Vorlesungsskript Differentielle Psychologie WS0809 von Hen Flachmann 01 Freuds psychoanalytische Theorie der Persönlichkeit Biographisches • • • • • • • • Geboren 6.5. 1856 in Freiberg / Österreich (heute Tschechien) 1881 Dr. med. Universität Wien 1885 Besuch bei Jean Charcot in Paris (Hypnose) 1886 Zusammenarbeit mit Josef Breuer (Katharsis) 1899 Traumdeutung 1902 Gründung der Wiener Psychoanalytischen Gesellschaft (u.a. C.G.Jung, A.Adler, H.Sachs, Otto Rank). 1909 Vorlesungen an der Clark University, Worchester, Massachusetts 1939 in London gestorben Ebenen des Bewusstseins: Freuds topologisches Modell • Bewusstsein: alle Empfindungen und Erfahrungen, derer wir uns zu einem gegebenen Moment bewusst sind. wie ein Zeitfenster, zeitlich variierend • Vorbewusstes: „Verfügbares Gedächtnis“ Alle Vorstellungen, Gedanken etc. die wir uns ohne Schwierigkeit/Hilfe ins Bewusstsein rufen können • Unbewusstes Inhalte sind nicht zugänglich, wenn sie bewusst werden dann verzerrt oder in symbolischer Form. (Fantasien, Träume, Assoziation) Laut Freud bedarf es einer psychoanalytischen Unterstützung um Unbewusstes bewusst zu machen Unbewusstes • • • • Freud bemühte sich darum, unbewusste Prozesse empirisch zu belegen. Unbewusste Prozesse sind dem Bewusstsein völlig unzugänglich, haben nach Freuds Auffassung aber großen Einfluss auf menschliches Handeln und Erleben. Zugänglich über Psychoanalyse, Fantasien, Träume, „Freudsche“ Fehlleistungen (z.B. Versprecher). Moderne Parallelen (Dual process models) Zwei-Prozess-Modelle: 2 Verarbeitungsmöglichkeiten: stark kontrolliert+ bewusst vs. Automatisch+unbewusst Implizite Einstellungsmessung mit Hilfe des Implicit Association Tests (IAT) Die Struktur der Person • • • Es Ich Über-Ich Beziehung topographisches Modell / Strukturmodell Anderes Beispiel: Eisberg nur die Spitze ist bewusst Das Es (immer unbewusst) • • • • • • • Ontogenetisch die älteste Struktur, von Geburt an vorhanden „Enthält“ alle nicht gelernten Bedürfnisse und Triebe (→ Instinkte) Erhält seine Energie direkt aus körperlichen Prozessen Energie= klar definiertes physikalisches Prinzip; Energiekonzept wurde übernommen (damals: Zeit der Entdeckung/Betonung der Gesetze der Thermodynamik) „Strebt“ nach unmittelbarer Bedürfnisbefriedigung (Lustprinzip: Gut ist was Befriedigung bringt). Es kennt kein Urteil und kein logisches Denken. Widerstrebende Impulse können nebeneinander existieren. Schwache Möglichkeiten eine Bedürfnisbefriedigung zu erreichen (Primärprozesse: Träume, Vorstellungen und Reflexe) Vermenschlichung des „Es“ grenzt sich ab von automatischer Informationsverarbeitung „Es“ als eigene Distanz: „kleiner Mensch im Menschen“ Das Ich (vor allem vorbewusste Elemente) • • Das Ich entwickelt sich aus dem Es. Es vermittelt zwischen den Impulsen des Es und der Realität. Starke „kognitive“ Funktion. Orientierung und Handlung in der Welt, Steuerung des Muskelapparats. Entscheidung über Bedürfnisbefriedigung, -aufschub oder –unterdrückung. Sekundärprozess: Angemessene Handlungen hervorbringen, die instinktuelle Bedürfnisse befriedigen ohne die „Sicherheit“ der Person oder anderer zu gefährden. körperliche und soziale Unversehrtheit Das Lustprinzip wird durch das Realitätsprinzip entthront. Das Ich steht für Vernunft und Verstand, das Es für ungezähmte Leidenschaft. • Das Über-Ich (umfasst alle 3 Stufen) • • • Entwickelt sich (insbesondere im Laufe von Oedipus- / Elektrakonflikt) durch Identifikation mit dem gleichgeschlechtlichen Elternteil. Es „beinhaltet“ soziale Normen und Gebote. Unterscheidung in – Gewissen (Verbote, Strafen) Das, was ich nicht tun darf – Ich-Ideal (Gebote, Lob) Das, wonach ich streben soll Gewissen und Ich- Ideal sehr individuell geprägt; Kultur von Bedeutung Dynamik der Person: Was motiviert menschliches Verhalten? Menschen werden als komplexe Energiesysteme gesehen „Gesetz von der Erhaltung der Energie“ Exzitation (erregende neurophysiologische Prozesse) ist die Quelle psychischer Energie. Die einem Individuum für mentale Aktivitäten zur Verfügung stehende Energie ist begrenzt. • Ziel allen Verhaltens: Reduktion von Spannung, welche durch über die Zeit durch unangenehme Ansammlung von Energie entsteht. • • • ­ ­ ­ Freud: Wenn alle Spannungen reduziert sind Absoluter Glückszustand Impuls vom Es zum Ich: Es strebt nach Befriedigung Ich muss Kraft entgegensetzen um Impulse zu ünterdrücken mögliche Konsequenzen: verarmtes Leben aufgrund weniger Energiefreisetzung (hauptsächlich Entgegensetzung) Dampfmaschinenprinzip: Kessel Druck Energie muss gelenkt werden Instinkte • Mentale Repräsentationen körperlicher Spannungen werden Instinkte genannt. Ein Instinkt ist auf einen angeborenen Zustand der Erregung bezogen, der nach Ausdruck und Spannungsreduktion verlangt. • Zwei Hauptgruppen von Instinkten werden von Freud besonders berücksichtigt: – Lebensinstinkte (Eros): dienen der Aufrechterhaltung vitaler Funktionen und stellen die Erhaltung der Art sicher. Ihre Energie wird als Libido bezeichnet. Erotische Instinkte schon – beim Neugeborenen; Energie dieser Instinkte prägen unser Leben Todesinstinkte (Thanatos) unterliegen allen Manifestationen von Grausamkeit, Aggression, Selbsttötung und Mord. Instinkte haben: • • • • eine Quelle (der körperliche Zustand oder das Bedürfnis, aus denen der Instinkt entsteht) ein Ziel (die Spannungsreduktion) ein Objekt (eine Person oder ein Objekt in der Umwelt oder im eigenen Körper, die der Spannungsreduktion dienen) Stärke (Ausmaß der Energie, die aufgewendet wird, um einen Instinkt zu befriedigen). • Karthexis: die Bindung an oder die Investition von Energie in ein Objekt. z.B.: Verlieben in eine spezifische Person • Antikarthexis: ein Hindernis, das die Befriedigung eines Instinktes behindert. • Verschiebung: Wenn die ursprüngliche Objektwahl nicht erreicht werden kann, kann die Energie eines Instinkts auf ein anderes Objekt gerichtet werden z.B.: Verliebt in Hans, aber Hans schon vergeben Wahl fällt auf Peter (2.Wahl) Aus der Verschiebung bleibt eine gewisse Problematik zurück Psychosexuelle Entwicklung: Psychosexuelle Entwicklung nach Freud: Annahmen: • Die Persönlichkeit von Erwachsenen wird durch Erfahrungen in der frühen Kindheit geformt. spätere Erfahrungen: modifizierende Rolle • Sexuelle Triebenergie (Libido) ist von Geburt an vorhanden. Sie durchläuft eine Reihe psychosexueller Phasen, die in der Triebausstattung des Organismus angelegt sind. • Der Ablauf dieser Phasen ist bei allen Individuen gleich. • Jede Phase ist charakterisiert durch eine primäre erogene Zone (eine Region des Körpers an der Endoderm und Ektoderm verbunden sind). Diese erogene Zone „sucht“ Objekte oder Aktivitäten, die lustvolle Spannung erzeugen. • Individuelle soziale Erfahrungen in einer Phase hinterlassen einen dauerhaften Einfluss auf das Individuum in Form von Einstellungen, Eigenschaften oder Werten, die in der betreffenden Phase erworben wurden. • In jeder Phase kann Libido an die entsprechende Körperregion gebunden bleiben. Dies bezeichnet Freud als Fixierung (das Individuum bleibt ganz oder teilweise in der entsprechenden Phase „stecken“). In psychisch schwierigen Situationen (Stress) kann eine Regression in eine frühe Entwicklungsphase beobachtet werden, d.h. das Individuum „kehrt“ in eine frühere Entwicklungsphase zurück und zeigt dieser Phase entsprechende Verhaltensweisen. Psychosexuelle Entwicklung: Die Phasen Die psychosexuellen Phasen nach Anna Freud: Phase Primäre erogene Zone Alter Orale Mundhöhle 1. Lebensjahr Anale Orale Phase: Analbereich 2.­3. Lebensjahr geprägt durch Stillzeit (Saugen an der Mutterbrust) Phallische Genitalien 1.Lebensjahr: Kinder4.­5. Lebensjahr bekommen Zähne 2.Teil der oralen Latenzzeit Phase: beißen, kauen Genitale Genitalien Pubertät bis Lebensende Anale Phase: Reinlichkeitstraining Prägungen dieser Phase Ausscheiden von Kot Latenzzeit: als primäre erogene Zone könnte man den Kopf bezeichnen kognitive Entwicklung (Intelligenz etc) Genitale Phase: 1. Homosexuelle/ erotische Zeit (frühe Phase der Pubertät) 2. Heterosexuelle Ausprägung (im Normalfall) Der Oedipuskonflikt Dramatische Entwicklung im Rahmen der phallischen Phase; Gravierende Konsequenzen für die Weiterentwicklung Oedipuskonflikt (Junge) Motive Konsequenzen Bindung an die Eifersucht bezogen Mutter auf Rivalen, (Füttern, Körperliche besonders auf den Pflege) Vater Kastrationsangst Angst vor (Anblick von Bestrafung durch weiblichen den Vater für den Genitalien, mögliche Wunsch die Mutter Gefahr) zu besitzen Resultat Gefühle der Feindseeligkeit gegen den Vater Intensivierung der Rivalität mit dem Vater, Entwicklung des Bedürfnisses die Feindschaft zu verstecken Bedürfnis den Vater Erzeugung einer Unterdrückung der zu beschwichtigen Fassade von Feindseligkeit und und einen Sanftmut und Liebe der Angst, Verzicht gedanklichen Angriff für die Mutter auf die Mutter, vorzubereiten Identifikation mit dem Vater (Aggressor) - Anteil an der Mutter - Normen und Werte des Vaters werden übernommen Entwicklung des Über-Ichs Elektrakomplex (Mädchen) Motive Konsequenzen Bindung an die Eifersucht bezogen Mutter auf Rivalen (Füttern, Körperliche Pflege) Penisneid (Anblick von männlichen Genitalien) Stärkere Bindung zum Vater als zur Mutter Eifersucht auf männliche Genitalien und männliche Privilegien Erstreben eines Penisersatzes vom Vater - ein Baby Resultat Generelle Gefühle von Minderwertigkeit, Entdecken von genitalen Unterschieden Abwerten der Mutterund Frauenrolle, Aneignung von männlichen Verhaltensweisen Identifikation mit weiblichen Verhaltensweisen, um dem Vater zu gefallen, langsame Distanzierung vom Penisneid und der Abwertung der Mutter schleichender, weicher Prozess Elektrakomplex ist deutlich vager und weniger präzise beschrieben; kein deutlicher und klarer Verlauf + Ergebnis Laut Freud: Dadurch haben Frauen ein deutlich schwächer ausgeprägtes ÜberIch und sind moralisch schwächere Wesen als Männer Diese Aussage wurde/wird stark kritisiert Beide Komplexe: - Empirisch so gut wie unüberprüfbar, kaum nachzuvollziehen - Unbewusste Prozesse, die auch später nicht zu erinnern sind Laut Freud nicht bewusstmachbar Übersetzte Zitate Freuds zum Oedipuskonflikt: • „Eine Mutter erhält nur durch die Beziehung zu ihrem Sohn uneingeschränkte Zufriedenheit, das ist die vollkommenste, perfekteste und frei von Ambivalenzen bestehende Beziehung jeglicher menschlicher Beziehungen.“ (Freud, 1933) • „…Mädchen halten ihre Mutter für schuldig am Fehlen des Penis und vergeben ihr nicht für das Bestehen des Nachteils.“ (Freud, 1933) Mutter-Sohn-Beziehung besser als Mutter-Tochter-Beziehung?! Charaktertypen • Entstehung von Fixierung: (Bipolarität) – wenn Personen in einer Phase so wenig Befriedigung erhalten, dass sie „sich fürchten“, in die nächste Phase fortzuschreiten – wenn Personen viel Befriedigung erhalten, dass sie nicht motiviert sind, sich weiterzuentwickeln • Wenn Fixierung entsteht, versuchen die Personen die Befriedigung zu erhalten, die der Phase entspricht, in der sie „fixiert“ sind. • Regression: Eine Person strebt danach, zu einer früheren Phase zurückzukehren. Sie kehrt in die Phase zurück, in der eine Fixierung zurückgeblieben ist. Auslöser: „Stress“, Entwicklungsprobleme Stress = gravierende Ereignisse, Lebenskrisen Entsprechend den Phasen lassen sich somit 4 Typen unterscheiden, von denen zwei besonders ausgearbeitet wurden: • • • • Oraler Charakter Analer Charakter Phallischer Charakter Genitaler Charakter Oraler Charakter bes. Abraham (1927) Zeit als Freud noch lebte, Billigung von Freud Merkmale: • • • • • • • • starke Beschäftigung mit „Geben und Nehmen“ (Ernährung, Unterstützung, Freigiebigkeit, „Einnehmen“) Beschäftigung mit Abhängigkeit – Unabhängigkeit; Passivität – Aktivität (Bipolarität) Suchen Nähe zu anderen (gesellig) starke Anlehnung Extreme Ausprägungen von Optimismus – Pessimismus Ungewöhnliche Ambivalenz Offenheit für Erfahrungen, Neugierde & Interesse an der Natur „Aufsaugen“ von Ereignissen Hastige, Ruhelose, ungeduldige Orientierung – „Wollen von Ereignissen gefüttert werden“ Menschen wollen alles mitbekommen; Konsumieren von Fakten u. interessanten Dingen Andauernder ungewöhnlicher Gebrauch oraler „Kanäle“ für Befriedigung oder kompensatorische Verneinung oraler Bedürfnisse (zuviel/zuwenig Essen; Rauchen; exzessives Sprechen) Unscharfe Untertypen: Oral frustriert übermäßig befriedigt Freude am Saugen (frühe Phase) Freude am Beißen (späte Phase) „einnehmen “ „feindlicher“ Es gibt immer „bitten um jemand der etwas“ mich ernährt ® „Kletten“ ® Optimismus ® nicht gern ® Passivität allein ® Freigiebig ® ungeduldig ® gesellig ® exzessives sprechen Analer Charakter / Freud (1908) Merkmale: • • • • • • Ordentlich; Bedürfnis Kontrolle nicht zu verlieren; Vermeiden des Anscheines, er habe keine Kontrolle über seine analen Funktionen Hauptmotiv sparsam; Geld wird unbewusst mit Fäkalien gleichgesetzt; hortet Dinge Eigensinnig; Reaktion auf den Druck, anale Funktionen zu kontrollieren (z.B.: Zurückhalten von Kot) Zornig; ® sadistischer oder masochistischer Ausdruck Zwangsgedanken; Zwangshandlungen und Rituale Probleme im Verdauungssystem Angsttheorien 1.Angst = umgewandelte Sexualenergie als Folge der Unterdrückung entsprechender Triebimpulse Abfuhr der gestauten Erregung in Form von Angstreaktionen 2.Angst= Gefahrensignal wenn das Ich von Reizen überwältigt wird, die es nicht beherrschen kann Realangst: reale Umwelt enthält Gefahren Neurotische Angst: verbotene Triebreize aus dem Es überfluten das Ich 3 Formen: Kastrationsangst Angst vor Liebesverlust Angst vor Objektverlust Das Ich wehrt sich gegen diese schmerzhaften Ängste durch Einsatz von Abwehrmechanismen Abwehrmechanismen Mechanismus Definition Beispiel Verdrängung Starke Inhibition eines Schuldangsterregenden produzierende Impulses oder sexuelle Wünsche Ereignisses, indem es ins werden „vergessen“ Unbewusste geschoben wird Projektion Verlegung eines Projektion der unakzeptierten eigenen Triebimpulses, der das unakzeptierten Ich bedroht und an der sexuellen Impulse auf eigenen Person nicht den Chef wahrgenommen wird, auf eine andere Person Reaktionsbild Angsterregende Impulse Unakzeptierte ung werden durch das Gefühle von Hass Gegenteil ausgetauscht werden in Liebe umgewandelt Rationalisieru Etwas akzeptabler Ein aggressives ng machen durch eine Verhalten auf akzeptierte Bewertung Überarbeitung der Ursache zurückführen, nicht auf Wut Sublimierung Ausdrücken eines Ein Soldat werden, unakzeptierten Impulses um andere zu auf sozial akzeptierte verletzen, ein Weise Klempner werden, um anale Wünsche zu befriedigen Abwehrmechanismen Verschiebung Unvollständig verdrängte Impulse: neurotisches Verhalten Verhaltensweisen Mögliche zugrunde liegende Bedeutung Angst vor Schlangen Sexuelle Konflikte betreffend den Genitalien Zwanghafte Reaktion gegen anale Impulse Sauberkeit Zwangsgedanken: Unvollständig unterdrückte „Meine Mutter Feindseligkeit gegen die Mutter ertrinkt“ Paranoide Eifersucht Homosexuelle Wünsche Starke Beschäftigung mit Geld „Kreuzzüge“ gegen Unanständigkeit Probleme den Toilettengang betreffend Reaktionsbildung gegen eigene unakzeptierte Wünsche Traumdeutung: Bedeutung von Symbolen Traumsymbol Bedeutung König, Königin Eltern Kleine Tiere, Ungeziefer Reise Geschwister Kleidung, Uniform Nacktheit Fliegen Geschlechtsverkehr Zahnziehung Kastration Sterben Empirische Prüfung von Freuds Theorie Zusammenstellungen bei: • Fisher, S. & Greenberg, R.P. (1977). The scientific credibility of Freud`s theories and therapy. Hassocks, GB: Harvester. • Eysenck, H.J. & Wilson, G.D. (1973). Experimentelle Studien zur Psychoanlalyse Sigmund Freuds. Wien: Europaverlag. Beispiel: Untersuchungen zum oralen Charakter 1.Gibt es einen „oralen Charakter“? • Fragebogen zu Gefühlen und Persönlichkeitseigenschaften sollen (z.B. mittels Faktorenanalyse ausgewertet) klären, ob diejenigen Merkmale, die theoretisch dem oralen Charakter zugeschrieben werden tatsächlich deutliche Beziehungen (Korrelationen) untereinander aufweisen. • Eine Reihe von Studien liefert Hinweise darauf, dass es ein solches „Cluster“ von Eigenschaften gibt. Mit den postulierten Merkmalen korrelieren jedoch häufig auch andere (theoretisch nicht erwartete) Merkmale. Die korrelierenden Merkmale (Abhängigkeit, Egozentrismus, Passivität, mangelndes Selbstwertgefühl) sind darüber hinaus Aspekte der breiten Persönlichkeitsdimension Neurotizismus-Emotionale Stabilität. 2. Kann die Ausprägung „oraler Eigenschaften“ auf Erfahrungen in der Oralen Phase zurückgeführt werden? • Studien in denen die Fütterungs- und Pflegebedingungen in der frühen Kindheit untersucht (post hoc erfragt oder direkt beobachtet) und zu Persönlichkeitsmerkmalen in Beziehung gesetzt werden. Es wird angenommen, dass auf diese Weise festgestellt werden kann, ob Kinder oral depriviert oder überbefriedigt waren. • 3 unterschiedliche Designs: – Korrelationen zwischen Fütterungs- und Pflegebedingungen und Persönlichkeitsmerkmalen – Korrelationen zwischen globaleren Aspekten des mütterlichen Verhaltens (Wärme, Einstellung zur (Un-)Abhängigkeit des Kindes und Persönlichkeitsmerkmalen. – Anthropologische Studien, die die Beziehung zwischen „oraler Befriedigung“ und dem Verhalten im Erwachsenenalter zwischen unterschiedlichen Kulturen vergleichen. Zu 2) • Die Designs a) und b) weisen den schwerwiegenden Nachteil auf, dass genetische Faktoren (die sowohl von Freud als auch von Abraham in Betracht gezogen werden) ignoriert werden. • Fisher & Greenberg (1977) führen 30 einschlägige Studien an. Diese zeigen insgesamt eine Korrelation zwischen frühkindlichen Erfahrungen und Persönlichkeitsmerkmalen (insbesondere Abhängigkeit, OptimismusPessimismus) auf, können Freuds/Abrahams theoretische Überlegungen jedoch nicht eindeutig bestätigen. 3.Konstruktvalidierung des „oralen Charakters“: Verhalten sich orale Personen so, wie es theoretisch vorhergesagt wird? • Beispiel Timmons und Noblin (1963): • Vergleich oraler und analer Personen. • Diagnose mittels Blacky-Test. • Konditionierungsparadigma. • Orale Personen sind durch einen statushohen Versuchsleiter besser zu konditionieren, als anale Personen. • Es gibt eine Reihe positiver Befunde. • In ähnlicher Weise können die Studien zum analen Charakter analysiert werden. • Überlappung des „analen Clusters von Persönlichkeitsmerkmalen mit der Persönlichkeitsdimension Conscientiousness (Gewissenhaftigkeit). • Insgesamt schwächere Befundlage (zusammenfassend Fisher & Greenberg, 1977). Psychoanalyse alltäglicher Handlungen Verhalten Unbewusster Wunsch Versprecher: May I Beleidigen insort (instead of (insult) escort) you? Versprecher: Das Meeting zu Gentlemen, I declare a beenden quorum present and herewith declare the session closed Vermengung: insult + escort= insort) Assoziation von Gegensätzen (open-closed) Traum von der Enttäuschung der Qualität von Theater Tickets als Ergebnis eines zu voreiligen Kaufs Davon zu träumen, sich den Arm zu brechen Ich habe zu schnell geheiratet. Ich hätte einen besseren Ehepartner finden können. Wunsch das Eheversprechen zu brechen Symbol (Karten zu schnell gekauft haben= zu schnell geheiratet zu haben) Konvertierung in visuelle Bilder (Eheversprechen brechen= Arm brechen) 02 Psychoanalytische Theorie: Carl Gustav Jung Biographisches: C.G. Jung • 1876 Geboren in Kesswil, Schweiz • Studium der Medizin • 1900 Assistent (Habil. 1905) und Mitarbeiter Bleulers • 1909 Aufgabe der Arbeit im Krankenhaus • 1913 Aufgabe der Lehrtätigkeit • 1944 Lehrstuhl für medizinische Psychologie der Universität Basel (für ein Jahr) • 1961 Tod in Küssnacht bei Zürich Was war zwischen 1913 und 1944? • Theorie entwickelt und ausgearbeitet • Streit mit Freund: Streitpunkt „Libido“ • Kulturanthropologische Studien • Selbstanalyse • Privatpatienten betreut Dynamik der Person • Libido: „kreative Lebenskraft“, die für das beständige Wachstum der Person eingesetzt werden kann. (Bei Freud Energie der sexuellen Triebe bei Jung weniger sexuell) • Equivalenzprinzip: Psychische „Energie“ ist begrenzt. Wird viel Energie auf eine Komponente der Psyche gerichtet, geht dies zu Lasten anderer Komponenten. (Jung beruft sich auf die Thermodynamik) • Entropieprinzip: Es gibt die Tendenz aller Komponenten der Psyche, den gleichen Anteil der Energie „auf sich zu ziehen“ • Psychische Werte: Besondere Bedeutung Energie, mit dem ein Element der Psyche ausgestattet wird Prinzip der Gegensätze Jedem Konzept in Jungs Theorie steht ein entgegengesetztes Konzept gegenüber • Struktur der Person • Ich (ähnelt stark dem Ich von Freud) Alles, was uns bewusst ist Denken, Fühlen, Erinnern, Wahrnehmen • Persönliches Unbewusste (entspricht dem Es) Vergessenes, Verdrängtes, nicht bewusst Wahrgenommenes Komplexe neue Komponente • Kollektives Unbewusste/Kulturelles Unbewusste (einzigartig in Jungs Theorie) Kollektive Erfahrungen der Menschheit, die diese im Prozess der Evolution gemacht haben. (bei allen Menschen gleich) Archetypen: angeborene Tendenz auf bestimmte Aspekte der Umwelt zu reagieren, aber keine spezifischen Reaktionen Komplexe • Definition: Eine organisierte (geordnete) Gruppe oder Konstellation von Gefühlen, Gedanken, Wahrnehmungen und Erinnerungen, die um ein Kernelement gruppiert sind, das wie eine Art von Magnet wirkt, indem es verschiedenartige Erfahrungen anzieht oder konstelliert (und mit viel Energie ausgestattet ist) – Beispiel: Mutterkomplex Eigene Mutter = Kernelement und mit hoher Energie belastet Alle anderen Frauen werden mit der Mutter verglichen; Meinungen, Gedanken der Mutter werden stets berücksichtigt:“Was würde Mutti tun/denken/dazu sagen?“ • • • • • Kognitive und emotionale Anordnung leicht aktivierbar durch leichte Hinweisreize viele zusätzliche Erlebungsinhalte Anzahl der Komplexe nicht begrenzt Individuelle Konstellationen Komplexe: Wortassoziationstests Komplexe: Indikatoren • • • Länger als die durchschnittliche Reaktionszeit Wiederholungen des Stimuluswortes, als ob die Person es nicht gehört hätte Missverstehen des Stimuluswortes • • • • • • • • Expressive körperliche Bewegungen, wie lachen, zucken Reaktion umfasst mehr als ein Wort Sehr oberflächliche Reaktion auf den Stimulus, wie reimen Bedeutlungslose Reaktion, wie zusammengesetzte Wörter Ausbleiben der Antwort Perseveration der Antwort: Fortsetzten der Antwort zu dem vorangegangenen Wort, obwohl das nächste präsentiert wurde. Fehlerhafte Reproduktion: drastisch veränderte Antwort, wenn die Liste das zweite Mal präsentiert wird Versprecher: Stammeln Komplexe: Fallbeispiel Patientin Jungs: Frau mit dramatischer Liebesgeschichte: Sie war in einen schönen, armen Mann verliebt, aber heiratete einen reichen, ungeliebten Mann. Sie war jedoch zu der Zeit schon schwanger von dem anderen, geliebten Mann. Das Kind erkrankte und starb nachdem es an einem Spüllappen gelutscht hatte. Exkurs: Implizite Verfahren- Moderne Varianten des Assoziationstest • Zunächst zur Erfassung von sozialen Einstellungen (z.B. gegenüber Minoritätengruppen) • Bei unzureichender Motiviertheit oder verringerten kognitiven Ressourcen werden relevante Einstellungen automatisch aktiviert. Strack und Deutsch (2004) postulieren, dass Verhalten durch zwei Systeme beeinflusst werden kann: • Reflektives System: bewusste Informationsverarbeitung; erfordert hinlängliche kognitive Ressourcen bedeutsam bei Überlegungen • Impulsives System: unbewusste Informationsverarbeitung; automatische Aktivierung (bei Zeitdruck, Stress, Anspannung); kognitive Ressourcen durch andere Dinge begrenzt • Mit Hilfe der exakten Erfassung von Reaktionszeiten sollen automatische Reaktionen erfasst werden. • Eines der am häufigsten verwendeten Verfahren: Implizite Assoziationstest (implicit association test, IAT, nach Greenberg) Beispiel. IAT Übersicht Allgemein: Ergänzung Es geht nicht um Bewertung, sondern nur um Assoziationen! Implizite (Selbstkomplex-)Maße: z.B. Ängstlichkeit in sozialen Situationen, gemessen mit physiologischen Daten kann besser durch implizite Maße vorhergesagt werden. Verhalten kann gut vorhergesagt werden. Große Relevanz für den Alltag: Menschen zeigen „schlechte“ Handlungen z.B. diskriminatives Verhalten, ohne dass sie sich darüber bewusst sind. Prozesse, die nicht bewusst berichtet werden können, werden mit dem IAT gemessen. Archetypen (interpretatives Konzept) • Definition: angeborene Tendenz, auf bestimmte Aspekte der Welt zu reagieren, aber keine spezifischen Reaktionen • • • Jung: starke Betonung, dass Individuen Ergebnis einer langen Evolutionsgeschichte sind. Ereignisse, Entwicklungen, Prozesse aus der Vergangenheit sind im Individuum enthalten (bestimmte Reaktionen z.B. unter Stress); vergleichbar mit tierischen Reaktionen Jung beruft sich auf Lamarck: Erfahrungen schlagen sich im Erbgut nieder tatsächlich nicht so: Schwachpunkt in Jungs Theorie: Moderne Evolutionstheorie zu Jungs Zeiten noch in den Anfängen Adaptation: Adaptationen nicht erfahrungsbedingt, sondern fest programmiert (im Erbgut enthalten). Bei Jung keine Adaptation , sondern mythologische Bilder: Mythen verschiedener Kulturen Entdeckung gemeinsamer Themen Beispiel zu den unspezifischen Reaktionen (siehe Definition): Der Mechanismus der Eifersucht: Vielfältige Reaktionsweisen, die aus dem Gefühl der Eifersucht resultieren (sich zurückziehen, aggressiv • • werden etc.) Interindividuelle Differenzen Vorstellung, dass Archetypen erst im Laufe der Entwicklung an Bedeutung gewinnen; Funktion: Hilfe in Krisenzeiten Eine Erfahrung, die -wie kaum eine andere- alle Menschen gemeinsam machen ist der scheinbare physische Lauf der Sonne im Laufe eines Tages. Diese schlägt sich nach Jung jedoch nicht im kollektiven Unbewussten nieder. Der Archetyp: Art Bereitschaft, immer wieder dieselben oder ähnliche mythische Ideen hervorzubringen. Im Unbewussten scheinen nur die Fantasien eingeprägt zu sein, die durch den physischen Prozess angeregt werden. (Große Abstraktionsebene). Beispiele für Archetypen: • Persona: Maske um eine Person darzustellen • Anima: Bild der Frau: Grundvorstellung von Männern über Frauen nicht durch • Animus: Bild des Mannes: Grundvorstellung von Frauen über Männer individuelle • Schatten: Animalische, unbegrenzte, triebhafte Struktur Erfahrungen • Selbst gewonnen; • Mutter : Kann aus dem Unbewussten durch Mutterfiguren „Urvorstellungen“ (auch bildlich: Ehefrau ,“Mutter Gottes“, alma mater, „Mutter Kirche“, Mutterhaus) aktiviert werden. Es gibt positive und negative Mutterarchetypen: „Stiefmutter“, „Hexe“, „Drachen“ vs. positive Mutterbilder (Aufopferung, Fürsorge) Jungs Typenlehre Funktionen Rational EinstellungDenken Fühlen Irrational Empfinden Intuieren Extravertier Extravertiert Extrav. Fühltyp Extrav. Extrav. t er Denktyp Empfindungsty Intuierer p Introvertiert Introvertierte Introv. Fühltyp Introv. Introv. r Denktyp Empfindungsty Intuierer p 2 Einstellungstypen: Libido-Orientierungen • Extravertiert: Libido nach außen gerichtet • Introvertiert: Libido nach innen gerichtet 4 Funktionen: Beschreiben, wie wir unsere Umwelt wahrnehmen und mit ihr umgehen; • • Ansätze der Informationsverarbeitung Rational: Denken Fühlen: nicht Gefühl, sondern Bewerten auf rationale Weise Irrational: Empfinden: ungefiltertes Auf-sich-wirken-lassen von Informationen Intuieren: starke Richtung in die Zukunft: Aufgrund des Gegebenen das Zukünftige antizipieren (z.B.: Simultandolmetschen: Intuierer zeitlich besser bewappnet Für schnelle Übersetzungen Satzumbau wichtig) 8 Persönlichkeitstypen: • Extravertierter Denktyp Introvertierter Denktyp • Extravertierter Fühltyp Introvertierter Fühltyp • Extravertierter Empfindungstyp Introvertierter Empfindungstyp • Extravertierter Intuierer Introvertierter Intuierer • Extravertierter Denktyp: Lebt nach festen Regeln, objektiv, kalt; positiv und dogmatisch in seinem Denken. Fühlen ist unterdrückt. • Extravertierter Fühltyp: Sehr emotional, Respekt vor Autorität und Tradition. Gesellige Person, die die Harmonie mit der Welt sucht. Denken ist unterdrückt. • Extravertierter Empfindungstyp: Sucht Vergnügen, fröhlich, sozial angepasst. Sucht ständig neue sensorische Erfahrungen/Stimulierung. Interessiert an gutem Essen und Kunst. Sehr realistisch. Intuition ist unterdrückt. • Extravertierter Intuierer: Entscheidungen werden eher durch Ahnungen als durch Fakten bestimmt. Wechselhaft und kreativ. Geringe Persistenz. Weiß viel über das Unbewusste anderer. Fühlen ist unterdrückt. • Introvertierter Denktyp: Intensives Bedürfnis nach Privatheit. Sozial gehemmt, geringes praktisches Urteilsvermögen. Intellektueller, der die praktischen Probleme des Alltags ignoriert. • Introvertierter Fühltyp: Ruhig, gedankenvoll und überempfindlich. Kindisch, rätselhaft und indifferent den Gefühlen und Meinungen anderer gegenüber. Sehr geringer Ausdruck von Emotionen. • Introvertierter Empfindungstyp: Sein Leben wird durch das bestimmt, was gerade passiert. Künstlerisch, passiv und ruhig. Kein tieferes Interesse an menschlichen/sozialen Problemen, da mit dem gegenwärtigen Geschehen beschäftigt. • Introvertierter Intuierer: Der eigentümliche, exzentrische Tagträumer der neue aber • „befremdliche“ Ideen produziert. Selten von anderen verstanden, was ihn aber nicht sonderlich beunruhigt. Das Leben wird durch innere Erfahrungen geleitet, nicht durch äußere. Bedeutsame Rolle der Typen in der psychologischen Diagnostik. Typen: • Werden heute erfasst durch einen Fragebogen Myers Briggs Type Indikator(MBTI) in den USA am meisten eingesetzt zur Personalselektion Einsatz laut Riemann nicht gerechtfertigt, da „Kaffeesatzlesen“ Neuere Version: Golden Profiler of Personality (2002) • Anknüpfungspunkte ohne Bezug auf die analytische Theorie für Guilford (Fragebogenentwicklung): wesentliche Beiträge in den 30er-Jahren und Eysenck (Extraversionskonzeption): bezieht sich explizit auf Jungs Theorie Zusammenfassend: • Viele Konzepte, die uns im Alltag begegnen gehen auf psychoanalytische Theorien zurück • Spekulative Elemente • In ihrer Ganzheit sind die Theorien empirisch nicht überprüfbar • Allerdings werden einzelne Aspekte immer wieder aufgegriffen und weiter erforscht 03 George Kelly – phänomenologisch orientierter Persönlichkeitsforscher Biographie • Geboren am 28.4.1905 : Bauernhof in Kansas • Bachelor in Physik u. Mathematik, Master in Soziologie • Er lehrte an verschiedenen Hochschulen • 1929 Hochschulabschluss in Psychologie an der University of Edinburgh in Schottland • Vor dem 2.WK: Kelly arbeitet als Schulpsychologe • Während des 2.WK: Psychologe bei der Luftwaffe • Professor in Klinischer Psychologie an der Ohio State University • 1955: „Die Psychologie der persönlichen Konstrukte“ Hauptwerk Veröffentlichung des Werks internationale Anerkennung • Kelly starb 1967 Sein Hauptwerk hat nur wenige Literaturangaben; spezielle Art der Darstellung Theorie wurde nie sehr systematisch mit anderen Theorien verknüpft Isolation Philosophische Grundannahmen (axiomatisches Vorgehen) Annahme Kellys: Der Mensch ist eine Form von Bewegung. Die zu beantwortende Frage muss lauten wohin bewegt sich der Mensch? und nicht warum?! • Das Universum: 13. real (grenzt sich ab von konstruktivistischen Sichtweisen) 14. kann nur in einer Zeitperspektive verstanden werden 15. Integral, alle Ereignisse stehen zueinander in Beziehung (allerdings begrenzte Anzahl von Relationen, die wir wahrnehmen) • Konstruktiver Alternativismus: • Konstruktivismus = philosophische Strömung; Universum ist nicht real 18. Eine allgemeingültige, absolute Konstruktion des Universums ist unmöglich. Alle gegenwärtigen Konstruktionen können revidiert und ersetzt werden. Unterschiedliche Sichtweisen existieren nebeneinander, man weiß nicht genau was richtig und falsch ist 19. Menschen geben Ereignissen eine Bedeutung. Alternative Konstruktionen sind möglich. Handeln wird dadurch bestimmt welche Bedeutungen wir Ereignissen geben • Methapher des Menschen als Wissenschaftler: 21. Konstruktion von Realität 22. Parallelen zwischen wissenschaftlichem u. alltäglichem Vorgehen; Menschen entwickeln und verknüpfen Konstrukte und handeln danach 23. Menschen bemühen sich - wie Wissenschaftler - sich ihre Umwelt anzueignen „Fundamental Postulate“ (Fundamentales Postulat) Definition: „Die Prozesse einer Person werden psychologisch gelenkt durch die Art, in welcher die Person Ereignisse antizipiert.“ (KELLY, 1955, S.46) Antizipieren wird im Sinne eines Vorentwurfs von zukünftigen Ereignissen verstanden. • Prozesse stehen im Vordergrund • • • Gedanke: Wie werden Prozesse einer Person gelenkt? Nicht: Wie werden sie angestoßen? Erwartungen sind von zentraler Bedeutung Antizipieren: Vorentwurf zukünftiger Ereignisse in die Zukunft gerichtet Erwartungen immer nur möglich auf dem gegenwärtigen Erfahrungsstand Hilfssätze • Construction corollary • Individuality corollary • Organisation corollary • Dichotomy corollary • Choice corollary • Range corollary • Experience corollary • Modulation corollary • Fragmentation corollary • Commonality corollary • Sociality corollary 1) Construction corollary/ Konstruktions-Hilfssatz: • „Eine Person antizipiert Ereignisse, indem sie eine Kopie von ihnen entwirft“ (KELLY, 1955, S.50) Aus zwei Faktoren werden die Vorhersagen für ein Ereignis gewonnen: a) die Anzahl der bereits beobachteten Wiederholungen eines Ereignisses (je häufiger die Beobachtungen, desto genauer die Vorhersage) b) der Betrag an Ähnlichkeit des vorherzusagenden Ereignisses, der durch Abstraktion von den Wiederholungen gewonnen wird - Ein Individuum, das über keine Konstrukte verfügt hat Defizite in der Wahrnehmung, in der Einordnung von Dingen und im Denken - Beispiel: Direkt nach der Geburt verfügt das Baby noch über keine Konstrukte. Zusammenhänge müssen erst gelernt werden. Bestimmte Ereignisse treten wiederholt auf. Es kommt zu einem schematischen Erkennen (z.B. Augen, Mund). Schließlich entsteht das Konstrukt (z.B. „Person“). - Wir entwickeln Konstrukte, indem wir eine Kopie von Dingen in unserem Gedächtnis speichern. Es wird eine Abgrenzung von anderen Wahrnehmungen vorgenommen. Je ähnlicher Ereignisse, desto bessere und präzisere Vorhersagen können gemacht werden. 2)Individuality corollary/ Individualitäts-Hilfssatz: • „Personen unterscheiden sich voneinander in ihrer Konstruktion von Ereignissen“ (KELLY, 1955, S.55). ideographische Seite der Persönlichkeit Dieses Postulat ist ganz im Sinne einer Psychologie der individuellen Unterschiede. Gleiche Ereignisse werden von Personen unterschiedlich antizipiert, auch bestehen individuelle Unterschiede in der Auswahl von Ereignissen, die antizipiert werden sollen. Untersuchungen, die J.C.J. BONARIUS(1965) anführt, erbrachten, dass Personen bei ihrer eigenen Beurteilung und der anderer Personen ihre persönlichen Konstrukte vorgegebenen Messskalen vorziehen. Es gibt allgemeine Prinzipien der Konstruktion (bei allen Menschen gleich); ABER: auch Unterschiede in der individuellen Konstruktion; WICHTIG: Inhalt der Konstruktion: Wie konstruiert eine Person genau? Es ist nicht automatisch vorgegeben, womit man sich differenzierter auseinandersetzen möchte. Es gibt sehr unterschiedliche Ereignisse, die wiederum sehr unterschiedlich von Personen angewendet werden. 3)Organisation corollary/ Organisations-Hilfssatz: • „Jede Person entwickelt ein Konstruktionssystem, welches eine Ordnung oder Stufenfolge zwischen den einzelnen Konstrukten umfasst, um Ereignisse angemessen zu antizipieren. Innerhalb des Systems besteht ein Minimum an Gegensätzlichkeit und Unbeständigkeit“ (KELLY,1955, S.56). Die Konstrukte bilden eine Hierarchie, indem jedes entweder anderen übergeordnet oder einem höheren als sein Element untergeordnet ist. • Menschen entwickeln ein bestimmtes System von Konstrukten Zusammenhänge zwischen Konstrukten • Konstrukte bilden eine Hierarchie/sind in Hierarchien angeordnet Beispiel gut - böse Warum findest du XY gut? weil XY kooperativ ist kooperativ - destruktiv Warum kooperativ? weil XY tut was ich sage tut was ich sage gut kooperativ konstruktiv tut was ich sage tut was ich denke • Hierarchien können persönlich sein. • Konsequenz: Hierarchien werden häufig benötigt um zu verstehen was eine Person mit einem Konstrukt meint 4) Dichotomy corollary/ Dichotomer- Hilfssatz: • „Das Konstrukt-System einer Person besteht aus einer begrenzten Anzahl dichotomer Konstrukte“ (KELLY, 1955, S.59). Ein dichotomes Konstrukt besteht aus mindestens drei Elementen, von denen festgestellt werden muss, inwieweit zwei Elemente einander ähneln und zugleich von einem dritten verschieden sind. Minimaler Kontext Zusatzuntersuchungen, ebenfalls von BONARIUS erwähnt, unterstützen KELLYS Auffassung von der Bipolarität persönlicher Konstrukte. Aber sie stellen es als problematisch dar, ob Bipolarität notwendigerweise Dichotomisierung impliziert. • Menge von Ereignissen, die in die Aufmerksamkeit einer Person gelangen • Einige sind sich ähnlich – andere sind sich unähnlich Beispiel 1: Die beiden Sterne sind sich ähnlich und verschieden von dem Rest der Symbole • Beispiel2: Schwarz – weiß verschachtelte Konstrukteeine Dimension schwarz tiefschwarz normalschwarz schwarz dunkelgrau • Mehrgliedriges Konstrukt: nicht nur dichotom, z.B. Unterscheidungen von 3 oder mehr Farben; bezieht sich auf Dinge der physikalischen Welt z.B. Konstrukt Tisch, Stuhl, Schrank • Bei der Beschreibung vonPersonen häufig Dichotomien/ Bipolarität 5) Choice corollary/Wahl-Hilfssatz: • „Eine Person wählt für sich die Alternative eines dichotomen Konstruktes, durch die sie eine bessere Möglichkeit der Erweiterung und Präzisierung des Systems erzielt“ (KELLY, 1955, S.64). Das Prinzip einer sorgfältigen Wahl ist die Tendenz, die Alternative zu wählen, die das System genauer und klarer macht. • Empirisch kaum überprüfbar • Scheer (2003): Wahlhilfssatz hat viel mit Motivation zu tun Nach Kelly: Nicht die Frage nach dem „Warum“, sondern nach dem „Wohin“ Welche Handlungen werden gewählt? Beispiel: Laut Kelly: Faules Kind Faul bedeutet nicht, dass das Kind nichts tut, sondern dass das Kind etwas anderes tut, was nicht gewollt und erwartet wird (z.B. Reden mit dem Nachbarn im Unterricht) Wahlhilfssatz: Zwischen unterschiedlichen Handlungsalternativen wird gewählt; Vorstellungen über die Konsequenzen der Handlungen werden gebildet; dieses geschieht sehr schnell, ist häufig unartikuliert und präverbal • Es besteht nicht immer nur die Wahl zwischen Gutem und Schlechtem mehrere attraktive Alternativen: Entscheidung so, wie es den eigenen Konstrukten entspricht. 6) Range corollary/ Bereichs-Hilfssatz: • „Ein Konstrukt ist nur für die Antizipation eines endlichen Bereichs von Ereignissen geeignet“ (KELLY,1955, S.64). Jedes Konstrukt hat seinen Geltungsbereich und Schwerpunkt für ähnliche und gegensätzliche Ereignisse. Es existieren auch Ereignisse, die außerhalb des Geltungsbereichs fallen. Konstrukte sind immer an eine Menge von Ereignissen gebunden, für die sie geeignet sind. Für manche Bereiche sind sie gut, für manche weniger gut geeignet. 7) Experience corollary/ Erfahrungs-Hilfssatz: • „Das Konstruktsystem ändert sich mit dem fortlaufenden Entwerfen der Wiederholungen von Ereignissen“ (KELLY, 1955, S.72). Die auftretenden Ereignisse unterwerfen das System einer Überprüfung seiner Gültigkeit. Das Konstruieren und Rekonstruieren von Ereignissen macht die Erfahrung der Person aus. Für KELLY ist in allen psychischen Vorgängen ein Lernvorgang enthalten. Dieser Vorgang wird nicht als Festsetzung auf verstärkte bzw. ausgelöschte Verhaltensweisen verstanden, sondern er beinhaltet die erzielte Gültigkeit von Vorhersagen, die Formulierung von Erfahrung und die Festlegung auf Handlungen. • Konstrukte sind einer fortlaufenden Veränderung unterworfen • Biologisches spielt keine Rolle • Alle Konstrukte werden durch Erfahrungen gebildet • Konstrukte werden zunehmend verfeinert/ausdifferenziert im Laufe der Entwicklung; • Blickwinkel verfeinert sich durch geschulte und häufigere Beobachtung von Konstrukten • • • • Prüfung der Konstrukte: Ereignis so eingetroffen wie antizipiert? ; Menschen sind auf ihre eigenen Urteile angewiesen/beschränkt (Gefahr sich selbst etwas vorzumachen) Erfahrung wird gesammelt: Laut Kelly kann aber nicht nur durch Beobachtung und Auf-sich-wirken-lassen Erfahrung gesammelt werden. Wichtige Voraussetzung ist AKTIV zu werden, d.h. Dinge vorherzusagen und aktiv zu schauen/zu überprüfen, ob diese auch tatsächlich eintreffen. Konstruieren und Rekonstruieren Wenn nur Vorhersagen getroffen werden ohne die Ergebnisse zu berücksichtigen, dann werden sich Konstruktionssysteme nicht ändern Konsequenz: keine Erfahrung wird gemacht Untersuchungen (in BONARIUS, 1965) über den Wechsel von Konstrukten ergaben, dass nach einem Minimum an sozialer Interaktion die Personen dazu neigen, einen Partner ihnen ähnlich zu konstruieren. • Dauert die Interaktion an, wird die Konvergenz der Konstruktion von einer Divergenz abgelöst. Die Personen üben selbst die Kontrolle über Konvergenz und Divergenz aus, indem sie entweder ihre Aufmerksamkeit hauptsächlich auf sich oder den Partner richten. 8) Modulation corollary/ Modulations-Hilfssatz: • „Die Veränderbarkeit eines Konstruktsystems wird durch die Durchlässigkeit der Konstrukte, innerhalb derer der Gültigkeitsbereich der Abweichung liegt, begrenzt“ (KELLY, 1955, S.77). Ein Konstrukt ist durchlässig, wenn es neue Elemente aufnimmt, die noch nicht innerhalb seines Gefüges vorhanden sind. • Veränderungen sind begrenzt • Durchlässigkeit = Gültigkeitsbereich oder Konstruktion von Konstrukten wird verändert • Manche Konstruktionen sind sehr undurchlässig Undurchlässigkeit behindert Veränderung des Konstruktsystems z.B. Trotz wiederholter schlechter Erfahrungen mit einem Partner keine Konstruktänderung manche Frauen fallen immer wieder auf den gleichen Typ Mann herein 9) Fragmentation corollary/ Fragmentations-Hilfssatz: • „Eine Person kann fortlaufend unterschiedliche Konstruktsysteme benutzten, die unvereinbar miteinander sind“ (KELLY, 1955, S.83). Innerhalb größerer Systeme findet eine Änderung statt, wenn neue Konstrukte auf alte treffen. Die Toleranz einer Person für Unvereinbarkeit beim täglichen Konstruieren von Ereignissen wird begrenzt durch die Genauigkeit der herrschenden Konstrukte, von deren Durchlässigkeit es abhängt, welche umfassende Bedeutung die Person dem Leben beilegt. • Unterschiedliche Konstruktionen existieren nebeneinander; bei zu großem Widerspruch: Konstruktionsänderung • Z.B. bei Personen, die einem lieb sind, fallen negative Dinge nicht so sehr ins Gewicht Umgang Mutter- Kind: Kind will unbedingt Süßes und schreit herum, verhält sich unmöglich Mutter ist sauer und genervt, aber kurze Zeit später wird das Muttersystem wieder aktiviert und Mutter zeigt womöglich Verständnis etc. und gibt nach 10) Commonality corollary/ Kommunalitäts-Hilfssatz: • „In dem Maße, in dem eine Person eine Konstruktion von Erfahrungen benutzt, die der einer anderen Person ähnlich ist, sind ihre psychischen Prozesse gleich“ (KELLY, 1955, S.90). Die Konvergenz in dem Vorentwurf von Ereignissen bildet die Grundlage für ähnliche Handlungen und nicht die Konvergenz der Ereignisse selbst. KELLY versteht kulturelle Ähnlichkeit in dem Sinne, was die Person vermutet, was andere tun werden, und was sie selbst meint, was die andern von ihr zu tun erwarten. BONARIUS meint, dass Ähnlichkeit in der Erfahrung eine günstigere Basis für Kommunikation bildet. Ähnlichkeit der Konstrukte möchte er verstanden wissen als Ähnlichkeit der Dimensionen von Konstrukten und nicht als Übereinstimmung in der Beurteilung von Ereignissen. • Menschen sind sich ähnlich, wenn sie Ereignisse sehr ähnlich konstruieren • Menschen sind sich unähnlich, wenn sie Ereignisse unähnlich konstruieren • Hat nichts mit Kommunikation zu tun! 11) Sociality corollary/ Sozialitäts-Hilfssatz: – „In dem Ausmaße, in dem eine Person die Konstruktionsprozesse einer anderen entwickelt, kann sie eine Rolle in deren sozialen Prozessen spielen“ (KELLY, 1955, S.95). Um andere Personen zu verstehen, ist es notwendig, ein Bild von ihnen zu haben und ihre Art, die Welt zu betrachten, zu kennen. • Häufige Klausurfrage: Wie ist soziales Leben möglich, wenn doch jeder individuelle Konstrukte hat? Kommunikation ist ein aktiver Prozess und funktioniert dadurch, dass Konstrukte entwickelt werden, die helfen die Konstruktion anderer Menschen zu verstehenPerspektivenübernahme Z.B. Aufgabe eines Klinischen Psychologen ist es eine Rolle in den sozialen Prozessen seiner Klienten zu spielen. • Wie können Konstrukte anderer verstanden werden? Die Erfassung persönlicher Konstrukte • List Form des Role Construct Repertory Test • Grid Form des Role Construct Repertory Test • Charakterskizze Role Construct: Konstruktion für die Bedeutung anderer wichtiger Menschen Charakterskizze: Basis sind Gespräche (für die Erfassung persönlicher Konstrukte); freie Personenbeschreibung, z.B.: Was ist Ihnen wichtig an Hans Müller? Antwort: Sein Aussehen weiterführende Frage (bezieht sich auf die Antwort der Person): Achten Sie generell bei Menschen häufig auf das Äußere? Gridtest – Gittertest Mutt Vater Brud Schwes Partn Anerkan Gemeinsa Kontras er er ter er nter mkeit t Lehrer z.B. Geschlecht , Alter Unterstütz ung durch Mutter und Lehrer • • • • Konkurr enz mit Bruder Drei Kreise pro Zeile Vergleich aller Personen miteinander Angabe, ob Gemeinsamkeit oder Kontrast Vorteil des Gitters gegenüber der Listform: Manchmal ist die Bedeutung von Begriffen nicht klar und eindeutig (z.B. makame versus dudadi) Frage: Wie gebraucht die Person die Begriffe? Gebrauch über mehrere Personen hinweg kann beobachtet werden. Es kommt darauf an welche Bedeutung Begriffen zugeordnet wird und in welchem Kontext Begriffe gebraucht werden. Repräsentation der Elemente und Konstrukte mit Hilfe der Hauptkomponentenanalyse Zero-Aquaintance Studie (Ute Klein) Proband(inn)en: 47 Frauen und 16 Männer (Alter 25.5 Jahre, SD=7.0) Beurteiler(innen): 4 weibliche, 2 männliche Studierrende der Psychologie höheren Semesters (9.-11.) zwischen 24 und 26 Jahre alt • Vorgehensweise: Probandinnen bearbeiten einen Gridtest und die deutsche Fassung des NEO-FFI (Borkenau und Ostendorf, 1993) Der Gridtest wurde den Beurteilerinnen in standardisierter Form vorgelegt. Sie sollten sich in Ruhe den vorliegenden Gridtest anschauen und versuchen, sich in die Person hineinzuversetzen, die diesen Gridtest ausgefüllt hat. Wenn sie sich ein Bild von der Person gemacht hatten, sollten sie den NEO-FFI so ausfüllen, wie sie glaubten, dass die Person ihn selbst ausgefüllt hätte. Die 6 Beurteilerinnen nahmen Fremdeinschätzungen für alle 63 Probandinnen vor. • Resultate: Die Beurteilerübereinstimmung war gut und schwankte zwischen .43 für die Skala Verträglichkeit und .70 für die Skala Offenheit für Erfahrung. • ACHTUNG: Beurteilerübereinstimmung muss nicht automatisch eine richtige Beurteilung der Person bedeuten false consensus effect • • • Andere Studie zu Fremd- vs. Selbsteinschätzung: ca.100 Personen, die Wettervorhersagen vorlesen mussten wurden auf Videoband aufgenommen; danach: Einschätzung dieser Personen von unabhängigen Personen, die die aufgenommen Leute nicht kannten (unterschiedliche Bedingungen: Video mit/ohne Ton/nur Standbild) Ergebnis: Durchaus valide Persönlichkeitseindrücke entstanden: Korrelation zwischen Selbstund Fremdeinschätzung relativ hoch. • • Reize liefert der Grid-Test Die Zusammenhänge zwischen den Reizen müssen von Fremdbeurteilern valide/richtig erkannt werden • 1.Tabelle: signifikante Übereinstimmung hohe Korrelation zwischen Selbst- und Fremdbeurteilung bei 4 von 5 Persönlichkeitseigenschaften: Neurotizismus, Extraversion, Offenheit und Verträglichkeit NEO-FFI ist also nicht perfekt reliabel, aber der Grid Test liefert insgesamt valide Aussagen über die Person! • 04 Carl Rogers Biographisches: • 1902 in einem Vorort von Chicago • 1919 begann er sein Studium in Wisconsin (Landwirtschaft) • Er wechselte zur Theologie über und wollte Geistlicher werden • Er wechselte erneut das Studium: Bachelor in Geschichte • Graduiertenstudium in Klinischer und Pädagogischer Psychologie an der Columbia Universität • 1931 promovierte er über eine Testentwicklung zur Messung der Persönlichkeitsanpassung bei Kindern • 1951 Gründung der klientenzentrierten Therapie • 1946 – 1947 war Rogers Präsident der American Psychological Association • Er erhielt viele Auszeichnungen, er ist Begründer der Gesprächspsychotherapie und der Selbsterfahrungsgruppenbewegung • 1987 starb Rogers Rogers Reflektionen über seine Arbeit: Zentrale Annahme: Personen verfügen über Ressourcen, die sie in einem positiven Klima nutzen. Climate of growth:/Klima des Wachstums: Atmosphäre, in der Gefühle ausgedrückt werden können, völlig akzeptiert und frei. Konfrontation der Gefühle mit der Realität. Betonung der potenziellen Freiheit einer Person. Humanistische Orientierung. Freedom of human choice: Menschen können sich frei entscheiden und verfügen über einen „Freien Willen“. Der Mensch als Architekt der eigenen Persönlichkeit. Rogers Persönlichkeitskonzeption: Strukturelle Merkmale: Aus welchen Instanzen setzt sich eine Person zusammen? • Organismus • Erfahrung und Erlebnis (Experience) • Bewusstsein • Inneres Bezugssystem • Selbst (Selbstkonzept, Selbststruktur) und Idealselbst Der Organismus „Organismus“ bezeichnet die gesamte lebendige Person, einschließlich allem Biologischem und Physiologischem. Besondere Funktion des Organismus: Organismische Bewertungstendenz (informationsverarbeitende Funktion) Erfahrung und Erlebnis (experience) Erfahrung schließt alles ein, „was sich innerhalb eines Organismus zu einem bestimmten Moment ereignet und potentiell dem Bewusstsein zugänglich ist. Sie umfasst alle unbewussten Ereignisse sowie alle Phänomene, die im Bewusstsein sind“. „Potentiell“ vorbewusst (psychoanalytisch zu verstehen) Es gibt jedoch kein ES wie bei Freud Bewusstsein (synonym: Symbolisierung, Gewahrwerden) ist die symbolische Repräsentation (in Worten, Bildern oder der Form eines dumpfen Gewahrseins) der Erfahrung oder eines Teils der Erfahrung. Teilmenge der Erfahrung, die symbolisch repräsentiert ist Inneres Bezugssystem (entspricht dem Bewusstsein+ dem Vorbewussten bei Freud) (auch phänomenologisches Feld oder Erfahrungsfeld) umfasst alle Erfahrungen, die dem Bewusstsein einer Person zu einem gegebenen Zeitpunkt prinzipiell zur Verfügung stehen und die akzeptabel sind. Es umfasst den gesamten Bereich von Empfindungen, Wahrnehmungen und Erinnerungen, die im Bewusstsein präsent sind oder ohne Schwierigkeiten ins Bewusstsein gerufen werden können. Abgewehrte, nicht bewusste Erfahrungen werden nicht zum inneren Bezugsfeld der Person gezählt. Selbst (Selbstkonzept, Selbststruktur) und Idealselbst Es umfasst einen Teil des inneren Bezugssystems, nämlich die auf die Person selbst bezogenen Erfahrungen oder Bewertungen. Es beinhaltet zum einen alle Vorstellungen über die eigene Person („wer bin ich“), Vorstellungen über das eigene Können und Funktionieren, das subjektive Wissen der Beziehung der Person zu anderen Personen und zur Außenwelt, sowie die Bewertung dieser Aspekte. Selbst ist keine dynamische Struktur; keine Instanz, die etwas tut, sondern „Wissen“ über uns selbst Als Idealselbst bezeichnet ROGERS das Selbstkonzept (hier sollte eher von Vorstellung eines Selbstkonzepts gesprochen werden), das eine Person am liebsten haben würde, das es für sich selbst am höchsten bewertet. Vergleichbar: Ich-Ideal: Wie möchte ich sein? Zwischen Idealselbst und Realselbst können Diskrepanzen entstehenInkongruenz Diskrepanzen zwischen Erfahrung und Bewusstsein sind schwerwiegender. Empirische Erfassung leichter bei Inkongruenz zwischen Idealselbst und Realselbst. Motivationale Merkmale: • Aktualisierungstendenz • Selbstaktualisierungstendenz • Organismische Bewertungstendenz • Kongruenz und Inkongruenz • Bedürfnisse nach positiver Wertschätzung und Selbstachtung • Abwehrprozesse 1.) Die Aktualisierungstendenz (ähnlich „Libido“ bei Jung; Übereinstimmung mit Maslow) Eine dem Organismus innewohnende Tendenz alle seine Möglichkeiten in einer Weise zu entwickeln (auszudrücken und zu aktivieren), die dazu beiträgt, die Person zu erhalten und zu fördern. generell positiv fördernde „Kraft in uns“ Die Aktualisierungstendenz kann nicht als Motiv im üblichen Sinne bezeichnet werden. Sie ist nicht auf bestimmte Verhaltensweisen gerichtet (oder wird als Ursache für bestimmte Verhaltensweisen angesehen), sie wird nicht befriedigt, d.h. sie ist keine „innere“ Spannung, die reduziert werden muss. kein Bedürfnis Konsequenz: Uns allen wohnt eine Aktualisierungstendenz inne; für die persönliche Entwicklung bedeutsam. Wenn wir in einer positiven Umgebung sind, werden wir uns auch positiv entwickeln positive Entwicklungstendenz Beispielgeschichte von Rogers: Am Strand (Westküste USA) ist hoher Wellengang. Wenn man sich an eine Klippe stellt und einen Felsen mit einer Alge betrachtet, dann fragt man sich, wie lange die Alge den Wellen noch standhalten wird. Überraschenderweise wird die Alge nicht weggeschwemmt, sondern blüht, wächst und gedeiht! 2.) Die Selbstaktualisierungstendenz Die Aktualisierungstendenz kommt auch in der Aktualisierung jenes Teils der Erfahrungen zum Ausdruck, die sich auf die eigene Person beziehen (Selbst). Die Selbstaktualisierungstendenz wird als ein spezieller Aspekt der Aktualisierungstendenz angesehen. Wenn das Selbst und die gesamte Erfahrung des Organismus in Einklang stehen (kongruent sind), dann bleibt die Aktualisierungstendenz relativ einheitlich, stehen diese Erfahrungen jedoch nicht im Einklang, dann kann die Selbstaktualisierungstendenz der auf den gesamten Organismus bezogenen Aktualisierungstendenz entgegenwirken. Erfassung der Selbstaktualisierung: Typische Beispiele der Testaufgaben aus dem Fragebogen zur Selbstaktualisierung (Jones & Crandall, 1996) • Andere müssen immer bestätigen und gutheißen, was ich tue. • Ich werde von Ängsten geplagt, dass ich unzulänglich bin. • Ich schäme mich keines meiner Gefühle (r) • Ich glaube, dass Menschen im Wesentlichen gut sind und dass man ihnen vertrauen kann. (r) Merkmale der Selbstaktualisierung: • unabhängig von Bestätigung und Bewertung anderer sein • nicht für Gefühle schämen • Bewusstsein darüber, dass Menschen unterschiedliche Facetten haben 3.) Die organismische Bewertungstendenz Alle Erfahrungen werden einem beständigen Bewertungsprozess ausgesetzt. „Der Organismus erfährt Befriedigung in denjenigen Reizen oder Verhaltensweisen, die den Organismus und das Selbst erhalten und fördern, sowohl in der unmittelbaren Gegenwart, als auch auf lange Sicht.“ Informationsverarbeitung der unspezifischen Instanz „Organismus“ Die Aktualisierungstendenz dient gleichsam als Kriterium für die Bewertung aller Erfahrungen. (Z.B. ob etwas förderlich oder dienlich ist) Im Rahmen von Rogers Theorie: Jeder Mensch weiß was gut oder schlecht für ihn ist oder findet es selber heraus. 4.) Kongruenz und Inkongruenz Der Begriff Kongruenz steht für die Übereinstimmung zwischen Erfahrung und Bewusstheit. Diese Übereinstimmung können wir im Umgang mit anderen Menschen intuitiv erspüren. Starke Inkongruenz: Person ist eine „flache“ Persönlichkeit; ist nicht mit sich selbst im Reinen, nicht authentisch 5.) Bedürfnisse nach positiver Wertschätzung und Selbstachtung Das Bedürfnis nach positiver Wertschätzung steht für Wünsche nach Beachtung, Anerkennung, Respekt, Zuwendung und Angenommenwerden. Dieses Motiv entspricht den Erfahrungen positiven Angenommenseins, wie es ein Säugling bei der Mutter erfahren haben mag. Das Erleben von Wertschätzung durch andere Personen führt zu einer positiven Einstellung der Person gegenüber sich selbst, die dann nicht mehr von der Einstellung anderer Personen abhängig ist. Positive Wertschätzung von außen Internalisierung „Wir sind etwas wert“ Unabhängigkeit Die Person kann sich quasi selbst als „bedeutsamer Anderer“ gegenübertreten und z.B. Stolz und Wertschätzung für eigenes Handeln empfinden. Jede Person habe das Bedürfnis, sich selbst zu achten, d.h. auf das Selbst bezogene Erfahrungen als befriedigend anzusehen. Jeder Mensch hat das Bedürfnis um seiner selbst willen geliebt und geschätzt zu werden. Wertschätzung wird oft an Bedingungen geknüpft diese entsprechen oft nicht dem, was dem eigenen Willen entspricht Entstehung von Diskrepanzen: z.B.: Kind: „Ich bin wertgeschätzt, weil ich fleißig und freundlich bin.“ im Selbst symbolisiert entspricht nicht der Erfahrung: „Ich kann nicht immer fleißig, nett und ausgeglichen sein.“ Inkongruenz Ich erkenne, dass ich auch aggressive Impulse habeZustand der Bedrohung: Erfahrung inkongruent mit dem Selbst 6.) Abwehrprozesse (Verzerrung im Bewusstsein, Verleugnung) Ein Organismus reagiert auf Bedrohung mit einer Wahrnehmungsabwehr. Der Zustand der Bedrohung tritt dann ein, wenn ein Organismus eine Erfahrung als inkongruent mit dem Selbst wahrnimmt oder eine solche Inkongruenz vorhersieht. Der Organismus hat nun zwei Möglichkeiten auf eine Erfahrung zu reagieren, die die Bedrohung auslöst: 11. die Erfahrung kann so verändert werden, dass die Inkongruenz zwischen Selbst und Erfahrung verringert wird (Verzerrung) 12. der Zugang dieser Erfahrung zum Bewusstsein kann ganz verhindert werden (Verleugnung) Beispiele: Verzerrung: „Ich war doch nur so unfreundlich, weil ich die Person persönlich weiterbringen wollte/ ihr etwas Gutes tun wollte“ Beim Nicht-Bestehen einer Klausur zu behaupten, die Fragen wären absurd gewesen und blöd gestellt worden Verleugnung: Nicht bemerken/verdrängen, dass man die Klausur nicht bestanden hat. Merkmale der voll funktionsfähigen (fully functioning) Person • Offenheit für Erfahrungen unverzerrt und ohne Verleugnung die Umwelt wahrnehmen; Verstehen der sozialen Welt • Existentielles Lebensgefühl im „Hier und Jetzt“ leben • Wachsendes Vertrauen zum eigenen Organismus Kennzeichen humanistischer Auffassungen: Jeder Mensch hat ein positives Entwicklungspotenzial. Unglückliche Umweltumstände können behoben werden. Auf organismische Bewertungstendenz hören Orientierung beeinflusst Entscheidungen Entwicklung der persönlichen Aktualisierungstendenz entsprechend Rogers: Therapie bei psychisch kranken Menschen gleiches Prinzip Keine Patienten, sondern Klienten: Ablehnung des medizinischen Krankheitsbildes Wichtig bei der Therapie: • Wärme (Therapeut warm und dem Klienten zugewandt) • Verbalisierung emotionaler Erlebnisinhalte Rolle des Therapeuten: „Spiegeln“ emotionaler Inhalte (keine Therapie an sich) • Kongruenz Therapeut muss kongruent sein (Selbsterfahrung) Thesen zur Theorie von Rogers: Rogers hat selbst seine Sicht der Persönlichkeit in kurzen Thesen zusammengefasst (Rogers, 1951, deutsch 1973). These I: Jedes Individuum existiert in einer ständig sich ändernden Welt der Erfahrung, deren Mittelpunkt es ist. These II: Der Organismus reagiert auf das Feld, wie es erfahren und wahrgenommen wird. Dieses Wahrnehmungsfeld ist für das Individuum die Realität. These III: Der Organismus reagiert auf das Wahrnehmungsfeld als ein organisiertes Ganzes. These IV: Der Organismus hat eine grundlegende Tendenz, den Erfahrungen machenden Organismus zu aktualisieren, zu erhalten und zu entwickeln. These V: Verhalten ist grundsätzlich der zielgerichtete Versuch des Organismus seine Bedürfnisse, wie sie in dem so wahrgenommenen Feld erfahren werden, zu befriedigen. These VI: Diese zielgerichtete Verhalten wird begleitet und im allgemeinen gefördert durch Emotionen. Diese Emotionen stehen in Beziehung zu allen Vollzugsaspekten des Verhaltens, und die Intensität der Emotionen steht in Beziehung zu der wahrgenommenen Bedeutung des Verhaltens für die Erhaltung und Förderung des Organismus. These VII: Der beste Ausgangspunkt zum Verständnis des Verhaltens ist das innere Bezugssystem des Individuums selbst. These VIII: Ein Teil des gesamten Wahrnehmungsfeldes entwickelt sich nach und nach zum Selbst. These IX: Als Resultat der Interaktionen mit der Umwelt und wertebestimmender Interaktionen mit anderen Personen wird die Struktur des Selbst geformt. Die Selbststruktur stellt eine organisierte, fließende, aber durchweg begriffliche Struktur von Wahrnehmung, von Charakteristika und Beziehungen des Selbst dar. These X: Die den Erfahrungen zugehörigen Werte und die Werte, die ein Teil der Selbststruktur sind, können Werte sein, die vom Organismus direkt erfahren werden, aber auch Werte, die von anderen übernommen, aber so verzerrt wahrgenommen werden, als wären sie direkt erfahren. These XI: Wenn Erfahrungen im Leben des Individuums auftreten, werden sie entweder: a) symbolisiert, wahrgenommen und in eine Beziehung zum Selbst organisiert, b) ignoriert, weil es keine wahrgenommene Beziehung zur SelbstStruktur gibt, oder c) geleugnet oder verzerrt symbolisiert, weil die Erfahrung mit der Struktur des Selbst nicht übereinstimmt. These XII: Die vom Organismus angenommenen Verhaltensweisen sind meistens die, die mit dem Konzept vom Selbst übereinstimmen. These XIII: Verhalten kann in manchen Fällen durch organische Bedürfnisse verursacht werden, die nicht symbolisiert wurden. Solches Verhalten kann im Widerspruch zur Struktur des Selbst stehen, aber in diesen Fällen ist das Verhalten dem Individuum nicht zu ‚eigen‘. These XIV: Psychische Fehlanpassung liegt vor, wenn der Organismus dem Bewusstsein wichtige Körper- und Sinneserfahrungen leugnet, die demzufolge nicht symbolisiert und in die Gestalt der Selbst-Struktur organisiert werden. Tritt dieser Fall ein, so geht dies einher mit einer grundlegenden oder potentiellen psychischen Spannung. These XV: Psychische Anpassung besteht, wenn das Selbst-Konzept so geartet ist, dass alle Körper- und Sinneserfahrungen des Organismus auf einer symbolischen Ebene in eine übereinstimmende Beziehung mit dem SelbstKonzept gebracht werden können. These XVI: Jede Erfahrung, die nicht mit der Organisation oder der Struktur des Selbst übereinstimmt, kann als Bedrohung wahrgenommen werden, und je häufiger diese Wahrnehmungen sind, desto starrer wird die Selbststruktur organisiert, um sich zu erhalten. These XVII: Unter bestimmten Bedingungen, zu denen besonders das völlige Fehlen von Bedrohung der Selbststruktur gehört, können Erfahrungen, die nicht mit ihr übereinstimmen, wahrgenommen und überprüft und die Struktur des Selbst revidiert werden, um derartige Erfahrungen mit einzuschließen. These XIII: Wenn das Individuum all seine Körper- und Sinneserfahrungen wahrnimmt und in ein konsistentes integriertes System aufnimmt, dann hat es daraus folgend mehr Verständnis für andere Personen und verhält sich diesen gegenüber akzeptierender. These XIX: Wenn das Individuum mehr von seinen Erfahrungen in seiner Selbststruktur wahrnimmt und akzeptiert, merkt es, dass es sein gegenwärtiges Wertsystem, das weitgehend auf verzerrt symbolisierten Introjektionen beruhte, durch einen fortlaufend-organische Bewertungsprozess ersetzt. 05 Interaktionistische Persönlichkeitskonzeptionen Hauptvertreter: Julian Rotter und Walter Mischel Biographisches Julian Rotter • 1916 in Brooklyn geboren • Studierte Chemie und Psychologie am Brooklyn College • 1941 Doktor (Ph.D.) in klinischer Psychologie • 1945 Ohio State University dort (Mischel wurde sein Schüler) • Einflüsse von Adler, Hull, Skinner, Kelly • 1954 Soziale Lerntheorie • 1963 wechselte Rotter an die Universität von Connecticut • 1966 Veröffentlichung der I-E Skala zur Messung des Locus of control Biographisches Walter Mischel • Geboren 1930 in Wien • 1939: Immigration der Familie nach New York • Studium in New York am City College • Nach anfänglichen Interesses an Freuds Theorien lässt sein Interesse an Freud nach • Beschäftigung mit psychischen Mechanismen der Belohnungsverzögerung • Einfluss durch George Kelly und Julian Rotter • 1958-83: Professur an der Standford University • Beteiligung an einem Beurteilungsprojekt des Friedenskorps à Zweifel an traditionellen Theorien, die von stabilen Persönlichkeitsmerkmalen ausgehen • 1978: Auszeichnung für hervorragende wissenschaftliche Leistungen von der Sektion Klinische Psychologie der American Psychological Association • Seit 1984: Professur an der Columbia University „Wäre es möglich, dass diese situationsbezogenen Variationen bedeutungsvolle stabile Muster sind, welche die Person dauerhaft charakterisieren… Wenn ja, wie könnte man sie verstehen und was spiegeln sie wider? … Diese Fragen begannen in mir zu bohren, und der Versuch, sie zu beantworten, wurde für den Rest meines Lebens zu einem wesentlichen Ziel.“(Mischel, zit. nach Pervin, 1996, 76) Verdienst von Mischel: Europäische Persönlichkeitstheorie auf Augenhöhe mit der amerikanischen Interaktionistische Persönlichkeitskonzeptionen Hintergrund: • „Person und/oder Situation“ – Debatte • Lerntheoretische Konzeptionen von Persönlichkeit • Empirische Tradition Grundannahmen der Lerntheorien • Pawlow: Typen des Nervensystems; Klassische Konditionierung Wo ist Persönlichkeit angesiedelt? Interindividuelle Differenzen beziehen sich auf die Unterschiede in der Geschwindigkeit/Dauerhaftigkeit der Konditionierung; Typologie des Nervensystems: Menschen, die leicht/ schwer konditionierbar sind; unterschiedliche Verhaltensweisen lassen sich schnell/langsam wieder löschen • • • Skinner: Persönlichkeit als Epiphänomen (scheint zu existieren, gibt es aber in Wirklichkeit nicht); Funktionale Verhaltensanalyse; Operantes Konditionieren „Universeller Lerner“; Individuelle Unterschiede werden nicht berücksichtigt; alles wird auf das Lernen zurückgeführt; Verstärkung(Belohnung) und Bestrafung; Persönlichkeit hat keine BedeutungInterindividuelle Unterschiede sind auf unterschiedliche Lerngeschichten zurückzuführen; Beschränkung auf funktionale Verhaltensweisen z.B. überdurchschnittliche Ängstlichkeit: Bedingungen unter denen Angst entsteht (auslösende Stimuli)Lernprogramm starten, das die Verbindung auflöst; Betrachtung der Person ist gegenstandslos Hull/Miller und Dollard: Trieb (drive), cue, response, reinforcement, habit hierarchy Gradienten und Konflikte eher in Richtung Persönlichkeit, aber empirisch nicht sehr tragfähig Bandura: Soziale Lerntheorie; Unterscheidung von Erwerb und Ausführung von Verhaltensweisen kein Raum für Persönlichkeit; Verhalten wird erworben durch Modelllernen/Beobachtung Interaktion von Person und Situation (4 Auffassungen) • 1. Einsinnig gerichtete Interaktion • V=f(S,P) Person und Situation sind beteiligt, aber keine Interaktion! • 2. Nichtseparierbarkeit von Situation • V=f(P(in der Situation)) Personenanteil und Situationsanteil können nicht voneinander getrennt werden • 3. Dynamische Interaktion • Wechselseitige Beeinflussung von Person und Situation theoretisch am bedeutsamsten; allerdings schwierig zu untersuchen zeitliche Perspektive • 4. Statistische Interaktion • V=(P,S,S*P) Person, Situation und Interaktion beider Ende der 50er Jahre: überwiegend folgende Vorstellungen: S R Stimulus-Response-Lernen Außerhalb der Person P/O R Organismus löst Verhalten aus Person ist gesteuert aus sich selbst heraus (klinisch orientiert; Freud, Kelly, Rogers) Eigenschaftsindikatoren als Vorhersage für Verhalten Vorhersagen über Selbstberichtverfahren, Fremdbeurteilung etc. Korrelation nicht höher als .30 gering!! Schlechte Vorhersagen Untersuchungen zum Thema Angst S-R- Fragebogen Darstellung verschiedener Situationen/Stimuli, die Angst auslösen können: • Allein im Boot • Beim Zahnarzt • Referat halten • Mündliche Prüfung • Vorlesung (neutraler Stimulus) • Kaufhaus (neutraler Stimulus) Zu jeder Situation werden verschiedene Fragen gestellt (zur Angst) Frage: was ist bedeutsamer? Person oder Situation Was ist der stärkere Auslöser? Statistische Interaktion: Signifikanter Interaktionsterm im Sinne der Varianzanalyse Ergebnisse: • Effekt der Situation: 25 % 119. Effekt der Person: 25 % 120. Effekt der Interaktion (einschließlich Messfehler): 50 % Wie wirken Personen und Situationen über die Zeit? Situationen werden allgemeiner formuliert Z.B.: Forschung zu abweichendem Verhalten Temperamentsmerkmale stehen mit abweichenden Verhaltensweisen in Verbindung: Negative Emotionalität/ Aggressivität: aggressive Kinder erfahren häufig Ablehnung durch andere Kinder in der Schulklasse Verhalten der Person führt zur Veränderung der Situation Ausgegrenztes Kind fühlt sich vernachlässigt, sucht sich wahrscheinlich andere ausgegrenzte Kinder Aktiver Umgang mit der Situation Freunde suchen, die einen akzeptieren und so ähnlich sind, wie man selbst Verstärkung der aggressiven Tendenzen Wechselseitige, dynamische Beeinflussung durch Person und Situation Welche Personenmerkmale stehen mit Situationsmerkmalen in Verbindung? Inhaltliche Beschreibung Geschichte des Zusammenhangs Eigenschaften und Konsistenz • Absolute Konsistenz des Verhaltens • Eine Person zeigt Verhaltens- oder Erlebensausprägung im gleichen Ausmaß über Situationen oder Zeitpunkte hinweg. (unrealistische Annahme; z.B. Tick; über mehrere Zeitpunkte und Situationen hinweg immer ängstlich etc.) • Relative Konsistenz • Die Rangreihe der Ausprägungen ist über Situationen oder Zeitpunkte stabil (→ Korrelation). • Kohärenz • Verhalten ist gesetzmäßig und vorhersagbar, ohne absolute oder relative Stabilität aufzuweisen (Stabilität von Profilen über Situationen). (z.B. Eine bestimmte Person ist immer ängstlich in selbstwertbedrohenden SituationenMuster) Veränderung von Verhaltensausprägungen über zwei Situationen (A-H Personen) 3 2,5 2 A Ausprägung 1,5 B C 1 D 0,5 E F 0 ­0,5 Situation 1 Situation 2 H Mittel ­1 ­1,5 ­2 Situationen • • G Rangreihe bleibt gleich Mittelwerte verändern sich V 3 2,5 2 A Ausprägung 1,5 B C 1 D 0,5 E F 0 ­0,5 Situation 1 Situation 2 G H Mittel ­1 ­1,5 ­2 Situationen Veränderung von Verhaltensausprägungen über zwei Situationen (A-H Personen) • D ist ein Ausreißer; Rangreihe verändert sich • G zeigt über die beiden Situationen das gleiche Verhalten Personen in Situationen: Person-Situation-Profile Ängstlichkeitswerte 4 Personen in unterschiedlichen Situationen Deutliche Interaktion (Situationseffekte eleminiert) 2 1 A 0,5 Kakerlake Spinne Feuer Gewitter ­1,5 Referat ­1 Prüfung ­0,5 B Operation 0 Zahnarzt Ängstlichkeit 1,5 C D ­2 • • • • A und B sind sehr ähnlich im Verlauf, aber haben unterschiedliche Mittelwerte C stellt einen Kontrast zu A und B dar; entgegengesetzter Verlauf Immer wenn sich die Linien kreuzen: deutliche Interaktionseffekte Ängstlichkeit wird angegeben in z-transformierten Werten Rotter: Definition Verhaltenspotential VPx,s1va = f (Ex,vas1 * VWa,s1) Das Verhaltenspotential VPx,s1va beschreibt die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Verhaltensweise x in der Situation s1 mit Aussicht auf eine Verstärkung va auftritt. Dieses Verhaltenspotential ist nun nach der Theorie eine Funktion f der • Erwartung Ex,vas1, dass die Verhaltensweise x in der Situation s1 zur Verstärkung va führt, • als auch des Verstärkungswertes VWa,s1, den die Verstärkung va in der Situation s1 für das Individuum besitzt. VPx,s1va = f (Ex,vas1 * VWa,s1) In einer Situation s1, in der das Ziel verfolgt wird, verschiedene Verstärkungen va zu erreichen, wird demnach jene Verhaltensweise x das größte Verhaltenspotential und damit die größte Auftretenswahrscheinlichkeit haben, für die die Erwartung, mit x va zu erreichen und auch der Wert von va am größten sind. Jene Verhaltensweise x, von der ein Individuum erwartet, dass damit va nicht erreichbar ist, wird dementsprechend wenig wahrscheinlich sein. Ebenso wird x kaum auftreten, wenn damit zwar va erreicht werden könnte, va für das Individuum aber keinen Wert hat. Beispiele: 1) Kuchenbuffet: Man muss sich für einen Kuchen entscheiden; Geschmack der unterschiedlichen Kuchen dient als Verstärker; Wahl des Kuchens ist abhängig von Erwartung-mal-Wert; zum Beispiel spezifische Erwartung, dass die Himbeertorte hervorragend schmeckt, Himbeertorte erhält größeren Wert, wird verstärkt! 2) Soziale Situation: jemanden kritisieren; Erwartung, dass Verhaltensweise(Kritik) zu bestimmten Konsequenzen führt: Ich kritisiere und erwarte, dass sich die betreffende Person in anderer Art und Weise verhält (z.B. aufhört zu viel zu reden); verschiedene Verhaltensweisen(z.B. loben, ignorieren etc.) können zu unterschiedlichen Konsequenzen führen Bewertung des Ergebnisses Erwartung und Verstärkerwert sind situationsabhängig! Rotter: Generalisierte Erwartungen und Kontrollüberzeugungen Erlebt ein Individuum eine Bekräftigung, die auf eine Handlung folgt, als nicht völlig abhängig von dieser Handlung, dann wird diese Bekräftigung in unserem Kulturbereich gewöhnlich als Ergebnis von Glück, Zufall oder Schicksal erlebt. Es kann auch sein, dass diese Bekräftigung als Ereignis betrachtet wird, das unter der Kontrolle einflussreicher anderer Personen steht bzw. wegen der Komplexität der Umweltbedingungen nicht vorhersagbar ist. Wenn ein Individuum ein bekräftigendes Ereignis in der genannten Weise interpretiert, bezeichnen wir dies als è externe Kontrollüberzeugung. Wenn eine Person ein bekräftigendes Ereignis in Abhängigkeit von seinem eigenem Verhalten oder seiner eigenen relativ überdauernden Eigenschaften erlebt, bezeichnen wir dies als eine è internale Kontrollüberzeugung. Ergänzung: Generalisierte Erwartung Erwartungen in anderen ähnlichen Situationen mit anderen Personen; immer dann, wenn zu wenig Info vorhanden ist ; wichtig für zukünftiges Verhalten Messung der Kontrollüberzeugungen mit Hilfe einer I-E Skala oder mit IPC: Externale Kontrollüberzeugung: Anstrengungskalkulation: Wie viel soll ich investieren? wenig, da das Ereignis als unabhängig von der Anstrengung wahrgenommen wird Internale Kontrollüberzeugung: viel investieren, da eigene Anstrengung eng mit dem Ergebnis (z.B. Erfolg) verbunden ist Prozesskomponenten beim Erlernen von Verhaltensweisen durch Beobachten (nach Bandura,1976) Personenvariablen bei Mischel (1973) “Meta-Theorie“ (ursprüngliche Variablensicht) Was ist für die Erklärung von Verhalten von Bedeutung? 5 Variablenbereiche Starke Betonung lerntheoretischer Prinzipien • Kognitive- und Verhaltenskompetenz (construction competencies) • Kodierungsstrategien und persönliche Konstrukte (encoding strategies and personal constructs) • Erwartungen bezüglich Verhaltens- und Stimuluskonsequenzen (behavior-outcome and stimulus-outcome expectancies) in bestimmten Situationen • Subjektive Wertungen (subjective stimulus values) • Selbstregulationssysteme und Pläne (self regulatory systems and plans) Ad 1. Kognitive- und Verhaltenskompetenz (construction competencies): • Fähigkeit, Kognitionen und Verhaltensweisen zu generieren. • Sie wird in Beziehung gesehen zu IQ-Maßen, geistiger kognitiver Reife und Kompetenz, Ich-Entwicklung, sozial-intellektuellen Leistungen und Fähigkeiten. • Bezieht sich darauf, was die Person weiß und tun kann. Ad 2. Kodierungsstrategien und persönliche Konstrukte (encoding strategies and personal constructs): (Nähe zur Theorie Kellys) – Einheiten zur Kategorisierung von Ereignissen und von Selbstbeschreibungen nicht nur Inhalte der Konstrukte, sondern auch Strategien (Kognitive Flexibilität) sind von Bedeutung Ad 3. Erwartungen bezüglich Verhaltens- und Stimuluskonsequenzen (behavior-outcome and stimulus-outcome expectancies) in bestimmten Situationen. • vgl. Rotter • Kontingenzen in der Umwelt • stimulus-outcome expectancies: „Signalreiz“ Bsp.: Ampel: Bei ROT Erwartung, dass die Menschen stehen bleiben Ad 4. Subjektive Wertungen (subjective stimulus values): • motivierende und anregende Stimuli, Anreize, Aversionen (Vermeidung) Ad 5. Selbstregulationssysteme und Pläne (self regulatory systems and plans): • Regeln und eigene Reaktionen bezüglich Durchführung und Organisation komplexer Verhaltenssequenzen. • Selbstregulationssysteme: „Ich-Stärke“ Beziehung zu Freud: Ich stelle mir Regeln auf, die mir vorzeigen wann ich welches Verhalten zeige. Belohnungsaufschub (nach Mischel) Lernen auf ein gewünschtes Objekt zu warten, sich gemäß antizipierten Konsequenzen zu verhalten. Wird als Kern der meisten Konzeptionen von Willensstärke und Ich-Stärke gesehen; Belohnung wird aufgeschoben um hinterher umso mehr Belohnung zu erlangen Notwendig für: Erfolgreiche Leistung auf lange Sicht Entfernte Ziele zu erreichen Korrelationen bestehen zu Schulerfolg - Impulskontrolle im Erwachsenenalter (nach 23 Jahren Wiederholungsuntersuchungen; erstaunlicherweise hohe Übereinstimmung) generalisiert über verschiedene Situationen hinweg Erhebung: • „Marshmellow Test“: 500 Vorschulkinder wurden untersucht • Die Kinder bekamen einen Marshmellow vorgesetzt und durften ihn sofort essen oder 15 Minuten warten, um einen weiteren zu bekommen. • Ergebnis: einige Kinder richteten ihre Aufmerksamkeit auf andere Dinge (sangen, schlossen die Augen/ schoben den Marshmellow beiseite) → wichtig für effektiven Belohnungsaufschub Frage: Soll ich mich überhaupt dem frustrierenden Aufschub aussetzen? • Erwartungen über die möglichen Konsequenzen der Entscheidung Frage: Wie gut kann ich warten? • Kognitive oder offene Selbstablenkung besonders effektiv: Situation wird umgedeutet • Reduzierung des aversiven Charakters der Wartesituation Ablenkung; Beschäftigung mit anderen Dingen Personenvariablen bei Mischel und Shoda (1995) Überarbeitete Version • Enkodierungen: Kategorien zur Beschreibung der eigenen Person, anderer Personen, Ereignissen und Situationen (internale und externale Erfahrungen). • Erwartungen und Überzeugungen: über die soziale Welt, über Ergebnisse von Handlungen in bestimmten Situationen, über Selbstwirksamkeit und die eigene Person. • Affekte: Emotionen, Gefühle und affektive Reaktionen (einschließlich physiologischer Reaktionen) neuer Bereich, der mit aufgenommen wurde • Ziele und Werte: Wünschenswerte / Aversive Ergebnisse (z.B. von Handlungen) und affektive Zustände, Ziele, Werte und Lebensprojekte (langfristige Zielorientierung) • • Kompetenzen und selbstregulatorische Pläne: Verhaltensrepertoire, Pläne und Strategien, um Handlungen zu organisieren, und Handlungsergebnisse zu erzielen sowie eigenes Handeln und eigene internale Zustände zu beeinflussen. Breitere motivationale Konstrukte CAPS-Modell: Situationsmerkmale Knoten (Merkmale der Situation werden verarbeitet) Verhaltensreaktionen Verschiedene Knoten: Zirkel- und Kettenverknüpfungen; Knoten sind mit Handlungen verknüpft; „Hot-spots“ sehr impulsive, schnelle Verhaltensweisen (ohne Überlegung) Spreading- activation- model Kontingenz zwischen Situation und Verhalten drückt sich aus in individuellen „Wenn-Dann“-Situations-Verhalten-Profilen 06 Motivationale Theorien der Persönlichkeit: Abraham Maslow Biographisches: • Maslow ist im April 1908 in Brooklyn geboren • Er gilt als der wichtigste Gründervater der Humanistischen Psychologie, die eine Psychologie seelischer Gesundheit anstrebte und die menschliche Selbstverwirklichung untersuchte. • Maslow studierte an der University of Wisconsin-Madison, wo er 1930 den Grad des B.A. und 1931 den des M.A. erhielt und • 1934 promovierte er in Psychologie. • 1937 erhielt er eine Professur am Brooklyn College der Columbia University • 1951 wechselte er nach Boston zur Brandeis University. • 1967 wurde Maslow als „Humanist des Jahres“ geehrt. • Maslow starb am 8. Juni 1970 an einem Herzinfarkt. Maslows Persönlichkeitskonzeption: Für Maslows Konzeptionen der humanistischen Psychologie sind vor allem die folgenden fünf Gesichtspunkte wichtig: 1. Das Individuum ist stets ein integriertes Ganzes. Das Individuum muss als integriertes, einzigartiges organisiertes Ganzes studiert werden. àAblehnung zu enger Forschung 2. Tierforschung ist irrelevant für das Verstehen menschlichen Verhaltens. àBiologische Fundierung menschlichen Verhaltens und Evolutionspsychologische Erklärungen werden nicht oder kaum berücksichtigt. 3. Die innere Natur des Menschen ist gut, zumindest neutral. àsiehe Rogers; Kontrast zu Freud(Triebe) 4. Der Mensch besitzt kreatives Potential. àbei Jung: Schöpferisches Selbst à Menschliches Verhalten ist nicht allein determiniert durch die Umwelt; freie Entscheidungen sind möglich 5. Die Betonung der psychologischen Gesundheit. àAbgrenzung zur Psychoanalyse: Nicht nur Beschäftigung mit negativen Emotionen und psychischer Krankheit, sondern auch Betrachtung positiver Emotionen Vor Maslow: nur 2 Säulen/ 2 Theorierichtungen 1) Klinische Psychologie: Psychodynamische Ansätze 2) Lerntheoretische Ansätze Maslows Bedürfnishierarchie: Beschäftigung mit menschlicher Motivationà basiert auf unterschiedlichen Bedürfnissen, die hierarchisch geordnet sind. Zunächst ist eine Bedürfnisbefriedigung der unteren Ebenen notwendig um die höheren Ebenen zu erreichen. (Eine Ebene muss mindestens zu 2/3 befriedigt sein.) Nur 1% der Menschen erreicht laut Maslow die höchste Kategorie der Selbstaktualisierung. Physiologische Bedürfnisse: Unterste Ebene: Luft, Wasser, Essen, Schutz, Schlaf, Sexualität Sicherheits- und Schutzbedürfnisse: sichere Heimat; Zuhause bietet Sicherheit, Wärme und Schutz; Interesse Versicherungen abzuschließen; Geld sparen Zugehörigkeits- und Liebesbedürfnisse: soziale Bedürfnisse sind ausgesprochen wichtig Wertschätzungsbedürfnisse: Der Mensch will als Person eine bedeutsame Rolle spielen Selbstaktualisierungsbedürfnisse: Übergeordnetes Bedürfnis: Vitalität, Lebendigkeit; Kreativität; Selbstgenügsamkeit; Handeln nach eigenen Vorstellungen ausrichten; Authentizität; Humor; Bedeutsamkeit Murray Maslows Bedürfnishierarchie Rogers Selbstaktualisierungsbedürfnisse Selbstaktualisierungstendenz Wertschätzungsbedürfnisse Bedürfnis nach n affiliation Zugehörigkeits- und Liebesbedürfnisse positiver Wertschätzung h harmavoidance Sicherheits- und Schutzbed ürfnisse Defizit- und Wachstumsbedürfnis: Defitzitbedürfnis: • Bedürfnis, welches aufgrund eines Mangelzustandes in Erscheinung tritt • es nimmt in der Stärke ab, in der es befriedigt wird • Defizitbedürfnisse sind alle Bedürfnisklassen mit Ausnahme der Selbstaktualisierung. Wachstumsbedürfnis: • Je stärker man sie befriedigt, desto stärker werden sie • Selbstaktualisierung (à wird nicht befriedigt: Drang/ Bedürfnis nach Selbstaktualisierung steigt immer mehr an) Defizitbedürfnisse: Defizitmotive zeichnen sich durch fünf Kriterien aus: • Ihre Abwesenheit produziert Krankheit. (Wenn ein hungriger Mensch nicht isst, wird er krank). • Ihre Anwesenheit beugt Krankheiten vor (Wenn der Mensch richtig wohnt, bleibt er gesund). • Ihre Wiederherstellung kuriert die Krankheit. (Wenn ein unterernäherter Mensch wieder isst, wird er gesund) • In Wahlsituationen wird die Befriedigung dieses Bedürfnisses vorgezogen (Ein hungriger Mensch will essen und nicht „philosophieren“). à Widerspruch z.B. Entwicklung der Kultur nach dem 2.WK: sehr früh wieder Kultur(Theater und Konzerte); „Bezahlung“: Brennstoff und Nahrungà Verzicht auf physiologische Bedürfnisse zugunsten der Selbstaktualisierung • Bei gesunden Personen sind die Bedürfnisse eher inaktiv (Gesunde Personen sind nicht konstant dominiert durch diese primären Bedürfnisse). Das Bedeutsame an der Bedürfnishierarchie: Herausragende Bedeutung in der Arbeits- und Organisationspsychologieà historische Erklärung Lange Zeit herrschte die Vorstellung, dass Menschen motiviert sind durch Arbeit die niedrigen Ebenen zu befriedigen (Physiologische und Sicherheits- und Schutzbedürfnisse)à Geld verdienen um das Überleben zu sichern Maslow: Menschen möchten dazugehörenà Wichtiges Motiv von Arbeit: sozialen Kontakt und Wertschätzung zu erlangen; gelegentlich auch Selbstverwirklichung à Eine Art Revolution in den 50er Jahren in der A&O-Psychologie Zur Hierarchischen Anordnung der Bedürfnisse: Metaanalysen ergaben, dass eine strikte Einteilung der Bedürfnisse eigentlich nicht möglich sei. Merkmale einer psychologisch gesunden, selbstaktualisierten Person: vgl. auch Maslow, 1977, S.221ff. und Schneewind, 1984, S. 29ff.): 1. Eine effiziente Realitätswahrnehmung 2. Akzeptanz des Selbst, der anderen und der Natur 3. Spontaneität, Einfachheit und Natürlichkeit 4. Problemzentriertheit 5. Objektivität und das Bedürfnis nach Privatheit 6. Autonomie im Sinne von Unabhängigkeit von Kultur und Milieu 7. Kontinuierliche Frische in den Einschätzungen von Ereignissen 8. Grenzerfahrungen und mystische Erfahrungen (Peak Experiences) 9. Gemeinschaftsgefühl oder soziales Interesse 10. Interpersonelle Beziehungen Gemeinschaftsgefühl oder soziales Interesse 11. Demokratische Charakterstruktur (im Gegensatz zur Autoritären Charakterstruktur) 12. Unterscheidung zwischen Mittel und Zweck, gut und böse 13. Sinn für philosophischen Humor 14. Kreativität 15. Widerstand gegen gesellschaftliche Anpassung Immer wieder betont Maslow, dass selbstaktualisierende Personen keine Supermänner oder Superfrauen sind. Sie sind auch empfänglich für nichtkonstruktive Verhaltensweisen. Sie sind nicht frei von Schuldgefühlen, Ängstlichkeit, Traurigkeit und Selbstzweifel. àAuch selbstaktualisierte Personen haben Fehler Es wurden bekannte Persönlichkeiten analysiertà Empirische Untersuchungen Betrachtung von Biographien herausragender Persönlichkeiten wie Einstein und Goethe Kritikà Willkürliche, gefilterte Auswahl; Idealbild; auch sehr stark kulturell und zeitlich geprägt 07 Motivationale Theorien der Persönlichkeit: Henry Murray Biographisches: • Henry A. Murray wurde im Mai 1893 in New York City geboren • Er war ein US-amerikanischer Psychologe, der über 30 Jahre lang an der Harvard University lehrte. • Seine 1938 veröffentlichte Persönlichkeitstheorie, war der Beginn der Erforschung der Leistungsmotivation. (deutlich früher als Kelly, Maslow, Rogers) • Ein weiterer entscheidender Beitrag zur Motivationsforschung, den Murray leistete, war die Entwicklung des TAT (Thematischer Apperzeptionstest-Projektives Testverfahren), der später von McClelland weiter entwickelt wurde. (TAT zur Erfassung von Leistungsmotivation) • Im Juni 1988 Starb Murray in Cambridge. Motive: • Eine Reihe von Theoretikern nehmen an, dass Bedürfnisse durch Motive wirksam werden. • McClelland: Motive sind Gruppierungen von „Kognitionen mit affektiven Anklängen, die um bevorzugte Erfahrungen und Ziele herum organisiert sind“. (klare, meist bewertende Affekte) • Motive drücken sich in unseren Gedanken und Hauptbeschäftigungen aus. • Die Gedanken sind auf Ziele bezogen (→ positive/ negative Zustände). • Motive schlagen sich eventuell in Handlungen nieder. (jedoch nicht zwangsläufig) Motivstärke nach Henry Murray: Die Motivstärke nimmt im Laufe eines Tages ab und zu. Sie ist nicht konstant, sondern variiert. Bedürfnisse unterliegen Schwankungen über die Zeit. Bsp.: Zu bestimmten Tageszeiten, i.d.R. morgens, mittags und abends verspürt man Hunger. Wenn dieser befriedigt wird durch Nahrungsaufnahme, dann sinkt die Motivstärke etwas zu essen. Ist die letzte Nahrungsaufnahme schon länger her, nimmt die Motivstärke etwas zu essen wieder zu. Das Bedürfnis nach Geselligkeit schwankt ebenfalls über die Zeit. Mal möchte man lieber alleine sein und nach gewisser Zeit sucht man wieder sozialen Kontakt auf. Zusammenwirken internaler und externaler Faktoren: Motive ergeben sich aus Bedürfnissen (needs) und Umweltvariablen (presses). Motive beeinflussen das Verhalten, indem sie die Wahrscheinlichkeit für spezifische Handlungen erhöhen. (Motive bringen Verhaltensweisen hervor.) Internale Bedürfnisse (Zustände) und externale Einflüsse (Situation, press) können Motive beeinflussen, bestimmte Handlungen auszuführen, die dann wiederum in beobachtbaren Handlungen ihren Ausdruck finden. Bsp.: Hunger(internales Bedürfnis) oder plötzlich Appetit durch Vorbeigehen an einer Dönerbude oder durch eine Verabredung zum Essen(externale Einflüsse) Needs: Definition: „A need is a construct (a convenient fiction or hypothetical concept) which stands for a force (the physico-chemical nature of which is unknown in the brain region, a force which organizes perception, apperception, intellection, conation and action in such a way as to transform in a certain direction an existing, unsatisfying situation.” Bedürfnisse beeinflussen vielfältig psychologische Verhaltensweisen Beeinflussung ist zielgerichtet: Erreichung eines befriedigenden Zustandes Z.B.: Hunger Wahrnehmung wird eher auf Essbares gerichtet unbefriedigende Situation soll behoben werden Ziel: Befriedigung des Bedürfnisses Hunger durch Essen Press: Definition: „The press of an object is what it can do to the subject or for the subject – the power that it has to affect the wellbeing of the subject in one way or another.“ Möglichkeit externer Einflüsse das Wohlbefinden einer Person zu beeinflussen Murray betont, dass man zwischen subjektiver Sicht eines press (beta press) und objektiver Sicht eines press (alpha press) unterscheiden müsse. èWahrgenommene und erfahrene press sind für das Verhalten entscheidender als objektiv bestimmbare press-Bedingungen. Klassen von Bedürfnissen: Bedürfnisse (needs) werden unterschieden in: ­ viszerogen vs. psychogen körperlich aus der Psyche entstehend ­ proaktiv vs. reaktiv Bedürfnisse entstehen, wenn etwas in der Umwelt passiert: Press vorhanden Bedürfnis wird ausgelöst Bedürfnisse entstehen aus uns selbst heraus, ohne externale Einflüsse ­ offen (overt) vs. verdeckt (covert) unterliegen gesellschaftl. Restriktionen; Bedürfnis nicht immer bewusst (z.B. Homosexualität) offener Ausdruck möglich; sozial akzeptiert; z.B.: Bedürfnis nach Leistung ­ effect needs vs. modal needs Der Weg ist das Ziel (nicht Endzustand);z.B. n play Es kommt nicht auf den Weg, sondern auf den Endzustand an Klassen von Bedürfnissen: Viszerogene needs Klassen von Bedürfnissen: Psychogene needs (nach Murray, 1962) Ehrgeiz n Leistung Hindernisse überwinden (ambition) n Anerkennung Eigene Fertigkeiten beschreiben n Exhibition Versuch, andere zu schocken oder mitzureißen n Errungenschaft Dinge erhalten n Besitztümer reparieren Aufrechterhaltung (conservance) n Ordnung Sachen sauber und ordentlich halten n Zurückhalten Dinge horten n Konstruktion Etwas herstellen Statusverteidigu n Unverletzlichkeit ng (Inviolacy) n Infavoidance n Verteidigung n Gegenwirkung Psychologische Distanz wahren Ein Handicap verbergen; Schwächen nicht erkennen lassen Erklärung abgeben oder sich entschuldigen (um Status aufrecht zu erhalten) Vergeltung üben für etwas Reaktion auf n Dominanz menschliche Macht n Selbstzurückstellung Mit anderen kooperieren oder ihnen gehorchen n Similance n Autonomie Andere imitieren Sich Autoritäten gegenüber behaupten Oppositionales Verhalten n Nonkonformismus n Aggressivität n Selbsterniedrigung n Vermeidung von Schuld Zuneigung n Geselligkeit zwischen Menschen Austausch von Information Verhalten anderer dirigieren; selber Macht haben Andere angreifen oder heruntermachen Sich entschuldigen, sich zu etwas bekennen Tadelnswerte Impulse unterdrücken Zeit mit anderen verbringen n Zurückweisung Jemanden vor den Kopf stoßen n Hilfsbereitschaft Anderen gegenüber hilfsbereit sein n Beistand Zuwendung oder Hilfe von anderen bekommen n Spiel Ablenkung durch andere suchen n Kenntnis / Cognition n Erklärung Anderen Fragen stellen; seinen Kenntnisstand insgesamt erhöhen Anderen Informationen zuteil werden lassen Klassen von Bedürfnisinteraktion: Was passiert, wenn mehrere Bedürfnisse gleichzeitig aktiviert werden? • Prepotency, Vorherschaft (meist der viszerogenen needs) • Fusion, mehrere Bedürfnisse werden in einer Handlung ausgedrückt (z.B. mit anderen essen gehen • Subsidiation, Unterstützung (Ordnung, Leistungsmotiv): Ordnung unterstützt Leistung positiv z.B. geordnetes Lernmaterial • Conflict, Konflikt (z.B.: Leistungsmotiv für Klausur lernen vs. Bedürfnis nach Geselligkeit Treffen mit Freunden; die Bedürfnisse lassen sich nicht miteinander vereinbaren: Entscheidung ist erforderlich) Breitere Möglichkeit der Interaktion von Bedürfnissen in Murrays Theorie realitätsnah Maslow im Vergleich: Bedürfnishierarchie: Abfolge ist bestimmt; wenn verschiedene Bedürfnisse aktiviert werden, müssen zunächst die niedrigen Ebenen befriedigt werden, um die höheren Ebenen aktivieren zu können. sehr enge Definition Kriterien für die Beobachtung von Bedürfnissen nach Murray (1938) 1. Konsequenzen der Handlung, Handlungsergebnis Bedürfnis wurde erfolgreich befriedigt 2. Handlungsmuster vor Erreichung des Handlungsziels. Frage: Wie geht jemand an die Erreichung eines Ziels heran? Z.B.Planung 3. Selektive Wahrnehmung und Reaktion auf eine bestimmte Gruppe von Stimulusobjekten. z.B. Hunger: Man geht mit Hunger durch die Stadt: Wahrnehmung von Pommesbude anders als Wahrnehmung von Schuhgeschäft 4. Ausdruck charakteristischer Emotionen oder Gefühle. (im Laufe des Geschehens; vor und nach Erreichung eines Ziels) 5. Manifestation von Befriedigung beim Erreichen eines Effekts, Enttäuschung beim Nichterreichen. Alle 5 Punkte sind wichtig! Thema nach Murray: Das Thema – verbindet Bedürfnisse mit „Press“-Bedingungen. – bezieht sich auf die Interaktion zwischen „press“ und „need“, die zu einer spezifischen Verhaltensepisode führt. z.B.: Man geht mit Hunger durch die Stadt: Wahrnehmung einer Pizzeria, keine Lust auf Pizza Reaktion: weitergehen; Wahrnehmung eines Fischlädchens, Hunger auf Fischbrötchen Reaktion: reingehen und Fischbrötchen kaufen Unterscheidung zwischen Serial Thema und Unity Thema Serial Thema: • bezeichnet mehr als ein einzelnes Thema. • repräsentiert eine Kombination von einfachen Themen, die dem Verhalten von Personen unterliegt. Verschiedene Themen im Leben; Themen auf einer höheren Abstraktionsebene: best. Dinge, die immer wiederkehren Bsp.: Frauen haben immer wieder Pech in Beziehungen; Gründe: Auswahl des falschen Typ Mannes; trotzdem immer wieder verliebt in die gleichen Typen, die sie auf die Dauer unglücklich machen Serial Thema ist „kleiner“ als das Unity Thema: bezieht sich nicht auf das ganze Leben! Unity Thema: • bezeichnet das für jede Person einzigartige Muster von need und press Interaktionen. • Wird als ein Verhalten beeinflussendes Reaktionssystem angesehen, dass im Wesentlichen unbewusst ist und durch Erfahrungen (need-press Interaktionen) in der frühen Kindheit erworben wird. Frage: Gibt es im Leben einer Person ein Thema, das das ganze Leben zusammenfasst? Bsp.: Leben geprägt durch das Bedürfnis nach Erfolg im Beruf; Bewältigung des Bedürfnisses Ruhm und Erfolg; bei Nichtbefriedigung: Lebensziel verfehlt Negativvariante: immer wieder verlieren, in die Opferrolle fallen Kategorisierung von Umwelt-Ereignissen: Auswahl einiger press-Kategorien relevant für Kindheitserfahrungen: 1. p familiäre Schwierigkeiten 2. p Gefahr oder Unglück 3. p Verlust oder Fehlen bestimmter notwendiger Dinge 4. p Verweigerung 5. p Zurückweisung, Interesselosigkeit, Zorn 6. p Rivalität, Konkurrenz 7. p Geburt eines Geschwisters 8. p Aggression 9. p Dominanz, Zwang, Verbote 10. p Pflegebedürfnis, Nachgiebigkeit 11. p Unterstützung, Bitten um Zärtlichkeit 12. p Respekt, Lob, Anerkennung 13. p Bindung, Freundschaft 14. p Sexualität 15. p Täuschung oder Betrug 16. p Unterlegenheit Ad 1. p familiäre Schwierigkeiten a) kulturelle Zwistigkeiten b) Uneinigkeit innerhalb der Familie c) inkonsequente Erziehungsmaßnahmen d) Trennung der Eltern e) Abwesenheit eines Elternteils f) Krankheit eines Elterteils g) Tod eines Elternteils h) unterlegener Elternteil i) ungleiche Eltern j) Armut k) kein festes Zuhause Ad 2. p Gefahr oder Unglück a) physische Unattraktivität b) Überschwemmung c) Alleinsein, Dunkelheit d) raues Wetter, Gewitter e) Feuer f) Unfall g) Wilde Tiere Ad 3. p Verlust oder Fehlen bestimmter notwendiger Dinge a) von Nahrung b) von Besitz c) von Freunden d) von Auswahlmöglichkeiten Ad 8. p Aggression a) schlechte Behandlung von Seiten eines Älteren b) schlechte Behandlung von Seiten eines Gleichaltrigen c) Streitsuchende andere Ad 9. p Dominanz, Zwang, Verbote a) Disziplin b) religiöse Ausbildung Ad 16. p Unterlegenheit a) physisch b) sozial c) intellektuell Thematischer Apperzeptions Test (TAT) -->Themen: needs und presses und deren Zusammenwirken soll überprüft werden Aufgabe der Probanden ist es, zu den Bildern eine Geschichte zu erzählen. Diese Geschichte sollte beschreiben: – was auf dem Bild passiert – Gedanken und Gefühle der handelnden Personen – was zu der Situation geführt hat – das Ergebnis der Szene Projektives Verfahren: Bilder sind mehrdeutig Unterschiedliche Interpretationen werden ermöglicht. Eigene Motive/Wahrnehmungen/Ängste/Befürchtungen/Gedanken können auf die Personen in den Bildern übertragen werden. Die von den Probanden erzählten Geschichten werden von einem geschulten Psychologen aufgeschrieben. Bsp.: TAT: Durchführung und Auswertung • 2 einstündige Sitzungen à 10 Tafeln (Bearbeitung einer Tafel ca.5 min) • Testleiter/in protokolliert die Antworten und erinnert bei Bedarf an die Instruktion • Auswertung: Satz für Satz. Needs und presses • Weitere Analysemethoden wurden entwickelt Später: TAT entwickelt zur Leistungsmotivation + TAT für Kinder Zusammenfassung Murrays postuliert in seiner Persönlichkeitstheorie Motive, press und needs, die in verschiedene Klassen/ Kategorien eingeordnet werden können. Ferner können die needs auf unterschiedliche Weise interagieren. Das Thema verbindet needs und press-Bedingungen, und führt zu einer spezifischen Verhaltensepisode. Die Motive und press-Bedingungen können mit Hilfe des TAT gemessen werden. 08 Anlage und Umwelt Konzept der Erblichkeit, Untersuchungsdesigns, Verhaltensgenetische Untersuchungen zur Intelligenz Verhaltensgenetische Forschung Ziel: Erklärung interindividueller Unterschiede in psychischen Merkmalen WARUM unterscheiden sich Menschen? 3 Säulen der Forschung: - Tierforschung: Selektive Züchtung, Tiermodelle (z.B. für Ängstlichkeit: Versuch, Gene zu identifizieren, die mit Angst zusammenhängen; Diskussion: Angst des Tieres vergleichbar mit der Angst des Menschen?) - Quantitative Verhaltensgenetik: Wie stark beeinflussen Gene oder/und Umwelt das Verhalten? Welche Art von Umwelt ist bedeutsam? Gesamte Merkmalsvariation wird betrachtet. - Molekulare Verhaltensgenetik: Wirkung spezifisch identifizierter Gene für ein bestimmtes Verhaltensmerkmal z.B. Gen für Angst/Depression?! Erblichkeit (Heritabilität) Erblichkeit = 1, wenn die gesamte Merkmalsvariation auf genetische Faktoren zurückzuführen ist. Erblichkeit = 0, wenn die gesamte Merkmalsvariation nicht auf genetische Faktoren zurückzuführen ist. Erblichkeit kann niemals negativ werden. Bestimmung der Varianzen: VP: Messung (z.B. der Körpergröße) VG: Genome bestimmen (Buchstabensequenzen geben allerdings noch keinen Aufschluss über die Varianz): Genetische Variation kann nicht exakt bestimmt werden. Erblichkeit: Allgemeinüberlegungen wichtig bei der Interpretation von Erblichkeit • Erblichkeit im Sinne dieser Definition ist eine Populationsstatistik. Sie hat keine Bedeutung für den Einzelfall. • Bei h2 handelt es sich nicht um Naturkonstanten. Je größer die Variabilität der Umwelten in einer Kultur, umso geringer die Erblichkeit. • Aus dem Befund hoher Erblichkeit innerhalb zweier Gruppen –etwa ethnischer Gruppen- kann nicht auf die genetische Bedingtheit von Unterschieden zwischen den Gruppen geschlossen werden. • Erblichkeit ist nicht mit genetischer Bedingtheit im Sinne der Evolutionstheorie gleich zusetzten. • Aus hohen oder niedrigen Erblichkeitskoeffizienten folgen keine gesellschaftlichen oder politischen Handlungsanweisungen. Diese setzen Wertentscheidungen voraus. Z.B. hohe Erblichkeit der Intelligenz: Unterschiede in der kognitiven Leistungsfähigkeit Vorschlag eines mehrgliedrigen Schulsystems: problematisch Anstrengung müsste dahin gehen, weniger intelligente Lerner zu fördern Schulsystem danach ausrichten Beispiele für die Frage nach Anlage und Umwelt: 1) Wie stark ist die Ausrichtung von Pflanzen zum Fenster bedingt? Pflanze wächst zum Licht: Genetisch oder umweltbedingt? Vorschlag: Anlage sich zum Licht zu wenden (genetisch); Umwelt: durch die Platzierung der Pflanze am Fenster (dort, wo am meisten Licht ist) Wachstum in diese Richtung Prozess, der festlegt, dass ein Organismus sich in bestimmten Umweltbedingungen in gewisser Art und Weise verhält 2) Viele Pflanzen (z.B. Grassamen) auf einem homogenen Substrat: konstante Umweltbedingungen Größenunterschiede der Pflanzen nach 10 Tagen könnte man auf genetische Faktoren zurückführen 3) Eifersucht in bestimmten Situationen zu zeigen: in der Evolution entstanden, aber: unterschiedliche Ausprägungen von Eifersucht: nicht unbedingt auf genetische Faktoren zurückzuführen Erblichkeitsschätzungen Die beobachtete Varianz eines Merkmals (IQ, Persönlichkeitseigenschaft) wird gegliedert in: VP = Erbanteil + Umweltanteil + Fehler Erbanteil = Genetische oder additive Varianz - Varianz aufgrund selektiver Partnerwahl - Varianz aufgrund von Dominanzabweichung - Varianz aufgrund von Epistase Umweltanteil = Umweltvarianz - 2* Kovarianz von Erbe und Umwelt - Interaktion zwischen genetischen und Umweltfaktoren Erbe-Umwelt-Kovariation: - Passiver - Reaktiver - Aktiver Typ Erläuterungen: Varianz aufgrund selektiver Partnerwahl: Menschen finden nicht zufällig zusammen; für eine Reihe von Merkmalen gibt es eine relativ hohe Korrelationen zwischen Partnern; z.B.: Körpergröße, Politische Einstellung r=.5, Intelligenz r=.3, Persönlichkeitsmerkmale r=.1 bis .15 geringe Korrelation Selektive Partnerwahl: Genetische Konsequenzen: „Züchtung“; Extreme werden häufiger; Variation einer Gruppe nimmt über die Generationen hinweg zu Varianz aufgrund von Dominanzabweichung: Interaktionen von Genen an einem Ort (Ein Genlocus, 2 Allele: dominantes Allel, rezessives Allelunterschiedliche Genausprägungen an einem Ort) Varianz aufgrund von Epistase: Merkmalsausprägung hängt von zwei verschiedenen Genloci ab Interaktion von Genen an verschiedenen Orten Additive Genwirkung - Gene wirken additiv zusammen - Genotypischer Wert (Stärke der Veranlagung von Merkmalausprägungen ohne Umweltbedingungen): aa = 0; Aa = a (mittlerer genotypischer Wert); AA = 2a (Größenausprägung ist maximal) - Lineare Beziehung zwischen Gendosis und Genotypischem Wert - Beispiel: Merkmal Fellfarbe bei Hunden aa: weiß; Aa: grau; AA: schwarz - Additive Genwirkung im Alltag: Ausprägung der Kinder entspricht etwa der mittleren Ausprägung der Eltern Nicht additive Genwirkung ( Dominanzabweichung: Charakteristische Unterschiede) - Merkmalsausprägungen sind nicht linear miteinander verknüpft - Allerdings: eine Art Regressionsgerade erkennbar - Beispiel Fellfarbe: aa: weiß; Aa: schwarz; AA: schwarz Umweltanteil = Umweltvarianz - 2 × Kovarianz von Erbe und Umwelt stellt Umweltanteil dar, obwohl genetische Aspekte mit drin sind - Erbe-Umwelt-Kovariation: Passiver Typ: Kind wird in die Umwelt hineingeboren mit seinen Merkmalausprägungen (z.B. ein genetisch musikalisches Kind kommt zur Welt Chancen sind groß, dass die Familie auch musikalisch ist) Reaktiver Typ: Reaktion der Umwelt auf genetisch bedingte Merkmale (Das musikalisch begabte Kind fällt auf Chor, Orchesterbeitritt Aktiver Typ: Begabte Personen suchen sich Umgebungen aus, die ihre Entwicklung fördern (z.B. lesen Personen mit einem hohen IQ eher anspruchsvolle Lektüren/Zeitungen, was wiederum die kognitive Entwicklung fördert bzw. positiv beeinflusst) Anlage×Umwelt Interaktion Fehlerraten für hoch vs. niedrig „intelligente“ Stämme von Ratten bei einer Labyrinthaufgabe. Exemplare beider Stämme wuchsen jeweils in einer von drei möglichen Umwelten auf. 3 unterschiedliche Entwicklungsumgebungen: - Restringierte Umwelt: Verarmung der Umwelt - Normale Umwelt: Labor-Käfig-Situation - Angereicherte Umwelt: Käfighaltung mit Holz, Spielzeug, Versteckmöglichkeiten etc. Ergebnisse: Restringierte Umwelt: Wenn die Ratten keine Möglichkeit haben geeignete Umwelterfahrungen zu sammeln, findet trotz hoher Intelligenz eine mangelnde kognitive Entwicklung statt. Die Anzahl der Fehler im Labyrinth unterscheidet sich nicht zwischen den hoch und niedrig „intelligenten“ Rattenstämmen. Normale Umwelt: Wenn die Ratten in der normalen Umgebung aufwachsen, machen die intelligenteren Ratten deutlich weniger Fehler als die weniger intelligenten Ratten. Angereicherte Umwelt: Wachsen die Ratten in einer angereicherten Umwelt auf, machen die weniger intelligenten Ratten etwa genauso viele Fehler im Labyrinth wie die hoch intelligenten Ratten. Die Fehleranzahl ist mit Abstand am geringsten in beiden Gruppen!! Beispiel: Anlage×Umwelt Interaktion Varianzquellen verhaltensgenetischer Untersuchungen a2 = Additive genetische Effekte (Erblichkeit im engeren Sinne) d2 = Effekte aufgrund von nicht-additiven Genwirkungen an einem Genlocus (Gendominanz) c2 = Effekte der von Geschwistern geteilten Umwelt e2 = Effekte der für jedes Individuum spezifischen Umwelt. Bei Schätzungen von e2 sind häufig Effekte der spezifischen Umwelt und Messfehler konfundiert. Bei der Annahme, dass die Persönlichkeitsentwicklung durch die Eltern bestimmt wird, spielt die geteilte Umwelt eine große Rolle. ABER: Einschneidende Lebensereignisse, wie z.B. die Scheidung der Eltern, können ganz unterschiedliche Einflüsse auf die Kinder(Geschwister) haben: Effekte unterschiedliches Alter bei der Trennung; Beziehung der Kinder zu den Eltern verschieden(z.B. eher Mama- oder Papa-Kind). Ein Umweltereignis, dass sich sehr unterschiedlich auf die Geschwister auswirkt e²: Umwelt, die die Geschwister „unterschiedlich macht“ Gene werden geteilt bei eineiigen Zwillingen: Unterschiede zwischen den beiden sind auf e² zurückzuführen. Wie können wir Erblichkeit bestimmen? Verwandtschaftsbeziehungen angucken Ähnlichkeiten zwischen Verwandten Wie ähnlich sind sich bestimmte Familienkonstellationen? Abschätzung des Verhältnisses von Anlage und Umwelt Beispiel: r (BM= Biologische Mütter ; AK= Adoptivkinder) = .30 Wie hoch ist die Erblichkeit? Antwort: r = .60 Korrelation muss verdoppelt werden ZEZ (Zusammen aufgewachsene EZ): Gruppe mit größter Ähnlichkeit GEZ (Getrennt aufgewachsene EZ): der einzige Unterschied: c² 0-Korrelation, d.h. GEZ haben keine geteilte Umwelt Forschungsstrategien zur Bestimmung von Anlage- und Umwelteinflüssen 1. Getrennt aufgewachsene eineiige Zwillinge (keine geteilte Umwelt) EZ teilen alle genetischen Effekte. Selektive Partnerwahl hat jedoch keinen Einfluss auf die (perfekte) genetische Ähnlichkeit von EZ. Getrennt aufgewachsene EZ teilen prä- und perinatale Umwelt (daher Überschätzung der genetischen Effekte). Wenn die Umwelten der EZ unkorreliert sind (frühe Trennung, keine selektive Plazierung), dann ist die Korrelation zwischen ihnen eine Schätzung der Erblichkeit (im weiteren Sinne). 2. Vergleich gemeinsam aufgewachsener EZ und ZZ ZZ teilen genetische Effekte in demselben Ausmaß wie Geschwister. Selektive Partnerwahl erhöht die genetische Ähnlichkeit von ZZ. Wichtig: Equal Environments Assumption. Annahme, dass die Umwelten von EZ und ZZ, die gemeinsam aufwachsen „gleich“ ähnlich sind: ALLERDINGS sind die Umwelten von EZ oft ähnlicher als die von ZZ (gleiche Kleidung etc.) Effekte der geteilten Umwelt und nicht additive genetische Effekte können nur in der Summe geschätzt werden. Erblichkeitsschätzungen können nach der Falconer Formel vorgenommen werden: a2 = 2 (rEZ – rZZ ) zu berücksichtigen: r(EZ): a²+c²; r(ZZ): 0,5a²+c² c2 = 2rZZ – rEZ a²: genetische Effekte ; c²: Effekte der geteilten Umwelt e2 = 1 – rEZ = 1- a2 - c2 e²: Effekte der spezifischen Umwelt: Umwelteffekte, die EZ einander unterschiedlich machen DIFFERENCES IN TWINS VVa Varianz ist größer: statistisch signifikante Unterschiede Verhaltensweisen der Eltern wurden systematisch unterteilt: Varianzen unterschieden sich nicht mehr so stark Unterschiede im Verhalten der Eltern= Reaktion auf das Verhalten der Kinder ähnlichere Kinder (EZ/MZ) evozieren ähnlicheres Verhalten 3. Adoptionsstudien Kinder in A.-familien sind mit ihren A.-Geschwistern und ihren A.Eltern genetisch nicht korreliert, so dass Ähnlichkeiten zwischen A.Verwandten auf geteilte Umwelteffekte zurückzuführen sind. Bei früher Trennung und zufälliger Plazierung sind Ähnlichkeiten zwischen A.Kindern und ihren biologischen Verwandten auf genetische Wirkungen zurückzuführen. z.B.: r (AM, AK) = .30 geteilte Umwelt von Bedeutung: Unmittelbare Schätzung für den Effekt der geteilten Umwelt ist .30 Annahmen: Umwelten von leiblichen Eltern und ihren zur Adoption freigegeben Kindern sind unkorreliert (frühe Trennung, keine selektive Platzierung) oder das Ausmaß der Korrelation ist bekannt. Im günstigsten Fall liegen folgende Daten vor: • Merkmale der Adoptivkinder, • Merkmale beider leiblicher Eltern, • Merkmale der Adoptiveltern. • Merkmale leiblicher Kinder der Adoptiveltern, die mit den Adoptivkindern gemeinsam aufwachsen, mit diesen aber genetisch nicht verwandt sind. Befunde zur Intelligenz (allgemeine kognitive Fähigkeit) Nächste Abbildung: Metaanalyse von Bouchard, T.J.Jr. & McGue, M. (1981), Familial studies of Intelligence: A review. Science, 212,1055-1059. Metaanalyse: Jeder Punkt steht für eine Studie und jeder Keil steht für genetische Ähnlichkeit A² Graphische Darstellung der Daten von Bouchard und McGue (Auswahl) y-Achse: Korrelationen zwischen den Paarungen - EZ(zus.): r= .85 EZ(getr.): r= .72 deutlicher Effekt der Gene Unterschied zwischen beiden ist auf die (nicht) geteilte Umwelt zurückzuführen - EZ(zus.): r= .85 ZZ(zus.): r= .60 Erblichkeitsschätzung h²= 2*(.85*.06)= .50 - Verwandte, die keine Gene teilen weisen trotzdem eine Ähnlichkeit von .20 auf c² bedeutsam - WICHTIG: Alter der Vpn sehr unterschiedlich Korrelationen zwischen zusammen aufgewachsenen Zwilligen nach Alter: - Die Ähnlichkeit der EZ bezüglich der Intelligenz ist über die Lebensspanne stabil - Die Ähnlichkeit der ZZ nimmt im Laufe des Lebens ab - Effekt der geteilten Umwelt ist im Kindesalter größer - Effekt der Erblichkeit wird im Erwachsenenalter größer Korrelationen der Intelligenz für gemeinsam aufgewachsene, biologisch nicht verwandte Geschwister („Adoptivgeschwister“) Auch hier zeigt sich die Abnahme des Einflusses der geteilten Umwelt im Laufe der Entwicklung Metaanalyse: Jedes Kästchen entspricht einer Studie Zusammenfassung der Befunde zur Intelligenz WICHTIG: Unterscheidung zwischen KINDHEIT und ERWACHSENENALTER - A²= Erblichkeit: Einfluss in der Kindheit geringer ca.40 %, Erwachsenenalter ca.60% - C²= geteilte Umwelteffekte: Kindheit 25 %; Erwachsenenalter: c² verschwindet! - E²= spezifische Umwelteinflüsse: Kindheit 25%; Erwachsenenalter 35% - Messfehler: Kindheit 10%; Erwachsenenalter 5% Warum nimmt die Wirkung der Gene im Laufe des Lebens zu? - Manche Genwirkungen entwickeln sich erst im Laufe der Zeit zu unterschiedlichen Phasen des Lebens sind sie unterschiedlich ausgeprägt z.B.: Veranlagung zur Glatze bei Männern oder Stärke des Bartwuchses; Demenz: unterliegt genetischer Beeinflussung der Gene und tritt erst im hohen Alter auf - Umwelteinwirkungen werden schwächer Kindheit und Intelligenzentwicklung hängt stark mit der Schule zusammen: spezielle Förderung führt zu Erfolg Förderoder Hinderungsmaßnahmen verlieren an Bedeutung mit der Zeit: Einfluss der Eltern wird geringer; Lenkung nimmt ab Menschen gehen ihren eigenen Weg: suchen Situationen, die ihren Fähigkeiten entsprechen und diese fördern Genetische Effekte gewinnen an Bedeutung (allerdings Intelligenz ≠ Berufserfolg) 09 Persönlichkeitsmerkmale Deutlich weniger verhaltensgenetische Forschungsarbeit als zur Intelligenz Minnesota Zwillingskorrelationen (aus Borkenau, 1993) Personality Questionnaire: Mittelwertsvergleich über alle Skalen (letzte Zeile): EZ(getrennt): r = .49 Persönlichkeitsmerkmale sind ca. zu 50% genetisch bedingt Erwartete Korrelation für ZZ(getrennt): r = .25 tatsächlich r = . 18 EZ(getrennt): r = .49 EZ(zusammen): r = .54 Differenz 0.05: statistisch nicht bedeutsam sehr geringer Effekt der geteilten Umwelt Erblichkeitsschätzung h² = 2×(rEZ(zus.) - rZZ(zus.))= 2×(.54-.23) = .62 Effekte der geteilten Umwelt c² = 2× rZZ – rEZ = .46-.54 0.0 (ungefähr) Kein Effekt der geteilten Umwelt Adoptionsstudien zu Persönlichkeitsmerkmalen (aus Borkenau, 1993) MMPI: Misst psychische Störungen • Korrelationen zwischen Adoptiveltern und Kindern sind nahe 0 • Korrelationen zwischen den Kindern und ihren biologischen Müttern sind durchschnittlich bei r = .18 Ergebnisse sprechen für Einfluss der Erblichkeit 5 Persönlichkeitsdimensionen: Emotionale Stabilität/ Neurotizismus: Ängstlichkeit; Depression; starke Gefühlsschwankungen; mangelnde Selbstsicherheit Extraversion: Geselligkeit; Aktivität; Durchsetzungsfähigkeit Offenheit für neue Erfahrungen: Liberalismus; Orientierung gegenüber Neuem Verträglichkeit: sozialer Umgang; Kooperation mit anderen Gewissenhaftigkeit: Leistungsstreben; Ordnungsliebend; Pünktlichkeit Zwillingsstudien: N Neuere Zwillingsstudien: N Kritik: Bisher nur Verwendung einer einzigen Methode: „Selbstberichtsverfahren“. Aufgrund dessen berücksichtigten Riemann et al. (1997) eine zusätzliche Fremdeinschätzung durch Bekannte. Begründung: EZ entwickeln evtl. eine bestimmte gemeinsame „Identität“ (machen alles zusammen, wurden schon immer von ihren Eltern gleich angezogen und behandelt etc.) Hingegen könnten bei ZZ bestimmte „Kontrasteffekte“ auftreten, da sie sich deutlicher voneinander abgrenzen wollen (sie sehen sich sowieso nicht ähnlich; betrachten sich vielleicht als „normale“ Geschwister. Allerdings konnten auch in dieser Bedingung keine signifikanten Effekte der geteilten Umwelt gefunden werden. Zusammenfassung: N, E, O, G, V Frage zur Persönlichkeitsentwicklung: Was ist mit schwerwiegenden Erfahrungen in der Kindheit, wie z.B. Scheidung der Eltern? Spielt hier geteilte Umwelt eine Rolle? Unterschiedlicher Umgang mit schwierigen Situationen: Kinder in der gleichen Familie .verarbeiten Scheidung ganz unterschiedlich; wichtige Faktoren sind die Bindung zu den jeweiligen Elternteilen, Rückhalt in anderen Beziehungen, ob ein Wechsel des sozialen Umfeldes z.B. als Folge eines Umzugs stattfindet etc. Es gibt also keinen Effekt der geteilten Umwelt( von Familienmitgliedern geteilte Erfahrungen), zumindest sind diese nicht nachweisbar in Studien. (Es handelt sich vielmehr um Effekte spezifischer Umwelt.) Zusammenfassung: N, E, O, G, V • Deutliche genetische Effekte • Deutliche Umwelteffekte • Nicht geteilte Umwelt bedeutsam, Effekte der geteilten Umwelt sind sehr gering und lassen sich häufig gar nicht finden • Nur geringe Unterschiede in der Erblichkeit unterschiedlicher Dimensionen • Befundmuster relativ stabil über verschiedene Methoden der Persönlichkeitsmessung (Selbstbericht, Bekanntenbeurteilung und Einschätzungen von Beobachtern). OGOD: „One Gene One Disease“- Hypothese die Vermutung, dass ein einzelner Genlokus eine notwendige Bedingung für das Auftreten eines Merkmals (einer Krankheit) ist Z.B.: Vorstellung des Brustkrebs-Gens: Schluss Wer das Gen hat, der bekommt die Krankheit auf jeden Fall. QTL: „Quantitive Trait Locus“-Hypothese die Vermutung, dass viele Genloci an der Ausprägung eines Merkmals beteiligt sind. Die Wirkungen einzelner dieser Gene sind so groß, dass sie empirisch nachgewiesen werden können. Vorstellung: Ein Gen erhöht die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines Merkmals. Neurotizismus und Polymorphismus in der Promotorregion des Serotonintransportergens (5-HTT LPR) Fig. 3. Distribution of NEO-PI-R Neuroticism scores (separated into eight groups with the indicated median T scores) and percentages of subjects from the L (n = 163) and S (n = 342) groups in each of the eight T-score groups. Zur Veranschaulichung: Bestimmte Gene werden mit Persönlichkeitsmerkmalen in Verbindung gesetzt. Serotonin hängt zum Beispiel mit Emotionen zusammen. Der S-Typ (kurzes Allel) kann als Neurotizismus-Gen angesehen werden, da die Verteilung etwas in Richtung N verschoben ist.