Nachhaltiges Bauen für Ein- und Zweifamilienhäuser Impressum Herausgeber: Kompetenzzentrum „kostengünstig qualitätsbewusst Bauen“ im Institut für Erhaltung und Modernisierung von Bauwerken e.V. an der TU Berlin Salzufer 14 10587 Berlin Telefon: 030/39921-888 Telefax: 030/39921-889 E-mail: [email protected] www.kompetenzzentrum-iemb.de Geschäftsstelle Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung Geschäftsstelle „Initiative kostengünstig qualitätsbewusst Bauen“ Deichmanns Aue 31 – 37 53179 Bonn E-mail: [email protected] www.bbr.bund.de Grafik Institut für Erhaltung und Modernisierung von Bauwerken e.V. an der TU Berlin, Berlin Druck DLZD, Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Bonn Vertrieb Selbstverlag des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung Deichmanns Aue 31 – 37 53179 Bonn Telefon: 01888-401-2209 Telefax: 01888-401-2292 E-mail: [email protected] Dieser Bericht soll dem breiten Kreis der Eigenheiminteressenten Informationen, Tipps und Anregungen geben. Es will und kann Gesetzestexte nicht ersetzen. Bei Rechtsfragen sollten daher immer die zuständigen Behörden oder die allgemein zur Rechtsauskunft befugten Stellen befragt werden. Dort können Sie z.B. auch Ausführungsbestimmungen erfahren, die nicht immer alle dargestellt werden können und die häufig von Bundesland zu Bundesland verschieden sind. Schutzgebühr 4,90 Euro zzgl. Versandkosten Stand: Juli 2005 Alle Rechte vorbehalten Inhaltsverzeichnis 1 Grundlagen 7 1.1 Veranlassung 7 1.1.1 Energieverbrauch 8 1.1.2 Klimaschutz 10 1.2 12 Begriffsbestimmung 1.2.1 Dimensionen der Nachhaltigkeit 12 1.2.2 Schutzziele 13 1.2.3 Lebenszyklusbetrachtung 14 2 Bedeutung des nachhaltigen Bauens 16 2.1 Für die Planungsphase 16 2.2 Für die Bauphase 18 2.3 Für die Nutzungsphase 19 3 Ökologische Aspekte des Nachhaltigen Bauens 20 3.1 Formulierung des Baubedarfs 20 3.1.1 Baubedarfshinterfragung 21 3.1.2 Weitere Nutzung bestehender Gebäude 22 3.2 23 Schonender Umgang mit Bauland und natürlichen Ressourcen 3.2.1 Oberflächenversiegelung 23 3.2.2 Flächenaufwand Verkehrsflächen / -wege 24 3.2.3 Nutzung des Bodenaushubs innerhalb des Grundstücks 25 3.2.4 Eingliederung in das städtische Umfeld bzw. in den Landschaftsraum 25 3.2.5 Nutzung / Schutz des Grundwassers 26 3.2.6 Regenwassernutzung innerhalb des Grundstücks 27 3.2.7 Erhalt von Naturräumen und ökologischen Strukturen, Verbesserung der Biodiversität des nicht bebauten Bodens (Ausgleich) 27 3.2.8 Sanierung von Bodenbelastungen 28 3.2.9 Randbedingungen für den Emissionsschutz 29 3.2.9.1 Treibhausgase 29 3.2.9.2 Andere Schadstoffe 30 3.2.9.3 Schallschutz 31 3.3 Hohe Dauerhaftigkeit und universelle Nutzbarkeit des Gebäudes, problemloser Rückbau 34 3.3.1 Dauerhaftigkeit des Gebäudes 34 3.3.2 Flexible Nutzbarkeit des Gebäudes 35 3.3.3 Rückbaumöglichkeiten des Gebäudes 36 3.3.4 Wiederverwendbarkeit von Bauteilen und Baustoffen 37 3.3.5 Modulare Bauweise / Einsatz vorgefertigter Bauteile 39 3.4 Einsatz umwelt- und gesundheitsverträglicher Baustoffe und Ausbaumaterialien 40 3.4.1 Einsatz emissionsarmer Produkte 41 3.4.2 Besondere Anforderungen 44 3.4.3 Einsatz nachwachsender Rohstoffe 45 3.5 48 Aufwände während der Nutzung 3.5.1 Rationelle Energieverwendung 49 3.5.1.1 Energiegerechte Bauweise 49 3.5.1.2 Realisierung eines hohen baulichen Wärmeschutzes 51 3.5.1.3 Freie oder ventilatorgestützte Lüftung 55 3.5.1.4 Tageslichtnutzung 58 3.5.1.5 Sommerlicher Wärmeschutz 58 3.5.1.6 Voraussetzung für aktive Umweltenergienutzung 59 3.5.1.7 Energieversorgung 61 3.5.1.8 Anbindung an ÖPNV 62 3.5.2 Minimierung sonstiger Aufwände bei der Nutzung 62 3.5.2.1 Reinigungsaufwand 62 3.5.2.2 Wasserverbrauch 66 3.5.2.3 Wartung, Inspektion und Instandsetzung 66 3.5.2.4 Abwasser und Abfall 67 4 Ökonomische Aspekte des nachhaltigen Bauens 68 4.1 Neubaubereich 69 4.1.1 Ansatz 69 4.1.2 Methodik der Investitionskostenermittlung 70 4.1.3 Baunutzungskosten 72 4.1.4 Verhältnis der Investitionskosten zu den jährlichen Betriebskosten 73 4.1.5 Planungsprozess und Kostensteuerung 74 4.1.6 Methoden der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung 76 4.1.7 Fazit 79 4.2 80 Bauen im Bestand / Modernisierung 4.2.1 Instandsetzungsbedarf 80 4.2.2 Modernisierungsbedarf 81 4.2.3 Ökonomische Bewertung 82 5 Sozio-kulturelle Aspekte des nachhaltigen Bauens 86 5.1 Kulturelle Aspekte 87 5.2 Soziale Aspekte 88 6 Zusammenfassung 92 7 Literatur / Institutionen 93 1 Grundlagen 1.1 Veranlassung Durch die Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ [1.1] des Deutschen Bundestages wurde für Deutschland das Leitbild einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung erarbeitet. Dieses Leitbild basierte insbesondere auf dem Abschlussbericht „Our Common Future“ der Brundtland-Kommission der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1987 und der Konferenz der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro im Jahre 1992. Anlässlich des Erdgipfels von Rio haben 178 Staaten auf den dringenden Handlungsbedarf zur Erhaltung der Lebensgrundlagen hingewiesen und sich dazu bekannt, das Leitbild „Sustainable Development“ auszufüllen und deshalb weitere Maßnahmen in der Umwelt-, Entwicklungs-, Sozial- und Wirtschaftspolitik gefordert [1.1]. Der deutsche Begriff der Nachhaltigkeit geht u.a. auf die Forstwirtschaft zurück, die unter einer nachhaltigen Bewirtschaftung der Forste i.allg. versteht, dass nur soviel entnommen werden darf, wie auch im gleichen Zeitraum nachwachsen kann. Das Handlungsprinzip des Leitbildes ist es somit, durch eine nachhaltige Entwicklung die Bedürfnisse der jetzigen Generation zu erfüllen, ohne die Möglichkeit späterer Generationen einzuschränken, ihre Bedürfnisse ebenfalls befriedigen zu können. Hieraus ergeben sich vielfältige ökonomische, ökologische und soziokulturelle Anforderungen. Beispielhaft seien hier die - Ressourcenschonung – insbesondere von fossilen Energieträgern – sowie - der Klimaschutz – insbesondere die CO2-Minderung – genannt, die im besonderen Maße auch die politischen Zielsetzungen Deutschlands berühren. 7 1.1.1 Energieverbrauch Allein in Deutschland betrug der Primärenergieverbrauch 2003 insgesamt 14.334 PJ (Petajoule) [1.2]. Das entspricht 3,984 Bill. Kilowattstunden oder in Zahlen 3.984.000.000.000 kWh. Die fossilen Energiereserven sind begrenzt. Legt man die derzeitige Förderung als statische Größe zugrunde, ergeben sich bezogen auf die Energiereserven – das sind die nach derzeitigem Stand der Technik technisch und wirtschaftlich gewinnbaren Vorräte – folgende Angaben zur Reichdauer [1.3]: • Kohle: • Erdgas: 65 Jahre • Erdöl: 42 Jahre • Uran: 37 Jahre 169 Jahre Unter Hinzuziehung der Ressourcen – also den nachgewiesenen aber derzeit technisch oder wirtschaftlich nicht gewinnbaren Vorräten oder den nicht nachgewiesenen aber geologisch möglichen Vorräten – erhöht sich die Reichdauer erheblich. Die Gewinnung dieser Ressourcen führt jedoch in jedem Falle zu einer deutlichen Erhöhung der Kosten. Ein Beispiel: Während die Förderkosten konventioneller Öle zwischen 2 und 20 Dollar je Barrel liegen, ist bei Ölsanden von Förderkosten von 6 – 8 Dollar und für Ölschiefer von bis zu 60 Dollar je Barrel auszugeben. Wo aber liegen die Einsparpotenziale? Aus dem Energieflussbild für Deutschland (Bild 1.1) ergibt sich eine erste Aufschlüsselung der Verbraucher. Es zeigt sich aber insbesondere auch die Importabhängigkeit Deutschlands im Hinblick auf die Versorgungssicherheit. 8 Bild 1.1: Energieflussbild 1999 für Deutschland in Mio. t SKE (Steinkohleeinheiten) [1.4] 9 Den höchsten Anteil des Energieverbrauchs haben die Bereiche Verkehr und Haushalte und letztgenannte wiederum für den Bereich der Raumwärme. Dabei sind nicht nur im Neubau, sondern gerade auch im Gebäudebestand wesentliche Einspareffekte bei dem Heizwärmeverbrauch zu erzielen (Bild 1.2). 300 Jahres-Heizwärmebedarf in kWh/(m²·a) DIN 4108 (1958; 1969) bis 1918 1918 - 1948 200 1949 - 1957 1958 - 1968 WärmeschutzV Originalzustand 1969 1977 1. EnEV 2002 2. 3. 100 1978 2002 Wirtschaftlich optimale Wärmedämmung 0 0 20 40 60 80 100 Anteil der Wohnungen in % Bild 1.2: Heizwärmebedarf des Wohnungsbestands einer Großstadt im Originalzustand und nach wirtschaftlich optimaler Dämmung in Anlehnung an [1.5] 1.1.2 Klimaschutz Deutschland hat sich ehrgeizige Klimaschutzziele gesetzt und diese fortgeschrieben. So sollten die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2005 gegenüber 1990 um mindestens 25 % gemindert werden. Vergleicht man die Entwicklung der energiebedingten CO2Emissionen ausgewählter Länder bezogen auf 1990 zu 100 %, zeigt sich im internationalen Vergleich eine deutliche Reduktion der CO2-Emissionen in Deutschland, ohne dass jedoch derzeit schon das politisch angestrebte Ziel von 25 % erreicht wird (Bild 1.3). Es werden somit weitere Anstrengungen erforderlich, die insbesondere im Bereich des Bauens und Wohnens sowie des Verkehrs greifen müssen. Des Weiteren hat sich Deutschland bereit erklärt, zur Erfüllung des Kyoto-Protokolls einen erheblichen Beitrag zu leisten. In Kyoto haben sich die Industrieländer verpflichtet, 10 ihre Emissionen von sechs im Protokoll genannten Treibhausgasen – wie z.B. Kohlendioxid CO2 und Methan CH4 – bis zur Zielperiode 2008 bis 2012 gegenüber 1990 im Durchschnitt um 5,2 % zu senken. Deutschland will dazu 21 % beitragen [1.3]. Die bisherige Entwicklung zeigt nach [1.3], dass aufgrund wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Veränderungen, aber auch wegen des Eingreifens des Staates auf verschiedene Emissionsbereiche der Gesamt-CO2-Ausstoß trotz Wirtschaftswachstum kontinuierlich gesenkt werden konnte. Für den Bereich der Wohngebäude und beim Verkehr ist jedoch ein Anstieg der CO2-Emissionen im Vergleich zum Ausgangsjahr 1990 zu verzeichnen. Bei den Wohngebäuden ist dieser Anstieg auf die Neubautätigkeit und den damit verbundenen Zuwachs an zu beheizender Fläche zurückzuführen. CO2-Emissionen bezogen auf 1990 140% 130% USA 120% Japan 110% Frankreich 100% Großbritannien Deutschland 90% 80% 1990 Bild 1.3: China 1993 1996 Jahr 1999 2002 CO2-Emissonen ausgewählter Staaten Die Bereiche Bauen und Verkehr können sich wiederum direkt beeinflussen. Bauen auf der grünen Wiese trägt nicht nur zur Erhöhung der Flächeninanspruchnahme bei, sondern induziert gleichzeitig Verkehrsströme. Hierzu ein einfaches Beispiel: Das Einfamilienhaus mit ca. 125 m² Wohnfläche im Niedrigenergiehausstandard weist einen Heizenergieverbrauch von ca. 10.000 kWh/a auf – das entspricht ca. 1000 l Heizöl jährlich. Durch die Lage vor der Stadt ergibt sich bei einem täglichen Arbeitsweg von 25 km eine 11 Strecke von 11.000 km jährlich. Dies führt bei einem Mittelklassewagen zu einem Benzinverbrauch von etwa 1000 l jährlich. 1.2 Begriffsbestimmung 1.2.1 Dimensionen der Nachhaltigkeit Die Nachhaltigkeit setzt sich aus den drei Dimensionen - Ökonomie, - Ökologie und - Sozio-Kulturelles zusammen (Bild 1.4). Dimensionen der Nachhaltigkeit • Ökonomie • • 12.01.2005 Bild 1.4: SozioKulturelles Ökologie 1 Dimensionen der Nachhaltigkeit [1.1] Dabei sind die drei Dimensionen als gleichwertig zu betrachten. Kaum ein anderer Bereich macht die Wechselbeziehungen zwischen den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit derart deutlich, wie der Bereich des Bauens und Wohnens. Dieses wurde bereits im Abschlussbericht der Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ festgestellt [1.1]. 12 1.2.2 Schutzziele In Anlehnung an die Ergebnisse der Enquete-Kommission [1.1] lassen sich aus den Dimensionen der Nachhaltigkeit für den Baubereich folgende exemplarische Schutzziele nennen: Ökonomische Dimension - Minimierung der Lebenszykluskosten von Gebäuden (Erstellung, Betrieb, Instandhaltung, Rückbau, Recycling etc.), - relative Verbilligung von Umbau- und Erhaltungsinvestitionen im Vergleich zum Neubau, - Optimierung der Aufwendungen für technische und soziale Infrastruktur, - Verringerung des Subventionsaufwandes. Ökologische Dimension - Reduzierung der Flächeninanspruchnahme, - Beendigung der Zersiedelung der Landschaft, - Geringhaltung zusätzlicher Bodenversiegelung und Ausschöpfung von Entsiegelungspotenzialen, - Orientierung der Stoffströme im Baubereich an den Zielen der Ressourcenschonung, - Vermeidung der Verwendung und des Eintrages von Schadstoffen in Gebäude bei Neubau, Umbau und Nutzung; Beachtung dieser Prinzipien bei der Erschließung des Stoffkreislaufs bei Baumaterialien, - Verringerung der Kohlendioxid-Emissionen der Gebäude. Sozio-kulturelle Dimensionen - Sicherung bedarfsgerechten Wohnraumes nach Alter und Haushaltsgröße; erträgliche Ausgaben für „Wohnen“ auch für Gruppen geringeren Einkommens im Sinne eines angemessenen Anteils des Haushaltseinkommens, - Schaffung eines geeigneten Wohnumfeldes, soziale Integration, Vermeidung von Ghettos, - Vernetzung von Arbeiten, Wohnen und Freizeit in der Siedlungsstruktur, 13 - „Gesundes Wohnen“ innerhalb wie außerhalb der Wohnung, - Erhöhung der Wohneigentumsquote unter Entkopplung von Eigentumsbildung und Flächeninanspruchnahme, - Schaffung bzw. Sicherung von Arbeitsplätzen im Bau- und Wohnungsbereich. Darüber hinaus ist natürlich bei der Dimension des Sozio-Kulturellen - die Gestaltungsqualität eines Gebäudes und - die städtebauliche Integration als weitere Ziele einer nachhaltigen Entwicklung zu ergänzen. Diese Schutzziele werden auch im „Leitfaden Nachhaltiges Bauen“ [1.6] sowie in den Initiativen „Architektur- und Baukultur“ und „Kostengünstig qualitätsbewusst Bauen“ des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen verfolgt. 1.2.3 Lebenszyklusbetrachtung Jedes Bauen, jedes Betreiben eines Gebäudes greift in die Dimensionen der Nachhaltigkeit ein. Dabei können als ökologische Wirkungen – globale Auswirkungen, wie -- das Treibhauspotenzial GWP (Global Warming Potential), -- das Versauerungspotenzial AP (Acidification Potential), -- das Überdüngungspotenzial EP (Eutrophication Potential) und andere, – lokale Auswirkungen auf -- Grundwasser, -- Boden etc. sowie – nutzerspezifische Auswirkungen, wie z.B. -- thermische, -- emissionsbedingte oder -- akustische Behaglichkeitsbeeinträchtigungen genannt werden. 14 Somit ergibt sich die Fragestellung: - Welche Bauten sind nachhaltig? - Wie kann eine Bewertung objektiviert werden? Zur Objektivierung einer Bewertung müssen insbesondere die ökonomischen und ökologischen Einflussfaktoren über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes von der Wiege bis zur Bahre (cradle to grave) erfasst werden (Bild 1.5). Bild 1.5: Lebenszyklusbetrachtung [1.7] Die Zielsetzung muss es dann sein, die Lebenszyklusaufwendungen – seien sie ökonomischer oder ökologischer Natur – zu minimieren. Insbesondere durch die Senkung der Lebenszykluskosten bietet sich die Chance ggf. höhere Investitions- oder Planungskosten durch Einsparungen bei den Betriebskosten refinanzieren zu können (winwin-Situation). Die Einbeziehung der Lebenszyklusbetrachtung ist somit als eine neue Stufe der Qualität des Bauens anzusehen. 15 2 Bedeutung des nachhaltigen Bauens 2.1 Für die Planungsphase Das nachhaltige Bauen erweist sich aufgrund seiner Komplexität als sehr anspruchsvolle Planungsaufgabe. Zum einen geht es darum, den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes zu betrachten. Darüber hinaus müssen die vielfältigen Aspekte der drei Dimensionen der Nachhaltigkeit in ökologischer, ökonomischer und sozio-kultureller Hinsicht berücksichtigt und optimiert werden [2.1]. Bereits in der Planungsphase werden dabei die Planungskriterien für einen nachhaltigen Planungsansatz ermittelt, soweit möglich quantifiziert und zu einem Gesamtentwurf zusammengeführt. Die einzelnen Planungsgrößen können jeweils nur so detailliert ermittelt werden, wie es die Voruntersuchungen bzw. die vorhandenen Informationen zulassen. Mit zunehmendem Planungsfortschritt werden sie präzisiert. Im Rahmen der Objektplanung sind die Schutzziele frühzeitig zu definieren und ggf. erforderliche andere Fachplaner in der frühen Planungsphase einzubeziehen. Nur im Rahmen einer derartigen integralen Planung kann eine Optimierung sichergestellt werden. Neben den klassischen Planungsanforderungen sollten stets die Nutzung erneuerbarer Energien und der Einsatz nachwachsender Rohstoffe Berücksichtigung finden. Grundsätzlich sind Konzepte zur Minimierung der Nutzungs- bzw. Betriebsaufwendungen für - Heizen, - Kühlen (vermeiden), - Strom, - Wasser, Abwasser, - Abfall, - Reinigung, - Inspektion und Wartung sowie - werterhaltenden Bauunterhalt zu erarbeiten und Problembereiche kenntlich zu machen. 16 Formulierung des Baubedarfs (Kap.3.1) Baubedarfshinterfragung (Kap.3.1.1) Weitere Nutzung bestehender Wohngebäude Neubau Nutzung / Umnutzung anderer Gebäude (Wirtschafts- und Fabrikgebäuden, Wassertürmen etc.) Grundstückslage / Orientierung optimiert Grundstückslage / Orientierung ist festgelegt Gebäudeform / Orientierung optimiert Gebäudeform / Orientierung ist festgelegt Ökologische Aspekte (Kap. 3) Schonender Umgang mit Bauland und natürlichen Ressourcen (Kap. 3.2) Hohe Dauerhaftigkeit und universelle Nutzbarkeit des Gebäudes, problemloser Rückbau (Kap. 3.3) Einsatz umwelt- und gesundheitsverträglicher Baustoffe und Ausbaumaterialien (Kap. 3.4) Geringe Nutzungsaufwendungen Energie Sonstiges (Kap.3.5) OPTIMIERUNG Ökonomische Aspekte (Kap. 4) Investitionskosten sozio-kulturelle Aspekte (Kap. 5) Ästhetik Betriebskosten Barrierefreiheit Denkmalschutz Lebenszykluskosten Bild 2.1: Im Planungsprozess zu berücksichtigende Teilaspekte des nachhaltigen Bauens Gesundheitsschutz Raumluftqualität Nachhaltiges Planungskonzept 17 Gestalterische Wirkung auf den Menschen Integration in die Umgebung Behaglichkeit - thermisch - akustisch - visuell Wechselwirkungen In einer abschließenden Gesamtbewertung sollen mögliche Alternativen, insbesondere im Spannungsfeld zwischen - Investitions- und Betriebskosten sowie - konventionellen und innovativen Bauverfahren aufgezeigt werden. Erweisen sich Alternativen als gleichwertig, sollten ggf. externe Kosten – z.B. für die Beseitigung von Schäden aus Umweltbelastungen – mit einbezogen werden. 2.2 Für die Bauphase Jedes Planungskonzept zum nachhaltigen Bauen kann nur so gut sein, wie seine Umsetzung. Deshalb kommt der Qualitätssicherung im Rahmen der Bauüberwachung besondere Bedeutung zu. Dabei ist insbesondere sicherzustellen, dass die geplanten Bauprodukte auch zum Einsatz kommen. Hierzu zwei Beispiele: Für den Innenausbau wurden im Hinblick auf die Sicherstellung der Raumluftqualität im Rahmen eines Projektes nur lösungsmittelfreie Bauprodukte vorgesehen. Aufgrund von Bauzeitverzögerungen und dem daraus resultierenden Zeitdruck wurden dann holzkosmetische Arbeiten an den wegen fehlender Schutzmaßnahmen beschädigten Naturholz-Innentüren mit stark lösungsmittelhaltigen – da besonders schnell abbindenden – Reparaturprodukten ausgeführt. Hieraus entstand eine hohe Belastung der Raumluftqualität mit flüchtigen organischen Verbindungen, die erst nach einer intensiven Lüftungsphase abgeklungen war. Im zweiten Beispiel wurde versäumt, die Luftdichtheit der Gebäudehülle mit Hilfe einer messtechnischen Untersuchung – dem Blower-Door-Test – zu überprüfen. Erst nach Fertigstellung des Gebäudes wurden in der Nutzungsphase Zugerscheinungen festgestellt. Nunmehr war es deutlich aufwendiger die Leckagen zu beseitigen, da bereits alle weiteren Schichten des Innenausbaus vorhanden waren. 18 Neben der Bauüberwachung kommt der Dokumentation besondere Bedeutung zu. Durch die Verwendung von digitalen Kameras und den Archivierungsempfehlungen gemäß der Hausakte der Initiative kostengünstig qualitätsbewusst Bauen (Bild 2.2) lassen sich die Bauzustände einfach verfolgen und dokumentieren. Bild 2.2: 2.3 Hausakte der Initiative kostengünstig qualitätsbewusst Bauen [2.2] Für die Nutzungsphase Die bereits oben erwähnte Hausakte dient gleichzeitig dazu Medienverbräuche kontinuierlich zu dokumentieren und zu vergleichen. Es können so Auffälligkeiten schnell erkannt werden. Aber vorsichtig. Einige Medienverbräuche unterliegen klimatischen Schwankungen. So ergibt sich der Heizenergieverbrauch in Abhängigkeit davon, ob wir einen harten oder milden Winter hatten – das ist trivial. Hier gibt es Rechenverfahren, die diese klimatischen Einflüsse bereinigen können – so genannte Klimabereinigungen. Ein weiterer Punkt, der zu beachten ist, ist der Unterschied zwischen rein rechnerisch ermittelten Bedarfsgrößen und tatsächlich gemessenen Verbrauchsgrößen. Ein Bedarf wird in der Regel unter standardisierten Voraussetzungen berechnet, so dass er von den tatsächlich gemessenen Verbrauchswerten abweichen kann. Bei starken Abweichungen zwischen Bedarf und Verbrauchswerten ist in jedem Fall eine Überprüfung der Ursachen 19 anzuraten. So kann z.B. auch das Nutzerverhalten (hohes Wärmebedürfnis oder Dauerlüftung statt Stoßlüftung) erheblichen Einfluss auf den Verbrauch haben. Ein weiterer Punkt ist eine regelmäßige Wartung und Pflege. So kann sichergestellt werden, dass Folgeschäden durch den Ausfall einer Anlage oder Konstruktion minimiert werden. Auch hierzu bietet die Hausakte sinnvolle Tipps. 3 Ökologische Aspekte des Nachhaltigen Bauens Die ökologischen Aspekte des Nachhaltigen Bauens lassen sich in folgende Punkte gliedern: - Formulierung des Baubedarfs (Kap. 3.1), - Schonender Umgang mit Bauland und natürlichen Ressourcen (Kap. 3.2), - Hohe Dauerhaftigkeit und universelle Nutzbarkeit des Gebäudes, problemloser Rückbau - Einsatz umwelt- und gesundheitsverträglicher Baustoffe und Ausbaumaterialien - geringe Aufwendungen bei der Nutzung (Kap. 3.5). 3.1 Formulierung des Baubedarfs Durch die Formulierung des Baubedarfs und seiner kritischen Hinterfragung ergibt sich auch die Entscheidung ob ein Neubau erforderlich wird oder ob ein bestehendes Gebäude weiter genutzt werden kann. 20 Formulierung des Baubedarfs (Kap.3.1) Baubedarfshinterfragung Neubau Weitere Nutzung bestehender Wohngebäude Nutzung / Umnutzung anderer Gebäude (Wirtschafts- und Fabrikgebäuden, Wassertürmen etc.) Grundstückslage / Orientierung optimiert Grundstückslage / Orientierung ist festgelegt Gebäudeform / Orientierung optimiert Gebäudeform / Orientierung ist festgelegt Bild 3.1: Baubedarfshinterfragung 3.1.1 Baubedarfshinterfragung Eine entscheidende Grundlage für einen nachhaltigen Gebäudeentwurf ist die Hinterfragung des Raum- und Flächenbedarfs. Als Bauherr sollte man sich deshalb sehr früh Gedanken machen, wie viel Fläche - die in der Regel in Abhängigkeit zu der Nutzeranzahl steht - benötigt wird. Dabei sollte der Bauherr auch schon in die Zukunft schauen und sich über seine langfristigen Pläne im klaren werden: Ist Familienzuwachs geplant oder sind die Kinder bald aus dem Haus? Werden Räume für berufliche Zwecke oder Hobbys etc. benötigt? Möchte ich auch im Alter bei ggf. vorhandener Mobilitätsbeeinträchtigung meine Wohnimmobilie weiter nutzen? All dies beeinflusst den Raum- und Flächenbedarf. Eine Fehleinschätzung des Raum- und Flächenbedarfs kann dabei nicht nur zur fehlerhaften Planung der Gebäudeversorgung im Hinblick auf den Heiz- und Warmwasserbedarf, sondern auch zur Unterdimensionierung von Bewegungsflächen bei Bad- und Sanitäreinrichtungen führen. Dies wird in der Regel in der Nutzungsphase des Gebäudes als Einbuße bei der Lebensqualität wahrgenommen. 21 Auch durch die Wahl der Gebäudeart - sei es ein Einfamilienhaus, eine Doppelhaushälfte oder ein Reihenhaus - werden Randbedingungen automatisch vorgegeben, die für das Gesamtplanungskonzept von hoher Bedeutung sind. So erweist sich z.B. ein Reihenhaus gegenüber einem Einzelhaus hinsichtlich des Heizenergieverbrauchs als günstiger, da es bezogen auf das Gebäudevolumen einen geringeren Außenflächenanteil hat. Auch hinsichtlich der anteiligen Inanspruchnahme von Straßenland und den ggf. damit verbundenen Kosten bietet das Reihenhaus Vorteile. Andere Kriterien wie z.B. die Orientierung des Gebäudes im Hinblick auf die aktive und passive Nutzung solarer Energie, die Belichtung der Räume, die Raumaufteilung sowie ihre Zugänglichkeit sowie die Anzahl und Anordnung der Verkehrsflächen können aber auch andere Gebäudearten präferieren lassen. Insbesondere ist auch hier der Planer gefragt unter bauordnungsrechtlichen Belangen, den Gebäudeentwurf zu optimieren. Dabei sind die Vorgaben durch Bebauungspläne oder z.B. einzuhaltende Abstandsflächen zu beachten. 3.1.2 Weitere Nutzung bestehender Gebäude Sobald der Raum- und Flächenbedarf ermittelt ist, sollte geprüft werden, inwiefern ein Gebäude aus dem Bestand für die individuelle Nutzung geeignet ist. Im Hinblick auf die Ressourcenschonung sowie die Minimierung der Flächeninanspruchnahme ist die Nutzung eines Bestandsgebäudes sinnvoll. Ob die weitere Nutzung eines bestehenden Gebäudes auch wirtschaftlich ist, hängt im wesentlichen vom Umfang der erforderlichen Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen ab. Um hierzu eine hinreichende Kostenplanungssicherheit zu erlangen, ist in jedem Fall eine Bauzustandsuntersuchung anzuraten. Dabei ist auch eine Einschätzung möglicher Schadstoffbelastungen durchzuführen. In der Regel erweisen sich Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen im Vergleich zum Neubau als günstiger. 22 Für die Nutzung von Bestandsgebäuden kommen nicht nur Wohngebäude in Frage. Aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen wie z.B. der Landflucht oder dem Einsatz neuer Technologien stehen heutzutage die vielfältigsten Gebäudearten zur Verfügung. Als typische Umnutzungsgebäude können z.B. Scheunen, Lagerhallen, Fabriketagen, Wassertürme, Stellwerke u.ä. genannt werden. Der Phantasie sind dabei in der Regel keine Grenzen gesetzt. Die bauordnungsrechtlichen Randbedingungen sollten aber stets im Vorfeld geprüft werden. Aber auch andere Auflagen, wie die des Denkmalschutzes können zu Einschränkungen z.B. beim baulichen Wärmeschutz und damit im Hinblick auf die angestrebte Energieeinsparung führen. 3.2 Schonender Umgang mit Bauland und natürlichen Ressourcen Schonender Umgang mit Bauland und natürlichen Ressourcen (Kap. 3.2) Oberflächenversiegelung (Kap.3.2.1) Regenwassernutzung innerhalb des Grundstücks (Kap. 3.2.6) Flächenaufwand Verkehrsflächen / wege (Kap. 3.2.2) Erhalt von Naturräumen und ökologischen Strukturen, Verbesserung der Biodiversität des nicht bebauten Bodens (Ausgleich) (Kap. 3.2.7) Nutzung des Bodenaushubs innerhalb des Grundstücks (Massenausgleich) (Kap. 3.2.3) Sanierung von Bodenbelastungen (Kap. 3.2.8) Eingliederung in das städtische Umfeld bzw. in den Landschaftsraum (Kap. 3.2.4) Randbedingungen für den Emissionsschutz (Kap.3.2.9) Treibhausgase 3.2.9.1 Andere Schadstoffe 3.2.9.2 Schallschutz 3.2.9.3 Nutzung / Schutz des Grundwassers (Kap. 3.2.5) Bild 3.2: Schonender Umgang mit Bauland und natürlichen Ressourcen 3.2.1 Oberflächenversiegelung Die Oberflächenversiegelung durch die Überbauung des Grundstücks mit einem Gebäude spielt insbesondere hinsichtlich des Eingriffs in den Wasserhaushalt dieses Grundstücks eine wesentliche Rolle. Durch die Versiegelung der Oberfläche kann der anfallende Niederschlag nicht mehr direkt in das Erdreich versickern. 23 Während früher das anfallende Niederschlagswasser der Dachflächen direkt der Kanalisation zugeführt wurde, bestehen gerade in Ballungsräumen zunehmend eigenständige Regenwasser-Abwassernetze (Trennkanalisation). Diese haben den Vorteil, dass keine bzw. nur eine geringe Aufbereitung des Regenwassers erforderlich wird. Als sinnvolle Ersatzmaßnahme bietet sich beim Ein- und Zweifamilienhausbau die freie Versickerung des gesammelten Niederschlagwassers auf dem Grundstück an. Insbesondere auch hier ist auf die Materialwahl der Dacheindeckung zu achten, da es durch den Abtrag von Metall-Ionen bei Metalleindeckungen oder Entwässerungseinrichtungen wie z.B. aus Kupfer, Zink oder Blei zu Belastungen des Grundwassers durch Schwermetalle kommen kann. Durch die Ausführung von Gründächern wird das Regenwasser zurückgehalten und zeitlich verzögert sowie über einen längeren Zeitraum abgegeben, so dass eine ausreichende Versickerung gewährleistet werden kann. Gleichzeitig können Gründächer zur Verbesserung der Biodiversität und zum Kleinklima (Minderung sommerlicher Überhitzung, Staubbindung) beitragen. 3.2.2 Flächenaufwand Verkehrsflächen / -wege Der Flächenaufwand für Verkehrswege auf dem Grundstück - wie Garageneinfahrten, Zufahrten und Gehwege - sollte auf das zwingend notwendige Maß reduziert werden. Dies ist nicht nur im Hinblick auf die reduzierte Flächeninanspruchnahme aus ökologischen Aspekten sinnvoll, sondern vermindert gleichzeitig die Baukosten. Die Versiegelung der Oberfläche kann durch die Wahl der Materialien (Rasengittersteine, Kiesweg, Kleinpflaster etc.) beeinflusst werden. Dabei sind jedoch auch mögliche Umweltbelastungen, wie z.B. durch abtropfendes Öl am KfZ-Motor, bei der Materialwahl zu berücksichtigen. 24 3.2.3 Nutzung des Bodenaushubs innerhalb des Grundstücks Der bei der Gebäudeerstellung anfallende Bodenaushub für Keller, Fundamente oder Versorgungsleitungen sollte so weit wie möglich durch Massenausgleich auf dem Grundstück verbleiben. Diese Verwendungsform erspart sowohl Transport- und Entsorgungskosten (z.B. Deponie), als auch Transportvorgänge (LKW), die zu zusätzlichen ökologischen Belastungen in Form von Emissionen, sowie dem Verbrauch fossilen Energieträgern führen würden. Der anfallende Bodenaushub kann beispielsweise als architektonisches Mittel für Anböschungen im Terrassenbereich aber auch für die landschaftliche Gestaltung des Grundstücks genutzt werden. Aber nicht jeder Bodenaushub ist gleichermaßen geeignet. Sehr steinige Böden, Felsen u.a. können nur bedingt eingesetzt werden. Kontaminierte Böden sind vorschriftsmäßig aufzubereiten bzw. zu entsorgen. 3.2.4 Eingliederung in das städtische Umfeld bzw. in den Landschaftsraum Ein Gebäudeentwurf soll in erster Linie dem Bauherrn gefallen. Bauämter und Gemeinde besitzen ein Mitspracherecht mit dem Ziel ein städtebauliches Konzept umzusetzen. Grundstücke können deshalb nur so bebaut werden, wie es der Flächennutzungsplan u.a. baurechtliche Regelungen zulassen. Wenn durch die Gemeinde Vorgaben hinsichtlich der Fassadenausrichtung oder der Dachform gemacht werden, kann dies zu Einschränkungen hinsichtlich des energetischen Gesamtkonzepts z.B. im Hinblick auf die Nutzung solarer Gewinne führen. Es ist deshalb sehr wichtig, sich bereits im Vorfeld zu möglichen Vorgaben seitens der Gemeinde bzw. des Bauamts zu informieren. 25 3.2.5 Nutzung / Schutz des Grundwassers Wasser ist eine wertvolle Ressource. Obwohl in Deutschland in der Regel ausreichend Grundwasser zur Verfügung steht, ist ein sparsamer Umgang mit dieser Ressource anzuraten, um die Eingriffe in die Natur, die Veränderung des Grundwasserhaushalts und der Grundwasserqualität zu minimieren. Regional, speziell in Ballungsgebieten, muss für die Trinkwasserversorgung oftmals Oberflächenwasser entnommen und für die Nutzung aufbereitet werden, da ansonsten eine Regeneration des Grundwasserspeichers nicht gewährleistet werden kann. In Gebieten, die über ausreichend Grundwasser verfügen, nutzen viele Grundstücksbesitzer eigene kleine Brunnen, um Wasser für das Gießen der Pflanzen zu fördern. Es ist ratsam, im Vorfeld einen Kostenvergleich durchzuführen, ob sich die Kosten für einen eigenen Brunnen durch die Kosteneinsparung beim Bezug des Brauchwassers über die Wasserwerke amortisieren. Die Baukosten für einen Brunnen hängen direkt von der Bohrtiefe ab. Dabei müssen die Schwankungen des Grundwasserspiegels z.B. bei sehr trockenen Sommern berücksichtigt werden, um die Brauchwasserversorgung sicherstellen zu können. Ein nachträgliches Bohren wäre mit erheblichen Zusatzkosten verbunden. Die Schonung des Grundwassers wird durch die sparsame Verwendung des Wassers umgesetzt. Einsparungen im häuslichen Bereich werden durch den Einsatz wassersparender Geräte (Waschmaschine, Geschirrspüler etc.) und wassersparender Armaturen (Einhandmischer, Spülstop bei der Toilette, wassersparender Duschkopf etc.) möglich. Das größte Einsparpotenzial besteht aber im eigenen Nutzerverhalten. Durch das bewusste Verhalten beim Duschen, Händewaschen, Rasieren etc. durch ein frühzeitiges Schließen des Wasserhahnes kann der Wasserverbrauch deutlich reduziert werden. Beim Bad in der Badewanne wird zwei bis drei mal mehr Wasser benötigt als bei der Nutzung einer Dusche. Die möglichen Einsparungen sind ohne Komforteinbußen umsetzbar. Aus ökonomischer Sicht spart man sogar doppelt, da weder Kosten für den Wasserbezug noch für die Wasserentsorgung anfallen. 26 3.2.6 Regenwassernutzung innerhalb des Grundstücks Die Regenwassernutzung innerhalb des Grundstücks kann auf verschiedene Arten erfolgen. Üblicher Weise wird das Regenwasser in Zisternen gesammelt und für die spätere Nutzung gelagert. Als mögliche Nutzungsarten können dabei das Gießen von Pflanzen aber auch die Nutzung für Waschmaschine und Toilettenspülung genannt werden. Alle Nutzungsarten reduzieren die Abnahme von Nutzwasser in Trinkwasserqualität von den Wasserbetrieben. Dies führt zu einer dauerhaften Kostenreduzierung bei den Betriebskosten. Dieser stehen jedoch erhöhte Investitionen für die Erstellung des Regenwasserspeichers und der ggf. erforderlichen diesbezüglichen Zusatzleitungen entgegen. Bei der Nutzung von Regen - bzw. Brauchwasser muss neben dem Trinkwassernetz aufgrund hygienischer Anforderungen immer ein eigenständiges zweites Leitungssystem vorgehalten werden. Die Effizienz einer Regenwassernutzungsanlage hängt von der Regenwassersammelfläche sowie vom Standort (regenreiche Zone) ab. 3.2.7 Erhalt von Naturräumen und ökologischen Strukturen, Verbesserung der Biodiversität des nicht bebauten Bodens (Ausgleich) Jede Bebauung eines Grundstücks greift in das Gleichgewicht der Natur ein. Jeder Bauherr sollte deshalb im Rahmen einer Nachhaltigen Planung – insbesondere bei der Grundstückswahl – prüfen, wie ein größtmöglicher Schutz bzw. Erhalt der bestehenden Naturräume erreicht wird. Oftmals regeln bestehende Verordnungen den Umgang mit dem Baumbestand. Für bestimmte Baumarten bzw. definierte Baumgrößen bestehen Fällungsverbote. Pflanzen tragen zu einem Großteil zur Reduzierung des CO2-Gehaltes der Luft bei. Aber auch weitere Vorteile für den Erhalt der lokalen Naturräume sind zu nennen. Pflanzen haben feuchtigkeitsregulierende Fähigkeiten (Nachtkühle), bieten einen 27 Schutz vor Erosion (geringere Staubbelastung) und dienen zur Beherbergung von Insekten und Tieren (Bodenauflockerung). 3.2.8 Sanierung von Bodenbelastungen Beim Erweb eines Grundstücks sind mögliche Bodenbelastungen im Vorfeld auszuschließen. Bodenbelastungen können verschiedene Ursachen haben. Bei Umwidmung ehemaliger industriell oder gewerblich genutzter Flächen können Bodenkontaminationen nicht vollständig ausgeschlossen werden. Bei diesen Kontaminationen kann es sich z.B. um chemische Substanzen, Schwermetalle aber auch Öle handeln. Durch den Betrieb wurden diese Schadstoffe auf direktem (Ausbringung) oder indirektem Weg (z.B. durch undichte Lagerbehälter) in den Boden eingebracht und haben sich ggf. über Jahre hinweg dort angereichert. Bei der Weiternutzung bereits ehemals für Wohnbebauung genutzten Flächen ist die Wahrscheinlichkeit einer Bodenbelastung gering. Als mögliche Belastungen können aber auch hier kriegsbedingte Belastungen (Sprengstoffe), Ölbelastungen (undichte Heizöltanks) oder Fäkalien (undichte Abwasserleitungen) genannt werden. Eine weitere Möglichkeit der Anreicherung des Bodens mit Schadstoffen besteht durch den Transport in wasserführenden Schichten. Die Verursachungsquelle muss somit nicht notwendigerweise auf dem gleichen Grundstück liegen. Sofern die Vornutzung des Grundstücks unbekannt ist oder aufgrund anderer Erscheinungen eine Bodenbelastung nicht ausgeschlossen werden kann, können Bodengutachten Aufschluss geben. Die Sanierung von Bodenbelastungen ist mit erheblichen Kosten verbunden, da die möglichen Sanierungsmaßnahmen immer im Zusammenhang mit erhöhtem maschinellen Einsatz zu sehen sind. 28 3.2.9 Randbedingungen für den Emissionsschutz Emissionen sind stoffliche aber auch akustische Einträge in die Umwelt, die zu Schäden in der Natur bzw. bei Lebewesen führen können. Ein nachhaltiger Planungsansatz verfolgt deshalb das Ziel, diese Emissionen zu minimieren. Dabei sind die gesetzlichen Grenzwerte immer einzuhalten. Die empfohlenen Richtwerte sollten erreicht werden. 3.2.9.1 Treibhausgase Durch Verbrennungsprozesse fossiler Energieträger entstehen treibhauswirksame Gase. Als Leitgas für die Beurteilung der Klimawirksamkeit hinsichtlich des Treibhauseffektes (Erwärmung der globalen Temperatur der Erde) wird CO2 (Kohlendioxid) verwendet. Alle weiteren treibhauswirksamen Schadgase können über CO2-Äquivalente in das Treibhauspotenzial umgerechnet werden. Dabei sind in der Regel Verbrennungsprozesse Hauptverursacher für den Treibhauseffekt (Kraftwerke, Brandrodung, Heizungsanlagen etc.). Aber auch durch chemische Prozesse (Reaktionen) können Schadgase freigesetzt werden, die treibhausfördernde Wirkungen besitzen. Bild 3.3: Globale CO2-Konzentration der Atmosphäre (aus Climate Change 2001) Treibhausfördernde Schadgase fallen im gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes an. Dies beginnt bei der Rohstoffgewinnung, der Herstellung der Bauprodukte sowie sämtlichen Transportvorgängen vom Gewinnungsort bis zur Baustelle, der Verarbeitung der Bauprodukte auf der Baustelle zur Errichtung des Gebäudes. Auch durch die Pflege 29 und Wartung sowie die Instandhaltung des Gebäudes fallen während der Betriebsphase zusätzliche Belastungen an. Der deutlich größte Anteil an treibhausfördernden Schadgasen entfällt während des Betriebs auf die Wärmeerzeugung (Heizung), aber auch auf Strom. Deshalb kann insbesondere durch die Optimierung des Energiekonzeptes (Abschnitt 3.5.1), die Wahl des Brennstoffes und dem Nutzungsgrad der Anlagentechnik die Bildung der Treibhausgase deutlich reduziert werden. 3.2.9.2 Andere Schadstoffe Neben den treibhausfördernden Schadgasen werden im gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes weitere Schadstoffe freigesetzt, die negative Wirkungen auf die Umwelt haben können. Neben der Reduzierung der Erderwärmung können derzeit im Bereich der Luftschadstoffe folgende Schutzziele genannt werden: - Verringerung der Versauerung von Böden und Gewässern, - die Verringerung der bodennahen Ozonbildung (Sommersmog), - die Vermeidung der Überdüngung von Böden und Gewässern, - die Verringerung des Ozonlochs und - die Reduzierung des Eintrags von Schwermetallen. Durch die Wahl geeigneter Materialien können die Umweltwirkungen reduziert werden. Hierbei können Gütesiegel hilfreich sein, die für eine Vielzahl von Bauprodukten sämtliche bzw. einen Teil der o.g. Schutzziele überprüft und bewertet haben. Bild 3.4: Natureplus - Ökolabel des Ministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL) 30 Bei dem derzeit üblichen energetischen Niveau unserer Wohnungsneubauten trägt die Optimierung des Energiekonzeptes zur Minimierung auch o.g. Umweltwirkungen in besonderem Maße bei. 3.2.9.3 Schallschutz Die Lärmemission durch Maschinen, Verkehr, Tätigkeiten etc. kann bei Menschen zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen beitragen. Sofern eine Reduzierung der Lärmemission an der Schallquelle nicht möglich ist, wird ein Konzept zum Schallschutz gegen Außenlärm erforderlich. Dabei stehen eine Vielzahl planerischer Mittel für die Umsetzung des Konzepts zur Verfügung. Dies sind zum einen baukonstruktive Maßnahmen bei der Gebäudeaußenhülle durch die Wahl massenintensiver Baustoffe oder aufeinander abgestimmter zweischaliger Konstruktionen sowie schalldämmender Fenster. Zum anderen kann durch die Orientierung und Lage des Gebäudes auf dem Grundstück sowie eine abgestimmte Raumplanung für besonders schutzbedürftige Bereiche aber auch durch schallabsorbierende oder -reflektierende Maßnahmen im Außenbereich eine erhebliche Reduzierung des Außenlärms erzielt werden. Bild 3.5: Mögliche Schallquellen im Innen- und Außenbereich Die eigene Wohnung ist aber auch keine Insel der absoluten Stille, die eine gegenseitige Rücksichtnahme bei der Vermeidung unnötigen Lärms ausschließt. Trotzdem muss das prinzipielle Grundanliegen des Schutzes der Menschen in einzelnen Räumen seiner Wohnung vor unzumutbaren akustischen Belästigungen erfüllt sein. Der Akzent liegt 31 dabei auf „unzumutbar“ für einen durchschnittlichen Bewohner, spezielle persönliche Befindlichkeiten müssen erst einmal zurückgestellt werden. Einflussfaktoren auf diese Unzumutbarkeitsgrenze sind die allgemeine Wohnlage, die Intensität, Lästigkeit, Tonoder Impulshaltigkeit der Lärmstörung gegenüber einem allgemein tolerierbaren Hintergrundgeräusch. Ausreichend guter Schallschutz ist eines der wichtigsten Qualitätsmerkmale einer Wohnung. Schallschutzqualität Anforderungen an den baulichen Schallschutz unterliegen den allgemeinen anerkannten Regeln der Technik, für den öffentlich-rechtlichen Sektor sind diese als Mindestanforderungen in der baurechtlich eingeführten DIN 4109 „Schallschutz im Hochbau“ (Ausgabe 1989-11, [3.1]) festgelegt. Damit ist der nach dem Bauordnungsrecht geschuldete Mindestschallschutz garantiert, eine Unterschreitung ist unzulässig. Auf diese Weise sind aber nicht automatisch alle möglichen, sondern nur die unzumutbaren Belästigungen ausgeschlossen. Bestehen die Wünsche nach einem erhöhten Schallschutzniveau, so können sinnvolle Qualitätsstufen des baulichen Schallschutzes (Schallschutzstufen SSt) der Tabelle 3.1 entnommen werden. Geräuschquelle außerhalb des eigenen Aufenthaltsraumes Laute Sprache Angehobene Sprache Normale Sprache Gehen Haustechnische Anlagen Hausmusik, laut eingestellte Rundfunk- oder Fernsehgeräte, Parties Anmerkung: Beurteilung im eigenen Aufenthaltsraum nach Schallschutzstufe 1 verstehbar Beurteilung im eigenen Aufenthaltsraum nach Schallschutzstufe 2 im Allgemeinen verstehbar im Allgemeinen nicht verstehbar nicht verstehbar im Allgemeinen verstehbar im Allgemeinen nicht verstehbar im Allgemeinen störend im allgemeinen nicht mehr störend unzumutbare Belästigelegentlich störend gungen werden im Allgemeinen vermieden deutlich hörbar deutlich hörbar Beurteilung im eigenen Aufenthaltsraum nach Schallschutzstufe 3 im Allgemeinen nicht verstehbar nicht verstehbar nicht hörbar nicht störend nicht oder nur selten störend im Allgemeinen hörbar Aufenthaltsräume sind Räume, die nicht nur zum vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet sind Tabelle 3.1: Subjektive Beurteilung üblicher Geräusche Quelle: VDI 4100 Schallschutz von Wohnungen (Ausg. Sept. 1994), E DIN 4109-10 (Ausg. Juni 2000) [3.2, 3.3] 32 Schallschutzstufe 1: Hier werden die Mindestanforderungen an den Schallschutz zur Wahrung öffentlichrechtlicher Belange im Sinne des Gesundheitsschutzes erfüllt. Das Ziel ist hierbei, Menschen in Aufenthaltsräumen vor unzumutbaren Belästigungen durch Schallübertragungen zu schützen. In Geschosshäusern, Einfamilien-Doppelhäusern und Einfamilien-Reihenhäusern ist der Schallschutz der Qualitätsstufe 1 durch die Festlegungen der bauaufsichtlich eingeführten und damit öffentlich-rechtlich geschuldeten Mindestanforderungen nach DIN 4109 automatisch vereinbart. Schallschutzstufe 2: Bei der Einhaltung des baulichen Schallschutzes nach dieser Stufe werden die Bewohner im allgemeinen Ruhe finden und ihre Verhaltensweise nicht besonders einschränken müssen, um ihre Vertraulichkeit zu wahren. Angehobene Sprache in der Nachbarwohnung ist in der Regel zwar wahrzunehmen, aber nicht mehr zu verstehen. Den akustischen Qualitätsanspruch dieser Stufe würde man bei einer Wohnung erwarten, die auch bezüglich der sonstigen Ausstattung üblichen Komfortansprüchen genügt. Schallschutzstufe 3: Der Schutz der Privatsphäre ist auch bei lauter Sprechweise weitestgehend gegeben. Bei der Einhaltung der Anforderungen finden die Bewohner ein hohes Maß an Ruhe. Angehobene Sprache aus der Nachbarwohnung wird im Vergleich zu Stufe 2 nur halb so laut wahrgenommen, die Sicherheit des Nichtverstehens ist deutlich verbessert. Musikinstrumente können noch hörbar sein und u.U. stören. Diese Stufe entspricht bezüglich sonstiger Ausstattung gehobenen Komfortansprüchen. 33 3.3 Hohe Dauerhaftigkeit und universelle Nutzbarkeit des Gebäudes, problemloser Rückbau Hohe Dauerhaftigkeit und universelle Nutzbarkeit des Gebäudes, problemloser Rückbau (Kap. 3.3) Dauerhaftigkeit Gebäude (Kap 3.3.1) Nutzbarkeit Gebäude (Kap.3.3.2) Rückbaumöglichkeiten Gebäude (Kap.3.3.3) Wiederverwendbarkeit Bauteile / Baustoffe (Kap.3.3.4) Tragkonstruktion Außenwände Decken Innenwände Dachkonstruktion Gebäudetechnik Modulare Bauweise / Einsatz vorgefertigter Bauteile (Kap.3.3.5) Bild 3.6: Hohe Dauerhaftigkeit und universelle Nutzbarkeit des Gebäudes, problemloser Rückbau 3.3.1 Dauerhaftigkeit des Gebäudes Die Dauerhaftigkeit eines Gebäudes bzw. einer Baukonstruktion hat entscheidenden Einfluss auf die Nachhaltigkeit. Denn bei der Lebenszyklusbetrachtung werden die Aufwendungen - seien es Investitionskosten oder Ressourcen - und die Umweltwirkungen aus der Erstellung des Gebäudes auf die Lebensdauer verteilt. Die Geschichte zeigt uns, dass Gebäude eine Lebensdauer von mehreren hundert Jahren erreichen können. Auch wenn im Laufe des Lebenszyklus verschiedene Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt werden, die Grundkonstruktion des Gebäudes bleibt in der Regel unangetastet. Größere Schäden an Gebäuden werden nur durch Katastrophen, wie Feuer, Krieg, Erdbeben oder Hochwasser verursacht. Alle anderen Prozesse, wie Alterung und Verschleiß laufen über einen langen Zeitraum ab. 34 Die Lebensdauer von Gebäuden bzw. Baukonstruktion lässt sich insbesondere durch folgende Maßnahmen deutlich erhöhen: - Qualitätsgerechte Planung mit einer abgestimmten Materialwahl und Detailausbildung, - qualitätsgerechte Ausführung, - regelmäßige Wartung und Instandsetzung. 3.3.2 Flexible Nutzbarkeit des Gebäudes Die flexible Nutzbarkeit ist ein weiterer Schlüssel für die lange Nutzung eines Gebäudes. Selbstgenutztes Wohneigentum wird in der Regel nur zu Wohnzwecken genutzt, sofern nicht zusätzlich die Nutzung für gewerbliche Zwecke bzw. Hobbys vorgesehen ist. Wesentliche Unterschiede können sich jedoch aus den Anforderungen verschiedener Nutzergruppen wie Familien mit Kindern, Singles oder älteren Menschen mit Mobilitätseinschränkungen ergeben. Allen Nutzergruppen gemeinsam ist jedoch der Wunsch nach Barrierefreiheit. Flexible Grundrisse Installationstechnik lassen bzw. der sich mit variablen Anordnung von Wandsystemen, Leerrohren vorbereiteter erzielen. Für eine generationsübergreifende Nutzung der Gebäude kann es sinnvoll sein, bereits bei der Neubauplanung eine später mögliche Trennung von Wohneinheiten vorzubereiten. Hier ist eine Abtrennung in einem Treppenhaus genauso wie eine spätere Anordnung einer Außentreppe denkbar. So kann der untere Teil des Hauses barrierefrei selbst weitergenutzt werden, während der obere Teil des Gebäudes – auch im Hinblick auf eine mögliche Altersversorgung – untervermietet werden kann. 35 3.3.3 Rückbaumöglichkeiten des Gebäudes Ein weiteres Ziel des nachhaltigen Bauens im Zusammenhang mit dem Schutz der Ressourcen ist eine gute Rückbaumöglichkeit von Gebäuden am Ende des Lebenszyklus. Je höher die Rückbaufähigkeit ist, desto größer ist die Chance zur Wiederverwertung oder -verwendung einzelner Baumaterialien bzw. Bauteile. Bild 3.7: Stufen des Recycling: Verwendung vor Verwertung vor Beseitigung Die Wiederverwendung gilt dabei als höchste Stufe zur Vermeidung von Bauabfällen. Die nächsthöchste Stufe ist das Recycling von Baumaterialien zu einem Neuprodukt des gleichen Baumaterials (z.B. Kupferrohre). Dann folgt die Stufe der Nutzung der Rückbauprodukte zur Herstellung eines nicht gleichartigen Produktes (z.B. Konstruktionsvollholz zu Spanplatten oder geschredderter Betonabbruch als recycelter Betonzuschlag). Sind die o.g. Verwendungsmöglichkeiten technisch nicht gegeben, kommt in der Regel nur die thermische Verwertung oder die Deponierung in Frage. Auch die im Rahmen des Rückbaus entstehenden Kosten, Verbräuche und Umweltwirkungen sind bei einer Lebenszyklusbetrachtung mit zu berücksichtigen. 36 3.3.4 Wiederverwendbarkeit von Bauteilen und Baustoffen Die Wiederverwendbarkeit von Baustoffen bzw. Baukonstruktionen hängt von der Qualität des rückgebauten Produktes ab. Konstruktionen mit lösbaren Verbindungen (z.B. Schraub- oder Bolzenverbindungen) erweisen sich gegenüber Verbundkonstruktionen (z.B. geklebt) dabei als günstiger. Durch die Entwicklung schonender Rückbautechniken ist zukünftig von einer deutlichen Qualitätsverbesserung wiederverwertbarer Bauprodukte auszugehen. Wieder zu verwendende Bauprodukte müssen die Anforderungen, die an ein Neuprodukt gestellt werden, erfüllen. Hierzu müssen die Produkte ggf. aufgearbeitet werden und Vorschädigungen z.B. aus dem Rückbauprozess beseitigt werden. Zur Wiederverwendung von gebrauchten ausgebauten Bauteilen bestehen derzeit in Deutschland teilweise noch rechtliche Hemmnisse. Formal werden ausgebaute gebrauchsfähige Bauteile nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz als Abfall behandelt. Hieraus ergibt sich die Frage, wer für die Einhaltung der zugesicherten Eigenschaften des Bauproduktes haftet. Wesentliche Aspekte für die Akzeptanz von wiederverwendbaren Bauprodukten ist die Qualitätssicherung bei der Zustandserfassung und der Aufarbeitung, aber insbesondere ein möglicher Kostenvorteil gegenüber Neuprodukten. Im Folgenden werden typische Bauprodukte aufgeführt, die nach dem heutigen Stand der Technik unter Berücksichtigung des qualitativen Zustands grundsätzlich wiederverwendungsfähig sind: Tragkonstruktion • Stahlträger, Stahlstützen • Betonfertigteile (Decken, Wände) • Holzbalken • Holzfertigteile Außenwände • Betonscheiben (Normalbeton) • Holzfertigteile 37 Decken • Deckenträger • Deckenbalken • Deckenplatten • Schüttungen • Zwischenlagen (Hohldielen) Innenwände • Betonfertigteile Dachkonstruktion • Dacheindeckungen • Holzsparren, Dachbalken • Lose Schüttungen Gebäudetechnik Die Wiederverwendbarkeit von Gebäudetechnik ist grundsätzlich denkbar, wird in der Regel aber nur bei sehr großen Anlagen durchgeführt, die im selbstgenutzten Wohneigentum kaum Anwendung finden. Darüber hinaus haben Anlagen der technischen Gebäudeausrüstung im Vergleich zu Baukonstruktionen, insbesondere unter Berücksichtigung des technischen Fortschritts, eine geringere Lebensdauer. Auf die Haftungsproblematik sei dabei nochmals hingewiesen. Für die Wiederverwendbarkeit von Bauteilen bzw. Baustoffen sind folgende Kriterien zu überprüfen: - Qualitätsprüfung (Vorschädigungen durch Alterung und Verschleiß bzw. durch den Rückbauprozess), - Verbindungspunkte und –mittel, - Gewährleistung der wesentlichen Anforderungen an Bauprodukte, -- mechanische Festigkeit und Standsicherheit, -- Brandschutz, 38 -- Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz, -- Nutzungssicherheit, -- Schallschutz, -- Energieeinsparung und Wärmeschutz, - Kosten. Im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Analyse sind die Kosten des wiederverwendbaren Bauprodukts unter Einbeziehung der anteiligen Rückbaukosten und der Aufarbeitungskosten denen eines Neuprodukts gegenüberzustellen. 3.3.5 Modulare Bauweise / Einsatz vorgefertigter Bauteile Wesentliche Voraussetzung für die universelle Nutzbarkeit eines Gebäudes und den problemlosen Rückbau ist der Einsatz modularer sowie vorgefertigter Bauteile. Dieser Ansatz kann gegenüber einer konventionellen Bauweise darüber hinaus deutliche Kostenvorteile aufweisen. Durch den hohen Vorfertigungsgrad ergeben sich Kosteneinsparungen bei der Montage vor Ort. Dem stehen jedoch ggf. erhöhte Transportkosten (LKW, Kran) gegenüber. Gebäude in modularer Bauweise oder mit vorgefertigten Bauteilen müssen nicht monoton sein. Bereits kleine Serienzahlen können wirtschaftlich sein. So bleibt dem Fachplaner ausreichender Spielraum, um durch kreative Ideen sehr individuelle Entwürfe entstehen zu lassen. Der Einsatz vorgefertigter Bauteile und eine modulare Bauweise bieten auch am Ende eines Lebenszyklus Vorteile. In Abhängigkeit der gewählten Fügetechnik sind diese Teile relativ leicht und zerstörungsfrei aus der Baukonstruktion herauszulösen. Dies erhöht die Wiederverwendungsfähigkeit. 39 3.4 Einsatz umwelt- und gesundheitsverträglicher Baustoffe und Ausbaumaterialien Einsatz umwelt- und gesundheitsverträglicher Baustoffe und Ausbaumaterialien (Kap. 3.4) Einsatz emissionsarmer Produkte (Kap. 3.4.1 Bild 3.8: Besondere Anforderungen (Kap. 3.4.2) Einsatz nachwachsender Rohstoffe (Kap. 3.4.3) Einsatz umwelt- und gesundheitsverträglicher Baustoffe und Ausbaumaterialien Ziel des Einsatzes umwelt- und gesundheitsverträglicher Baustoffe ist es, die Umweltbelastung durch Schadstoffe zu minimieren. Schadstoffe können auf verschiedenen Wegen in unser ökologisches System gelangen. Bei Schadstoffen kann es sich zum einen aus Emissionen aus der Herstellung von Produkten und ihren vorgelagerten Prozessketten handeln. Diese führen in erster Linie zu Luft-, Boden- und Gewässerbelastungen. Zum anderen können die Schadstoffe bei chemischen Reaktionen bei der Verarbeitung von Bauprodukten, aber auch aus langfristigen Emissionen der Innenausbaustoffe in die Raumluft entstehen. Da ein Großteil unseres Lebens in geschlossenen Räumen stattfindet, kommt letztgenannten Emissionen besondere Bedeutung zu. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass aufgrund einer energetisch sinnvollen höheren Luftdichtigkeit unserer Gebäude ungewollte Luftdichtigkeiten minimiert werden und somit der Luftwechsel auf das hygienisch erforderliche Mindestmaß beschränkt wird. 40 3.4.1 Einsatz emissionsarmer Produkte Zum Schutz des Menschen vor zu hohen Schadstoffbelastungen in der Innenraumluft werden für verschiedenste Baustoffe bzw. Bauprodukte durch die Hersteller emissionsarme Produkte angeboten. Derzeit existieren noch keine einheitlichen Bewertungssysteme hinsichtlich der Emissionsbelastungen, so dass mehrere, zum Teil unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe zur Anwendung kommen. Deshalb hat sich das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) [3.4] entschlossen, für zulassungspflichtige Bauprodukte einheitliche Bewertungskonzepte zu erarbeiten. Für einige Bauprodukte, wie z.B. textile Bodenbeläge, liegen diese bereits vor. Schadstoffprüfungen an Bauprodukten und in Innenräumen werden für folgende Schadstoffe durchgeführt: • Schwermetalle, • Formaldehyd, • Flüchtige organische Verbindungen (VOC), • Polychlorierte Biphenyle (PCB), • Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), • PCP (Pentachlorphenol), • Radon. Für diese Stoffe werden in der Literatur Richt- bzw. Zielwerte angegeben, sofern keine gesetzliche Vorgabe durch Grenzwerte, wie z.B. für Formaldehyd existieren. Inhaltsstoffe, die als nachweislich krebserregend gelten, werden in der GefahrstoffVerordnung (GefStoffV) [3.5] gesondert behandelt. Für diese Stoffe gelten Verwendungsverbote bzw. sind Übergangsfristen für ihre Verwendung vorgeschrieben. Am Beispiel von Pentachlorphenol (PCP) und Blei ist zu erkennen, dass durch die Einschränkung in der Verwendung, die Belastungen auf den menschlichen Organismus durch diese Schadstoffe (z.B. bedingt durch Verwendungsverbote bzw. dem Austausch von Bleirohren), deutlich gesenkt werden konnten. Dies zeigen Messungen der Stoffkonzentrationen im Blutplasma. Da sich diese Stoffe teilweise bereits in der Nahrungskette angereichert haben, wird weiterhin eine Basisbelastung festgestellt. 41 Es sei darauf hingewiesen, dass die genannten Schadstoffe, in der Vergangenheit nicht nur in Baustoffen enthalten waren (z.B. für Blei wird ein Großteil der Konzentrationsrückgänge der Umstellung auf bleifreie Kraftstoffe zugeschrieben). Bild 3.9: Pentachlorphenol (PCP) im Blutplasma von Studenten (aus Umweltdaten Deutschland Online) [3.6] Bild 3.10: Blei im Vollblut (Mittelwert) von Studenten der Universität Münster (aus Umweltdaten Deutschland Online) [3.6] 42 Im Rahmen einer Neubauplanung kann durch die Wahl emissionsarmer oder emissionsloser Bauprodukte die Sicherstellung der Raumluftqualität gewährleistet werden. Bei Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen kommt der Wahl emissionsarmer Bauprodukte besondere Bedeutung zu, da die Sanierung häufig im bewohnten Zustand stattfindet und die notwendigen Zeiträume für das Abklingen produktbedingter Emissionen somit in die Nutzungsphase fällt. Sofern möglich, sollten alle Arbeiten in den Innenräumen, die zu Emissionen und daraus resultierenden Belastungen in der Raumluft führen können, in der heizfreien Zeit durchgeführt werden, da durch eine intensive bzw. dauerhafte Lüftung die Sicherstellung der Raumluftqualität gewährleistet werden kann. Bild 3.11: Emissionsspektrum Wandfarbe frisch Bild 3.12: Emissionsspektrum Wandfarbe getrocknet 43 Des Weiteren ist beim Erwerb von Bestandsgebäuden zu überprüfen, ob es Hinweise dafür gibt, dass in der Vorgeschichte Bauprodukte verwendet wurden, die zu einer Schadstoffbelastung führen können. Beispielhaft soll hier der chemische Holzschutz, z.B. bei Dachkonstruktionen oder die Verwendung von teerhaltigen Parkettklebern genannt werden. Verdeckte Schadstoffquellen können in der Regel nur durch den Fachmann aufgespürt werden. In Zweifelsfällen können Raumluftmessungen bzw. Staubanalysen Aufschluss über mögliche Belastungen geben. Beim Bauen im Bestand ist darüber hinaus die abgestimmte Materialwahl zwischen alt und neu äußerst wichtig, da falsche Materialkombinationen zu Sekundärreaktionen und somit zu Emissionen aber auch zu Bauteilschädigungen - z.B. in Form von Kontaktkorrosion - führen können. 3.4.2 Besondere Anforderungen Besondere Anforderungen an die Raumluftqualität lassen sich im Vergleich zum erwachsenen und gesunden Menschen insbesondere für Kinder und ältere Menschen ableiten. Dies ist umso wichtiger, da sich diese Gruppen einen Großteil ihrer Zeit in den gleichen Innenräumen aufhalten. Eine Auswahl von Bauprodukten anhand von Qualitätssiegeln erweist sich derzeit noch als schwierig, da wie bereits beschrieben, diesbezüglich noch keine einheitlichen Beurteilungskriterien erarbeitet wurden. Bild 3.13: Exemplarische Zusammenstellung von Qualitätssiegeln 44 Um darüber hinausgehende Anforderungen umsetzen zu können, müssen gezielte Materialverwendungskonzepte mit einer entsprechenden Bauüberwachung erstellt werden. Mit abschließenden Raumluftmessungen kann eine qualitative und quantitative Beurteilung der Raumluftqualität erfolgen und damit der Erfolg des Konzeptes nachgewiesen werden. Da die damit verbundenen Leistungen zu einer Baukostenerhöhung führen, sollten solche Maßnahmen auf besonders sensible Nutzergruppen beschränkt werden. 3.4.3 Einsatz nachwachsender Rohstoffe Jeder Einsatz von Bau- und Ausbaumaterialien führt zu einem Verbrauch an Ressourcen. Zum einen wird der Rohstoff abgebaut und in den Bauprodukten veredelt (z.B. Kalkstein in Zement, Kies als Zuschlag für Beton). Zum anderen muss in den verschiedenen Prozessen (Gewinnung, Transport, Veredelung) Energie verwendet werden. Ein Großteil der notwendigen energetischen Prozesse wird derzeit durch die Nutzung fossiler Energieträger gedeckt. Die Nutzung dieser, zudem begrenzt vorkommenden Energieträger führt durch die Verbrennungsprozesse zu einer Verstärkung des globalen Treibhauseffektes. Eine Möglichkeit der Reduzierung des globalen Treibhauseffekts besteht in der Substituierung energetisch intensiver Baumaterialien durch nachwachsende Rohstoffe. Aber Vorsicht, einen ökologischen Baustoff per se gibt es nicht. Bei der Materialwahl sollte grundsätzlich die gesamte funktionelle Einheit, z.B. einer Außenwandkonstruktion, betrachtet werden. Dabei müssen die Konstruktionsvarianten zunächst im Hinblick auf die Standsicherheit, den Brand-, Schall- und Wärmeschutz technisch gleichwertig sein, um sie vergleichen zu können. Zweite Voraussetzung ist die Berücksichtigung sämtlicher erforderlicher Bauteilschichten und Hilfsstoffe, die zur Erfüllung dieser Anforderungen notwendig sind. Die dritte Voraussetzung ist wiederum die Betrachtung des gesamten Lebenszyklus, also die Berücksichtigung der Lebensdauer sowie ggf. erforderlicher Instandsetzungs- bzw. Wartungsintervalle. Weitere Aspekte, die in die Lebenszyklusbetrachtung einfließen, können der Reinigungsaufwand und ähnliches sein. Erst so wird ein Variantenvergleich objektiv möglich. 45 Als wesentlicher Aspekt bei der Verwendung von nachwachsenden Rohstoffen ist die Forderung zu nennen, dass sie aus einer nachhaltigen Bewirtschaftung entstammen. Wie bereits beschrieben, geht der Begriff der Nachhaltigkeit auf die Forstwirtschaft zurück. Die nachhaltige Bebauung von landwirtschaftlichen Flächen bzw. die nachhaltige Bewirtschaftung der Forste bedeutet, dass nur soviel entnommen werden darf, wie nachwachsen kann. Des Weiteren müssen im Rahmen der Nachhaltigen Bewirtschaftung negative Effekte auf die Umwelt (z.B. Rodung, Erosion, Monokulturen, erforderliche Düngung insbesondere bei schnell wachsenden Pflanzen) ausgeschlossen werden. Dazu muss auch gewährleistet sein, dass die bewirtschafteten Flächen zeitweise brach liegen, um regenerieren zu können. Grundmaterial Produktform Holz Holzspäne Holzwolle Hobelspäne Holz(weich)faserplatten Schüttgut Holzwolle-Leichtbauplatte Schafwolle Vlies Platte Rolle lose Flachs Platte Rolle Lose Filz Schilf Platte Zellulose Flocken Platten Wolle Stroh Platte Wandsystem Getreide Granulat Hanf Platten Vlies lose Tabelle 3.2: Wärmeleitfähigkeit Rohdichte [W/mK] [kg/m³] 35 - 460 0,045 0,045 35 - 75 0,050 35 - 75 0,040 – 0,070 150 - 180 0,045 35 - 75 0,065-0,090 360 - 460 20 - 80 0,035 – 0,040 0,035 – 0,040 0,035 – 0,040 0,035 – 0,040 20 - 100 0,037 – 0,050 0,037 – 0,050 0,037 – 0,050 0,037 – 0,050 180 0,055 35 - 100 0,040 – 0,045 35 - 75 0,040 65 - 100 0,040 340 0,050 – 0,092 0,094 105 - 115 0,047 – 0,064 20 - 45 0,039 – 0,060 0,040 – 0,050 0,040 – 0,060 Brandschutzklasse B1 / B2 B2 B2 B1 / B2 B2 B1 B2 B2 B2 B1 / B2 B2 B2 B2 Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen (Quelle: C.A.R.M.E.N / Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe, Dämmstoffe aus der heimischen Natur) [3.7] 46 Ferner ist darauf zu achten, dass bei den Endprodukten aus nachwachsenden Rohstoffen keine Hilfsstoffe (z.B. Anstriche, Brandschutzmittel, Verrottungsschutz, Fungizide) zum Einsatz gelangen, die bei einer späteren Entsorgung (Verrottung, thermische Verwertung, Deponie) problematisch werden können. Die Tabelle 3.2 gibt exemplarisch eine Übersicht zu den nachwachsenden Rohstoffen im Anwendungsbereich „Dämmung“: Bild 3.14: Dämmstoff aus Flachs Bild 3.15: Cellulosedämmstoff Die Einhaltung der Anforderungen an nachwachsende Rohstoffe wird u.a. durch die Vergabe eines Gütesiegels des Ministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL) sichergestellt. Das vergebene „natureplus“-Siegel garantiert eine nachhaltige Bewirtschaftung der Flächen, die Minimierung des Einsatzes von Bauhilfsstoffen, die Reduzierung des Primärenergieeinsatzes bei der Herstellung sowie die Sicherstellung minimierter produktbedingter Eigenemissionen aus den Baustoffen. 47 3.5 Aufwände während der Nutzung Ziel eines nachhaltigen Planungsansatzes ist die Minimierung der Lebenszyklusaufwendungen und –wirkungen. Somit sind nicht nur der Ressourcenverbrauch und die Umweltwirkungen aus der Erstellung eines Gebäudes einschließlich seiner vorgelagerten Prozessketten zu betrachten, sondern vielmehr auch die Aufwendungen und Wirkungen während der Nutzungsphase. Aufwände während der Nutzung (Kap. 3.5) Rationelle Energieverwendung (Kap. 3.5.1) Energiegerechte Bauweise 3.5.1.1 Niedrigenergiehausstandard / Realisierung eines hohen baulichen Wärmeschutzes 3.5.1.2 Freie oder ventilatorgestützte Lüftung 3.5.1.3 Tageslichtnutzung 3.5.1.4 natürlicher sommerlicher Wärmeschutz / Vermeidung maschineller Kühlung 3.5.1.5 Energieversorgung 3.5.1.6 Anbindung an den ÖPNV 3.5.1.7 Minimierung sonstiger Aufwände bei der Nutzung (Kap. 3.5.2) Reinigungsaufwand 3.5.2.1 Wartung / Inspektion Bild 3.16: Wasserverbrauch 3.5.2.3 Aufwände während der Nutzung 48 3.5.2.2 Abwasser und Abfall 3.5.2.4 Ein wesentliches Kriterium ist dabei der Energieverbrauch über den gesamten Lebensweg eines Gebäudes. Bei dem bisherigen energetischen Niveau unserer Gebäude wurden lediglich ca. 20 % der Gesamtenergie für die Herstellung der Baustoffe, dem Transport und die Baustellenprozesse aufgewendet. Bis zu 80 % der Gesamtenergie fielen vielmehr auf Energieverbräuche aus der Nutzungsphase, wie für Heizung, Warmwasser, Licht etc. Das bedeutet, dass über den Lebenszyklus eines Gebäudes die Nutzungsphase dominierte. Bei einer zukünftigen Steigerung der Anforderungen an die Energieeinsparung und den damit verbundenen höheren Aufwendungen für den baulichen Wärmeschutz oder die technische Gebäudeausrüstung wird der prozentuale Anteil aus der Errichtung eines Gebäudes an der Gesamtenergie zunehmen. Zukünftig wird man somit der Optimierung der Energieaufwendungen aus der Errichtungsphase des Gebäudes und der Nutzungsphase besondere Beachtung schenken. Im Rahmen einer Gesamtbilanz über den Lebenszyklus des Gebäudes kann der Fachplaner eine Optimierung aus baulichen bzw. anlagentechnischen Maßnahmen und Nutzungsaufwendungen durchführen. Hierzu werden ihm zukünftig EDV-gestützte Planungswerkzeuge zur Verfügung stehen. Über die Energiebilanz für Erstellung des Gebäudes, Heizwärmebedarf, Energiebedarf für die Wassererwärmung und Beleuchtung wird des Weiteren eine Bilanzierung für den Wasserverbrauch, das Abfallaufkommen, den Verbrauch an Reinigungs- bzw. Pflegemittel und andere wiederkehrende Aufwendungen für Wartung und Instandhaltung mit einbezogen werden. 3.5.1 Rationelle Energieverwendung 3.5.1.1 Energiegerechte Bauweise Kompakte Bauweise Eine kompakte Bauweise eines Gebäudes, gekennzeichnet durch das Verhältnis der wärmeübertragenden Flächen (Gebäudehülle) und des Gebäudevolumens, stellt ein wichtiges Kriterium für den zu erwartenden Heizwärmebedarf dar. Große Mehrfamilienhäuser weisen mit einem A/V-Verhältnis von ca. 0,2 einen relativ niedrigen spezifi49 schen, auf die Nutzfläche bezogenen Heizwärmebedarf auf, kleine Ein- und Zweifamilienhäuser mit A/V ≈ 1,0 einen hohen spezifischen Heizwärmebedarf. Aus energetischer Sicht sind Mehrfamilienhäuser und auch Reihenhäuser in der Regel günstiger als freistehende Ein- und Zweifamilienhäuser. Baumasse und Wärme-/ Kältespeicherung Durch die Wahl der Gesamtkonstruktion sowie den daraus resultierenden Baumaterialien werden die Bauteilmassen stark beeinflusst. Eine hohe Bauteilmasse im Innenbereich bewirkt in der Regel eine „Wärmespeicherung“ im Winter und eine „Kältespeicherung“ im Sommer (Nachtkühle). Durch Aufnahme bzw. Abgabe von Wärmeenergie des Materials an die Innenraumluft wird das Raumklima positiv beeinflusst. Diese natürlichen Effekte mindern Leistungen von Kühlung (die ohnehin vermieden werden sollte) bzw. Heizung. Die Aktivierung der Bauteilmasse hat zudem eine Pufferwirkung für Schwankungen des Raumklimas. Anteil innenliegender Räume Eine kompakte Bauweise (Verminderung des A/V-Verhältnisses) kann auch durch die Planung innenliegender Räume erreicht werden. Durch den Anteil innenliegender Räume, wird die Wärmeübertragung (Wärmeverluste über die Außenhülle) an die Umgebung deutlich reduziert. Treppen, Korridore, Flure, aber auch Kammern, Bad-/ WCRäume sind bei Schaffung technischer Voraussetzungen wie Lüftung, Beleuchtung u.a.m. als innenliegende Bereiche geeignet. Bei der Umsetzung eines solchen Planungsansatzes ist jedoch zu berücksichtigen, dass in der Regel keine natürliche Beleuchtung und Belüftung für diese Räume möglich ist und somit ein erhöhter Energieaufwand für die Sicherstellung der Raumluftqualität sowie der Behaglichkeit notwendig ist. Für eine dauerhafte tägliche Nutzung (Wohnund Schlafräume) sind innenliegende Räume keinesfalls geeignet. Architektonisches Konzept Ein nachhaltiger architektonischer Entwurf berücksichtigt alle Fragen hinsichtlich einer nutzeroptimierten Raumaufteilung bzw. Raumanordnung. Der gestalterische Grundriss berücksichtigt dabei auch die Ausrichtung des Gebäudes nach der Himmelsrichtung. Fassaden- und Dachflächen können entsprechend der möglichen Nutzung von Solar- 50 energie orientiert sein, und eine optimale Nutzung externer solarer Wärmegewinne ist möglich. Aufgrund der verminderten Sonneneinstrahlungen auf der Nordseite des Gebäudes werden dort oftmals untergeordnete Räume, die nicht zum dauerhaften Aufenthalt gedacht sind, angeordnet. Aufgrund von städtebaulichen Vorgaben kann die dichte Anordnung von Gebäuden an lärmbelasteten Straßen erforderlich sein. Bedingt durch die Lärmbelästigung ist oftmals eine freie Lüftung ohne störenden Einfluss kaum möglich, so dass für die Umsetzung der akustischen Behaglichkeit Lüftungsanlagen in Verbindung mit schalldichten Fenstern eingesetzt werden. Für Ein- und Zweifamilienhäuser werden schon häufig Zu- und Abluftanlagen mit Wärmerückgewinnung eingesetzt. Neben energetischen Aspekten können hier Fragen der Schallimmission und der Luftqualität (Einsatz von Filtern) eine Rolle spielen. Durch die geschickte planerische Anordnung von Anschlussräumen und zentraler Anlagentechnik (z.B. Heizkessel) kann der Aufwand für Versorgungs- und Heizleitungen im Gebäude (Raumluft, Wasserversorgung und -entsorgung, Elektroversorgung, Heizung) minimiert werden. Neben Materialeinsparungen ist häufig eine Verminderung von Wärmeverlusten möglich, insbesondere bei Verlegung von Heizleitungen (Wärmedämmung nach EnEV) in unbeheizten Räumen. 3.5.1.2 Realisierung eines hohen baulichen Wärmeschutzes Die Einführung der Energieeinsparverordnung (EnEV) [3.8] im Februar 2002 führte zu einer Absenkung des Heizenergiebedarfs gegenüber den vorhergehenden Wärmeschutzverordnungen. Neu war auch, dass für den Neubau Anforderungen an den Primärenergiebedarf zu erfüllen sind, die sowohl Heizung, Trinkwassererwärmung und Lüftung umfassen, einschließlich elektrischer Hilfsenergie. Die Heizungsanlagenverordnung (HeizanlagenV) wurde in die EnEV integriert. Das folgende Schema gibt einen Überblick zu den bestehenden Gesetzen und Verordnungen bezüglich Energieeinsparung. 51 Hauptziel der EnEV ist die weitere Reduzierung des Energiebedarfs von Gebäuden, vor allem die Einsparung von fossilen Energieträgern und letztendlich die Reduzierung von CO2-Emissionen und die Ressourcenschonung. Im Rahmen des Nachweises nach EnEV wird für das Gebäude eine Wärme-/ Energiebilanz über die Heizperiode erstellt. In dieser Bilanz werden der Heizwärmebedarf (Nutzenergie), der Nutzwärmebedarf für die Warmwasserbereitung und die Wärmeverluste des Heiz- und Warmwasserbereitungssystems ermittelt, des Weiteren Umwandlungsverluste (Wärmeerzeugung) und der primärenergetische Aufwand (Primärenergiefaktor), aber auch die elektrische Hilfsenergie berücksichtigt. Wesentlichen Einfluss auf den Primärenergiebedarf haben der bauliche Wärmeschutz (Verminderung des Heizwärmebedarfs) und der Einsatz erneuerbarer Energien (Verminderung des Primärenergiefaktors bzw. des Einsatzes fossiler Energieträger). Der Heizwärmebedarf wird im wesentlichen durch die Transmissionswärmeverluste über die Bauteile der Gebäudehülle (Außenwand, Fenster, Dach bzw. oberste Geschossdecke, Kellerdecke oder Bodenplatte), die Lüftungswärmeverluste, aber auch durch externe solare und interne Wärmegewinne bestimmt. Eine charakteristische Größe für den Wärmeverlust über die Gebäudehülle ist der sogenannte Wärmedurchlasswiderstand R in m²·K/W bzw. der Wärmedurchgangskoeffi52 zient U = 1/R in W/(m²·K). Die Erhöhung des Widerstandes bzw. die Verminderung des Wärmedurchgangskoeffizienten für die einzelnen Bauteile führt zur Verminderung der Wärmeverluste. Mit erhöhten Anforderungen an die Gebäudedichtheit können unkontrollierte Lüftungswärmeverluste vermieden werden. Als Nachweis für die Gebäudedichtheit kann ein Blower-Door-Test vorgenommen werden. Bild 3.17: Blower-Door-Test Die EnEV begrenzt nicht den Wärmedurchlasswiderstand der Bauteile, die Anforderungen der Energieeinsparverordnung können durchaus unterschritten werden. Hier ist das Wissen des Planers gefragt, einen auf alle Belange der Nachhaltigkeit abgestimmten Entwurf zu entwickeln. Dem Bauherrn steht es frei, die in der EnEV formulierten Anforderungen für den Primärenergiebedarf zu unterschreiten, beispielsweise durch einen erhöhten Wärmeschutz, den Einsatz von Zu- und Abluftanlagen mit Wärmerückgewinnung, den Einsatz erneuerbarer Energien. Mit einem energetisch optimierten Gebäude lässt sich der Passivhausstandard erreichen. Grob lassen sich folgende Standards für den Heizwärmebedarf angeben: Niedrigenergiehausstandard: 60 kWh/(m²·a) Passivhausstandard: 15 kWh/(m²·a) 53 Das folgende Bild gibt einen Überblick zu heute üblichen Definitionen des energetischen Niveaus von Gebäuden gegenüber einem Neubau. Diese energetischen Level fanden bislang vor allem für Ein- und Zweifamilienhäuser Anwendung. Eine Ausdehnung auf Mehrfamilienhäuser und andere Gebäude ist abzusehen. Insbesondere der dargestellte Primärenergiebedarf kann im Einzelfall deutlich unterschiedlich ausfallen, vor allem in Abhängigkeit von der Einbindung regenerativer Energien und/oder vom Einsatz von Wärme aus Kraft-Wärme-Kopplung. Bild 3.18: Heizwärme- und Primärenergiebedarf verschiedener Gebäudemodelle In eingeschränktem Maße stellt die Energieeinsparverordnung auch Anforderungen an Gebäude im Bestand. Insbesondere sind diese bei wesentlichen Änderungen am Gebäude zu berücksichtigen. Ohne hin ist aus wirtschaftlichen Gründen angeraten, eine energetische Modernisierung des Gebäudes mit einer ohne hin notwendigen Sanierung zu verbinden. Im Bild ist die Entwicklung des Heizwärmebedarfs für unterschiedliche Standards ausgehend vom Gebäudebestand aufgezeigt, ergänzt durch Angaben zum Warmwasser und Strom. 54 Bild 3.19: Energiebedarf für den Gebäudebestand 3.5.1.3 Freie oder ventilatorgestützte Lüftung Mit der energetischen Ertüchtigung sowie Verbesserung der Luftdichtheit von Gebäuden stellt die Wahl des Lüftungssystems ein wichtiges Kriterium für die Erfüllung der bautenschutztechnischen und hygienisch-gesundheitlichen Anforderungen sowie für mögliche Energieverluste dar. Im planerischen Ansatz ist zu prüfen, inwiefern die freie Lüftung nutzerunabhängig die notwendigen Mindestluftwechsel ermöglicht, ohne gleichzeitig erhöhte Wärmeverluste durch zu intensives Fensterlüften in Kauf nehmen zu müssen. Das größte Einsparpotenzial besitzen im Bereich der Lüftung zentrale Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung bei dichter Gebäudehülle und minimierter Fensterlüftung durch den Nutzer. Diese stellen andererseits auch sehr kostenintensive Lösungen hinsichtlich Anlagentechnik und Installation sowie Betrieb und Instandhaltung dar. Durch eine KostenNutzen-Analyse sollte vorher geprüft werden, ob der Einsatz im selbstgenutzten Eigentum Vorteile bringt. Neben der Installation einer Abluftanlage kann die notwendige Mindestlüftung der Räume u.U. auch durch Luftdurchlässe in der Außenwand oder den Fensterelementen (freie Lüftung) nutzerunabhängig erreicht werden. Für eine Sicherstellung der Funkti55 onstüchtigkeit ohne Beeinträchtigung des Nutzers durch Zugluft bzw. zu hohe Energieverluste, sind alle Systeme durch den Fachbetrieb zu planen und auszuführen. Systeme der Wohnungslü Wohnungslüftung (nach Wirkprinzip) Freie Lüftung Ventilatorgestützte Lüftung Fensterlüftung Querlüftung (Windlüftung) über ALD Schachtlüftung (Auftriebslüftung) über ALD maßgebliche Antriebskraft: Wind maßgebliche Antriebskraft: thermischer Auftrieb Auftriebslüftung in mehrgeschossigen Wohnungen Schachtlüftung mit Einzelschächten Zuluftsysteme Einzelventilator(Lüftungs-)anlage (ohne WR) Bild 3.20: Freie Lüftung/Querlüftung + ventilatorgestützte Lüftung mit Einzelgerät mit Wärmerückgewinnung für einen Raum Abluftsysteme Zentralventilator(Lüftungs-)anlage (mit / ohne WR) Zu- und Abluftsysteme Einzelgerät je Wohnung bzw. EFH oder je Raum (mit / ohne WR) Bild 3.21: Ventilatorgestützte Lüftung, zentrale Zu- und Abluftanlage mit Wärmerückgewinnung 56 Schnitt Grundriss Bild 3.22: Freie Lüftung – Schachtlüftung über Außenwand-Luftdurchlass und Überstrom-Luftdurchlass Schnitt Grundriss Bild 3.24: Freie Lüftung – Querlüftung über Außenwand-Luftdurchlass und Überstrom-Luftdurchlass 57 3.5.1.4 Tageslichtnutzung Ein hoher Grad der Tageslichtnutzung verringert den Anteil an elektrischer Energie für die künstliche Beleuchtung und hebt deutlich das subjektive Gefühl der Behaglichkeit des Nutzers. Der Gebäudeentwurf hat dabei den größten Einfluss auf die maximale Tageslichtnutzung, da durch die Orientierung des Gebäudes, die Fassadenkonstruktion und die Raumgeometrie bezüglich des Lichteinfalles natürliche Grenzen gesetzt werden. Glasflächenanteile in der Fassade über 30 %, geringe Sturzhöhen, Raumtiefen unter 5 Meter, helle Farben u.a. führen zu einer guten Tageslichtnutzung. Wichtiger zusätzlicher Aspekt bei der Planung ist neben der Optimierung der Tageslichtnutzung die Blendung des Nutzers zu vermeiden. Durch entsprechende innenliegende Blendschutzeinrichtungen ist dieses Problem jedoch leicht zu lösen. 3.5.1.5 Sommerlicher Wärmeschutz Bei hohen Glasflächenanteilen, einem uneffektiven Sonnenschutz, insbesondere in der Ost-, Süd- und/oder Westfassade ist mit einem hohen solaren Wärmeeintrag im Sommer und in der Übergangszeit zu rechnen. Gleichwohl ist dieser „solare Gewinn“ in der Heizperiode erwünscht. Geeignete Maßnahmen für einen guten sommerlichen Wärmeschutz sind die Installation effektiver außenliegenden Sonnenschutzsysteme, die geschickte Ausnutzung der Nachtkühle (Nachtlüftung) und die Berücksichtigung von Speichermassen in den Wänden und Decken. Die richtige Wahl der Baumaterialien (solche mit hoher Wärmespeicherfähigkeit) und der Verzicht auf die Verkleidung von Decken sind wirksame Maßnahmen zur Erhöhung der Speicherfähigkeit der Nachtkühle. Alle diese Möglichkeiten müssen aber mit den anderen Planungskonzepten (Lüftung, Beleuchtung, Schallschutz etc.) abgestimmt werden, da sich hier häufig gegenläufige Abhängigkeiten ergeben können. Ein nachhaltiger Ansatz wird deshalb ein Optimum zwischen den verschiedenen Anforderungen verfolgen. Die einseitige Umsetzung eines Planungsaspektes führt dabei oftmals zur Verfehlung anderer wichtiger Planungspunkte. 58 3.5.1.6 Voraussetzung für aktive Umweltenergienutzung Die in den vorangestellten Abschnitten dargestellten Lösungen zur Minimierung des Energiebedarfs und zur ökologischen Grundversorgung mit Wärme und Strom sind unter den heutigen Bedingungen oft wirtschaftlicher, als die der aktiven Nutzung von Umweltenergie. Gleichwohl entlasten die Anlagensysteme zur aktiven Umweltenergienutzung die Umwelt am nachhaltigsten. Auch werden diese oft gefördert, so dass sie für den Bauherrn von Ein- und Zweifamilienhäusern schon heute von großem Interesse sind. Solarenergie Für Bauherren und Besitzer von Ein- und Zweifamilienhäusern am interessantesten sind die Anlagensysteme zur Nutzung von Solarenergie. Diese stellen entweder Warmwasser, auch für die Beheizung des Gebäudes (thermische Solaranlagen, Bild 3.25) oder Strom (Photovoltaikanlagen, Bild 3.26) bereit. Bild 3.25: Solaranlage und Solarkollektor zur Brauchwassererwärmung 59 Bild 3.26: Photovoltaikanlage (Quelle: Bauphysikkalender 2005) Die aktive Nutzung der Solarenergie ist stark von der geografischen Lage des Gebäudes, der Ausrichtung (Orientierung), der Neigung und vom Wirkungsgrad des Anlagensystems aber auch von solchen Einflüssen wie der Verschattung durch benachbarte Gebäude bzw. Bäume u.a. abhängig. Bild 3.27: Solarstrahlung Deutschland (Quelle: Deutscher Wetterdienst) 60 Energetische Nutzung nachwachsender Rohstoffe Die energetische Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen für die Energieerzeugung ist ein weiterer wichtiger Bereich der aktiven Nutzung von regenerativen Energieressourcen. Als Energieträger kommen derzeit Biomassen (Holzabfälle in verschiedenen Formen, landwirtschaftliche Reststoffe etc.) sowie Pflanzenöle in Frage. Entscheidend bei der Nutzung von Umweltenergien ist, außer der immer wieder diskutierten Wirtschaftlichkeit, die Hinterfragung des ökologischen Nutzens. Hier stellt sich primär die Frage nach der Höhe der anrechenbaren Aufwendungen fossiler Brennstoffe für die Bereitstellung der entsprechenden Energieform (Energieaufwand, Herstellungsprozesse für das Produkt sowie die Transport- und Errichtungsaufwände). Neben den Energiefragen können aber auch ökologische Auswirkungen in die Entscheidung mit einfließen. Speziell bei der Nutzung von Pflanzen ist zu prüfen, welche Aufwendungen im Gesamtprozess anfallen. Durch Dünger, Pflanzenschutzmittel, Erntefahrzeuge etc. sind Belastungen von Böden und Gewässer möglich und auch schon festgestellt worden. Eine nachhaltige Bewirtschaftung der Nutzflächen sollte in jedem Fall sichergestellt sein. 3.5.1.7 Energieversorgung Für die Bereitstellung von Wärme und Strom kann der Bauherr und der Besitzer von Ein- und Zweifamilienhäusern zwischen unterschiedlichen Versorgungslösungen wählen. Diese reichen von hausintegrierten dezentralen Lösungen bis hin zur ausschließlichen Energiebereitstellung (Wärme und Strom) durch ein Energieversorgungsunternehmen. Wichtige hausintegrierte, dezentrale Techniken sind die Niedertemperatur- und Brennwertkessel, die Wärmepumpen und die solaren Systeme (siehe Kapitel 3.5.1.6) zur Wärmebereitstellung bzw. die Klein- und Blockkraftwerke zur Wärme- und Stromerzeugung. Energieträger sind Erdgas, Heizöl- aber auch Biomasse (siehe Kapitel 3.5.1.6). Das an die Erzeugerquelle angeschlossene Heizsystem/System zur Warmwasserbereitstellung ist auf die gewählte Energieversorgungslösung abzustimmen bzw. umgekehrt. Dafür stehen ebenfalls unterschiedlichste Technik zur Verfügung. Besonders 61 nachhaltig sind die Niedertemperaturanlagen und die Techniken zur Nutzung der KraftWärme-Kopplung (Blockheizkraftwerke). Bei der Entscheidung über das geeignete System sollte ein kompetenter Fachberater einbezogen werden. Darin sollte, soweit gegeben, auch die Option einer zentralen Wärme- und Stromversorgung durch ein Energieversorgungsunternehmen Bestandteil der wirtschaftlichen und ökologischen Vergleiche sein. 3.5.1.8 Anbindung an ÖPNV Eine gute, d.h. nahe Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr hilft deutlich den Verbrauch an fossilen Brennstoffen zu mindern. Über die Energieeinsparung hinausgehend, ist auch die Frage zu klären, wie viel Zeit man täglich zwischen seinem Haus und der Arbeitsstelle zubringen möchte, ob ein Zweitwagen erforderlich wird und ob die Zeit im ÖPNV effektiver nutzbar ist als die im Pkw. 3.5.2 Minimierung sonstiger Aufwände bei der Nutzung 3.5.2.1 Reinigungsaufwand Der Reinigungsaufwand eines Gebäudes hängt zum einen von der Nutzung zum anderen von der Wahl des Oberflächenmaterials und seiner Struktur ab. Die Hauptbereiche der Reinigung umfassen im wesentlichen im Innenbereich die Bodenbeläge, Fenster, Küche und Bad sowie im Außenbereich die Gebäudefassade, Dach und Wege. In der nachfolgenden Tabelle sind beispielhaft für verschiedene Oberflächen Indexwerte für Kosten (bezogen auf einen Referenzwert) für tägliche Reinigungs- bzw. Intensivreinigung sowie Reinigungszyklen aufgeführt. 62 Oberflächen Böden Polierter Granit1) Betonwerkstein Kunstharzgebundener Stein Naturwerkstein (poliert) Linoleum PVC Teppichboden Fliesenboden (glasiert) Fliesenboden (unglasiert) Glatter Gummiboden Naturwerkstein (rau) Versiegelter Holzboden Genoppter Gummiboden Tägliche Reinigung Intensivreinigung 100 102 102 100 105 100 102 105 105 110 (90 bis 140) 110 120 120 120 120 150 100 130 130 200 125 135 115 125 - 2) 150 Zyklus [Jahre] Intensivreinigung 2 700 2 310 2 310 1 310 1 0,25 440 1750 2 10 3 310 380 470 20 20 12 100 100 680 20 420 12 680 Außenfassade Aluminiumbekleidungen - Oberfläche anodisch oxidiert (geschliffen) - Oberfläche stückbeschichtet - Oberfläche bandbeschichtet Emaillierte Stahlblechbekleidung Glasbekleidungen - rückseitig emailliert - rückseitig emailliert und metalloxidbeschichtet Faserzementplatten - großformatig - kleinformatig Bekleidungen aus Kupfer Bekleidungen aus Zink Bekleidungen aus Naturwerkstein - mit offener Fuge - mit geschlossener Fuge Bekleidungen aus Betonwerkstein mit Vorsatz Klinkervorsatzschale, zweischaliges Mauerwerk Großformatige Betonfertigteile Bekleidung aus Holz oder Holzwerkstoffen3) 63 Massivholzschalung, 5 170 deckend beschichtet Massivholzschalung, 10 20 Kernholz, unbeschichtet Spez. Fassadenplatten 10 100 aus Holzwerkstoffen 1) Polierter Granit wird im Reinigungsgewerbe üblicherweise als Bezugsbasis herangezogen 2) Abschleifen und Neuversiegelung 3) Deutsche Gesellschaft für Holzforschung (DGfH) 100 - Referenzwert Tabelle 3.3: Reinigungsaufwandindex verschiedener Oberflächen (Leitfaden Nachhaltiges Bauen, BMVBW) Oberflächenmaterialien sollten somit nicht nur unter ästhetischen Gesichtspunkten, sondern auch insbesondere bei Bodenbelägen und Fassadenbekleidungen nach dem erforderlichen Reinigungsaufwand ausgewählt werden. Der Berücksichtigung der Lebensdauer kommt dabei im Rahmen der Lebenszyklusbetrachtung besondere Bedeutung zu. Die mechanische Beanspruchung beschränkt sich im Wohnungsbau im Wesentlichen auf die Bodenbeläge. Diese sind in Abhängigkeit vom Beanspruchungsgrad (z.B. Eingangsbereich, Kinder usw.) sinnvoll zu wählen. Neben den erforderlichen Reinigungsintervallen spielt dabei auch die Reinigungsart eine wesentliche Rolle. Dabei kann der Stromverbrauch von Reinigungsgeräten ebenso genannt werden wie die Abwasserproblematik beim Einsatz chemischer bzw. biologischer Reinigungsmittel sowie mögliche Emissionen aus den Reinigungs- und Pflegeprodukten. Gegebenenfalls erforderliche Reinigungsmaßnahmen für die technische Gebäudeausrüstung (Brenner, Lüftungsanlage etc.) werden im Rahmen der Wartung durch entsprechende Fachbetriebe durchgeführt. Bei lüftungstechnischen Anlagen kann darüber hinaus ein turnusmäßiger Austausch von Filtern durch den Nutzer selbst erforderlich werden. Im Außenbereich sind regelmäßige Reinigungsarbeiten aufgrund von Verunreinigungen von Schmutzpartikel aus der Außenluft, Verschmutzung durch die Nutzung (Gehberei- 64 che), Verschmutzung durch organischen Bewuchs (Moose, Flechten, Algen etc.) durchzuführen. Insbesondere die Entwässerungseinrichtungen, wie Dachrinnen oder Entwässerungseinläufe sind regelmäßig von Verschmutzungen, z.B. durch herabfallendes Laub zu reinigen. Die Reinigung von Außenbauteilen hat somit nicht nur einen rein ästhetischen Hintergrund, sondern können vielmehr auch die Funktion der Außenbauteile sicherstellen. Das gilt für die Beseitigung einer Rutschgefahr durch vermooste Gehwegplatten oder die Reinigung von Solar- und Photovoltaikelementen gleichermaßen. Das Phänomen der Veralgung von Fassaden gewinnt zunehmend an Bedeutung. Neben dem Nahrungsangebot ist dabei ein ausreichendes Feuchteangebot eine wesentliche Voraussetzung für die Möglichkeit von Algenwachstum. Dies ist auf den verbesserten Wärmeschutz der Außenkonstruktion zurückzuführen. Bei hochgedämmten Außenkonstruktionen werden die Außenoberflächen durch die „Abwärme“ aus dem Gebäudeinneren nicht mehr so stark erwärmt. Hierdurch erhöht sich das Feuchteangebot. In klaren Nächten kann sich darüber hinaus durch die Wärmeabstrahlung von den Oberflächen in das Weltall zu einer gegenüber der umgebenden Außenlufttemperatur geringeren Oberflächentemperatur ergeben, mit dem Effekt, dass es zu einer Tauwasserbildung kommen kann. Dieses Phänomen kennen wir von beschlagenden oder bereiften KFZ-Verglasungen in den Morgenstunden. Somit kommt es gegenüber schlecht gedämmten Außenkonstruktionen zu einem erhöhten Feuchteangebot mit der einhergehenden Gefahr der Algenbildung. Eine Möglichkeit gegen Algenbewuchs besteht durch die Wahl von Produkten mit fungiziden Zusatzmitteln. Diese sind jedoch wasserlöslich und können dabei bei einer Schlagregenbeanspruchung aus dem Material herausgewaschen und in das Grundwasser eingeleitet werden. Durch eine geeignete Materialwahl oder eine entsprechende Mikrooberflächenstruktur (z.B. Lotuseffekt) lässt sich die Gefahr von Algenbildung erheblich reduzieren, ohne dass Auswaschungen von Schadstoffen zu befürchten sind. 65 3.5.2.2 Wasserverbrauch Wie bereits beschrieben, kann der Wasserverbrauch in der Nutzungsphase eines Gebäudes durch den Einsatz wassersparender Armaturen und Haushaltsgeräte deutlich reduziert werden. Auch das eigene Verhalten kann zur Schonung der Ressource Wasser beitragen. Ein sparsamer Wasserverbrauch hilft nicht nur der Umwelt, sondern reduziert entsprechend die Trinkwasserversorgungs- und Abwassergebühren. Wie bereits in Abschnitt 3.2.6 beschrieben, ist im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Analyse ggf. auch der Einsatz von Regenwasser- und Grauwassernutzungssystemen zu prüfen. 3.5.2.3 Wartung, Inspektion und Instandsetzung Jede technische Gebäudeausrüstung und jede Baukonstruktion benötigt früher oder später eine Wartung, Inspektion und Instandsetzung. Dieses sollte dem Bauherrn bereits frühzeitig bewusst werden, denn in der Planungsphase werden die wesentlichen Grundsteine für den Aufwand späterer Wartungen und Instandsetzungsmaßnahmen gelegt, die mit entsprechenden Folgekosten in der Nutzungsphase verbunden sind. Es ist empfehlenswert, sofern nicht ohnehin vorgeschrieben, für die technische Gebäudeausrüstung wie Brenner, Pumpen etc. feste Wartungsverträge oder Notdienste mit Fachbetrieben zu vereinbaren. Dabei ist zu prüfen, inwiefern durch diese Vereinbarungen auch eine Erweiterung der Garantieleistungen für die Anlagentechnik möglich wird. Auch die Baukonstruktionen sollten turnusmäßig einer Inspektion unterzogen werden. Hinweise in Abhängigkeit von der Art der Konstruktion sind hierzu in der Hausakte des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Wohnungswesen zu finden. Dabei kann eine Vielzahl der Inspektionsmaßnahmen durch den Bauherrn selbst durchgeführt werden, wie beispielsweise die Überprüfung der Entwässerungseinläufe von Flachdächern und das ggf. erforderliche Säubern der Laubfanggitter oder die Überprüfung des Zustands von Anstrichen. Andere Maßnahmen sind dem Fachmann vorbehalten. 66 Eine regelmäßige Inspektion und Wartung verhindert das Eintreten von Folgeschäden, die meist mit einem erheblich höheren Kostenaufwand verbunden sind. Bei der Instandsetzung ist insbesondere zwischen einer vorsorgenden Instandsetzung und einer ausfallsbedingten Instandsetzung zu unterscheiden. Bei der vorsorglichen Instandsetzung werden die Maßnahmen in festgelegten Intervallen durchgeführt. Der Aufwand und die damit verbundenen Kosten lässt sich somit sicher kalkulieren. Dagegen ist bei der Strategie einer ausfallsbedingten Instandsetzung weder der Zeitpunkt des Ausfalls noch der Umfang von ggf. auftretenden Folgeschäden sicher abschätzbar. Deshalb sollte auch der Eigentümer von selbstgenutztem Wohneigentum frühzeitig an die Bildung einer Instandsetzungsrücklage denken. 3.5.2.4 Abwasser und Abfall Das Thema Abwasser und Abfall gewinnt insbesondere durch steigende Gebühren zunehmend an Bedeutung. Die Inhaltsstoffe im Abwasser werden immer umfangreicher. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an die Wasserqualität des in Abwasserkläranlagen aufbereiteten Abwassers. Damit wird die Aufbereitung technisch wesentlich aufwendiger und kostenintensiver. Wie bereits in vorangegangenen Abschnitten dargestellt, existieren verschiedene Wege, die Abwassermenge zu reduzieren. Das sind das Nutzerverhalten, technische Einrichtungen wie wassersparende Armaturen, die Versickerung des auf dem Grundstück anfallenden Niederschlagswassers bzw. zumindest die Ableitung des Niederschlagswasser in eine Regenwasserkanalisation. In Sonderfällen, je nach örtlicher Gegebenheit, kann auch überprüft werden, ob die Nutzung einer Pflanzen-Kläranlagen auf dem eigenen Grundstück möglich wird. Durch eine Verrieselung der anfallenden Abwässer auf einem Pflanzenbeet und den dort einsetzenden biologischen Abbauprozessen werden die anfallenden Abwässer ausreichend vorgereinigt, um sie im Boden ohne Belastung versickern zu können. Eine derartige Pflanzenkläranlage ist unbedingt vom Fachplaner zu planen. Sie setzt gleichzeitig ein 67 gezieltes Nutzerverhalten voraus, um die Abwasserentwicklung im Hinblick auf die Menge und die Inhaltsstoffe derart zu steuern, dass es zu keiner Zerstörung des biologischen Teppichs im Pflanzenbeet oder eine Belästigung der Nachbarn kommt. Neben dem Abwasser stellt der täglich anfallende häusliche Abfall ein mögliches Umweltproblem dar. Bei den anfallenden Mengen kann in verwertbare und nicht verwertbare Abfälle unterschieden werden. Ziel eines nachhaltigen Abfallkonzepts ist es, das Gesamtabfallaufkommen im häuslichen Bereich zu reduzieren. Durch eine getrennte Sammlung (Recyclingtonnen) kann darüber hinaus der verwertbare Anteil am verbleibenden Gesamtabfallaufkommen erhöht werden. Im Ein- und Zweifamilienhausbereich bietet sich darüber hinaus die fachgerechte Kompostierung der häuslichen organischen Abfälle an. In jedem Fall ist die sorgfältige Trennung der Einzelfraktionen wichtig, denn je weniger Restmüll entsteht, desto geringer sind die Umweltbelastungen durch eine anschließende thermische Verwertung bzw. die Inanspruchnahme von Deponieraum. Insbesondere das persönliche Verhalten beeinflusst sowohl die anfallenden Abfall- wie auch Abwassermengen. Großpackungen reduzieren deutlich die Verpackungsmengen bei gleichem Inhalt. Reduzierter Wasserverbrauch und die bewusste Wahl von Reinigungs- oder Waschmitteln verringert die Abwasserbelastung. 4 Ökonomische Aspekte des nachhaltigen Bauens Wie bereits dargestellt, bedeutet das Planen und Bauen im Sinne der Nachhaltigkeit die Berücksichtigung der drei Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Sozio-Kulturelles, die sich untereinander bedingen. Der Ansatz liegt gerade in der gleichwertigen Betrachtung mit dem Ziel der gleichzeitigen Optimierung aller drei Säulen. Grundlage dafür ist die Erfassung einer baulichen Maßnahme von der Erzeugung der Baustoffe, über die Errichtung, die lange Nutzungsphase bis zum Abriss und Recycling, also über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes – oder kurz die Lebenszyklusbetrachtung. 68 Neben den ökologischen Aspekten des nachhaltigen Bauens (Abschnitt 3) sind die ökonomischen Aspekte von besonderer Bedeutung. Diese sollen im Folgenden sowohl für den Neubaubereich als auch für das Bauen im Bestand, also die Modernisierung, dargestellt werden. Darüber hinaus werden Verfahren zur Wirtschaftlichkeitsbetrachtung erläutert. 4.1 Neubaubereich 4.1.1 Ansatz Bei der ökonomischen Betrachtung werden sowohl die Investitionskosten eines Gebäudes wie auch die prognostizierten Gebäudenutzungskosten einbezogen und als Gesamtkosten eines Bauwerks über seine rechnerische Lebensdauer - als Lebenszykluskosten - erfasst. Daraus ist eine Strategie zu entwickeln, die eine langfristige Werterhaltung (Sicherung des Kapitals) mit einer Steigerung der Effizienz (Minimierung der laufenden Kosten) verbindet. Laut Ackermann [4.1] ist das Ziel der ökonomischen Nachhaltigkeit die Schaffung langlebiger Gebäude unter Minimierung der Lebenszykluskosten. Zur Erreichung dieser Ziele schlägt er die in Tabelle 4.1 dargestellten Maßnahmen vor. Bezogen auf die Lebensdauer eines Gebäudes betragen die Gebäudenutzungskosten in der Regel ein Vielfaches der Investitionskosten. Zur Zeit sind Gebäude in Nutzung, bei denen Betriebs- und Nutzungskosten bereits in weniger als 10 Jahren die Erstellungskosten übersteigen. Auf Grund der angestrebten längeren Nutzungszeiten der Gebäude kommt der Minderung der Betriebs- und Nutzungskosten wachsende Bedeutung zu. Der Ansatz der Lebenszykluskostenbetrachtung ist dabei für Sie als selbstnutzender Eigentümer von besonderem Interesse, da Sie – anders als ein Eigentümer einer Mietimmobilie – selbst von Investitions- und Betriebskosten betroffen sind. Die Minimierung der Lebenszykluskosten macht sich direkt in Ihrem Geldbeutel bemerkbar. 69 Ökonomische Nachhaltigkeit Ziel Maßnahme Vorteil Langlebige, mehrere Nutzungsänderungen überdauernde Grundkonstruktion Leicht austauschbare Subsysteme 3.2 Grundlagen Dokumentation des Gebäudes sowie für den Ge- sämtlicher Gebäudetechniksysteme bäudeÜbersicht über Instandhaltungs- und betrieb, die Erneuerungsarbeiten unter BerückInstandhalsichtigung der Nutzungsdauer von tung und Um- Gebäudeteilen nutzung Leitfaden für Wartung und Betrieb mit festgelegten Wartungsintervallen und -handlungen /Kosten 3. Langlebigkeit /Gebäudebetrieb 3.1 Flexibilität Tabelle 4.1: geringere Kosten für Umnutzung, Schonung der Ressourcen geringere Kosten für Umnutzung geringere Nutzungs- und Instandhaltungskosten der Technischen Gebäudeausstattung effiziente Auslastung der Gebäudetechnik und dadurch Vermeidung von Emissionen Prinzipielle Vorteile des Gebäudeinformationssystem (GIS) Ausbildung des Betreuungsperso- Facility Managements nals Leitfaden für Wartung und Betrieb 3.3 Kosten Minimierung der Lebenszykluskos- Optimierte Lebenszyklusten als Summe aus Errichtungskos- kosten ten und diskontierten Folgekosten Ziele, Maßnahmen und Vorteile ökonomischer Nachhaltigkeit, Auszug aus [4.1] Die frühzeitige Optimierung ökologischer und dabei insbesondere der energetischen Maßnahmen führt auch zu einer Reduzierung der Gesamtkosten eines Gebäudes, da erstens kostenaufwendige Umplanungen oder sogar bauliche Nachbesserungen entfallen und zweitens über eine Senkung der Betriebs- und Nutzungskosten sowie eine Verlängerung der Nutzungsdauer mögliche Steigerungen der Investitionskosten wirtschaftlich abgefangen werden. Dies kann über Wirtschaftlichkeitsberechnungen nachgewiesen werden. 4.1.2 Methodik der Investitionskostenermittlung Die Investitionskosten umfassen die erforderlichen Baukosten zur Errichtung, zum Umbau oder zur Modernisierung eines Bauwerks. Sie werden in der DIN 276 - Kosten des Hochbaus umfassend definiert und setzen sich in der ersten Ebene zusammen aus den Kostengruppen: - 100 Grundstück - 200 Herrichten und Erschließen - 300 Bauwerk - Baukonstruktionen 70 - 400 Bauwerk - Technische Anlagen - 500 Außenanlagen - 600 Ausstattung und Kunstwerke - 700 Baunebenkosten Damit sind alle Kosten erfasst, die bei der Planung und Ausführung einer Baumaßnahme entstehen. Je nach Bedarf und Planungsfortschritt werden diese Kostengruppen in einer zweiten und dritten Ebene weiter spezifiziert. Als Kostenermittlung bezeichnet die DIN 276 die Vorausberechnung der entstehenden bzw. die Feststellung der tatsächlich entstandenen Kosten mit zunehmender Genauigkeit in Abhängigkeit von den Planungsphasen der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) [4.2] - Kostenschätzung (überschlägige Ermittlung der Kosten): dient als Grundlage für die Entscheidung über die Vorplanung. Die Kostenschätzung erfolgt mittels Kostenkennwerten bezogen auf Bruttorauminhalt, Bruttogeschossfläche oder Nutzfläche z.B. nach BKI Baukosten – Statistische Kennwerte für Gebäude. [4.3] - Kostenberechnung (angenäherte Ermittlung der Kosten): dient als Grundlage für die Entscheidung über die Entwurfsplanung. Die Kostenberechnung erfolgt über Bauwerkskosten pro Einheit (z.B. €/m² Außenwandfläche oder €/m² BGF) nach [4.3]. - Kostenanschlag (möglichst genaue Ermittlung der Kosten): dient als Grundlage für die Entscheidung über die Ausführungsplanung und die Vorbereitung der Vergabe der Bauleistungen. Kostenbasis sind die ermittelten Massen. - Kostenfeststellung (Ermittlung der tatsächlich entstandenen Kosten): dient zum Nachweis der entstandenen Kosten sowie zu Vergleichen und Dokumentationen. Kostenbasis sind die abgerechneten Kosten des Bauvorhabens. 71 4.1.3 Baunutzungskosten Während für die Planung und Berechnung der Kosten des Bauwerks eine Reihe bewährter Methoden zur Verfügung stehen, sind die Verfahren zur Planung und Berechnung von Baunutzungskosten weniger verbreitet. Das ist einmal darauf zurückzuführen, dass die Zusammenhänge über die Abhängigkeiten, die langfristige Entwicklung und die ökonomischen Auswirkungen von Baunutzungskosten außerordentlich komplex sind. Sie folgen nicht nur aus den Investitionsentscheidungen, sondern auch aus Verhalten und Handlungen der Nutzer oder Betreiber über lange Zeiträume hinweg. Zum anderen gibt es keine festen Relationen zwischen Bauwerkskosten und Baunutzungskosten. Es ist nicht von vorneherein zu erwarten, dass mit höherem Aufwand für das Herstellen der Bauten die Bauunterhaltskosten immer um ein entsprechendes Maß sinken. Höherer Aufwand für das Bauwerk kann auch entsprechend hohe Bauunterhaltungskosten zur Folge haben. Fest steht, dass mit der Gebäudeplanung und Festlegung der bau- und nutzungstechnischen Maßnahmen nicht nur über die Höhe der Kosten des Bauwerks, sondern auch schon weitgehend über die Entwicklung vieler aus der Baumaßnahme folgenden Kosten entschieden wird. Gemessen am Entscheidungsspielraum des Planers kann der Nutzer bzw. Betreiber eines Bauwerks nur noch einen sehr beschränkten Einfluss auf die Optimierung der aus der Nutzung folgenden Kosten ausüben. Die Fragen der langfristigen Wirtschaftlichkeit eines Gebäudes als Investitionsmaßnahmen müssen daher bereits bei der Planung erkannt und geklärt werden. Erhöhungen der Nutzungskosten durch unvorhergesehene oder nicht ordnungsgemäße Nutzung sind dabei leider nicht vollständig auszuschließen. Die Baunutzungskosten werden in der DIN 18 960 nach Kostengruppen gegliedert und erläutert (Tabelle 4.2). Für die Investitionskostenermittlung liegen langjährige Erfahrungen sowie umfangreiche Instrumente und Tabellenwerke vor, so dass diese mit relativ hoher Genauigkeit und Sicherheit ermittelt werden können. Dies sieht jedoch für den Bereich der Gebäudenutzungskosten zur Zeit noch deutlich anders aus. Hier ist bereits die exakte Berechnung der zukünftigen zu Grunde liegenden Parameter mit erheblichen Fragezeichen zu versehen. 72 1 Kapitalkosten 1.1 Fremdmittel 1.2 Eigenmittel 2 Abschreibung 3 Verwaltungskosten 4 Steuern 5 Betriebskosten 5.1 Gebäudereinigung 5.2 Abwasser und Wasser 5.3 Wärme und Kälte 5.4 Strom 5.5 Bedienung 5.6 Wartung und Inspektion 5.7 Verkehrs- und Grünflächen 5.8 Sonstiges 6 Bauunterhaltungskosten Tabelle 4.2: Baunutzungskosten von Hochbauten DIN 18 960 Lässt sich der zukünftige Energieverbrauch für die Gebäudeheizung und Warmwasserbereitung noch annähernd genau berechnen - obwohl auch hier der spätere Nutzer bereits einen erheblichen Einfluss auf die tatsächlichen Werte hat - werden die Vorausberechnungen zum Beispiel bei den Kosten für die Elektroenergieversorgung eines Gebäudes deutlich schwieriger. Hier spielen das Nutzerverhalten und die spätere gerätetechnische Ausstattung eine wesentlich größere Rolle. Daneben hängen die tatsächlich langfristig anfallenden Kosten von weiteren nicht vorher berechenbaren Faktoren ab. Hier spielen z.B. die allgemeine Entwicklung der Energiepreise sowie auch die politisch begründeten Einflüsse darauf eine wesentliche Rolle. Es können also nur Prognosen angestellt werden. 4.1.4 Verhältnis der Investitionskosten zu den jährlichen Betriebskosten In einigen Bereichen kann davon ausgegangen werden, dass eine höhere Erstinvestition langfristig niedrigere Nutzungskosten bedingt. Häufig korrelieren auch die Belastungen für die Umwelt mit den Betriebskosten. So erfordert ein hoher baulicher Wärmeschutz in Verbindung mit energetisch optimierter Anlagentechnik einschließlich der Nutzung regenerativer Energien in der Regel eine höhere Erstinvestition, führt jedoch in der Gebäudenutzung auf Grund des geringeren Energieverbrauchs zu deutlich günstigeren 73 Betriebskosten. Dabei kann sogar vielfach von einer kurz- bis mittelfristigen Amortisation ausgegangen werden. Parallelen ergeben sich auch im Bereich des Innenausbaus. Der in der Erstinvestition teurere Natursteinboden kann über die hohe Lebensdauer und den geringeren Reinigungsaufwand günstiger als andere Belagsarten sein. Ein hochwertiger und damit kostenintensiver Teppichboden zieht jedoch nicht zwangsläufig geringere Reinigungsaufwendungen nach sich. 4.1.5 Planungsprozess und Kostensteuerung Mit dem nachhaltigen Planen und Bauen kommt dem Instrument der Kostensteuerung im Planungsprozess gegenüber dem heutigen Verständnis eine deutlich erweiterte Aufgabe zu. Bisher bezog sich die Kostensteuerung nur auf die Investitionskosten während des Planungs- und Bauprozesses. Zukünftig sind im Sinne der Lebenszyklusbetrachtung die späteren Baunutzungskosten frühzeitig in die Planung einzubeziehen. Nur dann kann rechtzeitig Einfluss auf die Kostenentwicklung genommen werden, da die Möglichkeiten - wie Bild 4.1 zeigt - mit dem Fortschreiben der Planung sinken. Auch der Bauherr ist laufend in den Planungsprozess einzubeziehen, um frühestmöglich eine größere Planungssicherheit zu erreichen. Damit lassen sich bereits in den ersten Planungsphasen die wichtigsten Weichenstellungen vornehmen, denn die Möglichkeiten kostenrelevante Entscheidungen zu treffen, sinken wie oben dargestellt deutlich, je weiter der Planungsprozess fortschreitet. Da insbesondere die Betriebskosten zu einem erheblichen Teil von der Planung und Ausführung der technischen Anlagensysteme abhängen, ergibt sich in der Konsequenz, dass im Planungsprozess auch eine frühzeitige Beteiligung der verschiedenen Fachplaner – im Sinne einer integralen Planung - vorzusehen ist. 74 Bild 4.1: Die Kostenblöcke in der Planungs-, Bau- und Nutzungsphase und die Chance diese zu beeinflussen [4.4] Laut Ackermann [4.1] betragen die Anschaffungskosten eines Bürogebäudes rund 20 – 30 % der Lebenszykluskosten, die Planungskosten davon wiederum zwischen 5 und 15 %. Bei einem gewählten Ansatz von ca. 5,5 % Honoraranteil an den Anschaffungskosten, betragen die Planungskosten damit ca. 1 % der Lebenszykluskosten - bezogen auf den Errichtungszeitpunkt - die Folgekosten jedoch rund 78 %. Ackermann kommt als Ergebnis einer abgestimmten integralen Planung zu Einsparungen bei den Folgekosten von bis zu 15 % über den Lebenszyklus eines Gebäudes betrachtet. Damit steht einer geringen Erhöhung der Anschaffungskosten auf Grund des Mehraufwandes für eine verbesserte Planung eine deutlichere Einsparung der Folgekosten – dargestellt in den Varianten1 und 2 in Bild 4.2 - gegenüber. 75 Bild 4.2: Einsparung durch verbesserte Planung [4.1] Für Ein- und Zweifamilienhäuser liegen derartige Ergebnisse nicht vor. In der Tendenz sind die Ergebnisse jedoch übertragbar. Ein Mehr an Planung im Hinblick auf eine Lebenszyklusbetrachtung lohnt sich. 4.1.6 Methoden der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung Das Problem, die Wirtschaftlichkeit eines Bauwerks oder Bauteils nach der Höhe der einmalig anfallenden Herstellungskosten (Kosten des Bauwerks) und den laufend aufzuwendenden Bauunterhaltungskosten bestimmen zu wollen, liegt in der Bewertung der zu verschiedenen Zeitpunkten anfallenden Ausgaben. Für die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung von Investitions- und Baunutzungskosten stehen verschiedene Berechnungsverfahren zur Verfügung: Kapital- (Barwert-) methode Die Barwert- oder Kapitalwertmethode ist ein Verfahren zur Wirtschaftlichkeitsberechnung von Investitionen einschließlich der während der Nutzungsdauer auftretenden Baunutzungskosten. Sie wird verwendet, wenn sich die Ein- und Auszahlungen (Kosten und Erträge) einer Investition im Zeitablauf ändern. Da die Zahlungen zu unterschiedli76 chen Zeitpunkten anfallen, können sie nur unter Berücksichtigung von Zinsen miteinander verrechnet werden. Hierzu müssen alle Zahlungen auf einen bestimmten Zeitpunkt – in der Regel den Zeitpunkt der Fertigstellung oder Ingebrauchnahme - auf- oder abgezinst werden. Die Kapitalwertmethode wird in der Regel für preisdynamische Berechnungen eingesetzt, d.h. Preisänderungen z.B. für Energiepreise können über entsprechende Preisänderungsfaktoren berücksichtigt werden. Unter dem Kapitalwert versteht man die Summe aller auf diesen Anfangszeitpunkt diskontierten Zahlungen, also der Investitionskosten sowie alle zukünftigen Kosten und Erträge. Die Wirkung von Zins- und Zinseszinseffekten wird somit berücksichtigt. Die Summe der abgezinsten Zahlungen – ohne die Anfangszahlung A0 (Erstinvestition) wird auch als Barwert B bezeichnet. Damit ergibt sich der Kapitalwert K aus dem Barwert, vermindert um die Anschaffungsauszahlung: K = B - A0 Für die Wirtschaftlichkeit einer Investition bedeutet dieses: Ist K – der erwirtschaftete Überschuss – positiv, so besteht Wirtschaftlichkeit. Ist K negativ lohnt sich die Investition nicht, weil sie mit Verlust behaftet ist. Je später Überschüsse erzielt werden, desto geringer fällt der Barwert aus und kann die Anfangszahlung weniger kompensieren. Weitere Hinweise sowie ein Ablaufplan zur Berechnung nach der Kapitalwertmethode finden sich in [4.5]. Annuitätsverfahren Mit dem Annuitätsverfahren werden periodische und nichtperiodische Zahlungen mit veränderlichen Beträgen während eines Betrachtungszeitraumes in regelmäßige Jahreszahlungen (Annuitäten) umgewandelt. Damit können die in unterschiedlichen Perioden anfallenden Zahlungen – z.B. Erstinvestitionen und laufende Zahlungen – unmittelbar aufaddiert werden, nachdem diese mit Hilfe des Annuitätenfaktors in durchschnittliche Zahlungen transformiert wurden. Hierbei können die innerhalb des Betrachtungszeitraumes auftretenden Zins- und Preisänderungseffekte berücksichtigt werden. Außerdem sind die verschiedenen Nutzungsdauern für die betrachteten Bauteile oder An77 lagensysteme analog zur Kapitalwertmethode auf den gemeinsamen Betrachtungszeitraum zu transformieren. Die Differenz aus der Einzahlungsannuität ANE – z.B. aus Investitionen oder Zuschüssen – und der Summe der kapitalgebundenen ANK, verbrauchsgebundenen ANV, betriebsgebundenen ANB und sonstigen Auszahlungsannuitäten ANs ergibt die Gesamtannuität: AN = ANE – (ANK + ANV + ANB +ANS) Bei einem Vergleich mehrerer Maßnahmen ist diejenige am wirtschaftlichsten, die die höchste Annuität aufweist. Ein Berechnungsblatt sowie ein Ablaufplan zur Berechnung für die Annuitätenmethode finden sich ebenfalls in [4.5]. Amortisationsverfahren Die Amortisationsrechnung ist eine Methode zur Ermittlung der Rückflussdauer (Amortisation) einer getätigten Investition. Dieses Verfahren ist insbesondere aus der Berechnung der Vorteilhaftigkeit von Energieeinsparmaßnahmen bekannt geworden. Je kürzer die Amortisationszeit, desto geringer ist das Risiko einer Investition. Der Begriff der Wirtschaftlichkeit wird damit als Zeitraum definiert, innerhalb dessen sich eine Maßnahme amortisiert haben sollte. Eine Investition ist dann als wirtschaftlich anzusehen, wenn die Amortisationsdauer kleiner als die rechnerische Nutzungsdauer ist. Ein Vergleich verschiedener Investitionen ist in sofern möglich, als diejenige mit der kürzesten Amortisationsdauer als die wirtschaftlichste angesehen werden kann. Mit der Amortisationsrechnung lassen sich nicht der Zahlungsüberschuss oder die Vorteilhaftigkeit des Kapitaleinsatzes im Hinblick auf eine angestrebte Gewinnerzielung ermitteln. Auch für das Amortisationsverfahren bietet [4.5] Berechnungsblätter sowie einen Ablaufplan zur Berechnung. 78 4.1.7 Fazit Grundsätzlich ist festzuhalten, dass Wirtschaftlichkeitsberechnungen bedingt durch die anzusetzenden Nutzungsdauern der Gebäude mit der gebotenen kritischen Distanz zu bewerten sind, da in die dynamischen Investitionsrechnungen neben dem Kapitalisierungsparameter Zins auch verschiedene Preissteigerungsraten ihren Eingang finden. Aussagen zu zukünftigen Zinssätzen sind grundsätzlich spekulativ, sie lassen sich jedoch zumindest mit Indexreihen aus der Vergangenheit untermauern. Bild 4.3: Entwicklung der Heizölpreise 2002 bis 2004 [4.6] Im Grundsatz liegen auch für die relevanten Baunutzungskosten entsprechende Indexreihen vor, die jedoch sehr uneinheitlich verlaufen und über den langen Betrachtungszeitraum prognostisch schwer zu bestimmen sind, da sie von unterschiedlichsten Pa79 rametern – Entwicklung der Lohnkosten, energiepolitische Weichenstellungen, Privatisierungen im Bereich der Versorgungsunternehmen etc. – beeinflusst werden und auf eventuelle Veränderungen sensibel reagieren. Als Beispiel sei hier auf die Entwicklung der Heizölpreise in den letzten drei Jahren verwiesen (Bild 4.3). Auf den Prognosencharakter derartiger Ansätze ist also hinzuweisen. Sie eignen sich aber gut für die Entscheidungsfindung bei einem Variantenvergleich. 4.2 Bauen im Bestand / Modernisierung Im Rahmen der Lebenszyklusbetrachtung eines Gebäudes und den damit verbundenen Lebenszykluskosten ist es auch entscheidend, den aus wirtschaftlicher Sicht richtigen Zeitpunkt für die Durchführung einer Modernisierungsmaßnahme zu bestimmen. Grundsätzlich sollte daher bei jeder anstehenden Instandsetzungsmaßnahme geprüft werden, ob und welche Modernisierungsmaßnahmen im zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden sollten. Dabei ist eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung vorzunehmen, die einerseits die Ersatzinvestition und andererseits die damit verbundenen Einsparungen bei den Baufolgekosten bewertet. Dazu können z.B. verminderte Energiekosten und Kosten anderer Medien (z.B. Wasser) sowie reduzierte Kosten durch verlängerte Instandsetzungsintervalle, oder geringeren Reinigungsaufwand zählen. 4.2.1 Instandsetzungsbedarf Um das wirtschaftliche Potenzial in der Größenordnung einschätzen zu können, soll der in der Bundesrepublik vorhandene Instandsetzungsbedarf im Wohnungsbau näher betrachtet werden. Der geschätzte Instandsetzungsbedarf der alten Bundesländer beträgt nach einer Untersuchung des AIBau [4.7] mit Stand 1999 insgesamt 46,7 Mrd. DM (≈ 23,87 Mrd. EUR). Dieser Gesamtbedarf gliedert sich wie folgt auf: - 25 % kurzfristiger Instandsetzungsbedarf, - 31 % mittelfristiger Instandsetzungsbedarf, - 44 % langfristiger Instandsetzungsbedarf. 80 Für die neuen Bundesländer stellt sich der Instandsetzungsbedarf im Jahr 2000 mit insgesamt 68 Mrd. DM (≈ 34,77 Mrd. EUR) dar, davon kurzfristig rd. 28 Mrd. Euro [4.7]. Insgesamt hat sich der gesamte Instandsetzungsbedarf seit 1993 (mit rd. 84 Mrd. EUR) auf 58,64 Mrd. EUR im Jahr 2000 deutlich reduziert. Dies ist insbesondere auf die erheblichen Anstrengungen durch die Instandsetzung und Modernisierung in den neuen Bundesländern zurückzuführen. 4.2.2 Modernisierungsbedarf Eng verbunden mit dem dargestellten Instandsetzungsbedarf ist die Modernisierung der Wohnungsbestände, mit dem Ziel diese langfristig attraktiv zu halten. Eine weitere Nutzung der bestehenden Bausubstanz liegt im Interesse einer nachhaltigen Entwicklung, da so der Abriss vermieden und die bereits verbauten Baustoffe erhalten bleiben. Gleichzeitig wird der sonst erforderliche Neubau deutlich reduziert, was wiederum zur Schonung der Ressourcen führt. Der Umfang der erforderlichen Modernisierung hängt insbesondere von der Struktur der Gebäude nach Baualtersklassen ab. Zur Zeit sind es vor allem die großen Wohnungsbestände aus den 50er Jahren, die aufgrund des geringen energetischen Standards zu ihrer Entstehungszeit und der einfachen Grundrisslösungen zunehmend grundlegender Erneuerung bedürfen [4.9]. Andererseits finden sich diese Bestände in der Regel in städtebaulich attraktiven Lagen und sind infrastrukturell gut erschlossen, so dass die Modernisierung wirtschaftlich sinnvoll erscheint. Auf der Basis vorhandener Daten aus stichprobenartigen Erhebungen ist eine Quantifizierung des notwendigen Mitteleinsatzes für die Modernisierung des Bestandes der neuen Bundesländer möglich. Im Ergebnis der Untersuchungen ist davon auszugehen, dass zur Erreichung eines durchschnittlichen Wohnkomforts Modernisierungskosten entstehen, die um das 4 bis 6,5-fache über den notwendigen Instandsetzungskosten liegen. Damit werden für den Gesamtbestand der neuen Bundesländer Modernisierungskosten von rund 300 Mrd. DM (≈ 153,39 Mrd. EUR) prognostiziert, davon kurzfristig 119 Mrd. DM (≈ 60,84 Mrd. EUR) [4.7]. 81 Für die alten Bundesländer sind vergleichbare Aussagen auf Grund der fehlenden Datenbasis nicht möglich. Eine Herleitung aus den in 4.2.1 genannten Instandsetzungskosten ist nicht möglich, da die Entscheidung für Modernisierungsmaßnahmen sowie die Festlegung ihres Umfangs aus unterschiedlichsten Motiven erfolgt. Vielfältige Rahmenbedingungen – wie Lage, Vermietungsstand, Wohnstandard, Nachfrage – und die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel der Eigentümer führen zu individuellen Modernisierungsstrategien, die eine zusammenfassende Kostenabschätzung nicht zulassen. 4.2.3 Ökonomische Bewertung Am Beispiel der energetischen Sanierung lassen sich die Grundsätze der wirtschaftlichen Bewertung einer Modernisierungsmaßnahme nachvollziehen. Wie bereits dargestellt, sollte grundsätzlich im Zusammenhang mit anstehenden Instandsetzungsmaßnahmen die Wirtschaftlichkeit sinnvoller Modernisierungsmaßnahmen geprüft werden. Unter der Voraussetzung, dass bei einem vorhandenen Einfamilienhaus – z.B. der 50er Jahre – eine Instandsetzung der Putzfassade erforderlich wird und dieses Gebäude grundsätzlich als erhaltungswürdig einzuschätzen ist, sollte somit untersucht werden, ob das zusätzliche Aufbringen einer Wärmedämmung an der Fassade wirtschaftlich zu realisieren ist. Dazu sind die für die energetische Modernisierung aufzuwendenden Kosten zu ermitteln und den ohnehin erforderlichen Kosten einer Putzsanierung gegenüber zu stellen. Dabei kann angenommen werden, dass z.B. die Gerüstaufstellung und Fassadenreinigung bei beiden Maßnahmen erforderlich sind. Für das Aufbringen zusätzlicher Wärmedämmmaßnahmen müssen die vorhandenen Regenfallrohre demontiert und remontiert werden. Attikableche und Sohlbankbleche müssen ausgetauscht werden. Der Aufwand für die Planung und Bauleitung wird für das Wärmedämmverbundsystem etwas höher angesetzt. Dazu werden mittlere Kosten (ohne Mehrwertsteuer) bezogen auf die jeweilige Bauteilfläche (BTF) angesetzt. Die tatsächlichen Kosten einer Maßnahme werden in der Regel über eine Ausschreibung an Hand einer detaillierten Leistungsbeschreibung ermittelt. Im Ergebnis fallen als tatsächlich energetisch bedingte Mehrkosten 82 bei einer Wärmedämmung der Fassade in diesem Beispiel 22 €/m²BTF an. Exemplarisch wird dies in Tabelle 4.3 dargestellt. Kostenart Gesamtkosten: WDVS [€/m²BTF] 10 0 44 2 10 Instandsetzungskosten: Putzsanierung [€/m²BTF] 10 34 0 3 0 Gerüst, Fassadenreinigung Putzerneuerung / Anstrich WDVS (d = 12 cm) Eckschienen, Bewegungsfugen Sockelschiene, Fensterbänke, Regenfallrohre, Attika Sonstiges, Architekt 13 Summe 79 „Energiebedingte“ Mehrkosten: 79 – 57 = 22 €/ m²BTF 10 57 Tabelle 4.3: Ermittlung energetisch bedingter Mehrkosten einer Modernisierung [4.10] Dieser Mehrbedarf wird im Weiteren bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung zu Grunde gelegt. Amortisationszeit Eine wesentliche Größe zur Bestimmung der Wirtschaftlichkeit ist die Amortisationszeit der betreffenden Maßnahme. Grundsätzlich kann eine Wirtschaftlichkeit angenommen werden, wenn die Amortisationszeit innerhalb der Lebensdauer eines Bauteils – hier des Wärmedämmverbundsystems – liegt. Für die Berechnung der Amortisationszeit sind weitere Parameter (Abschnitt 4.1) zu definieren: - der Zinssatz p soll 5,75 % betragen, damit ist der Zinsfaktor q = 1,0575 (Für Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen im Rahmen von Bauinvestitionen des Bundes wird dazu jährlich vom Bundesministerium der Finanzen ein Zinssatz bekannt gemacht.) - die Preissteigerung beträgt 5,4 %, damit ist der Preissteigerungsfaktor r = 1,054 (Informationen zu Energiepreissteigerungen sind u.a. beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit oder verschiedenen Forschungseinrichtungen z.B. der Prognos AG erhältlich.) - die Lebensdauer des Wärmedämmverbundsystems wird mit 30 Jahren angesetzt (Grobe Schätzwerte zur Lebensdauer können [4.11] entnommen werden.) Durch den Einsatz des Wärmedämmverbundsystems verringern sich die Transmissionswärmeverluste des Gebäudes und damit auch der jährliche Heizenergieverbrauch. 83 Bei Erdgas als Energieträger und einem Ansatz von 0,02 €/kWh ergibt sich daraus eine Heizkosteneinsparung R in Höhe von 2,58 €/m²BTF und Jahr. Die Investition K0 entspricht in diesem Beispiel den energetisch bedingten Mehrkosten von 22 €/m²BTF. Die Amortisationszeit TA wird nach folgender Formel berechnet: K (q − r ) In 1 − o R TA = In (r / q ) Daraus ergibt sich für das gewählte Beispiel eine Amortisationszeit von 9,2 Jahren, die deutlich unterhalb der Lebensdauer eines Wärmedämmverbundsystems liegt. Die folgende Grafik (Bild 4.4) veranschaulicht den Zusammenhang zwischen Energiekosteneinsparung und Investitionskosten. Bild 4.4: Amortisationszeit als Schnittpunkt der Investitionskosten und der Energiekosteneinsparung Somit ist es in diesem Fall als wirtschaftlich anzusehen, über die notwendige Putzsanierung hinausgehend eine energetische Modernisierung mit einem Wärmedämmverbundsystem vorzusehen. Derartige Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen waren auch Grundlage bei der Festlegung der bedingten Anforderungen der Energieeinsparverordnung EnEV zum Bauen im Bestand. 84 Annuitätischer Gewinn Für das gleiche Beispiel lässt sich mit den getroffenen Annahmen über die Berechnung des annuitätischen (jährlichen) Gewinns je m² BTF auch eine wirtschaftlich optimale Dicke der Wärmedämmung ermitteln [4.10]. Bei einer angenommenen Lebensdauer des WDVS von 30 Jahren sowie Mehrkosten von 1,25 €/cm Dämmstoffdicke je Quadratmeter Wärmedämmung markiert der flache Kurvenverlauf zwischen ca. 8 bis 14 cm Dämmstoffdicke – wie die Grafik (Bild 4.5) zeigt – den ökonomisch optimalen Bereich. Insbesondere vor dem Hintergrund noch nicht absehbarer Energiepreissteigerungen innerhalb der Lebensdauer der Wärmedämmmaßnahme sollten die höheren Dämmstoffdicken gewählt werden. Mit Dämmstoffdicken bis 14 cm lassen sich somit wirtschaftliche Wärmedämmmaßnahmen umsetzen. Bei einer Monetarisierung der Folgekosten des Energieverbrauchs, wie z.B. Waldsterben oder Klimawandel und einer volkswirtschaftlichen Einbeziehung dieser externen Kosten in die Wirtschaftlichkeitsberechnung würden sich deutlich höhere sinnvolle Dämmstoffdicken ergeben [4.10]. Derzeit sind diese Kosten jedoch noch von der Allgemeinheit bzw. den zukünftigen Generationen zu tragen. Bild 4.5: Annuitätischer Gewinn 85 Die ökonomische Bewertung einer Modernisierungsmaßnahme im Hinblick auf die Reduzierung der laufenden Kosten ist sicherlich ein wesentliches Kriterium für die Entscheidung, doch sollte das Ergebnis nicht der alleinige Maßstab sein. Gerade das Beispiel zusätzlicher Dämmmaßnahmen zeigt, dass daneben noch andere positive Effekte – z.B. aus baukonstruktiver Sicht – in die Entscheidung einfließen können. Durch das Aufbringen zusätzlicher Wärmedämmmaßnahmen kann die Restlebensdauer der vorhandenen Bausubstanz erhöht werden [4.11]. Damit wird auch die Ressource „Kapital“ geschont – ein weiteres Schutzziel der ökonomischen Dimension der Nachhaltigkeit. Gerade bei energiesparenden Maßnahmen ist die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung ein geeignetes Instrument zur Bewertung einer Modernisierungsmaßnahme. Grundsätzlich lassen sich auch andere Modernisierungsmaßnahmen in gleicher Form bewerten. So kann z.B. der Ersatz eines pflegeintensiven Teppichbodens durch einen Natursteinbelag genauso unter dem Aspekt der langfristigen Einsparung von Reinigungskosten und der längeren Lebensdauer – Minimierung der Ersatzinvestitionen auf Grund von Verschleiß – wirtschaftlich bewertet werden. Zu den Aufwendungen für die Reinigung von Böden und Fassaden sind in [4.12] Aufwandszahlen für verschiedene Belags- bzw. Bekleidungsarten enthalten, die in der Bewertung der Wirtschaftlichkeit einer Natursteinausführung den erhöhten Investitionskosten gegenüber gestellt werden können. Für andere Belange ist es jedoch erforderlich, dass zur Abschätzung der Bauunterhaltskosten zukünftig auf eine verlässliche und transparente Datengrundlage zurückgegriffen werden kann. In diesem Bereich besteht jedoch noch die Notwendigkeit fundiertes Datenmaterial statistisch zu erheben und auszuwerten sowie erheblicher Forschungsbedarf, um allgemein gültige Bewertungsverfahren zu entwickeln. 5 Sozio-kulturelle Aspekte des nachhaltigen Bauens Während für die ökonomische und ökologische Dimension der Nachhaltigkeit quantifizierende Bewertungsmethoden gegeben sind, entzieht sich die sozio-kulturelle Dimension einer Quantifizierung. 86 Die sozio-kulturellen Aspekte können insbesondere wie folgt differenziert werden: kulturelle Aspekte - -- Ästhetik und Gestaltung, -- Denkmalschutz. soziale Aspekte - -- Behaglichkeit (thermisch, akustisch), -- Gesundheitsschutz/Raumluftqualität, -- Barrierefreiheit. Sozio-kulturelle Aspekte Gestalterische Wirkung auf den Menschen Integration in die Umgebung Behaglichkeit - thermisch - akustisch - visuell Ästhetik Gesundheitsschutz Raumluftqualität Barrierefreiheit Bild 5.1: 5.1 Denkmalschutz Sozio-kulturelle Aspekte des nachhaltigen Bauens Kulturelle Aspekte Ästhetik und Gestaltung Im Hinblick auf die Ästhetik und Gestaltung ihres Wohngebäudes, aber auch bezüglich der Integration in die Umgebung wird Ihnen Ihr Architekt einen entsprechenden Gebäudeentwurf erarbeiten. Auf die Bedeutung des Flächennutzungsplans, der die geplante räumliche Ordnung vorgibt, wurde bereits hingewiesen. Hier können auch andere Aspekte – wie beispielsweise die aktive und passive Sonnenenergienutzung – tangiert werden. 87 Denkmalschutz Beim Erwerb eines Gebäudes aus dem Bestand können darüber hinaus Anforderungen an den Denkmalschutz greifen. Zuständig sind die unteren Denkmalschutzbehörden in den Stadt- und Kreisverwaltungen, das Landesamt für Denkmalpflege als zentrale Landesfachbehörde sowie auf ministerieller Ebene die oberste Denkmalschutzbehörde. Gemeinsam mit den Bauaufsichtsämtern sind bei der Instandsetzung und Modernisierung eines denkmalgeschützten Gebäudes die Denkmalschutzbehörden in das Genehmigungsverfahren einzubeziehen. Grundsätzlich ist zu empfehlen, den Denkmalschutz frühzeitig in die Planung einzubeziehen. Unter Umständen werden Ihnen die Denkmalschutzbehörden bei den Maßnahmen der Instandsetzung und Modernisierung Auflagen erteilen. Dies mag zunächst als Nachteil erscheinen. Auf der anderen Seite gewinnen Sie ein Unikat aus unserem kulturellen Erbe, das an Individualität nicht zu übertreffen ist. Gegebenfalls vorhandene staatliche Fördermaßnahmen können Ihnen helfen, die Mehrkosten aus den Auflagen des Denkmalschutzes zu minimieren. 5.2 Soziale Aspekte Behaglichkeit Gebäude, in denen sich Menschen aufhalten, müssen den Bedürfnissen ihrer Nutzer entsprechen und sollten ein hohes Maß an Wohlbefinden gewährleisten. Dabei kann man den allgemeinen Begriff der Behaglichkeit grundsätzlich mit folgenden Inhalten definieren: - Thermische Behaglichkeit -- Temperatur der Raumluft und der Begrenzungsflächen, -- Feuchte, -- Luftgeschwindigkeit, 88 -- Bekleidung. Die Wahrnehmung erfolgt durch den Wärme- und Tastsinn. - Hygienische Behaglichkeit -- Reinheit der Raumluft bezüglich Schadstoffen, Stäuben und Fasern, -- Ionisation und Ozongehalt der Luft. Die Wahrnehmung erfolgt durch den Geruchssinn. - Optische und visuelle Behaglichkeit -- Beleuchtungsniveau, -- Gleichmäßigkeit der Beleuchtung, -- Farbe. Die Wahrnehmung erfolgt durch den Sehsinn. - Akustische Behaglichkeit Die Wahrnehmung erfolgt durch den Hörsinn. Thermische Behaglichkeit Bei der äußeren Wärmeabgabe des Körpers wirken eine Vielzahl von Faktoren zusammen: - Wärmeabgabe von der Körperoberfläche an die Luft, - Wärmeleitung an berührende Flächen, z.B. Füße auf Natursteinboden, - Wärmestrahlung von der Körperoberfläche an die umgebenden Bauteile etc., - Verdunstung von Wasser auf der Haut, - Atmung, Einnahme von Speisen u.a. Neben der Kleidung und der körperlichen Aktivität sind vier Elemente des Luftzustandes für die thermische Behaglichkeit von Bedeutung. - die Lufttemperatur sowie die Gleichmäßigkeit derselben, - die Luftbewegung, - die Temperaturen der Umschließungsflächen sowie - die Luftfeuchte. 89 Eine unbehagliche Körperreaktion auf das Umgebungsklima kann durch Zugluft ungewöhnlich hohe vertikale Temperaturdifferenz, zu warmen oder zu kalten Fußboden oder zu hohe vertikale Strahlungstemperatur – Asymmetrie verursacht werden. Thermische Behaglichkeit ist somit planbar. So erhöht beispielsweise ein guter baulicher Wärmeschutz die Innenoberflächentemperatur der Außenbauteile. Die Wärmeabstrahlung des Körpers an die Bauteile sinkt, die Behaglichkeit steigt. Hygienische Behaglichkeit Zum Aspekt der hygienischen Behaglichkeit wird nochmals auf die Sicherstellung der Raumluftqualität entsprechend Kapitel 3.4.1 und 3.4.2 verwiesen. Akustische Behaglichkeit Jede Art der Schallinformationen, die man wahrnimmt, beeinflusst in irgendeiner Weise das Wohlbefinden. Das kann sowohl Luftschall wie auch Körperschall sein. Den Luftschall nehmen wir direkt am Ohr wahr. Dagegen wird Körperschall meist als Schwingung über das Skelett aufgenommen, z.B. über die am Boden stehenden Füße. Besonders Luftschall tiefer Frequenzen kann aber auch Körperschall anregen. Fehlt der Schalleinwirkung der von uns erwartete Einklang mit der Erwartungshaltung, so bezeichnen wir diese abweichende Wahrnehmung als Lärm. Dabei ist Lärm ein subjektiver Begriff zur Einordnung der Umgebungsgeräusche, die als störend und lästig empfunden werden oder die zu gesundheitlich negativen Beeinträchtigungen führen können. Im Hinblick auf die möglichen Maßnahmen sowie die Anforderungen an den Schallschutz gegen Außenlärm oder den Schallschutz im eigenen Wohn- und Arbeitsbereich wird auf Kap. 3.2.9.3 verwiesen. 90 Barrierefreiheit Die Barrierefreiheit ist kein Wohnbedürfnis, das sich lediglich auf Senioren oder Menschen mit Behinderungen bezieht. Auch andere Gruppen profitieren von der Barrierefreiheit. Kleine Kinder können sich selbständig in der Wohnung bewegen, Eltern können Kinderwagen und schweres Gepäck leichter transportieren. Zum barrierefreien Bauen gehört nicht nur die Vermeidung von Treppen, Stufen oder Schwellen, sondern auch Planung ausreichender Bewegungsflächen, vor allem im Bad und Küche. Ein Zugang des Wohngebäudes sollte ebenerdig ausgeführt werden. Der Einbau von bodengleichen Duschen sollte ebenfalls geprüft werden. Schalter, Klinken und Schlösser in einer Einbauhöhe von ca. 85 cm sind auch für Kinder gut zugänglich. Ausreichende Durchgangsbreiten von Türen erleichtern auch den Transport von sperrigen Gegenständen oder Kinderwagen. Ein- und Zweifamilienhäuser sind in der Regel mehrgeschossig und damit nicht barrierefrei. Durch eine geschickte Planung kann man sich hier jedoch bereits Optionen für die Zukunft offen halten. Die Kinder ziehen aus. Die Familie verkleinert sich. Der Raumbedarf sinkt. Deshalb sollte man von Anfang an vorsehen, dass ein Teil des Gebäudes selbständig und ohne Beeinträchtigung der Nutzung des anderen Gebäudeteils später vermietet werden kann. Hierzu kann man bereits bei der Neubauplanung ein abtrennbares Treppenhaus bzw. Außentreppen vorsehen, die es ermöglichen, den oberen Teil des Hauses zu vermieten, während man den unteren Teil mit allen Vorzügen des barrierefreien Zutritts weiter nutzen kann. Die Mieteinnahmen stellen gleichzeitig eine Form der Altersversorgung dar. 91 6 Zusammenfassung Das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung gewinnt insbesondere im Bauwesen zunehmend an Bedeutung. Zum einen sind dabei die erheblichen Massenströme und der damit verbundene Ressourcenverbrauch für die Errichtungsphase und in der Nutzungsphase der Energieverbrauch zu nennen. Zum anderen wirken Maßnahmen im Bereich des Bauens und Wohnens auf Grund der hohen Lebensdauer von Bauwerken sehr langfristig. Die Anforderungen an Planung und Ausführung von Ein- und Zweifamilienhäusern unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeit sind besonders anspruchsvoll, da gleichzeitig die vielfältigen Aspekte der drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – Ökologie (Kap. 3), Ökonomie (Kap. 4) und Sozio-Kulturelles (Kap. 5) – berücksichtigt werden müssen. Hier ist eine Optimierung der sich gegenseitig – teilweise gegenläufig – beeinflussenden Aspekte erforderlich. Die Lebenszyklusbetrachtung – also die Berücksichtigung sämtlicher Effekte von der Rohstoffgewinnung über die Gebäudeerrichtung, die lange Nutzungsphase mit möglichen Instandsetzungs- und Modernisierungszyklen bis hin zum Abriss und Recycling des Gebäudes bzw. seiner Bauteile oder Baustoffe – stellt dabei eine weitergehende Stufe der Bauqualität dar. Hier liegen auch die Chancen. Gegebenenfalls höhere Investitions- oder Planungskosten können sich über eine Reduzierung der Nutzungskosten schnell amortisieren (win-win-Situation). 92 7 Literatur / Institutionen Zitierte Literatur [1.1] Abschlussbericht der Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Um- welt“ des 13. Deutschen Bundestags. „Konzept Nachhaltigkeit, vom Leitbild zur Umsetzung“, Bonn, Deutscher Bundestag, Referat Öffentlichkeitsarbeit, 1998 [1.2] BMWi: „Energie Daten 2003, Nationale und internationale Entwicklung“, 2004, Berlin [1.3] Hegner, H.-D.; Vogler, I.: Energieeinsparverordnung EnEV - für die Praxis kom- mentiert, Verlag Ernst & Sohn, Berlin, 2002 [1.4] Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen: „Energieflussbild 1999 für die Bundesre- publik Deutschland“, Juli 2000, Berlin, Köln [1.5] Bundesarchitektenkammer (Herausgeber): „Energiegerechtes Bauen und Mo- dernisieren“, Birkhäuser Verlag, Basel, Schweiz, 1996 [1.6] Leitfaden Nachhaltiges Bauen“, Herausgeber: Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Januar 2001 [1.7] Vogdt, F. U.: Nachhaltigkeit des Bauens – Lebenszyklusbetrachtung baulicher Anlagen, BDB Jahrbuch ´2003, Bund Deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure e.V., Berlin, 2003 [2.1] Leitfaden Nachhaltiges Bauen, Herausgeber: Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Januar 2001 [2.2] Kompetenzzentrum kostengünstig qualitätsbewusst Bauen: Hausakte [3.1] DIN 4109 „Schallschutz im Hochbau“ (Ausgabe 1989-11) [3.2] VDI 4100 Schallschutz von Wohnungen (Ausg. Sept. 1994) [3.3] E DIN 4109-10 (Ausg. Juni 2000) 93 [3.4] Deutsches Institut für Bautechnik (DIBt): Zulassungsgrundsätze zur gesundheitli- chen Bewertung von Bauprodukten in Innenräumen – Stand Juni 2004, DIBt Mitteilungen 4/2004, 119 – 134 [3.5] Verordnung zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Gefahrstoffverordnung – GefStoffV), Stand 01/2003 [3.6] Umweltdaten Deutschland Online, Umweltbundesamt [3.7] C.A.R.M.E.N. / CMA / FNR: Dämmstoffe aus der heimischen Natur [3.8] Neufassung Energieeinsparverordnung EnEV vom 2. Dezember 2004 [4.1] Ackermann, Andreas: Integrale Planung nachhaltiger Gebäudekonzepte – Auf- gaben und Chancen des Projektmanagements; Master Thesis im Internationalen Masterstudiengang Projektmanagement an der Fachhochschule Stuttgart – Hochschule für Technik; 2004 [4.2] Honorarverordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI); Text mit amtlicher Begründung und Anmerkungen; Hrsg.: Franz Hermann Depenbrock und Oskar Vogler; Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH; Ausg. 1996, 2. überarb. Auflage 2002; Köln [4.3] BKI Baukosten – Teil 1: Statistische Kostenkennwerte für Gebäude; Hrsg.: BKI Baukosteninformationszentrum Deutscher Architektenkammern GmbH; Stuttgart, 2004 [4.4] Pfarr, Prof. Dr. Karl Heinz: Handbuch der kostenbewussten Bauplanung - Ansät- ze zu einem den Planungs- und Bauprozess begleitenden Kosteninformationssystem; Schrift zur Ingenieurökonomie Bd. 1; Dt. Consulting Verlag; Wuppertal 1976; S 4, Abb. 7 [4.5] VDI 2067: Betriebstechnische und wirtschaftliche Grundlagen - Wirtschaftlich- keitsberechnungsverfahren; VDI – Richtlinien; Blatt 1, Beiblatt; Oktober 1991 [4.6] Tecson GmbH: Rechnerisch gemittelter Durchschnittspreis in Deutschland – 2002 bis 2004; Internet www.tecson.de [4.7] Oswald, Prof. Dr.-Ing. Rainer / AIBau – Aachener Institut für Bauschadensfor- schung und angewandte Bauphysik; u.a.: Systematische Instandsetzung und Modernisierung im Wohnungsbestand; Aachen 2001 94 [4.8] Asam, Claus; Vogdt, Dr. Ing. Frank U. /IEMB e.V.; u.a.: Dialog Bauqualität – For- schungsbericht im Auftrag des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung; IEMBBericht Nr.: 1-14/2002 [4.9] Enseling, Andreas; Greiff, Rainer; Hinz, Eberhard / Institut Wohnen und Umwelt: Erneuerung älterer Wohnungsbestände in Stufen; Darmstadt, 2002 [4.10] Energie sparen Heizkosten senken CO2-Ausstoß mindern – Ratgeber zur energetischen Gebäudemodernisierung; Hrsg.: Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung in Zusammenarbeit mit dem Institut Wohnen und Umwelt; 2001 [4.11] Marquardt, H.: Korrosionshemmung in Betonsandwichwänden durch nachträgliche Wärmedämmung, Dissertation. Technische Universität Berlin, Berichte aus dem Konstruktiven Ingenieurbau, Heft 14. Berlin 1992 [4.12] Leitfaden Nachhaltiges Bauen, Herausgeber: Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Januar 2001 Weiterführende Literatur C.A.R.M.E.N. / CMA / FNR: Biomasse – nachwachsende Energie aus Land- und Forstwirtschaft DENA: Gesund Wohnen durch richtiges Lüften und Heizen DENA: Modernisierungsratgeber Energie, Kosten sparen – Wohnwert steigern – Umwelt schonen DENA: Thermische Behaglichkeit im Niedrigenergiehaus, Energie sparen. Wohnwert steigern – Bauschäden vermeiden FNR / BMVEL: Handbuch Bioenergie-Kleinanlagen Kompetenzzentrum kostengünstig qualitätsbewusst Bauen: Checkliste zur Auswertung von Bau- und Leistungsbeschreibungen für Ein- und Zweifamilienhäuser 95 Kompetenzzentrum kostengünstig qualitätsbewusst Bauen: Mindestanforderungen an Bau- und Leistungsbeschreibungen für Ein- und Zweifamilienhäuser Kompetenzzentrum kostengünstig qualitätsbewusst Bauen: Nachträgliche Wärmedämmung von Dachgeschossdecken Landesinstitut für Bauwesen des Landes Nordrhein-Westfalen: Kostengünstig ökologisch planen und bauen, 1997 Landesinstitut für Bauwesen des Landes Nordrhein-Westfalen: Leitfaden zur ökologischen Altbausanierung, 2001 Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit: Kostengünstiges und umweltverträgliches Bauen, Bau-Handbuch für Wohneigentümer SIA 0123 Hochbaukonstruktionen nach ökologischen Gesichtspunkten SIA 093 Deklaration ökologischer Merkmale von Bauprodukten nach SIA 493 Institutionen AgBB – Ausschuss zur gesundheitlichen Bewertung von Bauprodukten AGÖF – Arbeitsgemeinschaft ökologischer Forschungsinstitute e.V. AUB – Arbeitsgemeinschaft umweltverträgliches Bauprodukt BAFA – Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Antrag Energieerstberatung, Marktanreizprogramme) BMVBW – Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen BBR – Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung BUND – Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland e.V. C.A.R.M.E.N. – Centrales Agrar-Rohstoff-Marketing- und Entwicklungs-Netzwerk e.V. CMA – Centrale Marketing-Gesellschaft der Deutschen Agrarwirtschaft mbH 96 DENA – Deutsche Energie Agentur Fachvereinigung Betriebs- und Regenwassernutzung FNR – Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. IWU – Institut Umwelt und Wohnen Darmstadt Kompetenzzentrum kostengünstig qualitätsbewusst Bauen Landesinstitut für Bauwesen des Landes Nordrhein-Westfalen Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit Öko-Zentrum NRW – Zentrum für biologische und ökologisches Planen und Bauen GMBH & Co. KG RAL – Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung e.V. SIA – Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein Umweltbundesamt 97