebenswege der vier zwischen Aufenthalten in Gefängnissen und Irrenanstalten scheiternden MöchtegernRevolutionäre. Davon künden zahlreiche Spruchbänder auf der kunstvollen Bühne (Ausstattung: Franziska Rast) mit griffigen Slogans im Stil von "Befehle dir und dann wirst du". Sturzbächen gleich ergießen sich Gedankenverwirbelungen aus den Mündern der nackten Agitatoren. Bedenkenswertes mischt sich mit Verquastem zum undurchdringlichen Denkbrei. Wie bei einer Modenschau der Ideologien posieren die vier damit vor den Zuschauern. Der Schauspieler André Becker gibt den Naturpropheten Gregor Gog als schwärmerischen "König der Vagabunden" mit Intellektuellenbrille. Kurt Grünenfelder verleiht dem Esoteriker Gusto Gräser mit brillanter Zungenakrobatik finstere Emphase. Der ehemalige Sektfabrikant Louis Haeusser (Thomas Hechelmann) tobt sich auf dem Gipfel eines Rednerpodests als krimineller Herkules der Wahrheit aus. Und der Psychiater Otto Gross (Nicolas Rosat) doziert mit der Verve des Kenners vom Muss der freien Liebe und des Kokainkonsums. Die Rituale der Verführungsexperten fängt die Inszenierung mit witzig choreografierten Bildern ein. So endet etwa die Suche nach einem Wir in wüster Rauferei und Beißerei - kleine Jungen rangeln ums Rechthaben. Weitere Vorstellungen am 19., 29., 30. und 31. Mai sowie am 1., 2. und 5. bis 8. Juni jeweils 20 Uhr. Karten: 07 11 / 6 49 00 94 Quelle: Stuttgarter Nachrichten online