Minimal Cognitive Impairment – leichte kognitive Störung Claus-W. Wallesch BDH-Klinik Elzach [email protected] Häufigste Frage in Memory Clinic: Liegt eine zu Demenz führende Erkrankung vor? Hier ist die Frage nicht „Bin ich dement?“ (klinisch leicht zu beantworten) sondern „Werde ich dement werden?“ • Kognitive Störungen im Bereich der Norm - die/der „beunruhigte Patient/in“ • „benign senile forgetfulness“/“mild cognitive impairment“ (erhöhtes Risiko, ca. 10%/Jahr) • depressive Pseudodemenz (erhöhtes Risiko, ca 50% ADRate über 10 Jahre, behandelbar mit kognitivem Residuum) • Depression (behandelbar) • Ganser-Syndrom (sehr selten, eindeutig zu diagnostizieren) • protrahiertes akutes organisches Psychosyndrom (z.B. toxische oder metabolische Encephalopathie) Mild Cognitive Impairment (AAN, 2001) Kriterien (Petersen et al, AAN, Neurology 2001): Subjektive Gedächtnisstörungen, möglichst fremdanamest. bestätigt Objektive Gedächtnisdefizite (Neuropsychologie) Im übrigen normale kognitive Funktionen (Neuropsychologie) ADL intakt Demenzkriterien werden nicht erfüllt Konversionsrate zu AD zwischen 6% und 25%/ Jahr Bei diesen Patienten erscheint regelmäßiges Screening sinnvoll (Guideline) Die Identifikation von Patienten mit erhöhtem Risiko sollte mittels neuropsychologischer Untersuchung erfolgen (Guideline) -> a) Aufwand, b) keine Leistung der GKV Ebenfalls sinnvoll sind Fremdratinginstrumente (z.B. IQCODE) (Option) Informant Questionnaire on Cognitive Decline in the Elderly (IQCODE) - auch alzheimerlastig, aber sensitiver als MMSE (Jorm, A.F., Scott, R. & Jacomb, P.A. (1989). Int J Geriat Psychiat, 4, 35-39) Wie gut kann Ihr/e Freund/in/Angehörige/r im Vergleich zu vor 10 Jahren: 1) Gesichter von Angehörigen und Freunden erkennen viel besser etwas besser wenig Änderung etwas schlechter viel schlechter 2) Namen von Angehörigen und Freunden erinnern 3) Informationen über Angehörige und Freunde erinnern wie z.B. Berufe, Geburtstage, Adressen 4) sich an kürzlich Geschehenes erinnern 5) sich nach einigen Tagen an Unterhaltungen erinnern 8) Wochentag und Monat des heutigen Tages erinnern 12) vertraute Haushalts- und Gartengeräte benutzen 23) beim Einkaufen mit Geld umgehen (Insgesamt 26 Items (Deutsche Übersetzung Wolf et al., 2009, Nervenarzt) Leichte Kognitive Störung/ Minimal cognitive impairment DSM IV: „leichte neurokognitive Störung“ - Beeinträchtigungen in mindestens zwei kognitiven Funktionsbereichen - Gedächtnisstörung nicht obligat - berichtet von Patient oder Bezugsperson - müssen zu Beeinträchtigungen in sozialen oder beruflichen Funktionen führen und über mehr als 2 Wochen bestehen - neuropsychologisch objektivierbar und Minderung gegenüber bisherigem Leistungsniveau - nicht durch Delir, Demenz, amnestische Störung oder andere psychische Störung bedingt ICD 10 „leichte kognitive Störung“ - psychometrisch objektivierbare Einbußen in einem Leistungsbereich, von Patient oder Bezugsperson berichtet - cerebrale oder systemische Krankheit als Ursache wahrscheinlich Subtypen der leichten kognitiven Beeinträchtigung Heimann & Wallesch 2005, nach Petersen et al. 2001 Erste Symptome von frontotemporaler Demenz, semantischer Demenz und M.Alzheimer (Shinagawa et al., Dement Geriatr Cogn Disord 2006) Symptom (in %) N FTD 36 SD 17 AD 52 Änderung Sozialverhalten Enthemmung Apathie, Rückzug, Aspontaneität Stereotypes Verhalten Summe Verhaltensauffälligkeiten 8 6 14 13 41 0 0 4 4 8 0 1 3 0 4 Gedächtnisstörungen 9 8 62 Wortfindungsstörungen Paraphasien Sprachverständnisstörungen Summe Sprachstörungen 8 2 2 12 25 17 17 59 3 0 0 3 Symptome traten jeweils ca. 3 Jahre vor Diagnosestellung auf. Die Deutsche S3-Leitlinie „Demenzen“ MCI mit Gedächtnisstörungen als Leitsymptom ist in besonderem Maße mit dem Risiko für eine AlzheimerDemenz assoziiert. Das Syndrom MCI kann anhand des klinischen Bildes und unter Einbezug neuropsychologischer Testverfahren festgestellt werden. Kurztests wie der MMST, der DemTec und der TFDD haben keine hinreichende Sensitivität für die Feststellung des MCI. Die neuropsychologische Diagnostik sollte mindestens ein Verfahren zur Messung des verzögerten Abrufs umfassen, da diese Leistung ein Frühindikator für eine beginnende Alzheimer-Demenz darstellen kann, sowie Testungen zu Aufmerksamkeitsleistungen und Exekutivfunktionen beinhalten. Die Deutsche S3-Leitlinie „Demenzen“ Die zugrundeliegende Ursache von MCI kann eine beginnende neurodegenerative Demenz sein, ist es aber nicht in jedem Fall. Andere häufige mögliche Ursachen sind vaskuläre Läsionen, depressive Episoden, Medikamentennebenwirkungen und Alkoholmissbrauch. Mögliche Ursachen eines MCI sollten mit angemessenen diagnostischen Maßnahmen geklärt werden. -> Diagnostik wie bei Vorliegen einer Demenz Die deutsche S3-Leitlinie (verabschiedet Ende 2009) Zu MCI: „Es gibt keine Evidenz für eine wirksame Pharmakotherapie zur Risikoreduktion des Übergangs einer MCI zu einer Demenz.“ „Es gibt keine Evidenz für wirksame nicht-pharmakologische Therapien zur Risikoreduktion des Übergangs einer MCI zu einer Demenz.“ Zur Prävention von Demenzen: „Vaskuläre Risikofaktoren und Erkrankungen (z.B. Hypertonie, Diabetes mellitus, Hyperlipidämie, Adipositas, Nikontinabusus) stellen auch Risikofaktoren für eine spätere Demenz dar. Daher trägt deren leitliniengerechte Diagnostik und frühzeitige Behandlung zur Primärprävention einer späteren Demenz bei.“ Elemente der Therapie der leichten kognitive Störung 1. Behandelbare Grunderkrankungen (Hypothyreose, B12Mangel, nächtliche Hypoglykämien, Medikamenten-NW, Substanzmissbrauch) müssen auch bei MCI ausgeschlossen bzw. behandelt werden. 2. Auf Medikamente mit anticholinergen Nebenwirkungen sollte, wenn immer möglich, verzichtet werden. 3. Eine Depression muss ausgeschlossen bzw. behandelt werden. 4. Gedächtnistraining bei MCI verbessert Gedächtnisleistungen bei den Betroffenen, aber auch bei gesunden Alten (Belleville et al. 2006). 5. Bei hypertensiven Patienten mit MCI soll die Gabe von Calciumantagonisten die kognitiven Leistungen bessern (Hanon et al. 2006). 6. Eine kleine randomisierte Studie berichtet einen positiven Effekt von Fluoxetin auf Gedächtnis und Kognition bei MCI (Mowla et al. 2007).